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CAREERSTEP SPEZIAL | 2013
Weiblich, erfolgreich, hochqualifiziert sucht...
Zukunftsperspektiven
Berufliche Chancengleichheit auf dem Prüfstand
einer weiblichen Young Professional
Gastautorin: Channa meister
Der Berufseinstieg nach dem Studium ist
erfolgreich gelungen, ein Berufsweg einge-
schlagen und die ersten Schritte auf der Karriereleiter sind
getan. Frau ist bereit zu grossen Taten! Schliesslich gehört
sie zu einer neuen Generation, der in Zeiten der Gleichbe-
rechtigung alle Wege offen stehen. Oder etwa doch nicht?
Wer ein wenig an der glänzenden Oberfläche dieser schö-
nen neuen Welt kratzt, steht am Ende doch vor der ewigen
Frage «Kind oder Karriere?».
Die ersten beruflichen Schritte sind getan, frau hat wertvolle Berufserfah-
rung gesammelt und fragt sich, wie es weitergehen soll. In der gleichen Firma
bleiben oder wechseln? Wo habe ich die besten Entwicklungsmöglichkeiten?
Wäre eine Weiterbildung an der Zeit? Oder sogar ein Berufswechsel? Leise
hört sie es plötzlich, dieses Geräusch im Hinterkopf: tick tack – die biologi-
sche Uhr – die unsichtbare Grenze von 35 Jahren und die vielen Fragen, die
in dem Zusammenhang plötzlich auftauchen. Wie weit muss ich es karriere-
technisch bis dahin gebracht haben, um meine Kompetenzen im Fall einer
Schwangerschaft nicht zu verlieren? Bleibt mir überhaupt genügend Zeit, bis
dahin eine neue Richtung einzuschlagen? Und wie geht es danach weiter?
Diverstity –
Realität oder
Marketing-Kalkül?
Da Frauen ein fester Bestandteil der Arbeitswelt geworden sind, sollten sich
diese Fragen eigentlich gar nicht stellen. Viele Firmen schreiben sich auf die
Fahne, Männern und Frauen gleichermassen Karrierechancen zu bieten, Di-
versity zu leben. Aus schönen Broschüren strahlen uns junge Frauen entgegen,
die uns vermitteln: «Hier kann ich alles erreichen!». Wie sieht aber die Realität
hinter diesen Marketing-Instrumenten aus? Gibt es wirklich so viele erfolg-
reiche Frauen in den Firmen? Bringen sie es gleich weit wie ihre männlichen
Kollegen, auch im kritischen Alter zwischen 30 und 40, in dem die Familien-
planung zum Thema wird? In vielen Unternehmen steigen ebenso viele weibli-
che wie männliche Absolventen ein. Das schöne Bild der erfolgreichen jungen
Frau in den Rekrutierungsbroschüren lässt sich also noch bestätigen. Ginge
man aber auf die Suche nach ihrer etwas älteren Kollegin, würde sich dies
schon wesentlich schwieriger gestalten. In höheren Positionen, insbesondere
in der Altersklasse ab 35, nimmt die Frauenquote drastisch ab und reduziert
sich bis zu den oberen Führungsebenen auf wenige Einzelbeispiele.
Mangelnde Infra-
struktur für berufstätige
Eltern
Der erste Realitätscheck zeigt also, dass wir uns noch nicht in einer Generati-
on der unbegrenzten Möglichkeiten befinden. Jedenfalls diejenigen Frauen,
die sich nicht zwischen Familienleben und Beruf entscheiden möchten. Wo-
ran liegt das? Ein Blick auf die Infrastruktur der ausserfamiliären Kinderbe-
treuung in der Schweiz erklärt einiges: Krippenplätze sind Mangelware, die
Anmeldefristen rigide und die Wartefristen lang. Hinzu kommen die hohen
Kosten der externen Kinderbetreuung: Von einem Teilzeitlohn bleibt nach
Abzug der Krippenkosten nicht viel übrig und jede Erhöhung des Arbeit-
spensums geht mit einer massiven Verteuerung der Kinderbetreuung einher.
Zudem müssen die Kinder zu fixen Zeiten gebracht und geholt werden – da
bleibt nicht viel Raum für Flexibilität am Arbeitsplatz. Wer sich also keine
Tagesmutter leisten oder auf Hilfe aus dem privaten Umfeld zurückgreifen
kann, wird sich im Beruf bald anhören müssen, nicht flexibel genug zu sein,
und entsprechend an Kompetenzen einbüssen. Somit kommt es für viele
Frauen zur lose-lose-Situation: Sie verzichten darauf, ihre Kinder zu sehen,
um einer Arbeit nachzugehen, in der sie unterfordert sind – und kommen
dabei finanziell auf keinen grünen Zweig.
Das Erfolgsmodell
Schweden
Andere Länder scheinen ihre Frauen erfolgreicher in die Berufswelt zu integ-
rieren, zum Beispiel in Skandinavien. Was machen sie anders? Zum einen ist
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CAREERSTEP SPEZIAL | 2013
Channa Meister Mizrachi hat an der
Universität Fribourg Medien- und
Kommunikationswissenschaften und
Betriebswirtschaft studiert. Nach ihrem
Studium war sie verantwortlich für
Personalmarketing bei EY und für Hoch-
schulmarketing und Rekrutierung bei
Hays Schweiz AG. Seit Anfang 2013 ist
sie zertifizierter NLP-Coach und arbeitet
als Freelancer.
die Kinderbetreuung flächendeckend und günstig, der Besuch einer Krip-
pe selbstverständlich und jedem Kind steht rechtlich ein Krippenplatz zu.
Zum anderen hört die Gleichberechtigung nicht mit der Schwangerschaft
auf und das Thema Familienplanung gehört ebenso in die Verantwortung
des Mannes wie der Frau. Das bedeutet, dass auch Väter nach der Geburt
ihres Kindes eine Auszeit von mindestens zwei Monaten bekommen, Teil-
zeitarbeit unter Männern verbreitet ist und somit die Kindererziehung
nicht nur auf den Schultern der Mütter lastet.
Väter bleiben aufgrund
von Lohnungleichheit
Haupternährer
Davon sind wir in der Schweiz leider noch weit entfernt. Zwar sind mittlerwei-
le Familienmodelle verbreitet, in denen beide Elternteile arbeiten. Dabei blei-
ben die Väter jedoch meistens in der Rolle des Haupternährers und die Mütter
tragen die Verantwortung für die Erziehung und Betreuung der Kinder. Viele
Paare streben heute ein egalitäres Familienmodell an, in dem beide Elternteile
Teilzeit arbeiten und sich die Aufgaben in Haushalt und Kindererziehung tei-
len. Dieses Familienmodell führt zu hoher Zufriedenheit bei den Paaren und
ihren Kindern, die davon profitieren, mehr Zeit mit dem Vater zu verbringen.
Teilzeitarbeit ist jedoch mit finanziellen Nachteilen in Bezug auf Einkommen
undSozialleistungen,geringerenWeiterbildungsmöglichkeitenundfehlenden
Karrierechancen verbunden. Da Frauen zudem immer noch rund zwanzig
Prozent weniger verdienen als ihre gleich qualifizierten männlichen Kollegen,
bleibt vielen Paaren nichts anderes übrig, als dem Vater weiterhin die Aufgabe
des Haupternährers zuzuschreiben.
Gemeinsam für neue
Rollenmodelle
Es gibt also einiges an Handlungsbedarf auf staatlicher, wirtschaftlicher und
gesellschaftlicher Ebene. Es kann nicht die alleinige Aufgabe der Frau blei-
ben, eine Lösung für das Dilemma „Kind oder Karriere“ zu finden. Es ist
im Interesse aller, gemeinsam neue Wege zu beschreiten, sodass beide
Elternteile die Möglichkeit haben, sowohl am Berufs- als auch am Familien-
leben teilzuhaben. Es müssen neue Rollenmodelle etabliert werden, in
denen Väter nicht nur einen Gastauftritt haben im Familienleben und in
denen Mütter sich nicht dafür rechtfertigen müssen, wenn sie ihren Beruf
mit Leidenschaft ausleben. Dabei soll es weiterhin jedem freistehen, sich
der Familie zuliebe aus dem Beruf zurückzuziehen. Denn wahre Gleichbe-
rechtigung bedeutet gleiche Rechte und Chancen für alle, in Ausbildung,
Beruf und Privatleben – und auch nach 35.
Es müssen neue Rollenmodelle etabliert werden,
in denen Väter nicht nur einen Gastauftritt haben im Familienleben
und in denen Mütter sich nicht dafür rechtfertigen müssen,
wenn sie ihren Beruf mit Leidenschaft ausleben.

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Channa

  • 1. 4 CAREERSTEP SPEZIAL | 2013 Weiblich, erfolgreich, hochqualifiziert sucht... Zukunftsperspektiven Berufliche Chancengleichheit auf dem Prüfstand einer weiblichen Young Professional Gastautorin: Channa meister Der Berufseinstieg nach dem Studium ist erfolgreich gelungen, ein Berufsweg einge- schlagen und die ersten Schritte auf der Karriereleiter sind getan. Frau ist bereit zu grossen Taten! Schliesslich gehört sie zu einer neuen Generation, der in Zeiten der Gleichbe- rechtigung alle Wege offen stehen. Oder etwa doch nicht? Wer ein wenig an der glänzenden Oberfläche dieser schö- nen neuen Welt kratzt, steht am Ende doch vor der ewigen Frage «Kind oder Karriere?». Die ersten beruflichen Schritte sind getan, frau hat wertvolle Berufserfah- rung gesammelt und fragt sich, wie es weitergehen soll. In der gleichen Firma bleiben oder wechseln? Wo habe ich die besten Entwicklungsmöglichkeiten? Wäre eine Weiterbildung an der Zeit? Oder sogar ein Berufswechsel? Leise hört sie es plötzlich, dieses Geräusch im Hinterkopf: tick tack – die biologi- sche Uhr – die unsichtbare Grenze von 35 Jahren und die vielen Fragen, die in dem Zusammenhang plötzlich auftauchen. Wie weit muss ich es karriere- technisch bis dahin gebracht haben, um meine Kompetenzen im Fall einer Schwangerschaft nicht zu verlieren? Bleibt mir überhaupt genügend Zeit, bis dahin eine neue Richtung einzuschlagen? Und wie geht es danach weiter? Diverstity – Realität oder Marketing-Kalkül? Da Frauen ein fester Bestandteil der Arbeitswelt geworden sind, sollten sich diese Fragen eigentlich gar nicht stellen. Viele Firmen schreiben sich auf die Fahne, Männern und Frauen gleichermassen Karrierechancen zu bieten, Di- versity zu leben. Aus schönen Broschüren strahlen uns junge Frauen entgegen, die uns vermitteln: «Hier kann ich alles erreichen!». Wie sieht aber die Realität hinter diesen Marketing-Instrumenten aus? Gibt es wirklich so viele erfolg- reiche Frauen in den Firmen? Bringen sie es gleich weit wie ihre männlichen Kollegen, auch im kritischen Alter zwischen 30 und 40, in dem die Familien- planung zum Thema wird? In vielen Unternehmen steigen ebenso viele weibli- che wie männliche Absolventen ein. Das schöne Bild der erfolgreichen jungen Frau in den Rekrutierungsbroschüren lässt sich also noch bestätigen. Ginge man aber auf die Suche nach ihrer etwas älteren Kollegin, würde sich dies schon wesentlich schwieriger gestalten. In höheren Positionen, insbesondere in der Altersklasse ab 35, nimmt die Frauenquote drastisch ab und reduziert sich bis zu den oberen Führungsebenen auf wenige Einzelbeispiele. Mangelnde Infra- struktur für berufstätige Eltern Der erste Realitätscheck zeigt also, dass wir uns noch nicht in einer Generati- on der unbegrenzten Möglichkeiten befinden. Jedenfalls diejenigen Frauen, die sich nicht zwischen Familienleben und Beruf entscheiden möchten. Wo- ran liegt das? Ein Blick auf die Infrastruktur der ausserfamiliären Kinderbe- treuung in der Schweiz erklärt einiges: Krippenplätze sind Mangelware, die Anmeldefristen rigide und die Wartefristen lang. Hinzu kommen die hohen Kosten der externen Kinderbetreuung: Von einem Teilzeitlohn bleibt nach Abzug der Krippenkosten nicht viel übrig und jede Erhöhung des Arbeit- spensums geht mit einer massiven Verteuerung der Kinderbetreuung einher. Zudem müssen die Kinder zu fixen Zeiten gebracht und geholt werden – da bleibt nicht viel Raum für Flexibilität am Arbeitsplatz. Wer sich also keine Tagesmutter leisten oder auf Hilfe aus dem privaten Umfeld zurückgreifen kann, wird sich im Beruf bald anhören müssen, nicht flexibel genug zu sein, und entsprechend an Kompetenzen einbüssen. Somit kommt es für viele Frauen zur lose-lose-Situation: Sie verzichten darauf, ihre Kinder zu sehen, um einer Arbeit nachzugehen, in der sie unterfordert sind – und kommen dabei finanziell auf keinen grünen Zweig. Das Erfolgsmodell Schweden Andere Länder scheinen ihre Frauen erfolgreicher in die Berufswelt zu integ- rieren, zum Beispiel in Skandinavien. Was machen sie anders? Zum einen ist
  • 2. 5 CAREERSTEP SPEZIAL | 2013 Channa Meister Mizrachi hat an der Universität Fribourg Medien- und Kommunikationswissenschaften und Betriebswirtschaft studiert. Nach ihrem Studium war sie verantwortlich für Personalmarketing bei EY und für Hoch- schulmarketing und Rekrutierung bei Hays Schweiz AG. Seit Anfang 2013 ist sie zertifizierter NLP-Coach und arbeitet als Freelancer. die Kinderbetreuung flächendeckend und günstig, der Besuch einer Krip- pe selbstverständlich und jedem Kind steht rechtlich ein Krippenplatz zu. Zum anderen hört die Gleichberechtigung nicht mit der Schwangerschaft auf und das Thema Familienplanung gehört ebenso in die Verantwortung des Mannes wie der Frau. Das bedeutet, dass auch Väter nach der Geburt ihres Kindes eine Auszeit von mindestens zwei Monaten bekommen, Teil- zeitarbeit unter Männern verbreitet ist und somit die Kindererziehung nicht nur auf den Schultern der Mütter lastet. Väter bleiben aufgrund von Lohnungleichheit Haupternährer Davon sind wir in der Schweiz leider noch weit entfernt. Zwar sind mittlerwei- le Familienmodelle verbreitet, in denen beide Elternteile arbeiten. Dabei blei- ben die Väter jedoch meistens in der Rolle des Haupternährers und die Mütter tragen die Verantwortung für die Erziehung und Betreuung der Kinder. Viele Paare streben heute ein egalitäres Familienmodell an, in dem beide Elternteile Teilzeit arbeiten und sich die Aufgaben in Haushalt und Kindererziehung tei- len. Dieses Familienmodell führt zu hoher Zufriedenheit bei den Paaren und ihren Kindern, die davon profitieren, mehr Zeit mit dem Vater zu verbringen. Teilzeitarbeit ist jedoch mit finanziellen Nachteilen in Bezug auf Einkommen undSozialleistungen,geringerenWeiterbildungsmöglichkeitenundfehlenden Karrierechancen verbunden. Da Frauen zudem immer noch rund zwanzig Prozent weniger verdienen als ihre gleich qualifizierten männlichen Kollegen, bleibt vielen Paaren nichts anderes übrig, als dem Vater weiterhin die Aufgabe des Haupternährers zuzuschreiben. Gemeinsam für neue Rollenmodelle Es gibt also einiges an Handlungsbedarf auf staatlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene. Es kann nicht die alleinige Aufgabe der Frau blei- ben, eine Lösung für das Dilemma „Kind oder Karriere“ zu finden. Es ist im Interesse aller, gemeinsam neue Wege zu beschreiten, sodass beide Elternteile die Möglichkeit haben, sowohl am Berufs- als auch am Familien- leben teilzuhaben. Es müssen neue Rollenmodelle etabliert werden, in denen Väter nicht nur einen Gastauftritt haben im Familienleben und in denen Mütter sich nicht dafür rechtfertigen müssen, wenn sie ihren Beruf mit Leidenschaft ausleben. Dabei soll es weiterhin jedem freistehen, sich der Familie zuliebe aus dem Beruf zurückzuziehen. Denn wahre Gleichbe- rechtigung bedeutet gleiche Rechte und Chancen für alle, in Ausbildung, Beruf und Privatleben – und auch nach 35. Es müssen neue Rollenmodelle etabliert werden, in denen Väter nicht nur einen Gastauftritt haben im Familienleben und in denen Mütter sich nicht dafür rechtfertigen müssen, wenn sie ihren Beruf mit Leidenschaft ausleben.