Schaffert, Sandra; Eder, Julia; Hilzensauer, Wolf, Kurz, Thomas; Markus, Mark; Schaffert, Sebastian; Westenthaler, Rupert & Wieden-Bischof, Diana (2009). (Meta-) Informationen von Communitys und Netzwerken. Entstehung und Nutzungsmöglichkeiten. Erschienen in der Reihe „Social Media“, hrsg. von Georg Güntner und Sebastian Schaffert, Band 2. Salzburg: Salzburg Research. (ISBN 978-3-902448-15-6 - frei zugängliche Version (CC Lizenz) - auch im Buchhandel erhältlich!
3. Sandra Schafert
(Meta-) Informatonen
von Communitys und Netzwerken
Entstehung und Nutzungsmöglichkeiten
mit Beiträgen von Julia Eder, Wolf Hilzensauer,
Thomas Kurz, Mark Markus, Sebastan Schafert,
Rupert Westenthaler und Diana Wieden-Bischof
veröfentlicht unter der „Creatve Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung
3.0 Österreich License“
siehe htp://creatvecommons.org/licenses/by-nd/3.0/at
5. VORWORT
Das Kompetenzzentrum für Neue Medien, Salzburg NewMediaLab, betrachtet im Rah-
men seines Forschungsprogramms die Wechselwirkung zwischen digitalen Inhalten und
ihren AutorInnen bzw. KonsumentInnen aus technologischer und sozialer Perspektve.
Dabei ergibt sich naturgemäß die Frage, welche Art von Bindung zwischen AutorInnen
und LeserInnen untereinander, aber auch zu deren Inhalten besteht und wie sich die
aufgrund dieser Bindung entstehenden Gemeinschafen auf die Atraktvität und Nut-
zung der Inhalte sowie auf das Angebot von erweiterten Diensten auswirkt.
Dies führte zur Beaufragung einer Studie des Salzburg NewMediaLab („ComStudy“), die
sich mit Orienterungs- und Entscheidungshilfen für den Aufau von Online-Communitys
beschäfigt. Dabei betrachten wir auch die in der Wechselwirkung von Inhalten und
Communitys aus technischer Sicht anfallenden Metainformatonen und die auf den In-
halten basierenden Dienste, wie etwa Empfehlungs- und Reputatonssysteme.
Im vorliegenden (zweiten) Band der Reihe „Social Media“ untersuchen wir die im Um-
feld von Online-Communitys und deren Interakton mit digitalen Inhalten anfallenden
Metainformatonen und deren Mehrwert. Dabei geht es nicht nur um von den NutzerIn-
nen bewusst verfügbar gemachtes Datenmaterial (z. B. „Tags“), sondern auch um impli-
zit anfallende Informatonen, die zur Optmierung von unterschiedlichsten Funktonen
(z. B. Suche, Navigaton, Anzeige) und zur Unterstützung von Geschäfsprozessen (z. B.
Trend- und Marktanalysen) herangezogen werden können. Metainformatonen erschlie-
ßen sich dabei vielfach nicht nur aus den Primär-Quellen (z. B. Einträgen in Weblogs),
sondern auch aus deren Metabeschreibungen und Beziehungsstrukturen sowie Interak-
tonsspuren durch die NutzerInnen.
Gerade unter dem Blickwinkel der aktuellen Diskussion über Nutzen und Gefahren sozia-
ler Netzwerke und Communitys im Internet stellt und beantwortet der vorliegende Band
einige interessante Grundfragen und bietet praktsche Orienterungs- und Entschei-
dungshilfen, für deren Lektüre ich Ihnen namens des Salzburg NewMediaLab gute Un-
terhaltung und viele in Ihrer praktschen Arbeit umsetzbare Anregungen wünsche.
Georg Güntner
Leiter des Salzburg NewMediaLab
November 2009
6. DANK & ANMERKUNG ZUR SCHREIBWEISE
Den Expertnnen und Experten, die für ein Kurzinterview persönlich, per E-Mail oder
Skype an ihrer Expertse teilnehmen ließen, herzlichen Dank: Andreas Blumauer, Dr. Ralf
Klamma, Dr. Sebastan Schafert, Dr. Katharina Siorpaes und Dr. Riina Vuorikari. Herzli-
cher Dank gilt auch den Ko-Autorinnen und Autoren Julia Eder, Thomas Kurz, Dr. Mark
Markus, Dr. Sebastan Schafert, Rupert Westenthaler und Diana Wieden-Bischof sowie
den Kollegen, die hilfreiche Tipps gaben: Wernher Behrendt, Dr. Guntram Geser, Andre-
as Gruber, Georg Güntner, Werner Moser, Rolf Sint und Dr. Andreas Strasser. Danke-
schön auch an Daniela Gnad für das Titelbild und Diana Wieden-Bischof für das Lektorie-
ren!
Um diesen Beitrag nicht durch weibliche Endungen, Bindestriche und Klammern zu ei-
nem zwar korrekten, aber auch schwerer zu lesenden Werk zu machen, haben wir im
Folgenden durchgehend darauf verzichtet, die gendergerechte Schreibweise zu verwen-
den. Zudem haben wir uns bemüht, auf englische Ausdrücke oder Lehenswörter zu ver-
zichten wo sie uns unnötg erschienen – aber im Bereich des Internets und der moder-
nen Managementheorie kommt man leider viel zu of nicht darum herum.
Sandra Schafert
7. INHALTSVERZEICHNIS
1 Einleitung und Hintergrund........................................................................................ 9
2 Nutzerverhalten....................................................................................................... 13
2.1 Formen und Systeme ...........................................................................................13
2.2 Nutzen und Nutzung.............................................................................................13
3 Kommunikatons- und Vernetzungsstruktur............................................................. 19
3.1 Daten und Formen der Analyse............................................................................ 19
3.2 Nutzen und Nutzung.............................................................................................20
4 Bewertungen............................................................................................................27
4.1 Formen und Einsatz ............................................................................................. 27
4.2 Nutzen und Nutzung.............................................................................................28
5 Social Tagging .......................................................................................................... 35
5.1 Konzept und Anwendungen................................................................................. 35
5.2 Nutzen und Nutzung.............................................................................................36
6 Texte.........................................................................................................................47
6.1 Entstehung von Texten fördern............................................................................ 47
6.2 Nutzen und Nutzung.............................................................................................49
7 Metadatenformate und Ontologien......................................................................... 55
7.1 Konzept und Beispiele.......................................................................................... 55
7.2 Nutzen und Nutzung ............................................................................................57
8 Linked Data.............................................................................................................. 63
8.1 Konzept und Hintergrund..................................................................................... 63
8.2 Nutzen und Nutzung (in der Zukunf)................................................................... 65
9 Ergänzung und Zusammenfassung ...........................................................................69
Literatur und Quellen................................................................................................. 75
Autorinnen und Autoren............................................................................................ 80
8.
9. Sandra Schafert und Diana Wieden-Bischof
1 EINLEITUNG UND HINTERGRUND
(Meta-) Informatonen
Das Web 2.0 und seine Fülle an einfachen und neuen Beteiligungsformen hat die Zahl
der aktven Nutzer und die Zahl der Beiträge zum Web enorm ansteigen lassen. Gerade
da, wo sich Menschen stark austauschen und interagieren, werden besonders viele In-
formatonen zusammengetragen. Es gibt eine Reihe von Defnitonen und Verständnisse
des Wortes „Informaton“, wir verstehen darunter alle Datenmaterialien und darin ent-
haltenes Wissen und Botschafen, die Nutzer im Web veröfentlichen und hinterlassen.
Viele öfentlich zugängliche Informatonen entstehen in Online-Communitys. Eine Onli-
ne-Community besteht aus Personen mit gemeinsamen Interessen, die Internet- und an-
dere Kommunikatonstechnologien nutzen, um sich regelmäßig auszutauschen
und/oder gemeinsam Inhalte zu entwickeln, dabei starke Bindungen entalten und sich
als zusammengehörig fühlen (Schafert & Wieden-Bischof, 2009). Auch bei weniger star-
ken Bindungen, wie in sozialen Netzwerken oder anderen kommunikatv oder kollabora-
tv angelegten Systemen, z. B. Weblogs oder Microblogging, entstehen viele Informato-
nen. Schließlich entstehen solche Informatonen selbst dort, wo sich Nutzer untereinan-
der nicht kennen, aber gemeinsam aktv sind, beispielsweise Kunden eines Online-Shops
sind oder Leser einer Online-Enzyklopädie.
Neben den unmitelbaren Beiträgen bei der Content-Entwicklung – beispielsweise dem
Hochladen von Videos, Fotos auf entsprechenden Platormen oder Textbeiträgen in
Weblogs – generieren Nutzer bzw. die Communitys auch „Metainformatonen“. Darun-
ter verstehen wir beispielsweise Metadaten, d. h. Angaben über Autoren von Beiträgen
im Html-Code, aber auch andere „Informatonen über Informatonen“. Solche Metain-
formatonen sind beispielsweise die Zahl der Beiträge eines Nutzers oder die Zahl der
Klicks auf einen Beitrag und werden so teilweise erst nachträglich ermitelt.
Ähnliche Begrife sind Metadaten und Metawissen, alle Begrife werden unterschiedlich
defniert (s. z. B. Riekert, 1996). Wir verwenden die beiden Begrife Informaton und Me-
tainformaton in dieser Studie pragmatsch: Wir versuchen zusammenzutragen und vor-
zustellen, was „alles“ in Communitys und Netzwerken entsteht und wie es für ganz un-
terschiedliche Zwecke genutzt wird.
Entstehung von Metainformatonen
Grundsätzlich kann zwischen einer aktven und einer passiven Entwicklung von Metain-
formatonen von Nutzern unterschieden werden:
| Aktv tragen Nutzer, insbesondere solche mit Expertenstatus in einer spezifschen Do-
mäne, zur Entwicklung von Metainformatonen bei, wenn sie beispielsweise Formu-
lare ausfüllen oder Schlagworte vergeben, also aktv und bewusst Beiträge liefern.
| Passiv tragen Nutzer zur Entwicklung von Metainformatonen bei, wenn dies beiläu-
fg und auch unbewusst geschieht, indem beispielsweise nach bestmmten Begrifen
recherchiert wird oder Links ausgewählt werden.
9
10. In der Praxis zeigt sich, dass diese Unterscheidung nicht immer einfach und eindeutg ist.
So werden wir in dieser Veröfentlichung einige Beispiele für spielerische Ansätze vor-
stellen, wo Nutzer aktv Metainformatonen entwickeln, ihnen dies aber eventuell durch
den Spielcharakter nicht bewusst ist. Auch wird beispielsweise beim Hochladen eines
Fotos gleichzeitg und ohne weiteres Zutun der Nutzer eine Reihe von relevanten Meta-
daten zum Foto (z. B. Blendeneinstellung) zur Verfügung gestellt, was dem Nutzer auch
selbst nicht bewusst sein muss.
Im Web und insbesondere da, wo sich Personen eng austauschen und zusammenarbei-
ten, nämlich in Communitys oder sozialen Netzwerken, entstehen besonders viele
(Meta-) Informatonen. Diese können wiederum durch unterschiedliche Methoden aus-
getauscht, zusammengebracht und analysiert werden. In geschlossenen Systemen, bei
denen beispielsweise eine Anmeldung erfolgt, ist so bereits eine Reihe von Informato-
nen zu den einzelnen Nutzern bekannt.
In sozialen Netzwerken sind nach erfolgter Anmeldung typischerweise folgende Infor-
matonen über einzelne Nutzer bekannt und können entsprechend genutzt werden: Vor-
name und Name, Geschlecht, Alter, aktueller Arbeitgeber, Positon im Unternehmen,
Wohnort und Land, ein Foto, Homepage, E-Mail-Adresse, aktueller Online-Status (ob der
User eingeloggt ist), Datum der Registrierung (Erstanmeldung), letztes Login, ob die An-
meldung durch eine Einladung eines anderen Nutzer (und von wem) erfolgt ist, ein Text
mit einer Beschreibung der Person und ihrer Interessen, Kontakte.
Aber auch in ofenen Systemen oder übergreifenden Services ist eine Reihe von Metain-
formatonen zugänglich und nutzbar. Nicht nur die Anbieter von Webangeboten und
-services, z. B. Online-Shops oder soziale Netzwerke haben Interesse an Metainforma-
tonen zu ihren Inhalten und Nutzern, auch die Nutzer selbst können davon profteren,
wenn dadurch beispielsweise
| Such- und Recherchemöglichkeiten verbessert werden, weil Inhalte und Objekte bes-
ser erschlossen sind,
| Angebote auf spezifsche persönliche Interessen hin dargestellt und nutzbar gemacht
werden, beispielsweise passende Empfehlungen gegeben werden können,
| oder wenn allgemein Angebote optmiert werden können um Nutzer und Communi-
tys zu unterstützen.
Wie wir insbesondere im letzten Kapitel zeigen werden, profteren nicht nur die Anbie-
ter von Webservices, und Nutzer, sondern vielfach auch Drite, beispielsweise externe
Anbieter, Forscher oder Analysten von den entstandenen und zugänglichen Metainfor-
matonen.
Schwerpunkte, Forschungsfragen und Vorgehen
In dieser Studie haben wir folgende Bereiche ausgewählt und genauer angeschaut:
| das Nutzerverhalten, beispielsweise das Such- und Browsingverhalten,
| die Kommunikatons- und Netzwerkstruktur als Möglichkeit die sozialen Gegebenhei-
ten zu erfassen und zu nutzen,
| Bewertungen, die dazu genutzt werden um Produkte, Personen, Objekte oder Web-
seiten zu evaluieren und beurteilen,
| Social Tagging als eine innovatve und populäre Variante von gemeinschaflicher Ver-
schlagwortung von Dokumenten,
10
11. | Texte, da aus dieser Datenquelle eine Reihe von (auch überraschenden) Metainfor-
matonen analysiert und abgeleitet werden können,
| Metadatenformate als klassische Form von Metainformatonen, wir geben hier u. a.
einen Überblick über aktuelle Schemata, sowie schließlich
| aktuelle Entwicklungen und Projekte zu Linked Data als eine atraktve aktuelle Ent-
wicklung zur weiteren Nutzung und Verlinkung von Daten auf dem Weg zum „Seman-
tschen Web“.
Abbildung 1: (Meta-) Informatonen aus Communitys und Netzwerken
Wie in der Abbildung dargestellt, lassen sich die dargestellten Informatonen beispiels-
weise darin unterscheiden, welche Expertse bei der Entwicklung bzw. Generierung die-
ses Quellmaterials aufgebracht werden muss. So ist in der Regel beim bearbeiten von
Metadaten Fachwissen zum Gegenstand notwendig, währenddessen Suchen oder einfa-
ches Browsen nicht notwendigerweise Fachwissen benötgt – das kann quasi jeder.
Gleichzeitg zeigt sich bei dieser Anordnung, dass das Aufmerksamkeitslevel graduell ab-
nimmt: Während das Schreiben von Weblogeinträgen eher mehr Aufmerksamkeit des
Erstellers benötgen, werden etliche Klicks eher beiläufg vorgenommen. Diese Abstu-
fung und Darstellung ist sicherlich nicht für jeden Fall zutrefend.
Forschungsleitend waren bei dieser Zusammenstellung folgende, eher praktsche Frage-
stellungen:
| Wie entstehen (Meta-) Informatonen unterschiedlicher Art?
| Wie kann man sie auswerten und analysieren?
| Wie werden sie genutzt?
Diese Publikaton verfolgt dabei das Ziel, über unterschiedliche Branchen und Anwen-
dungsbereichen hinweg Beispiele und Nutzungsmöglichkeiten vorzustellen. Es wird da-
bei nicht nur betrachtet, welchen Nutzen einzelne Benutzer eines Services oder einzelne
Community-Mitglieder haben oder wie die Nutzergruppen insgesamt davon profteren,
um beispielsweise ihr gemeinsames Ziel besser verfolgen zu können. Auch die Betreiber
von Communitys oder auch Drite haben Interesse an (Meta-) Informatonen.
11
12. Abbildung 2: Nutzer von (Meta-) Informatonen
Ein gewisses technisches Grundverständnis voraussetzend, wendet sich diese Studie vor
allem an Praktker, die sich durch die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten anregen
lassen wollen, für ihre eigenen Produkte und Dienstleistungen innovatve Einsatzmög-
lichkeiten zu entwickeln.
In Rücksprache mit den Kollegen beim Salzburg NewMediaLab wurden dabei die oben
genannten Schwerpunkte gesetzt, und dazu nach Beispielen, Publikatonen und Exper-
ten recherchiert, um einen guten Einsteg und Überblick in den aktuellen Stand der Nut-
zung sowie anregende Einblicke gewinnen zu können.
Hintergrund und Kontext der Studie
Diese Broschüre ist ein Ergebnis der „ComStudy“, die am Salzburg NewMediaLab (SNML)
im Zeitraum von Oktober 2008 bis Januar 2010 durchgeführt wird. Das SNML, das Kom-
petenzzentrum für Neue Medien in Österreich, arbeitet daran, digitale Inhalte clever zu
strukturieren, verknüpfen, personalisieren, für alle aufndbar zu machen und nachhaltg
zu nutzen und betrachtet dabei die Community als einen wesentlichen Faktor vieler Pro-
jekte. Im Rahmen der ComStudy wurde bereits eine Studie zum erfolgreichen Communi-
ty-Aufau durchgeführt, die anhand Literaturanalysen, Best-Practce-Beispielen, Fallana-
lysen und Expertenbefragungen für unterschiedliche Szenarien konkrete Implemente-
rungsempfehlungen gibt (Schafert & Wieden-Bischof, 2009). Zusätzlich beschreiben wir
drei wesentliche Funktonalitäten von Community-Systemen, die bisher kaum dezidiert
untersucht wurden, durch Vorstellung und Vergleich unterschiedlicher Realisierungen
und Systeme, Best-Practce-Lösungen sowie die Erfahrungen mit dem Community-Auf-
bau: Die vorliegende Studie fokussiert auf die Entwicklung und Auswertung von (Meta-)
Informatonen von Communitys und ihren Aktvitäten. In zwei weiteren Studien werden
schließlich (a) die Möglichkeiten mit Empfehlungen Communitys zu unterstützen sowie
(b) Systeme zur Darstellung von Engagement und Reputaton der Community-Mitglieder
vorgestellt.
12
13. Sandra Schafert und Mark Markus
2 NUTZERVERHALTEN
Auch das Nutzerverhalten, also das Browsing-, Klick- oder Suchverhalten, ist eine inter-
essante Quelle. Das Nutzerverhalten wird dabei für sehr unterschiedliche Zwecke analy-
siert.
2.1 Formen und Systeme
Viele Nutzer nehmen zur Informatonsrecherche im Internet oder auf einzelnen Websi-
tes (Portalen), Suchmaschinen in Anspruch. Die Verwendung von Suchmaschinen wird
dabei durch die Inhalte des Webs, aber auch durch das Wissen der Nutzer selbst beein-
fusst. Sie geben dem Anbieter Aufschluss über die Nutzeraktvitäten und das Nutzungs-
verhalten auf seiner Website, z. B.: gesuchte Kategorien, aufgesuchte Bereiche oder Sei-
ten, Dauer des Aufenthalts, wie of der Besucher auf die Seite wiederkehrt, die Historie
der einzelnen Website-Nutzer (Klickstream), die chronologische Reihenfolge der Aufrufe
oder Suchbegrife. Nicht zu vergessen sind in diesem Zusammenhang auch die Verwer-
tung von Cookies, (Informatonen, die auf dem Computer des Nutzers der Website ge-
speichert werden), um Metainformatonen zu sammeln.
Geschlossene Systeme, bei denen sich Nutzer einloggen müssen und damit alle Aktvitä-
ten überprüfar und auswertbar sind, erfassen eine ganze Reihe von Daten des Nutzer-
verhaltens. Folgende Liste gibt eine Überblick über mögliche auswertbare Daten, die ty-
pischerweise in Community-Platormen und Sozialen Netzwerken im Bezug auf das Be-
nutzerverhalten anfallen und ausgewertet werden. Einige Daten zum Benutzerverhalten
sind:
| Einloggen | Zahl der Beiträge in Relaton zu an-
| Orte (Ortswechsel) deren Nutzern
| Anzahl der Logins | Antwortverhalten (Reaktonszeit,
| Uhrzeit (Tageszeit) Häufgkeit)
| Schreiben des ersten Beitrags | Bewertungen abgegeben
(neuer Thread) | Editeren
| Anzahl der Kommentare | Erstes Login (Registrierung)
Beispielsweise können Systeme auswerten, ob jemand in einer Nacht seinen Aufent-
haltsort häufg wechselt oder ob er sich regelmäßig zu bestmmten Uhrzeiten einloggt.
Aus solchen Daten können detaillierte Nutzerprofle generiert werden die auf spezif-
sche Interessenslagen und Verhaltensweisen hinweisen können und sowohl für Reputa-
tonssysteme als auch als Grundlage zur Verbesserung des Informatonsmanagements
verwendet werden können.
2.2 Nutzen und Nutzung
Im folgenden haben wir Anwendungen bzw. Nutzungen beschrieben, die allein auf Da-
tenmaterial aus dem Nutzungsverhalten beruhen. Darüberhinaus werden Daten zum
Nutzerverhalten in einigen Anwendungen als eine von mehreren Quellen genutzt, bei-
spielsweise bei Reputatons- und Empfehlungssystemen.
13
14. Evaluaton und Optmierung von Webaufriten
Durch Daten zum Verhalten kann der Anbieter Benutzerprofle erstellen, analysieren
und Interessengruppen besser identfzieren, die dann zur weiteren Optmierung der
Website beitragen können. Typischerweise wird dies genutzt, um den eigenen Webauf-
trit zu optmieren, um mehr über die Interessen und Vorlieben der Nutzer zu erfahren,
um entsprechende Angebote strategisch besser oder unter anderen Überschrifen zu
positonieren und anzubieten.
Browsingverhalten und Geschlechterschätzung
Aus Untersuchungen sind typische Vorlieben von Frauen und Männern bekannt, bei-
spielweise welche Websites sie aufrufen oder welche Art von Fotos sie vorziehen. Das
bedeutet nicht, dass eine Zuordnung aufgrund eines spezifschen Verhaltens eindeutg
und folgerichtg sein muss, allerdings ist es eine durchaus pragmatsche heuristsche
Möglichkeit, eine Annahme über das Geschlecht des Nutzers zu erhalten. Dies ist insbe-
sondere bei anonymen, d. h. also nicht eingeloggten Nutzern von Interesse.
Wie eine solche Auswertung des Browsingverhaltens auf eine (heuristsche) Zuordnung
des Geschlechts funktoniert, wird durch eine Anwendung bei Mikeonads.com (2008)
nachvollziehbar: Hier gibt man mit einem Blick den Grif auf die History-Dateien frei, das
heisst die zuletzt aufgerufenen URL sind auswertbar. Aufgrund dieser Angaben wird eine
Zuordnung vorgenommen. Eine Variante für ein Tool, das aus Nutzerverhalten auf das
Geschlecht tppt, ist der „Gender-Guesser“1, der aus den Vorlieben für Fotos das Ge-
schlecht errät und auch von jedem auszuprobieren ist.
Abbildung 3: Ergebnis der Geschlechtschätzung durch Analyse der Browsing-History
Quelle: www.mikeonads.com/2008/07/13/using-your-browser-url-history-estmate-gender/ (10/2009)
Technische Websites sind demnach (stereo-) typisch für Männer, Mode-Websites für
Frauen – Fehler sind so durchaus möglich. Gedacht ist eine solche Anwendung jedoch
nicht notwendigerweise um das Geschlecht zu erraten, sondern um Informatonen über
Interessen und Vorlieben zu erhalten um entsprechend passende Werbung platzieren zu
können. Um Daten über das Browsingverhalten zu erlangen, ist es nicht unbedingt not-
wendig, dass Nutzer die History-Daten freigeben: Es gibt Javascripts, die aus der Farbe
der „besuchten Links“ ableiten, welche Webseiten bereits aufgerufen wurden (vgl. Mi-
keonads.com, 2008; dort wird auf eine Anwendung von Paul Cook hingewiesen).
1
htp://www.espgame.org/gwap/, Stand 1.9.2009
14
15. Inwieweit das Browsingverhalten bei personalisierter Werbung eingesetzt wird, ist nicht
eindeutg zu klären, aber die Platzierung der oben genannten Anwendung in einem We-
blog über Werbung sowie die entsprechenden Diskussionen in den verknüpfen We-
blogs lassen vermuten, dass hier sehr viel Aktvität vorliegt.
Suchwortanzeigen
Alle großen Suchmaschinen blenden neben den Suchergebnissen auch Werbung
und/oder Links ein, die als Werbung markiert sind und zur Suchanfrage passen. Dieses
Werbeverfahren wird als SEM (Search Engine Marketng) bezeichnet. In diesem Werbe-
segment wird noch einiges ausprobiert und optmiert, die Zahl von 7 Millionen Such-
wortanzeigen im Jahr 2009 bei den Suchmaschinen MSN, Yahoo und Google zeigt jedoch
die Bedeutung, die unter anderem dazu führt, dass dieser Markt mit einem Search Ad-
vertsing Index monatlich beobachtet wird (Graf, 2009).
Suchverhalten als Basis für Brandanalyse
Das Suchverhalten wird auch im Webmonitoring eingesetzt. Mit Hilfe von Google Trends
und Google Insights lässt sich so feststellen wie häufg Google-Nutzer Suchbegrife ein-
gegeben haben. Diese Abfragen lassen sich wiederum vergleichen, in Zeitreihen oder
auch nach dem Herkunfsland der Nutzer darstellen. Folgendes Fallbeispiel verdeutlicht,
wie mit Hilfe vom Google Insight Marken in der Skiherstellerbranche sowie die Branche
an sich analysiert werden können. Gleichzeitg geht es um den Versuch einer groben Ein-
schätzung der Verlässlichkeit dieses Tools, indem die Ergebnisse mit anderen Daten und
Informatonen ver- bzw. abgeglichen werden (vgl. Markus & Schafert, 2010).
Das Web-Tool Google Insight stellt visuell dar, wie of ein Begrif mit Hilfe der Suchma-
schine Google in einem bestmmten Zeitraum (max. jedoch in den letzten fünf Jahren)
und in einer bestmmten Region (natonal und regional) gesucht wurde. Es können maxi-
mal fünf Begrife gleichzeitg gesucht und miteinander verglichen werden, wobei auch
getrennte Wörter wie „Atomic Ski“ als ein Begrif gelten. Damit kann auch die Suchhäu-
fgkeit von bestmmten Marken ermitelt werden. Ein hohes Suchvolumen impliziert
eine hohe Bekanntheit der Marke, woraus wiederum (nicht notwendigerweise) Aussa-
gen in Bezug auf die Kaufabsichten abgeleitet werden können. Die Ergebnisse der Suche
werden „normalisiert“ dargestellt, d. h. dargestellt werden nicht absolute (Such-) Zah-
len, sondern Daten in Relaton zueinander auf einer Skala von null bis 100 (vgl. Google,
Insights for Search Help). Wichtg ist, dass der gesuchte Begrif, z. B. eine Marke oder
eine Person im Internet, in ausreichender Menge gesucht worden ist, damit er bei Goo-
gle Insight überhaupt Spuren hinterlässt. Das Tool eignet sich daher nur zur Analyse von
massenhaf gesuchten Begrifen.
Folgende Abbildung zeigt, wie of fünf renommierte Skimarken gesucht worden sind. Es
handelt sich um fünf Skimarken, die einen Löwenanteil der gesamten Skiprodukton
weltweit ausmachen, wobei Salomon und Atomic zur fnnischen Amer Gruppe gehören,
die „der größte Skihersteller der Welt“ ist (Herr, 2006). Die neueren und Trendskimar-
ken, wie Armada, Pure Skis oder Amplid, tauchen in den Ergebnissen nicht auf. Anschlie-
ßend wird das Ergebnis interpretert.
15
16. Suchvolumen weltweit
Suchzeit: 01/2004 bis 06/2009
Suchbegriffe: „Salomon Ski“ (blau), „Atomic Ski“ (rot), „Head Ski“
(orange), „Fischer Ski“ (grün), „Elan Ski“ (dunkel blau)
2004 2005 2006 2007 2008 2009
Abbildung 4: Weltweit abnehmendes Suchvolumen nach den renommierten Skimarken.
Quelle: Ergebnisse nach Google Insights (Stand 06/2009)
Das Ergebnis verdeutlicht ein über die Jahre hinweg sinkendes Suchvolumen, das alle re-
nommierten Skiartkelhersteller gleichermaßen betrift. Die Schwankungen sind saisonal
bedingt und zeigen, dass die Suchhäufgkeit in den Wintermonaten, d. h. während der
Skisaison erwartungsgemäß stark zunimmt. Dieser Befund kann zunächst als ein abneh-
mendes Interesse an den Skiprodukten und vielleicht sogar auch am Skisport gedeutet
werden. Angesichts des Leihtrends – immer mehr Skifahrer kaufen nicht, sondern leihen
die aktuellen Skimodelle – ist bei den Schlussfolgerungen mit Blick auf das grundsätzli-
che Skiinteresse jedoch Vorsicht geboten.
Weil das sinkende Suchvolumen alle Skimarken betrift, indiziert es einen rückläufgen
Skiabsatz, der statstsch belegt ist. Von 669.000 verkaufer Paar Ski in Deutschland in
der Saison 2000/01 sank der Absatz über die Jahre hinweg kontnuierlich auf nunmehr
377.000 verkaufe Paar Ski in der Saison 2006/07. Ein Abgleich von objektven Absatz-
zahlen mit den Suchvolumina zeigt zwar eine generelle Übereinstmmung (siehe folgen-
de Abbildung), es wird aber auch deutlich, dass sich Suchanfragen aus dem Jahr 2004
keineswegs in den Absatzzahlen unmitelbar widerspiegeln. Ansonsten müsste der Ab-
satz im Jahr 2004 jedenfalls deutlich größer sein als in den Jahren 2005 und 2006. Zu-
dem kann aus den Ergebnissen indirekt eine zunehmende Sätgung des Skimarktes, die
mit einer Intensivierung des Wetbewerbs und Verdrängung verknüpf ist, abgelesen
werden. Darauf deuten die immer geringer werdenden Suchabstände zwischen den ein-
zelnen Skimarken hin. Damit verbunden ist in der Regel ein starker Preiswetbewerb
(vgl. Herr, 2005) sowie starke Konzentratonstendenzen und Übernahmen (vgl. Herr,
2006), die ebenfalls aus den Ergebnissen indirekt hervorgehen. Während die Skimarken
Salomon und Atomic noch in den Jahren 2004 und 2005 meistgesucht (und damit ver-
mutlich die bekanntesten) waren, schmolz ihr Vorsprung im Jahr 2006 fast gänzlich weg.
Im Jahre 2007 haben dann zum ersten Mal mehr Personen nach der Marke Head als
nach der Marke Atomic im Internet gesucht, während Salomon nach wie vor die meist-
gesuchte Skimarke blieb. Head konnte allerdings nicht die Bekanntheit der Marke erhö-
hen, etwa durch innovatve Produkte oder Marketngkampagnen, sondern es ist eher so,
dass das nachhaltg sinkende Skiartkelinteresse Atomic am stärksten geschadet hat. In-
direkt gibt das Ergebnis eine Austauschbarkeit von Skiprodukten und damit Diferenzie-
rungsnotwendigkeit zu erkennen (vgl. Herr, 2005; weitere Interpretatonen und Analy-
sen in Markus & Schafert, 2010).
16
17. Aus der Google-Insight-Analyse geht hervor, dass die Produkte von Atomic und Rossignol
auf das größte Interesse in die letzten zwölf Monate steßen, wobei dies regional sehr
unterschiedlich ausfällt: Während die Marke Rossignol vor allem in Frankreich gesucht
wurde, ist die Marke Atomic für den deutschsprachigen Raum interessanter, aus wel-
chem sie stammt (Österreich).
Die Google-Insight-Ergebnisse ergänzen, ersetzen aber nicht die traditonelle Recherche,
die Markt- oder Werbewirkungsforschung. Der Hauptvorteil liegt in der Möglichkeit,
schnell und automatsiert wertvolle Teil- und Überblickinformatonen etwa zu einzelnen
Marken in Relaton zueinander ermiteln zu können. Auch kann man gut die Bekanntheit
von neuen Produkten oder Anbietern verfolgen, vorausgesetzt, diese hinterlassen eine
deutliche Suchspur. Der Nachteil aus Sicht der Branchenanalyse liegt in den relatv gene-
rischen Erkenntnissen, die jeder guter Marketer oder Produktmanager eigentlich wissen
sollte. Das Potenzial von Google Insight ist damit eher die Untermauerung bestehender
als die Gewinnung neuer Zusammenhänge.
Allerdings sind Zusammenhangshypothesen wie „je häufger Produkte gesucht werden,
desto größer ist das Kaufnteresse“ oder „je mehr Webseiten mit Produktnamen gefun-
den werden, desto bedeutsamer ist dieses Produkt im Branchenvergleich“, zwar plausi-
bel, wurden jedoch bisher nur unzureichend empirisch überprüf wurden. Dass Begrife
häufg gesucht werden, muss nicht zwangsläufg positv konnotert sein, das kann bei-
spielsweise auch auf Negatvmeldungen oder Rückrufaktonen zurückzuführen sein, wo-
bei auch letztere bei Konsumenten positv konnotert sein können.
Suchverhalten: Weitere Nutzungen
Das Suchverhalten von Nutzern ist nicht alleine für Brand- und Produktanalysen einzu-
setzen, sondern bietet auch andere überraschende Einsatzmöglichkeiten.
| Beispielsweise hat das Deutsche Insttut für Wirtschafsforschung analysiert, inwie-
weit das Suchverhalten nach Begrifen wie „Arbeitsamt“ und „Kurzarbeit“ nach Goo-
gle Insight als Datengrundlage zur Prognose der Arbeitslosigkeit im nächsten Monat
geeignet ist und kommt dabei zu brauchbaren Ergebnissen (Askitas & Zimmermann,
2009).
| Das Suchverhalten ist ebenso auch im Fokus des Interesse um Wahlprognosen zu ge-
ben. Google hat dies im Google-Weblog bei den Präsidentschafswahlen in den USA
kommentert (s. Marketng Pilgrim, 2008), auch für die deutschen Bundestagswahlen
wurde das Suchverhalten analysiert.
| Die Suchmaschine Google hat im Jahr 2009 in den USA den Service „Flu Trends“ an-
geboten, mit dem festgestellt wurde, in welchen Regionen nach dem Begrif Grippe
gesucht wird. Wissenschafler, u. a. des „Europäischen Zentrum für die Präventon
und die Kontrolle von Krankheiten“ haben festgestellt, dass diese Suchanfragen tat-
sächlich mit dem Ausbruch von Grippewellen korrellieren (Ginsberg et al., 2009).
| Zur Optmierung von Webangeboten, z. B. Webshops ist es hilfreich, die Suchanfra-
gen der Nutzer zu analysieren. So muss sich niemand wundern, wenn er nur wenige
„Pants“ verkauf, wenn seine Kunden nach Unterhosen suchen (vgl. Interview mit
Thomas Kaiser in Gelin, 2009)
| Auch für Werbetreibende sind Analysen des Suchverhaltens aufschlussreich, um bei-
spielsweise gezielt Aktonen zu platzieren: Zu bestmmten Anlässen, beispielsweise
dem Valentnstag, wird immer nach denselben Keywords gesucht, „saisonale Search-
Trends“ werden so zu einem „kritschem Erfolgsfaktor“ (Groß, 2009).
17
18. Es ist anzunehmen, dass gerade für die Nutzung der Daten zum Suchverhalten noch vie-
le weitere Einsatzmöglichkeiten erprobt und entwickelt werden. So wird – teils scherz-
haf – in Weblogs gezeigt, dass im Dezember deutlich häufger nach „Sex“ gesucht wird
als in den anderen Monaten und „Sex“ damit insgesamt „wichtger“ ist als „Liebe“ ist
und dass man die regionale Analyse von Google Insights verwenden kann, um nach po-
tentellen Absatzmärkten für Ostriesentee zu suchen (Basic Thinking Blog, 2009)
Zusammenfassung
Das Wissen darüber, wohin Nutzer klicken, welche Seiten sie aufrufen und mit welchen
Begrifen sie suchen lässt sich vielfältg nutzen: Es kann der Personalisierung dienen,
z. B. für Empfehlungen, aber auch zur Schaltung passender Werbung, es auch ist we-
sentlicher Bestandteil von Reputatonssystemen. Nutzerverhalten sollte auch wesentlich
dabei unterstützen, Webangebote und deren Nutzung zu evaluieren. Insbesondere die
Suchanfragen bei Google und das Angebot von Google Insights zeigt innovatve Ansätze,
wie Nutzerverhalten auch für das Webmonitoring eingesetzt werden kann.
Abbildung 5: Nutzung des Wissens über Nutzerverhalten
18
19. Sandra Schafert
3 KOMMUNIKATIONS- UND VERNETZUNGSSTRUKTUR
Eine interessante Informaton über Communitys und Netzwerke ist auch, wie Personen
miteinander verbunden sind, d. h. ob sie sich kennen und miteinander kommunizieren.
Auf den Informatonen über die Kommunikaton- und Vernetzungsstruktur können nicht
nur Reputatons- und Empfehlungssysteme aufauen, sondern auch vielfältge Analysen
und Services darauf.
3.1 Daten und Formen der Analyse
Wer sich mit wem, wie und über was austauscht, ist für viele Anwendungen und Interes-
sen von Nutzen. Ganz unterschiedliche Informatonen dazu liegen vor und können aus-
gewertet werden. In geschlossenen Communitys, Mailinglisten oder Newsforen können
zum Beispiel im Bezug auf einzelne Nutzer und deren Kommunikatons- und Vernet-
zungsstrukturen folgende Aspekte erfasst und ausgewertet werden:
| hat eine Frage gestellt, die keine Antwort und keine Kommentare erhalten hat und
von wenigen Nutzern angesehen wurde,
| hat eine Frage gestellt, über die 10/25/100 Mal abgestmmt wurde,
| hat eine Frage gestellt, die von 25/100 Usern als Favorit gewertet wurde,
| hat eine Frage gestellt, die von 1.000/2.500/10.000 User angesehen wurde,
| hat eine Antwort gegeben, über die 10/25/100 Mal abgestmmt wurde oder
| ist gemeinsam mit 3 Freunden des anderen Geschlechts eingecheckt.
Darüber bieten die Vielzahl von sozialen Netzwerken und Platormen, bei denen sich
„Freund“, „Kontakte“ oder „Follower“ wählen lassen, die Möglichkeit näheres über Be-
kannte und Interessen auszuwerten. Es gibt mit „Friend-of-a-Friend“ (FOAF) sogar ein
Metadatenformat, dass diese Beziehungsnetzwerke beschreibt (FOAF-project.org).
Typischerweise spannen sich Kontakte und Kommunikaton wie ein Netz auf: Man kom-
muniziert mit einem, der wiederum mit anderen kommuniziert. Aus den Sozialwissen-
schafen gibt es mit der sozialen Netzwerkanalyse ein Verfahren, dass die Vernetzung
berechnen und darstellen lässt. Dadurch kann man gut Kommunikatonsstrukturen er-
kennen und Eigenschafen von Personen im Netz feststellen, z. B. ob sie stark vernetzt
und im Zentrum stehen oder ob sie Schlüsselpositonen zwischen Subgruppen besetzen.
Nähe und Verknüpfung wird dabei in Form von „Netzwerken“ dargestellt.
Mit dem aufommenden vielen neuen Daten im Internet wird das Verfahren vermehrt
auch zur Auswertung von diesen Informatonen eingesetzt. Beispielsweise kann das ei-
gene Netzwerke, also Kontakte und Kontakte-von-Kontakten so visualisiert werden.
19
20. Abbildung 6: Darstellung von Kontakten als Netzwerk
Quelle: htp://asset.soup.io/asset/0054/6740_ca5c.png (10/2009)
Häufg liegen die exakten Daten über Netzwerke nicht vor, können jedoch über Angaben
über Kontaktntensität oder Vorkommen der Namen in gleichen Dokumenten abgeleitet
werden, beispielsweise durch Analyse von Diskussionsforen. Vier Varianten von Daten
lassen sich dabei unterscheiden (Kirchhof et al., 2008, 7): Explizite soziale Verbindungen
sind beispielsweise öfentlich zugängliche Freundeslisten, explizite indirekte soziale Ver-
bindungen sind demnach Hyperlinks auf Weblogeinträge von anderen. Implizite soziale
Verbindungen sind textuelle Hinweise, die eindeutg auf eine soziale Beziehung hinwei-
sen, beispielsweise Ko-Autorschafen bei Publikatonen. Schließlich sind implizite soziale
Verbindungen beispielsweise Käufer des gleichen Produkts.
3.2 Nutzen und Nutzung
Diese direkt oder indirekt abrufaren Informatonen über die Strukturen der Kommuni-
katon und Vernetzung werden auf unterschiedliche Weise erhoben, ausgewertet und
genutzt.
Freunde und Freundesfreunde in Sozialen Netzwerken
Soziale Netzwerke wie LinkedIn, StudiVZ, Xing, MySpace und Facebook basieren wesent-
lich darauf, dass bekannt ist wer wen kennt. Das ermöglicht, die Bekannten, genannt
„Freunde“ auf dem Laufenden zu halten, nachzulesen, was diese bewegt, neue Fotos
anzusehen oder die letzte Powerpoint-Präsentaton – je nachdem welches Netzwerk
und mit welchem Hauptokus man es benutzt. Aufauend auf dem Wissen, mit wem
man bekannt ist bzw. wen man als Freund ausgewählt hat gibt es auch aufauende Ap-
plikatonen, die beispielsweise darstellen, welche Tags in einer Gruppe oder im eigenen
Bekanntenkreis gerade genutzt werden.
20
21. Es sind jedoch nicht nur diejenigen Personen interessant, die man bereits als Kontakte
gekennzeichnet und/oder akzeptert hat, dieses Wissen wird auch in unterschiedlicher
Form für den einzelnen Nutzer oder die Community genutzt. Im Folgenden einige Bei-
spiele dazu:
| Nutzer werden über Personen informiert bzw. diese als neue Kontakte vorgeschla-
gen, die man kennen könnte, beispielsweise weil man viele gemeinsame Bekannte
hat oder weil sie das öfentliche Profl betrachtet haben (z. B. bei Facebook).
| Bei Recherchen wird dargestellt, über wieviele Ecken (Personen) man mit jemanden
verknüpf ist, d. h. ob man beispielweise über einen gemeinsamen Kontakt vorge-
stellt werden kann (z. B. bei LinkedIn).
| In manchen Netzwerken kann man auch nachvollziehen, was die eigenen Kontakte
öfentlich mit weiteren Kontakten austauschen, z. B. auf den Pinnwänden von Nut-
zern hinterlassen, die man nicht selbst in der Kontaktliste hat (z. B. bei Facebook).
| Gerade in professionellen Netzwerken wie LinkeIn und Xing, wird über die Zahl der
bestätgten Kontakte auch eine gewisse „Bedeutsamkeit“ der entsprechenden Perso-
nen abgeleitet.
| Einige soziale Netzwerke bieten auch an, dass man anderen gemeinsame Kontakte
vorschlagen kann, dies ist besonders dann wichtg, wenn jemand neu bei einem
Netzwerk ist (z. B. Facebook).
Um die unterschiedlichen Netzwerke und Kommunikatonstools auf einer Platorm ver-
folgen und bedienen (also z. B. Statusmeldungen schreiben) zu können, gibt es Werkzeu-
ge (z. B. Tweetdeck) und Websites (z. B. Friendfeed.com) die hier die unterschiedlichen
Kanäle zentral zusammenbringen.
Aus der Vorstellung heraus, dass Mitglieder der gleichen oder verwandten Communitys
bzw. mit ähnlichen Interessen und Arbeitsgebieten auch von den Suchstrategien und
-ergebnissen der Anderen profteren könnten, werden Suchmaschinen konzeptonisiert,
die dieses Wissen adäquat verarbeiten und darstellen wollen (z. B. Chi, Pirolli & Lam,
2007; Odden, 2009). Beispielsweise wird das Wissen über das soziale Netzwerk genutzt,
um Vorschläge für den Besuch von Konferenzen bzw. einzelne Präsentatonen zu geben
(z. B. Klamma, Cuong & Cao, 2009) oder um Tagvorschläge zu geben (Klamma, Spaniol &
Renzel, 2007). Das Wissen über Kontakte und deren Vorlieben und Verhalten ist auch
Bestandteil von Empfehlungs- und Reputatonssystemen.
In den sozialen Netzwerken wird dabei experimentert, welche Arten von Informatonen
über das Kommunikatons- und Vernetzungsverhalten für die Nutzer bzw. die Communi-
ty insgesamt interessant sind und wie sie genutzt werden können. Auch für „normale“
Nutzer ist die Darstellung ihrer Verknüpfung zu anderen „interessant“, auch wenn häufg
Angaben über die Hintergründe der Darstellungen und Interpretatonsmöglichkeiten
fehlen. Beispielsweise kann man sich mit der Facebook-Applikaton TouchGraph die Ver-
knüpfung mit anderen als Netzwerk darstellen lassen.
Open Social Networking
„Friend of a Friend“ heisst das Metadatenformat, mit dem die Kontakte bzw. Netzwerke
beschrieben werden können. Die eigenen Netzwerke persönlich nutzen zu können, bei-
spielsweise um sie unabhängig von spezifschen Anwendungen auswerten und nutzen
zu können ist die Idee der Initatve „FOAF + SSL“: „FOAF+SSL is a way of allowing open
social networking, while stll leaving everything under the control of the individual. It
21
22. uses well-established protocols, virtually every standard Web browser supports it. Whe-
rever you need to interact over the Web with others but retain a level of trust - your se-
crets are your secrets - FOAF+SSL is there for you.“ (ESW-Wiki, 2009). Dieses Vorhaben
möchte also ermöglichen, dass man beispielsweise Adressdaten von seinen Kontakten
immer auf dem Laufenden halten kann, ohne notwendigerweise alle diese Daten öfent-
lich und zentral zugänglich halten zu müssen.
Trendforschung in Sozialen Netzen
Die Methode der sozialen Netzwerkanalyse wird derzeit mit Daten aus sozialen Netz-
werken v. a. dazu genutzt, um „Zukunfsprognosen zu generieren, die Aufschluss über
zukünfige Produktrends geben“ (s. Baumöl & Ickler, 2008). Maßgeblich ist hier eine Ar-
beitsgruppe am MIT um Peter Gloor zugange, der die Suche nach Trends mit Hilfe der
Netzwerkanalyse unter dem Begrif „Coolhuntng“ beschreibt. Durch die Analyse von be-
kannten Innovatonsprozessen hat die Arbeitsgruppe um Gloor typische „Bilder“ für (in-
novatve) Lernnetzwerke dargestellt, die wiederum bei der Identfzierung von Trendsan-
bahnungen eingesetzt werden können (u. a. Gloor et al., 2008).
Dazu wurde u. a. auch die Entwicklung von neuen Tools notwendig. Bei Condorview
wird die Vernetzung mit Hilfe des Hin-und-Her von E-Mails gemessen und dargestellt
und damit soziale Netze transparent. In der Auswertung der Inbox eines E-Mails-Nutzer
sind Newsleter oder Mailinglisten „isolierte Netzwerke“, weil man nur lesend partzi-
piert.
Meinungsführer identfzieren
Netzwerkanalysen werden in Unternehmen gezielt eingesetzt um Meinungsführer bzw.
um wichtge Knoten in Netzwerken zu analysieren. Beispielweise argumentert die öster-
reichische FAS.research so den Nutzen des Einsatzes damit: „Das Ziel der Sozialen Netz-
werkanalyse ist, Ihnen Ihre Freiheit wieder zu geben: Global Players bleiben nicht länger
unerreichbar, wichtge Kontakte lassen sich herstellen und Sie bleiben nicht mehr in der
Verfechtung rivalisierender Cliquen gefangen.“ (Homepage, Stand 12.10.2009). Das
Wissen über Netzwerke ermöglicht ausserdem, gezielte PR-Maßnahmen durchführen zu
können, indem beispielsweise Meinungsführer festgestellt werden und gezielt einge-
bunden werden (vgl. Leisenberg, 2008).
Soziale Netzwerkanalyse aus Wissenschafsperspektve
Die neuen Strukturen und Kommunikatonsformen des Internets sind auch für die Wis-
senschaf interessant, hier wird gerade vom Einsatz der sozialen Netzwerkanalyse ein
großes Potental erwartet: Hiermit sollen Einblicke in Strukturen erlangt werden, die
durch andere Verfahren nicht ohne weiteres aufgedeckt werden können. Beispielsweise
untersucht Stegbauer (2009) damit, exploratv wie in der Online-Enzyklopädie Artkel
entstehen und diskutert werden, weil in diesem Kontext herkömmliche Theorien zum
Kooperatonsverhalten scheitern (z. B. S. 103 f.).
Community-Aware-Services
Aus der Vorstellung heraus, dass Mitglieder der gleichen oder verwandten Communitys
bzw. mit ähnlichen Interessen und Arbeitsgebieten auch von den Suchstrategien und
-ergebnissen der anderen profteren könnten, werden Suchmaschinen konzeptonisiert,
22
23. die dieses Wissen adäquat verarbeiten und darstellen wollen (z. B. Chi, Pirolli & Lam,
2007; Odden, 2009).
Beispielsweise wird das Wissen über das soziale Netzwerk genutzt, um Vorschläge für
den Besuch von Konferenzen bzw. einzelne Präsentatonen zu geben (z. B. Klamma,
Cuong & Cao, 2009) oder um Tagvorschläge zu geben (Klamma, Spaniol & Renzel, 2007).
Das Wissen über Kontakte und deren Vorlieben und Verhalten ist auch Bestandteil von
Empfehlungs- und Reputatonssystemen.
Wissen über soziale Netze analysieren und nutzbar machen
Ralf Klamma leitet eine Forschungsgruppe, die sich mit der Nutzung unterschiedlicher
Metadaten beschäfigt, sich dabei aber auf soziale Netze und deren Anliegen fokussiert.
Wissen über soziale Netze analysieren und nutzbar machen - im Gespräch mit Ralf Klamma
? In Ihrer Gruppe beschäfigen Sie sich mit unterschiedlichen Metadaten und wie
man sie nutzen kann. Was ist so atraktv an dem Wissen über die sozialen
Strukturen von Usern und Communitys? Wozu kann es genutzt werden?
Wir haben einen neuartgen Ansatz für sogenannte refektve Community-
Informatonssysteme entwickelt. Dieser Ansatz beruht zum einen auf der
Möglichkeit für Praxisgemeinschafen fortlaufend über ihre Nutzung von
Informatonssystemen (IS) zu refekteren, zum anderen auf der Möglichkeit,
diese Erfahrungen mitelbar für die Weiterentwicklung der Informatonssystem-
komponenten einzusetzen. Daten über soziale Strukturen sind deshalb so
atraktv, weil sie zwischen quanttatven und qualitatven Methoden der
Informatonssystembewertung vermiteln. Nutzungshäufgkeiten und
qualitatve Aussagen über die Qualität von IS können besser gewürdigt werden,
wenn zusätzliche Informatonen über die Positon der Nutzer in einer sozialen Struktur vorliegen. Bei
unseren Forschungen sind wir inzwischen so weit, bestmmten sozialen Strukturen positve oder negat-
ve Einfüsse auf die IS Entwicklung zuschreiben zu können. Das klassische Beispiel ist der sogenannte
Troll, eine immer wieder aufretende Rolle, die anderen Benutzern durch wenig zielführende Diskussio-
nen Zeit und Energie raubt. Und auch hier unterscheidet sich unser Ansatz von vielen bedrohlich wirken-
den Aktvitäten zur Überwachung der Nutzer in sozialer Sofware. Wir stellen die Daten nur den Nutzern
in den Praxisgemeinschafen selbst zur Verfügung. Diese mögen über die weitere Nutzung selbst ent-
scheiden und auch über die Konsequenzen, die sie aus den gewonnenen Erkenntnissen ziehen. Für ein-
geschränkte Fragestellungen arbeiten wir aber auch an Recommender-Systemen, die auf der Analyse
der sozialen Netze beruhen.
? In welcher Weise werden solche Informatonen über soziale Netzstrukturen konkret eingesetzt?
Wir setzen diese Systeme gezielt zusammen mit professionellen Praxisgemeinschafen ein, bestehend
also aus Künstlern, Ingenieuren, Ärzten, Wissenschaflern usw. Ein aktuelles Beispiel ist die nachhaltge
Entwicklung des Bamiyan Tales in Afghanistan, wo eine bunte Mischung aus Wissenschaflern, Ingenieu-
ren, Denkmalschützern, Kulturbürokraten, Politkern, und Tourismusmanagern damit beschäfigt ist,
einen Masterplan für die Nutzung des Tales nach Beendigung des Bürgerkrieges zu erstellen. Hier stellen
wir mobile soziale Sofware zur Verfügung und beraten. Wir haben aber auch gerade ein neues Projekt
gewinnen können, bei dem es um die Untersuchung der Kooperatonsmuster zwischen europäischen
Schulen geht. Im Moment sind in der über die Jahre angelegten eTwinning-Datenbank 50.000 Schulen
aufgenommen. Die spannende Frage ist hier, wie Lehrer die Analyse und Visualisierung existerender Ko-
operatonsmuster lernen und nutzen können, um ihr eigenes Kooperatonsverhalten zu optmieren.
23
24. ? Wo sehen Sie gerade besonders hohen Forschungs- und Entwicklungsbedarf?
Das Gebiet bildet gerade eine neue Disziplin heraus, die sich „Web Science“ nennt. Hier geht es darum,
anspruchsvolle analytsche Einsichten in die generelle Natur von Netzen - insbesondere des Webs - mit
herausragenden Ingenieursleistungen zur Erreichung eines gewünschten Verhaltens von Nutzern zu ver-
binden. Web Science wird sicherlich noch einige Jahre brauchen, um sich als eigenständige Disziplin zu
etablieren, aber an der RWTH Aachen haben wir schon begonnen, Studenten aus verschiedenen techni-
schen Masterprogrammen in Vorlesungen, Seminaren und Masterarbeiten mit dieser neuen Disziplin
vertraut zu machen. Forschungsbedarf gibt es vor allem beim Schrit von der statschen Analyse von
Netzen hin zu dynamischen Analyse, die alle Formen von Veränderungen über die Zeit in Netzwerken
berücksichtgt. Hier gibt es erste Schrite zu einem vertefen Verständnis dynamischer Prozesse in Net-
zen, z. B. bei der Analyse von Bewegungsmuster von Nutzern mobiler Informatonssysteme, aber noch
keine ausgearbeitete Theorie. Ein weiterer Punkt ist ein umfassenderes Verständnis der verwendeten
Medien in sozialen Netzen. Bislang werden Medien ausgeblendet und bilden einen blinden Fleck der
Theorie sozialer Netze. Wir verbinden in unseren Forschungen Entwurfstheorien der Informatk mit ope-
ratonalen Medientheorien, die eine medienspezifsche Ausgestaltung von Informatonssystemen erlau-
ben, z. B. bei der Nutzung von mobilem Multmedia. Letztlich will unsere Forschung dem Nutzer des
Webs nicht nur die Folgen des eigenen Handelns bewusst machen, sondern auch sein „Leiden“ unter
den Handlung der anderen. Durch die immer weiter Durchdringung unserer Lebenswelt durch Informa-
tonstechnologien müssen wir uns immer mehr bewusst werden, dass wir auch durch die Spuren beur-
teilt werden, die wir im Netz hinterlassen.
Dr. Ralf Klamma leitet die Arbeitsgruppe „Metadata in Community Informaton Systems“ (MCIS) am
Lehrstuhl für Informatonssysteme und Datenbanktechnologie der RTHW Aachen. Die Gruppe beschäf-
tgt sich im Rahmen des DFG Exzellenzclusters UMIC (Ultra High-Speed Informaton and Communicaton)
und des EU IP ROLE (Responsive Open Learning Environments) sowie einiger anderer natonaler wie in-
ternatonaler Forschungsprojekte mit der Entstehung, dem Nutzen und die Wartung von Metadaten in
Social Sofware und Community-Systemen beschäfigt. Dabei wird auch die Rolle von Metadatenbe-
schreibungsstandards in unterschiedlichen Anwendungskontexten untersucht.
Zusammenfassung
Das Wissen über Kommunikatons- und Vernetzungsstrukturen kann ganz unterschied-
lich genutzt werden. So hilf es zum einen, das persönliche Informatons- bzw. Kontakt-
management zu verbessern und dient generell dazu, die Kommunikaton von Nutzern
gleicher Services oder von Communitys zu verbessern. Auch kann es dienlich sein, um
Communitys efektv zu moderieren und die Qualität der Prozesse zu evaluieren.
Schließlich ergeben sich aus diesen Strukturen und Abläufen auch Hinweise für beson-
ders innovatve Vernetzungen und Prozesse.
24
25. Abbildung 7: Nutzung Kommunikatons- und Vernetzungsstruktur
Insbesondere die Methode der Sozialen Netzwerkanalyse hat in den letzten Jahren er-
heblich an Aufmerksamkeit gewonnen und wird immer häufger für die Daten und Mög-
lichkeiten des Webs adaptert und eingesetzt.
25
27. Sandra Schafert und Diana Wieden-Bischof
4 BEWERTUNGEN
Wenn viele Produkte oder Informatonen vorhanden sind, verlässt man sich gerne auf
Empfehlungen oder Reputatonssysteme2. Grundlage für diese sind Bewertungen, die
Leser oder Kunden oder andere Nutzer abgegeben haben.
4.1 Formen und Einsatz
Bewertungen können auf unterschiedliche Weise vorgenommen werden, so gibt es qua-
litatve Verfahren wie sie in der Online-Enzyklopädie Wikipedia eingesetzt werden: Dort
werden mit Hilfe von Diskussionsseiten Verbesserungsvorschläge gemacht oder Kritk
geübt.
Abbildung 8: Kennzeichnung eines qualitatv unzureichenden Beitrag bei Wikipedia
Quelle: Wikipedia.de (10/2009)
In quanttatven Systemen, kommen standardisierte Formulare oder Ratng-Skalen zum
Einsatz. Mit letzterem werden wir uns in diesem Abschnit beschäfigen.
Abbildung 9: Zwei Formen der Bewertung
Quelle: Amazon.de, Tripwolf.com (10/2009)
Bewertungen können auf unterschiedliche Weise z. B. in Form von Sternen, Smileys aber
auch nach dem Schulnotensystem dargestellt werden. Dem Einsatz sind keine Grenzen
gesetzt und sowohl Inhalte (wie Geschichten, Artkel), Gegenstände (wie Autos, Brief-
marken) als auch Personen und Organisatonen (wie Arbeitgeber, Ärzte, Lehrer) können
2
Empfehlungs- und Reputatonssysteme sind die Themen der beiden folgenden Veröf-
fentlichungen im Rahmen des Projektes ComStudy.
27
28. bewertet werden. Anbieter können somit leichter den Wert oder die Bedeutung des
Sachverhalts, Gegenstands oder Inhalts für die Nutzer einschätzen.
Für praktsch alle Produkte und Dienstleistungen des Alltags, z. B. Elektroartkel, Hotels
oder Skiprodukte lassen sich im Web Foren fnden, bei denen Nutzer und Kunden Be-
wertungen hinterlassen. Eine Auswertung der Bewertungen, beispielsweise ein Produkt-
vergleich, gibt häufg hilfreiche Rückmeldungen zum Produkt bzw. den Dienstleistungen.
Zu den bekannteren Angeboten gehören Ciao.de und Qype.at (vgl. Markus & Schafert,
2010).
Bewertungssysteme bzw. darauf aufauende Empfehlungs- und Reputatonsysteme ha-
ben mit einigen Herausforderungen zu kämpfen, zu den bekannten zählen: Das Cold-
Start-Problem bezeichnet die Tatsache, dass zunächst keine oder nur wenige Bewertun-
gen vorliegen, „Feedback Padding“ ist das Erschleichen von günstgen Bewertungen und
„Ballot Stufng“ ist der Versuch, durch mehrmaliges Bewerten das Ergebnis zu beein-
fussen.
4.2 Nutzen und Nutzung
Im Folgenden werden wir an einigen Beispielen zeigen, welche Formen der Bewertung
bekannte Webangebote nutzen und stellen einzelne Anwendungen vor.
Bewertungssysteme bei bekannten Webangeboten
Im Rahmen einer Diplomarbeit bei Salzburg Research wurden bekannte Webangebote,
nämlich der Verkaufplatormen Amazon und Ebay, sowie der beiden kollaboratv entwi-
ckelten Online-Enzyklopädien Wikipedia (in beiden Versionen) sowie Citzendium im
Hinblick auf ihr Bewertungssystem analysiert.
Amazon Ebay Wikipe- Wikipe- Citzen-
dia dia neu dium
Geschlossenes System P P P
Sichtbarkeit von Benutzerdetails P P P
Verschiedene Benutzergruppen P
Kommentare und Diskussion P P P P P
Berücksichtgung der Reputaton P P P P
Bewertung von Inhalten P
Bewertung von Bewertern P
Darstellung der Ergebnisse als Zahlenwerte P P
Darstellung der Ergebnisse als Balken oder Sterne P P
Darstellung der Ergebnisse als Wörter P
Anzahl von Bewertungen P P
Anzahl der bewerteten Inhalte P P
Tabelle 1: Einsatz von Bewertungssystemen bei bekannten Webangeboten
Quelle: gekürzte Darstellung einer Darstellung in Gruber (2008)
Bei allen Angeboten kommen demnach auch qualitatve Verfahren zum Einsatz, wobei
die quanttatven Empfehlungssysteme mit Sternen und Balken wohl eher bei den kom-
merziellen Anbietern zu fnden sind.
28
29. Produkt- und Dienstleistungsbewertung: Datngjungle
Im Web gibt es eine Vielzahl von Portalen die Meinungen zu Produkten und Dienstleis-
tungen abfragen und damit versuchen, einen Überblick über den Markt zu geben. Am
Beispiel von Datngjungle zeigen wir, wie dabei Bewertungen vorgenommen werden
können.
Tabelle 2: Bewertungsformular bei Datngjungle (Ausschnit)
Quelle: htp://www.datngjungle.de/ (10/2009)
Datngjungle versucht einen Überblick über Online-Partneragenturen zu geben und bit-
tet deren Nutzer einen Fragebogen auszufüllen. Die Ergebnisse, also Empfehlungen und
Ranglisten von solchen Online-Partneragenturen basieren auf diesen Angaben. Datng-
jungle ist also – wie alle vergleichbaren Angebote – auf die Bewertungen seiner Nutzer
angewiesen, auf welchen weitere Empfehlungen bzw. die Reputaton und Ranglisten der
Anbieter aufauen.
Produktbewertungsportale
Für Internet-Nutzer sind die Bewertungen von Produkten sowie Online-Shops entschei-
dend für ihren Einkauf, wie die Befragung einer Internet-Beratungsagentur zeigt (Fitkau
& Maaß Consultng, 2008).
29
30. Abbildung 10: Bewertung von Nutzermeinungen bei Kaufentscheidungen
Quelle: htp://www.w3b.org/e-commerce/produktbewertungen-
beeinfussen-kaufentscheidungen.html (10/2009)
Hinter den Bewertungsplatormen von Produkten (dies gilt auch für die Angebote mit
Preisvergleichen) verbergen sich unterschiedliche Businessmodelle: So fndet man bei
Idealo.de und Billiger.de nur Produkte von Händlern, die für diesen Service zahlen; bei
Dealjäger dagegen können Nutzer selbst Produkte einstellen (vgl. Randler, 2009). Der
Oto-Konzern hat mit Smatch.com eine Bewertungsplatorm mit Community-Feature,
bei der nur spezifsche Produkte aus seinem Angebot vorgestellt werden (Mode-, Mö-
bel-, Lifestyletrends).
Auch bei Smatch.com ist davon auszugehen, dass der Oto-Konzern das Feedback der
Nutzer zur Verbesserung seines Warenbestands nutzt. Der eigentliche Nutzen des Ange-
bots besteht jedoch weniger darin, die konkreten Bewertungen zu erhalten als um den
Service herum eine Community aufzubauen die letztlich durch ihre Aktvitäten den Ab-
satz von Oto erhöhen sollen, der Verkauf ist und bleibt das Kerngeschäf (s. Groß,
2008). Community-Einbindungen sind für Online-Shops nicht zwangsläufg notwendig;
Experten empfehlen den Shop-Anbietern nicht unbedingt eigene Communitys aufzubau-
en, aber mit bestehenden Angeboten – beispielsweise den Bewertungsplatormen – zu
kooperieren (vgl. Groß, 2008).
Nachrichtenranking mit Yigg
Es gibt jedoch eine Anwendung, in der sich die Tätgkeit bzw. die Community rund um
das Tagging und Bewerten von Nachrichten herum bildet, es also als wesentlichen Inhalt
betrachtet: Die Website Yigg.de beschreibt sich folgendermaßen (vgl. Website, Stand
März 2009):
30
31. „YiGG ist eine Nachrichten-Website, auf der die Benutzer selber Nachrichten einstellen,
bewerten und kommenteren können. Die Community der Nutzer ist sozusagen das Re-
daktonsteam, das darüber entscheidet, welche Nachrichten den Lesern präsentert
werden sollen. YiGG bietet allen seinen Nutzern die Möglichkeit, Nachrichten zu bewer-
ten. Du bewertest eine Nachricht, indem Du einfach auf den grünen Buton neben jeder
Nachricht unter dem Stmmenzähler klickst. Die besten Nachrichten kommen auf unsere
Homepage, wo sie jeder neue Besucher sofort lesen kann. Dabei kombiniert YiGG sozia-
les Bookmarking, Blogs, RSS-Feeds, Nachrichteneinträge, Tags, Videos und mehr. Da die
Benutzer entscheiden, was interessant ist, handelt es sich um eine nicht-hierarchische
Nachrichtenverteilung.“
Abbildung 11: Screenshot von Yigg.de
Quelle: Yigg.de (03/2009)
Meinungsumfragen am Beispiel I-Predict
Seit Juni 2007 stellt MSNBC seinen Nutzern iPredict für Abstmmungen zur Verfügung.
Nutzer werden aufgerufen, zu verschiedenen Aussagen und Geschehnissen Bewertun-
gen abzugeben. Dabei kann eine abgestufe Beurteilung von „very likely“ (sehr wahr-
scheinlich) bis „very unlikely“ (sehr unwahrscheinlich) abgegeben werden. Sie können
zwischen sechs verschiedenen Kategorien (Politk, News, Unterhaltung, Business, Ge-
sundheit, Sport und Technologie) auswählen, um ihre Meinungen in diesen Bereichen zu
äußern. Pro Tag ist nur eine Bewertung pro Frage möglich (Wieden-Bischof & Schafert,
2008, 24f).
31
32. Abbildung 12: Abstmmung bei iPredict vom 18.3.09
Quelle: MSNBC htp://www.msnbc.msn.com/id/18661488/vid/24982552 (03/2009)
Nach Abgabe der Bewertung erscheint direkt im Diagramm ein grünes Kästchen „You“
(Du), welches die eigene Bewertung mit der durchschnitlichen Leserbewertung im ro-
ten Kästchen gegenüberstellt. Die „eigene Stmme“ wird durch ein Cookie im System ge-
speichert. Kehrt man daher nach einer längeren Zeit zu der Umfrage zurück, fndet man
seine alte Bewertung vor und kann erneut zu dem Thema abstmmen. Nutzer können
also nicht nur die Veränderung der durchschnitlichen Nutzerbewertung grafsch darge-
stellt verfolgen, sondern auch die Änderungen der eigenen Einschätzungen (Wieden-Bi-
schof & Schafert, 2008, 24f).
Werden im Zeitraum der Umfrage auf dem Nachrichtenportal thematsch zusammen-
hängende Artkel bzw. Schlüsselereignisse veröfentlicht, dann werden diese ebenfalls
automatsch im Diagramm in Form eines kleinen Vierecks angezeigt. Es beinhaltet Infor-
matonen über den Titel des Artkels und sein Erscheinungsdatum sowie Informatonen
über die durchschnitliche Bewertung der Frage bis zu diesem Zeitpunkt und der Anzahl
der Bewertungen. Dadurch kann gut beobachtet werden, ob der Artkel beispielsweise
Auslöser für Meinungsänderungen ist/war. Klickt man auf den Titel des Beitrags, dann
wird man automatsch auf den vollständigen Artkel im Portal verlinkt (Wieden-Bischof
& Schafert, 2008, 24f).
Abstmmung: Der Batleout-Fotowetbewerb
Bei Batleout (batleout.zapak.com) bewerten Mitglieder jeweils zwei gegenübergestell-
te, hochgeladene Fotos von anderen Nutzern. Der Wetkampf um das bessere Bild dau-
ert fünf Tage; das Foto mit der höheren Punktzahl gewinnt. Wetbewerbe von Nutzern
ofener Video- und Fotoplatormen um das beste Bild werden auch zu speziellen The-
men durchgeführt, manchmal werden Preise von Firmen gesponsert, der Wetbewerb
wird also (auch) im Rahmen von PR-Aktonen durchgeführt (vgl. htp://www.buzznet.-
com/www/contests).
32
33. Zusammenfassung
Im Überblick ergeben sich folgende drei Nutzungsmöglichkeiten von Rankings: Zunächst
einmal kann es dem eigenen Informatonsmanagement dienen (z. B. um schlechte Er-
fahrungen mit Händlern zu noteren), dann nutzt diese Informaton der Community, da
darauf Empfehlungssysteme und Reputatonssysteme aufauen und schließlich ergeben
sich insbesondere für Unternehmen viele Möglichkeiten des Webmonitorings, beispiels-
weise zur Evaluierung von Produkten oder potentellen Marktchancen und Innovatons-
bedürfnissen.
Abbildung 13: Nutzung von Bewertungen
Im Bezug auf Bewertungssysteme ist zu erwarten, dass hier zukünfig noch weitere
Möglichkeiten entwickelt und erprobt werden, wie Bewertungen vorgenommen, darge-
stellt und ausgewertet werden können.
33
35. Sandra Schafert, Wolf Hilzensauer und Diana Wieden-Bischof
5 SOCIAL TAGGING
Im Folgenden betrachten wir eine relatv neue Variante von Metadaten die überra-
schend populär ist und der wir uns daher in einem eigenen Abschnit beschäfigen.
In traditonellen Medienarchiven werden Materialien zu Kategorien und Unterkategori-
en zugeordnet, welche häufg auch zusätzliche Kurzbeschreibungen und Schlagworte
beinhalten. Im Web hat sich ein Verfahren etabliert, das Nutzern ermöglicht, Webseiten
oder anderen Ressourcen (Bilder, Videos, Musikstücke) mit eigenen Schlagworten zu
markieren, sie zu „taggen“ (von Engl. „tag“: Etket). Mit Hilfe der Tags können andere
entsprechende Ressourcen recherchieren; schnell haben sich populäre Webdienste ent-
wickelt.
5.1 Konzept und Anwendungen
Social Tagging, also das gemeinsame Taggen, führt zur Entstehung von Metainformato-
nen, die wiederum neue Zugänge zu Ressourcen ermöglichen. Weinberger (2007) be-
schreibt in seinem Buch „Everything is miscellaneous: the power of the new digital dis-
order“ wie diese neuen Metainformatonen im Vergleich zu herkömmlichen (hierarchi-
schen) Kategoriensystemen zu scheinbar chaotschen Zuordnungen führen, tatsächlich
aber neue, überzeugende und adaptve digitale Ordnungssysteme schafen. Die „Schlag-
wortsammlung, die aus den Tagging-Aktvitäten aller Nutzer/innen innerhalb eines Sys-
tems erwächst und sich dynamisch mit jeder neuen Eingabe ändert“ wird als „Folksono-
my“ bezeichnet, einem Kunstwort aus „Taxonomy“ (Engl. für Taxonomie, Systematk)
und „Folk“ (Engl. für Volk, Leute; s. Gaiser, Hampel & Panke 2008, 12). Während die Er-
zeugung von traditonellen Metadaten also eher einem ausgewählten Benutzerkreis vor-
behalten ist, sind beim Social Tagging potentell alle Benutzer beteiligt (Derntl et al.,
2009). Es ist also „eine ofene, efziente Möglichkeit der Klassifkaton von
Dokumenten“ weil „eine breite Palete von unterschiedlichen Termen für die Beschrei-
bung eines Dokuments bereitgestellt wird“ (Güntner, Sint & Westenthaler, 2009, 192).
Die Schlagworte, die beim Social Tagging benutzt werden, sind in der Regel nicht auf in-
haltliche Beschreibungen beschränkt, sondern können sich auch auf den Materialtyp
(„website“, „blogpost“) beziehen und persönliche Anweisungen („toread“) oder auch Be-
wertungen sein („cool“; vgl. Barbosa, 2008, 5).
Aus Sicht der Nutzer werden u. a. folgende Motve genannt, warum sie Tags verwenden
bzw. sich beim Social Tagging beteiligen (vgl. Marlow et al. 2006): um das spätere Aufn-
den der Dokumente zu erleichtern, einfach um beizutragen und auch um zu teilen, um
Aufmerksamkeit zu erreichen, aber auch um sich an Spielen und Wetbewerben zu be-
teiligen, um sich selbst zu präsenteren oder auch um die eigene Meinung auszu-
drücken.
Tagging-Systeme werden auf zweierlei Weisen genutzt: Zum einen können sie im System
angeboten werden, d. h. die Tags im ofenen Fotoarchiv FlickR werden dort erstellt und
verwaltet. Daneben gibt es auch zentrale Tagging-Services wie delicious (bis August
2008: del.icio.us), die es erlauben, jede Webseite zu taggen und diese Informatonen
wiederum allen Nutzern zugänglich zu machen.
In so genannten „Tag-Clouds“ („Tag-Wolken“) werden die am häufgsten genutzten Tags
dargestellt, wobei wiederum häufger genutzte Tags dicker und größer dargestellt wer-
35
36. den. Auf diese Weise erhält man einen schnellen Überblick über Ressourcen, beispiels-
weise über Einträge in Weblogs.
Abbildung 14: Tag-Wolke des Salzburg NewMediaLab (Stand Februar 2009)
Eine weitere Variante des Taggens von Bildern ist das Taggen von einzelnen Punkten
oder Bereichen in Bildern. So kann man beispielsweise im ofenen Fotoarchiv FlickR und
im sozialen Netzwerk Facebook Bilderausschnite taggen bzw. auch mit den Proflen an-
derer Nutzer verknüpfen. Auch eine Variante des ESP-Game, das wir im Folgenden aus-
führlicher vorstellen werden, nutzt diese spezielle Variante des Taggens.
5.2 Nutzen und Nutzung
Im Folgenden beschreiben wir eine Reihe von konkreten Beispielen, wie Social Tagging
eingesetzt und genutzt wird.
Delicious: Social Bookmarking
Social Tagging wird in der Regel mit der Website Delicious in Verbindung gebracht: Deli-
cious ist ein Social-Bookmarking-Service, d. h. mit der Hilfe dieses Services können Nut-
zer Webadressen speichern, mit Schlagworten versehen und mit anderen teilen. Dazu
ist inzwischen nicht mehr notwendig, die Website Delicious aufzurufen, da der Service
direkt im Browser integrierbar und abrufar ist.
36
37. Abbildung 15: Ergebnisse der Suche nach dem Tag „ComStudy“ bei Del.icio.us (Ausschnit)
Quelle: htp://delicious.com/search?p=comstudy (03/2009)
In einer unveröfentlichten Studie wurde verglichen, wie die Recherche mit Hilfe von
Del.icio.us im Vergleich zu Suchmaschinen und Webverzeichnissen abschneidet (s. Wi-
chowski, 2009): Morrison (2007) stellte dabei fest, dass Delicious hier einen knappen
zweiten Platz einnimmt. Zudem stellte er jedoch fest, dass eine Kombinaton der Deli-
cous-Tags mit einem kontrollierten Vokabular bessere Ergebnisse liefert als die Recher-
che in Webverzeichnissen.
Tagging bei ofenen Foto- und Videoarchiven
Im Rahmen dieser Studie haben wir sechs der größten ofenen Foto- und Videoportale
hinsichtlich des Taggings untersucht. Dabei lässt sich feststellen, dass von den sechs ge-
wählten Portalen nur beim Video-Portal YouTube, das Taggen von Videos durch die Nut-
zer nicht vorgesehen ist und auf die Ersteller der Videos beschränkt ist. Bei einigen der
Angebote (z. B. FlickR) können die Eigentümer der Bilder festlegen, ob andere Nutzer die
Fotos bzw. Bilder taggen können; sehr häufg wird dies nicht erlaubt.
37
38. Name Start Anzahl der Kategorie URL Tagging
Mitglieder
Broad- 2006 25.400.000 Videos, broadcaster.com Videos der Nutzer können getaggt
caster auch live werden, „related tags“ werden zur
weiteren Recherche angeboten.
Buzznet 2005 10.000.000* Musik buzznet.com Es kann getaggt werden, allerdings ist
dies z. T. durch die Nutzer selbst ein-
geschränkt.
Flickr 2002 4.000.000 Fotos fickr.com Es kann getaggt werden, allerdings ist
dies z. T. durch die Nutzer selbst ein-
geschränkt. Es kann nach Tags recher-
chiert werden.
Fotki 1998 5.000.000 Fotos fotki.com Taggen möglich – Recherche via Tags
möglich und prominent platziert.
Fotolog 2002 24.339.520* Fotos fotolog.com Taggen und Recherche der Tags ist
möglich, andere Nutzer werden mit
deren häufgsten Tags „beschrieben“.
YouTube 2005 40.000.000 Videos youtube.com YouTube bietet nur den Erstellern der
Videos an, Tags zu erstellen.
Tabelle 3: Bekannte ofene Foto- und Videoarchive: Nutzerzahlen und Taggingmöglichkeiten
Quelle: Startjahr, Nutzerzahlen und Kategorie nach www.linqia.com bzw. (*)
Betreiberangaben, Stand November 2008, Tagging: eigene Recherchen
Tagging von Kunstobjekten: Projekt Steve.Museum
Social Tagging wird nur selten in digitalen Archiven der Bibliotheken, Archive und Muse-
en eingesetzt, ein Beispiel ist das Projekt steve.museum beim Metropolitan Museum3.
Versuchsweise wurden im Herbst 2005 Freiwillige gebeten, 30 Bilder der Sammlung des
Metropolitan Museums zu taggen. Diese Tags wurden mit der professionellen Beschrei-
bung aus dem Katalog verglichen (Chun, Cherry, Hiwiller, Trant & Wyman, 2006): Die
Tags wurden von den Fachleuten auf Relevanz überprüf und obwohl es nur ein kleines
Testsetng war, sofort in den Katalog aufgenommen. Grund dafür war, dass rund 80 Pro-
zent der Tags in den vorhandenen Beschreibungen nicht genutzt bzw. verwendet wur-
den. Daher betrachtete man die von den Freiwilligen genannten Tags als sinnvolle und
hilfreiche Ergänzung des Katalogs. Folgende Illustraton zeigt zunächst, wie unterschied-
liche Nutzer das Objekt mit der Nummer 17.190.746 aus der „The Metropolitan Muse-
um’s Collecton“ taggen:
3
htp://www.steve.museum
38
39. Abbildung 16: Tagging von Objekten
Quelle: Chun, Cherry, Hiwiller, Trant & Wyman (2006), Abbildung 2
Der Katalogeintrag dieses Beispiels und die gesammelten Tags der Nutzer sind in der Ta-
belle auf der folgenden Seite exemplarisch dargestellt.
Das Projekt läuf weiter, und eine Reihe von Veröfentlichungen lassen sich dazu fnden.
So stellt Trant (2008) dar, dass die Tags der Nutzer helfen können, den vorhandenen
„mis-match between vocabulary of visitor and the museum“ zu überwinden: Üblicher-
weise recherchieren und fragen Nutzer der Archive eben selten nach den im Katalog ver-
zeichneten Merkmalen der Artefakte, sondern eher nach Aspekten, die über die Tags
der Nutzer hinzugefügt werden (könnten). Die Sofware des Projekts wurde für Museen
und andere Applikatonen erweitert und es gibt inzwischen auch eine Anwendung für
das soziale Netzwerk Facebook4, die den Facebook-Nutzern erlaubt, Kunst zu taggen und
damit zum Projekt beizutragen.
Ein weiteres Beispiel für die Verwendung von Tags im Bereich der Bibliotheken, Archive
und Museen ist die Biodiversity Heritage Library (BHL), eine Initatve von zehn großen
naturhistorischen Museumsbibliotheken, Bibliotheken botanischer Gärten sowie For-
schungsinsttuten aus den USA und dem Vereinigten Königreich. Ziel der Initatve ist es,
eine Strategie zur Digitalisierung ihrer Bibliotheksbestände zu erarbeiten und diese
(langfristg) global im Rahmen einer „Biodiversity Commons“5 online verfügbar zu ma-
chen. Die Startseite erlaubt dabei nicht nur die Suche nach unterschiedlichen Kategorien
(wie Titel, Autoren, Themen, Namen, Karten oder Jahr) der bereits erschlossenen Inhal-
te, sondern auch die Suche/den Zugang zu den unterschiedlichen Themen über Tags.
4
htp://apps.facebook.com/steve-museum
5
htp://www.biodiversitylibrary.org
39
40. Cataloguing from The Metropolitan Museum’s Sample Terms Collected
Collectons Management System
Artst/Maker(s) Maker: Joachim Friess, ca. 1579-1620, m. 1610 A sampling of unique terms (not in
Title Diana and the Stag the museum’s collectons manage-
Object Name AUTOMATON ment system) collected from volun-
Date First quarter 17th century, (about 1620) teer cataloguers.
Culture German (Augsburg) acton
Made in Country: Germany, City: Augsburg animal
Medium Silver, partly gilt, jewels, enamel antler
Classifcaton Metalwork-Silver archery
Dimensions 14 3/4 x 9 1/2 in. (37.5 x 24.1 cm) arrow
Credit Line Gif of J. Pierpont Morgan, 1917 baroque
bejeweled
Department European Sculpture and Decoratve Arts
bow
Markings
bridle
[1] A pine cone (Augsburg town mark in use between 1620 and 1625).
chain
See Helmut Seling, Die Kunst der Augsburger Goldschmiede 1529-1868,
clockwork
Munich, 1980, vol. III, p. 19, no. 44. [2] Roman capitals I F within a rect-
container
angle (cameo) (maker's mark of Joachim Friess or Fries, born in Lubeck
deer/reindeer
about 1579 master goldsmith in Augsburg in 1610, died 1620). See Sel-
dog/dogs
ing, Vol. III, p. 143, no. 1248. [3] A Roman capital B below a crown and
fguratve
within a shield (cameo), unidentfed. [4] A Roman capital E below a
gilded
crown, and within a shaped reserve (cameo) (French guarantee mark for
gold
Foreign silver in use between 1809 and 1819). See Tardy, Internatonal
horse
Hallmarks on Silver, Paris, 1981, p. 190. Locaton of marks: [1] On the
hunt/hunter/huntng/huntress
neck and inside the neck, and on the base. [2] Twice on the neck, on top
intricate
of the base. [3] Inside and on the outside of the neck. [4] Inside the
jumping
neck.
leap/leaping
Descripton
luxury
Diana seated on stag, with Cupid on croup, and three hounds below;
mechanical
stag's head removable, body a fask; spring-driven mechanism in base
movement
permits automaton to move. Diana wears a crescent set with eight rose
mythological/mythology
diamonds and one pink tourmaline; stag with coronet, pierced collar,
nude
lion mask on breast and trappings of scrolling ornament and cherubs;
ornamental/ornamentaton
set with three pink imitaton tourmalines; on base three lizards, two of
/ornamented
them with green enamel, one small lizard, two frogs and four beetles,
ornate
one of them with green enamel; octagonal casket-like base, decorated
precious
with applied ornament in same style as trappings; in center of lef side
rearing
movable key-hole cover on spring.
rider/riding
Accession Num- saddle
17.190.746
ber woman
Tabelle 4: Dokumentaton der Sammlung im Managementsystem im Vergleich mit den Schlag-
worten der Nutzer am Beispiel eines Objektes (Nr. 17.190.746)
aus der „The Metroplitan Museum ’s Collecton“
Quelle: Chun, Cherry, Hiwiller, Trant, & Wyman, 2006
40
41. Gerade die Beispiele Untersuchungen aus dem Bereich der Archive der Bibliotheken,
Museen und Archive zeigen, dass Tagging die vorhandenen professionellen Beschreibun-
gen der Archivare sinnvoll ergänzen, weil sie häufg(er) den Rechercheinteressen und
-verhalten der nicht- und semiprofessionellen Anwender entsprechen, die beispielswei-
se tendenziell eher nach Äußerlichkeiten als technische oder historische Rahmendaten
recherchieren.
Social Tagging bei Nachrichten-Sites
Nur wenige Nachrichen-Sites bieten an, einzelne Beiträge zu taggen: In einer Untersu-
chung von 46 Websites war es nur das Portal des Nachrichten-Anbieters „Verdens Gang
(NO)“, welches diesen Service anbot (Wieden-Bischof & Schafert, 2008, 25). Inzwischen
gibt es wohl einige Beispiele, wo den Lesern von Nachrichten-Sites das Taggen erlaubt
wird, allerdings – und das ist wohl eine Folge der konfikträchtgen Inhalte von Nach-
richten – ist dies nur selten realisiert: erfahrungsgemäß werden hier besonders gerne
unfätge oder politsch motvierte Tags verwendet.
Social Tagging und traditonelle Klassifkaton
Um Texte recherchierbar zu machen, werden häufg Volltextsuchen eingesetzt. Dabei
stößt man auf das Problem, dass man verwandte Begrife oder Konzepte, die im Text
bzw. den vorhandenen Tags nicht vorkommen auch nicht recherchieren kann. Mit Hilfe
von kontrollierten Vokabularen und Thesauri werden Terme in Verbindung gebracht, so
dass beispielsweise ein Text zu Skifahren dem Bereich „Sport“ zugeordnet werden kann.
Bei solchen geschlossenen Systemen „kann die semantsche Lücke zwischen den
Autor/inn/en des kontrollierten Vokabular und dem Domänenwissen der Anwender/in-
nen zu Problemen führen“, diese werden als „Vocabulary Problem“ bezeichnet (s. Günt-
ner, Sint & Westenthaler, 2009, 192). Um zu ausreichenden und qualitatv besseren Er-
gebnissen zu kommen, werden drei Formen der Generierung von Metadaten auch kom-
biniert eingesetzt (s. Kitl & Zeidler, 2007): die automatsche Generierung von Metada-
ten (durch Informatonsextrakton) sowie manuell erzeugte Metadaten durch Tagging
oder Klassifkaton.
Für das integrierte Projekt LIVE6 wurde daher ein Prototyp entwickelt, der versucht, die
Vorteile des traditonellen Klassifzierens mit den Vorteilen des Social Taggings zu verbin-
den (Güntner, Sint & Westenthaler, 2009). Die folgende Abbildung zeigt einen Screens-
hot der Anwendung, die klassische Klassifkaton mit Social Tagging kombiniert und als
Prototyp entwickelt wurde:
6
Live Staging of Media Events, htp://ist-live.org (2009-10-12)
41
42. Abbildung 17: Vocabulary-Management-Tool – ein Prototyp
Quelle: Güntner, Sint & Westenthaler, 2009, 195
Das Tool wird folgendermaßen beschrieben: „Der Kalender (1) dient zur zeitlichen Ein-
schränkung und Auswahl der Dokumente und Auswahl der Dokumente und vergebenen
Tags. Im linken Fensterbereich wird das kontrollierte Vokabular (Thesaurus) dargestellt
(2), welches im Falle des Prototypen ohne Beschränkung der Allgemeinheit auf den IPTC
Newscodes basiert. Der Vocabulary-Manager kann die Schaltlächen (3) benutzen, um
die vergebenen Tags dem Vokabular hinzuzufügen bzw. sie mit dem Vokabular in Bezie-
hung zu setzen: Die Schaltlächen ermöglichen das Eingügen eines Tags als neue Unter-
kategorie („<< new subconcept“) oder als neues Synonym („<<new synonym“) für einen
bestehenden Term im Thesaurus. Weiters können mit der Schaltläche „<<set new rela-
ted>>“ Terme miteinander verbunden werden, die thematsch in einem Zusammenhang
stehen.“ (Güntner, Sint & Westenthaler, 2009, 195).
Aufauend auf den Erfahrungen mit diesem Prototyp, wurde das Konzept auch im Rah-
men des Projektes KiWi7 eingebracht und in das KiWi-System implementert. Die folgen-
de Abbildung zeigt die Realisierung des Ansatzes im KiWi-System.
7
Knowledge in a Wiki, htp:// www.kiwi-project.eu/ (2009-10-12)
42
43. Abbildung 18: Vocabulary-Management bei KiWi (Stand 10/2009)
Automatsche Tags und Qualitätssicherung
Wenn Systeme auf Social Tagging aufauen, haben sie mit dem Cold-Start-Problem zu
kämpfen: Solange keine Tags vorhanden sind, sind entsprechende Dokumente z. B. über
entsprechende Suchfunktonen nicht aufndbar. Um dieses Problem zu entschärfen,
werden automatsche Tags vergeben, die beispielsweise durch Methoden des Text-Mi-
ning (siehe Abschnit zu Texten) ermitelt werden.
Diese automatschen Tags können also auch fehlerhaf oder unsinnig sein. Im Projekt
„Interedu“ des Salzburg NewMediaLab wurde daher ein System der Qualitätssicherung
eingeführt um automatsche Tags und Tags der Lehrer unterscheiden zu können. Zu die-
sem Zweck wurde folgende Markierung der Lernmaterialien eingeführt:
| Wolken kennzeichnen Lernmaterialen, denen automatsch Tags zugewiesen wurden,
die also auf statstschen Analysen beruhen und fehlerhaf sein können.
| Wolken mit einer durchbrechenden Sonne markieren Lernmaterialien, bei denen ein
beliebiger Nutzer bereits eigene Tags ergänzt hat (und ggf. die automatsch ermitel-
ten übernommen hat).
| Eine Sonne haben schließlich die Lernmaterialien, wenn ein Administrator oder Ge-
genstandsbetreuer das Lernmaterial über eine spezielle Schaltläche freigegeben hat.
Jede weitere Bearbeitung führt wieder zur vorherigen Stufe (Wolken mit durchbre-
chender Sonne), so dass das Lernmaterial einer erneuten Freigabe durch einen Admi-
nistrator oder Gegenstandsbetreuer bedarf.
Nicht immer ist so eine relatv rigide Kontrolle der Qualität von Tags notwendig, wie es
im Falle der Lernressourcen in diesem Projekt erwartet wurde; aber es zeigt sich an die-
sem Beispiel, dass auch hier die Qualität von Social-Tagging-Systemen noch erhöht wer-
den kann.
Social Tagging als Spiel
Um im größeren Umfang Tags zu Bildern zu erhalten, entwickelten kreatve Köpfe das
ESP-Game (www.espgame.org, von Ahn & Dabbish, 2004). Die Spielidee liegt darin, dass
43
44. Spieler zu Bildern Tags eingeben, von denen sie annehmen, dass sie auch von anderen
Nutzern verwendet werden und je nach Übereinstmmung Punkte erhalten. Dabei hat
sich gezeigt, dass schnell allgemeine Tags verwendet werden, so dass diese Worte inzwi-
schen ausgeschlossen werden, was das Spielen jedoch nicht weniger spannend macht,
sondern eher noch herausfordernder.
Abbildung 19: ESP-Spiel (Stand März 2009)
Quelle: htp://www.espgame.org/ (03/2009)
Die Autoren rechneten aus den ersten Versuchen mit dem ESP-Spiel aus, dass 5.000
Spieler genügen würden, um alle Bilder, die von Google indiziert sind (Stand, 2004) in
wenigen Wochen mit Schlagworten zu beschreiben. Dies ist wirklich überraschend, weil
5.000 keine große Zahl ist; die meisten populären Online-Spiele haben im Vergleich dazu
mehr als 5.000 Spieler, die gleichzeitg spielen (von Ahn & Dabbish, 2004).
Die Idee des ESP-Spiels wurde inzwischen von anderen aufgegrifen. So hat Google den
„Google Image Labeler“ implementert und erhält durch dessen Spieler viele Metainfor-
matonen über Bilder. Auch wurde die Spielidee auf andere Medien übertragen (z. B. auf
Musikstücke: „Tag a Tune“, via www.espgame.org). Hier werden Musikstücke vorge-
spielt, die getaggt werden sollen. Andere wiederum entwickelten daraus ein Spiel (und
Patent), das auf einem horizontalen Display gespielt wird (Diakopoulos & Chiu, 2007).
Sogar für die Erstellung von Mitarbeiterproflen wurde es abgewandelt und eingesetzt
(vgl. Zhang, Dong, Ackerman & Qu, 2008): Gewonnen hate hier derjenige Mitarbeiter,
dessen Tags mit Kompetenzen der Kollegen am besten zu deren Selbstbeschreibungen
passt. Durch die Spielbeteiligung wurden vergleichsweise schnell und spielerisch Kom-
petenzbeschreibungen der Mitarbeiter zugänglich.
Insbesondere für (nichtextuelle) Medienarchive ist im Allgemeinen davon auszugehen,
dass für die Dokumentaton und die Nutzer ein echter Mehrwert entstehen kann, wenn
Tagging möglich ist. Um wirklich viele Tags zu erhalten, können die genannten Spielide-
en helfen, diesen Prozess atraktv zu machen und ins Laufen zu bringen; zudem können
sie Teil einer PR-Akton sein.
44
45. Erfahrungen mit Tagging von Lernressourcen
Unterschiedliche Formen des Taggings und Erfahrungen damit sind Gegenstand einer
Reihe von Untersuchungen. Riina Vuorikari hat eine preisgekrönte Untersuchung dazu
veröfentlicht (Vuorikari, 2009), wir haben sie dazu befragt. Bei dem Portal „Learning Re-
source Exchange“8 bestand die Herausforderung vor allem darin, Tagging im mehrspra-
chigen Kontext einzusetzen, weil das Portal mit Lernressourcen von Lehrern aus ver-
schiedenen Ländern genutzt wird.
Tagging von Lernressourcen – Interview mit Riina Vuorikari
? Sie haben eine Studie zu Metadaten von Lernressourcen durchgeführt.
Wie taggen den Ihren Erfahrungen nach Nutzer? Gibt es Unterschiede
zwischen ihnen?
Unsere Nutzer sind Lehrer von Grund- und Sekundarschulen aus ganz
Europa. Ganz allgemein haben wir herausgefunden, dass Tags, die sie
nutzen sehr deskriptv sind und fast so gut sind wie die Stchwörter, die
Bibliothekare zu den Lernressourcen hinzugefügt haben. Weil wir Nutzer
aus verschiedenen Ländern haben, haben wir natürlich auch Tags in verschiedenen Sprachen! Nutzer
taggen dabei gleichzeitg in ihrer eigenen Sprache (z. B. ein deutscher Lehrer auf Deutsch) aber auch auf
Englisch. Es trift besonders auf Sprachlehrer zu, dass sie Ressourcen in der Sprache taggen, in der die
Materialien sind (z. B. taggt ein Französischlehrer auf Französisch).
? Klicken sie denn auch auf Tags? Gibt es da Unterschiede im Verhalten?
Wir haben herausgefunden, dass nicht alle Nutzer interessiert daran sind, Tags zu nutzen um Ressour-
cen zu fnden. 59 Prozent der Nutzer unseres Portals nutzen Tags um Ressourcen zu fnden, 35 Prozent
waren überhaupt nicht daran interessiert. Interessanterweise haben etwa ein Dritel der Nutzer niemals
getaggt, nutzen Tags aber bei der Recherche. Es ist wie so of im Internet, einige machen die Arbeit und
viele andere Nutzer profteren davon. Das ist großartg!
? Was denken denn die professionellen Ressourcenverwalter über die Tags?
Unserer Evaluaton zufolge waren ihre Antworten im Bezug auf Tags eher positv. In manchen Fällen wa-
ren sie sogar der Meinung, dass die Tags direkt in die Metadaten-Beschreibung übernommen werden
könnten, weil sie so gut waren. Of wiederholen Tags jedoch auch nur Informatonen, die über die Res-
source vorhanden sind (beispielsweise, dass die Ressource in Englisch ist), aber der zusätzliche Vorteil
der Tags ist, dass die Ressourcen über die Tagcloud beworben werden.
8
htp://lreforschools.eun.org, Stand 12.10.2009
45