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Autorin:	 	 Christina Zvecevac,
		 Badenerstrasse 123, 8004 Zürich
		 chriszv@gmx.net
		
Abgabedatum: 	 28.09.2012
Gutachter:	 Dr. Philipp Klaus, INURA Zürich Institut GmbH,
		 Dozent ETH und Universität Zürich
		 Dr. Andrea F. G. Raschèr, Raschèr Consulting,
		 Dozent ZHAW
Die Förderung der
Kultur- und Kreativ-
wirtschaft in Bezug
auf Räume.
ZHAW, Zürcher Hochschule für angewandteWissenschaften
MasterThesis MAS Arts Management
Eine Situationsanalyse zu den Fördermassnahmen der Stadt Zürich wird
einer Bedürfnisabklärung bei Kreativen gegenübergestellt.
«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Die Förderung der
Kultur- und Kreativ-
wirtschaft in Bezug
auf Räume.
ZHAW, Zürcher Hochschule für angewandteWissenschaften
MasterThesis MAS Arts Management
Eine Situationsanalyse zu den Fördermassnahmen der Stadt Zürich wird
einer Bedürfnisabklärung bei Kreativen gegenübergestellt.
Diese Arbeit wurde im September 2012 in 3 Exemplaren einge-
reicht, zur Erlangung des vom der ZHAW ausgestellten Fach-
hochschuldiploms ‹Master of Advanced Studies ZFH in Arts
Management›.
Für den folgenden Text wurde hinsichtlich einer besseren Les-
barkeit durchgängig die männliche Schreibweise – stellvertre-
tend auch für die weibliche Form – gewählt.
Die formalen Kriterien (Vorgaben ZHAW) wurden berücksich-
tigt; die Ausgestaltung (Font & Design) wurden nach Rückspra-
che mit der Studienleitung frei gewählt.
Impressum
Matrikel-Nummer: S11-464-062
Inhalt, Layout und Fotografie: Christina Zvecevac
Produktion: Druckfabrik Züri, 8004 Zürich
Auflage (09.2012): 10 Expl.
Veröffentlichungen – auch auszugsweise – bedürfen der aus-
drücklichen Genehmigung.
S. 5«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
I.Vorwort zurThemenwahl
Seit vielen Jahren wohne ich im Zürcher Kreis 4, in
jenem Stadtteil, der einem starken Wandel unter-
worfen war und es nach wie vor ist. Meine Nach-
barnwarenfrüherHausbesetzerim‹Egocity›,heute
steht dort ein schlecht besuchtesSushi-Restaurant.
In der ‹Bäcki› – einst Treffpunkt für Randständige –
verbringen Latte-Macchiato-trinkende Frauen mit
ihren Kindern in schicken McLaren-Kinderwagen
ihre Zeit. Was ich eben etwas polemisch beschrie-
ben habe, sind mehrfach erforschte Stadtentwick-
lungsprozesse, wie sie weltweit an vielen Orten an-
zutreffen sind.
Veränderungen im öffentlichen Raum interessier-
ten mich immer schon. Ich beobachte sie ja sozusa-
gen aus nächster Nähe. Hinzu kommt, dass mir das
Thema ‹Raum› auch auf beruflicher Ebene immer
wieder begegnet. Ich arbeite in der sogenannten
Kreativwirtschaft, genauer, in Kommunikations-
und Designagenturen. Beruflich bin ich auf viele
einzelne kreative Kräfte angewiesen, die sich pro-
jektweise formen und danach wieder andere Wege
gehen. Doch wo in Zürich finden sie Ateliers und
Arbeitsräume, wenn auch nahe Ausweichorte wie
Zürich Altstetten kaum mehr attraktiv und für sie
bezahlbar sind? Nicht nur der Bereich ‹Werbung›,
auch andere Branchen leben von den gleichen
Netzwerken,Trends und Innovationen, die in kre-
ativen Milieus bestimmter Stadtteilen entstehen;
dort wo Freiräume gelebt und Utopien ausprobiert
werden, an Orten, wo Experimente möglich sind.
Kleine bunte Oasen, wie sie von der Besetzer-Sze-
ne und vielen einzelnen kreativen Kräften geschaf-
fen werden, gehören ebenso dazu, wie andere
subkulturelle Formen, die sich in urbanen Gebieten
ihre Wege bahnen. Doch die Ansiedlung kreativer
Milieus bedingt bestimmte Voraussetzungen. Au-
sserdem sind Stadtteile, deren struktureller Leer-
stand vielen Kreativen gute Chancen eröffnen, oft
starkenVeränderungen unterworfen:Auf die Meta-
morphose eines rauen Stadtteils zu einem bunten,
lebendigen Viertel folgen oft Aufwertungsprozes-
se, die das Erscheinungsbild inklusive Bewohner
innert weniger Jahre stark verändern.
Und die Veränderungen gehen noch weiter und
führen zu Frage der Kommerzialisierung von öf-
fentlichem Raum und zu Beispielen, wo öffentlicher
Raum als Marketinginstrument eingesetzt wird. Es
liegt nahe, dass öffentlicher, urbaner Raum für ein
Spiel mit Assoziationen genutzt wird. Und dass öf-
fentliche Plätze oder Tramstationen nach ansässi-
gen Firmen benannt werden (Beispiel: Haltestelle
Siemens in Zürich Albisrieden, Tram-Linie 3) sind
wir uns genauso gewohnt, wie Unternehmen, die
sich in ‹hippen› Quartieren niederlassen um an der
S. 6 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Quelle von Trends zu sein (Beispiel: der ‹Gürtel› an
Werbe-/Kommunikationsagenturen rund um die
Langstrasse).
Interventionen jedoch, wie sie von von Borries
(2004) in seinem Werk «Wer hat Angst vor Nike-
town? Nike-Urbanismus, Branding und die Mar-
kenstadt von morgen» beschrieben werden, gehen
weiter. Durch verdeckte Marketing-Mechanismen
wie bei der Bolzplatz-Kampagne in Berlin werden
brand values einer Sportmarke – wie bspw. Frei-
heit – räumlich vermittelt. Es kommt zu einem
Wechselspiel mit Strasse/Quartier, wobei das
Image des Quartiers als Ausdruck eines Lebens-
stils und gleichzeitig als Warenbotschafter dient.
Schaue ich mir weitere Beispiele aus den letzten
Jahren an, wie:
–	 der Grosskonzern Adidas, der sich einer krea-
	 tiven Avantgarde an Street-Artists bedient und
	 Stadtraum in Berlin zur Kulisse seiner Promo-
	 tion ‹Urban Art Rallye› macht inkl. gesponser-
	 tem Online-Stadtführer
	 (Weblink urbanartguide, 2009) ,
–	 der Raiffeisenplatz in St. Gallen mit der Stadt-
	 lounge, einem öffentlichen Platz im Cor-
	 porate-Design-Farbton der Bank gestaltet
	 (Weblink Raiffeisen, 2012) oder
–	 Grossanlässe im öffentlichen Raum, wie z.B.
	 Fussball-Public-Viewings, die mit entsprechen-
	 der Markenkommunikation der Sponsoren
	 (kommerzielle Partner derUEFA) zu ‹gebrande-
	 ten› Erlebnisräumen werden,
so frage ich mich, wie weit die Umdeutung von
öffentlichem Raum in Markenraum noch gehen
mag. Schliesslich stellt für mich urbaner öffentli-
cher Raum eine Art unersetzliches Gemeingut dar.
Doch zurück zu Zürichs Kreis 4: Wie er wohl ausse-
hen wird in 10 Jahren?
Der im Juli 2012 erschienene Artikel im Tages
Anzeiger «Kreative müssen an den Stadtrand»
(Metzler, 2012) reiht sich ein, in die Berichterstat-
tung diverser Medien über die Stadtentwicklung in
Zürich.
Künstlerviertel gab es auch in der Vergangenheit.
Dass aber Kreative als Speerspitze für Aufwer-
tungsprozesse bewusst eingesetzt werden, ist
ebenso eine neuere Erscheinung, wie die Nutzung
von öffentlichem Raum als Marketing-Instrument.
Welche räumlichen Möglichkeiten es für Kreati-
ve in Zürich geben wird, sollte aus dem (noch) le-
bendigen Langstrassenquartier tatsächlich eine
Mischung aus Dienstleistungswüste und Konsum-
zone werden, bleibt offen.
Ich habe bisher keine empirische Forschung betrie-
ben. Es ist mir aber ein grosses Anliegen, dass ich
nicht nur von einer Selbstwahrnehmung geleitet
werde, sondern verschiedene Stimmen zum The-
ma ‹Räume für Kreative› einfangen und diese als
konstruktive Massnahmenvorschläge weiter geben
kann. MeineUntersuchung soll einen Beitrag an ein
lebendiges Zürich leisten.
Zürich, September 2012
S. 7«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
II. Abstract
Ob Musik, Design oder Kunst – die Kreativwirtschaft ist ein Branchenmix der boomt. Ihre Wachstumsraten
sind höher als die der Gesamtwirtschaft. Sie gilt als wichtiger Standortfaktor, als Innovatorin und Treiberin
und rückt als bedeutender Bestandteil der Wirtschaft immer mehr ins Zentrum des Bewusstseins.Zürich
ist die Schwerpunktregion der Schweizer Kreativwirtschaft. Zürich ist auch eine Stadt mit hoher Lebens-
qualität und mit einem attraktiven und vielfältigen Kulturangebot, was einkommensstarke Bevölkerungs-
gruppen anzieht. Doch was passiert mit dem Basis-Segment 1
der kreativen Szene, wenn Immobilienpreise
weiter steigen und Freiflächen kaum mehr vorhanden sind?
In dieser Arbeit wird ein Überblick über die aktuellen Massnahmen der öffentlichen Hand zum Thema der
Förderung der Zürcher Kultur- und Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume festgehalten und den Bedürfnis-
sen der Kreativ-Szene gegenübergestellt.
Der theoretische Teil nimmt das Thema der Verlagerung der ökonomischen Aktivitäten hin zur wissensba-
siertenWirtschaft auf. Darauf folgt eine Situationsanalyse zur Raumpolitik der StadtZürich. Im empirischen
Teil dieser Arbeit werden die Bedürfnisse der Kreativen in Bezug auf Räume aber auch die Priorisierung der
Förderinstrumente durch die Kreativ-Szene aufgezeigt. Die aus der Umfrage gewonnenen Informationen
werden der Situationsanalyse gegenübergestellt. Als weiteres Untersuchungsfeld werden Fördermassnah-
men aus anderen Städten beigezogen und mitZürich verglichen. Der abschliessendeTeil derArbeit beinhal-
tetSchlussfolgerungen mit Lösungsansätzen in Form von zwei anskizzierten Modellen, die eine umfassende
und interdisziplinäre Unterstützung für die gesamte Kultur- und Kreativwirtschaft in Zürich bieten würden.
1 Mit Basis-Segment sind Freiberufler, Selbständige, Einzel- und Kleinstunternehmen gemeint.
S. 8 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
III. Inhaltsverzeichnis
I. 	 Vorwort	 5
II.	 Abstract	 7
III.	 Inhaltsverzeichnis	 8
1.	 Einleitung	 11
1.1	 Ausgangslage und Problemstellung	 11
1.2	 Fragestellungen	 12
1.3	 Aufbau und Methode	 12
2.	 Theoretische Herleitung zur Bedeutung der
	 Kreativen in derWirtschaft 	 14
2.1	 Geschichtliche Herleitung	 14
	 Strukturwandel: von der Industrialisierung zur
	 Dienstleistungsgesellschaft	 14
	 Wissensbasierte Ökonomie und die Creative Class	 15
	 Revitalisierung von Industriearealen und die
	 digitale Bohème von morgen	 16
2.2	 Standortmarketing	 18
	 Wenn Städte zu Marken werden	 18
	 Der Standort Zürich: Finanzstadt und
	 Creative Hotspot?	 19
2.3	 Die Kreativwirtschaft der Schweiz	 20
	 Begriffsdefinition ‹Kreativwirtschaft›	 20
	 Die Eigenheiten der Kreativwirtschaft Schweiz	 21
	 Die Kreativen	 21
	 Die Kreativwirtschaftsberichte Schweiz/Zürich	 23
	 Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Zürcher
	 Kreativwirtschaft	 23
2.4	 Gentrifizierung und die Rolle der Kreativen	 24
	 Begriffsdefinition Gentrifizierung	 24
	 Stadtflucht, Landflucht	 25
	 Von der kulturellenVielfalt zur
	 Kommerzialisierung	 25
	 Die (versuchte) Steuerung der Prozesse	 26
	 Wohnungsmarkt – Beispiel ‹Weststrasse›	 27
	 Beispiel Hamburg	 28
	 Zürich	 29
2.5	 Fazit zum Kapitel 2, der theoretischen Herleitung
	 zur Bedeutung der Kreativen in derWirtschaft	 30
3.	 Massnahmen und Bedürfnisse: eine Unter-
	 suchung und Gegenüberstellung	 31
3.1	 Situationsanalyse Zürich 	 31
3.1.1	 Förderstrategien und -ziele der Stadt Zürich	 31
	 Politischer Hintergrund: Überschneidung von
	 Kultur- undWirtschaftspolitik	 31
	 Die Strategie Zürich 2025	 32
	 Das Kulturleitbild der Stadt Zürich	 32
	 Zusammenfassung der städtischen Ziele zur
	 Förderung der Zürcher Kreativwirtschaft	 33
3.1.2	 Überblick zu den Massnahmen in Zürich	 34
	 A) Private Projekte:	
	 Das Basislager Binz	 34
	 Das Kunsthaus Aussersihl	 34
	 B) Private Projekte mit Beteiligung der
	 öffentlichen Hand:	
	 Das Basislager Altstetten	 35
	 Die Atelier-Räume Migros Herdern	 35
	 Löwenbräu	 36
	 C) Projekte der öffentlichen Hand:	
	 DieWerkerei in Schwammendingen	 36
	 D)Weitere Projekte und Projekt-Ideen
	 der öffentlichen Hand	
	 Creative ZurichWednesday im HUB	 37
	 Relaunch derWeb-Plattform	 37
	 Media Campus	 37
3.1.3	 Mögliche Hindernisse für Zwischennutzungen	 38
3.1.4	Fazit zum Kapitel 3.1,
	 Situationsanalyse	 39
S. 9«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
3.2	 Bedürfnisabklärung	 40
3.2.1 Anmerkung zur Datenerhebung	 40
	 Angaben zur Umfrage	 40
	 Ziele der Befragung	 40
	 Zielgruppe der Umfrage	 41
	 Die Stadt-Quartiere	 42
3.2.2 Auswertungen und Interpretationen	 43
	 A) Zusammensetzung der Befragten	 43
	 B) Art des Raums und Raum als Arbeitsort	 45
	 C) Raum-Eigenschaften	 47
	 D) Modelle und Rechtsformen	 49
	 E) Raumvermittlung	 52
	 F) Förderung auf verschiedenen Ebenen	 53
	 G) Ideen undVorschläge für Massnahmen
	 (von der Kreativ-Szene)	 55
	
3.2.3	 Fazit zum Kapitel 3.2, Bedürfnisabklärung	 58
4. Ein Blick auf andere Fördermodelle	 59
4.1	 Das Modell Broedplaatsen, Amsterdam
	 mit dem Fokus auf Räume	 59
	 Vergleich mit Zürich / Broedplaatsen	 60
4.2	 Das u-institut, Bremen mit dem Fokus auf
	 Coaching und Beratung	 61
	 Vergleich mit Zürich / u-institut	 62
4.3	 Die IKB, Initiative Kreativwirtschaft Basel
	 mit dem Fokus aufVernetzung	 63
	 Vergleich mit Zürich / IKB	 63
5.	 Schlussfolgerungen	 64
5.1	 Zusammenfassung der Erkenntnisse	 64
5.2	 Erfolgsfaktoren	 65
5.3	 Vorschläge für weiterführende Massnahmen	 66
5.3.1	 Bereichsübergreifende Kompetenzstelle
	 bei der Stadtverwaltung	 66
	 Ziele und Aufgaben	 66
5.3.2	 Verein für Cultural Entrepreneurs	 68
	 Ziele und Aufgaben	 69
5.4	 Ungeklärte Probleme und offene Fragen	 70
	 Vorschriften und Reglementierungen	 70
	 (Un-)Vereinbarkeit von Kunst und Kommerz	 70
IV. 	 Literaturverzeichnis	 72
	 Fachliteratur/Bücher	 72
	 Studien, Strategie-Papiere, Artikel und Skripte
	 ausVorlesungen	 72
	 Web-Links	 74
	 Weitere Quellen: AV-Medien	 74
V. 	 Experten-Interviews	 75
VI. 	 Danksagungen	 76
VII. 	 Eidesstattliche Erklärung	 77
	 Anhang	 79 ff.
	
	 City Branding
	 Standortfaktoren und Handlungsfelder
	 Das Drei-Sektoren-Modell
	 Das Beziehungsgeflecht der Kreativwirtschaft
	 Texte zur Gentrifizierung
	 Fragebogen der Online-Umfrage
	 Timeline
	 Bilder
S. 11«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
1. Einleitung
1.1 Ausgangslage und Problemstellung
Das Kulturangebot in der Stadt Zürich zeichnet sich durch seine Vielfalt und Qualität aus, was massgeblich
zur hohen Lebensqualität beiträgt. International wird Zürich jedoch kaum als Kulturstadt wahrgenommen.
Aus nationaler Sicht ist Zürich aber eindeutig die Schwerpunktregion der Kultur- und Kreativ-Szene. Eine
Steigerung des Images als lebendige und vielfältige Kultur- und Kreativstadt soll u.a. durch Imagepflege,
einer aktiven Raumpolitik, einer verbesserten Kommunikation des Kulturangebots und der Förderung der
Vernetzung von Kultur, Kreativwirtschaft und Hochschulen erreicht werden. Kulturschaffende und die Kre-
ativwirtschaft sollen in Zürich «gute Rahmenbedingungen und ein anregendes, kreatives Umfeld» vorfin-
den. 1
Die Stadt Zürich als Arbeit- und Lebensraum ist populär. Menschen unterschiedlicher Herkunft wollen zent-
rumsnah wohnen und arbeiten. Die grosse Nachfrage wirkt sich auf den Immobilienmarkt aus und so rücken
insbesondere strukturschwache Stadtviertel in den Fokus von Gebietsaufwertungen. Dem gegenüber steht
das Bedürfnis nach preisgünstigen Produktionsräumen 2
für die Kultur- und Kreativwirtschaft.
Freiräume für kreative Experimente gehören zu den Grundvoraussetzungen für ein florierendes kreatives
Milieu. Doch zentrumsnahe Brachen und Industrieareale sind rar geworden.Wo kein Nährboden für Kreati-
ve besteht und Ausweichmöglichkeiten kaum vorhanden sind, wird das kreative Potenzial stark beschnit-
ten und droht zu versiegen. 3
1 Vgl. Kulturleitbild der Stadt Zürich, Kapitel 3.1.1 Seite 32, (Stadt Zürich, Präsidialdepartements, 2011)
2 Beispiele von ‹Produktionsräumen›: Künstler- und Grafik-Ateliers, Musik-, Film- und Fotostudios, Architektur- und
Werbebüros u.v.m..
3 Vgl. Kapitel 2.4 Gentrifizierung und die Rolle der Kreativen, Zürich auf S. 29, (Klaus, 2006: 83)
S. 12 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
1.2 Fragestellungen
Die nachfolgenden Leitfragen bilden den Ausgangspunkt dieser Arbeit. Sie sind zugleich die Brücke zwi-
schen der theoretischen Herleitung über eine Situationsanalyse bis hin zum empirischenTeil mit einer Um-
frage.
•	 Wie wird die Kultur- und Kreativwirtschaft konkret in Bezug auf Räumlichkeiten
	 von der Stadt unterstützt?
•	 Welche Massnahmen wurden geplant und umgesetzt?
•	 Welches sind die Bedürfnisse des kreativen Basis-Segments, welches am meisten von
	 den steigenden Mietpreisen betroffen ist?
•	 Reichen Zwischennutzungen – wie beispielsweise dieWerkerei –
	 für einige Jahre, oder bedarf es einer umfassenderen Lösung?
1.3 Aufbau und Methode
In der theoretischen Herleitung in Kapitel zwei wird auf den geschichtlichen Hintergrund und auf das
Standortmarketing kurz eingegangen. Zudem werden die wichtigsten Begriffe (Kreativwirtschaft, Gentrifi-
zierung) erläutert und anhand von Beispielen erklärt.
Kapitel drei umfasst den Hauptteil und hält in einer Situationsanalyse aktuelle und geplante Massnahmen
zur Raumfrage fest. Der Fokus liegt dabei auf den Massnahmen der öffentlichen Hand. Darauf folgt eine
Umfrage beiAkteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft, die vorwiegend als Freischaffende oder Kleinstun-
ternehmer tätig sind.Gegenstand der Untersuchung sind primär die Bedürfnisse von Kreativen in Bezug auf
Räume und Stadtgebiete. Es sollen aber auch Meinungen und Massnahmenvorschläge zu verschiedenen
denkbaren Förderbereichen gesammelt und inThemen-Clustern zusammengeführt dargestellt werden. Für
diese Bedürfnisabklärung wurde ein Online-Fragebogen entworfen und kreativ tätigen Personen aus ver-
schiedenenTeilmärkten der Kultur- und Kreativwirtschaft zugestellt.
S. 13«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Die Umfrage wie auch die Situationsanalyse bilden die Grundlage zur Erlangung eines breiten Bildes zum
Kernthema Räume für Kreative. Sie widerspiegeln zudem den gegenwärtigen Diskurs.
Mitdemvierten Kapitelunddem‹Blick auf andereFördermodelle›solldaserzielteBildergänztwerdenmit
Beispielen aus anderen Städten, die für Ihre Kreativwirtschaftsbereiche unterschiedliche Ansätze verfol-
gen.
Zusammenfassend werden also folgende drei Themenbereiche abgedeckt, die zu einer Schlussfolgerung
führen:
3
1 2
4
Situationsanalyse (1)
Bedürfnisabklärung (2)
Analyse Fördermodelle anderer Städte (3)
Schlussfolgerungen (4)
(Abbildung: Eigene Darstellung.)
Das letzte Kapitel (Schlussfolgerungen) verknüpft die Umfrageergebnisse mit den aktuellen Massnah-
men in Zürich und denAnsätzen anderer Städte und skizziert grob zwei sich ergänzende Modelle mit unter-
schiedlichen Ausrichtungen 1
.
1 Bei den Lösungsansätzen wird nicht auf mögliche politische und finanzielle Einschränkungen eingegangen; sie sollen als Ideen-
skizzen verstanden werden.
S. 14 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
2.Theoretische Herleitung zur Bedeutung der
Kreativen in derWirtschaft
2.1 Geschichtliche Herleitung
Strukturwandel: von der Industrialisierung zur Dienstleistungsgesellschaft
Ende des 19. Jahrhunderts war der KantonZürich bekannt für dieTextilindustrie, welche zunehmend von der
Metall- und Maschinenindustrie abgelöst wurde; parallel zur Industrie entwickelte sich in der Stadt Zürich
der Bankenplatz (Klaus, 2001: 91ff.). Ein umfassender gesellschaftlicher wie auch wirtschaftlicher Struktur-
wandel, weg von der Industrialisierung, hin zur Dienstleistungsgesellschaft prägte die darauf folgenden
Jahre. Industrien wurden zunehmend in Entwicklungsländer verlagert und gesamthafte Prozesse derGloba-
lisierung verstärkt (Weblink [BPD] 2006).
Die Deindustrialisierung führte nach Häussermann und Siebel (2004; 134) zu niedrigen Steuereinnahmen
und verstärkte soziale Problemlagen der Bürger. Um den negativen Auswirkungen entgegenzuwirken, wur-
den Unternehmen aus dem tertiären Sektor 1
angeworben mit dem Ziel, sie langfristig an den Standort zu
binden. Dass sich Unternehmen an gewissen Standorten niederlassen, bedigt wiederum bestimmte Fakto-
ren. (Im Kapitel Standortmarketing, Seite 18, werden die Faktoren näher ausgeführt.)
1 Unternehmen der Industrienationen passten ihre Prozesse neuen (globalen) Möglichkeiten an und fokussierten zunehmend
auf den Dienstleistungssektor/tertiären Sektor (z.B. Forschung & Entwicklung, Design, Marketing), wobei lohnkosteninten-
sive Schritte geoutsourced wurden, denn – so die Standortmarketingorganisation Greater Greater Zurich Area – «bietet eine
Konzentration auf wertschöpfungs- und wissensintensive Produkte und Dienstleistungen die Möglichkeit, in einem glo-
balisierten Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben» ([GZA], 2010: 15).
S. 15«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Wissensbasierte Ökonomie und die Creative Class
Richard Florida verfasste ein zentrales und auch oft kritisiertes Werk (Florida, 2002) zum Thema des öko-
nomischen Wachstums dank ‹kreativen Köpfen›. Die zentrale These von Florida besagt, dass Wissen und
Kreativität fortan die wichtigen Produktivkräfte darstellen, welche für Auf- oder Abstieg von Städten
bzw. Regional-Ökonomien sorgen bzw. weiterhin sorgen werden. Der wirtschaftliche Bedarf an Kreativi-
tät geht, nach Florida, einher mit dem Aufstieg einer neuen, kreativen Klasse (ebd.: 8). Er untersucht an-
hand von Schlüsselkriterien – «the 3T’s of economic development: Technology, Talent and Tolerance»
(ebd.: 249) – statistische Zusammenhänge und folgert, je höher deren Korrelation, desto höher sei der
ökonomische Erfolg dieser Städte. Er fordert die Politik auf, darauf zu fokussieren, dass kreative Menschen
ein Milieu der Offenheit und Toleranz vorfinden, denn, so Florida: «[...] creative people want to live there.
The companies then follow the people». (ebd.: 218). Die Sichtweise, dass Unternehmen sich dort ansiedeln,
wo ein grosses Potenzial an hochqualifizierten Arbeitskräften vorhanden ist, drückt wiederum eine höhere
Flexibilität in der Standortwahl von Unternehmen aus, als es früher der Fall war.
Jamie Peck (Eurozine, 2008), einer der schärfsten Kritiker Floridas geht davon aus, dass die These Floridas
so rasch eine so weite Verbreitung gefunden hat, weil sie ganz geschickt auf das heutige neoliberale Ter-
rain von Wirtschaft und Politik zugeschnitten sei. Doch letztlich sei Floridas Ansatz in seiner ökonomischen
Funktionalität zu bewerten, alsAufforderung, Kreativität als Indikator eines günstigenWettbewerbsklimas
zu verstehen.
Ein regionales, ökonomischesWachstum wird demnach durch Standortentscheidungen von kreativen Men-
schen angetrieben, was wiederum im Konkurrenzkampf der Städte ein «Wetteifern» um die am besten
qualifizierten und innovativstenArbeitskräfte auslöst. (Unter 2.2 auf Seite 18 wird auf dieWettbewerbssi-
tuation der Städte weiter eingegangen.)
S. 16 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Revitalisierung von Industriearealen und die digitale Bohème von morgen
Durch dieAbwanderung der Industrie wurden Brachen undAreale frei, die durch kreative Raumpioniere mit
Improvisationsvermögen eine Art ‹Renaissance› erfuhren. Stillgelegte Fabriken wurden nicht nur als Ateli-
ers genutzt. Die zu diesem Zeitpunkt aktive Musikszene (Drum ’n’ Bass, New Beat,Techno/House Ende der
90er Jahre), experimentelle Theater und Konzerte, subkulturelle Veranstaltungen und die kreative Beset-
zerszene füllten die industriellen Zonen mit einer lebendigen Kunst, mit (sub-)kulturellen Aktivitäten und
transformierten sie in spannende, bunte Oasen. Die Bandbreite der Nutzer, wie auch die Definition von
Zwischennutzung sind sehr umfassend: von Subkultur bis hin zum kommerziellen Musical, von ein paar
Wochen Verbleibdauer eines Pop-up-Konzepts bis hin zu mehreren Jahren Nutzung z.B. für Ateliers. Eine
gewisse Rauheit der Räume gehört ebenso dazu, wie auch Freiräume, die Experimente und Innovationen
erlauben. Doch die Freiheit hat auch ihren Preis. So geht sie mit Überforderung einher, die in «Unsicherheit
über die Zukunft, Mehrfachbelastung sowie notorischer Zeit- und Geldmangel für Projekte» zum Ausdruck
kommt (Angst et al., 2010: 130). Üblich sind eine kurze Anstellungsdauer und die, im Verhältnis zur Ausbil-
dung tiefe und unregelmässige Entlöhnung (vgl. Seite 21, Begriffsdefinition: die Kreativen).
Die steigende Anzahl Beschäftigter im Kreativsektor 1
drückt nicht nur Dynamik und Innovationskraft aus,
mit dem «Cultural Entrepreneur» der postmodernen (bzw. der post-fordistischen) Arbeitswelt wird zudem
ein neuerTypus von «Unternehmer» etabliert, bei dem der «kreativ-künstlerischeAkt zur Selbstentfaltung»
(Götz zit. in Borghoff, 2012: 31) imVordergrund steht.
Nach Friebe/Lobo (Weblink, 2012), sei die Strategie der «digitalen Bohème» – bei welcher nicht dasGeldver-
dienen sondern ein, den eigenen Motiven folgender und selbstbestimmter Arbeitsstil imVordergrund steht
– in unsicheren Zeiten die überlegene. Auch bei Liebig/Morandi (2010: 3) gilt die neue Selbständigkeit
als Zukunftsmodell: «Soloselbständige, freischaffende Freelancerinnen und Freelancer, Alleindienstleister
sind Vorboten eines umfassenden Strukturwandels der Wirtschaft. Sie repräsentieren den Arbeits- und Le-
bensstil der Zukunft.»
1 DasWachstum in Zahlen ausgedrückt ist auf Seite 23 zu finden.
S. 17«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Die klassische Festanstellung scheint in der Wissensgesellschaft und insbesondere in der Kreativwirtschaft
einAuslaufmodell zu sein. DieArbeits- und Lebensweise der ‹neuenSelbständigen› hat nicht nur Einfluss auf
die standardisierten und auf das Vollzeit-Anstellungsverhältnis angepassten Sozialversicherungen (Bsp.
ALV, BVG; vgl. Raschèr, 2012: 76), sie bringt auch neue Formen desWohnens und Arbeitens mit sich.
Durch die Zusammenführung der Lebenswelten (bzw. Wohn- und Arbeitswelt) entstehen entsprechende
Bedürfnisse: z.B.Wohnateliers (vgl.ThemaWohnatelier bei BedürfnisabklärungSeite 56). Doch neueWohn-
und Arbeitsformen können nur dort ausgelebt werden, wo tiefpreisige Räume in urbanen Gebieten vor-
handen sind; sie sind eine der Hauptgrundlagen des kreativen Prekariats 1
.
Ein kreativer Hotspot, wenn nicht sogar die Hauptstadt der Kreativen in Deutschland ist Berlin. Die inspirie-
rende Metropole, die von ihrem amtierenden Bürgermeister oft als «arm, aber sexy» (Weblink Focus, 2006)
bezeichnet wird, ist nebst einem breiten kulturellen Angebot bekannt für niedrige Lebenshaltungskosten,
wie auch für ein kulturell anregendes Milieu mit weit bis in die Innenstadt ‹kulturell besetzten› Orten. Kunz-
mann diskutiert (in Lange et al., 2009: 37) die möglichen Gründe der Entfaltung der Berliner Kreativszene
wie folgt: «Vielleicht liegt es daran, dass die Stadt, die noch vor hundert Jahren das globale Zentrum der
Elektrowirtschaft war, keine anderen wirtschaftlichen Schwerpunkte aufweisen kann.Vielleicht auch daran,
dass die Stadt, die ein hohes Kulturbudget vorweisen kann, wie keine andere Stadt im Westen Europas,
preiswerte innenstadtnaheWohn- und Arbeitsstätten hat.».
1 Vgl. Begriffsdefinition auf Seite 22.
S. 18 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
2.2 Standortmarketing
Wenn Städte zu Marken werden
Primär geht es im Konkurrenzkampf der Städte um das Vorhandensein von Wissen (hochqualifizierte
Arbeitskräfte),undumdieWirtschaftskrafteinesStandorts(sieheAnhangStandortfaktorenundHandlungs-
felder). Die zunehmend bedeutendere Kreativwirtschaft als integrierter Bestandteil der Wissensökonomie
ermöglicht in deindustrialisiertenStädten einAufblühen als wettbewerbsfähige, attraktive Standorte und
dies will entsprechend kommuniziert und vermarktet werden.
«Die Attraktivität einer Stadt oder Region als Standort für wirtschaftliche Aktivitäten wird in der Regel
aufgrund der Qualität und dem Vorhandensein von Standortfaktoren gemessen» (Klaus, 2006: 98).
Im Standortmarketing wird zwischen harten und weichen Standortfaktoren unterschieden, wobei die
harten Faktoren quantitativ messbar sind und oft in Rankings zum Städte-Vergleichen erscheinen. «Neben
der räumlichen Lage und derTopographie stellen die Standortfaktoren Steuerbelastung,Verfügbarkeit von
qualifizierten Arbeitskräften und Verkehrsanbindung noch immer die relevanten Standortkriterien dar»
([GZA] 2010: 27). Dem Bereich Kreativwirtschaft und Kultur wird im Zusammenhang mit den weichen
Standortfaktoren eine hohe Bedeutung zugesprochen 1
.
Im zunehmenden Konkurrenzdruck unter den Städten wird eine Differenzierung durch eine eigenständige,
derStadtmarketing-Strategie entsprechenden Positionierung ermöglicht. Man bedient sich dabei einer sehr
unternehmerischen Herangehensweise, um über ein Branding die eigene Identität zu festigen. Der Brand
bzw. die (Stadt-)Marke kommt im Auftritt der jeweiligen Städte gegenüber ihren Zielgruppen (potenzielle
Einwohner mit mittlerem und höherem Einkommen, Unternehmen auf Standortsuche, Touristen etc.) zur
Geltung. Doch abgesehen von sehr unterschiedlichen visuellen Erscheinungsbildern und der Identitfizierung
mit lokalen Symbolen (z.B.Architektur-Highlights, internationale Events u.a.) werden in der Sprache oft die
gleichen positiv konnotierten Attribute verwendet. Berlin: führende Kulturmetropole, Hamburg: vielfälti-
ge, lebendige Kultur, Zürich: aktive Kulturszene (siehe Anhang City Branding).
1 Anm.: Auch Florida (2002) benennt vorwiegend weiche Faktoren, vgl. Seite 15, ein Klima der «Offenheit undToleranz».
S. 19«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Der Standort Zürich: Finanzstadt und Creative Hotspot?
Laut einer Pressemitteilung der Greater Zurich Area ([GZA], 2011) ist die aktuelle Strategie des Standort-
marketings darauf ausgerichtet, «Unternehmen aus den USA, aus China sowie aus Europa im wichtigsten
Schweizer Wirtschaftsraum anzusiedeln». Um die Stadort-Attraktivität von Zürich zu erhöhen, soll u.a. die
internationale Wahrnehmung der Stadt als kulturell lebendiger Ort intensiviert werden (Stadt Zürich, Prä-
sidialdepartements, 2011: 90).
Der Standort Zürich ist international bekannt als bedeutender Finanzplatz. Aus der Innenperspektive ist
der Finanzsektor ein «wichtiger ökonomischer Treiber und Vermittler internationaler Netzwerke» (Held et
al., 2005b: 18). Gleichzeitig ist zu beachten, dass das Image des Finanzplatzes aus Sicht der Akteure aus der
Kreativ-Szene als «kreativitätshemmend» angegeben wurde (Held und Kruse, 2005a: 26). Fest steht, dass
die Kunst- und Kulturwirtschaft eng mit dem Finanzplatz verflochten ist (ebd.: 16). Einerseits gilt sie als trei-
bende Kraft für Innovationen und ist somit ‹Content-Lieferant› für andereWirtschaftsbereiche u.a. für den
Finanzsektor, anderseits benötigt sie wiederum die Finanzkraft, wie am Beispiel des Kunstmarkts Zürich
gut aufgezeigt werden kann (Interview R. Blancpain) 1
.
Wie erwähnt ist die Kreativwirtschaft nicht nur für die lokalen Ökonomien von grosser Bedeutung, sie ist
auch ein wichtiges Standortargument, was die Kommunikation des Standortmarketings verdeutlicht. (sie-
he Anhang City Branding). Als Beispiel soll an dieser Stelle der Auftritt der Stadt und des Kantons Zürich an
der eben erst beendeten Sommer-Olympiade in London 2012 dienen, wo sich Zürich als «inspirierender,
kreativer Hotspot im Herzen Europas» (Weblink Stadt Zürich, 2012) präsentiert und dies mit Anlässen wie
dem Creative Day nach aussen trägt. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei Kommunikation von Zürich
als kreativem Hotspot um eine Eigendarstellung handelt.Ob die als Finanzplatz bekannte Schweizer Stadt
in London effektiv als «vibrierende Kulturmetropole» (Weblink [HoS], 2012) wahrgenommen wurde, bleibt
offen. 2
1 Auf Angaben zur Bedeutung des Standorts Zürich für die Kreativen wird in der Bedürfnisumfrage auf Seite 46
näher eingegangen.)
2 Anm.: Bei einer Desk-Research (August 2012) zu entsprechenden Artikeln in grossen englischenTageszeitungen zum
Thema ‹Zurich / creative / cultur› wurden keine Hinweise darauf gefunden.
S. 20 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
2.3. Die Kreativwirtschaft der Schweiz
Begriffsdefinition Kreativwirtschaft
Die Kreativwirtschaft (auch Kulturwirtschaft, Kultur- und Kreativwirtschaft, Creative Industries, Kultur-
Sektor, Kulturindustrie genannt 1
), wird als Branchenkomplex gesehen, mit dem verbindenden Kern des
schöpferischen Akts und dem Ziel einer Schaffung, Produktion, Verteilung bzw. medialen Verbreitung von
kulturellen und kreativen, materiellen oder immateriellen Gütern und Dienstleistungen (Rossel, 2010: 16).
«Den ursprünglichen Kern der Kulturindustrie bilden die kreativen Künste (...)» (Klaus, 2006: 44). Zum kre-
ativen Kern (Bsp. Bildhauer, Musiker, Maler) kommen die kulturellen Branchen hinzu, für dieVermarktung
und Produktion desOutputs des kreativen Kerns (Bsp. Plattenlabel für Musikvermarktung,Verlagswesen für
Bücher) sowie die kreativen Branchen, die Ideen des kreativen Kerns aufgreifen und auf Kundenbedürfnis-
se angepasste ‹Produkte› herstellen (Bsp. Mode, Architektur,Werbung), (Weblink [BR] 2007). 2
Charakteristisch für die Kreativwirtschaft – vergleicht man sie beispielsweise mit den Sektoren Chemie/
Pharma oder der Finanzindustrie – sind die Kleinteiligkeit, die Heterogenität sowie die Wertehaltungen
und eigenen Arbeitsweisen der Akteure, die von Cultural Entrepreneur (Einzelpersonen) über projektspe-
zifische Zusammenschlüsse bis hin zu renommierten Grossunternehmen (Bsp. SRG SSR Schweizerischen
Radio- und Fernsehgesellschaft im Teilmarkt Rundfunk) reichen. Eine branchenübergreifende Vernetzung
(soziales Kapital) ist ebenso zentral, wie ihr kulturelles Kapital.
Zur Abgrenzung und Anwendung des Begriffs Kreativwirtschaft:
Es gibt auf globaler Ebene keine einheitliche Begriffsdefinition. Es werden je nach argumentativen Zugän-
gen verschiedene Konzepte verfolgt (Weckerle, Gehrig und Söndermann, 2008: 22). Zudem ist die Abgren-
zung bzw. Zuordnung einzelner Teilmärkte nicht einfach, wie Klaus am Beispiel eines Kleinunternehmens
aus demTextilbereich aufzeigt: Der Entwurf fällt unter ‹Design›, die manuelle Fertigung unter ‹Herstellung
vonTextilien› und derVerkauf unter ‹Detailhandel› (2006: 130 ff.).
1 Diese Begriffe werden in verschiedenen Ländern oft deckungsgleich verwendet, auch wenn einzelneTeilmärkte anders
abgegrenzt werden.
2 Das Beziehungsgeflecht wurde im Anhang grafisch dargestellt.
S. 21«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Die Eigenheiten der Kreativwirtschaft Schweiz
Der Begriff Kreativwirtschaft stösst bei kreativ Tätigen oft auf Ablehnung. Das kreative Schaffen wird als
individueller Ausdruck gesehen, nicht primär als wirtschaftlicheTätigkeit. Der Branchenkomplex wird in der
Szene, wie auch in der breitenÖffentlichkeit nicht als ‹einGanzes› wahrgenommen, es gibt keine gemeinsa-
me Lobby, Gewerkschaften oder dergleichen und wenig teilmarktübergreifendeAktivitäten. In der Schweiz
hat die Kreativwirtschaft zudem keine Tradition wie beispielsweise in England, wo sie bereits 1997 stark
thematisiert wurde (vgl. AnhangTimeline,WahlkampfTony Blair).
In der Schweiz wurde Kultur «bis Ende der 50er Jahre als private Angelegenheit betrachtet (...). Bis zur Er-
scheinung des ersten Kulturwirtschaftsberichtes im Jahr 2003 ging es immer nur um den öffentlich-recht-
lichen Sektor (...)» (Theler, 2012: 24). Und spricht man heute von Kultur, so Theler (2012: 25), seien noch
immer mehrheitlich diese beiden Sektoren gemeint (vgl. Anhang: das Drei-Sektoren-Modell, öffentlich-
rechtlicher Sektor).
Die Kreativwirtschaft Schweiz ist zu vergleichen mit einem vielfältigen und komplexen Beziehungsgeflecht,
wobei die Verbindungen nicht nur die drei genannten Sektoren betreffen, auch andere Schnittstellen sind
auszumachen: «Nebst der Wirtschaftspolitik (Beschäftigungspotenzial) beschäftigen sich Innovationspoli-
tik (wissensbasierte Ökonomie), Regionalpolitik (Strukturwandel), Bildungspolitik (Employability), Kultur-
politik (Drei-Sektoren-Modell),Sozialpolitik (prekäreArbeitsverhältnisse),Ansiedlungspolitik (Internationa-
lisierungsstrategien, Stadtmarketing) mit demThema» (Weckerle undTheler, 2010: 48).
Die Kreativen
Im Zusammenhang mit der Kreativwirtschaft soll auch gleich der Begriff der in dieser Arbeit verwendete
Begriff der Kreativen näher umschrieben werden: Mit der Bezeichnung ‹Kreativer› (siehe auch Creative
Class, Kreativ-Szene, Akteure der Kreativwirtschaft, Bohème, auch digitale Bohème) ist eine kreativ tä-
tige Person gemeint, bei welcher die Kreativität, die Selbstverwirklichung, ein hohes Mass an Autonomie
und die Vernetzung im Vordergrund stehen. Es wird hierbei nicht unterschieden zwischen Künstler (bzw.
Content-Produktion ohne Marktanpassung vgl. Begriffsdefinition Kreativwirtschaft) und einer, in der Pri-
vatwirtschaft tätigen Person.
S. 22 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Charakteristik und Schwierigkeiten:
Unabhängigkeit ermöglicht zwar Freiraum für Experimente, die Kehrseite sind kurze und oft befristete Ar-
beitsverträge sowie eher unregelmässige Arbeitszeiten. Typisch sind auch projektspezifische Konstellati-
onen mit Einzelunternehmern – nach Klaus KIK Kreative innovative Kleinstunternehmen (2006: 251) – die
wiederum unregelmässige und, imVerhältnis zurAusbildung eher tiefe Einkommen mit sich bringen, aber
eine hohe Risikobereitschaft fordern; (bei krankheitsbedingten Ausfällen ist mit zusätzlichen Einkommen-
seinschränkungen zu rechnen). Kreatives Schaffen bedingt zudem Prozesse, die oft nicht in vollem Umfang
desStundenaufwands weiterverrechnet werden können. Eine unsichere und konjunkturabhängige Nachfra-
ge verstärkt zudem den Leistungs- und Konkurrenzdruck.
Creative Class nach Florida (2002):
Hier öffnet sich der Kreis der Kreativen noch weiter. Florida unterscheidet zwischen demSupercreativeCore
mit der Hauptaufgabe, Neues zu produzieren (Bsp. Künstler). Die Zuordnung zur Creative Class erfolgt aber
auch dann, wenn die Arbeiten – wie bei den Creative Professionals – kreative (Denk-)Prozesse beinhalten,
wie z.B. die Erarbeitung kreativer Problemlösungen von Anwälten und anderen Berufsgruppen.
Die Digital Bohème:
Sie «bezeichnet eine Berliner Gruppe von freischaffenden Medienberuflern um Holm Friebe, Sascha Lobo
und Kathrin Passig mit künstlerisch-kreativen Ambitionen, die neue Kommunikationstechnologien nutzen,
um ihre individuellen Handlungsspielräume zu erweitern», (Weblink Friebe/Lobo 2006).
Kreatives Prekariat:
«Prekariat ist ein soziologischer Begriff für eine inhomogene soziale Gruppierung, die durch Unsicherhei-
ten der Erwerbstätigkeiten gekennzeichnet ist. Dadurch können Lebensverhältnisse schwierig sein, bedroht
werden oder zum sozialen Abstieg führen» (WeblinkWikipedia Prekariat).
S. 23«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Die Kreativwirtschaftsberichte Schweiz/Zürich
Der Kreativwirtschaft als Innovationstreiberin, Wirtschafts- und Standortfaktor wird im rohstoffarmen
Dienstleistungsstaat Schweiz eine bedeutende Rolle zugeschrieben. Mit dem ersten Kulturwirtschaftsbe-
richt der Schweiz (2003) – mit welchem erstmals ein Brückenschlag zwischen Wirtschaft, Kultur und Politik
gelungen ist – wurde die wirtschaftliche Bedeutung der Kreativwirtschaft für die Schweiz und insbesonde-
re für den Standort Zürich aufgezeigt. (Der zweite Kreativwirtschaftsbericht erschien 2008, der dritte und
aktuellste 2010, vgl. Timeline im Anhang). Es wurde zudem das Bewusstsein dafür geschaffen, dass nebst
dem öffentlich finanzierten Kulturbereich viele privatwirtschaftliche Kleinunternehmen zur kulturellen
Vielfalt beitragen (Weckerle und Theler, 2010: 5). Künstlerische/kulturelle Aktivitäten sind dabei eng mit
Produzenten ‹kreativer Inhalte› des privatwirtschaftlichen Sektors verbunden (vgl. Drei-Sektoren-Modell
imAnhang). Die Kreativwirtschaftsberichte untersuchen den gesamten Sektor der Kultur- und Kreativwirt-
schaft. (Diese Arbeit basiert auf der gleichen Definition und und bezieht Aspekte reiner Kulturschaffender,
wie auch privatwirtschaftlichTätiger mit ein.)
Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Zürcher Kreativwirtschaft
Aus den Zürcher Kreativwirtschaftsberichten (2008, 2010) geht deutlich hervor, dass die Stadt Zürich die
zentrale Schwerpunktregion der Schweiz für die Kreativwirtschaft ist. Bereits 2006 wurde festgehalten,
dass jeder siebte im Kultursektor der Schweiz Beschäftigte, in der Stadt Zürich arbeitet (Klaus, 2006: 168).
Im aktuellen Kulturleitbild ist zu lesen, dass die Zürcher Kultur- und Kreativwirtschaft schneller gewachsen
ist als dieGesamtwirtschaft. «Das gilt für die Bruttowertschöpfung und in noch stärkerem Masse für dieZahl
der Beschäftigten» (Stadt Zürich, Präsidialdepartement, 2011: 27). «Die Anteile Zürichs an der Schweizer
Kultur- und Kreativwirtschaft sind beeindruckend:Ausgewiesen werden 16 % der Beschäftigten und 12 %
der Betriebe» (Weckerle und Theler, 2010: 6). Im zweiten Zürcher Kreativwirtschaftsbericht (2008) wurde
ein Anteil der Stadt Zürich an der Gesamtschweiz von 14 % Beschäftigten und 11 % Betriebe ausgewiesen
(Söndermann et al., 2008: 29 ff.). Weiter wird im dritten Kreativwirtschaftsbericht (2010) auf die einzigarti-
geAusgangslage hingewiesen, zu der nicht nur das künftige Potenzial (Wirtschaftswachstum,Arbeitsplät-
ze) gezählt wird, sondern auch die bedeutende Rolle der Zürcher Hochschule der Künste sowie die kritische
Grösse Zürichs als «Metropolregion mit urbaner Dimension» zu gelten (Weckerle undTheler, 2010: 47).
S. 24 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
2.4 Gentrifizierung und die Rolle der Kreativen
Begriffsdefinition Gentrifizierung
Gentrifizierung (auch Gentrification oder Gentrifikation) ist ein Begriff aus der Stadtsoziologie, der für
sozio-ökonomische Umwandlungsprozesse in Stadtgebieten steht (Weblink Wikipedia Gentrifizierung).
Die britische Soziologin Ruth Glass prägte diesen Begriff 1964 anlässlich einer Untersuchung zu den Verän-
derungen im Londoner Stadtteil Islington, dessen soziale Strukturen sich durch den Zuzug von Mittelklas-
sefamilien in Arbeiterquartieren signifikant verändert hatten. (Gentry = niederer Landadel weist auf eine
Analogie zu ähnlichenVorgängen im 18. Jahrhundert hin.)
Die Definition scheint jedoch nicht ganz deutlich umrissen zu sein bzw. je nach geografischem oder soziolo-
gischem Kontext werden andere Mechanismen in den Vordergrund gestellt. Nach Holm (2010: 9 ff.) ist die
Gentrifizierung Ausdruck vielschichtiger und komplexer Mechanismen mit unterschiedlich zirkulärem
Charakter. Es wird zwischen physischerVerdrängung (durchAbriss,Umbau), ökonomischer (steigende Kos-
ten) und kultureller Verdrängung (Nachbarschaftsveränderungen, Homogenisierung, lebensstilbezogene
Entfremdung) unterschieden. Bei einigen Stadtvierteln hört die Spirale der Aufwertung früher auf, ohne
dass die gesamte Bewohnerschaft ausgetauscht wird, in anderen Vierteln hingegen fährt die Entmischung
nach oben auch in bereits gentrifizierten Stadtteilen weiter fort, sog. ‹Super-Gentrification›, (Marcuse zit.
nach Holm, 2010: 60 ff.).
Mögliche Auswirkungen sind:
Soziale Folgekosten, Konflikte wie Anti-Gentrification-Kämpfe (Sachbeschädigungen, Parolen an Haus-
wänden), kreativeAktionen (z.B. die Fette-Mieten-Parties in Zürich, Reclaim-the-Streets-Bewegungen),Al-
lianzen (RTTC Right to the City Alliance), politischeVorstösse z.B. von Mieterverbänden bzw. die Aufnahme
entsprechender politischer Wahlkampfthemen, Aufnahme des Themas und insbesondere der Auswirkun-
gen der Gentrifizierung in der medialen Berichterstattung.
S. 25«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Stadtflucht, Landflucht
«Urbanität ist ein Kennzeichen der Moderne» (Häussermann et al., 2008: 2). Die Bewegung der höheren
Einkommensklasse nach dem zweiten Weltkrieg, weg von der Kernstadt, hin ins umliegende Land, liess die
sogenannte A-Gruppe (Arme, Ausländer, Arbeitslose, Alte) in den Städten zurück (ebd.: 363 ff.). Seit Mitte
der 90er Jahre spricht man von einerTrendwende: Der beschriebenen Wandel zur Wissensökonomie (siehe
geschichtliche Herleitung Seite 14) und der Zuwachs an entsprechenden Arbeitsplätzen führte zu mehr At-
traktivität der Städte und zum «Eindringen» der Creative Class bzw. von der neuen A-Gruppe (Akademiker,
Anwälten, Architekten u.a.) in die Innenstädte. Die kaptialintensiven Bevölkerungsgruppe wurden zu den
‹Gentrifiern› des 20. Jahrhunderts.
Von der kulturellenVielfalt zur Kommerzialisierung
Das ‹nonkonformistische›Andere, das vonUnderground-Parties über die freieTheaterszene, Künstler, De-
signer, Fotografen, kleine Läden, neue Mode-Labels, Hausbesetzern bis hin zu Nischensparten-Konzerten
reicht – kurzum, alles was sich abhebt vom Mainstream und Orte/Gebiete interessant macht – braucht ei-
nen Nährboden, eine entsprechende Umgebung, roh und formbar, sowie verschiedene Einflüsse, etwas
Widersprüchliches oder gar Subversives, damit es wirken kann. Und wie am Beispiel Berlin aufgezeigt (vgl.
Seite 17), gehören geringe Kosten fürWohn- undArbeitsräume ebenso dazu, wie eine «toleranteAtmosphä-
re, eine gewisse Internationalität und sich bildende Netzwerke» (Klaus, 2006: 82).
Die Kreativen ziehen in urbane Gebiete, die ihnen das Ausleben ihrer Selbstentfaltung und Experimentier-
felder ermöglichen und übernehmen für die Mittelschicht eine Art ‹Pionier-Rolle›. Das Quartier wird dank
ihrer Kreativität (bzw. ihrem kulturellen Kapital) angereichert mit ‹in-places› wie Szene-Bars und Clubs und
mit subkulturellenVeranstaltungen; sie etablieren eine alternative Kunstszene, die wiederum einen Markt-
zugang mit Off-spaces und Galerien erschliesst. Durch die kulturelle Anreicherung und Ästhetisierung er-
fährt das Quartier einen Image-Wandel und wird durch öffentliche, ‹konsumierbare Orte› wie Szene-Bars
auch für andere Milieus aus einkommensstärkeren Bevölkerungsschichten interessant. Ein kaufkräftigeres
Mainstream-Segment zieht wiederum kommerziellere Gastronomien, Ausgangsangebote und ein touristi-
sches Publikum an. Durch den Umwandlungsprozess erfahren die Immobilien eine Wertsteigerung, was
sich auf die angesiedelten Gruppen auswirkt (vgl. Definition Gentrifizierung, Seite 24).
S. 26 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Und welche Rolle fällt dabei den Kreativen zu? Sind sie die Verlierer oder verdrängen sie nicht auch
selber Anwohner aus sozial benachteiligten Schichten? Sind sie die Vorboten der Gentrifizierung oder die
Beschleuniger der Prozesse? Auslöser,Treiber und zugleich Opfer?
Die (versuchte) Steuerung der Prozesse
Die Kreativen sind Ausdruck von Gentrifizierungs-Prozessen; teilweise sind sie auch Auslöser und oft wer-
den sie bewusst von der Stadtplanung für eine positivere Wahrnehmung von Problem-Zonen eingesetzt:
«DasZiel vieler Erneuerungsstrategien ist es, dieGebiete so aufzuwerten, dass die Bodenpreise steigen und
Nutzungen mit günstigen Mieten vertrieben werden» (Zukin, 1995: 284 zit. nach Klaus, 2006: 82).
Am Beispiel von Zürich kann der gewollte Image-Wandel des Langstrassenquartiers von einem Protokoll
zum Strategie-Papier von Wüest & Partner (wohlgemerkt einem Beratungsunternehmen für den Immobili-
enmarkt) abgelesen werden: «Das Gebiet Langstrasse soll nicht nur für Insider, sondern für breite Bevölke-
rungskreise positiver besetzt werden als heute. Mit diesen Erkenntnissen ist die Stadt völlig einverstan-
den und hat bereits unter Beizug von Quartiermarketing-Spezialisten der Universität Zürich erste Projekte
(...) in Angriff genommen» (Wüest & Partner, 2003: 5).
Zu diesem Zeitpunkt galt das Langstrassenquartier wegen Drogenproblemen, Prostitution und Kriminali-
tät als ‹Problem-Fall›. Doch was passiert, wenn sich die Aufwertungsspirale und mit ihr die soziale Entmi-
schung nach oben nicht aufhalten lässt? Nach Holm (2010: 12 ff.) kann ein Austausch der Sozialstrukturen
kaum verhindert werden. Er führt anhand von Beispielen in Deutschland Massnahmen gegen die Verän-
derungsdynamiken auf (öffentliche Fördermittel und festgelegte Mietobergrenzen) und gibt im Anschluss
auch gleich den Grund des Scheiterns an: Denn dieser lag, so Holm, nicht am Modell selber sondern am
Umfang der Fördermittel.
S. 27«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Wohnungsmarkt – Beispiel ‹Weststrasse›
Der Wohnungsmarkt ist ebenso wie der Markt für Kleingewerbeflächen ein zentralesThema der Kreativen,
sind sie doch auf Szenennähe und – als Milieu mit geringem ökonomischem Status – insbesondere auch auf
tiefe Fixkosten angewiesen. Zudem eignet sich das Thema Wohnraum (im Folgenden am Beispiel ‹West-
strasse› beschrieben) optimal, um auf die Logik des Immobilienmarkts kurz einzugehen. Zwei Aspekte
sollen dabei beleuchtet werden: einerseits die unterschiedlichen Auslöser für Aufwertungen, andererseits
die Interessen des Immobilienmarkts.
Die Auslöser fürGentrifizierungsprozesse sind unterschiedlicher Natur. Die von der öffentlichen Hand aus-
gelöste Sanierungen gehören ebenso dazu, wie die, durch Kreative ausgelösten Aufwertungsdynamiken.
Um auf das Beispiel ‹Weststrasse› zurückzukommen, hier war derAuslöser eine Verkehrsberuhigung durch
die Eröffnung der Westumfahrung und die anschliessende Umwandlung der Weststrasse in eineTempo-30-
Zone. Der fotografischen Bestandesaufnahme 2008 (Weblink [FBW], 2008), die demnächst (2012/2013) wie-
derholt werden soll, um die Indikatoren desWandels festzuhalten, lassen sich folgende Fakten entnehmen:
«Die ausländische Bevölkerung und die Anzahl Kinder nehmen ab; abgelöst werden sie von mittelständi-
schen Singles und kinderlosen Paaren». 1
Zur Rolle derStadtverwaltung imWohnungsmarkt: Nach Häussermann undSiebel (2004: 134) orientiert sich
die Politik je nach politischerAusrichtung «stärker an den Interessen privater Investoren oder stärker an den
Interessen der Stadtbewohner». Im Falle der ‹Weststrasse› verfasste die ehemalige Direktorin der Stadt-
entwicklung ein Schreiben an die Grundeigentümer in welchem sie an deren soziales Gewissen appellierte.
(Zu erwähnen ist, dass die Stadt Zürich selber keine Liegenschaften an derWeststrasse besitzt.)
Die Logik des Immobilienmarkts widerspricht den Anliegen der Kreativen grundlegend. Es ist davon aus-
zugehen, dass sich die Struktur der Hausbesitzer an der Weststrasse ändern wird, denn anstelle von Miet-
wohnungen findet Eigentum eine schnellere und höhere Verwertung. Eigentümerwechsel nehmen eine
zentrale Stellung in Aufwertungsprozessen ein (Holm, 2010: 26 ff.), da Immobilienfirmen im Gegensatz zu
privaten Hausbesitzern andere (grössere) Investitionsmittel haben, dafür aber auch mit einer höheren Ren-
tabilität rechnen.
1 Stand 09.12: Eine neue Auswertung von 2012/13 liegt zum heutigen Zeitpunkt noch nicht vor.
S. 28 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Beispiel Hamburg
Wohnungen in Berlin Friedrichshain werden mit versiegelten Graffities 1
als schmuckes Dekor aus einer wil-
den Vergangenheit angepriesen, durchmischte Gebiete werden zu Enklaven gehobenen Wohnens und neu
gestaltete öffentliche Plätze treiben die Besucher möglichst direkt in umliegende Konsumzonen 2
. Auch in
anderen Städten weltweit sind ähnliche Entwicklungen zu beobachten. Es geht um die Frage der Nutzung
und Gestaltung von öffentlichem Raum, um Reglementierung,Verdichtung oder gar Kommerzialisierung.
Hamburg war bisher die einzigeStadt im deutschsprachigen Raum, in welcher verschiedene Initiativen mit
dem Label ‹Recht auf die Stadt› erfolgten (Holm, 2010: 75). Anhand der folgenden zwei Beispiele aus der
norddeutschen Hafenstadt sollen Auswirkungen zu Gentrifizierungsprozessen fassbarer gemacht werden:
Komm in die Gänge, Hamburg:
Die Vorgänge im Gängeviertel wurden zu einem weit bekannten ‹Kampf› um Häuser. Einige (bis dato leer-
stehende) Liegenschaften in dem Quartier, wo einst Handwerker und Hafenarbeiter wohnten, wurden von
der Stadt Hamburg an einen holländischen Investor verkauft. Wegen der Wirtschaftskrise verzögerte sich
der Baubeginn und die Liegenschaften wurden von einer heterogenen Gruppe von rund 200 Personen, von
der linken Squat-Szene über Künstler- und Ateliergemeinschaften bis hin zu Handwerkern besetzt. Wäh-
rend aus umliegenden altenGebäuden neue Stahl- undGlas-Bauten mit Büro-Räumen entstanden, fand die
Bewegung des Gängequartiers eine breite Unterstützung in der Kreativ-Szene (Daniel Richter, Rocko Scha-
moni u.v.m.). Nach einigen Diskussionen und Aktionen über die Standpunkte Wirtschaftliches vs. Soziales /
Kreatives 3
kam es zu einer Rückabwicklung des Liegenschaftenverkaufs durch die Stadt.
Ein Erfolg für die Kreativen auf der ganzen Linie? Nach Holm (2010: 36) war es für die Stadt Hamburg von
hoher Bedeutung, wieder ein investitionsfreundliches Klima herzustellen; der Rück-Kauf der Gebäude war
der Preis dafür. Im August 2012 feiert das Gängeviertel – nach wie vor lebendiger, bunter Ort – den dritten
Jahrestag nach dem erfolgreichen Protest.
1 & 2 Vgl. Anhang:Texte zur Gentrifizierung,Wohnungsanzeige & Marlene-Dietrich-Platz
3 Vgl. Anhang:Texte zur Gentrifizierung Manifest ‹not in our name, Marke Hamburg›
S. 29«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Grosse Bergstrasse in Altona, Hamburg:
Einst eine Kaufhaus-Filiale von Karstadt an der Grossen Bergstrasse wurde das, mitten im Sanierungsge-
biet stehende ‹Frappant-Gebäude› – ein Beton-Bau aus den 70ern – Kreativen für Zwischennutzungen zur
Verfügung gestellt. Verschiedene Kulturprojekte, unter anderem ein, von einer Kaffee-Firma gesponsertes
Festival fanden statt (Weblink Dingdong, 2007). Rund zwei Jahre nach dem Festival kaufte IKEA den Gebäu-
dekomplex, um die erste innerstädtische Filiale zu errichten. Es wurden Anwohnerinitiativen eingereicht
und Stimmen gegen den Umbau durch den schwedischen Grosskonzern gesammelt.Vor zwei Jahren ist der
Verein Frappant in dieViktoria-Kaserne umgezogen und hat das Frappant-Gebäude übergeben. Im Frühjahr
2013 soll die Eröffnung der IKEA-Filiale stattfinden.
Zürich
Auch in der Limmatstadt, die für die hohe Lebensqualität und eine stabileWirtschaftsentwicklung geschätzt
wird, sind einigeVorkommnisse der letztenJahre den genannten Beispielen von Hamburg ähnlich:Gross an-
gelegte Projekte in Zürich-West (MobimoTower, PrimeTower u.a.), Aufwertungen sogenannter Problem-
Zonen (Langstrassenquartier, Altstetten) sowie der Kampf um subkulturelle Freiräume (Binz bleibt Binz,
Autonomer Beautysalon in Altstetten), um die bekanntesten zu nennen.
Ein allgemein gültiges Rezept gegen Gentrifizierungsprozesse scheint es nicht zu geben; sie sind genauso
vielfältig wie die Rahmenbedingungen und die angesprochenen Quartiere.
Und dennoch gibt es bei Zürich einen bedeutenden Unterschied zu anderen Städten: Einen sehr wichtigen
Hinweis hierzu formuliert Klaus (2006: 83) mit der Erkenntnis, dass in kleineren Städten die Gefahr besteht,
«dass das kreative Potenzial stark beschnitten wird und versiegt, weil es keine Ausweichmöglichkeiten in
andere Quartiere gibt».
Zürich ist nicht New York, London oder Paris. Zürich soll aber mehr sein, als ein geografisch begrenzter
Raum für hochpreisige Immobilien – Zürich soll lebendig bleiben. Und damit vermieden wird, dass – wie
die Stadtpräsidentin in einem Interview angibt – «die Kreativen nach Berlin abwandern» (Gindely, 2010),
wurden von der Stadt Zürich Massnahmen ergriffen.
S. 30 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
2.5 Fazit zu Kapitel 2,
der theoretischen Herleitung zur Bedeutung der Kreativen in derWirtschaft
Wie in diesem Kapitel aufgezeigt wurde, entspricht das Arbeitsmodell der Kreativen einem Zukunftsmo-
dell. Sie sindTeil derWissensarbeiter, die Städte in eine Renaissance im postmodernen Zeitalter der Dienst-
leistungsgesellschaft führen. Zudem gilt die Kreativwirtschaft als wichtige Treiberin und Innovatorin, die
Leistungen und ‹Content› für andere Branchen schafft. Das unternehmerisch handelndeStandortmarketing
greift in derVermarktung die Idee der ‹Creative City› auf, um attraktive potenzielle Steuerzahler und Unter-
nehmen an sich zu binden. Es geht dabei nicht ‹nur› um ein wirtschaftliches Potenzial sondern um grunsätz-
liche Fragen der zukünftigen Ausrichtung eines Standorts.
Die wirtschaftliche Dynamik und Grösse des Branchenkomplexes Kreativwirtschaft wurde durch die Zah-
len der bisherigen drei Kreativwirtschaftsberichte zum Ausdruck gebracht. Wichtig für die Kreativen ist
der Zugang zu Inspirationsquellen wie Subkulturen und zu kreativen Prozessen, die in autonomen Zonen
(Freiräumen) entstehen, die wiederum nur unter gewissen Voraussetzungen möglich sind, z.B. dank tiefen
Raumkosten.
Gewisse Gebiete erfahren u.a. durch die Ansiedlung von Kreativen Aufwertungsprozesse mit Verdrän-
gungsmechanismen (Gentrifizierung), wobei die Kreativen teilweise für Aufwertung und Image-Änderun-
gen von Stadtteilen instrumentalisiert werden. Der Gewinn der Gebietsaufwertung kommt dabei aber oft
den Immobilienhändlern zu, nicht den Kreativen bzw. den Auslösern dieser Prozesse.
Zürich ist ein attraktiver Standort mit einer Gesellschaft mit sozialem Frieden, einem leistungsfähigen
Verwaltungsapparat und mit stabiler Wirtschaft aber auch hohen Bodenpreisen. Es besteht somit die
Gefahr, dass der, für die Kreativwirtschaft wichtige Nährboden keinen Platz mehr findet. Die Stadt greift ein
für eine Entspannung in der Raumfrage.
Zur Frage, wie sie das macht, welche Bedürfnisse die Kreativen haben, gibt das folgende KapitelAuskunft.
S. 31«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
3. Massnahmen und Bedürfnisse:
eine Untersuchung und Gegenüberstellung
3.1 Situationsanalyse Zürich
Politischer Hintergrund: Überschneidung von Kultur- und Wirtschaftspolitik
Die nach dem Subsidiaritätsprinzip primären Zuständigkeiten der Kulturförderung liegen in der Schweiz bei
Gemeinden und Kantonen. Damit verbunden ist der Einsatz des Kulturetats für die ‹kulturelle Grundversor-
gung›. Der privatwirtschaftliche Sektor der Kreativwirtschaft ist hingegen bei der Wirtschaftsförderung der
Stadt Zürich und bei der Standortförderung des Kantons angesiedelt. Diese Aufteilung lässt darauf schlie-
ssen, dass die Kulturpolitik vorwiegend für den öffentlichen Sektor zuständig ist (vgl.Anhang, das Drei-Sek-
toren-Modell). Es kommt in der Stadtverwaltung zu sich überschneidenden Handlungsfeldern; in Bezug auf
Räume ist beispielsweise die städtische Kulturabteilung verantwortlich für die Vergabe von Ateliers, Zwi-
schennutzungsprojekten wie die Werkerei (siehe Seite 36) sind unter der Co-Leitung der Wirtschaftsförde-
rung. Untereinander wird ein guter Dialog gepflegt (InterviewWirtschaftsförderung).
Die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft bewegen sich in allen drei Sektoren; in ihrer Wahrnehmung
werden die Sektoren als ein System wahrgenommen. Von einer zukunftsfähigen Kulturpolitik wird von ih-
nen mehr erwartet als öffentliche Kulturförderung; sie fordern den Einbezug wirtschaftspolitischer Zusam-
menhänge (Held et al., 2005b: 24). Ebenso wichtig ist, dass von Seiten der Politik und der öffentlichen Hand
ein breiter Sichtwinkel beibehalten wird und es nicht zu einer einseitigen Argumentation aus der Optik der
Standortattraktivität kommt (vgl. Anhang,Texte zur Gentrifizierung, Manifest Hamburg).
3.1.1 Förderstrategien und -ziele der Stadt Zürich
S. 32 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Die Strategien Zürich 2025
In der Publikation «Strategien Zürich 2025» (Stadtrat von Zürich, 2011: 7 ff.) wird als Vision festgehalten,
dass Zürich im Jahr 2025 u.a. eine Stadt mit hoher Lebensqualität, herausragenden kulturellen und infra-
strukturellen Einrichtungen und Umweltbedingungen sein soll. Als Herausforderung im Bereich der Krea-
tivwirtschaft wird der zunehmend knapper werdende Raum für junge, imagebildende Kreative genannt.
Weiter ist im Strategiepapier aufgeführt, dass die Stadt die Kreativszene bei der Suche nach geeigneten
Räumlichkeiten, welche die Vernetzung fördern, unterstützt, sich für die Bereitstellung günstiger Räum-
lichkeiten engagiert und dieVernetzung der Akteure der Kreativwirtschaft fördert.
Es geht dabei nicht nur darum, bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen, Zürich soll gene-
rell stärker als kulturelles und kreativwirtschaftliches Innovationszentrum wahrgenommen werden.
Das Kulturleitbild der Stadt Zürich
Mit dem Leitbild zur städtischen Kulturförderung legt das Präsidialdepartement die Schwerpunkte und
Akzente der städtischen Kulturpolitik für vier Jahre (2012 bis 2015) fest und fasst das bestehende, wie auch
das geplante Engagement der Kulturförderung zusammen. In der Gemeinderatsdebatte (November 2011)
nahm der Gemeinderat das Kulturleitbild zur Kenntnis 1
.
Unter dem Legislaturschwerpunkt ‹Kultur- und Kreativstadt Zürich› ist als Ziel festgehalten, dass Kul-
turschaffende wie auch privatwirtschaftlich orientierte Akteure der Kreativwirtschaft «gute Rahmenbe-
dingungen und ein anregendes Umfeld» finden sollen (Stadt Zürich, Präsidialdepartement, 2011: 19). Ein
Fokus soll dabei aufZwischennutzungen gelegt werden. Da Stadt und Kanton wenig eigene Liegenschaften
besitzen, soll dieses Ziel zusammen mit Privaten erreicht werden.
Dass die Raumfrage zum Schwerpunkt wurde, wird auch in der Rede der Stadtpräsidentin zur Gemeinde-
ratsdebatte betont 2
: «Die Kulturproduktion benötigt Räume – preisgünstige Räume, denn die meisten
1 Über die einzelnen Kulturförderungsbeiträge befindet der Gemeinderat in separaten Abstimmungen.
2 Rede der Stadtpräsidentin Corine Mauch, anlässlich der Gemeinderatsdebatte zum Kulturleitbild der Stadt Zürich 2012–2015.
Datum: 09.11.2011, Ort: Zürich;
URL: http://www.stadt-zuerich.ch/prd/de/index/ueber_das_departement/stadtpraesidentin/reden_und_statements.html
[23.08.2012]
S. 33«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Künstlerinnen und Künstler können keine hohen Mieten bezahlen. Wenn Zürich als Produktionsstandort
attraktiv bleiben möchte, braucht es bezahlbaren Produktionsraum». Weiter erwähnt wurde auch, dass
die StadtZürich eine neue, transparente Atelierpolitik etablieren will, bei welcher die Rotation eine stärke-
re Rolle einnehmen soll, als es bisher der Fall war. Innerhalb der Stadtverwaltung sind für die Vergabe und
dieVerwaltung vonAtelierräumen verschiedene Stellen zuständig: die Kulturabteilung, die Liegenschaften-
verwaltung und die Immobilien-Bewirtschaftung. Diese Aufteilung hat zu uneinheitlichen Vergabekriterien
geführt. Es sollen nun dieTransparenz erhöht und neue Bedingungen ausgearbeitet werden.
Zusammenfassung der städtischen Ziele zur Förderung der
Zürcher Kreativwirtschaft
Folgende Ziele können somit zusammengefasst werden:
•	 Die Stadt schafft geeignete Rahmenbedin-
	 gungen für die Kreativwirtschaft.
•	 Sie will verstärkt als ein kulturelles und
	 kreativwirtschaftliches Innovationszentrum
	 wahrgenommen zu werden. (Es gilt dabei
	 der Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit; d.h.
	 es wird keine Industriepolitik betrieben 1.
.)
•	 Die Stadt Zürich nimmt die Rolle der
	 Vermittlerin wahr; sie fördert damit die
	 Vernetzung der Akteure der Kreativwirt-
	 schaft und stärkt deren Sichtbarkeit im In–
	 und Ausland. 2
•	 Mit einer aktiven Raumpolitik engagiert
	 sich die Stadt für die Bereitstellung günsti-
	 ger Räumlichkeiten, wobei ein spezieller
	 Fokus auf dem Modell der Zwischennut-
	 zung liegt.
•	 Im Gegensatz zu Basel, wo einige etablierte
	 Teilmärkte besonders gewichtet werden
	 (Architektur, bildende Kunst, Design, vgl.
	 Rossel, 2010: 138) setzt sich Zürich für
	 alle Bereiche ein.
•	 Die Stadt begrüsst Eigeninitiativen der Ak-
	 teure der Kreativwirtschaft und hilft ihnen
	 im Rahmen ihrer Möglichkeiten. 3
1 2 3
1 «Die Industriepolitik ist einTeilbereich derWirtschaftspolitik. Sie umfasst alle wirtschaftspolitischen Massnahmen eines Staa-
tes oder dessenVerwaltungseinheiten, die auf die Struktur und die Entwicklung eines Industriezweiges einwirken. (...)»
(WeblinkWikipedia, Industriepolitik).
2 Vgl. Kapitel Standortmarketing Seite 19, Zurich Creative Day an der Olympiade in London.
3 Es werden von derWirtschaftsförderung keine Betriebsbeiträge an privatwirtschaftlich tätige Unternehmen der Kreativwirt-
schaft gezahlt; (bei Kulturinstitutionen sind im Rahmen der städtischen Kulturförderung Betriebsbeiträge möglich).
S. 34 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
3.1.2 Überblick zu den Massnahmen in Zürich
A) Private Projekte 1
Das Basislager Binz (Weblink Basislager, 2012):
Die Binz galt lange als eines der letzten innerstädtischen Industriegebiete; das Stadtbild von heute zeigt
Wohnsiedlungen und Büro-Gebäude. Das Projekt Basislager mit ca. 180 Containern und einem monatlichen
Quadratmeter-Preis von ca. CHF 20.– entstand auf einer Brache der Eigentümerin Swiss Life (Lebensversi-
cherungen) und im Zusammenhang mit der KTI-Forschungsstudie zone*imaginaire (vom Institut für Raum-
entwicklung HSR Rapperswil, dem INURA Zürich Institut, dem Geografischen Institut der Universität Zürich
sowie dem Institut Urban Landscape der ZHAW Winterthur). Ursprünglich war das Projekt auf eine Dauer
von zwei Jahren befristet, fand dann aber eine Fortsetzung (siehe Basislager Altstetten unter Pkt. B).
Das Kunsthaus Aussersihl (WeblinkVerein Kunsthaus Aussersihl, 2012):
Aus dem Amtshaus im Herzen von Aussersihl sollte nach dem gleichnamigenVerein ein Haus der Kunst und
Kultur werden, ein interdisziplinäres Kompetenzzentrum mit Ateliers, Werkstätten, Experimentierräumen,
Kinderhort, Dachkantine, Konzert-Raum in derTiefgarage u.v.m.: «Das Projekt sieht vor, das Amtshaus auf
dem Helvetiaplatz im Zürcher Kreis 4 als Raum für Kunst- und Kulturproduktion sowie für Präsentationen
von zeitgenössischen und interdisziplinären Kunstformen umzunutzen» (Flückiger und Hongler, 2006: 3).
Dabei wird insbesondere die zentrale Lage geschätzt, die Grösse und Vielfalt der Räume, wie auch die
Möglichkeiten der Vernetzung, die eine interdisziplinäre Nutzung bieten würden. Doch aufgrund verschie-
dener Anspruchsgruppen innerhalb der Stadtverwaltung und deren unterschiedlicher Nutzungsinteressen
stellten Flückiger und Hongler (2006: 18) fest, dass das Projekt «nicht einfach durchsetzbar» sei.
DerAnspruch, der für eine temporäre Nutzung geltend gemacht wurde, konnte bis heute nicht bedient wer-
den. Das Gebäude wird von der Stadt nach wie vor als ‹Back-up› bzw. Raumreserve genutzt, wenn Umzüge
und Renovationen verschiedener Abteilungen der Stadtverwaltung anstehen.
(Stand 09.12: Der Verein Kunsthaus Aussersihl setzt sich nach wie vor aktiv für die Umwandlung der Nutzung
des Amthauses ein.)
1 Auf Projekte, die durch Initiative von privatwirtschaftlich tätigen, arrivierten Unternehmen der Kreativwirtschaft entstanden
sind (Bsp. das NOERD in Oerlinkon von der FREITAG lab. AG und Aroma Productions oder der Supertanker in der Binz), wird
an dieser Stelle nicht weiter eingegangen. Im Fokus unter Pkt. A stehen private Projekte für einzelne, freischaffende Kreative.
S. 35«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
B) Private Projekte mit Beteiligung der öffentlichen Hand
Das Basislager Altstetten (Weblink Basislager, 2012):
Nach einem erfolgreichen Start in der Binz fand das Container-Dorf im Sommer 2012 in Altstetten einen
neuen Standort. Die Swiss Life ist nach wie vor Eigentümerin, dassAreal wird von der Stadt Zürich für ca. 15
Jahre zurVerfügung gestellt (InterviewWirtschaftsförderung).
Die Mobilität von Immobilien scheint dem Zeitgeist zu entsprechen. Das Konzept wurde von der Stadt
Basel übernommen: Auf dem Dreispitzareal der Christoph Merian Stiftung kam das gleiche Container-
Modell zum Einsatz (Interview R. Rossel).
Die Atelier-Räume Migros Herdern:
In der Kulturförderungslandschaft der Schweiz kommt dem Migros-Kulturprozent eine bedeutende Rolle
zu, die weit über der ‹corporate responsibility› vergleichbarer Konzerne liegt: Die langjährige Tradition, ei-
ner breiten Bevölkerungsschicht einenZugang zu kulturellen und sozialen Leistungen zu ermöglichen, zeigt
sich in verschiedenen Engagements. Mit einem der neusten Projekte ‹Migros Herdern› im Kreis 5 sollen
Ateliers- und Lagerräume für Kulturschaffende für maximal zwei Jahre (Herbst 2012 bis Ende 2017) ent-
stehen. Nebst der Migros sind die ZHdK und die Stadt Zürich an der Planung und Finanzierung beteiligt.
Mit dieser Zwischennutzung soll «ein innovatives Fördermodell initiiert und geprobt werden, das jungen,
besonders talentierten Absolventen der ZHdK zugute kommt» (Stadtrat Zürich, 2012). Die Fläche beträgt
rund 1000 Quadratmeter. Die Stadt Zürich investiert einen jährlichen Betrag von CHF 160K.
(Stand 09.12: Die Ermächtigung für den Abschluss des Mietvertrags wurde vom Gemeinderat mit 77 Ja- gegen
34 Nein-Stimmen gutgeheissen.) 1
1 Gemeinderatsbeschluss gemäss URL http://www.gemeinderat-zuerich.ch/ [06.09.2012]
«Das Basislager ist super in Punkto
Konditionen undVernetzung.»
(Cornelia M., Mieterin seit 08.2012)
S. 36 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Löwenbräu:
Im Löwenbräu-Areal wird durch den Immobilienerwerb von der Löwenbräu Kunst AG privaten Galerien und
ansässigen Kulturinstitutionen eine langfristige Grundlage gesichert. Die Löwenbräu Kunst AG ist ein Pub-
lic Private Partnership Projekt, an der die Stiftung KunsthalleZürich, der Migros-Genossenschafts-Bund und
die Stadt Zürich zu je einem Drittel beteiligt sind (Weblink Kunsthalle, 2012).
(Stand 09.12: Die Eröffnung fand diesen August [2012] statt.)
C) Projekte der öffentlichen Hand:
Die Werkerei in Schwammendingen (WeblinkWerkerei, 2011):
Im Hinblick auf die geplante Einhausung der A1 verlegte die Automobilfirma AMAG ihren Sitz stadtaus-
wärts. Das zuvor von ihr belegte ca. 10 000 m2
grosse AMAG-Areal wurde von der Stadt Zürich für min-
destens fünf Jahre gemietet. In Zusammenarbeit mit dem auf Zwischen- und Umnutzungen spezialisierten
Immobilienverwalter ‹Fischer Liegenschaften› werdenAteliers,Ausstellungsräume undWerkstätten an Kre-
ative untervermietet. Quadratmeter-Preis pro Jahr: ca. CHF 60.– bis 150.–.
Der Stadt Zürich wird die Rolle als Hauptmieterin für eine Zwischennutzung zugetragen. Der Stadtrat bean-
tragte ein Budget von max. CHF 810K für ungedeckte Kosten aus Untervermietung (plus einmalige Umbau-
kosten von ca. CHF 3,8 Mio.). «Die AMAG-Zwischenlösung trägt zum Erhalt der urbanen Vielfalt bei und ist
eine Chance, im umgebenden Quartier einen neuen Akzent zu setzen» (Stadtrat Zürich, 2010).
«Das ist eine einmalige Gelegenheit
für uns in Zürich Fuss zu fassen.»
(Kunstbedarf boesner,
Mieter eines Raums im EG
derWerkerei, 2012)
S. 37«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
D) Weitere Projekte und Projekt-Ideen der öffentlichen Hand
Creative Zurich Wednesday im HUB:
Die Creative Zurich Wednesday Veranstaltungen – früher im Carabet Voltaire und seit 2006 im HUB Zürich
(Viadukt im Kreis 5) – finden vier mal jährlich zu akutellen Themen und Trends der Kreativwirtschaft (z.B.
Creative Entrepreneurship, Film Location Zürich, Social Media, Zürich als Mode-Standort etc.) statt. Die
Teilnahme ist kostenlos. Die Creative Zürich Initiative dient der Stärkung der Zürcher Kreativwirtschaft und
ist ein offener und unabhängiger Bund vonAkteuren aus kreativen Branchen. DieWirtschafts- undStandort-
förderung von Stadt und Kanton Zürich sind für die Koordination verantwortlich und werden von weiteren
Partnern unterstützt (Weblink Creative Zurich).
Relaunch derWeb-Plattform (in Planung):
Ein Relaunch des Creative Zurich Web-Portals (Weblink creativezurich, 2012) als neue Austauschplattform
ist in Planung. Die neueWebsite soll einen Überblick über die Zürcher Kreativ-Szene bieten. Für das Projekt
verantwortlich zeichnen sich die Wirtschaftsförderung der Stadt und die Standortförderung des Kantons
Zürich.
Das folgende Projekt, welches nicht in ursprünglich geplanter Form umgesetzt werden konnte, soll an dieser Stelle ebenfalls
kurz erwähnt werden, zumal es sich um ein interessantes und zu seiner Zeit visionäres Konzept handelte:
Media Campus:
Für die Räumlichkeiten, wo früher die Kunst-Zeitschrift ‹DU› produziert wurde, lancierte die Stadtentwick-
lung 1998 eine, zu diesemZeitpunkt visionäre Projektidee für innovative Jung-Unternehmen aus der Media-
Welt (Telecom, Informatik, Medien). Die Gewerberäume setzten in Bezug auf IT und Kommunikationstech-
nologie neuste Standards für Start-ups, wie auch für Konferenzen und Events. Die Eröffnung des Media
Campus fand im November 2002 statt, zu einem Zeitpunkt, wo sich «die wirtschaftlichen Rahmenbedin-
gungen radikal verschlechtert» haben (Stadtentwicklung, 2003: 12). Mögliche weitere Hindernisse, die dem
Erfolg des MediaCampus wahrscheinlich imWege standen, waren, dass die konzeptionelleAusrichtung von
der Liegenschaftenverwaltung zu wenig mitgetragen wurde, dass Altstetten von potenziellen Anker-Mie-
tern nicht als Szenen-nahes Gebiet betrachtet wurde, und dass die Mietbedingungen (wegen der grossräu-
migen Einteilung) zu wenig auf einzelne Kreative zugeschnitten waren (Interview. R. Blancpain).
S. 38 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
3.1.2 Mögliche Hindernisse für Zwischennutzungen
Zwischennutzungen werden von der Stadtentwicklung als bedeutendes Instrument der Förderung zum
Thema Räume gesehen. Da die öffentliche Hand selber (verglichen mit anderen Ländern) wenig eigene
Liegenschaften besitzt, sind Entscheide zu Zwischennutzungen oft von privaten Eigentümern abhängig.
Es wird angestrebt, weitere Projekte mit temporären Nutzungen – analog Modell ‹Werkerei› – umzusetzen,
um die ungebrochene Nachfrage 1
zu bedienen.
Eine Zwischennutzung scheint bei privaten Grundbesitzern oft mit negativenVorurteilen belegt zu sein. Zu
Unrecht, wie das Bundesamt für Umwelt [BAFU] angibt. Auf der eigens dafür eingerichteten Website (Web-
link [BAFU], 2010), liefert ein Leitfaden wichtige Informationen, wie eine Zwischennutzung erfolgreich lan-
ciert und umgesetzt werden kann. Das Forschungsprojekt zone*imaginaire (Angst et al., 2010; siehe auch
Basislager Binz) untersuchte und verglich Zwischennutzungen in ehemaligen Industriearealen und lieferte
wichtige Erkenntnisse für den Leitfaden.
Auch einer gewünschten Ausgestaltung der Räume durch die Mieter aus der Kultur- und Kreativwirtschaft
sowie neuen Formen des Wohnens und Arbeitens (vgl. Kapitel Revitalisierung von Industriearealen (...) ,
Seite 16) dürften gewisse Hindernisse imWege stehen:
Ein Gebäude im ‹Rohzustand› den Mietern zu überlassen ist für die Städtische Liegenschaftenverwaltung
eher ungewohnt, da unter Umständen mit unkalkulierten Variablen gerechnet werden muss, wie beispiels-
weise von den Mietern nachträglich eingereichte Bewilligungen, die ursprünglich nicht im Budget einge-
plant wurden. Und bei einer gemischten Nutzung vonWohn- undArbeitsraum (Bsp.Wohnateliers) stellt sich
die Frage derVereinbarkeit mit den aktuellen Regelungen zu Gewerbe- undWohnzonen.
1 Zur Nachfrage: Es sind beispielsweise nur bereits auf derWarteliste für Atelier-Räume in der Roten Fabrik rund 50 Künstler
verzeichnet (Stadtrat Zürich, 2012: 2); die Situation für Kreative auf dem privatwirtschaftlichen Sektor ist ähnlich schwierig,
zumal die marktüblichen Quadratmeter-Preise die finanziellen Möglichkeiten von Einzel- und Kleinstunternehmen der Krea-
tivwirtschaft übersteigen (vgl. Umfrage ab Seite 40).
S. 39«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
3.1.3 Fazit zum Kapitel 3.1,
Situationsanalyse Zürich
Staatliches Engagement im Sinne der Kulturförderung wird oft nur mit der direkten Unterstützung von
Künstlern in Verbindung gebracht, doch durch das enge Beziehungsgeflecht ist es indirekt auch für weite-
re Akteure der Kreativwirtschaft von grosser Bedeutung. Umgekehrt profitieren Künstler die beispiels-
weise im privatwirtschaftlichen Sektor freelancen wiederum von Kreativ-Unternehmen. Die Verflechtung
der drei Sektoren (vgl. Anhang: Darstellung des Drei-Sektoren-Modells) wird von kreativ Tätigen als ein
System wahrgenommen. Auf Seite der Stadtverwaltung sind jedoch je nach Sektor verschiedene Bereiche
zuständig.
Der Legislaturschwerpunkt ‹Kultur- und Kreativstadt Zürich› unterstreicht die Bedeutung der Kreativwirt-
schaft für den Standort Zürich. Die Gesamtstrategie, wie auch das Leitbild zeigen, dass das Problem eines
zunehmend knapper werdenden Raum-Angebots für Kreative anerkannt wurde. Bereits heute überwiegt
die Nachfrage bei weitem das Angebot – Tendenz steigend. Die Stadt setzt sich dafür ein, bessere Rah-
menbedingungen zu schaffen, wobei verschiedene Massnahmen für eine Entspannung der Lage bereits
umgesetzt wurden; weitere sind in Planung. Es wird dabei von einer klassischen Industriepolitik (im Sinne
einer einseitigen Unterstützung der Kreativwirtschaft gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen) abgese-
hen. Im Fokus stehen Zwischennutzungsprojekte, die bei Privaten zu unrecht mit negativen Vorurteilen
belegt sind.
DieSchwierigkeitenbeikünftigenMassnahmenderöffentlichenHandwerdenwohldarinliegen,wirtschaft-
liche, kulturelle und städtebauliche Interessen der jeweiligenAnspruchsgruppen zu vereinen und private
Grundeigentümer für Zwischennutzungsprojekte zu gewinnen.
Und welche Anliegen werden von den Kreativen selbst geäussert? Die folgende Bedürfnisabklärung soll
dazu die Antworten liefern.
S. 40 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
3.2 Bedürfnisabklärung
3.2.1 Anmerkung zur Datenerhebung
Angaben zur Umfrage
Der Bedürfnisabklärung liegt die Annahme zugrunde, dass ‹günstiger› Raum eine zentrale Vorausset-
zung für eine prosperierende Kreativwirtschaft ist, und dass trotz der jüngsten Massnahmen der Stadt
(vgl. Kapitel Situationsanalyse Seite 31) nach wie vor ein grosser (steigender) Bedarf an Atelier- und Miet-
räumen für Kreative in urbanen Gefilden besteht.
Wichtig zu beachten ist, dass es sich bei der Bedürfnisabklärung um keine repräsentative Umfrage handelt.
Es geht vordergründig darum, die eigene Sichtweise zu erweitern, um nicht zu stark von einer Selbstwahr-
nehmung geleitet zu werden. (Zum Umfang der Antworten riet die Abteilung Forschung und Dienstleis-
tung der ZHAW zu einer Anzahl von ‹gegen 100 Beantwortungen›.) Zum Zeitpunkt der Auswertung wurden
108 vollständig ausgefüllte Fragebogen berücksichtigt.
Die Daten wurden anonym mittels Online-Fragebogen (sieheAnhang) erhoben, wobei nur eine Beantwor-
tung je IP-Nummer zugelassen wurde, um Mehrfachteilnahmen auszuschliessen. Der Fragenkatalog sowie
die detaillierten Angaben der Bemerkungs-Felder werden von der Autorin aufbewahrt und können für eine
Einsichtnahme auf Wunsch vorgelegt werden. Da die Umfrage auch als Link via Social Media und über On-
line-Plattformen gestreut wurde, wird keine Rücklaufquote ermittelt.
Ziele der Befragung
Das Ziel der Umfrage ist, dass der aktuelle Diskurs der Kreativ-Szene aufgegriffen wird, dass gemeinsame
Erwartungen und Hoffnungen festgehalten sowie gemeinsame Problemkreise abgeleitet werden. Die
Fördermassnahmen der Stadt konzentrieren sich auf das Thema Raum; Vergleiche mit anderen Ländern
zeigen, dass die Raumvermittlung und –beschaffung ein Förderinstrument aus einer Reihe verschiedener
S. 41«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
möglicher Massnahmen ist. Die Bedürfnisabklärung soll aufzeigen, bei welchemThemenbereich der Förde-
rung die Prioritäten liegen sollen. Weitere Abfragen beleuchten einzelne Aspekte der Raum-Frage (Stadt-
raum wie auch Anforderungen an Arbeitsräume) sowie die Rollen der Akteure der Raumvermittlung.
Zielgruppe der Umfrage
Der Fragebogen wurde ausschliesslich an aktuelle und potenzielleAtelier-Nutzer (verschiedenerTeilmärk-
te) der Stadt Zürich gesandt. Die Adressen setzen sich zusammen aus dem persönlichen Adressbuch der
Autorin sowie aus recherchierten Kontakten von Atelier-Gemeinschaften und Zusammenschlüssen Kreati-
ver (z.B. Genossenschaften).
Die Umfrage konzentriert sich auf ein Basis-Segment mit Freischaffenden, Künstlern, Cultural Entrepre-
neuren sowie Einzel- und Kleinstunternehmen, nicht auf arrivierte Unternehmen der Kultur- und Kreativ-
wirtschaft. Es wurden gezielt Personen angeschrieben, die sich zwischen Freiberuflichkeit und Selbständig-
keit bewegen und deren Raumbedürfnisse besonders stark von den Kosten abhängig sind.
Ein Beispiel: Ein freischaffender Musiker hat eine andere Kosten-Abhängigkeit wie ein, von einem etab-
lierten Unternehmen angestellter Journalist. In diesem Sinne wurde darauf geachtet, dass mehr vomTypus
‹Musiker›, als ‹angestellter Journalist› für die Umfrage zugelassen wurden.
Bei der Interpretation der Resultate wird davon ausgegangen, dass sich die Raumbedürfnisse je nach Teil-
markt sehr stark voneinander unterscheiden.
Auch hierzu ein Beispiel: Ein Software Engineer der vorwiegend von mobilen Stationen aus arbeitet, hat
gänzlich andere Raumbedürfnisse als ein Bildhauer. Bei derZielgruppe derUmfrage wurden in diesemSinne
mehr Personen mit Raum-Abhängigkeit – oder, wie im Beispiel genannt, mit den Bedürnfissen eines Bild-
hauers – berücksichtigt.
S. 42 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
0 1 2 3 4 5 km
Die Stadt-Quartiere
Zum besseren Verständnis wird im Folgenden eine Karte 1
dargestellt mit den Zürcher Stadtquartieren, die
in der Umfrage und Interpretation genannt werden:
2
1 Abbildung: Quelle URL http://de.wikipedia.org/wiki/Zürich (Quartiere der Stadt Zürich), [10.09.2012]
2 Mit ‹Züri-West› (ugs.) ist der untere Kreis 5 (Escher-Wyss) gemeint.
Kreis 1, Altstadt
Kreis 2, Enge/Wollishofen
Kreis 3, Wiedikon
Kreis 4, Aussersihl
Kreis 5, Industrie 2
Kreis 6, Unter-/Oberstrass
Kreis 7, Fluntern, Hirslanden
Kreis 8, Seefeld, Riesbach
Kreis 9, Albisrieden, Altstetten
Kreis 10, Höngg,Wipkingen
Kreis 11, Oerlikon, Seebach, Affoltern
Kreis 12, Schwamendingen
S. 43«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
3.2.2 Auswertungen und Interpretationen
A) Zusammensetzung der Befragten
Die einleitenden Fragen geben Auskunft zum Alter, den Tätigkeitsbereichen und Anstellungsverhältnis-
sen der Teilnehmenden. Die Gliederung der Teilmärkte entspricht dem aktuellen Kreativwirtschaftsbericht
(Weckerle und Theler, 2010: 13); sie wurden im Fragebogen in vereinfachter Form genannt, z.B. ‹Bereich
Musik› anstatt ‹Teilmarkt Musikwirtschaft›. Der Begriff ‹Wirtschaft› wird oft mit einer Kommerzialisierung
in Verbindung gebracht und kann die Interpretation der Frage durch die Zielperson fehlleiten; (siehe auch
Seite 21 Kreativwirtschaft, Begriff stösst auf Ablehnung).
A1) Alter 16 – 25 J.	 (3.7 %)
25 – 35 J.	 (33.3 %)
35 – 45 J.	 (45.4 %)
45 – 55 J.	 (13.9 %)
> 55 J.	 (4.6 %)
A3) Anstellungsverhältnis
85 (bzw. 78.7 %) von total 108 (100 %) der
Befragten gaben an, dass sie einer selbstän-
digen Erwerbstätigkeit nachgehen (kein
Anstellungsverhältnis).
01. Musikwirtschaft
02. Buchmarkt
03. Kunstmarkt
04. Filmwirtschaft
05. Rundfunkwirtschaft
06. Markt der darstellenden Kunst
07. Designwirtschaft
08. Architekturmarkt
09.Werbemarkt
10. Software-/Games-Industrie
11. Übrige: Kunsthandwerk,
Pressemarkt, Phonotechnischer
Markt
(12.0 %)
(5.6 %)
(36.1 %)
(10.2 %)
(2.8 %)
(5.6 %)
(32.4 %)
(8.3 %)
(19.4 %)
(4.6 %)
(21.4 %)
A2)Tätigkeitsbereich (Teilmarkt)
07 09
03
S. 44 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Fortsetzung Pkt. A) Zusammensetzung der Befragten:
•	 Der Grossteil der Befragten (rund 80 %) ist zwischen 25 und 45 Jahre alt.
•	 Stark vertreten sind die Bereiche Kunst (03. Kunstmarkt) und Design
	 (07. Designwirtschaft, freischaffende Grafiker, Fotografen, Graphic Designer, Product Designer u.a..).
•	 Deutlich erkennbar ist auch der hohe Anteil der Selbständigen.
Interpretation:
Es wurden wie erwähnt Zielpersonen aus sämtlichen Teilmärkten berücksichtigt; die Grössenverhältnisse
widerspiegeln aber nicht das schweizweite Bild. Zu den grössten Teilmärkten der Schweizer Kreativwirt-
schaft gehören (nachTheler, 2012: 32):
•	 die Designwirtschaft,
•	 der Architekturmarkt,
•	 und die Software und Games-Industrie
•	 sowieTeile des Pressemarkts.
Doch wie bei der Zielgruppe der Umfrage angegeben, richtet sich diese Befragung primär an das Basis-Seg-
ment von Freischaffenden mit einer hohen Abhängigkeit von tiefpreisigen Räumen. Es kann davon ausge-
gangen werden, dass die relevanten Stimmen – auch wenn die proportionaleVereilung derTeilmärkte nicht
dem üblichen Bild entspricht – erreicht wurden.
Weiter ist anzunehmen, dass der Begriff ‹Kreativwirtschaft› in der Kreativwirtschaft selber (noch) wenig Be-
kanntheit geniess. Es kann von den Befragten nicht genau zugeordnet werden, welche Tätigkeitsbereiche
dazugezählt werden.
Im direkten Dialog und in einigen Bemerkungen zum Fragebogen wurde zudem immer wieder eine gewis-
se Skepsis spürbar zwischen den Sparten Kunst und Kultur und dem privatwirtschaftlicheren Sektor.
S. 45«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
B) Art des Raums und Raum als Arbeitsort
Die Fragen zu diesemThemenbereich zielten darauf ab, herauszufinden, welcheArt von Räumen bevorzugt
werden und ob sich die Redewendung «new ideas need old buildings» bewahrheiten sollte. Der zweite
Punkt thematisiert Raum im weiteren Sinne und zeigt in welchem Quartier in Zürich die Kreativen jetzt
ansässig sind bzw. in welchemStadtteil sie gerne wären.Zudem soll verdeutlicht werden, obZürich generell
als attraktiver Standort empfunden wird oder es ausGründen der Konkurrenz, fehlenderAuftraggeber u.a.
zumAusdruck einer gegenteiligen Meinung kommt. Im Dialog mit Freischaffenden, die einigeJahre in Berlin
lebten, ist oft von einem ‹Überangebot von Kreativen› und dem Zusammenhang mit ‹Dumping Preisen› die
Rede.Wie viele Kreative verträgt eine Stadt? Diese Aussagen und Gedanken waren ausschlaggebend dafür,
die Frage zu B 3 einzubauen.
B1) Art der Räume
B2) Stadtkreise
Industriehallte, Fabrikgebäude
A) 15.7 %	 B) 47.2 %
Bürohaus, Atelier in einem Mietshaus
A) 49.1 %	 B) 22.2 %
Umgenutztes Ladenlokal
A) 4.6 %	 B) 22.2 %
Container / anderes
A) 10.2 %	 B) 7.4 %
Zimmer/Raum in derWohnung
A) 20.4 %	 B) 0.9 %
A = IST-Zustand
B = Soll bzw.WunschA
A
A
A
A
B
B
B
B
B
0		 20	 40	 60
Kreis 1	 A) 2.8 %	 B) 29.6 %
Kreis 2	 A) 7.4 %	 B) 23.1 %
Kreis 3	 A) 6.5 %	 B) 64.8 %
Kreis 4	 A) 25.9 %	 B) 68.5 %
Kreis 5	 A) 11.1 %	 B) 64.8 %
Kreis 6	 A) 1.9 %	 B) 17.6 %
Kreis 7	 A) 0.0 %	 B) 6.5 %
Kreis 8	 A) 4.6 %	 B) 19.4 %
Kreis 9	 A) 25.0 %	 B) 29.6 %
Kreis 10	 A) 4.6 %	 B) 23.1 %
Übrige*	 A) 10.2 %	 B) 4.0 %
(*Kreise 11 und 12)
0 10 20 30 40 50 60 70 80
A
B
A
B
A
B
A
B
A
B
A
B
A
B
A
B
A
B
A
B
A
B
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Ü
A = IST-Zustand
B = Soll bzw.Wunsch
S. 46 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Fortsetzung Pkt. B) Art des Raums und Raum als Arbeitsort:
•	 Raum ≠ Raum. Als meist genutzte Art der Räume wurden Büro-Räume angegeben. Ein Büro-Komplex
	 wirdaberbeiweitemwenigergewünscht,alseinroher,alterBau,eineIndustriehalle,einFabrikgebäude
	 o.ä., wo selber Hand angelegt werden kann, der zugleich Atelier und Inspirationsquelle ist und einfach
	 mit demVelo erreicht werden kann.
•	 Büro-Räume schneiden dennoch besser ab, als Container, wobei letzteres eine neue Form von Atelier-
	 Raum ist und aus diesem Grund wahrscheinlich noch weniger bekannt, (vgl. Weblink Basislager).
•	 Eine Umnutzung von Ladenlokalen scheint auch sehr interessant zu sein. Ein, im Kreis 4 häufig
	 anzutreffendes Beispiel sindArchitekturbüros in ehemaligen Ladenlokalen, mitArchitekturmodellen in
	 den Schaufenstern und Arbeitsplätzen im hinterenTeil der Räume.
•	 Die befragtenAkteure aus der Kunst- und Kulturszene wie auch aus dem privatwirtschaftlichen Bereich
	 der Kreativwirtschaft sind hauptsächlich in den Kreisen 4 und 9 ansässig. (Wie erwähnt sind arrivier-
	 tereUnternehmen,wiebekannteWerbeagenturenimSeefeldoderdasVerlagswesenrundumsBellevue
	 in dieser Umfrage unterproportional vertreten.)
•	 Die Stadt Zürich wird von einer klaren Mehrheit (rund 89 %) als attraktiver Standort beurteilt. Es war
	 lediglich einmal in einem Kommentar von ‹Dumping› die Rede und einer Forderung nach branchenübli-
	 chen Standard-Tarifen im Bereich Grafik.
B3) Attraktivität des
Standorts Zürich
Ja (attraktiver Standort): 88.9 %
Nein (unattraktiv): 11.1 %
S. 47«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Interpretation:
Die zentralen Stadtkreise 3, 4 und 5 werden mit einem erheblichen Vorsprung auf andere Kreise als
Wunsch-Gebiete angegeben, gefolgt von den Kreisen eins (Altstadt) und neun (Altstetten). Es ist anzuneh-
men, dass sich das Image vonAltstetten stark veränder hat, vgl. hierzu Klaus (2006: 197): Altstetten wurde
2006 als ‹trostlos› oder ‹verloren› wahrgenommen.
Es erstaunt der tiefe Prozent-Wert für den Kreis 5. Im zweiten Zürcher Kreativwirtschaftsbericht (Sönder-
mann,Weckerle et al., 2008) wurde der Kreis 5 mit hoher Kreativdichte angegeben. Es ist davon auszugehen,
dass baulicheVeränderungen und steigende Bodenpreise in ‹Züri-West› (Primetower, Mobimo u.a.) bereits
einen Einfluss darauf hatten. Die Kreativwirtschaft ist nach Erfahrung derAutorin nach wie vor im Kreis fünf
vertreten, aber mit anderen Sparten (Bsp. Löwenbräu: früher Projekttheater, Raum für Plattentaufen u.a.,
heute Galerien und Museen).
C) Raum-Eigenschaften
Zu diesem Punkt wurden einerseits geografische und räumliche Kriterien sowie die Tendenzen zur Bele-
gungs-Dauer (Zwischennutzung vs. langfristig) ermittelt, wobei als Langfristig > 5 Jahre angegeben wurde.
Zwischennutzungen können durchaus auch länger dauern: Das Basis-Lager war ursprünglich für zwei Jahre
angedacht, dieWerkerei wie auch die Ateliers Migros Herdern für mindestens fünf Jahre. Der Durchschnitt
bei den «grössten Schweizer Industriebrachen» liegt hingegen bei 13 Jahren (Angst et al., 2010: 106).
C1) Raum-Eigenschaften:Welche
Bedeutung kommt der jeweiligen
Eigenschaft zu?
A = Sehr wichtig
B =Wichtig
C = Unwichtig
D = Egal, keine
Meinung
1 = Günstige Miete
2 = Art des Raums
3 = geistiger Freiraum
(i.S.v. urbanes Gebiet,Toleranz)
4 = Durchmischung &Vielfalt
im Quartier
1	 2	 3 4
65.7 % 48.1 %
43.5 % 41.7 %
S. 48 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Fortsetzung Pkt. C) Raumeigenschaften:
•	 Die Prioritätenverteilung zu verschiedenen Raum-Eigenschaften zeigt folgendes Bild:
	 Als wichtigste Bedingung wurde eine ‹günstige Miete› 1
genannt.
•	 Die Art des Raumes (Fabrikhalle, Bürogebäude o.a.) wurde ebenfalls as ‹sehr wichtig› angegeben.
	 Kriterien wie ein urbanes Umfeld sowie die (soziokulturelle) Durchmischung im umliegenden Quartier
	 hingegen werden deutlich weniger stark gewichtet.
•	 Aus den Angaben unter ‹sonstiges› waren folgende Mehrfachantworten auszumachen:
	 «AnschlussÖV &Verkehr, Lage (mitVelo erreichbar, nahe amWohnort), kleine Raumaufteilung»
•	 Die Mehrheit (knapp 80 %) spricht sich aus für einen Bedarf an einer langfristigen (Raum-)Lösung bzw.
	 für eine (Miet-)Dauer von 6 und mehr Jahren.
1 ‹Günstig› wurde nicht in Zahlen spezifiziert, hier soll mehr die Beziehung der einzelnen Kriterien untereinander verdeutlicht
werden. So wird beispielsweise die Gewichtung des Kriteriums der Miete in Beziehung gestellt mit dem des ‹urbanen Umfelds›,
denn erschwingliche Räume sind oft in der Peripherie oder in ländlichen, weniger urbanen Gebieten vorhanden.
C2) Zwischennutzung vs. langfristige Nutzung
Zwischennutzung: 21.3 %
Langfristig (> 5 Jahre): 78.7 %
S. 49«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Interpretation:
Aus der starken Gewichtung des Kriteriums Miete stellt sich deutlich heraus, dass die üblichen Marktpreise
für leerstehende Räume dieVorstellung der Kreativen von ‹günstig› oder ‹zahlbar› übersteigen.
Oft wird eineZwischennutzung als, für die Kurzlebigkeit der Kreativwirtschaft perfekt zugeschnittene Mass-
nahme betrachtet. Dem ist jedoch anzuführen, dass der langfristigen Perspektive von 6 und mehr Jahren
eine hoheWichtigkeit beigemessen wird.An dieser Stelle soll nochmals kurz in Erinnerung gerufen werden,
dass die grösste Gruppe der Beantwortenden (mit 45 % knapp die Hälfte) Personen im Alter von 35 und 45
ausmachen, was möglicherweise bei der Beantwortung der Frage zum Zeithorizont (kurzsfristig vs. > 5 J.)
zum Ausdruck kam. Es kann interpretiert werden, dass in dieser Lebensabschnittsphase die Beständigkeit
eine höhere Bedeutung hat und längerfristige Lösungen bevorzugt werden.
D) Modelle und Rechtsformen
Bei diesen beiden Charts geht es primär um mögliche Organisationsformen der Mietenden:
Chart 1 zeigt die Antworten auf denVorschlag eines Gebäudekomplexes, mit der Möglichkeit, gemeinsam
gewisse Dienstleistungen und Geräte (z.B. kaufmännische Dienstleistungen wie Buchhaltung bis hin zu
technischer Infrastruktur wie Drucker etc.) zu beziehen. Um in der knapp formulierten Fragestellung As-
soziationen zu ähnlichen Konzepten (Bsp. Media Campus, siehe Seite 37) zu ermöglichen, wurde der weit
bekannte ‹Technopark› genannt.
Beim zweiten Chart geht es um die organisatorische Form für die Vermietung, bzw. ob eine Gliede-
rung in einzelne Mietparteien aus Sicht der Kreativen mehr Anklang findet wie eine Vermietung an einen
Zusammenschluss von Kreativen (z.B. eine Genossenschaft) oder ob eine Beteiligung als Eigentümer in
Frage käme. Die letzgenannte Idee, Kreative als Eigentümer an Gebäuden zu beteiligen geht auf ein TV-
Interview mit dem US-amerikanischen Ökonomen Richard Florida zurück. Als eine mögliche Teilnahme an
der Immobilienaufwertung durch Gentrifizierungsprozesse schlug er vor, Kreative – oft Auslöser, nicht aber
Nutzniesser der Aufwertung – als Eigentümer an Gebäuden zu beteiligen; «(...) wenn derWert der Künstler-
quartiere steigt, können sie verkaufen, wenn sie wollen, oder aber an dem Ort bleiben, wo sie Schweiss und
Herzblut investiert haben (...)» (TV-Interview R. Florida).
S. 50 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012)
Fortsetzung Pkt. D) Modelle und Rechtsformen:
•	 Für etwas mehr als die Hälfte der Befragten käme ein Modell ‹analog Technopark› in Frage, rund ein
	 Drittel findet es nur unter gewissen Bedingungen interessant, (Bedingungen siehe Folgeseite).
•	 Der Chart 2 verdeutlicht, dass eineVermietung an einzelne Mietparteien am meisten geschätzt wird. 	
	 Hierzu wurde von einer Person folgende, spannende Idee formuliert: «Jedes neu erstellte Gebäude der
	 Stadt oder Bürogebäude sollte auch ein Stockwerk für Kreativschaffende haben, und von den Büros
	 mitfinanziert werden (...) ».
D1) Konzept ‹Technopark für Kreative›:
Einzelne Räume können zu guten Konditionen
gemietet werden, gewisse Leistungen z.B. im
kaufmännischen Berich und Infrastruktur wie
Drucker etc. werden geteilt.
D2) Beteiligung / Rechtsformen
A) Ja, interessant (59 Personen, 54.6 %)
B) Ich fände es nur unter bestimmten
Bedingungen gut (28 Personen, 25.9 %)
C) Nein, nicht interessant, weil (...)
(21 Personen, 19.4 %)
A)	 B)	 C)
A) Atelier/Raum wird als Eigentum dem
Kreativen übertragen (8 P. / 7.4 %)
B) Atelier/Raum wird (bspw. von der Stadt)
an einzelne Personen untervermietet
(63 P. / 58.3 %)
C) Gebäude wird an eine Gruppe bzw.
Genossenschaft (oder anderer Zusam-
menschluss von Kreativen) übertragen
(37 P. / 34.3 %)
A)	 B)	 C)
59 Personen
(54.6 %)
63 Personen
(58.3 %)
Master Thesis: Die Förderung der Kultur-/Kreativwirtschaft Zürich (2012)
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Master Thesis: Die Förderung der Kultur-/Kreativwirtschaft Zürich (2012)

  • 1. Autorin: Christina Zvecevac, Badenerstrasse 123, 8004 Zürich chriszv@gmx.net Abgabedatum: 28.09.2012 Gutachter: Dr. Philipp Klaus, INURA Zürich Institut GmbH, Dozent ETH und Universität Zürich Dr. Andrea F. G. Raschèr, Raschèr Consulting, Dozent ZHAW Die Förderung der Kultur- und Kreativ- wirtschaft in Bezug auf Räume. ZHAW, Zürcher Hochschule für angewandteWissenschaften MasterThesis MAS Arts Management Eine Situationsanalyse zu den Fördermassnahmen der Stadt Zürich wird einer Bedürfnisabklärung bei Kreativen gegenübergestellt.
  • 2. «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Die Förderung der Kultur- und Kreativ- wirtschaft in Bezug auf Räume. ZHAW, Zürcher Hochschule für angewandteWissenschaften MasterThesis MAS Arts Management Eine Situationsanalyse zu den Fördermassnahmen der Stadt Zürich wird einer Bedürfnisabklärung bei Kreativen gegenübergestellt.
  • 3. Diese Arbeit wurde im September 2012 in 3 Exemplaren einge- reicht, zur Erlangung des vom der ZHAW ausgestellten Fach- hochschuldiploms ‹Master of Advanced Studies ZFH in Arts Management›. Für den folgenden Text wurde hinsichtlich einer besseren Les- barkeit durchgängig die männliche Schreibweise – stellvertre- tend auch für die weibliche Form – gewählt. Die formalen Kriterien (Vorgaben ZHAW) wurden berücksich- tigt; die Ausgestaltung (Font & Design) wurden nach Rückspra- che mit der Studienleitung frei gewählt. Impressum Matrikel-Nummer: S11-464-062 Inhalt, Layout und Fotografie: Christina Zvecevac Produktion: Druckfabrik Züri, 8004 Zürich Auflage (09.2012): 10 Expl. Veröffentlichungen – auch auszugsweise – bedürfen der aus- drücklichen Genehmigung.
  • 4. S. 5«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) I.Vorwort zurThemenwahl Seit vielen Jahren wohne ich im Zürcher Kreis 4, in jenem Stadtteil, der einem starken Wandel unter- worfen war und es nach wie vor ist. Meine Nach- barnwarenfrüherHausbesetzerim‹Egocity›,heute steht dort ein schlecht besuchtesSushi-Restaurant. In der ‹Bäcki› – einst Treffpunkt für Randständige – verbringen Latte-Macchiato-trinkende Frauen mit ihren Kindern in schicken McLaren-Kinderwagen ihre Zeit. Was ich eben etwas polemisch beschrie- ben habe, sind mehrfach erforschte Stadtentwick- lungsprozesse, wie sie weltweit an vielen Orten an- zutreffen sind. Veränderungen im öffentlichen Raum interessier- ten mich immer schon. Ich beobachte sie ja sozusa- gen aus nächster Nähe. Hinzu kommt, dass mir das Thema ‹Raum› auch auf beruflicher Ebene immer wieder begegnet. Ich arbeite in der sogenannten Kreativwirtschaft, genauer, in Kommunikations- und Designagenturen. Beruflich bin ich auf viele einzelne kreative Kräfte angewiesen, die sich pro- jektweise formen und danach wieder andere Wege gehen. Doch wo in Zürich finden sie Ateliers und Arbeitsräume, wenn auch nahe Ausweichorte wie Zürich Altstetten kaum mehr attraktiv und für sie bezahlbar sind? Nicht nur der Bereich ‹Werbung›, auch andere Branchen leben von den gleichen Netzwerken,Trends und Innovationen, die in kre- ativen Milieus bestimmter Stadtteilen entstehen; dort wo Freiräume gelebt und Utopien ausprobiert werden, an Orten, wo Experimente möglich sind. Kleine bunte Oasen, wie sie von der Besetzer-Sze- ne und vielen einzelnen kreativen Kräften geschaf- fen werden, gehören ebenso dazu, wie andere subkulturelle Formen, die sich in urbanen Gebieten ihre Wege bahnen. Doch die Ansiedlung kreativer Milieus bedingt bestimmte Voraussetzungen. Au- sserdem sind Stadtteile, deren struktureller Leer- stand vielen Kreativen gute Chancen eröffnen, oft starkenVeränderungen unterworfen:Auf die Meta- morphose eines rauen Stadtteils zu einem bunten, lebendigen Viertel folgen oft Aufwertungsprozes- se, die das Erscheinungsbild inklusive Bewohner innert weniger Jahre stark verändern. Und die Veränderungen gehen noch weiter und führen zu Frage der Kommerzialisierung von öf- fentlichem Raum und zu Beispielen, wo öffentlicher Raum als Marketinginstrument eingesetzt wird. Es liegt nahe, dass öffentlicher, urbaner Raum für ein Spiel mit Assoziationen genutzt wird. Und dass öf- fentliche Plätze oder Tramstationen nach ansässi- gen Firmen benannt werden (Beispiel: Haltestelle Siemens in Zürich Albisrieden, Tram-Linie 3) sind wir uns genauso gewohnt, wie Unternehmen, die sich in ‹hippen› Quartieren niederlassen um an der
  • 5. S. 6 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Quelle von Trends zu sein (Beispiel: der ‹Gürtel› an Werbe-/Kommunikationsagenturen rund um die Langstrasse). Interventionen jedoch, wie sie von von Borries (2004) in seinem Werk «Wer hat Angst vor Nike- town? Nike-Urbanismus, Branding und die Mar- kenstadt von morgen» beschrieben werden, gehen weiter. Durch verdeckte Marketing-Mechanismen wie bei der Bolzplatz-Kampagne in Berlin werden brand values einer Sportmarke – wie bspw. Frei- heit – räumlich vermittelt. Es kommt zu einem Wechselspiel mit Strasse/Quartier, wobei das Image des Quartiers als Ausdruck eines Lebens- stils und gleichzeitig als Warenbotschafter dient. Schaue ich mir weitere Beispiele aus den letzten Jahren an, wie: – der Grosskonzern Adidas, der sich einer krea- tiven Avantgarde an Street-Artists bedient und Stadtraum in Berlin zur Kulisse seiner Promo- tion ‹Urban Art Rallye› macht inkl. gesponser- tem Online-Stadtführer (Weblink urbanartguide, 2009) , – der Raiffeisenplatz in St. Gallen mit der Stadt- lounge, einem öffentlichen Platz im Cor- porate-Design-Farbton der Bank gestaltet (Weblink Raiffeisen, 2012) oder – Grossanlässe im öffentlichen Raum, wie z.B. Fussball-Public-Viewings, die mit entsprechen- der Markenkommunikation der Sponsoren (kommerzielle Partner derUEFA) zu ‹gebrande- ten› Erlebnisräumen werden, so frage ich mich, wie weit die Umdeutung von öffentlichem Raum in Markenraum noch gehen mag. Schliesslich stellt für mich urbaner öffentli- cher Raum eine Art unersetzliches Gemeingut dar. Doch zurück zu Zürichs Kreis 4: Wie er wohl ausse- hen wird in 10 Jahren? Der im Juli 2012 erschienene Artikel im Tages Anzeiger «Kreative müssen an den Stadtrand» (Metzler, 2012) reiht sich ein, in die Berichterstat- tung diverser Medien über die Stadtentwicklung in Zürich. Künstlerviertel gab es auch in der Vergangenheit. Dass aber Kreative als Speerspitze für Aufwer- tungsprozesse bewusst eingesetzt werden, ist ebenso eine neuere Erscheinung, wie die Nutzung von öffentlichem Raum als Marketing-Instrument. Welche räumlichen Möglichkeiten es für Kreati- ve in Zürich geben wird, sollte aus dem (noch) le- bendigen Langstrassenquartier tatsächlich eine Mischung aus Dienstleistungswüste und Konsum- zone werden, bleibt offen. Ich habe bisher keine empirische Forschung betrie- ben. Es ist mir aber ein grosses Anliegen, dass ich nicht nur von einer Selbstwahrnehmung geleitet werde, sondern verschiedene Stimmen zum The- ma ‹Räume für Kreative› einfangen und diese als konstruktive Massnahmenvorschläge weiter geben kann. MeineUntersuchung soll einen Beitrag an ein lebendiges Zürich leisten. Zürich, September 2012
  • 6. S. 7«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) II. Abstract Ob Musik, Design oder Kunst – die Kreativwirtschaft ist ein Branchenmix der boomt. Ihre Wachstumsraten sind höher als die der Gesamtwirtschaft. Sie gilt als wichtiger Standortfaktor, als Innovatorin und Treiberin und rückt als bedeutender Bestandteil der Wirtschaft immer mehr ins Zentrum des Bewusstseins.Zürich ist die Schwerpunktregion der Schweizer Kreativwirtschaft. Zürich ist auch eine Stadt mit hoher Lebens- qualität und mit einem attraktiven und vielfältigen Kulturangebot, was einkommensstarke Bevölkerungs- gruppen anzieht. Doch was passiert mit dem Basis-Segment 1 der kreativen Szene, wenn Immobilienpreise weiter steigen und Freiflächen kaum mehr vorhanden sind? In dieser Arbeit wird ein Überblick über die aktuellen Massnahmen der öffentlichen Hand zum Thema der Förderung der Zürcher Kultur- und Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume festgehalten und den Bedürfnis- sen der Kreativ-Szene gegenübergestellt. Der theoretische Teil nimmt das Thema der Verlagerung der ökonomischen Aktivitäten hin zur wissensba- siertenWirtschaft auf. Darauf folgt eine Situationsanalyse zur Raumpolitik der StadtZürich. Im empirischen Teil dieser Arbeit werden die Bedürfnisse der Kreativen in Bezug auf Räume aber auch die Priorisierung der Förderinstrumente durch die Kreativ-Szene aufgezeigt. Die aus der Umfrage gewonnenen Informationen werden der Situationsanalyse gegenübergestellt. Als weiteres Untersuchungsfeld werden Fördermassnah- men aus anderen Städten beigezogen und mitZürich verglichen. Der abschliessendeTeil derArbeit beinhal- tetSchlussfolgerungen mit Lösungsansätzen in Form von zwei anskizzierten Modellen, die eine umfassende und interdisziplinäre Unterstützung für die gesamte Kultur- und Kreativwirtschaft in Zürich bieten würden. 1 Mit Basis-Segment sind Freiberufler, Selbständige, Einzel- und Kleinstunternehmen gemeint.
  • 7. S. 8 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) III. Inhaltsverzeichnis I. Vorwort 5 II. Abstract 7 III. Inhaltsverzeichnis 8 1. Einleitung 11 1.1 Ausgangslage und Problemstellung 11 1.2 Fragestellungen 12 1.3 Aufbau und Methode 12 2. Theoretische Herleitung zur Bedeutung der Kreativen in derWirtschaft 14 2.1 Geschichtliche Herleitung 14 Strukturwandel: von der Industrialisierung zur Dienstleistungsgesellschaft 14 Wissensbasierte Ökonomie und die Creative Class 15 Revitalisierung von Industriearealen und die digitale Bohème von morgen 16 2.2 Standortmarketing 18 Wenn Städte zu Marken werden 18 Der Standort Zürich: Finanzstadt und Creative Hotspot? 19 2.3 Die Kreativwirtschaft der Schweiz 20 Begriffsdefinition ‹Kreativwirtschaft› 20 Die Eigenheiten der Kreativwirtschaft Schweiz 21 Die Kreativen 21 Die Kreativwirtschaftsberichte Schweiz/Zürich 23 Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Zürcher Kreativwirtschaft 23 2.4 Gentrifizierung und die Rolle der Kreativen 24 Begriffsdefinition Gentrifizierung 24 Stadtflucht, Landflucht 25 Von der kulturellenVielfalt zur Kommerzialisierung 25 Die (versuchte) Steuerung der Prozesse 26 Wohnungsmarkt – Beispiel ‹Weststrasse› 27 Beispiel Hamburg 28 Zürich 29 2.5 Fazit zum Kapitel 2, der theoretischen Herleitung zur Bedeutung der Kreativen in derWirtschaft 30 3. Massnahmen und Bedürfnisse: eine Unter- suchung und Gegenüberstellung 31 3.1 Situationsanalyse Zürich 31 3.1.1 Förderstrategien und -ziele der Stadt Zürich 31 Politischer Hintergrund: Überschneidung von Kultur- undWirtschaftspolitik 31 Die Strategie Zürich 2025 32 Das Kulturleitbild der Stadt Zürich 32 Zusammenfassung der städtischen Ziele zur Förderung der Zürcher Kreativwirtschaft 33 3.1.2 Überblick zu den Massnahmen in Zürich 34 A) Private Projekte: Das Basislager Binz 34 Das Kunsthaus Aussersihl 34 B) Private Projekte mit Beteiligung der öffentlichen Hand: Das Basislager Altstetten 35 Die Atelier-Räume Migros Herdern 35 Löwenbräu 36 C) Projekte der öffentlichen Hand: DieWerkerei in Schwammendingen 36 D)Weitere Projekte und Projekt-Ideen der öffentlichen Hand Creative ZurichWednesday im HUB 37 Relaunch derWeb-Plattform 37 Media Campus 37 3.1.3 Mögliche Hindernisse für Zwischennutzungen 38 3.1.4 Fazit zum Kapitel 3.1, Situationsanalyse 39
  • 8. S. 9«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) 3.2 Bedürfnisabklärung 40 3.2.1 Anmerkung zur Datenerhebung 40 Angaben zur Umfrage 40 Ziele der Befragung 40 Zielgruppe der Umfrage 41 Die Stadt-Quartiere 42 3.2.2 Auswertungen und Interpretationen 43 A) Zusammensetzung der Befragten 43 B) Art des Raums und Raum als Arbeitsort 45 C) Raum-Eigenschaften 47 D) Modelle und Rechtsformen 49 E) Raumvermittlung 52 F) Förderung auf verschiedenen Ebenen 53 G) Ideen undVorschläge für Massnahmen (von der Kreativ-Szene) 55 3.2.3 Fazit zum Kapitel 3.2, Bedürfnisabklärung 58 4. Ein Blick auf andere Fördermodelle 59 4.1 Das Modell Broedplaatsen, Amsterdam mit dem Fokus auf Räume 59 Vergleich mit Zürich / Broedplaatsen 60 4.2 Das u-institut, Bremen mit dem Fokus auf Coaching und Beratung 61 Vergleich mit Zürich / u-institut 62 4.3 Die IKB, Initiative Kreativwirtschaft Basel mit dem Fokus aufVernetzung 63 Vergleich mit Zürich / IKB 63 5. Schlussfolgerungen 64 5.1 Zusammenfassung der Erkenntnisse 64 5.2 Erfolgsfaktoren 65 5.3 Vorschläge für weiterführende Massnahmen 66 5.3.1 Bereichsübergreifende Kompetenzstelle bei der Stadtverwaltung 66 Ziele und Aufgaben 66 5.3.2 Verein für Cultural Entrepreneurs 68 Ziele und Aufgaben 69 5.4 Ungeklärte Probleme und offene Fragen 70 Vorschriften und Reglementierungen 70 (Un-)Vereinbarkeit von Kunst und Kommerz 70 IV. Literaturverzeichnis 72 Fachliteratur/Bücher 72 Studien, Strategie-Papiere, Artikel und Skripte ausVorlesungen 72 Web-Links 74 Weitere Quellen: AV-Medien 74 V. Experten-Interviews 75 VI. Danksagungen 76 VII. Eidesstattliche Erklärung 77 Anhang 79 ff. City Branding Standortfaktoren und Handlungsfelder Das Drei-Sektoren-Modell Das Beziehungsgeflecht der Kreativwirtschaft Texte zur Gentrifizierung Fragebogen der Online-Umfrage Timeline Bilder
  • 9.
  • 10. S. 11«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) 1. Einleitung 1.1 Ausgangslage und Problemstellung Das Kulturangebot in der Stadt Zürich zeichnet sich durch seine Vielfalt und Qualität aus, was massgeblich zur hohen Lebensqualität beiträgt. International wird Zürich jedoch kaum als Kulturstadt wahrgenommen. Aus nationaler Sicht ist Zürich aber eindeutig die Schwerpunktregion der Kultur- und Kreativ-Szene. Eine Steigerung des Images als lebendige und vielfältige Kultur- und Kreativstadt soll u.a. durch Imagepflege, einer aktiven Raumpolitik, einer verbesserten Kommunikation des Kulturangebots und der Förderung der Vernetzung von Kultur, Kreativwirtschaft und Hochschulen erreicht werden. Kulturschaffende und die Kre- ativwirtschaft sollen in Zürich «gute Rahmenbedingungen und ein anregendes, kreatives Umfeld» vorfin- den. 1 Die Stadt Zürich als Arbeit- und Lebensraum ist populär. Menschen unterschiedlicher Herkunft wollen zent- rumsnah wohnen und arbeiten. Die grosse Nachfrage wirkt sich auf den Immobilienmarkt aus und so rücken insbesondere strukturschwache Stadtviertel in den Fokus von Gebietsaufwertungen. Dem gegenüber steht das Bedürfnis nach preisgünstigen Produktionsräumen 2 für die Kultur- und Kreativwirtschaft. Freiräume für kreative Experimente gehören zu den Grundvoraussetzungen für ein florierendes kreatives Milieu. Doch zentrumsnahe Brachen und Industrieareale sind rar geworden.Wo kein Nährboden für Kreati- ve besteht und Ausweichmöglichkeiten kaum vorhanden sind, wird das kreative Potenzial stark beschnit- ten und droht zu versiegen. 3 1 Vgl. Kulturleitbild der Stadt Zürich, Kapitel 3.1.1 Seite 32, (Stadt Zürich, Präsidialdepartements, 2011) 2 Beispiele von ‹Produktionsräumen›: Künstler- und Grafik-Ateliers, Musik-, Film- und Fotostudios, Architektur- und Werbebüros u.v.m.. 3 Vgl. Kapitel 2.4 Gentrifizierung und die Rolle der Kreativen, Zürich auf S. 29, (Klaus, 2006: 83)
  • 11. S. 12 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) 1.2 Fragestellungen Die nachfolgenden Leitfragen bilden den Ausgangspunkt dieser Arbeit. Sie sind zugleich die Brücke zwi- schen der theoretischen Herleitung über eine Situationsanalyse bis hin zum empirischenTeil mit einer Um- frage. • Wie wird die Kultur- und Kreativwirtschaft konkret in Bezug auf Räumlichkeiten von der Stadt unterstützt? • Welche Massnahmen wurden geplant und umgesetzt? • Welches sind die Bedürfnisse des kreativen Basis-Segments, welches am meisten von den steigenden Mietpreisen betroffen ist? • Reichen Zwischennutzungen – wie beispielsweise dieWerkerei – für einige Jahre, oder bedarf es einer umfassenderen Lösung? 1.3 Aufbau und Methode In der theoretischen Herleitung in Kapitel zwei wird auf den geschichtlichen Hintergrund und auf das Standortmarketing kurz eingegangen. Zudem werden die wichtigsten Begriffe (Kreativwirtschaft, Gentrifi- zierung) erläutert und anhand von Beispielen erklärt. Kapitel drei umfasst den Hauptteil und hält in einer Situationsanalyse aktuelle und geplante Massnahmen zur Raumfrage fest. Der Fokus liegt dabei auf den Massnahmen der öffentlichen Hand. Darauf folgt eine Umfrage beiAkteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft, die vorwiegend als Freischaffende oder Kleinstun- ternehmer tätig sind.Gegenstand der Untersuchung sind primär die Bedürfnisse von Kreativen in Bezug auf Räume und Stadtgebiete. Es sollen aber auch Meinungen und Massnahmenvorschläge zu verschiedenen denkbaren Förderbereichen gesammelt und inThemen-Clustern zusammengeführt dargestellt werden. Für diese Bedürfnisabklärung wurde ein Online-Fragebogen entworfen und kreativ tätigen Personen aus ver- schiedenenTeilmärkten der Kultur- und Kreativwirtschaft zugestellt.
  • 12. S. 13«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Die Umfrage wie auch die Situationsanalyse bilden die Grundlage zur Erlangung eines breiten Bildes zum Kernthema Räume für Kreative. Sie widerspiegeln zudem den gegenwärtigen Diskurs. Mitdemvierten Kapitelunddem‹Blick auf andereFördermodelle›solldaserzielteBildergänztwerdenmit Beispielen aus anderen Städten, die für Ihre Kreativwirtschaftsbereiche unterschiedliche Ansätze verfol- gen. Zusammenfassend werden also folgende drei Themenbereiche abgedeckt, die zu einer Schlussfolgerung führen: 3 1 2 4 Situationsanalyse (1) Bedürfnisabklärung (2) Analyse Fördermodelle anderer Städte (3) Schlussfolgerungen (4) (Abbildung: Eigene Darstellung.) Das letzte Kapitel (Schlussfolgerungen) verknüpft die Umfrageergebnisse mit den aktuellen Massnah- men in Zürich und denAnsätzen anderer Städte und skizziert grob zwei sich ergänzende Modelle mit unter- schiedlichen Ausrichtungen 1 . 1 Bei den Lösungsansätzen wird nicht auf mögliche politische und finanzielle Einschränkungen eingegangen; sie sollen als Ideen- skizzen verstanden werden.
  • 13. S. 14 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) 2.Theoretische Herleitung zur Bedeutung der Kreativen in derWirtschaft 2.1 Geschichtliche Herleitung Strukturwandel: von der Industrialisierung zur Dienstleistungsgesellschaft Ende des 19. Jahrhunderts war der KantonZürich bekannt für dieTextilindustrie, welche zunehmend von der Metall- und Maschinenindustrie abgelöst wurde; parallel zur Industrie entwickelte sich in der Stadt Zürich der Bankenplatz (Klaus, 2001: 91ff.). Ein umfassender gesellschaftlicher wie auch wirtschaftlicher Struktur- wandel, weg von der Industrialisierung, hin zur Dienstleistungsgesellschaft prägte die darauf folgenden Jahre. Industrien wurden zunehmend in Entwicklungsländer verlagert und gesamthafte Prozesse derGloba- lisierung verstärkt (Weblink [BPD] 2006). Die Deindustrialisierung führte nach Häussermann und Siebel (2004; 134) zu niedrigen Steuereinnahmen und verstärkte soziale Problemlagen der Bürger. Um den negativen Auswirkungen entgegenzuwirken, wur- den Unternehmen aus dem tertiären Sektor 1 angeworben mit dem Ziel, sie langfristig an den Standort zu binden. Dass sich Unternehmen an gewissen Standorten niederlassen, bedigt wiederum bestimmte Fakto- ren. (Im Kapitel Standortmarketing, Seite 18, werden die Faktoren näher ausgeführt.) 1 Unternehmen der Industrienationen passten ihre Prozesse neuen (globalen) Möglichkeiten an und fokussierten zunehmend auf den Dienstleistungssektor/tertiären Sektor (z.B. Forschung & Entwicklung, Design, Marketing), wobei lohnkosteninten- sive Schritte geoutsourced wurden, denn – so die Standortmarketingorganisation Greater Greater Zurich Area – «bietet eine Konzentration auf wertschöpfungs- und wissensintensive Produkte und Dienstleistungen die Möglichkeit, in einem glo- balisierten Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben» ([GZA], 2010: 15).
  • 14. S. 15«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Wissensbasierte Ökonomie und die Creative Class Richard Florida verfasste ein zentrales und auch oft kritisiertes Werk (Florida, 2002) zum Thema des öko- nomischen Wachstums dank ‹kreativen Köpfen›. Die zentrale These von Florida besagt, dass Wissen und Kreativität fortan die wichtigen Produktivkräfte darstellen, welche für Auf- oder Abstieg von Städten bzw. Regional-Ökonomien sorgen bzw. weiterhin sorgen werden. Der wirtschaftliche Bedarf an Kreativi- tät geht, nach Florida, einher mit dem Aufstieg einer neuen, kreativen Klasse (ebd.: 8). Er untersucht an- hand von Schlüsselkriterien – «the 3T’s of economic development: Technology, Talent and Tolerance» (ebd.: 249) – statistische Zusammenhänge und folgert, je höher deren Korrelation, desto höher sei der ökonomische Erfolg dieser Städte. Er fordert die Politik auf, darauf zu fokussieren, dass kreative Menschen ein Milieu der Offenheit und Toleranz vorfinden, denn, so Florida: «[...] creative people want to live there. The companies then follow the people». (ebd.: 218). Die Sichtweise, dass Unternehmen sich dort ansiedeln, wo ein grosses Potenzial an hochqualifizierten Arbeitskräften vorhanden ist, drückt wiederum eine höhere Flexibilität in der Standortwahl von Unternehmen aus, als es früher der Fall war. Jamie Peck (Eurozine, 2008), einer der schärfsten Kritiker Floridas geht davon aus, dass die These Floridas so rasch eine so weite Verbreitung gefunden hat, weil sie ganz geschickt auf das heutige neoliberale Ter- rain von Wirtschaft und Politik zugeschnitten sei. Doch letztlich sei Floridas Ansatz in seiner ökonomischen Funktionalität zu bewerten, alsAufforderung, Kreativität als Indikator eines günstigenWettbewerbsklimas zu verstehen. Ein regionales, ökonomischesWachstum wird demnach durch Standortentscheidungen von kreativen Men- schen angetrieben, was wiederum im Konkurrenzkampf der Städte ein «Wetteifern» um die am besten qualifizierten und innovativstenArbeitskräfte auslöst. (Unter 2.2 auf Seite 18 wird auf dieWettbewerbssi- tuation der Städte weiter eingegangen.)
  • 15. S. 16 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Revitalisierung von Industriearealen und die digitale Bohème von morgen Durch dieAbwanderung der Industrie wurden Brachen undAreale frei, die durch kreative Raumpioniere mit Improvisationsvermögen eine Art ‹Renaissance› erfuhren. Stillgelegte Fabriken wurden nicht nur als Ateli- ers genutzt. Die zu diesem Zeitpunkt aktive Musikszene (Drum ’n’ Bass, New Beat,Techno/House Ende der 90er Jahre), experimentelle Theater und Konzerte, subkulturelle Veranstaltungen und die kreative Beset- zerszene füllten die industriellen Zonen mit einer lebendigen Kunst, mit (sub-)kulturellen Aktivitäten und transformierten sie in spannende, bunte Oasen. Die Bandbreite der Nutzer, wie auch die Definition von Zwischennutzung sind sehr umfassend: von Subkultur bis hin zum kommerziellen Musical, von ein paar Wochen Verbleibdauer eines Pop-up-Konzepts bis hin zu mehreren Jahren Nutzung z.B. für Ateliers. Eine gewisse Rauheit der Räume gehört ebenso dazu, wie auch Freiräume, die Experimente und Innovationen erlauben. Doch die Freiheit hat auch ihren Preis. So geht sie mit Überforderung einher, die in «Unsicherheit über die Zukunft, Mehrfachbelastung sowie notorischer Zeit- und Geldmangel für Projekte» zum Ausdruck kommt (Angst et al., 2010: 130). Üblich sind eine kurze Anstellungsdauer und die, im Verhältnis zur Ausbil- dung tiefe und unregelmässige Entlöhnung (vgl. Seite 21, Begriffsdefinition: die Kreativen). Die steigende Anzahl Beschäftigter im Kreativsektor 1 drückt nicht nur Dynamik und Innovationskraft aus, mit dem «Cultural Entrepreneur» der postmodernen (bzw. der post-fordistischen) Arbeitswelt wird zudem ein neuerTypus von «Unternehmer» etabliert, bei dem der «kreativ-künstlerischeAkt zur Selbstentfaltung» (Götz zit. in Borghoff, 2012: 31) imVordergrund steht. Nach Friebe/Lobo (Weblink, 2012), sei die Strategie der «digitalen Bohème» – bei welcher nicht dasGeldver- dienen sondern ein, den eigenen Motiven folgender und selbstbestimmter Arbeitsstil imVordergrund steht – in unsicheren Zeiten die überlegene. Auch bei Liebig/Morandi (2010: 3) gilt die neue Selbständigkeit als Zukunftsmodell: «Soloselbständige, freischaffende Freelancerinnen und Freelancer, Alleindienstleister sind Vorboten eines umfassenden Strukturwandels der Wirtschaft. Sie repräsentieren den Arbeits- und Le- bensstil der Zukunft.» 1 DasWachstum in Zahlen ausgedrückt ist auf Seite 23 zu finden.
  • 16. S. 17«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Die klassische Festanstellung scheint in der Wissensgesellschaft und insbesondere in der Kreativwirtschaft einAuslaufmodell zu sein. DieArbeits- und Lebensweise der ‹neuenSelbständigen› hat nicht nur Einfluss auf die standardisierten und auf das Vollzeit-Anstellungsverhältnis angepassten Sozialversicherungen (Bsp. ALV, BVG; vgl. Raschèr, 2012: 76), sie bringt auch neue Formen desWohnens und Arbeitens mit sich. Durch die Zusammenführung der Lebenswelten (bzw. Wohn- und Arbeitswelt) entstehen entsprechende Bedürfnisse: z.B.Wohnateliers (vgl.ThemaWohnatelier bei BedürfnisabklärungSeite 56). Doch neueWohn- und Arbeitsformen können nur dort ausgelebt werden, wo tiefpreisige Räume in urbanen Gebieten vor- handen sind; sie sind eine der Hauptgrundlagen des kreativen Prekariats 1 . Ein kreativer Hotspot, wenn nicht sogar die Hauptstadt der Kreativen in Deutschland ist Berlin. Die inspirie- rende Metropole, die von ihrem amtierenden Bürgermeister oft als «arm, aber sexy» (Weblink Focus, 2006) bezeichnet wird, ist nebst einem breiten kulturellen Angebot bekannt für niedrige Lebenshaltungskosten, wie auch für ein kulturell anregendes Milieu mit weit bis in die Innenstadt ‹kulturell besetzten› Orten. Kunz- mann diskutiert (in Lange et al., 2009: 37) die möglichen Gründe der Entfaltung der Berliner Kreativszene wie folgt: «Vielleicht liegt es daran, dass die Stadt, die noch vor hundert Jahren das globale Zentrum der Elektrowirtschaft war, keine anderen wirtschaftlichen Schwerpunkte aufweisen kann.Vielleicht auch daran, dass die Stadt, die ein hohes Kulturbudget vorweisen kann, wie keine andere Stadt im Westen Europas, preiswerte innenstadtnaheWohn- und Arbeitsstätten hat.». 1 Vgl. Begriffsdefinition auf Seite 22.
  • 17. S. 18 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) 2.2 Standortmarketing Wenn Städte zu Marken werden Primär geht es im Konkurrenzkampf der Städte um das Vorhandensein von Wissen (hochqualifizierte Arbeitskräfte),undumdieWirtschaftskrafteinesStandorts(sieheAnhangStandortfaktorenundHandlungs- felder). Die zunehmend bedeutendere Kreativwirtschaft als integrierter Bestandteil der Wissensökonomie ermöglicht in deindustrialisiertenStädten einAufblühen als wettbewerbsfähige, attraktive Standorte und dies will entsprechend kommuniziert und vermarktet werden. «Die Attraktivität einer Stadt oder Region als Standort für wirtschaftliche Aktivitäten wird in der Regel aufgrund der Qualität und dem Vorhandensein von Standortfaktoren gemessen» (Klaus, 2006: 98). Im Standortmarketing wird zwischen harten und weichen Standortfaktoren unterschieden, wobei die harten Faktoren quantitativ messbar sind und oft in Rankings zum Städte-Vergleichen erscheinen. «Neben der räumlichen Lage und derTopographie stellen die Standortfaktoren Steuerbelastung,Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften und Verkehrsanbindung noch immer die relevanten Standortkriterien dar» ([GZA] 2010: 27). Dem Bereich Kreativwirtschaft und Kultur wird im Zusammenhang mit den weichen Standortfaktoren eine hohe Bedeutung zugesprochen 1 . Im zunehmenden Konkurrenzdruck unter den Städten wird eine Differenzierung durch eine eigenständige, derStadtmarketing-Strategie entsprechenden Positionierung ermöglicht. Man bedient sich dabei einer sehr unternehmerischen Herangehensweise, um über ein Branding die eigene Identität zu festigen. Der Brand bzw. die (Stadt-)Marke kommt im Auftritt der jeweiligen Städte gegenüber ihren Zielgruppen (potenzielle Einwohner mit mittlerem und höherem Einkommen, Unternehmen auf Standortsuche, Touristen etc.) zur Geltung. Doch abgesehen von sehr unterschiedlichen visuellen Erscheinungsbildern und der Identitfizierung mit lokalen Symbolen (z.B.Architektur-Highlights, internationale Events u.a.) werden in der Sprache oft die gleichen positiv konnotierten Attribute verwendet. Berlin: führende Kulturmetropole, Hamburg: vielfälti- ge, lebendige Kultur, Zürich: aktive Kulturszene (siehe Anhang City Branding). 1 Anm.: Auch Florida (2002) benennt vorwiegend weiche Faktoren, vgl. Seite 15, ein Klima der «Offenheit undToleranz».
  • 18. S. 19«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Der Standort Zürich: Finanzstadt und Creative Hotspot? Laut einer Pressemitteilung der Greater Zurich Area ([GZA], 2011) ist die aktuelle Strategie des Standort- marketings darauf ausgerichtet, «Unternehmen aus den USA, aus China sowie aus Europa im wichtigsten Schweizer Wirtschaftsraum anzusiedeln». Um die Stadort-Attraktivität von Zürich zu erhöhen, soll u.a. die internationale Wahrnehmung der Stadt als kulturell lebendiger Ort intensiviert werden (Stadt Zürich, Prä- sidialdepartements, 2011: 90). Der Standort Zürich ist international bekannt als bedeutender Finanzplatz. Aus der Innenperspektive ist der Finanzsektor ein «wichtiger ökonomischer Treiber und Vermittler internationaler Netzwerke» (Held et al., 2005b: 18). Gleichzeitig ist zu beachten, dass das Image des Finanzplatzes aus Sicht der Akteure aus der Kreativ-Szene als «kreativitätshemmend» angegeben wurde (Held und Kruse, 2005a: 26). Fest steht, dass die Kunst- und Kulturwirtschaft eng mit dem Finanzplatz verflochten ist (ebd.: 16). Einerseits gilt sie als trei- bende Kraft für Innovationen und ist somit ‹Content-Lieferant› für andereWirtschaftsbereiche u.a. für den Finanzsektor, anderseits benötigt sie wiederum die Finanzkraft, wie am Beispiel des Kunstmarkts Zürich gut aufgezeigt werden kann (Interview R. Blancpain) 1 . Wie erwähnt ist die Kreativwirtschaft nicht nur für die lokalen Ökonomien von grosser Bedeutung, sie ist auch ein wichtiges Standortargument, was die Kommunikation des Standortmarketings verdeutlicht. (sie- he Anhang City Branding). Als Beispiel soll an dieser Stelle der Auftritt der Stadt und des Kantons Zürich an der eben erst beendeten Sommer-Olympiade in London 2012 dienen, wo sich Zürich als «inspirierender, kreativer Hotspot im Herzen Europas» (Weblink Stadt Zürich, 2012) präsentiert und dies mit Anlässen wie dem Creative Day nach aussen trägt. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei Kommunikation von Zürich als kreativem Hotspot um eine Eigendarstellung handelt.Ob die als Finanzplatz bekannte Schweizer Stadt in London effektiv als «vibrierende Kulturmetropole» (Weblink [HoS], 2012) wahrgenommen wurde, bleibt offen. 2 1 Auf Angaben zur Bedeutung des Standorts Zürich für die Kreativen wird in der Bedürfnisumfrage auf Seite 46 näher eingegangen.) 2 Anm.: Bei einer Desk-Research (August 2012) zu entsprechenden Artikeln in grossen englischenTageszeitungen zum Thema ‹Zurich / creative / cultur› wurden keine Hinweise darauf gefunden.
  • 19. S. 20 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) 2.3. Die Kreativwirtschaft der Schweiz Begriffsdefinition Kreativwirtschaft Die Kreativwirtschaft (auch Kulturwirtschaft, Kultur- und Kreativwirtschaft, Creative Industries, Kultur- Sektor, Kulturindustrie genannt 1 ), wird als Branchenkomplex gesehen, mit dem verbindenden Kern des schöpferischen Akts und dem Ziel einer Schaffung, Produktion, Verteilung bzw. medialen Verbreitung von kulturellen und kreativen, materiellen oder immateriellen Gütern und Dienstleistungen (Rossel, 2010: 16). «Den ursprünglichen Kern der Kulturindustrie bilden die kreativen Künste (...)» (Klaus, 2006: 44). Zum kre- ativen Kern (Bsp. Bildhauer, Musiker, Maler) kommen die kulturellen Branchen hinzu, für dieVermarktung und Produktion desOutputs des kreativen Kerns (Bsp. Plattenlabel für Musikvermarktung,Verlagswesen für Bücher) sowie die kreativen Branchen, die Ideen des kreativen Kerns aufgreifen und auf Kundenbedürfnis- se angepasste ‹Produkte› herstellen (Bsp. Mode, Architektur,Werbung), (Weblink [BR] 2007). 2 Charakteristisch für die Kreativwirtschaft – vergleicht man sie beispielsweise mit den Sektoren Chemie/ Pharma oder der Finanzindustrie – sind die Kleinteiligkeit, die Heterogenität sowie die Wertehaltungen und eigenen Arbeitsweisen der Akteure, die von Cultural Entrepreneur (Einzelpersonen) über projektspe- zifische Zusammenschlüsse bis hin zu renommierten Grossunternehmen (Bsp. SRG SSR Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft im Teilmarkt Rundfunk) reichen. Eine branchenübergreifende Vernetzung (soziales Kapital) ist ebenso zentral, wie ihr kulturelles Kapital. Zur Abgrenzung und Anwendung des Begriffs Kreativwirtschaft: Es gibt auf globaler Ebene keine einheitliche Begriffsdefinition. Es werden je nach argumentativen Zugän- gen verschiedene Konzepte verfolgt (Weckerle, Gehrig und Söndermann, 2008: 22). Zudem ist die Abgren- zung bzw. Zuordnung einzelner Teilmärkte nicht einfach, wie Klaus am Beispiel eines Kleinunternehmens aus demTextilbereich aufzeigt: Der Entwurf fällt unter ‹Design›, die manuelle Fertigung unter ‹Herstellung vonTextilien› und derVerkauf unter ‹Detailhandel› (2006: 130 ff.). 1 Diese Begriffe werden in verschiedenen Ländern oft deckungsgleich verwendet, auch wenn einzelneTeilmärkte anders abgegrenzt werden. 2 Das Beziehungsgeflecht wurde im Anhang grafisch dargestellt.
  • 20. S. 21«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Die Eigenheiten der Kreativwirtschaft Schweiz Der Begriff Kreativwirtschaft stösst bei kreativ Tätigen oft auf Ablehnung. Das kreative Schaffen wird als individueller Ausdruck gesehen, nicht primär als wirtschaftlicheTätigkeit. Der Branchenkomplex wird in der Szene, wie auch in der breitenÖffentlichkeit nicht als ‹einGanzes› wahrgenommen, es gibt keine gemeinsa- me Lobby, Gewerkschaften oder dergleichen und wenig teilmarktübergreifendeAktivitäten. In der Schweiz hat die Kreativwirtschaft zudem keine Tradition wie beispielsweise in England, wo sie bereits 1997 stark thematisiert wurde (vgl. AnhangTimeline,WahlkampfTony Blair). In der Schweiz wurde Kultur «bis Ende der 50er Jahre als private Angelegenheit betrachtet (...). Bis zur Er- scheinung des ersten Kulturwirtschaftsberichtes im Jahr 2003 ging es immer nur um den öffentlich-recht- lichen Sektor (...)» (Theler, 2012: 24). Und spricht man heute von Kultur, so Theler (2012: 25), seien noch immer mehrheitlich diese beiden Sektoren gemeint (vgl. Anhang: das Drei-Sektoren-Modell, öffentlich- rechtlicher Sektor). Die Kreativwirtschaft Schweiz ist zu vergleichen mit einem vielfältigen und komplexen Beziehungsgeflecht, wobei die Verbindungen nicht nur die drei genannten Sektoren betreffen, auch andere Schnittstellen sind auszumachen: «Nebst der Wirtschaftspolitik (Beschäftigungspotenzial) beschäftigen sich Innovationspoli- tik (wissensbasierte Ökonomie), Regionalpolitik (Strukturwandel), Bildungspolitik (Employability), Kultur- politik (Drei-Sektoren-Modell),Sozialpolitik (prekäreArbeitsverhältnisse),Ansiedlungspolitik (Internationa- lisierungsstrategien, Stadtmarketing) mit demThema» (Weckerle undTheler, 2010: 48). Die Kreativen Im Zusammenhang mit der Kreativwirtschaft soll auch gleich der Begriff der in dieser Arbeit verwendete Begriff der Kreativen näher umschrieben werden: Mit der Bezeichnung ‹Kreativer› (siehe auch Creative Class, Kreativ-Szene, Akteure der Kreativwirtschaft, Bohème, auch digitale Bohème) ist eine kreativ tä- tige Person gemeint, bei welcher die Kreativität, die Selbstverwirklichung, ein hohes Mass an Autonomie und die Vernetzung im Vordergrund stehen. Es wird hierbei nicht unterschieden zwischen Künstler (bzw. Content-Produktion ohne Marktanpassung vgl. Begriffsdefinition Kreativwirtschaft) und einer, in der Pri- vatwirtschaft tätigen Person.
  • 21. S. 22 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Charakteristik und Schwierigkeiten: Unabhängigkeit ermöglicht zwar Freiraum für Experimente, die Kehrseite sind kurze und oft befristete Ar- beitsverträge sowie eher unregelmässige Arbeitszeiten. Typisch sind auch projektspezifische Konstellati- onen mit Einzelunternehmern – nach Klaus KIK Kreative innovative Kleinstunternehmen (2006: 251) – die wiederum unregelmässige und, imVerhältnis zurAusbildung eher tiefe Einkommen mit sich bringen, aber eine hohe Risikobereitschaft fordern; (bei krankheitsbedingten Ausfällen ist mit zusätzlichen Einkommen- seinschränkungen zu rechnen). Kreatives Schaffen bedingt zudem Prozesse, die oft nicht in vollem Umfang desStundenaufwands weiterverrechnet werden können. Eine unsichere und konjunkturabhängige Nachfra- ge verstärkt zudem den Leistungs- und Konkurrenzdruck. Creative Class nach Florida (2002): Hier öffnet sich der Kreis der Kreativen noch weiter. Florida unterscheidet zwischen demSupercreativeCore mit der Hauptaufgabe, Neues zu produzieren (Bsp. Künstler). Die Zuordnung zur Creative Class erfolgt aber auch dann, wenn die Arbeiten – wie bei den Creative Professionals – kreative (Denk-)Prozesse beinhalten, wie z.B. die Erarbeitung kreativer Problemlösungen von Anwälten und anderen Berufsgruppen. Die Digital Bohème: Sie «bezeichnet eine Berliner Gruppe von freischaffenden Medienberuflern um Holm Friebe, Sascha Lobo und Kathrin Passig mit künstlerisch-kreativen Ambitionen, die neue Kommunikationstechnologien nutzen, um ihre individuellen Handlungsspielräume zu erweitern», (Weblink Friebe/Lobo 2006). Kreatives Prekariat: «Prekariat ist ein soziologischer Begriff für eine inhomogene soziale Gruppierung, die durch Unsicherhei- ten der Erwerbstätigkeiten gekennzeichnet ist. Dadurch können Lebensverhältnisse schwierig sein, bedroht werden oder zum sozialen Abstieg führen» (WeblinkWikipedia Prekariat).
  • 22. S. 23«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Die Kreativwirtschaftsberichte Schweiz/Zürich Der Kreativwirtschaft als Innovationstreiberin, Wirtschafts- und Standortfaktor wird im rohstoffarmen Dienstleistungsstaat Schweiz eine bedeutende Rolle zugeschrieben. Mit dem ersten Kulturwirtschaftsbe- richt der Schweiz (2003) – mit welchem erstmals ein Brückenschlag zwischen Wirtschaft, Kultur und Politik gelungen ist – wurde die wirtschaftliche Bedeutung der Kreativwirtschaft für die Schweiz und insbesonde- re für den Standort Zürich aufgezeigt. (Der zweite Kreativwirtschaftsbericht erschien 2008, der dritte und aktuellste 2010, vgl. Timeline im Anhang). Es wurde zudem das Bewusstsein dafür geschaffen, dass nebst dem öffentlich finanzierten Kulturbereich viele privatwirtschaftliche Kleinunternehmen zur kulturellen Vielfalt beitragen (Weckerle und Theler, 2010: 5). Künstlerische/kulturelle Aktivitäten sind dabei eng mit Produzenten ‹kreativer Inhalte› des privatwirtschaftlichen Sektors verbunden (vgl. Drei-Sektoren-Modell imAnhang). Die Kreativwirtschaftsberichte untersuchen den gesamten Sektor der Kultur- und Kreativwirt- schaft. (Diese Arbeit basiert auf der gleichen Definition und und bezieht Aspekte reiner Kulturschaffender, wie auch privatwirtschaftlichTätiger mit ein.) Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Zürcher Kreativwirtschaft Aus den Zürcher Kreativwirtschaftsberichten (2008, 2010) geht deutlich hervor, dass die Stadt Zürich die zentrale Schwerpunktregion der Schweiz für die Kreativwirtschaft ist. Bereits 2006 wurde festgehalten, dass jeder siebte im Kultursektor der Schweiz Beschäftigte, in der Stadt Zürich arbeitet (Klaus, 2006: 168). Im aktuellen Kulturleitbild ist zu lesen, dass die Zürcher Kultur- und Kreativwirtschaft schneller gewachsen ist als dieGesamtwirtschaft. «Das gilt für die Bruttowertschöpfung und in noch stärkerem Masse für dieZahl der Beschäftigten» (Stadt Zürich, Präsidialdepartement, 2011: 27). «Die Anteile Zürichs an der Schweizer Kultur- und Kreativwirtschaft sind beeindruckend:Ausgewiesen werden 16 % der Beschäftigten und 12 % der Betriebe» (Weckerle und Theler, 2010: 6). Im zweiten Zürcher Kreativwirtschaftsbericht (2008) wurde ein Anteil der Stadt Zürich an der Gesamtschweiz von 14 % Beschäftigten und 11 % Betriebe ausgewiesen (Söndermann et al., 2008: 29 ff.). Weiter wird im dritten Kreativwirtschaftsbericht (2010) auf die einzigarti- geAusgangslage hingewiesen, zu der nicht nur das künftige Potenzial (Wirtschaftswachstum,Arbeitsplät- ze) gezählt wird, sondern auch die bedeutende Rolle der Zürcher Hochschule der Künste sowie die kritische Grösse Zürichs als «Metropolregion mit urbaner Dimension» zu gelten (Weckerle undTheler, 2010: 47).
  • 23. S. 24 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) 2.4 Gentrifizierung und die Rolle der Kreativen Begriffsdefinition Gentrifizierung Gentrifizierung (auch Gentrification oder Gentrifikation) ist ein Begriff aus der Stadtsoziologie, der für sozio-ökonomische Umwandlungsprozesse in Stadtgebieten steht (Weblink Wikipedia Gentrifizierung). Die britische Soziologin Ruth Glass prägte diesen Begriff 1964 anlässlich einer Untersuchung zu den Verän- derungen im Londoner Stadtteil Islington, dessen soziale Strukturen sich durch den Zuzug von Mittelklas- sefamilien in Arbeiterquartieren signifikant verändert hatten. (Gentry = niederer Landadel weist auf eine Analogie zu ähnlichenVorgängen im 18. Jahrhundert hin.) Die Definition scheint jedoch nicht ganz deutlich umrissen zu sein bzw. je nach geografischem oder soziolo- gischem Kontext werden andere Mechanismen in den Vordergrund gestellt. Nach Holm (2010: 9 ff.) ist die Gentrifizierung Ausdruck vielschichtiger und komplexer Mechanismen mit unterschiedlich zirkulärem Charakter. Es wird zwischen physischerVerdrängung (durchAbriss,Umbau), ökonomischer (steigende Kos- ten) und kultureller Verdrängung (Nachbarschaftsveränderungen, Homogenisierung, lebensstilbezogene Entfremdung) unterschieden. Bei einigen Stadtvierteln hört die Spirale der Aufwertung früher auf, ohne dass die gesamte Bewohnerschaft ausgetauscht wird, in anderen Vierteln hingegen fährt die Entmischung nach oben auch in bereits gentrifizierten Stadtteilen weiter fort, sog. ‹Super-Gentrification›, (Marcuse zit. nach Holm, 2010: 60 ff.). Mögliche Auswirkungen sind: Soziale Folgekosten, Konflikte wie Anti-Gentrification-Kämpfe (Sachbeschädigungen, Parolen an Haus- wänden), kreativeAktionen (z.B. die Fette-Mieten-Parties in Zürich, Reclaim-the-Streets-Bewegungen),Al- lianzen (RTTC Right to the City Alliance), politischeVorstösse z.B. von Mieterverbänden bzw. die Aufnahme entsprechender politischer Wahlkampfthemen, Aufnahme des Themas und insbesondere der Auswirkun- gen der Gentrifizierung in der medialen Berichterstattung.
  • 24. S. 25«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Stadtflucht, Landflucht «Urbanität ist ein Kennzeichen der Moderne» (Häussermann et al., 2008: 2). Die Bewegung der höheren Einkommensklasse nach dem zweiten Weltkrieg, weg von der Kernstadt, hin ins umliegende Land, liess die sogenannte A-Gruppe (Arme, Ausländer, Arbeitslose, Alte) in den Städten zurück (ebd.: 363 ff.). Seit Mitte der 90er Jahre spricht man von einerTrendwende: Der beschriebenen Wandel zur Wissensökonomie (siehe geschichtliche Herleitung Seite 14) und der Zuwachs an entsprechenden Arbeitsplätzen führte zu mehr At- traktivität der Städte und zum «Eindringen» der Creative Class bzw. von der neuen A-Gruppe (Akademiker, Anwälten, Architekten u.a.) in die Innenstädte. Die kaptialintensiven Bevölkerungsgruppe wurden zu den ‹Gentrifiern› des 20. Jahrhunderts. Von der kulturellenVielfalt zur Kommerzialisierung Das ‹nonkonformistische›Andere, das vonUnderground-Parties über die freieTheaterszene, Künstler, De- signer, Fotografen, kleine Läden, neue Mode-Labels, Hausbesetzern bis hin zu Nischensparten-Konzerten reicht – kurzum, alles was sich abhebt vom Mainstream und Orte/Gebiete interessant macht – braucht ei- nen Nährboden, eine entsprechende Umgebung, roh und formbar, sowie verschiedene Einflüsse, etwas Widersprüchliches oder gar Subversives, damit es wirken kann. Und wie am Beispiel Berlin aufgezeigt (vgl. Seite 17), gehören geringe Kosten fürWohn- undArbeitsräume ebenso dazu, wie eine «toleranteAtmosphä- re, eine gewisse Internationalität und sich bildende Netzwerke» (Klaus, 2006: 82). Die Kreativen ziehen in urbane Gebiete, die ihnen das Ausleben ihrer Selbstentfaltung und Experimentier- felder ermöglichen und übernehmen für die Mittelschicht eine Art ‹Pionier-Rolle›. Das Quartier wird dank ihrer Kreativität (bzw. ihrem kulturellen Kapital) angereichert mit ‹in-places› wie Szene-Bars und Clubs und mit subkulturellenVeranstaltungen; sie etablieren eine alternative Kunstszene, die wiederum einen Markt- zugang mit Off-spaces und Galerien erschliesst. Durch die kulturelle Anreicherung und Ästhetisierung er- fährt das Quartier einen Image-Wandel und wird durch öffentliche, ‹konsumierbare Orte› wie Szene-Bars auch für andere Milieus aus einkommensstärkeren Bevölkerungsschichten interessant. Ein kaufkräftigeres Mainstream-Segment zieht wiederum kommerziellere Gastronomien, Ausgangsangebote und ein touristi- sches Publikum an. Durch den Umwandlungsprozess erfahren die Immobilien eine Wertsteigerung, was sich auf die angesiedelten Gruppen auswirkt (vgl. Definition Gentrifizierung, Seite 24).
  • 25. S. 26 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Und welche Rolle fällt dabei den Kreativen zu? Sind sie die Verlierer oder verdrängen sie nicht auch selber Anwohner aus sozial benachteiligten Schichten? Sind sie die Vorboten der Gentrifizierung oder die Beschleuniger der Prozesse? Auslöser,Treiber und zugleich Opfer? Die (versuchte) Steuerung der Prozesse Die Kreativen sind Ausdruck von Gentrifizierungs-Prozessen; teilweise sind sie auch Auslöser und oft wer- den sie bewusst von der Stadtplanung für eine positivere Wahrnehmung von Problem-Zonen eingesetzt: «DasZiel vieler Erneuerungsstrategien ist es, dieGebiete so aufzuwerten, dass die Bodenpreise steigen und Nutzungen mit günstigen Mieten vertrieben werden» (Zukin, 1995: 284 zit. nach Klaus, 2006: 82). Am Beispiel von Zürich kann der gewollte Image-Wandel des Langstrassenquartiers von einem Protokoll zum Strategie-Papier von Wüest & Partner (wohlgemerkt einem Beratungsunternehmen für den Immobili- enmarkt) abgelesen werden: «Das Gebiet Langstrasse soll nicht nur für Insider, sondern für breite Bevölke- rungskreise positiver besetzt werden als heute. Mit diesen Erkenntnissen ist die Stadt völlig einverstan- den und hat bereits unter Beizug von Quartiermarketing-Spezialisten der Universität Zürich erste Projekte (...) in Angriff genommen» (Wüest & Partner, 2003: 5). Zu diesem Zeitpunkt galt das Langstrassenquartier wegen Drogenproblemen, Prostitution und Kriminali- tät als ‹Problem-Fall›. Doch was passiert, wenn sich die Aufwertungsspirale und mit ihr die soziale Entmi- schung nach oben nicht aufhalten lässt? Nach Holm (2010: 12 ff.) kann ein Austausch der Sozialstrukturen kaum verhindert werden. Er führt anhand von Beispielen in Deutschland Massnahmen gegen die Verän- derungsdynamiken auf (öffentliche Fördermittel und festgelegte Mietobergrenzen) und gibt im Anschluss auch gleich den Grund des Scheiterns an: Denn dieser lag, so Holm, nicht am Modell selber sondern am Umfang der Fördermittel.
  • 26. S. 27«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Wohnungsmarkt – Beispiel ‹Weststrasse› Der Wohnungsmarkt ist ebenso wie der Markt für Kleingewerbeflächen ein zentralesThema der Kreativen, sind sie doch auf Szenennähe und – als Milieu mit geringem ökonomischem Status – insbesondere auch auf tiefe Fixkosten angewiesen. Zudem eignet sich das Thema Wohnraum (im Folgenden am Beispiel ‹West- strasse› beschrieben) optimal, um auf die Logik des Immobilienmarkts kurz einzugehen. Zwei Aspekte sollen dabei beleuchtet werden: einerseits die unterschiedlichen Auslöser für Aufwertungen, andererseits die Interessen des Immobilienmarkts. Die Auslöser fürGentrifizierungsprozesse sind unterschiedlicher Natur. Die von der öffentlichen Hand aus- gelöste Sanierungen gehören ebenso dazu, wie die, durch Kreative ausgelösten Aufwertungsdynamiken. Um auf das Beispiel ‹Weststrasse› zurückzukommen, hier war derAuslöser eine Verkehrsberuhigung durch die Eröffnung der Westumfahrung und die anschliessende Umwandlung der Weststrasse in eineTempo-30- Zone. Der fotografischen Bestandesaufnahme 2008 (Weblink [FBW], 2008), die demnächst (2012/2013) wie- derholt werden soll, um die Indikatoren desWandels festzuhalten, lassen sich folgende Fakten entnehmen: «Die ausländische Bevölkerung und die Anzahl Kinder nehmen ab; abgelöst werden sie von mittelständi- schen Singles und kinderlosen Paaren». 1 Zur Rolle derStadtverwaltung imWohnungsmarkt: Nach Häussermann undSiebel (2004: 134) orientiert sich die Politik je nach politischerAusrichtung «stärker an den Interessen privater Investoren oder stärker an den Interessen der Stadtbewohner». Im Falle der ‹Weststrasse› verfasste die ehemalige Direktorin der Stadt- entwicklung ein Schreiben an die Grundeigentümer in welchem sie an deren soziales Gewissen appellierte. (Zu erwähnen ist, dass die Stadt Zürich selber keine Liegenschaften an derWeststrasse besitzt.) Die Logik des Immobilienmarkts widerspricht den Anliegen der Kreativen grundlegend. Es ist davon aus- zugehen, dass sich die Struktur der Hausbesitzer an der Weststrasse ändern wird, denn anstelle von Miet- wohnungen findet Eigentum eine schnellere und höhere Verwertung. Eigentümerwechsel nehmen eine zentrale Stellung in Aufwertungsprozessen ein (Holm, 2010: 26 ff.), da Immobilienfirmen im Gegensatz zu privaten Hausbesitzern andere (grössere) Investitionsmittel haben, dafür aber auch mit einer höheren Ren- tabilität rechnen. 1 Stand 09.12: Eine neue Auswertung von 2012/13 liegt zum heutigen Zeitpunkt noch nicht vor.
  • 27. S. 28 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Beispiel Hamburg Wohnungen in Berlin Friedrichshain werden mit versiegelten Graffities 1 als schmuckes Dekor aus einer wil- den Vergangenheit angepriesen, durchmischte Gebiete werden zu Enklaven gehobenen Wohnens und neu gestaltete öffentliche Plätze treiben die Besucher möglichst direkt in umliegende Konsumzonen 2 . Auch in anderen Städten weltweit sind ähnliche Entwicklungen zu beobachten. Es geht um die Frage der Nutzung und Gestaltung von öffentlichem Raum, um Reglementierung,Verdichtung oder gar Kommerzialisierung. Hamburg war bisher die einzigeStadt im deutschsprachigen Raum, in welcher verschiedene Initiativen mit dem Label ‹Recht auf die Stadt› erfolgten (Holm, 2010: 75). Anhand der folgenden zwei Beispiele aus der norddeutschen Hafenstadt sollen Auswirkungen zu Gentrifizierungsprozessen fassbarer gemacht werden: Komm in die Gänge, Hamburg: Die Vorgänge im Gängeviertel wurden zu einem weit bekannten ‹Kampf› um Häuser. Einige (bis dato leer- stehende) Liegenschaften in dem Quartier, wo einst Handwerker und Hafenarbeiter wohnten, wurden von der Stadt Hamburg an einen holländischen Investor verkauft. Wegen der Wirtschaftskrise verzögerte sich der Baubeginn und die Liegenschaften wurden von einer heterogenen Gruppe von rund 200 Personen, von der linken Squat-Szene über Künstler- und Ateliergemeinschaften bis hin zu Handwerkern besetzt. Wäh- rend aus umliegenden altenGebäuden neue Stahl- undGlas-Bauten mit Büro-Räumen entstanden, fand die Bewegung des Gängequartiers eine breite Unterstützung in der Kreativ-Szene (Daniel Richter, Rocko Scha- moni u.v.m.). Nach einigen Diskussionen und Aktionen über die Standpunkte Wirtschaftliches vs. Soziales / Kreatives 3 kam es zu einer Rückabwicklung des Liegenschaftenverkaufs durch die Stadt. Ein Erfolg für die Kreativen auf der ganzen Linie? Nach Holm (2010: 36) war es für die Stadt Hamburg von hoher Bedeutung, wieder ein investitionsfreundliches Klima herzustellen; der Rück-Kauf der Gebäude war der Preis dafür. Im August 2012 feiert das Gängeviertel – nach wie vor lebendiger, bunter Ort – den dritten Jahrestag nach dem erfolgreichen Protest. 1 & 2 Vgl. Anhang:Texte zur Gentrifizierung,Wohnungsanzeige & Marlene-Dietrich-Platz 3 Vgl. Anhang:Texte zur Gentrifizierung Manifest ‹not in our name, Marke Hamburg›
  • 28. S. 29«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Grosse Bergstrasse in Altona, Hamburg: Einst eine Kaufhaus-Filiale von Karstadt an der Grossen Bergstrasse wurde das, mitten im Sanierungsge- biet stehende ‹Frappant-Gebäude› – ein Beton-Bau aus den 70ern – Kreativen für Zwischennutzungen zur Verfügung gestellt. Verschiedene Kulturprojekte, unter anderem ein, von einer Kaffee-Firma gesponsertes Festival fanden statt (Weblink Dingdong, 2007). Rund zwei Jahre nach dem Festival kaufte IKEA den Gebäu- dekomplex, um die erste innerstädtische Filiale zu errichten. Es wurden Anwohnerinitiativen eingereicht und Stimmen gegen den Umbau durch den schwedischen Grosskonzern gesammelt.Vor zwei Jahren ist der Verein Frappant in dieViktoria-Kaserne umgezogen und hat das Frappant-Gebäude übergeben. Im Frühjahr 2013 soll die Eröffnung der IKEA-Filiale stattfinden. Zürich Auch in der Limmatstadt, die für die hohe Lebensqualität und eine stabileWirtschaftsentwicklung geschätzt wird, sind einigeVorkommnisse der letztenJahre den genannten Beispielen von Hamburg ähnlich:Gross an- gelegte Projekte in Zürich-West (MobimoTower, PrimeTower u.a.), Aufwertungen sogenannter Problem- Zonen (Langstrassenquartier, Altstetten) sowie der Kampf um subkulturelle Freiräume (Binz bleibt Binz, Autonomer Beautysalon in Altstetten), um die bekanntesten zu nennen. Ein allgemein gültiges Rezept gegen Gentrifizierungsprozesse scheint es nicht zu geben; sie sind genauso vielfältig wie die Rahmenbedingungen und die angesprochenen Quartiere. Und dennoch gibt es bei Zürich einen bedeutenden Unterschied zu anderen Städten: Einen sehr wichtigen Hinweis hierzu formuliert Klaus (2006: 83) mit der Erkenntnis, dass in kleineren Städten die Gefahr besteht, «dass das kreative Potenzial stark beschnitten wird und versiegt, weil es keine Ausweichmöglichkeiten in andere Quartiere gibt». Zürich ist nicht New York, London oder Paris. Zürich soll aber mehr sein, als ein geografisch begrenzter Raum für hochpreisige Immobilien – Zürich soll lebendig bleiben. Und damit vermieden wird, dass – wie die Stadtpräsidentin in einem Interview angibt – «die Kreativen nach Berlin abwandern» (Gindely, 2010), wurden von der Stadt Zürich Massnahmen ergriffen.
  • 29. S. 30 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) 2.5 Fazit zu Kapitel 2, der theoretischen Herleitung zur Bedeutung der Kreativen in derWirtschaft Wie in diesem Kapitel aufgezeigt wurde, entspricht das Arbeitsmodell der Kreativen einem Zukunftsmo- dell. Sie sindTeil derWissensarbeiter, die Städte in eine Renaissance im postmodernen Zeitalter der Dienst- leistungsgesellschaft führen. Zudem gilt die Kreativwirtschaft als wichtige Treiberin und Innovatorin, die Leistungen und ‹Content› für andere Branchen schafft. Das unternehmerisch handelndeStandortmarketing greift in derVermarktung die Idee der ‹Creative City› auf, um attraktive potenzielle Steuerzahler und Unter- nehmen an sich zu binden. Es geht dabei nicht ‹nur› um ein wirtschaftliches Potenzial sondern um grunsätz- liche Fragen der zukünftigen Ausrichtung eines Standorts. Die wirtschaftliche Dynamik und Grösse des Branchenkomplexes Kreativwirtschaft wurde durch die Zah- len der bisherigen drei Kreativwirtschaftsberichte zum Ausdruck gebracht. Wichtig für die Kreativen ist der Zugang zu Inspirationsquellen wie Subkulturen und zu kreativen Prozessen, die in autonomen Zonen (Freiräumen) entstehen, die wiederum nur unter gewissen Voraussetzungen möglich sind, z.B. dank tiefen Raumkosten. Gewisse Gebiete erfahren u.a. durch die Ansiedlung von Kreativen Aufwertungsprozesse mit Verdrän- gungsmechanismen (Gentrifizierung), wobei die Kreativen teilweise für Aufwertung und Image-Änderun- gen von Stadtteilen instrumentalisiert werden. Der Gewinn der Gebietsaufwertung kommt dabei aber oft den Immobilienhändlern zu, nicht den Kreativen bzw. den Auslösern dieser Prozesse. Zürich ist ein attraktiver Standort mit einer Gesellschaft mit sozialem Frieden, einem leistungsfähigen Verwaltungsapparat und mit stabiler Wirtschaft aber auch hohen Bodenpreisen. Es besteht somit die Gefahr, dass der, für die Kreativwirtschaft wichtige Nährboden keinen Platz mehr findet. Die Stadt greift ein für eine Entspannung in der Raumfrage. Zur Frage, wie sie das macht, welche Bedürfnisse die Kreativen haben, gibt das folgende KapitelAuskunft.
  • 30. S. 31«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) 3. Massnahmen und Bedürfnisse: eine Untersuchung und Gegenüberstellung 3.1 Situationsanalyse Zürich Politischer Hintergrund: Überschneidung von Kultur- und Wirtschaftspolitik Die nach dem Subsidiaritätsprinzip primären Zuständigkeiten der Kulturförderung liegen in der Schweiz bei Gemeinden und Kantonen. Damit verbunden ist der Einsatz des Kulturetats für die ‹kulturelle Grundversor- gung›. Der privatwirtschaftliche Sektor der Kreativwirtschaft ist hingegen bei der Wirtschaftsförderung der Stadt Zürich und bei der Standortförderung des Kantons angesiedelt. Diese Aufteilung lässt darauf schlie- ssen, dass die Kulturpolitik vorwiegend für den öffentlichen Sektor zuständig ist (vgl.Anhang, das Drei-Sek- toren-Modell). Es kommt in der Stadtverwaltung zu sich überschneidenden Handlungsfeldern; in Bezug auf Räume ist beispielsweise die städtische Kulturabteilung verantwortlich für die Vergabe von Ateliers, Zwi- schennutzungsprojekten wie die Werkerei (siehe Seite 36) sind unter der Co-Leitung der Wirtschaftsförde- rung. Untereinander wird ein guter Dialog gepflegt (InterviewWirtschaftsförderung). Die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft bewegen sich in allen drei Sektoren; in ihrer Wahrnehmung werden die Sektoren als ein System wahrgenommen. Von einer zukunftsfähigen Kulturpolitik wird von ih- nen mehr erwartet als öffentliche Kulturförderung; sie fordern den Einbezug wirtschaftspolitischer Zusam- menhänge (Held et al., 2005b: 24). Ebenso wichtig ist, dass von Seiten der Politik und der öffentlichen Hand ein breiter Sichtwinkel beibehalten wird und es nicht zu einer einseitigen Argumentation aus der Optik der Standortattraktivität kommt (vgl. Anhang,Texte zur Gentrifizierung, Manifest Hamburg). 3.1.1 Förderstrategien und -ziele der Stadt Zürich
  • 31. S. 32 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Die Strategien Zürich 2025 In der Publikation «Strategien Zürich 2025» (Stadtrat von Zürich, 2011: 7 ff.) wird als Vision festgehalten, dass Zürich im Jahr 2025 u.a. eine Stadt mit hoher Lebensqualität, herausragenden kulturellen und infra- strukturellen Einrichtungen und Umweltbedingungen sein soll. Als Herausforderung im Bereich der Krea- tivwirtschaft wird der zunehmend knapper werdende Raum für junge, imagebildende Kreative genannt. Weiter ist im Strategiepapier aufgeführt, dass die Stadt die Kreativszene bei der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten, welche die Vernetzung fördern, unterstützt, sich für die Bereitstellung günstiger Räum- lichkeiten engagiert und dieVernetzung der Akteure der Kreativwirtschaft fördert. Es geht dabei nicht nur darum, bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen, Zürich soll gene- rell stärker als kulturelles und kreativwirtschaftliches Innovationszentrum wahrgenommen werden. Das Kulturleitbild der Stadt Zürich Mit dem Leitbild zur städtischen Kulturförderung legt das Präsidialdepartement die Schwerpunkte und Akzente der städtischen Kulturpolitik für vier Jahre (2012 bis 2015) fest und fasst das bestehende, wie auch das geplante Engagement der Kulturförderung zusammen. In der Gemeinderatsdebatte (November 2011) nahm der Gemeinderat das Kulturleitbild zur Kenntnis 1 . Unter dem Legislaturschwerpunkt ‹Kultur- und Kreativstadt Zürich› ist als Ziel festgehalten, dass Kul- turschaffende wie auch privatwirtschaftlich orientierte Akteure der Kreativwirtschaft «gute Rahmenbe- dingungen und ein anregendes Umfeld» finden sollen (Stadt Zürich, Präsidialdepartement, 2011: 19). Ein Fokus soll dabei aufZwischennutzungen gelegt werden. Da Stadt und Kanton wenig eigene Liegenschaften besitzen, soll dieses Ziel zusammen mit Privaten erreicht werden. Dass die Raumfrage zum Schwerpunkt wurde, wird auch in der Rede der Stadtpräsidentin zur Gemeinde- ratsdebatte betont 2 : «Die Kulturproduktion benötigt Räume – preisgünstige Räume, denn die meisten 1 Über die einzelnen Kulturförderungsbeiträge befindet der Gemeinderat in separaten Abstimmungen. 2 Rede der Stadtpräsidentin Corine Mauch, anlässlich der Gemeinderatsdebatte zum Kulturleitbild der Stadt Zürich 2012–2015. Datum: 09.11.2011, Ort: Zürich; URL: http://www.stadt-zuerich.ch/prd/de/index/ueber_das_departement/stadtpraesidentin/reden_und_statements.html [23.08.2012]
  • 32. S. 33«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Künstlerinnen und Künstler können keine hohen Mieten bezahlen. Wenn Zürich als Produktionsstandort attraktiv bleiben möchte, braucht es bezahlbaren Produktionsraum». Weiter erwähnt wurde auch, dass die StadtZürich eine neue, transparente Atelierpolitik etablieren will, bei welcher die Rotation eine stärke- re Rolle einnehmen soll, als es bisher der Fall war. Innerhalb der Stadtverwaltung sind für die Vergabe und dieVerwaltung vonAtelierräumen verschiedene Stellen zuständig: die Kulturabteilung, die Liegenschaften- verwaltung und die Immobilien-Bewirtschaftung. Diese Aufteilung hat zu uneinheitlichen Vergabekriterien geführt. Es sollen nun dieTransparenz erhöht und neue Bedingungen ausgearbeitet werden. Zusammenfassung der städtischen Ziele zur Förderung der Zürcher Kreativwirtschaft Folgende Ziele können somit zusammengefasst werden: • Die Stadt schafft geeignete Rahmenbedin- gungen für die Kreativwirtschaft. • Sie will verstärkt als ein kulturelles und kreativwirtschaftliches Innovationszentrum wahrgenommen zu werden. (Es gilt dabei der Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit; d.h. es wird keine Industriepolitik betrieben 1. .) • Die Stadt Zürich nimmt die Rolle der Vermittlerin wahr; sie fördert damit die Vernetzung der Akteure der Kreativwirt- schaft und stärkt deren Sichtbarkeit im In– und Ausland. 2 • Mit einer aktiven Raumpolitik engagiert sich die Stadt für die Bereitstellung günsti- ger Räumlichkeiten, wobei ein spezieller Fokus auf dem Modell der Zwischennut- zung liegt. • Im Gegensatz zu Basel, wo einige etablierte Teilmärkte besonders gewichtet werden (Architektur, bildende Kunst, Design, vgl. Rossel, 2010: 138) setzt sich Zürich für alle Bereiche ein. • Die Stadt begrüsst Eigeninitiativen der Ak- teure der Kreativwirtschaft und hilft ihnen im Rahmen ihrer Möglichkeiten. 3 1 2 3 1 «Die Industriepolitik ist einTeilbereich derWirtschaftspolitik. Sie umfasst alle wirtschaftspolitischen Massnahmen eines Staa- tes oder dessenVerwaltungseinheiten, die auf die Struktur und die Entwicklung eines Industriezweiges einwirken. (...)» (WeblinkWikipedia, Industriepolitik). 2 Vgl. Kapitel Standortmarketing Seite 19, Zurich Creative Day an der Olympiade in London. 3 Es werden von derWirtschaftsförderung keine Betriebsbeiträge an privatwirtschaftlich tätige Unternehmen der Kreativwirt- schaft gezahlt; (bei Kulturinstitutionen sind im Rahmen der städtischen Kulturförderung Betriebsbeiträge möglich).
  • 33. S. 34 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) 3.1.2 Überblick zu den Massnahmen in Zürich A) Private Projekte 1 Das Basislager Binz (Weblink Basislager, 2012): Die Binz galt lange als eines der letzten innerstädtischen Industriegebiete; das Stadtbild von heute zeigt Wohnsiedlungen und Büro-Gebäude. Das Projekt Basislager mit ca. 180 Containern und einem monatlichen Quadratmeter-Preis von ca. CHF 20.– entstand auf einer Brache der Eigentümerin Swiss Life (Lebensversi- cherungen) und im Zusammenhang mit der KTI-Forschungsstudie zone*imaginaire (vom Institut für Raum- entwicklung HSR Rapperswil, dem INURA Zürich Institut, dem Geografischen Institut der Universität Zürich sowie dem Institut Urban Landscape der ZHAW Winterthur). Ursprünglich war das Projekt auf eine Dauer von zwei Jahren befristet, fand dann aber eine Fortsetzung (siehe Basislager Altstetten unter Pkt. B). Das Kunsthaus Aussersihl (WeblinkVerein Kunsthaus Aussersihl, 2012): Aus dem Amtshaus im Herzen von Aussersihl sollte nach dem gleichnamigenVerein ein Haus der Kunst und Kultur werden, ein interdisziplinäres Kompetenzzentrum mit Ateliers, Werkstätten, Experimentierräumen, Kinderhort, Dachkantine, Konzert-Raum in derTiefgarage u.v.m.: «Das Projekt sieht vor, das Amtshaus auf dem Helvetiaplatz im Zürcher Kreis 4 als Raum für Kunst- und Kulturproduktion sowie für Präsentationen von zeitgenössischen und interdisziplinären Kunstformen umzunutzen» (Flückiger und Hongler, 2006: 3). Dabei wird insbesondere die zentrale Lage geschätzt, die Grösse und Vielfalt der Räume, wie auch die Möglichkeiten der Vernetzung, die eine interdisziplinäre Nutzung bieten würden. Doch aufgrund verschie- dener Anspruchsgruppen innerhalb der Stadtverwaltung und deren unterschiedlicher Nutzungsinteressen stellten Flückiger und Hongler (2006: 18) fest, dass das Projekt «nicht einfach durchsetzbar» sei. DerAnspruch, der für eine temporäre Nutzung geltend gemacht wurde, konnte bis heute nicht bedient wer- den. Das Gebäude wird von der Stadt nach wie vor als ‹Back-up› bzw. Raumreserve genutzt, wenn Umzüge und Renovationen verschiedener Abteilungen der Stadtverwaltung anstehen. (Stand 09.12: Der Verein Kunsthaus Aussersihl setzt sich nach wie vor aktiv für die Umwandlung der Nutzung des Amthauses ein.) 1 Auf Projekte, die durch Initiative von privatwirtschaftlich tätigen, arrivierten Unternehmen der Kreativwirtschaft entstanden sind (Bsp. das NOERD in Oerlinkon von der FREITAG lab. AG und Aroma Productions oder der Supertanker in der Binz), wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen. Im Fokus unter Pkt. A stehen private Projekte für einzelne, freischaffende Kreative.
  • 34. S. 35«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) B) Private Projekte mit Beteiligung der öffentlichen Hand Das Basislager Altstetten (Weblink Basislager, 2012): Nach einem erfolgreichen Start in der Binz fand das Container-Dorf im Sommer 2012 in Altstetten einen neuen Standort. Die Swiss Life ist nach wie vor Eigentümerin, dassAreal wird von der Stadt Zürich für ca. 15 Jahre zurVerfügung gestellt (InterviewWirtschaftsförderung). Die Mobilität von Immobilien scheint dem Zeitgeist zu entsprechen. Das Konzept wurde von der Stadt Basel übernommen: Auf dem Dreispitzareal der Christoph Merian Stiftung kam das gleiche Container- Modell zum Einsatz (Interview R. Rossel). Die Atelier-Räume Migros Herdern: In der Kulturförderungslandschaft der Schweiz kommt dem Migros-Kulturprozent eine bedeutende Rolle zu, die weit über der ‹corporate responsibility› vergleichbarer Konzerne liegt: Die langjährige Tradition, ei- ner breiten Bevölkerungsschicht einenZugang zu kulturellen und sozialen Leistungen zu ermöglichen, zeigt sich in verschiedenen Engagements. Mit einem der neusten Projekte ‹Migros Herdern› im Kreis 5 sollen Ateliers- und Lagerräume für Kulturschaffende für maximal zwei Jahre (Herbst 2012 bis Ende 2017) ent- stehen. Nebst der Migros sind die ZHdK und die Stadt Zürich an der Planung und Finanzierung beteiligt. Mit dieser Zwischennutzung soll «ein innovatives Fördermodell initiiert und geprobt werden, das jungen, besonders talentierten Absolventen der ZHdK zugute kommt» (Stadtrat Zürich, 2012). Die Fläche beträgt rund 1000 Quadratmeter. Die Stadt Zürich investiert einen jährlichen Betrag von CHF 160K. (Stand 09.12: Die Ermächtigung für den Abschluss des Mietvertrags wurde vom Gemeinderat mit 77 Ja- gegen 34 Nein-Stimmen gutgeheissen.) 1 1 Gemeinderatsbeschluss gemäss URL http://www.gemeinderat-zuerich.ch/ [06.09.2012] «Das Basislager ist super in Punkto Konditionen undVernetzung.» (Cornelia M., Mieterin seit 08.2012)
  • 35. S. 36 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Löwenbräu: Im Löwenbräu-Areal wird durch den Immobilienerwerb von der Löwenbräu Kunst AG privaten Galerien und ansässigen Kulturinstitutionen eine langfristige Grundlage gesichert. Die Löwenbräu Kunst AG ist ein Pub- lic Private Partnership Projekt, an der die Stiftung KunsthalleZürich, der Migros-Genossenschafts-Bund und die Stadt Zürich zu je einem Drittel beteiligt sind (Weblink Kunsthalle, 2012). (Stand 09.12: Die Eröffnung fand diesen August [2012] statt.) C) Projekte der öffentlichen Hand: Die Werkerei in Schwammendingen (WeblinkWerkerei, 2011): Im Hinblick auf die geplante Einhausung der A1 verlegte die Automobilfirma AMAG ihren Sitz stadtaus- wärts. Das zuvor von ihr belegte ca. 10 000 m2 grosse AMAG-Areal wurde von der Stadt Zürich für min- destens fünf Jahre gemietet. In Zusammenarbeit mit dem auf Zwischen- und Umnutzungen spezialisierten Immobilienverwalter ‹Fischer Liegenschaften› werdenAteliers,Ausstellungsräume undWerkstätten an Kre- ative untervermietet. Quadratmeter-Preis pro Jahr: ca. CHF 60.– bis 150.–. Der Stadt Zürich wird die Rolle als Hauptmieterin für eine Zwischennutzung zugetragen. Der Stadtrat bean- tragte ein Budget von max. CHF 810K für ungedeckte Kosten aus Untervermietung (plus einmalige Umbau- kosten von ca. CHF 3,8 Mio.). «Die AMAG-Zwischenlösung trägt zum Erhalt der urbanen Vielfalt bei und ist eine Chance, im umgebenden Quartier einen neuen Akzent zu setzen» (Stadtrat Zürich, 2010). «Das ist eine einmalige Gelegenheit für uns in Zürich Fuss zu fassen.» (Kunstbedarf boesner, Mieter eines Raums im EG derWerkerei, 2012)
  • 36. S. 37«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) D) Weitere Projekte und Projekt-Ideen der öffentlichen Hand Creative Zurich Wednesday im HUB: Die Creative Zurich Wednesday Veranstaltungen – früher im Carabet Voltaire und seit 2006 im HUB Zürich (Viadukt im Kreis 5) – finden vier mal jährlich zu akutellen Themen und Trends der Kreativwirtschaft (z.B. Creative Entrepreneurship, Film Location Zürich, Social Media, Zürich als Mode-Standort etc.) statt. Die Teilnahme ist kostenlos. Die Creative Zürich Initiative dient der Stärkung der Zürcher Kreativwirtschaft und ist ein offener und unabhängiger Bund vonAkteuren aus kreativen Branchen. DieWirtschafts- undStandort- förderung von Stadt und Kanton Zürich sind für die Koordination verantwortlich und werden von weiteren Partnern unterstützt (Weblink Creative Zurich). Relaunch derWeb-Plattform (in Planung): Ein Relaunch des Creative Zurich Web-Portals (Weblink creativezurich, 2012) als neue Austauschplattform ist in Planung. Die neueWebsite soll einen Überblick über die Zürcher Kreativ-Szene bieten. Für das Projekt verantwortlich zeichnen sich die Wirtschaftsförderung der Stadt und die Standortförderung des Kantons Zürich. Das folgende Projekt, welches nicht in ursprünglich geplanter Form umgesetzt werden konnte, soll an dieser Stelle ebenfalls kurz erwähnt werden, zumal es sich um ein interessantes und zu seiner Zeit visionäres Konzept handelte: Media Campus: Für die Räumlichkeiten, wo früher die Kunst-Zeitschrift ‹DU› produziert wurde, lancierte die Stadtentwick- lung 1998 eine, zu diesemZeitpunkt visionäre Projektidee für innovative Jung-Unternehmen aus der Media- Welt (Telecom, Informatik, Medien). Die Gewerberäume setzten in Bezug auf IT und Kommunikationstech- nologie neuste Standards für Start-ups, wie auch für Konferenzen und Events. Die Eröffnung des Media Campus fand im November 2002 statt, zu einem Zeitpunkt, wo sich «die wirtschaftlichen Rahmenbedin- gungen radikal verschlechtert» haben (Stadtentwicklung, 2003: 12). Mögliche weitere Hindernisse, die dem Erfolg des MediaCampus wahrscheinlich imWege standen, waren, dass die konzeptionelleAusrichtung von der Liegenschaftenverwaltung zu wenig mitgetragen wurde, dass Altstetten von potenziellen Anker-Mie- tern nicht als Szenen-nahes Gebiet betrachtet wurde, und dass die Mietbedingungen (wegen der grossräu- migen Einteilung) zu wenig auf einzelne Kreative zugeschnitten waren (Interview. R. Blancpain).
  • 37. S. 38 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) 3.1.2 Mögliche Hindernisse für Zwischennutzungen Zwischennutzungen werden von der Stadtentwicklung als bedeutendes Instrument der Förderung zum Thema Räume gesehen. Da die öffentliche Hand selber (verglichen mit anderen Ländern) wenig eigene Liegenschaften besitzt, sind Entscheide zu Zwischennutzungen oft von privaten Eigentümern abhängig. Es wird angestrebt, weitere Projekte mit temporären Nutzungen – analog Modell ‹Werkerei› – umzusetzen, um die ungebrochene Nachfrage 1 zu bedienen. Eine Zwischennutzung scheint bei privaten Grundbesitzern oft mit negativenVorurteilen belegt zu sein. Zu Unrecht, wie das Bundesamt für Umwelt [BAFU] angibt. Auf der eigens dafür eingerichteten Website (Web- link [BAFU], 2010), liefert ein Leitfaden wichtige Informationen, wie eine Zwischennutzung erfolgreich lan- ciert und umgesetzt werden kann. Das Forschungsprojekt zone*imaginaire (Angst et al., 2010; siehe auch Basislager Binz) untersuchte und verglich Zwischennutzungen in ehemaligen Industriearealen und lieferte wichtige Erkenntnisse für den Leitfaden. Auch einer gewünschten Ausgestaltung der Räume durch die Mieter aus der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie neuen Formen des Wohnens und Arbeitens (vgl. Kapitel Revitalisierung von Industriearealen (...) , Seite 16) dürften gewisse Hindernisse imWege stehen: Ein Gebäude im ‹Rohzustand› den Mietern zu überlassen ist für die Städtische Liegenschaftenverwaltung eher ungewohnt, da unter Umständen mit unkalkulierten Variablen gerechnet werden muss, wie beispiels- weise von den Mietern nachträglich eingereichte Bewilligungen, die ursprünglich nicht im Budget einge- plant wurden. Und bei einer gemischten Nutzung vonWohn- undArbeitsraum (Bsp.Wohnateliers) stellt sich die Frage derVereinbarkeit mit den aktuellen Regelungen zu Gewerbe- undWohnzonen. 1 Zur Nachfrage: Es sind beispielsweise nur bereits auf derWarteliste für Atelier-Räume in der Roten Fabrik rund 50 Künstler verzeichnet (Stadtrat Zürich, 2012: 2); die Situation für Kreative auf dem privatwirtschaftlichen Sektor ist ähnlich schwierig, zumal die marktüblichen Quadratmeter-Preise die finanziellen Möglichkeiten von Einzel- und Kleinstunternehmen der Krea- tivwirtschaft übersteigen (vgl. Umfrage ab Seite 40).
  • 38. S. 39«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) 3.1.3 Fazit zum Kapitel 3.1, Situationsanalyse Zürich Staatliches Engagement im Sinne der Kulturförderung wird oft nur mit der direkten Unterstützung von Künstlern in Verbindung gebracht, doch durch das enge Beziehungsgeflecht ist es indirekt auch für weite- re Akteure der Kreativwirtschaft von grosser Bedeutung. Umgekehrt profitieren Künstler die beispiels- weise im privatwirtschaftlichen Sektor freelancen wiederum von Kreativ-Unternehmen. Die Verflechtung der drei Sektoren (vgl. Anhang: Darstellung des Drei-Sektoren-Modells) wird von kreativ Tätigen als ein System wahrgenommen. Auf Seite der Stadtverwaltung sind jedoch je nach Sektor verschiedene Bereiche zuständig. Der Legislaturschwerpunkt ‹Kultur- und Kreativstadt Zürich› unterstreicht die Bedeutung der Kreativwirt- schaft für den Standort Zürich. Die Gesamtstrategie, wie auch das Leitbild zeigen, dass das Problem eines zunehmend knapper werdenden Raum-Angebots für Kreative anerkannt wurde. Bereits heute überwiegt die Nachfrage bei weitem das Angebot – Tendenz steigend. Die Stadt setzt sich dafür ein, bessere Rah- menbedingungen zu schaffen, wobei verschiedene Massnahmen für eine Entspannung der Lage bereits umgesetzt wurden; weitere sind in Planung. Es wird dabei von einer klassischen Industriepolitik (im Sinne einer einseitigen Unterstützung der Kreativwirtschaft gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen) abgese- hen. Im Fokus stehen Zwischennutzungsprojekte, die bei Privaten zu unrecht mit negativen Vorurteilen belegt sind. DieSchwierigkeitenbeikünftigenMassnahmenderöffentlichenHandwerdenwohldarinliegen,wirtschaft- liche, kulturelle und städtebauliche Interessen der jeweiligenAnspruchsgruppen zu vereinen und private Grundeigentümer für Zwischennutzungsprojekte zu gewinnen. Und welche Anliegen werden von den Kreativen selbst geäussert? Die folgende Bedürfnisabklärung soll dazu die Antworten liefern.
  • 39. S. 40 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) 3.2 Bedürfnisabklärung 3.2.1 Anmerkung zur Datenerhebung Angaben zur Umfrage Der Bedürfnisabklärung liegt die Annahme zugrunde, dass ‹günstiger› Raum eine zentrale Vorausset- zung für eine prosperierende Kreativwirtschaft ist, und dass trotz der jüngsten Massnahmen der Stadt (vgl. Kapitel Situationsanalyse Seite 31) nach wie vor ein grosser (steigender) Bedarf an Atelier- und Miet- räumen für Kreative in urbanen Gefilden besteht. Wichtig zu beachten ist, dass es sich bei der Bedürfnisabklärung um keine repräsentative Umfrage handelt. Es geht vordergründig darum, die eigene Sichtweise zu erweitern, um nicht zu stark von einer Selbstwahr- nehmung geleitet zu werden. (Zum Umfang der Antworten riet die Abteilung Forschung und Dienstleis- tung der ZHAW zu einer Anzahl von ‹gegen 100 Beantwortungen›.) Zum Zeitpunkt der Auswertung wurden 108 vollständig ausgefüllte Fragebogen berücksichtigt. Die Daten wurden anonym mittels Online-Fragebogen (sieheAnhang) erhoben, wobei nur eine Beantwor- tung je IP-Nummer zugelassen wurde, um Mehrfachteilnahmen auszuschliessen. Der Fragenkatalog sowie die detaillierten Angaben der Bemerkungs-Felder werden von der Autorin aufbewahrt und können für eine Einsichtnahme auf Wunsch vorgelegt werden. Da die Umfrage auch als Link via Social Media und über On- line-Plattformen gestreut wurde, wird keine Rücklaufquote ermittelt. Ziele der Befragung Das Ziel der Umfrage ist, dass der aktuelle Diskurs der Kreativ-Szene aufgegriffen wird, dass gemeinsame Erwartungen und Hoffnungen festgehalten sowie gemeinsame Problemkreise abgeleitet werden. Die Fördermassnahmen der Stadt konzentrieren sich auf das Thema Raum; Vergleiche mit anderen Ländern zeigen, dass die Raumvermittlung und –beschaffung ein Förderinstrument aus einer Reihe verschiedener
  • 40. S. 41«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) möglicher Massnahmen ist. Die Bedürfnisabklärung soll aufzeigen, bei welchemThemenbereich der Förde- rung die Prioritäten liegen sollen. Weitere Abfragen beleuchten einzelne Aspekte der Raum-Frage (Stadt- raum wie auch Anforderungen an Arbeitsräume) sowie die Rollen der Akteure der Raumvermittlung. Zielgruppe der Umfrage Der Fragebogen wurde ausschliesslich an aktuelle und potenzielleAtelier-Nutzer (verschiedenerTeilmärk- te) der Stadt Zürich gesandt. Die Adressen setzen sich zusammen aus dem persönlichen Adressbuch der Autorin sowie aus recherchierten Kontakten von Atelier-Gemeinschaften und Zusammenschlüssen Kreati- ver (z.B. Genossenschaften). Die Umfrage konzentriert sich auf ein Basis-Segment mit Freischaffenden, Künstlern, Cultural Entrepre- neuren sowie Einzel- und Kleinstunternehmen, nicht auf arrivierte Unternehmen der Kultur- und Kreativ- wirtschaft. Es wurden gezielt Personen angeschrieben, die sich zwischen Freiberuflichkeit und Selbständig- keit bewegen und deren Raumbedürfnisse besonders stark von den Kosten abhängig sind. Ein Beispiel: Ein freischaffender Musiker hat eine andere Kosten-Abhängigkeit wie ein, von einem etab- lierten Unternehmen angestellter Journalist. In diesem Sinne wurde darauf geachtet, dass mehr vomTypus ‹Musiker›, als ‹angestellter Journalist› für die Umfrage zugelassen wurden. Bei der Interpretation der Resultate wird davon ausgegangen, dass sich die Raumbedürfnisse je nach Teil- markt sehr stark voneinander unterscheiden. Auch hierzu ein Beispiel: Ein Software Engineer der vorwiegend von mobilen Stationen aus arbeitet, hat gänzlich andere Raumbedürfnisse als ein Bildhauer. Bei derZielgruppe derUmfrage wurden in diesemSinne mehr Personen mit Raum-Abhängigkeit – oder, wie im Beispiel genannt, mit den Bedürnfissen eines Bild- hauers – berücksichtigt.
  • 41. S. 42 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) 0 1 2 3 4 5 km Die Stadt-Quartiere Zum besseren Verständnis wird im Folgenden eine Karte 1 dargestellt mit den Zürcher Stadtquartieren, die in der Umfrage und Interpretation genannt werden: 2 1 Abbildung: Quelle URL http://de.wikipedia.org/wiki/Zürich (Quartiere der Stadt Zürich), [10.09.2012] 2 Mit ‹Züri-West› (ugs.) ist der untere Kreis 5 (Escher-Wyss) gemeint. Kreis 1, Altstadt Kreis 2, Enge/Wollishofen Kreis 3, Wiedikon Kreis 4, Aussersihl Kreis 5, Industrie 2 Kreis 6, Unter-/Oberstrass Kreis 7, Fluntern, Hirslanden Kreis 8, Seefeld, Riesbach Kreis 9, Albisrieden, Altstetten Kreis 10, Höngg,Wipkingen Kreis 11, Oerlikon, Seebach, Affoltern Kreis 12, Schwamendingen
  • 42. S. 43«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) 3.2.2 Auswertungen und Interpretationen A) Zusammensetzung der Befragten Die einleitenden Fragen geben Auskunft zum Alter, den Tätigkeitsbereichen und Anstellungsverhältnis- sen der Teilnehmenden. Die Gliederung der Teilmärkte entspricht dem aktuellen Kreativwirtschaftsbericht (Weckerle und Theler, 2010: 13); sie wurden im Fragebogen in vereinfachter Form genannt, z.B. ‹Bereich Musik› anstatt ‹Teilmarkt Musikwirtschaft›. Der Begriff ‹Wirtschaft› wird oft mit einer Kommerzialisierung in Verbindung gebracht und kann die Interpretation der Frage durch die Zielperson fehlleiten; (siehe auch Seite 21 Kreativwirtschaft, Begriff stösst auf Ablehnung). A1) Alter 16 – 25 J. (3.7 %) 25 – 35 J. (33.3 %) 35 – 45 J. (45.4 %) 45 – 55 J. (13.9 %) > 55 J. (4.6 %) A3) Anstellungsverhältnis 85 (bzw. 78.7 %) von total 108 (100 %) der Befragten gaben an, dass sie einer selbstän- digen Erwerbstätigkeit nachgehen (kein Anstellungsverhältnis). 01. Musikwirtschaft 02. Buchmarkt 03. Kunstmarkt 04. Filmwirtschaft 05. Rundfunkwirtschaft 06. Markt der darstellenden Kunst 07. Designwirtschaft 08. Architekturmarkt 09.Werbemarkt 10. Software-/Games-Industrie 11. Übrige: Kunsthandwerk, Pressemarkt, Phonotechnischer Markt (12.0 %) (5.6 %) (36.1 %) (10.2 %) (2.8 %) (5.6 %) (32.4 %) (8.3 %) (19.4 %) (4.6 %) (21.4 %) A2)Tätigkeitsbereich (Teilmarkt) 07 09 03
  • 43. S. 44 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Fortsetzung Pkt. A) Zusammensetzung der Befragten: • Der Grossteil der Befragten (rund 80 %) ist zwischen 25 und 45 Jahre alt. • Stark vertreten sind die Bereiche Kunst (03. Kunstmarkt) und Design (07. Designwirtschaft, freischaffende Grafiker, Fotografen, Graphic Designer, Product Designer u.a..). • Deutlich erkennbar ist auch der hohe Anteil der Selbständigen. Interpretation: Es wurden wie erwähnt Zielpersonen aus sämtlichen Teilmärkten berücksichtigt; die Grössenverhältnisse widerspiegeln aber nicht das schweizweite Bild. Zu den grössten Teilmärkten der Schweizer Kreativwirt- schaft gehören (nachTheler, 2012: 32): • die Designwirtschaft, • der Architekturmarkt, • und die Software und Games-Industrie • sowieTeile des Pressemarkts. Doch wie bei der Zielgruppe der Umfrage angegeben, richtet sich diese Befragung primär an das Basis-Seg- ment von Freischaffenden mit einer hohen Abhängigkeit von tiefpreisigen Räumen. Es kann davon ausge- gangen werden, dass die relevanten Stimmen – auch wenn die proportionaleVereilung derTeilmärkte nicht dem üblichen Bild entspricht – erreicht wurden. Weiter ist anzunehmen, dass der Begriff ‹Kreativwirtschaft› in der Kreativwirtschaft selber (noch) wenig Be- kanntheit geniess. Es kann von den Befragten nicht genau zugeordnet werden, welche Tätigkeitsbereiche dazugezählt werden. Im direkten Dialog und in einigen Bemerkungen zum Fragebogen wurde zudem immer wieder eine gewis- se Skepsis spürbar zwischen den Sparten Kunst und Kultur und dem privatwirtschaftlicheren Sektor.
  • 44. S. 45«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) B) Art des Raums und Raum als Arbeitsort Die Fragen zu diesemThemenbereich zielten darauf ab, herauszufinden, welcheArt von Räumen bevorzugt werden und ob sich die Redewendung «new ideas need old buildings» bewahrheiten sollte. Der zweite Punkt thematisiert Raum im weiteren Sinne und zeigt in welchem Quartier in Zürich die Kreativen jetzt ansässig sind bzw. in welchemStadtteil sie gerne wären.Zudem soll verdeutlicht werden, obZürich generell als attraktiver Standort empfunden wird oder es ausGründen der Konkurrenz, fehlenderAuftraggeber u.a. zumAusdruck einer gegenteiligen Meinung kommt. Im Dialog mit Freischaffenden, die einigeJahre in Berlin lebten, ist oft von einem ‹Überangebot von Kreativen› und dem Zusammenhang mit ‹Dumping Preisen› die Rede.Wie viele Kreative verträgt eine Stadt? Diese Aussagen und Gedanken waren ausschlaggebend dafür, die Frage zu B 3 einzubauen. B1) Art der Räume B2) Stadtkreise Industriehallte, Fabrikgebäude A) 15.7 % B) 47.2 % Bürohaus, Atelier in einem Mietshaus A) 49.1 % B) 22.2 % Umgenutztes Ladenlokal A) 4.6 % B) 22.2 % Container / anderes A) 10.2 % B) 7.4 % Zimmer/Raum in derWohnung A) 20.4 % B) 0.9 % A = IST-Zustand B = Soll bzw.WunschA A A A A B B B B B 0 20 40 60 Kreis 1 A) 2.8 % B) 29.6 % Kreis 2 A) 7.4 % B) 23.1 % Kreis 3 A) 6.5 % B) 64.8 % Kreis 4 A) 25.9 % B) 68.5 % Kreis 5 A) 11.1 % B) 64.8 % Kreis 6 A) 1.9 % B) 17.6 % Kreis 7 A) 0.0 % B) 6.5 % Kreis 8 A) 4.6 % B) 19.4 % Kreis 9 A) 25.0 % B) 29.6 % Kreis 10 A) 4.6 % B) 23.1 % Übrige* A) 10.2 % B) 4.0 % (*Kreise 11 und 12) 0 10 20 30 40 50 60 70 80 A B A B A B A B A B A B A B A B A B A B A B 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Ü A = IST-Zustand B = Soll bzw.Wunsch
  • 45. S. 46 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Fortsetzung Pkt. B) Art des Raums und Raum als Arbeitsort: • Raum ≠ Raum. Als meist genutzte Art der Räume wurden Büro-Räume angegeben. Ein Büro-Komplex wirdaberbeiweitemwenigergewünscht,alseinroher,alterBau,eineIndustriehalle,einFabrikgebäude o.ä., wo selber Hand angelegt werden kann, der zugleich Atelier und Inspirationsquelle ist und einfach mit demVelo erreicht werden kann. • Büro-Räume schneiden dennoch besser ab, als Container, wobei letzteres eine neue Form von Atelier- Raum ist und aus diesem Grund wahrscheinlich noch weniger bekannt, (vgl. Weblink Basislager). • Eine Umnutzung von Ladenlokalen scheint auch sehr interessant zu sein. Ein, im Kreis 4 häufig anzutreffendes Beispiel sindArchitekturbüros in ehemaligen Ladenlokalen, mitArchitekturmodellen in den Schaufenstern und Arbeitsplätzen im hinterenTeil der Räume. • Die befragtenAkteure aus der Kunst- und Kulturszene wie auch aus dem privatwirtschaftlichen Bereich der Kreativwirtschaft sind hauptsächlich in den Kreisen 4 und 9 ansässig. (Wie erwähnt sind arrivier- tereUnternehmen,wiebekannteWerbeagenturenimSeefeldoderdasVerlagswesenrundumsBellevue in dieser Umfrage unterproportional vertreten.) • Die Stadt Zürich wird von einer klaren Mehrheit (rund 89 %) als attraktiver Standort beurteilt. Es war lediglich einmal in einem Kommentar von ‹Dumping› die Rede und einer Forderung nach branchenübli- chen Standard-Tarifen im Bereich Grafik. B3) Attraktivität des Standorts Zürich Ja (attraktiver Standort): 88.9 % Nein (unattraktiv): 11.1 %
  • 46. S. 47«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Interpretation: Die zentralen Stadtkreise 3, 4 und 5 werden mit einem erheblichen Vorsprung auf andere Kreise als Wunsch-Gebiete angegeben, gefolgt von den Kreisen eins (Altstadt) und neun (Altstetten). Es ist anzuneh- men, dass sich das Image vonAltstetten stark veränder hat, vgl. hierzu Klaus (2006: 197): Altstetten wurde 2006 als ‹trostlos› oder ‹verloren› wahrgenommen. Es erstaunt der tiefe Prozent-Wert für den Kreis 5. Im zweiten Zürcher Kreativwirtschaftsbericht (Sönder- mann,Weckerle et al., 2008) wurde der Kreis 5 mit hoher Kreativdichte angegeben. Es ist davon auszugehen, dass baulicheVeränderungen und steigende Bodenpreise in ‹Züri-West› (Primetower, Mobimo u.a.) bereits einen Einfluss darauf hatten. Die Kreativwirtschaft ist nach Erfahrung derAutorin nach wie vor im Kreis fünf vertreten, aber mit anderen Sparten (Bsp. Löwenbräu: früher Projekttheater, Raum für Plattentaufen u.a., heute Galerien und Museen). C) Raum-Eigenschaften Zu diesem Punkt wurden einerseits geografische und räumliche Kriterien sowie die Tendenzen zur Bele- gungs-Dauer (Zwischennutzung vs. langfristig) ermittelt, wobei als Langfristig > 5 Jahre angegeben wurde. Zwischennutzungen können durchaus auch länger dauern: Das Basis-Lager war ursprünglich für zwei Jahre angedacht, dieWerkerei wie auch die Ateliers Migros Herdern für mindestens fünf Jahre. Der Durchschnitt bei den «grössten Schweizer Industriebrachen» liegt hingegen bei 13 Jahren (Angst et al., 2010: 106). C1) Raum-Eigenschaften:Welche Bedeutung kommt der jeweiligen Eigenschaft zu? A = Sehr wichtig B =Wichtig C = Unwichtig D = Egal, keine Meinung 1 = Günstige Miete 2 = Art des Raums 3 = geistiger Freiraum (i.S.v. urbanes Gebiet,Toleranz) 4 = Durchmischung &Vielfalt im Quartier 1 2 3 4 65.7 % 48.1 % 43.5 % 41.7 %
  • 47. S. 48 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Fortsetzung Pkt. C) Raumeigenschaften: • Die Prioritätenverteilung zu verschiedenen Raum-Eigenschaften zeigt folgendes Bild: Als wichtigste Bedingung wurde eine ‹günstige Miete› 1 genannt. • Die Art des Raumes (Fabrikhalle, Bürogebäude o.a.) wurde ebenfalls as ‹sehr wichtig› angegeben. Kriterien wie ein urbanes Umfeld sowie die (soziokulturelle) Durchmischung im umliegenden Quartier hingegen werden deutlich weniger stark gewichtet. • Aus den Angaben unter ‹sonstiges› waren folgende Mehrfachantworten auszumachen: «AnschlussÖV &Verkehr, Lage (mitVelo erreichbar, nahe amWohnort), kleine Raumaufteilung» • Die Mehrheit (knapp 80 %) spricht sich aus für einen Bedarf an einer langfristigen (Raum-)Lösung bzw. für eine (Miet-)Dauer von 6 und mehr Jahren. 1 ‹Günstig› wurde nicht in Zahlen spezifiziert, hier soll mehr die Beziehung der einzelnen Kriterien untereinander verdeutlicht werden. So wird beispielsweise die Gewichtung des Kriteriums der Miete in Beziehung gestellt mit dem des ‹urbanen Umfelds›, denn erschwingliche Räume sind oft in der Peripherie oder in ländlichen, weniger urbanen Gebieten vorhanden. C2) Zwischennutzung vs. langfristige Nutzung Zwischennutzung: 21.3 % Langfristig (> 5 Jahre): 78.7 %
  • 48. S. 49«Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Interpretation: Aus der starken Gewichtung des Kriteriums Miete stellt sich deutlich heraus, dass die üblichen Marktpreise für leerstehende Räume dieVorstellung der Kreativen von ‹günstig› oder ‹zahlbar› übersteigen. Oft wird eineZwischennutzung als, für die Kurzlebigkeit der Kreativwirtschaft perfekt zugeschnittene Mass- nahme betrachtet. Dem ist jedoch anzuführen, dass der langfristigen Perspektive von 6 und mehr Jahren eine hoheWichtigkeit beigemessen wird.An dieser Stelle soll nochmals kurz in Erinnerung gerufen werden, dass die grösste Gruppe der Beantwortenden (mit 45 % knapp die Hälfte) Personen im Alter von 35 und 45 ausmachen, was möglicherweise bei der Beantwortung der Frage zum Zeithorizont (kurzsfristig vs. > 5 J.) zum Ausdruck kam. Es kann interpretiert werden, dass in dieser Lebensabschnittsphase die Beständigkeit eine höhere Bedeutung hat und längerfristige Lösungen bevorzugt werden. D) Modelle und Rechtsformen Bei diesen beiden Charts geht es primär um mögliche Organisationsformen der Mietenden: Chart 1 zeigt die Antworten auf denVorschlag eines Gebäudekomplexes, mit der Möglichkeit, gemeinsam gewisse Dienstleistungen und Geräte (z.B. kaufmännische Dienstleistungen wie Buchhaltung bis hin zu technischer Infrastruktur wie Drucker etc.) zu beziehen. Um in der knapp formulierten Fragestellung As- soziationen zu ähnlichen Konzepten (Bsp. Media Campus, siehe Seite 37) zu ermöglichen, wurde der weit bekannte ‹Technopark› genannt. Beim zweiten Chart geht es um die organisatorische Form für die Vermietung, bzw. ob eine Gliede- rung in einzelne Mietparteien aus Sicht der Kreativen mehr Anklang findet wie eine Vermietung an einen Zusammenschluss von Kreativen (z.B. eine Genossenschaft) oder ob eine Beteiligung als Eigentümer in Frage käme. Die letzgenannte Idee, Kreative als Eigentümer an Gebäuden zu beteiligen geht auf ein TV- Interview mit dem US-amerikanischen Ökonomen Richard Florida zurück. Als eine mögliche Teilnahme an der Immobilienaufwertung durch Gentrifizierungsprozesse schlug er vor, Kreative – oft Auslöser, nicht aber Nutzniesser der Aufwertung – als Eigentümer an Gebäuden zu beteiligen; «(...) wenn derWert der Künstler- quartiere steigt, können sie verkaufen, wenn sie wollen, oder aber an dem Ort bleiben, wo sie Schweiss und Herzblut investiert haben (...)» (TV-Interview R. Florida).
  • 49. S. 50 «Die Förderung der Kultur- & Kreativwirtschaft in Bezug auf Räume», MasterThesis zhaw, © Christina Zvecevac (09.2012) Fortsetzung Pkt. D) Modelle und Rechtsformen: • Für etwas mehr als die Hälfte der Befragten käme ein Modell ‹analog Technopark› in Frage, rund ein Drittel findet es nur unter gewissen Bedingungen interessant, (Bedingungen siehe Folgeseite). • Der Chart 2 verdeutlicht, dass eineVermietung an einzelne Mietparteien am meisten geschätzt wird. Hierzu wurde von einer Person folgende, spannende Idee formuliert: «Jedes neu erstellte Gebäude der Stadt oder Bürogebäude sollte auch ein Stockwerk für Kreativschaffende haben, und von den Büros mitfinanziert werden (...) ». D1) Konzept ‹Technopark für Kreative›: Einzelne Räume können zu guten Konditionen gemietet werden, gewisse Leistungen z.B. im kaufmännischen Berich und Infrastruktur wie Drucker etc. werden geteilt. D2) Beteiligung / Rechtsformen A) Ja, interessant (59 Personen, 54.6 %) B) Ich fände es nur unter bestimmten Bedingungen gut (28 Personen, 25.9 %) C) Nein, nicht interessant, weil (...) (21 Personen, 19.4 %) A) B) C) A) Atelier/Raum wird als Eigentum dem Kreativen übertragen (8 P. / 7.4 %) B) Atelier/Raum wird (bspw. von der Stadt) an einzelne Personen untervermietet (63 P. / 58.3 %) C) Gebäude wird an eine Gruppe bzw. Genossenschaft (oder anderer Zusam- menschluss von Kreativen) übertragen (37 P. / 34.3 %) A) B) C) 59 Personen (54.6 %) 63 Personen (58.3 %)