Transformation von Identität im Kontext des „Social Web“
Die erscheinung
1. Die Erscheinung
PHÄNOMENOLOGIE DER DIALEKTISCHEN BEWEGUNG
Semiotische Interpretation von Hauptbegriffen
der Wissenschaft der Logik
von G. W. F. Hegel
1830
Schriftliche Hausarbeit zur Erlangung des Titels
eines Magister Artium am Institut für Philosophie
der Ludwig-Maximilians-Universität München
Wintersemester 1993/94
Vorgelegt von Hernán Quintana Díaz.
Erster Korrektor Prof. Dr. Eberhard Simons.
Zweiter Korrektor Dr. Elmar Treptow.
2. "natura semper re curva in se ipsa"1
Gliederung
Einführung
A. Allgemeine Betrachtungen
1. Entstehung und Erkenntnis 6
2. Darstellung 7
3. Mitteilung des Objekt 8
4. Ein göttlicher Prozeß 11
5. Eine Differenzierung der Produktionskraft 14
6. Das Problem des Anfangs 15
7. Der physische Grund der Erkenntnis 17
8. Die triadische Struktur des Prozesses 20
9. Die Rolle der Sprache 22
B. Philosophische Herkunft
1. Erste Etappe der Abstraktion 25
2. Zweite Etappe der Abstraktion 26
3. Ein Kommentar zur Hegels Interpretation 27
4. Dritte Etappe der Abstraktion 29
5. Rettung der phänomenalen Welt 34
3. 6. Verselbstständigung der Abstraktion 36
C. Die Phänomenologie der objetiven Logik Hegels
1. Zeichentheoretisches Instrumentarium 39
1.1. Das Phanerom 39
1.2. Die Zenopythagoreischen Kategorien 40
1.3. Eine Zeichenklassifikation 42
1.3.1. Nach dem Zeichen an sich 42
1.3.2. Nach dem Objekt des Zeichens 43
1.3.3. Nach dem Interpretant 43
1.4. Die Zeichen der objetiven Logik 45
2. Die Logik und die Semiotik im Vergleich
2.1. Im Allgemeinen 46
2.2. Im Einzelnen 48
2.3. Kritischer Kommentar 51
2.3.1. Der Monolog des Geistes 51
2.3.2. Die Verselbstständigung des Gedankens 52
2.3.3. Ein strukturelles Problem 54
3. Semiotische Interpretation der Logik
3.1. Erster Schritt 55
3.2. Zweiter Schritt 58
3.3. Dritter Schritt 61
3.4. Vierter Schritt 63
3.4.1. Die reinen Reflexiosbestimmungen 65
3.4.2. Die Existenz 67
3.4.3. Das Ding 68
4. Ergebnisse
4.1. Erstes Ergebnis 70
4.2. Zweites Ergebnis 74
4.3. Eine semiotische Darstellung der objetiven Logik 75
4.3.1. Das Zeichen 76
4.3.1.1. Das Zeichen der Qualität 76
4.3.1.2. Das Zeichen der Quantität und des Maßes 77
4.3.2. Das Objekt eines Zeichens 77
4.3.2.1. Das Zeichen der Identität 78
4.3.2.2. Das Zeichen des Unterschieds und des Grundes 78
4.3.3. Die Verdinglichung 79
4.3.3.1. Die Zeichen des Dings 79
4.3.3.2. Die Erscheinungsweise des Dings 81
D. Fazit
1. Kognitive Existenz 84
2. Die phänomenalen Symbole der Wissenschaft 85
2.1. Die unmmittelbaren Symbole 85
2.2. Die dynamischen Symbole 85
2.3. Die rationallen Symbole 87
Schlußbetrachtung 90
4. Anmerkungen
Bibliographie
Anlage: Lebenslauf und Erklärung
-5-
Einführung
Die dialektische Bewegung ist das Prinzip der Metamorphose
aller Phänomene.
Gott, Natur und Geschichte sind Momente dieser ständigen
Umwandlung einer und derselben Substanz.
Diese Substanz können wir nur mittels ihrer Erscheinungsformen,
nicht aber unmittelbar sie selbst erkennen.
Die Natur ist eine ihrer Erscheinungenformen.
Man kann alle geistige Werke, so auch die Logik Hegels, als
solche Erscheinungsformen verstehen.
Die Konzeption der "Logik" vermittelt, daß Natur und Geschichte
aus den Gedanken Gottes entstehen.
Ziel der vorligenden Arbeit soll es sein, semiotische Argumente
für die Entstehung von Natur-Geschichte nicht aus der Kraft
des Intellekt, sondern aus jener der Physik, zu entwickeln;
dabei sind die objetive Logik Hegels und die Zeichentheorie
Peirce's die zwei Begriffsquellen für die Argumentation
dieser Arbeit.
Zitiert wird nach Hegel, G.W.F.: Werke in 20 Bd., Frankurt
am Main 1986.
-6-
5. A. Allgemeine Betrachtungen
1. Entstehung und Erkenntis
Der Schwerpunkt der Differenz zwischen dem objetiven
Idealismus Hegels und dem Materialismus von Marx liegt in
der Frage nach der Priorität von Sein oder Bewußtsein.
Marx kritisierte an der Hegelschen Philosophie ihren
undifferenzierten Umgag mit der Darstellungsweise und
Erforschungsweise der Wirklichkeit. Die Ergebnisse von
Erkenntnisprozessen sind zwar bestimmte Gedanken und
konkrete Ideen, deswegen kann aber nicht die Schlußfolgerung
gezogen werden, daß der Ursprung der Wirklichkeit diese
Gedanken und Ideen sind.
Der Philosophie von Hegel liegt eine Verwechslung von
Anfang und Ende der Forschungspraxis zugrunde: Aus Hegels
Sicht wird methodische Erkenntis der Wirklichkeit
systematisch zugleich als Enstehungsprozeß der Wirklichkeit
dargestellt - das Resultat der Forschung fungiert als
Prinzip der Enstehung der Wirklichkeit.
Somit handelt es sich in der Philosophie von Hegel um die
methodische Darstellung der Entstehung der Wirklichkeit aus
der Idee; es handelt sich dabei um die Selbsterkenntnis des
Geistes, der sich selbst hervorbringt, indem er sich selbst
erkennt.
Die Priorität des Seins vor dem Bewußtsein gilt, insofern
ein eindeutig definierter Entstehungsvorgang vorliegt.
Umgekehrt gilt die Priorität des Bewußtseins vor dem Sein,
insofern ein Erkenntnisvorgang definitorisch feststellbar
ist. Um den Begriff `Entstehung' deutlich von dem Begriff
`Erkenntnis' zu unterscheiden, werde ich sie nach semiotischen
Gesichtspunkten definieren. Als semiotische Grundlage dient
mir die Zeichentheorie von S. Ch. Peirce, einem Vater der
modernen Semiotik.
-7-
2. Darstellung
Aus der Sicht der Semiotik wäre eine totale Identität von
Entstehungsprozeß und seiner Darstellung deswegen nicht
möglich, weil die Wahrheit nur ein approximativer Prozeß ist;
ein Zeichen repräsentiert nur sein Objekt, es ersetzt es
nicht, egal ob dieses Objekt ein Stein oder die Idee eines
Steins ist.
Hegel aber will sein System der Philosophie als die wahre
Darstellung der Entstehung der Natur, der menschlichen
Geschichte und der Philosophie selbst verstanden wissen.
6. Hegels Philosophie beginnt dort widersprüchlich zu werden,
wo sie versucht, den Unterschied zwischen Entstehung und
Darstellung der Entstehung zu verwischen.
Indem aber Erkenntisprozesse und Entstehungsprozesse als
Einheit in seinem philosophischen System dargestellt werden,
versucht Hegel die Identität vom Substanz und Subjekt,
Gedanke und Sein aufzuzeigen.
Dies aber impliziert die Behauptung der Vollendung von
Erkenntnis und Geschichte in seinem System der Philosophie.
Der Endgültigkeitsanspruch seiner Darstellung des
Erkenntnisprozesses spricht gegen eine offene Geschichte und
eine evolutive Natur. Das Anerkennen der Existenz solcher
unabgeschlossenen Systeme würde das Todesurteil für seinen
philosophischen Gott bedeuten, denn Gott wäre dann nur eine
Episode in der Geschichte des Geistes und diese Geschichte
nur eine Entwicklungsphase der Natur.
Seine dialektische Methode selbst widerspricht seinem
eigenen System der philosophischen Wissenschaften, denn sie
ist ein abgeschlossenes Ganzes; die dialektische Methode ist
aber die Widerspiegelung einer Bewegung, die nie aufhört.
Diesen Widerspruch hebt Hegel auf, indem er das Ende seines
Systems als Anfang setzt, denn gerade `die höchste Stufe der
Geschichte des menschlichen Geistes', seine Logik, stellt
zugleich den Anfang des Entstehungsprozesses dar.
So beißt sich die Schlange in ihren eigenen Schwanz und
sagt:
`Siehe ! Das ist die Ewigkeit'.
Dieses Trugbild wird sich von selbst auflösen: "Bei allen
Philosophen ist gerade das `System' das Vergängliche, und
zwar gerade deshalb, weil es aus einem unvergänglichen
Bedürfnis des Menschengeistes hervorgeht: dem Bedürfnis der
Überwindung aller Widersprüche"1.
-8-
3. Mitteilung des Objekts
Für die Rezeption der Hegelschen Philosophie ist eine
Auseinandersetzung mit seiner Logik und vor allem mit seiner
Wesenslogik Voraussetzung.
Der Sinn wichtiger Begriffe seines Systems der Philosophie
gründet sich nämlich auf das Beziehungsgefüge und die
Dynamik der Kategorien der Logik insgesamt und der
Wesenslogik insbesondere. Das, was auf eigentümliche Weise
die Sphäre des Wesens prägt (die Vermittlung mit sich
selbst) zieht sich durch die gesamte Logik hindurch.
Vermittlung ist sogar die fundamentale Bewegungsart des
Geistes sowohl in der "Wissenschaft der Idee an und für
sich" (der Logik) so wie auch in der "Wissenschaft der
Idee in ihrem Anderssein" (der Naturphilosophie) und
zuletzt in der Wissenschaft "der Idee, die aus ihrem
Anderssein in sich zurückkehrt" (der Philosophie des
Geistes) (8 @18).
Aus den vermittelnden Momenten der dialektischen Bewegung
des Geistes, dieses "sich selbst erzeugende(n), fortleitende(n)
und in sich zurückgehende(n) Gang(s)" (3 S. 61), ergibt sich ein
semiotischer Prozeß. Das Fortgehen des Geistes zur Natur und
7. das Rückkehren aus der Natur zu sich selbst ist ein
kommunikativer Akt des Geistes, eine Art Mitteilung des
Geistes an die Menschen mittels der Natur.
Nun ist der Ursprung der Mitteilung, also das Objekt des
Zeichens, der unendliche Geist oder Gott; und derjenige, der
diese Mitteilung als solche erkennt, ist der endliche oder
menschliche Geist. Insofern läßt sich also die Bewegung des
Geistes als ein semiotischer Prozeß bezeichnen, wobei
Zeichen erzeugt und als solche erkannt werden.
"Ein Zeichen ist etwas, das für einen Geist für ein anderes
Ding steht. Um als ein solches existieren zu können, sind
drei Dinge erforderlich.
Erstens muß es Eigenschaften besitzen, die es uns erlauben,
es von anderen Objekten zu unterscheiden.
Zweitens muß es von dem Objekt, das es
bezeichnet, irgendwie beeinflußt werden(... ).
Die dritte Bedingung der Existenz eines Zeichen besteht darin,
daß es sich an den Geist richtet(...). Es muß, anders ausgedrückt,
nicht nur in dieser Relation zum Objekt stehen, sondern der
Geist muß erkennen, daß es in dieser Relation steht"2.
-9-
Der "Wissenschaft der Idee an und für sich", oder der Logik
entspricht das, was hier als Objekt eines Zeichen
definiert ist.
Der "Wissenschaft der Idee in ihrem Anderssein" ( oder dem
Gegenstand der Naturphilosophie ) entspricht das, was hier
als Zeichen definiert ist:
Natur ist für Hegel eine der zwei Offenbarungen Gottes, und
als solche die Selbstmitteilung des "Objektes". Der
Wissenschaft "der Idee, die aus ihrem Anderssein in sich
zurückkehrt" - oder dem Gegenstand der Philosophie des
Geistes - entpricht der Geist, der die Zeichen
interpretiert, bzw. die Natur als die Setzung des Objekts
erkennt.
Jede dieser Wissenschaften zergliedert sich in eine weitere
Trichotomie, so finden wir z.B. innerhalb der Logik eine
weitere Zergliederung des Objekts in Sein, Wesen und
Begriff.
Die trichotomische Zergliederung geht weiter, so daß die
Logik des Wesens als eine Art von Zeichen für die Logik des
Seins, und die Logik des Begriffs als Interpretant dieses
Zeichens fungiert.
Diese Aufteilung kann nun regressiv weitergeführt werden,
bis das erste Objekt als leerer Begriff des Seins erscheint,
oder progressiv fortgesetzt werden, bis die letze
Interpretation erfolgt, die reine Idee. Damit sind wir am
Übergang zur Naturphilosophie, wo die Idee als "anschauende
Idee Natur" Ist (8 @ 244).
Die entscheidende Frage ist also, ob die Substanz materiell
oder geistig ist ? Sie ist sowohl geistig als auch
materiell; geistig, insofern der Mensch sie erkennt, und
materiell, insofern sie erkannt wird. Beweisen kann Hegel
nicht, daß die Natur und die menschliche Geschichte
unterschiedliche Momente ein und desselben Geistes sind,
denn dieser Geist ist für ihn Gott. Will er aber das
8. beweisen, dann holt er diesen Gott aus der Sphäre der
Religion herunter und setzt ihn in die Stube der
Philosophie, wo man sich alles ausdenken kann. Ist aber
dieser Geist nicht Gott, sondern die Materie, dann sind
Natur, menschliche Geschichte mitsamt ihren kukturellen
Produkten nicht mehr und nicht weniger als
Erscheinungsformen dieser Materie.
-10-
Der Abschnitt über die Erscheinung aus "Die Wissenschaft der
Logik" von 1830 kann betrachtet werden als die Verbindung
zwischen materieller Entstehung und geistiger Wahrnehmung
der Wirklichkeit. Gerade im Verhältnis zwischen Form und
Inhhalt setzt sich die Spaltung zwischen objektiver äußerer
Welt und subjektiver innerer Welt fort.
Dieser Gegensatz zieht sich zwar durch die gesamte Logik
hindurch, aber in der Logik der Erscheinug kommt er
deutlicher zum Vorschein.
Die erste Begrenzung der Arbeit auf die objektive Logik ist
dadurch begründet, daß Hegel in diesen zwei ersten Teilen
der Logik die Begriffe vorführt, die den Entstehungsprozeß
der Wirklichkeit aus einem leeren Gedanken vorantreiben.
Dieser leere Gedanke oder die "Bestimmungslosigkeit vor
aller Bestimmtheit"(8 @ 86 Z.) ist für Hegel nicht der
Gegenstand eines Gedankens über den Anfang, sondern der
Anfang selbst als unmmittelbarer "reiner Gedanke", ein
Gedanke, der, indem er mitteilbar wird, sich selbst als
Gegenstand hat.
Für die vorliegende Arbeit gilt das Verhältnis zwischen
Unmittelbarkeit und Mittelbarkeit als ein Zeichen - Objekt -
Verhältnis. So wird der reine Gedanke als Objekt für das
Nichts aufgefaßt, das Nichts wird zu seinem Zeichen.
Materielle Entstehung und geistige Wahrnehmung der
Wirklichkeit wird somit als eine Zeichenproduktion
verstanden, in der immer drei Momente konstitutiv sind.
Meine Arbeitshypothese ist hierbei:
Die drei Momente der Bewegung des Geistes nach Hegel stimmen
überein mit den drei Bedingungen für die Existenz eines
Zeichens nach Peirce:
das An-sich, das Für-sich und das An-und Für-sich
entsprechen dem Objekt eines Zeichens, dem Zeichen selbst
und dem Interpretant des Zeichens.
Ob das An-sich oder das Objekt geistiger oder materieller Natur
ist, ob es Tatsache oder Fiktion ist, muß zuerst geklärt
werden.
-11-
9. 4. Ein göttlicher Prozeß
In den "Vorlesungen über die Philosophie der Religion" von
Hegel finden wir auf Seite 192 den lapidaren Satz "Ohne Welt
ist Gott nicht Gott".
Damit ist aber nicht eine kausale Bedingung für die Existenz
Gottes gemeint. Dieser Satz läßt sich durchaus umkehren und
trotzdem bleibt sein Sinn erhalten :
Ohne Gott ist die Welt nicht Welt.
Nun, was ist der Sinn dieses Satzes - bzw. dieser Sätze - ?
Die Antwort darauf führt uns direkt ins Zentrum des
spekulativen Denkens Hegels, in ein Zentrum, das zugleich
Peripherie ist: sein spekulatives Denken.
"Die Natur des spekulativen Denkens... besteht allein in
dem Auffassen der entgegengesetzten Momente in ihrer Einheit"
(5 S. 168). Daß dieser spekulative Gedanke zugleich konkret
ist, impliziert also eine Bewegung vom Abstrakten zum
Konkreten und umgekehrt. Diese Idee ermöglicht einen
Austausch zwischen entgegengesetzten Momenten eines
Prozesses: die Welt wird unendlich und Gott endlich, denn
"Gott ist die Bewegung zum Endlichen und dadurch als
Aufhebung desselben zu sich selbst" (16 S.192). Es findet
also eine Rückbewegung zur Unendlichkeit statt. Durch diesen
Austauschprozeß ist eine pantheistische, aber auch eine
transzendentale Auffassung von Gott möglich, denn nach Hegel
ist Gott diese Bewegung selbst.
Hegel fand in der Antinomie die eigentliche Dynamik der
Erkenntnis. Die Übereinstimmung der Gegensätze, die vor ihm
Kusanus im Bereich des Göttlichen erschaut hat, wird bei
Hegel in seiner Logik zur Anwesenheit Gottes im Denken und
in der Gestalt der Kategorien entfaltet.
Nur indem das Gründen und Begründen als Einheit gedacht
werden, ist das Werden des Geistes zu sich möglich3,
und zwar durch die Natur und durch die Geschichte des
menschlichen Geistes und in Gestalt des Begriffs.
Diese in der Wissenschaft der Logik behauptete unmittelbare
Einheit von gegründeter Sache und begründendem Gedanken, und
die Entwicklung dieser Einheit zu höheren Formen impliziert
die Koinzidenz des endlichen Geistes und der Natur im
unendlichen Geist, sie sind seine unterschiedlichen und
gegensätzlichen Momente.
-12-
Mit dieser erweiterten Definition der drei zentralen
Begriffe des europäischen Mittelalters (Gott, Mensch und
Welt) antwortete Hegel auf die Frage nach dem Gottesbeweis,
die Kant, so Hegel, mit seinem ontologischen Gottesbeweis
unbefriedigend beantwortete. Falls Gott deswegen existiert,
weil seine Existenz gedacht wurde, dann reicht die
Bestimmung des Denkens als eines formellen Trägers eines
Inhalts (der sowohl Realität als auch Phantasie sein kann)
nicht aus.
Damit der Ein-Gott-Gedanke zwingend ist und zugleich den
Beweis solcher Gottesexistenz implizieren kann, muß der
10. Gedanke nicht nur Träger eines Inhalts, sondern selber
Inhalt sein; nur so kann der Gottesgedanke zugleich Gottes
Existenz beinhalten.
Gott ist damit an die Existenz nicht gebunden, denn alle
Existenz kommt von Gott, auch seine eigene Existenz als der
Gedanke von sich selbst, der sich in der Natur
vergegenständlicht.
Damit kritisierte Hegel auch eine bestimmte Ontologie, die
zwischen Gott und der Natur nicht vermittelt, sondern sie
voneinander abgegrenzt hat, indem sie die Natur und alles
Körperliche verteufelte.
So wie Aristoteles in seiner Zeit zur Rettung der Phänomene
beigetragen hat, indem er die platonischen Ideen näher
bestimmte und eine Theorie des zweckmäßigen Wachstums der
Natur begründete, rettet nun Hegel Gott aus der agnostischen
Tradition einer negativen Theologie und erhebt somit die
Natur zum sakramentalen Zeichen Gottes, im Sinn der
`signatura rerum' von Jakob Böhme, der die Welt als die
"Fortbestimmung des Unterschieds" "am Moment des Sohnes"
auch betrachtet hat (17 S. 244).
Für eine Auseinandersetzung mit der Logik ist es wichtig,
den "christologischen Ursprung und Hintergrund in Hegels
gesamter Dialektik"4 nicht aus dem Auge zu verlieren.
"Gott in seiner ewigen Idee an und für sich" ist das Reich
des Vaters (17 S. 218) oder "das theoretische Bewußtsein"
des denkenden Subjekts" (17 S. 216).
"Die ewige Idee Gottes im Elemente des Bewußtseins und
Vorstellens oder die Differenz" ist das Reich des Sohnes
(17 S.241) oder "der abstrakte Unterschied im allgemeinen"
(17 S. 242).
"Die Idee im Element der Gemeinde" entspricht dem Reich des
Geistes (17 S. 299). "Das ist der Prozeß der Versöhnung,
-13-
wodurch der Geist (das), was er von sich unterschieden (hat),
in seiner Diremtion, seinem Urteil, mit sich geeinigt hat.
(17 S. 214). Aus diesen drei Reichen besteht die Enzyklopädie.
Nach Hegel ist also Gott der erzeugende Vater der Natur. Die
Natur ist die Erscheinung seines eigenen Gedankens,
Vermittlung und Selbstvermittlung, das Andere als sich
selbst, das, was in der menschlichen Geschichte begrifflich
aufgehoben wird, damit der Vater zu sich kommt.
Dabei wird die Entzweiung von menschlichem Geist und Natur
zu der Einheit gebracht, woraus sie auch entstanden sind.
So versöhnen sich Gott und Natur durch die vermittelnde
Tätigkeit des menschlichen Geistes.
Diese Vermittlung ist nur dann möglich, wenn das Werden
gegenüber dem Sein und die Unendlichkeit gegenüber der
Endlichkeit den Vorrang hat. Sein ist nicht nur ein Moment
des Werdens (5. S. 511), sondern das Werden ist seine
Wahrheit (16. 159); und nur das Werden, als Tätigkeit der
Vernunft, überwindet die Entzweiung (2.22).
Nach Hegel ist der unendliche Geist die Bewegung ", ein
Anderes, d.h. Gegenstand seines Selbst zu werden und dieses
Anderssein aufzuheben" (3 S. 38). Die Bewegung, wodurch
11. der unendliche Geist und die Natur in Verbindung treten, ist
Werden und Produzieren (2 S. 22), göttliche Schöpfung, Fall
und Erlösungsgeschichte, bis der menschliche Geist und die
Natur in Gott münden, woher sie kamen.
Gott ist der Wille, der sich zur Schöpfung entschließt; das
macht das Logische nach Hegel aus. Wille und Geist wird als
eine dialektische Einheit begriffen und zu Ende gedacht.
Der Inhalt der Logik ist die Darstellung Gottes "wie er in
seinem ewigen Wesen vor der Erschaffung der Natur und eines
endlichen Geistes ist"(l S. 44). Der Geist, der "von aller
sinnlichen Konkretion befreit" ist (l S. 55), also "nicht
der wirkliche Geist, sondern bloß dessen Möglichkeit" ( 8
@381 Z.) offenbart sich in der vollkommenen Stufe der Natur,
also im tierischen Leben, und erkennt sich selbst in dem
höchsten Werke des menschlichen Geistes, in der Wahrheit der
Philosophie der Logik.
-14-
5. Eine Differenzierung der Produktivkraft
Indem Marx die Logik von Hegel für die Forschung und
Darstellung der politischen Ökonomie anwendete, legte er die
Grundlage für Analysen des Verhältnisses zwischen Bewußtsein
und gesellschaftlichem Sein. Allerdings reicht eine
Umkehrung der Philosophie von Hegel nicht, um die gesamte
Produktitität des Menschen dialektisch zu erforschen.
Daß unsere Warenwelt die äußere Erscheinung von inneren
Denkweisen ist, scheint pausibel zu sein. Daß aber die
Denkformen sich ausschließlich aus der Warenform ableiten
lassen, ist eine gewagte allgemeine Behauptung der
marxistischen Philosophie, die am konkreten Beispiel
nachzuweisen, bis jetzt eine Herausforderung darstelltt.
Produktion ist aber nicht nur Warenproduktion oder
intellektuelle Produktion, vielmehr sind wir selbst Produkte
der Natur.
Der Hinweis von Marx auf eine Deckung von Begiffen aus der
Ökonomie mit theologischer Terminologie ist ein wichtiger
Ansatz seiner Entfremdungstheorie. Marx weist z.B. auf die
gleiche Vermittlungsrolle hin, die Christus und das Geld
innehaben sowie auch auf die Differenzierung des Kapitals
in "ursprünglicher Wert von sich selbst als Mehrwert, als
Gott Vater von sich selbst, als Gott Sohn"5. Zu klären
bleibt aber, ob zwischen den beiden Bereichen eine Analogie
oder aber ein Begründungszusammenhang, ein phänomenologischer
Bezug besteht.
Karl Marx hat "Hegels Panlogismus auf die Füße
gestellt"6, weil er das Abstrakte als Konkretes auffaßte;
"statt des hypostatierten Denkens erscheint die menschliche
Arbeit, statt der Dialektik der Gedanke, die Dialektik der
12. Produktivkräfte.. " (ebd.). In seiner Analyse der Ware
gelangte er in seinen innersten, abstrakten Kern: die
menschliche Arbeitskraft7. Sie ist aber "keine Kraft,
sie ist eine Definition, ein Axiom, und ihre `reale'
Anwendung im Arbeitsprozeß, ihr `Gebrauchswert'ist nur die
Verdoppelung dieser Definition im Codierungsprozeß"8.
Diese abstrakte menschliche Arbeit werden wir im Hauptteil
dieser Arbeit konkretisieren, indem wir sie nach drei
allgemeine Kräfte diffenrenzieren, die die Entstehung der
Natur, die menschliche Geschichte und die Erkenntnisprozesse
bestimmen: Physis, Psyche und Intellekt.
-15-
6. Das Problem des Anfangs
Die Unendlichkeit hat keinen Anfang. Wollen wir uns aber mit
ihr befassen, dann müssen wir aus unserer Endlichkeit heraus
einen Anfang setzen. Das ist deswegen möglich, weil in der
Unendlichkeit die Endlichkeit beinhaltet ist, und zwar als
ein notwendiges Moment ihrer dialektischen Definition, aber
auch auf Grund der semantischen Bestandteile des
lateinisches Wortes `infinitum' (im Endlichen).
Erst durch das Definieren der Anfangslosigkeit können wir
uns eine Vorstellung von der Natur eines Anfangs machen. Er
hat eine endliche und subjektive Komponente. Wir müssen
zuerst mit dem anfangen, was wir als Anfang gesetzt haben.
Ob das Setzen eines Anfangs einen willentlichen und
vernünftigen oder einen blinden, notwendigen Akt darstellt,
ist die Frage; von der Beantwortung dieser Frage hängt
nach Hegel die Begründung der menschlichen Freiheit und der
Existenz Gottes ab.
Hegel beantwortet diese Frage mit der konsequenten Anwendung
seiner dialektischen Methoden. Demnach werden die Gegensätze
zwischen Vernunft und Notwendigkeit zu einer Einheit
gebracht; die begreifende Vernunft und die begriffene
Notwendigkeit werden im Begriff der Freiheit zu einer
Einheit gebracht; "die Freiheit hat die Notwendigkeit zu
ihrer Voraussetzung und enthält dieselbe als aufgehoben in
sich" (8 @ 158 Z.). So liegt bei Hegel die Freiheit
unmittelbar im Denken, im Selbstdenken (Hegel 8 @ 23).
Für uns ist hier wichtig festzuhalten, daß die "wahrhafte
Entäußerung des Willens", wie Hegel in seinen "Grundlinien
der Philosophie des Rechtes" geschrieben hat, "Objektivierung
desselben" ist. (7 S. 156). So ist die Notwendigkeit die
Objektivierung des Geistes; sie ist seine Entfremdung, die
durch die philosophischen Begriffe zu ihrer Wahrheit
zurückgeführt wird. So ist für Hegel die philosophische
Reflexion "ein Akt absoluter Freiheit" (2 S.66)
Die subjektive und willentliche Natur eines Anfangs ist
daran erkennbar, daß jede Gründung eines Anfangs einer
Begründung bedarf, also des Offenlegens seiner "inneren
Notwendigkeit" als Anfang eines objektiven Prozesses.
So können wir das, womit wir etwas anfangen, als
eine subjektive Objektivität, aber auch als eine
objektive Subjektivität verstehen:
-16-
13. Subjektive Objektivität, insofern dem Anfang das
erkenntnistheoretische Interesse einer wissenschaftlichen
Methode entspricht, und als solcher ein hinzugedachter und
logisch begründeter Anfang ist; objektive Subjektivität,
insofern dieser Anfang eine objektiv gegründete Gegebenheit
ist, die unabängig von dem setzenden Subjekt ist, aber erst
durch eine Begründung als ontischer Anfang erkannt wurde.
Diese Unabhängigkeit ist im objektiven Idealismus Hegels
viel zu stark vom subjektiven Anteil bestimmt worden, da
bei Hegel das Ontische und das Logische eine Einheit im
denkenden Subjekt bilden.
Bei Hehel ist das Sein ein logisch subjektiv gesetzter Anfang
und zugleich ein ontische objetives Moment des Denkens und als
solches feststellbar. Deswegen ist der Anfang aber nicht fest,
denn gerade das Übergehen in seine Negation, die Vermittlung
zu seinem Gegensatz, das Erfassen seiner Widersprüche machen
ihn objetiv. So ensteht aus dem logischen Sein das ontische
Nichts. Durch das Definieren des Anfangs nun als logisches
Sein, können wir Aussagen über die Anfangslosigkeit oder das
ontische Nichts machen und folglich über die Ewigkeit Gottes
als die Tätigkeit des Geistes selbst: Der absolute Wille, der
die Notwendigkeit aus sich selbst setzt, um in sich die
Freiheit der absolute Idee zu entfalten.
Diese drei Momente der absoluten Idee, also Gott als Sein,
die Natur als Nichts und der Mensch als werden sind einen
Kreislauf befangen; sie sind das "Denken des Ewigen als eines
und desselben in den Gegensätzen selbst die Einheit des
Erfahrens und Erkennens" (11 S. 251). Die Rede ist hier von
einer objektiven Welt, die aber nicht außerhalb, sondern
innerhalb eines gedanklichen Prozesses vorkommt.
Diese Objektivität ergibt sich im Verlauf der
philosophischen Wissenschaft. Der objektive Idealismus von
Hegel gewinnt hier zunehmend an Subjektivität; somit ist die
Grenze zu subjektiven Idealismus nicht eindeutig.
Der Verdacht eines Solipsismus läßt sich aber dadurch
entkräften, daß der gedankliche Prozeß am Anfang, also in
der Logik nicht menschlicher, sondern göttlicher Natur ist.
Die objektive Realität ist also nicht im menschlichen
Bewußtsein angesiedelt, sie ist vielmehr ein Moment des
göttlichen Prozesses, und somit überragt sie laut der
Definition von Gott den Menschen. Nur so gestand Hegel
der Natur Objektivität und Unabhängigkeit dem menschlichen
Bewußtsein gegenüber zu.
-17-
Die Definition des Anfangs in der Logik als bestimmungloser
Gedanke heißt aber nicht, daß diese Definition selbst
bestimmungslos wäre.
Nun ist die Frage: Wer oder was setzt diese erste Bestimmung ?
Wer oder was war bereits vor dem Anfang da ? Wer stellt einen
Anfang fest und was wird als Anfang festgestellt?
Das Sein als solches gibt es nicht, es ist bereits ein Produkt
des Denkens. Dieser bestimmungslose Gedanke setzt das Nichtsein,
das ist die erste Bestimmung des Seins. Subjekt und Substanz
treten also von Anfang an in eine gedachte Zweierbeziehung,
14. wo die Substanz eine Setzung des Subjekts, die Materie ein
Produkt des Geistes ist.
Damit aber wird die von dem Menschen unabhängige Welt zu einem
von dem Menschen bedingten Gedanken. Entstehungsgeschichtlich
war aber die Welt vor dem Gedanken; eine Priorität des Denkens
ist nur erkenntnistheoretisch möglich. Erkenntnisvermögen
ist aber nach unsere Auffassung bereits eine Produkt der Natur.
Bei Hegel ist der menschliche Geist nicht ein Produkt der
Natur, sondern auch wie sie ein Hervorgehen aus der ewigen
Idee (9 S. 10). Geist und Natur sind die beiden endlichen
Seiten der unendlichen Idee.
Die ewige Idee ist aber ein kulturelles Prinzip, das im Sinn
Hegels in den "rein germanischen Nationen" aufgegangen ist
(12 S. 521). Sie gibt eine spezifische christliche Definition
von Gott wieder.
7. Der physische Grund der Erkenntnis
Jede entstehungsgeschichtliche Feststellung impliziert und
ist bedingt von Grad und Art der Erkenntnis. Ob diese
Erkenntnis so absolut sein kann, daß alles aus dem Denken
entsteht und in ihm endet, ist sehr bestreitbar, aber
gerade das ist die versteckte Behauptung von Hegel, wenn er
den endlichen Geist mit dem unendlichen Geist austauscht
oder verwechselt. Für ihn ist das "Ziel des Geistes,...
seine Erscheinung mit dem Wesen identisch zu machen" (10 S.
203).
Gerade in der Erscheinungswelt treffen die objektive und die
subjektive Welt zusammen, wobei diese Objektivität sehr
beladen ist mit subjektiven Bestimmungen. Bei diesem
-18-
prozedualen Austausch zwischen unendlichem und endlichem
Geist wird vernachlässigt, daß der Anfang als subjektive
Tatsache eines objektiven Erkennens nur in einem
spezifischen kulturellen Prozeß gegeben ist, den Hegel als
allgemeine Geschichte des menschlichen Geistes überhaupt
verstehen will.
Hegel behauptet: "Der Grund ist nur Grund, insofern er
begründet" und weiter: "Wenn wir nach den Gründen der Dinge
fragen, so ist dies überhaupt der bereits früher...
erwähnte Standpunkt der Reflexion" (8 @121 Z) nach der wir
es mit einem Gedoppelten zu tun haben: Einmal " ein(em)
Unmittelbares, ein(en) Seiend(en), und dann zweitens
(demselben) als ein(em) Vermittelte(n) oder Gesetzte(n)"
(8 S. @ 112 Z.)
So begründet das Sein das Nichtsein und zwar nicht "als
ein Vermitteltes oder Gesetztes", sondern als "Bestimmtheit,
Grenze" (8 @116).
Ob das Sein ein ontischer Grund an sich ist, ist eine andere
Frage; wir können das Sein als eine rein logische Begründung
interpretieren, also als eine Reflexion des Verstandes
15. über die Identität des Seins, als "reinen Abstraktion"
(8 @87); da dieser begründende Gedanke seinen Grund im
Denken hat, kann er keine ontische Begründung leisten, seine
Begründung ist logischer Natur.
Anders als bei Hegel behaupteten wir hier, daß der Grund des
Nichts nicht ein bestimmungsloser Gedanke ist, sondern ein
bestimmter Gedanke, der die abstrakte Gesamtheit der noch weiter
zu bestimmenden physischen Gesamtheit, die Natur umfaßt.
Bei Hegel hat die logische Begründung die Priorität und
nicht der ontische Grund. Das Sein, obwohl es eine logische
Kategorie ist, bekommt bei Hegel einen ontischen Charakter.
Das Sein ist somit der Grund, der das Nichtsein begründet.
Wer oder was aber begründete das Sein als Begriff ? Diese
Frage stellt sich Hegel nicht, weil für ihn das Sein "der
erste Anfang" ist, der nicht weiter bestimmt werden kann (8 @86).
Statt der Tätigkeit des Denkens die Tätigkeit der Natur zu
betrachten, ist nur dann hilfreich für unsere Interpretation
der Logik, wenn erstens eine klare Trennung zwischen dem
Logischen und dem Ontischen gemacht wird und wenn wir das
Sein nich als `den ersten Anfang' gelten lassen, denn eigentlich
gibt es keinen ontischen, sondern nur einen logischen Anfang.
Ein Vorschlag für die Trennung zwischen Ontischem und
Logischen werden wir im Kapitel über die Semiotik näher erläutern.
-19-
Hegel, der die allgemeine Bewegungsform dialektischer
Prozesse "in umfassender und bewußter Weise dargestellt
hat"9, hat sogar die Idee als absolute Materie gedacht
(13 S. 190). Dabei ist aber die Materie nicht der
Ausgangpunkt, sondern der Zustand der Selbstentfremdung des
Geistes in die Schönheit der Natur. Für Hegel wäre es
undenkbar, den Vorgang der Selbsterkenntnis des Geistes in
der Materie anzusiedeln, d.h., statt von der
Selbsterkenntnis des Geistes von der Selbstentstehung der
Materie oder von einer evolutiven Kognition zu sprechen.
Als eine Stufe dieser Selbstentstehung können wir aber uns
selbst als selbsterkennende Materie betrachten. Diese
Priorität der Materie ist in einer Rede des Zarathustra von
Nietzsche gemeint, wenn gesagt wird: "Werkzeug deines Leibes
ist auch deine kleine Vernunft, mein Bruder, die du `Geist'
nennst, ein kleines Werk- und Spielzeug deiner großen
Vernunft (...), der Leib ist eine große Vernunft"10.
Ähnliche Behauptungen, aber in anderem Zusammenhang, stellt
auch Peirce in seinen semiotischen Schriften auf: "Es scheint
also, als ob wir zu allem Wissen aufgrund von Beobachtung
gelangen. Ein Teil wird uns von außen aufgezwungen und scheint
vom Geist der Natur zu stammen; ein Teil kommt aus den Tiefen
des Geistes, der aus uns heraus blickt und den wir aufgrund
eines egoistischen Anakoluths unseren Geist nennen"11.
Eine solche Auffassung der Vernunft und des Geistes verrückt
die Inhalte der Begriffe, setzt ihre Masken ab und holt die
Philosophie vom Himmel auf die Erde.
Schaltet man aus der `Architektonik von Theorie' den Faktor
Gott aus, fällt sie deswegen doch nicht zusammen. Im
Gegenteil zeigt sich hinter Hegels Idealismus deutlich ein
16. machtpolitischer Pragmatismus, der allerdings nicht mehr zum
Thema der vorliegenden Arbeit gehört.
Bei einer Architektonik ist nicht das zum Himmel gerichtete
Dach entscheidend, sondern das in der Erde befestigte
Fundament, das alles trägt und somit die Stukturen bestimmt.
Alles, was in Gott hypostasiert wird, ist eigentlich zuerst
im menschlichen Geist hypostasiert worden, ja sogar Gott
selber kann auch als Hypostase des menschlichen Geistes
ausgelegt werden. Die Logik Hegels ist nicht die Logik
Gottes, sondern eben Hegels' Logik.
-20-
Die Architektonik bekommt durch die oben dargelegte Sicht
zwar kein übergreifendes ideologisches Dach, aber der
menschliche Geist - und nicht Gott - wird dadurch mit der
Natur, mit dem `Anderen' versöhnt.
Es geht also nicht um diese ewige Versöhnung des
menschlichen Geistes mit sich selbst, also mit Gott, sondern
um die Versöhnung mit dem Körper.
Dies zwar nicht im Sinne einer Befreiung des Menschen "von
der Natur und ihrer Notwendigkeit" als der Begriff de
Naturphilosophie (9 S. 539), sondern indem die Würde der Natur
nicht als Objekt, sondern als Subjekt selbst, in ihrer
Geschichtlichkeit erkannt und anerkannt wird.
Das hat Hegel nicht gesehen, aber gerade die Anerkennung der
Würde der Natur ist in der heutigen Zeit nötig. Nicht Gott,
sondern die Natur ist der unendliche Geist. Alles, was der
Mensch tut oder denkt, ist endlich und vergänglich, so auch
die vermeintliche Unendlichkeit Gottes und der Individuen.
8. Die triadische Stuktur des Prozesses
Nicht die Materie ist der Gegenstand der vorliegenden
Arbeit, sondern das Ideelle, "als das im Menschenkopf
umgesetzte und übersetzte Materielle"12
Die Logik Hegels ist auch ohne Gott für eine
Auseinandersetzung mit unseren Erkenntnissprozessen weiterhin
fruchtbar und nützlich. Dies nicht nur, weil Gott im Sinne
von Feuerbach als eine Projektion des Menschen betrachtet
werden kann, so daß der Mensch in Gott sein Ebenbild findet,
sondern weil die spekulative Logik Hegels, ohne ihren
transzendentalen Anspruch, eigentlich eine "methodologisch
reflektierte Bedeutungsanalyse auf phänomenologischer
Grundlage"ist13.
Die Vorstellung eines trinitarischen Gottes zu durchdenken,
trägt viel dazu bei, Grundstrukturen des menschlichen Geistes
offenzulegen. Die dreifache Grundstruktur dialektischer Prozesse,
die Hegel in Gott angeblich erkannt hat, mag zwar viel von
Mysterienkrämerei haben14, nimmt man aber die religiöse
Komponente weg, dann ist seine Logik eine Phänomenologie der
rein theoretischen Denkens.
17. -21-
Im Abschitt über "die Erscheinung" werden zentrale Probleme
der Phänomenologie behandelt, nämlich die Voraussetzungen
für die Entstehung von "Wirklichkeit", wie z. B. das
Verhältnis Form- Materie, Form-Inhalt, Kraftäußerung-Kraft
oder Innen-Außen. Der Entstehungsprozeß dieser Begriffe wird
hier nicht nur nach Hegel interpretiert, sondern unter
Berücksichtigung der Zeichentheorie Peirces.
Peirce hat eine ähnliche triadische Grundstruktur im Geist
"entdeckt" und erforscht, aber er postuliert keinen Monismus
des Geistes im Sinn einer Gleichsetzung von Begriff und
Sache, wie es Hegel tut, sondern er vertritt eine Semiose
zwischen Zeichen und Objekt.
Was Peirces semiotisches Konzept der Evolution des Geistes
als Bestimmung der Wirklichkeit von Hegels Begriff der
Selbstbestimmung des Geistes in der Geschichte
unterscheidet, ist nicht allein die ontologische Funktion
der Zeichen in diesem Prozeß.
Für Peirce ist die Geschichte ein approximativer Prozeß, der
zwischen zwei Grenzwerten liegt: der reinen, unbestimmten
Möglichkeit eines Anfangszustandes und der absoluten
Bestimmtheit eines Endzustandes in den letzten Meinungen
über die Realität15. Der Geist wird demnach nicht
endgültig bei sich selbst ankommen, sondern er wird in einem
Zustand des Immer- Fast- Angekommen - Seins begriffen. In
diesem Zustand spielt sich eine kognitive Evolution ab, die
nie abgeschlossen wird.
Hegel glaubte sich in der Gewißheit, nicht nur eine Meinung
über die Realität, sondern sogar ihren konkreten und wahren
Begriff gedacht zu haben.
Das Gedachte ist die "Idee" als " Vereinigung von
Subjektivem und Objektivem" (4 S. 165), oder als "Einheit
des Begriffs und der Realität" (6 S. 527).
Idee, Natur und Geist sind die "drei Glieder der
philosophischen Wissenschaften" (8 S. 339) . Sie bilden
einen "Kreis in sich selbst" (18 S. 400). Durch die Gefüge,
Vermittlungen und Momente dieses Kreises können die
Phänomene als progressive oder regressive Stufen des
Absoluten gedacht werden. Der Gehalt dieser Gedanken, also
das dialektische Verfahren, hat Hegel für Wahrheit gehalten,
denn sein "eigenes Verfahren gilt ihm demgegenüber als die
wahre Wiederentdeckung des philosophischen Beweises"16.
-22-
Die Wahrheit ist als Gegenstand der Wissenschaft der Logik,
(8 S. 68) also der Philosophie (10 S. 377), Gott selbst,
denn "die Welt erkennen heißt, die Wahrheit der Welt, die
Wahrheit erkennen, und diese Wahrheit ist Gott" (11 S. 383).
Nun, Wahrheit verbirgt sich hinter jeder Lüge. Eine "Theorie
der Lüge" wäre in der Lage, die Wahrheit zu entbergen;
sie könnte die Lüge erkennen, aber auch die Warhreit
weiter verschleiern. Eine solche Theorie ist die Semiotik17.
18. Peirce nennt die Semiotik "spekulative Grammatik", und als
solche ist sie ein Zweig der Logik oder "Wissenschaft von
den allgemein notwendigen Gesetzen der Zeichen, insbesondere
der Symbole"18. Demnach untersucht die Semiotik die
Bedingungen, "unter denen ein Zeichen geeignet ist, eine
Wahrheit oder Falschheit zu verkörpern", wobei nicht zu
vergessen ist, daß die Wahrheiten der Logik für Peirce nicht
absolut sind, wie es Hegel für sich beansprucht, sondern
reale oder irreale Objekte, die von einem Zeichen bezeichnet
werden.
9. Die Rolle der Sprache
Der Gegenstand der Logik ist die dialektische Bewegung des
Denkens selbst, dieser "sich selbst erzeugende, fortleitende
und in sich zurückgehende Gang" (3 S. 61). Die Logik ist
das Reich der reinen Widersprüche, "der Schatten" und
"einfachen Wesenheiten" (l S. 55), und als solche liegt sie
jenseits der Sinnlichkeit und des Verstandes; gerade
deswegen ist eine sprachliche Darstellung der Bewegung des
Denkens schwierig und oft eine Überforderung für die
Sprache. Die Sprache der Logik ist eine zerrissene, ja oft
dunkle Sprache. Hegel selbst weiß, "daß seine Darstellung
die Notwendigkeit der Sache nicht immer erreicht"19 und
nicht zuletzt deshalb, weil die Logik als ein `Leitfaden'
zu seinen Vorlesungen geschrieben wurde.
"Worte sind eben doch nur Zeichen, die allenfalls verweisen
können auf die absolute Bewegung des Begriffs, welche
sich jenseits ihrer (selbst) abspielt"20.
-23-
Die Sprache "als Werk des produktiven Gedächnisses"
(4 S. 52) bzw. "ausgebildetes Werk der Einbildungskraft"
(4 S. 213) hat die Aufgabe, ihre eigene produktive Kraft und
ihre Widersprüche zur Erscheinung zu bringen.
Ausgangspunkt für unsere Interpretation des Textes ist, daß
nicht nur Wörter, sondern die Gedanken selbst Zeichen für die
Tätigkeit des Denkens sind. Soweit die Zeichen als Gedanken
bleiben, sind sie unvermittelt und unmmittelbar; ihre
Vermittlung geschieht durch die Sprache, durch Worte, die
die Beziehung zwischen der Tätigkeit des Denkens und den
Gedanken als solchen interpretieren und darstellen.
Es geht also nicht darum, Inhalte zu erfassen, sie in eine
feste Form zu bringen, sondern darum, Inhalte und Formen als
Tätigkeiten des Denkens nachzuvollziehen, indem sie in ihrer
Entwicklung gedacht werden, als eine Zeichenprozeß, wodurch
eine Idee sich entwickelt.
Das ist der Gegestand der Logik, die "Idee im abstrakten
Elemente des Denkens" (8 @ 19).
Die Logik ist eine Methode des Denkens, und als solche ist
sie die Reflexion ihrer selbst und Widerspiegelung eines
19. konkreten Arbeitsprozesses, der hier als ein Zeichenprozeß
aufgefaßt wird.
Denken, Gedanken, Worte sind eine Bedeutungseinheit. Die
Logik von Hegel ist eine Kritik der Bedeutung von Begriffen.
Diese Kritik ist strukturiert wie eine Kette von
Interpretationen, die sich weiter interpretieren.
Glieder dieser Kette sind die Bedeutungen der Begriffe; Die
Interpretation eines Begriffs eröffnet eine neue Bedeutung,
die wiederum zum Begriff wird usw.
Die Logik von Hegel ist deshalb eine Bestimmung vom Begriffen,
die ihrerseits andere Begriffe betimmen. Um über das Sein
zu sprechen muß zuerst das Sein als solches bestimmt werden;
mit dieser Bestimmung können wir die Bedeutung des Wesens
begreifen usf.
Alles dieses erfolgt aber nicht sprunghaft, sondern sehr
fließend und differenziert. Die Bezugsnahme eines Begriffs
auf seine Bedeutung erfolgt in dialektischer Verbindung mit
dem vorherbestimmten Begriff. Durch diesen dialektischen
Arbeitsprozeß produziert das Denken seine eigenen Begriffe.
Die "absolute Idee" von Hegel ist der Prozeß, wodurch
das Objekt und das Subjekt sich entzweien und zur
Einheit gebracht werden. Zwar bestehen in dieser Einheit
die Unterschiede zwischen Subjekt und Objekt weiter, aber
-24-
die Bezüge untereinander sind Bezüge des Subjekts mit
sich selbst, Zeichen, die das Subjekt selbst generiert.
Man muß aber den Inhalt des Denkens und seine Form
auseinander halten, denn die Wahrnehmung und das Wahrgenommene,
die Vorstellungen und das Vorgestellte, der Begriff und das
Begriffene sind nicht das Gleiche. Zwischen Objekt und Zeichen
besteht immer eine Differenz, denn ohne sie wäre Denken nicht
möglich.
Ein Zeichen bezieht sich auf ein Objekt, es ist aber nicht
das Objekt selbst. So wie die Warnehmung und die
Vorstellungen gattungsspezifische Zeichengebilde sind, die
für selektive Welterfahrungen stehen, so erfolgt das Denken
in Anwendung von tradierten Begriffen, die die Welt deuten.
Die Bedeutung der Begriffe ist aber kulturbedingt
vereinbart.
20. -25-
B. Philosophische Herkunft
Um Hegels Logik interpretieren zu können, muß man die
geschichtsphilosophische Verwurzelung seines Denkens in
Betracht ziehen. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu
sprengen, werde ich nur einen gezielten Rückblick auf die
Hauptquelle seiner Logik werfen.
Dieser Rückblick wird sich vor allem auf die Hauptgedanken
einiger griechischer Philosophen konzentrieren.
1. Erste Etappen der Abstraktion
Der Anfang der Logik ist nach Hegel dasselbe "wie der Anfang
der eigentlichen Geschichte der Philosophie" (8 @ 86 Z.).
Die ersten philosophischen Einsichten über die Natur hielt
er noch für mangelhaft.
Während die ionischen Philsophen "noch dabei stehenblieben,
das Wesen der Dingen als ein Materielles... zu betrachten"
sind die Eleaten "zum reinen Denken in der Form des Seins"
fortgeschritten (8 @ 124 Z.3).
Die ersten uns bekannten griechischen Philosophen waren
eigentlich Kosmologen. Wie jede Phase der griechischen
Philosophie durch verschiedene Dualismen gekennzeichnet
werden kann - Wahrheit und Irrtum, Harmonie und Kampf, Geist
und Materie, Erscheinung und Realität - stellten sich die
ersten Philosophen die Frage, "ob in den Dingen Einheit oder
Vielheit herrscht, ob sie einfach oder zusammengesetzt sind"
und schließlich stellten sie "den Dualismus vom Chaos und
Ordnung oder den von Grenzlosigkeit und Grenze" auf21.
Das Waser bei Tales, der unbegrenzte Urstoff bei
Anaximandrer, die Luft bei Anaximenes stellten die Prinzipien
dar, aus denen die Welt und das Leben entstanden sind, ihren
Bestand haben, und die Prinzipien, zu denen alles
zurüchkehrt.
Mit Heraklit "erreicht das prozessuale Weltverständnis der
Ioner seinen Höhepunkt"22, für ihn war das Urelement das
Feuer. Was Heraklit mit diesem Prinzip zum Ausdruck brachte
war seine Grundüberzeugung, daß alles im Wandel ist. Mit
21. dieser Lehre vom Wandel hängt aber seine dialektische
Auffassung der Relativität von Allem in der Welt. Ist alles
in ständiger Bewegung, dann sind alle Gegensätze nur
relative Gegensätze, das Eine wird zu dem Anderen und das
Andere wird zu dem Einen: "Der Weg hinauf hinab ein und
derselbe"23; "Unsterbliche: Sterbliche, Sterbliche:
Unsterbliche, denn das Leben dieser ist der Tod jener und
das Leben jener der Tod dieser"24; "In dieselben Flüsse
steigen wir und steigen wir nicht, wir sind und wir sind
nicht"25.
2. Zweite Etappe der Abstraktion
"Parmenides Kritik setzte an einer den Lehren all seiner
Vorgänger gemeinsamen Schwäche an. Diese fand er in der
Unvereinbarkeit der Ansicht, daß alle Dinge aus einem
Urstoff gemacht wären, mit der gleichzeitigen Behauptung
eines leeren Raumes"26. Wenn also alles aus einem
Urstoff, egal aus welchem, entstanden wäre, dann ist der
Raum, wo alles entstanden wäre, entweder leer oder der Raum
selbst wäre auch entstanden.
Für Parmenides existiert ein leerer Raum einfach nicht, sondern
nur ein erfüllter Raum. Da nur ein erfüllter Raum existiert,
ist eine Entstehung der Fülle und somit des Raums deswegen nicht
möglich, weil das die Existenz eines leeren Raumes voraussetzen
würde und so etwas gab es für Parmenides eben nicht.
Theoretisch aber besteht die Möglichkeit, daß, obwohl es
keinen leeren Raum gäbe, man trotzdem die Entstehung von
Raum und Fülle zulassen könnte. Damit aber wäre Parmenides
in Konflikt mit seiner eigenen Lehre des Seins geraten;
seine Wahrheiten bestehen "aus einer Reihe von Tautologien,
analytischen Urteilen: Das Seiende ist, das Nichtseiende ist
nicht. Unter das Nichtseiende fällt alles, was sich bewegt,
ferner die Leere, die Zeit und die Mannigfaltigkeit.
Daraus folgt: das Sein ist eins, zeitlos und
unbewegt"27. Eine Entstehung der Welt wäre also für
Parmenides undenkbar, damit führt Parmenides seinen
materiellen Monismus zu seiner letzten logischen Konsequenz.
Nach Parmenides könnte das, was nicht ist, auch nicht
gedacht werden. Hat nun Heraklit so etwas wie einen leeren
Raum oder das Werden gedacht, dann müßten seine Gedanken
eigentlich nur Meinungen sein, also kein eigentliches
Wissen.
-27-
Daß unsere Sinnesorgane trotzdem eine Entstehung und Bewegung
in der Natur feststellen, wäre nur ein Zeichen für die
Unvollkommenheit unserer Sinnesorgane: "Wir müssen jede
Sinneserfahrung als Illusion abschreiben, und genau das ist
es, was Parmenides lehrte"28. Umgekehrt aber könnte nach
Parmenides das, was gedacht wird, doch existieren, damit war
"der Schritt von der raumzeitlichen Realität der Ioner zur
zeitlosen, logischen Realität der Ontologen und
22. Metaphysiker" getan29.
Dies war möglich, weil Parmenides den Akt des Denkens nicht
von dem der Gedanken trennte.
Platon und später Hegel bauen ihre Metaphysik auf
derselben semiotischen Ungereimtheit auf: "Das Denken und
das, weswegen der Gedanke ist, sind dasselbe, denn du
wirst das Denken nicht ohne das Seiende finden, in dem es
ausgesprochen ist..."30
3. Ein Kommentar zu Hegels Interpretation
Was Heraklit über die Bewegung der Natur aussagte,
interpretierte Hegel als Aussagen über das Absolute, also -
in seinem Sinn - als Aussage über das Denken selbst. So ist
für Hegel der Geist sozusagen `der Urstoff', aus dem alles
entsteht, alles seinen Bestand hat und wohin alles
zurückkehrt. Die hier gemeinte Bewegung aber ist nicht die
Bewegung der Natur, denn nach Hegel hat die Natur keine
eigene Realität an sich. Mit Bewegung meint Hegel immer
geistige Tätigkeit.
Für Hegel fängt die wahre Philophie eigentlich mit Heraklit
an, weil er als erster "die Natur des Unendlichen
ausgesprochen", und das Wesen der Natur "als Prozeß
begriffen hat"(18 S. 336).
Nun wie sieht die Natur des Unendlichen nach Hegels
Interpretation aus?.
Ausgangspunkt sind die allgemeinen Prinzipien, daß das Sein
das Nichtsein ist und zweitens, daß alles fließt. Wäre Alles
fest, dann gäbe es keine Identität von Sein und Nichtsein,
denn gerade das Fließen von allem ermöglicht die logische
-28-
Übereinstimmung der Gegensätze. "Das Sein ist nicht, so ist
das Nichtsein, und das Nichtsein ist nicht, so ist das Sein"
(18 S. 324), so ist das Wesen des Unendlichen die Einheit
von Sein und Nichtsein: das Werden.
Indem Hegel die Bewegung der Natur an sich in das Verhältnis
von Natur und Mensch überträgt, muß er eine entscheidende
Ergänzung der Philosophie Heraklits vornehmen.
Heraklit nannte das Werden Schicksal oder Notwendigkeit. Nun
muß Hegel das reflexive innere Moment einbauen. Das aber
läßt sich nicht mit dem Logosbegriff Heraklits machen, denn
für Heraklit ist die Vernunft nicht etwas Inneres, sondern
etwas Äußeres, "das Umgebende", die Natur, Gott.
So `verbessert' Hegel Heraklit, indem er den
pantheistischen Logosbegiff Heraklits ontologisch umdeutet.
Das Umgebende wird zur Allgemeinheit, der natürliche Logos
zu Geist.
In der Logik Hegels ist nun "das Sein eben nur das
23. schlechthin Bestimmungslose, und dieselbe
Bestimmungslosigkeit ist auch das Nichts ", also das Gleiche
und nicht das Gleiche.
Konkret gesprochen: ein Eis verschmilzt, dann ist es kein
Eis mehr und trotzdem bestimmt sein Verschmelzen-Können oder
zu Nicht- Eis Werden-Können es gerade als Eis.
Die Verkehrung des Äußeren ins Innere, des bedrohlichen
Lebensflusses in geborgene und kontrollierbare Tätigkeit
des Geistes - also in die Logik- geschieht dadurch, daß Hegel
das Werden nicht als Wesen der Dinge, sondern als Wesen des
Denkens auffasst. Diese geistige Tätigkeit läßt den Begriff
`Sein' zu dem Begriff `Nichts' werden.
Damit setzt er die Priorität nicht nur des Denkens gegenüber
den Dingen, sondern auch des Seins gegenüber dem Werden
voraus. Am Anfang ist nicht das Werden, sondern das Sein.
Hegel macht aus dem Sein den abstrakten Kern des Denkens
und somit schreibt er dem Denken eine absolute
Beständigkeit, ja Dauer und Ewigkeit zu. So ist seine Logik
eigentlich Gottesgedanken.
Nach Hegel ist das Nichts der nächste Moment des Seins
und das Werden fungiert hier als erste konkrete
Gedankenbestimmung. So ist nach Hegel die Aufgabe der
Philosophie nicht allein das Bewußtwerden der Wandlung der
Natur, sondern ihre Aufhebung in vernünftige Erkenntnis.
-29-
Damit aber gerät Hegel in eine Täuschung. Er hat die
Vorwarnung von Heraklit nicht verstehen wollen. Heraklit
sagte nämlich: "Wir tun und denken alles nach der Teilnahme
am göttlichen Verstande (logos). Deswegen müssen wir nun
diesem allgemeinen Verstande folgen. Viele aber leben, als
ob sie einen eigenen Verstand hätten" (18 S. 341).
Dieser "göttliche Verstand" ist aber die Wandlung selbst und
ihr zu folgen heißt: sich nicht der Wandlung zu widersetzen,
die Wandlung der Natur nicht überwinden oder sie durch das
Denken beseitigen wollen. Hegel aber will mit seinem eigenen
Verstand, die Notwendigkeit der Natur aufheben und nennt
diesen Vorgang "vernünftige Erkenntnis". Damit glaubt er die
Freiheit der Vernunft der Natur gedanklich gesichert zu
haben.
Hinter diesem schönen Schein der Vernunft verbirgt sich
aber die Angst vor dem Nichts. Der horror vacui ist
etwas nicht Vernünftiges. Diese Angst muß also aufgehoben
werden, sie muß gedanklich in ihr Gegenteil umgewandelt
werden, sie muß in die Zuversicht der Vernunft aufgehoben
werden, sie muß mit der philosophischen Vergewisserung
versiegelt werden, daß am Anfang nicht das Nichts, nicht das
Werden, und noch weniger sich selbst hervorbringende Materie
steht, sondern eben das ewige Sein: Gott.
4. Dritte Etappe der Abstraktion
24. Vorläufer der Methapysik war Parmenides, insofern er
die These von der Identität ontischer und logischer Prozesse
legte. Während die älteren ionischen Naturphilosophen die
vier Elemente als letzte Prinzipien der Wirklichkeit
angenommen haben, führte Parmenides diese Prinzipien zu
einem leeren abstrakten Begriff, dem Sein.
Das Sein sagt alles, insofern alles ist, und es sagt nichts,
insofern damit keine konkrete Aussage gemacht wird.
In dem Moment, wo die ontischen Prinzipien der
Wirklichkeit auf logische Prinzipien des Denkens reduziert
werden, verlieren Sein und Nichtsein jegliches Mysterium.
Nichtsein sagt nicht, wie Parmenides meinte, daß die vier
-30-
Elemente und alle deren mögliche Wandlungen eine Illusion
wären und es sie als solche nicht gäbe. Nichtsein hatt vielmehr
den Sinn, daß eine Aussage einfach nicht stimmt: Etwas ist
nich so, wie die Aussage behauptet, sondern ist etwas
anderes.
Wird also behauptet, daß das Prinzip der Wirklichkeit z.B.
die Materie ist, dann ist diese Aussage falsch. Das aber
bedeutet nicht, daß es die Materie nicht gibt, sondern, daß
das Prinzip der Wirklichkeit nicht die Materie ist, sondern
der Geist.
Sein oder Nichtsein verlieren nun jegliche Aussagekraft und
werden reduziert auf ein grammatikalisches Element einer
Aussage, auf Verbindungswörter. Damit aber ist nicht gesagt,
ob die vier Elemente oder ihre Wandlungen die Prinzipien der
Wirklicheit sind oder nicht sind, ob diese Aussage falsch
oder wahr ist.
Damit hat Platon ein Scheinproblem der Parmenidesschen
Terminologie aufgedeckt, ist aber nicht über die ionischen
Naturphilosophen hinausgegangen, sondern hat ihren Einsichten
eine noch abstraktere und differenziertere Terminologie
gegeben. Platon wollte die Erscheinung, die vier Elemente
und deren Wandlungen philosophisch absichern.
" Mit Heraklit stimmte Platon überein, insofern er eine
veränderliche Welt nicht leugnete, gegen ihn wandte er
sich, sofern die radikale Position der Veränderlichkeit
Kommunikation unmöglich macht, die Sphäre des Logischen
und der Sprache aufhebt. Mit Parmenides ging Platon, indem
er dem Sein den Vorang vor dem Werden gab, gegen ihn wandte
er sich, sofern Parmenides die Einheit des Seins voraussetzte
und alles Werden ausschloß"31.
Aus diesen beiden Positionen entwickelte Platon eine dritte
Alternative, demnach die materiellen, zeitlichen und räumlichen
Prozesse der Welt von immateriellen, zeit- und raumlosen Ideen
bestimmt und gesteuert werden.
Im Dialog Timaios findet man eine sehr interessante
geometrikalische Grundlegung einer Kosmogonie, die nicht nur
ein Gegenstück dessen, "was in der modernen Physik Nuklear-
oder Elementarteilchen genannt wird"32 darstellt, aber
auch ein Gegenstück dessen, was Peirce mit seinen
existentiellen Graphen erreichen will: "Ein System des
logischen Ausdrucks"33, das auf der Grundlage vom
25. Diagrammen beruht, die geometrikalisch weiter aufgebaut
werden können, um die Gesetze der Denkens zu untersuchen.
-31-
Nach dem geometrischen oder mathematischen Atomismus
Platons "müssen wir eine dreifache Unterscheidung zwischen
Formen, Grundstoff und der körperlichen Wirklichkeit der
wahrnehmbaren Welt machen. Der Grundstoff ist hier einfach
der leere Raum. Die wahrnehmbare Wirklichkeit ist das
Ergebnis einer Mischung von Formen und Raum, in den sie
irgendwie eingeprägt ist. Auf dieser Basis wird uns eine
Darstellung der materiellen, das heißt sowohl der
physikalischen wie auch der biologischen Welt in den
Begriffen der vier Elemente gegeben. Aber diese werden
ihrerseits als geometrikalische Körper betrachtet, die aus
zwei Arten von besonderen Dreiecken gemacht sind: aus
einem halben gleichseitigen oder aus einem
rechtwinklig-gleichschenkligen Dreieck, also einem halben
Quadrat. Aus diesen Dreiecken können wir vier oder fünf
regelmäßige Körper konstruieren. Das Tetraeder ist das
Grundteilchen des Feuers, der Würfel das der Erde, das
Oktaeder das der Luft und das Ilosaeder das des Wassers; wenn
wir diese Körper in ihre konstituierenden Dreiecke
aufbrechen, und sie wieder zusammenenrichten, können wir
eine Umwandlung zwischen den Elementen durchführen"34.
Die zeitliche und räumliche Welt ist also das Ergebnis der
"Mischung von Formen und Raum, in den sie irgendwie
eingeprägt ist", Mit diesen Formen und mit dem leeren Raum
sind die Ideen und der Geist (nous) gemeint, wobei die
Vorstellung von Geist in dieser symbolischen Darstellung
noch nicht ganz frei von materiellen Inhalten ist.
Platon definiert das Denken als "Gespräch der Seele mit sich
selbst"35. Für ihn ist Denken nicht eine Eigenschaft der
Seele, "sondern ihre Substanz", denn ohne Denken gäbe es
keine Seele (19 S. 48). Damit wollte Platon die
Unsterblichkeit der Seele absichern, als eine Tätigkeit der
Selbstbetrachtung. "Die farb- und gestalt- und gefühllose
Substanz der Seele braucht den Gedanken allein als
Zuschauer" (19 S. 50). Die Ideen, die nach Hegels
Interpretation durch den Erkenntnisakt hervorgebracht werden
(19 S. 41), werden betrachtet.
Für Platon haben also die Wortbedeutungen eine eigene
Realität, und nämlich, wenn diese Bedeutungen eine generelle
Aussage ermöglichen. So existieren die platonischen Ideen
" als substantielle Gattungen in den einzelnen Dingen"
(9 S. 19).
-32-
Diese Ideen sind nicht der Veränderung unterworfen, die die
einzelne Erscheinung bestimmen. Sie sind vielmehr Quelle der
Veränderung der Dinge und Ziel der Erkenntnis der Dinge. Die
platonischen Ideen bilden also nicht unbewegliche
Konstellationen von Urbildern und Prinzipien; sie sind
vielmehr ruhende Bewegung, Sein, das Werden ermöglicht, Sein
das erkannt wird. Denn nur das, was ist, kann erkannt
26. werden, indem es von der Veränderbarkeit der Einzeldinge
abstrahiert wird. Von dem, was sich bewegt, also von
sinnlichen Eindrücken, Vorstellngen und Meinungen gibt es
für Platon keine Wissenschaft im strengen Sinne.
Die platonischen Ideen verlassen nicht den konkreten Boden
der objektiven Wirklichkeit. Sie sind das Wesentliche einer
Sache, wodurch eine Sache aus sich selbst das ist, was sie
ist.
Die Ideen beanspruchen gar, ein teleologisches und
ethisches Prinzip für die Wirklichkeit zu sein. Sie sind
allgemeine Gesetze, die den einzelnen Erscheinungen zugrunde
liegen. So floh der platonische Sokrates nicht aus dem
Gefängnis, weil er dem Gesetz Athens gehorchen wollte; dies
entsprach seiner inneren Verfassung, seinem Wesen.
So fand Hegel in der sokratischen Gesprächsführung den Kern
der nicht nur formalen, sondern vor allem inhaltlichen
Dialektik des Allgemeines und Einzelnen.
Anders als Sokrates, der "den an und für sich seienden
Gedanken"(... ) "als Wesen und Zweck für den selbstbewußten
Willen " aufgefasst hate "... erfaßt Platon den Gedanken "als
das Wesen des Universums"(19 S. 11). Somit erlangten die
allgemein menschlichen - platonischen- Ideen einen
kosmolologischen Charakter. Der Geist des Kosmos oder die
Weltseele "umfaßt solche allgemeine Aussagen wie Identität,
Unterschied, Dasein, Zahl sowie die allgemeinen Aussagen in
Ethik und Kunst"36.
Das Erkennen beginnt nach Platon mit der Erscheinung, mit
dem sinnlichen Eindruck, dann geht es über
Vorstellungsbilder und diffuse Meinungen weiter bis zu
allgemeinen Ideen, die im Geist ruhen und abgerufen werden;
die Ideen sind dem Menschen angeboren und Erkenntnis ist
für Platon Wiedererinnerung.
Der Geist als "eine Tafel voller Gedächtniseindrücke"37
wäre für Hegel eine nicht ausreichende Definition von Geist.
Seine philosphischen Forschungen haben nicht nur normativ
-33-
wissenschaftliche Ziele (Logik, Ästhetik und Ethik), sondern
vor allem einen metaphysischen Anspruch. Hegel ging es in
seiner Logik darum, die Entstehung der Welt aus dem
unendlichen Gedanken Gottes philosophisch abzusichern.
Dieser Rückgang der menschlichen Kognition aus der
konkreten Mannigfaltigkeit der Erfahrung zur abstrakten
Einheit der Ideen war eine wichtige Leistung der
platonischen Philosophie, die Hegel übernommen und weiter
entwickelt hat.
Indem der Geist zur normativen, aber auch kreativen Instanz
des Kosmos erhoben wurde, schloß Hegel einen Kreis, den
Kreis der Bewegung des Geistes: Das An-sich-Sein der Ideen,
das Für- sich-Sein der Erscheinung der Ideen als Kosmos und
das An- und Für-sich-Sein der Erkenntnis der Ideen.
Während Platon die Bewegung der einzelne Dinge als Werden
und Vergehen mit der Bewegung des Erkenntnisprozesses in
27. Zusammenhang brachte, faßte Hegel die Denkprozesse und die
Entstehung der Welt als unterschiedliche Momente ein und
derselben Bewegung auf. In der Tat aber handelt es sich um
eine einseitige Bewegung, die nun umgedreht wird.
Waren noch für die empirischen Naturphilosophen
die Prinzipien der Wirklichkeit weltimmanent, sind nun
diese Prinzipien transzendent.
Jetzt erfolgt die Umkehrung der Bewegung und die gesamte
Wirklichkeit wird aus diesen transzendentalen Prinzipien
logisch abgeleitet, wobei mit dieser logischen Ableitung
eigentlich der reale Entstehungprozeß gemeint ist.
Was implizit behauptet wird, ist, daß die Bedingungen für
die Entstehung der Welt logische Bedingungen sind. Es fehlt
aber die Frage nach den Bedingungen der Logik selbst. Stellt
sich das Denken seine eigenen Bedingungen, dann gerät es
unvermeidlich in Tautologien - und das ist der Fall in der
Logik Hegels.
Daß die real existierende Welt die Bedingungen für das
Denken stellen sollte, käme für Hegel nicht in Frage, denn
das käme für ihn einem philosophischen Selbstmord gleich.
-34-
5. Die Rettung der phänomenalen Welt
Um einen Kompromiß zwischen Transzendenz oder Immanenz
der Prinzipien der Welt zu finden, muß man eine verbindene
Instanz erforschen und entdecken, die bei dem Philosophieren
über die Beziehung von äußerer objektive Welt und innerer
subjektiver Welt nicht berücksichtigt wurde, obwohl
sie unverzichtbar ist.
Gemeint ist die phänomenale Welt, denn die Welt erkennen wir
nicht als solche, sondern wie sie in uns erscheint, also als
Phänomen.
Erst die Phänomenologie kann die Bedingungen untersuchen,
die unsere Erkenntnis über die Realität bestimmen. Die
Phänomenologie aber ist ein relativ neues philosophisches
Fach. Sie ist im Vergleich mit der Methaphysik und den
normativen Wissenschaften wenig systematisch erforscht.
Deshalb muß alle Metaphysik und jede normative Wissenschaft
nach phänomenologischen Gesichtspunkten überprüft werden.
Aristoteles will jenseits des Empirismus der alten
Naturphilosophie und der Spekulationen der platonischen
Mataphysik stehen.
Er geht auch von einer Grundunterscheidung von
unveränderlicher und veränderlicher Seinsweise aus; seine
Stärke aber "ist, daß er das Verhältnis von Empirie und
Theorie sowie von Sinnlichem und Rationalem als
dialektisches Aufheben, als dialektische, gegensätzliche
28. Einheit konzipiert"38.
Damit wurde die erkenntnistheoretische Grundlage für eine
methodische Gleichheit der logischen inneren und der
ontischen äußeren Welt gelegt.
Aristoteles wollte die phänomenale Welt als Gegenstand der
Wissenschaft retten. Für ihn besteht die phänomenale Welt
aus Sinneswahrnehmungen und aus Erfahrungen: Sie ist der
Ausgangspunkt zwar nicht für die Philosophie, aber doch für
alle Wissenschaften.
Der Erkenntnisprozeß ist ein Aufstieg von der
Mannigfaltigkeit zur Einheit der Phönomene: "Viele
Sinneswahrnehmungen - eine Erinnerung; viele Erinnerungen -
eine Erfahrung; viele Erfahrungen - eine Technik und
Wissenschaft"39.
-35-
Die phänomenale Welt ist nicht die Welt, sie ist das zweite
konstitutive Element des Erkenntnisprozesses . Die Welt ist
das erste Element und das dritte Element sind die durch
Konvention oder Gewohnheit festgelegten sprachlichen Zeichen.
Die phänomenale Welt ist für Aristoteles das Abbild oder die
Widerspiegelung der realen Welt. Sie ist das Produkt einer
Affektion der Seele und als solche soll die phänomenale Welt
bei allen Menschen identisch sein.
Die phänomenale Welt ist also etwas Objektives.
Diese Objektivität ist aber dadurch möglich, daß die Seele
nicht nur ein passives, sondern auch ein aktives Vermögen
ist; die phänomenale Welt wird von wesentlichen, notwendigen
und allgemeinen Formen strukturiert.
Für Aristoteles waren die platonischen Ideen nicht
zureichend bestimmt worden, um sie als Prinzipien der
phänomenalen Welt gelten zu lassen. Die Bestimmungen, die
hinzukommen mußten, sind für ihn zuerst einmal die der
Materie.
Die erste Materie ist die Substanz, die allen
Phänomenen zugrunde liegt. Sie ist formende Kraft und sie
enthält in sich alle Formen als mögliche Formen. Anders als
bei Plato, für den die Ideen nur als Möglichkeit (Dynamis)
bestimmt wurden, tritt nun die Bestimmung der Wirklichkeit
(Energeia) auf. Gerade dieses Übergehen von der Möglichkeit
zur Wirklichkeit ist für Aristoteles die substantielle
Bewegung aller Entstehung.
Was Aristoleles im Auge hat, ist nicht ein Realprinzip,
sondern ein Denkprinzip. Er hat zwar die phänomenale Welt
von der realen Welt unterschieden, aber er macht ihre
Objektivität nicht abhängig von der Welt, sondern vom
Intellekt. So anthropologisiert er den gesamten Kosmos. Er
schreibt der ersten Substanz eine Intention zu, und so
gewinnt er den von ihm erfundenen Begriff der Entelechie.
Die Entelechie ist für Hegel ein maßgebender Begriff, wie
auch der aristotelische Gott; ein Gott, der sich selbst denkt
und deswegen "Denken seiner selbst" ist. Ist bei Aristoteles
die sich selbst denkende Substanz auf das höchste Wesen
beschränkt, so gewinnt nun Hegel diese Bestimmung für seine
objektive Logik. Sie soll die Logik Gottes darstellen
29. und sie befaßt sich mit der geistigen Tätigkeit selbst, mit
dem sich selbst bestätigenden Subjekt, das das allgemein
"geistige Band" hervorbringt (8 @ 20).
-36-
Aristoteles unterscheidet in seiner Logik zehn
allgemeine Kategorien des Denkens: Substanz, Quantität,
Qualität, Relation, Ort, Zeit, Lage, Haben, Tun und Leiden.
Was die für Aristoteles wesentliche und vorausgesetzte
Kategorie der Substanz betrifft, untescheidet er zwischen
der ersten Substanz des höchsten Wesen und den Substanzen
der Lebewesen.
Die erste Substanz und deren logisch abgeleitete Formen,
die durch die Akzidenzien der andere Kategorien ontisch
bestimmt werden, machen den eigentlichen Gegenstand der Logik
Hegels - das absolute Subjekt- aus; bei Hegel ist das
absolute Subjekt aber nicht logisch vorausgesetzt, sondern
ontisch gesetzt.
Mit den Substanzen und deren logische Kategoremen (Gattung,
Art, Differenz, Propium und Akzidenz) beschäftigt sich
Hegel teilweise in seiner Naturphilosophie, insofern die
Substanzen dem Individuellen und den Organismen inhärent sind.
Aritoteles versucht, auch in der Logik eine vermmittelnde
Position zwischen der empirischen Naturphilosophie
und der spekulativen Metaphysik einzunehmen.
Als Empiriker gilt er, insofern er die phänomenale Welt als
ein Abbild der real existierenden Welt zur Geltung brachte.
Als Logiker sind für ihn die Kategorien und Kategoreme
formende und strukturierende Prinzipien der phänomenalen
Welt. Als Metaphysiker aber gibt er der logischen Sprache
eine ontisches Attribut, denn die Kategorien und
Kategoreme, also die Aussagen "reproduzieren die Formen des
Seienden und sind zugleich Seinsformen"40. So erscheint
bei Aritoteles, wie auch bei Hegel die Identität der
Bedeutung vom Subjekt und Prädikat aller spekulativen
Sätze: Gott ist die Substanz und die Substanz ist Gott.
6. Die Verselbstständigung der Abstraktion
Konstant im metaphysischen Denken überhaupt bleibt die
Tendenz zur Vermischung von Kategorien der Naturphilosophie
und später der Naturwissenschaft mit Begriffen und Gesetzen
des menschlichen Denkens.
-37-
Die Gedankenbestimmungen der alten Metaphysik galten "ohne
weiteres als ein Vorausseiendes, als ein Apriori", die
Reflexion prüfte sie nicht weiter.
"Die kritische Philosophie machte es sich dagegen zur
Aufgabe, zu untersuchen, inwieweit überhaupt die Formen des
Denkens fähig seien, zur Erkenntnis der Wahrheit zu
30. verhelfen" (8 S. @ 41 Z.).
Kant sah die erkenntnistheoretischen Annahmen der
Naturwissenschaft im Newtonschen Sinne durch den englichen
Empirismus und Skeptizismus gefährdet. Um die Bedingungen
für mögliches Erkennen und somit das Interesse der Vernunft
philosophisch abzusichern, verlagerte er die Kategorie der
Kausalität, eine zentrale Kategorie der Naturwissenschaft,
aus den Naturphänomenen heraus in den erkennenden Menschen
hinein41.
Damit übertrug Kant, ohne genügend zu hinterfragen die
Annahmen der traditionellen Methapysik einer ersten Ursache
in die Physik und trug so zur Bildung der idealistischen
Auffassung eines die Welt formenden und sinngebenden
Subjekts bei.
"Kants Behauptung also ist, daß die Denkbestimmungen
ihre Quelle im Ich haben und daß demnach Ich die
Bestimmungen der Allgemeinheit und Notwendigkeit gibt"
(8 @ 42 Z.1). Der menschliche Geist produziert also ganz
im aristotelischen Sinne die allgemeinen Gesetze der
phänomenalen Welt.
Hegel aber will sich vom `subjetiven' Idealismus Kants
distanzieren, der behauptet, daß das erkennende Subjekt
"sowohl die Form als auch den Stoff des Erkennens liefert"
(8. S. 119), Dies tut Hegel, indem er seinerseits behauptet,
daß nur der Inhalt eigenen Erkennens bestimmen kann, ob
einem Gedanken Objetivität zukommt oder nicht.
Hegel ignorierte damit die aristotelische Anerkennung einer
real existierenden Welt, einen der beiden Ausgangspunkte für
die Bildung der phänomenalen Welt. So wird der objektive
Inhalt der phänomenalen Welt absolut von dem Begriff und
Gesetz des Gedankens abhängig. Das Subjekt wird so zur
Quelle der Objektivität im Sinne Hegels zum Gott erhoben.
Das Objekt-Subjekt-Verhältnis ist so, daß die Dingen der Welt
"nicht nur für uns, sondern auch an sich bloße Erscheinungen
sind und daß dieses die eigene Bestimmung der hiermit endlichen
Dinge ist, den Grund ihres Seins nicht in sich selbst, sondern
in der allegemeinen göttlichen Ideen zu haben" (8 S. 123).
-38-
Für die traditionelle Philosophie aber war die Dialektik ein
formales Verfahren, Schlüsse zu ziehen. Durch Rückgriffe
auf Annahmen, die einmal zugestanden worden waren,
ordenete man damit Sätze entweder als wahr oder als falsch ein.
Diese Annahmen lassen sich nicht hinterfragen, sie sind durch
Gewohnheit oder Disposition vereinbarte Ergebnisse von
Unterredungen und Untersuchungen und durch die philosophische
Tradition weitergegeben. Im Falle eines Widerspruchs muß eine
Entscheidung nach den oben genannten Kriterien, getroffen
werden.
Kant erkannte, daß eine Einteilung in wahre und falsche
Aussagen nicht zureichend war, denn ein Satz kann sowohl
wahr als auch falsch sein, der Verstand gerät immer in
Antinomien, die nicht aufzulösen sind. Er folgerte daraus die
Unerkennbarkeit des "Dinges an sich".
Durch die Leistung Kants war die begriffliche Entwicklung
31. eines mit sich selbst identischen Bewußtseins möglich, die die
Mannigfaltigkeit der Welt zu einer synthetischen Einheit bringt.
Die Welt ist somit an das menschliche Erkenntnisvermögen
gebunden, an ihre Grundbegriffe oder Kategorien, die jeder
Erfahrung zugrundeliegen. Die Dinge werden nicht erkannt wie
sie sind, sondern wie sie uns erscheinen.
Nach Hegel wird aber die Vernunft nicht von den Phänomenen
bestimmt, sondern sie bestimmt sich selbst. Ihre Kategorien
sind nicht wie bei Kant nur "abstrakte Allgemeinheit",
Produkte des reflektierenden Verstandes, sondern
"unmittelbares Wissen" des Geistes, der bei Hegel deswegen
Gott heißt, "insofern er als sich in sich selbst mit sich
vermittelnd gewußt wird." (8 S. @74).
Die abstrakten Formen der Reflexion werden als konkrete
aufgefaßt. Indem Hegel die Erscheinung zu einer Form des
abstrakten Anschauens erhebt, nennt er abstraktes Denken oder
Formen des reflektierenden Verstands abstraktes Anschauen
oder Form des unmittelbaren Wissens (vgl. 8 @ 74).
Seine Logik des Seins ist also keine Logik des unmmittelbaren
Wissens, sondern reflektierendes mittelbares Wissen, Produkt
der Anwendung der Kategorien der Logik des Wesens -oder der
Logik der Reflexion.
-39-
C. Die Phänomenologie der objetiven Logik Hegels
1. Zeichentheoretisches Instrumentarium
Alle Theorie kann man als "begriffliche Praxis"42
verstehen. In diesem Sinn muß hier zuerst die Definition
bestimmter Begriffe der Semiotik gegeben werden, um sie
anwenden zu können.
1.1. Das Phaneron
Das Phaneron ist die "Gesamtheit alles dessen, was sich in
unserem Geist befindet"43, Alles was vorgestellt,
gefühlt, gedacht, gewünscht wird..."44. "Das Phaneron
schließt alles ein, was dem Geist gegenwärtig ist"44.
"... Zwänge oder Anstrengungen, Gewohnheiten"45. "En Teil
dieser Inhalte des Phaneron wird dem Menschen von der Natur
aufgezwungen, ein anderer Teil kommt aus dem Geist, der
irrtümlicherweise als menschlicher Geist genannt wird"46.
1.2. Die Zenopythagoreischen Kategorien
32. Eine "Klassifikation der Elemente des Phaneron und also
der Funktionen des Geistes"47erlaubt uns die
"allgemeine Struktur der unzerlegbaren Elemente des
Denkens" 48. "Diese Strukturmodi weisen eine Neigung
auf und scheinen Modi des Wirkens des Universums zu
sein"49. Diese Elemente, die im Geist gegenwärtig sind,
heißen Kategorien50.
"Die Phänomenologie betrachtet das Phänomen im allgemeinen
oder alles, was immer auf irgendeine Weise im Geist
vorkommt; ohne Rücksicht, ob es sich um Tatsachen oder
Fiktionen handelt, entdeckt und beschreibt sie die Elemente,
die unveränderlich in ihm gegenwärtig sind, das heißt, die
Kategorien"50.
-40-
Es gibt "drei universale Kategorien. Da alle drei stets
gegenwärtig sind, ist es unmöglich, eine reine Idee von
irgendeiner von ihnen zu haben, die absolut von den anderen
unterschieden ist. Sie können als Erstheit, Zweitheit, und
Drittheit bezeichnet werden"51. "Für die Idee einer
echten Drittheit ist jedoch eine unabhängige und stabile
Zweitheit erforderlich und keine Zweitheit, die eine bloße
Ableitung aus einer unbegründeten und unbegreifbaren
Drittheit ist; und ähnliches ließe sich in Bezug auf die
Erstheit sagen"52.
Die Erstheit
"Erstheit ist das, was so ist, wie es eindeutig und ohne
Beziehung auf irgend etwas anderes ist"53. Sie ist "was
immer es ist, in sich selbst, ohne Rücksicht auf etwas
anderes, ob es nun außerhalb vom (ihr) ist oder ob es Teile
von (ihr) selbst sind. (Sie) ist eine Gefühlsqualität"54
Zweitheit
"Zweitheit ist das, was so ist, wie es ist, weil eine zweite
Entität so ist, wie sie ist, ohne Beziehung auf etwas
Drittes"53. Was eine Zweitheit ist, "hängt teilweise
von einem anderen ab, doch ist es ohne Rücksicht auf
irgendein Drittes und unabhängig von der Vernunft"54.
Drittheit
"Drittheit ist das, dessen Sein darin besteht, daß es eine
Zweitheit hervorbringt"53. Was eine Drittheit ist,
"hängt von den beiden anderen Dingen ab, zwischen denen es
vermittelt"54.
1.3. Eine Zeichenklassifikation
33. "Ein Zeichen ist etwas, das für einen Geist für ein anderes
Ding steht. Um als ein solches existieren zu können, sind
drei Dinge erforderlich. Erstens muß es Eigenschaften
besitzen, die es uns erlauben, es von anderen Objekten zu
-41-
unterscheiden. Zweitens muß es von dem Objekt, das es
bezeichnet, irgendwie beeinflußt werden" (...) "Die dritte
Bedingung der Existenz eines Zeichen besteht darin, daß es
sich an den Geist richtet. Es muß, anders ausgedrückt, nicht
nur in dieser Relation stehen, sondern der Geist muß
erkennen, daß es in dieser Relation steht"55.
Diese drei Momente eines Zeichens richten sich nach der
Definition der drei zenopythagoreischen Kategorien. So ist
ein Zeichen bezüglich seiner Erstheit ein Etwas, "das einerseits
verursacht oder sonstwie determiniert ist durch etwas Anderes,
das nicht gänzlich und durch und durch unwirklich ist, wobei
dieses Etwas das Objekt des Zeichens ist" (...) "Nun behaupte
ich, daß sich das Objekt eines Zeichens bis zu einem gewissen
Grade jeglicher Tendenz widersetzen muß, so zu sein, wie der
Denker es denkt"56.
Bezüglich seiner Zweitheit - hier erfüllt sich die zweite
Bedingung für die Existenz der Zeichen selbst Es muß es
dem Objekt, das es bezeichnet, irgendwie beeinflußt werden.
Bezüglich seiner Drittheit erfüllt sich die dritte Bedingung
für die Existenz eines Zeichens. Diese Bedingung für die
Existenz eines Zeichens besteht darin, daß es sich an den
Geist richtet. Es muß, anders ausgedrückt, nicht nur in dieser
Relation stehen, sondern der Geist muß erkennen, daß es in
dieser Relation steht.
Nach Peirce müssen die Zeichen "zunächst nach der ihnen
eigenen Seinsweise unterschieden werden, insofern diese die
Art ihrer Bedeutungshaftigkeit beeinflußt. Dann hinsichtlich
der Natur ihres Objekts und ihrer Relation zu ihrem Objekt,
insoweit als dies die Weise ihrer Bedeutungshaftigkeit verändert.
Und schließlich hinsichtlich ihres Interpretanten57.
Peirce'Zeichentheorie leitet sich aus seinen
phänomenologischen Kategorien ab. So ergeben sich aus den
drei Kategorien die erste Stufen eines Zeichens: Interpretant,
Objekt und Zeichen. Aus jedem dieser Momente leitet Peirce die
entprechenden Stufen der möglichen Objekte eines Zeichens ab.
So hat das Zeichen ein unmittelbares Objekt; das Objekt kann
ein dynamisches oder ein unmmittelbares Objekt sein und
schließlich kann der Interpretant ein rationales, eine
dynamisches oder ein unmittelbares Objekt haben. Aus dieser
Stufen leiten sich die möglichen Intepretanten ab. In dieser
Weise ermittelt Peirce 10 Klassen von Zeichen. Peirce stellt
eine vorläufige Liste der Zeichentypen auf58, die nur kurz
skizziert werden kann.
-42-
1.3.1. Nach dem Objekt
1. Klasse
34. Ein Zeichen hat ein unmittelbares Objekt gemäß der Materie
des Zeichens. So haben wir Qualizeichen oder Tone, wenn
es ein mögliches Indefinitum ist; das Zeichen ist dann
Presentement oder Abstraktion.
Das Zeichen ist Sinzeichen oder Troken, wenn es ein aktuelles
Indefinintum ist; das Zeichen ist dann wirklich existierend.
Das Zeichen ist schließlich Legizeichen oder Typ, wenn es
ein allgemeines Indefinintum ist; das Zeichen ist dann in
sich selbst allgemein.
1.3.2. Nach dem Zeichen
2. Klasse
Als Erstheit oder bezüglich seines unmittelbaren Objekts ist
ein Zeichen Vagozeichen, "wenn es dieses Objekt als möglich
darstellt"; das Zeichen stellt das Objekt dann als
unbestimmt dar.
Das Zeichen ist ein Aktizeichen, "wenn es dieses Objekt als
wirklich existierend darstellt"; das Zeichen stellt dann das
Objekt als bestimmtes Einzelding, also singulär dar.
Schließlich ist es ein allgemeines Zeichen, "wenn es dieses
Objekt als Gesetz darstellt; das Zeichen stellt das Objekt
dann als distributives Allgemeines dar.
3. Klasse
Als Zweitheit oder bezüglich der Weise der Bestimmung durch
das erste dynamische Objekt oder den Modus der Darstellung
des Objekts ist ein Zeichen Ikon, wenn es sich auf das Objekt
aufgrund seiner eigenen Möglichkeiten bezieht; das Zeichen
stimmt dann mit dem Objekt aufgrund gemeinsamer Qualitäten
überein.
Das Zeichen ist Index, wenn es sich auf das Objekt
aufgrund seiner eigenen Aktualität bezieht; das Zeichen
stimmt mit dem Objekt überein, weil das Objekt tatsächlich
auf es einwirkt.
-43-
Das Zeichen ist schließlich Symbol, wenn es sich für den
Interpretant auf das Objekt aufgrund seiner eigenen
Allgemeinheit bezieht; das Zeichen stimmt mit dem Objekt
überein, weil es so interpretiert wird.
4. Klasse
Bestimmt man nach der Natur oder Materie des dynamischen
Objekts eines Zeichens, ist es abstrakt, konkret oder kollektiv
1.3.3. Nach der Interpretant
35. 5. Klasse
Bezüglich des unmmittelbaren Interpretanten, oder des
"Naiven Interpretanten also jenes Interpretanten, den das
Zeichen selbst einschließt ist ein Zeichen Phatoseme, wemm es
in einer Empfindung interpretiert werden muß; der Zeichen
macht sich dann durch Sympathie verständlich.
Ein Zeichen ist Ergoseme, wenn es durch eine Handlung
interpretiert werden muß; das Zeichen zwingt die
Aufmerksamkeit auf das Objekt selbst und macht sich dann
verständlich durch Kraft.
Ein Zeichen ist Logosema, wenn es durch Denken interpretiert
werden muß; der Interpetant ist dann rational überzeugt von
der Bedeutung.
6. Klasse
Der erste dynamische Interpretanten ist das Ergebnis , das
tatsächlich durch das Zeichen bewirkt wird. Man kann ein Zeichen
auch nach diesem Kriterium klassifizieren. So ist das Zeichen
poetisch, wenn der Interpretant eine Entfindung ist.
Das Zeichen ist stimulierend, wenn derInterpretant ein
Verhalten ist.
Das Zeichen ist beeindruckend, wenn der Interpretant das
Denken ist.
-44-
7. Klasse
Nach der Ausdruckweise des zweiten dynamischen Interpretanten
ist ein Zeichen sympathetisch, wenn die Einwirkung auf den
dynamischen Interpretanten durch Sympathie erfolgt.
Ein Zeichen ist zwingend, wenn die Einwirkung auf den
dynamischen Interpretanten durch Zwang erfolgt.
Schließlich ist ein Zeichen überzeugend, wenn die Einwirkung
auf den dynamischen Interpretanten durch Vernunft erfolgt.
8. Klasse
Nach der Materie des repräsentativen Interpretanten oder in
Beziehung auf sein unmmittelbares Objekt ist ein Zeichen
seltsam, geläufig oder neuartig.
9. Klasse
In seiner Wirkung auf den repräsentativen, rationalen
Interpretanten oder in Bezug auf sein dynamisches Objekt ist
ein Zeichen Begriff (Rhema), wenn es sein Objekt nur einmal
darstellt.
Das Zeichen ist Ausage (Dikent), wenn es sein Objekt zweimal
darstellt, einmal direkt und noch einmal als dasjenige, was
so repräsentiert wird.
Das Zeichen ist Argument, wenn es ein dreifaches Representamen
ist. Das Zeichen ist zweimal in einem Ausage und dann fügt
36. es einen intendierten Interpretanten diese Ausage hinzu.
10. Klasse
Gemäß der Natur des Zeichens, wie es in dem repräsentativen
Interpreranten seinen Interpretanten bestimmend darstellt, also
nach dem logischen Intepretant ist ein Zeichen Abduktion oder
hypothetisch, wenn das Zeichen exklamatorisch ist; die
Abduktion schließt von dem Resultat und der Regel eines
Syllogismus auf den Fall.
Ein Zeichen ist deduktiv, insofern es imperativ ist; die
Deduktion schließt von der Regel und dem Fall eines Syllogismus
auf das Resultat.
Schließlich ist ein Zeichen induktiv, wenn es belehrend ist;
die Induktion schließt von dem Fall und dem Resultat des
Syllogismus auf die Regel.
-45-
Dieses gesamte Schema der Gattungen von Zeichen beansprucht
auf keinen Fall Vollständigkeit. Dies wäre auch deswegen
nicht möglicn, weil Peirce selbst nicht zu einer
vollständigen Ausarbeitung und Darstellung einer
Zeichenklassifikation gekommen ist; sein Werk hat dies
bezüglich einen fragmentarischen Charakter.
1.4. Die Zeichen des Objekts
Wir werden durch die Relationen der vier ersten Klassen eine
Interpretation der objetiven Logik Hegels versuchen.
Die Zeichentypen, mit denen sich die Logik des Seins untersuchen
läßt gehören zur ersten Klasse: Es sind Qualizeichen, Sinzeichen
und Legizeichen.
Die Zeichentypen, mit denen sich die Logik der reinen
Reflexionsbestimmungen untersuchen lassen, gehören zur zweiten
Klasse: Es sind Vagozeichen, Aktizeichen und distributives
Allgemeines.
Die Zeichentypen, mit denen sich die Logik der Existenz
untersuchen lassen, gehören zur dritten Klasse: Es sind Ikon,
Index und Symbol.
Die Zeichentypen, mit denen sich die Logik des Dinges
untersuchen lassen, gehören zur vierten Klasse: Konkret, kollektiv,
abstrakt.
2. Die Logik und die Semiotik im Vergleich.
Arbeiten wir nun die Gleichheiten und Ungleichheiten
zwischen den drei Kategorien Peirces und die drei Momente
des Geistes bei Hegel heraus.
Bevor wir den Vergleich durchführen, müssen wir aber die
grundsätzlichen Übereinsimmungen und Unterschiede der
wesentlichen Gedanken der beiden Philosophen feststellen.
37. Erst nachdem wir den anknüpfende Vergleich durchgeführt
haben, könnten wir den Versuch unternehmen, die Zeichentypen
nach Peirce auf die Logik Hegels anzuwenden.
-46-
2.1. Im Allgemeinen
Grundsätzliche Übereinstimmungen
"Das Logische wird zur Natur und die Natur zum Geiste"(10 @
575). Diese Bewegung des Geistes läßt sich in ihren drei Phasen
charakterisieren als unterschiedliche Momente ein- und
desselben Subjekts:
1. Das Subjekt ist an sich selbst, ummittelbar, reine
Möglichkeit.
2. Das Subjekt ist für sich, ist mittelbar geworden und
dadurch hat sich das Subjekt vom sich selbst entfremdet. Das
Subjekt tritt aus sich selbst in die Existenz heraus.
3. Das Subjekt ist an und für sich, es ist wieder bei sich
selbst in dem Begriff.
Die drei Kategorien von Peirce ergeben sich ebenfalls aus
der folgenden ähnlichen Bewegung:
1. Die Erstheit ist Qualität, Möglichkeit, Unmmittelbarkeit,
Energeia.
2. Die Zweitheit ist Relation, Existenz, Dynamis 3. Die
Drittheit ist Repräsentation, Begriff, Gesetz, Eidea.
Bei beiden Denkern bestehen alle Elemente der Erfahrung,
alle Phänomene aus einer trichotomischen Struktur; die
Entstehung dieser Struktur durchläuft drei Stadien, die bei
Hegel und bei Peirce ähnlich sind, denn beide Denker
beziehen sich auf die Hauptbegriffe der Entelechie von
Aristoteles: Energeia, Dynamis und Eidea.
Grundsätzliche Unterscheidung
Alle Kategorien von Peirce sind für sich existent und
zugleich in Beziehung zu den anderen, sie bilden eine
Dreiheit: "Eine Qualität oder Erstheit hat eine bloß
logische Möglichkeit- das heiß ein Sein, wie es eine Idee in
sich selbst enthalten kann. Doch ist sie eine positiv
bestimmte Möglichkeit. Eine Tatsache oder Zweitheit hat
Tatsächlichkeit (actuality). Ein Zeichen oder eine Drittheit,
insofern sie Tatsachen herbeiführt, besitzt Kraft oder
Notwendigkeit, aber eine Art von Notwendigkeit, die weder
eine bloße Abwesenheit von Möglichkeit ist, noch ein blinder
Zwang, sondern eine intellektuelle Notwendigkeit"59.
-47-
Dagegen vertritt Hegel im Grunde eine monistische Auffassung;
seine drei Momente des Geistes lassen sich auf ein Moment
zurückführen. "Die Idee als Einheit der subjektiven und
der objektiven Idee ist der Begriff der Idee... " (8 @236).
38. Diese absolute Idee der Philosphie baut auf die objektive
Idee der Natur und sie wiederum auf die subjektive Idee der
Logik, aus der sie entstanden ist. "Die Wissenschaft ist auf
diese Weise in ihren Anfang zurückgegangen und das Logische
so ihr Resultat..."(10 @ 574).
Die Realität hat für sich nach Hegel keine selbständige
Existenz. Nach Peirce sind die drei Kategorien die
"allgemeine Struktur der unzerlegbaren Elemente des Denkens",
aber nicht der Realität. Während nach Hegel die Natur eine
Erscheinung des Geistes ist, erscheint nach Peirce die Natur
im Geist. Die drei Kategorien Peirces sind phänomenologische
Kategorien, die drei Momente des Geistes nach Hegel gehören
zur Metaphysik. Während Hegel von der aristotelischen Annahme
ausgeht, daß die erste Wissenschaft überhaupt die Metaphysik
ist, behauptet Peirce, daß die Methaphysik auf den
normativen Wissenschaften Ethik, Ästhetik und Logik
beruht, und diese auf der Phänomenologie und der
Mathematik60
"Was Peirces Konzept der Evolution des Geistes als
Bestimmung der Wirklichkeit von Hegels Begriff der
Selbstbestimmung des Geistes in der Geschichte
unterscheidet, ist nicht allein die ontologische Funktion
der Zeichen in diesem Prozeß. Für Peirce ist die Geschichte
ein approximativer Prozeß, der zwischen zwei Grenzwerten
liegt: der reinen, unbestimmten Möglichkeit eines
Anfangszustands und der absoluten Bestimmtheit eines
Endzustandes in den letzten Meinung über die Realität.
"61. Hegel dagegen meint, mit der absoluten Idee
diese zwei Grenzwerte in eine Einheit gebracht zu haben, die
Einheit von Natur und endlichem Geist in der absoluten Idee
der Philosophie: in Gott.
Äußere Übereinstimmung
Der Vergleich zwischen den drei Momenten des Geisten nach
Hegel und den drei Kategorien von Peirce zeigt eine
Gleichheit; sie beruht auf der äußeren Übereinstimmung
zwischen den beiden Systemen. So unterteilen sich die
Erstheit, die Zweitheit und die Drittheit jede für sich in
-48-
drei weitere Kategorien derart, daß wir eine Erstheit der
Erstheit, eine Zweitheit der Erstheit, eine Drittheit der
Erstheit, eine Erstheit der Zweitheit, eine Zweitheit der
Zweitheit...., usw. usf. finden könnten.
"Die Methode hat eine allgemeine Ähnlichkeit mit der
Hegelschen. Es wäre historisch falsch, sie eine Umformung
der Hegelschen zu nennen. Sie ist aus einem Studium der
Kantschen Kategorien und nicht aus den Hegelschen
entstanden"62 Einen Beweis für die Richtigkeit der
trichotomischen Gliederung haben weder Hegel noch Peirce
ausreichend erbracht; beide haben den Beweis für die
Richtigkeit der entsprechenden triadischen Strukturen bei
der Anwendung derselben in ihren eigenen philosphischen
Forschungen zu erbringen versucht: Peirce, indem er seine
Zeichentheorie aus den drei Kategorien logisch ableitete und
Hegel, indem er die drei Momente des Geistes methodisch für
39. den Aufbau seines Systems der philosophischen Wissenschaften
anwendete.
2.2. Im Einzelnen
Die Ungleichheiten der Systeme behandeln wir nun im
Einzelnen: Anders als bei der Erstheit bedarf das Moment des
Geistes, in dem er an sich ist, eines anderen Momentes als
seiner selbst. Das An-sich muß Rücksicht darauf nehmen,
was außerhalb oder innerhalb seiner selbst ist, die Ersztheit
aber nicht. Das An-sich aber bedarf dieses konstitutiven
Moments von sich selbst in der Form des Andersseins. So kann
Gott nicht Gott sein, ohne eine Beziehung zur Welt zu haben.
So ist die Seinslogik ohne Beziehung auf die Wesenslogik
unmöglich, das Sein ohne Beziehung auf das Nichts, die
Identität ohne Beziehung auf den Unterschied oder die
Allgemeinheit ohne Beziehung auf die Besonderheit unmöglich.
Bei Peirce ist die Erstheit eine Gefühlsqualität, bei
Hegel ist das An-sich-Sein des Geistes eine allgemeine
Abstraktion, die das Besondere konkret in sich potentiell
enthält.
Das An-sich-Sein geht über in das Für-sich-Sein und
dadurch bestimmt das An-sich-Sein sein Für-sich-Sein.
Gleichfalls wird bei Peirce die Zweitheit vom der Erstheit
bestimmt, aber die Zweitheit ist nicht die Zweitheit der
-49-
Erstheit, sondern eine Zweitheit an sich, eine Tatsache. So
sind bei Hegel Welt, Wesenlogik, Nichts, Unterschied,
Besonderheit nicht an sich, sondern sie sind von den
jeweiligen vorausgesetzten Begriffen abhängig, also von Gott,
von der Seinslogik, vom Sein, von der Identität und von der
Allgemeinheit.
Die Existenz der Zweitheit hängt nicht von einer Drittheit
ab, aber die Existenz des Für-sich-Sein hängt von dem
An-sich und Für-sich-Sein des Geistes ab. Denn diese dritte
Phase des Geistes ist im Grunde genommen identisch mit dem
ersten Moment des Geistes, der nun aber reicher bestimmt
worden ist.
Die Welt hängt von der absoluten Idee ab, weil sie aus der
anschauenden Idee der Logik entstanden ist. Die Existenz der
Logik des Wesen hängt von der Logik des Begriffs ab, weil
ohne Begriffe, Urteile und Schlüsse eine Logik nicht möglich
ist. Die Existenz des Nichts hängt vom Werden ab, weil
gerade das Werden des Seins zu Nichtsein das Nichts
hervorbringt. Die Existenz des Unterschieds hängt von dem
Grund ab, weil der Grund die Identität und den Unterschied
überhaupt zu einer Einheit bringt, d. h,, als solche möglich
macht. Und die Existenz der Besonderheit hängt von der
Einzelheit ab, weil die Allgemeinheit die innere Natur der
Einzelheit ausmacht.
In dem An-sich und Für-sich-Sein wird das Stadium des
ursprünglichen Zustands wieder erreicht, aber nun als
40. eine reichere Bestimmung dieses Stadiums. Dieser nun
entwickelte Zustand bringt nicht etwas anderes hervor, wie
die Drittheit, die eine Zweitheit hervorbringt. Sie ist
vielmehr das Resultat der Entwicklung des An-sich-Seins oder
eines eigenen Anfangs, der sich selbst hervorgebracht hat.
So wie bei der Drittheit Peirces, die zwischen den zwei
anderen Kategorien vermittelt, vermittelt die Philosophie
Gott mit der Welt, die Logik des Begriffs vermittelt
die Logik des Seins mit der Logik des Wesens; das Werden
vermittelt das Sein mit dem Nichts; der Grund vermittelt die
Identität mit dem Unterschied und die Einzelheit vermittelt
die Besonderheit mit der Allgemeinheit.
Das An-sich und Für-sich-Sein ist ein Resultat und bringt
keine Zweitheit hervor, so wird die Welt nicht von der
absoluten Idee der Philosophie hervorgebracht, sondern
entsteht aus der Logik Gottes. Die Logik des Wesens wird
-50-
nicht von der Logik des Begiffs hervorgebracht, sie
entsteht aus der Logik des Seins; das Nichts wird nicht vom
dem Werden hervorgebracht, es entsteht aus dem Sein. Der
Unterschied wird nicht vom Grund hervorbracht, sondern
entsteht aus der Identität. Die Besonderheit wird nicht von
der Allgemeinheit hervorgebracht, sie entsteht aus der
Einzelheit.
Absolute Idee, Logik des Begriffs, Werden, Grund,
Allgemeinheit haben gemeinsam, daß sie nicht nur Ende eines
Entwicklungsprozesses sind, sondern zugleich Anfang einer
weiteren Entwicklung. So bringt die absolute Idee die Logik
hervor, die Logik des Begriffs bringt die Natur hervor. Das
Werden bringt das Dasein hervor. Der Grund bringt die Existenz
hervor und die Allgemeinheit bringt das Urteil hervor.
Eine solche Charakteristik hat die Drittheit nicht, sie bringt
eine Zweitheit hervor, aber nicht eine Erstheit.
Diese Ungleichheit bei den Bestimmungen der Drittheit und
des An- und Für-sich-Sein ist aber wesentlich, weil sich
Hegel dort als ein Monist zu erkennen gibt. Das An- und
Für-sich-Sein ist nichts Anderes als das An-sich-Sein der
nächsten Stufe der Entwicklung.
Anders formuliert geht es bei Hegel nicht um objektive
oder subjektive Prozesse, sondern lediglich um
subjektive Prozesse, denn das Objekt entlarvt sich als ein
Moment des Subjekts, Gott als ein Moment der Philosphie, die
Naturphilosphie als ein Moment der Logik, das Dasein als ein
Moment des Werdens, die Existenz als ein Moment des Grundes,
das Urteil als ein Moment der Einzelheit.
Die Realität spielt dabei keine Rolle, alles erfolgt
innerhalb des Geistes, es gibt kein Außerhalb; das Sein ist
bei Hegel ein Scheinen in sich selbst und die Erscheinungen
oder Phänomene sind Produkte des Geistes. Sie sind die
Beziehung des Geistes mit sich selbst, aber nicht mit der Welt.
Die Welt ist in dieser Phase des Begriffs nicht vorhanden.
In diesem Sinn ist es völlig verfehlt, die Philosphie
Hegels als objektiven Idealismus zu bezeichnen, viel mehr
verdient die Philosphie Peirces diese Bezeichnung, weil für
ihn die Phänomene, die im Geist sind (das Phanerom), aus
41. Zeichen bestehen, die für die Welt stehen (Phanera).61
Diese Überlegungen bilden die Grundlage für eine weitere
kritische Interpretation der Logik Hegels und sind vor allem
der theoretische Grund, aus dem die Kritik semiotisch
begründet wird.
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3. Kritische Kommentare
3.1. Der Monolog des Geistes
Nach Hegel ist der Logos "Wesen der Dinge und Rede" und die
Sprache "setzende Kraft"63. So ist das Wesen der Welt
nach Hegel der Logos: Da er die Logik gemäß seiner
Auffassung von Sprache als die Welt setzende Kraft versteht,
ist diese Kraft nicht menschlich sondern göttlich. Gerade
hier erfolgt eine Umkehrung des Verhältnisses von ontisch
objektiver Welt und logisch subjektiver Welt, von Phaneron
und Phanera.
Die Unterscheidung zwischen Objekt des Zeichens, Zeichen an
sich und Interpretant des Zeichens entfällt bei Hegel. Der
Bezug auf ein Objekt ist nach Hegel ein Selbstbezug, Bezug
des göttlichen Geistes auf sich selbst.
Das Objekt eines Zeichens und dessen Interpretant sind bei
ihm dasselbe. Das Objekt wird zum Subjekt. Dieses Werden ist
eine geistige Tätigkeit, die Begriffe ontisch produziert,
indem sie ihre Bedeutung logisch definiert.
Die Bedeutungen der Begriffe sind Erscheinungsweisen
dieser geistigen Tätigkeit, zugleich aber Kräfte, aus
welchen die Welt gesetzt wird.
Nach der Logik Hegels gibt es nur ein absolutes Subjekt:
Gott. Das Objekt ist nur eine Erscheinug Gottes selbst. So
wie das Nichts das Andere des Seins ist, hat nach Hegel
die objektive und real existierende Welt keinen Grundbestand
in sich selbst, sondern in Gott. Gott soll aus seinem eigenen
Grund -oder Ungrund bei Jakob Böhme- die Welt begründet
haben.
Gedanken können sich verselbstständigen in der Art, daß
Begriffe des Denkens eine eigene und selbstständige
Existenz beanspruchen; dies ist der Fall bei der
"absolute(n) Idee" von Hegel, die als Einheit von Objekt und
Subjekt gedacht wird. Die Einheit der Gegensätze ist das
Grundstreben seiner Dialektik. Dieser Dialog des Geistes mit
sich selbst ist aber im Grunde genommen ein Monolog .
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3.2. Die Verselbstständigung der Gedanken