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2 POLITIK SAMSTAG, 8. JUNI 2019
URSACHE & WIRKUNG URSACHE & WIRKUNG
„Er nahm mich
unter seine Flügel“
Der Opa steht im Schatten der Oma.
Aber nicht immer und überall. Der Großvater kann
„der große Erklärer“ sein und viel Rückhalt bieten.
JOSEF BRUCKMOSER
Nur aus Liebe zu meinem Großva-
ter habe ich mich als Kind
nicht umgebracht“, schrieb Tho-
mas Bernhard in den Erinnerun-
gen „Ein Kind“. Der Schriftsteller
war ohne Vater aufgewachsen,
die Mutter war überfordert und
züchtigte ihn mit einem Ochsen-
ziemer – worauf hin der Sieben-
jährige in die Wohnung des Groß-
vaters flüchtete. Glücklich erin-
nert sich Bernhard, wie er den
Opa auf Spaziergängen begleiten
durfte. „Er war mein großer Erklärer, der erste,
der wichtigste, im Grunde der einzige“.
Das ist eine der großen literarischen Erinne-
rungen an einen Großvater, die der Salzburger
Religionspädagoge Anton A. Bucher in seinem
Buch „Lebensernte. Psychologie der Großel-
ternschaft“ zitiert. Sehr schnell wird in dieser
ebenso liebevollen wie wissenschaftlichen Aus-
einandersetzung mit dem Thema klar, dass der
Opa häufig im Schatten der Oma steht. Noch im
Jahr 2015 bedauerten Wissenschafter, dass das
Großelternschaft insgesamt in der Forschung
kaum beachtet worden sei. Besonders margina-
lisiert würden die Großväter, obgleich es der
schönste Job der Welt sei. Jean Paul Sartre, der
seinen Vater im Alter von 15 Monaten verlor,
erlebte das bei seinem Opa so: „Ich beglückte
ihn durch meine bloße Gegenwart. . .; er legte
die Hand auf mein Haupt, ich spürte die Wärme
seiner Handfläche, mit einer Stimme, die vor
Zärtlichkeit bebte, nannte er mich sein ’Klein-
chen’“.
Den aus der Schweiz gebürtigen Wissen-
schafter Anton A. Bucher erinnert das beinahe
zwangsläufig an den Almöhi. Unzählige Lese-
rinnen und Leser der Heidi-Bücher von Johan-
na Spyri (1827-1901) seien gerührt davon gewe-
sen, „wie sich der anfänglich finstere und wort-
karge Almöhi durch Heidis fröhliches Lachen
erweichen ließ und sich herzlich um sie zu
kümmern begann“.
Längst ist freilich der Opa nicht mehr nur der
alte Mann mit – im besten Falle – weißem oder
gar keinem Haar. Der jüngste Großvater im Be-
kanntenkreis des Autors zählte 36 Jahre. „Zwei-
mal achtzehn, das geht doch“, stellte der dazu
schmunzelnd fest. Genauso wenig gilt das Kli-
schee, dass die Rolle der Großelternschaft
durch den sogenannten Zerfall der Großfamilie
gesunken sei. Es liegt zwar in der Natur der Sa-
che, dass Enkelkinder ihre Oma oder ihren Opa
umso öfter sehen, je näher diese wohnhaft
sind. Aber es genügt, einmal frühmor-
gens mit der Westbahn von Salz-
burg nach Wien zu fahren, um oh-
ne weiteres dort und da Groß-
eltern auszumachen, die zum
„Dienst“ nach Wien fahren.
Denn bei aller Qualität institutio-
neller Kinderbetreuung wird es –
etwa bei Krankheit – ohne das
Netz von Oma und Opa eng.
Dass dabei die Großmutter
dem Großvater noch immer den
Rang abläuft, liegt – auch – an
der in dieser Generation noch geringen Eman-
zipation, hat aber offenbar auch mit der Reso-
nanz zu tun: Auf die Frage nach ihren Lieblings-
großeltern nennen 43 Prozent der Enkel die
Oma, genauer: die „Mutter von Mama“. Es folgt
mit 23 Prozent der Opa mütterlicherseits. Die
Oma väterlicherseits kommt auf 22 Prozent, der
Opa väterlicherseits liegt mit 12 Prozent abge-
schlagen auf dem letzten Platz. Die Oma hat
auch bei allen positiven Zuschreibungen wie
liebevoll, bescheiden, fröhlich oder großzügig
die Nase vorn. Nur den Begriff „weise“ schrei-
ben die Enkelkinder geringfügig mehr dem Opa
(73 Prozent) als der Oma (70 Prozent) zu. Auch
18 von 19 Tätigkeiten machen die Enkelkinder
mehr mit der Oma, ausgenommen ist nur der
Sport. Geht es um finanzielle Ressourcen, ist als
erster der Großvater gefragt, gehört er doch
meist noch jener Generation an, in der die Ein-
kommensschere zwischen Mann und Frau noch
größer war als jetzt.
In Erinnerung ist der Großvater als Mentor,
vom richtigen Umgang mit Werkzeugen bis zu
„Geschichten, die er vom Krieg erzählt hat und
von denen ich so viel gelernt habe“. 2013 sagte
ein Enkelkind in einer Studie: „Er nahm mich
unter seine Flügel und hat mir so vieles über
fast alles beigebracht.“ Und ein weitere State-
ment hieß: „Ich denke, von ihm habe ich die
meisten Ideen bekommen, wie ich richtig han-
deln soll, auch die, etwas richtig zu machen,
oder gar nicht. Darin war er sehr einflussreich
auf mich.“
Eines der schönsten Vermächtnisse hat die
Austro-Popgruppe STS dem Opa gesungen: „Du
warst ka Übermensch, hast a nie so tan, a des-
halb war da irgendwie a Kraft. Und durch dei
Art, wie du dei Lebn glebt hast, hab i a Ahnung
griagt, wie mas vielleicht schafft.“
Anton Bucher: „Lebensernte. Psychologie der Groß-
elternschaft“, 138 S., 17,47 Euro, Springer 2019. .
Ein Kind
verlieren
Etwas andere Gedanken zum Vatertag.
Der Journalist und TV-Produzent Golli Marboe
über den Suizid seines Sohnes Tobias.
Vor vielen Jahren, als unser Sohn Tobias noch
nicht einmal in der Volksschule war, da hat
den kleinen Buben beinahe einmal ein Auto über-
fahren. Genau vor unserer Haustür ist er ohne zu
schauen plötzlich über die Straße gelaufen.
Viele Mütter, viele Väter kennen einen solchen
Augenblick: man passt kurz nicht auf, das Kind
rennt unvermittelt los und beinahe kommt es zu
einem Unglück. Tobi hatte damals alle Schutzen-
gel der Welt und wir waren unendlich erleichtert.
Diese Weihnachten, fünfundzwanzig Jahre spä-
ter, da standen wir wieder auf dieser Straße vor
unserer Haustür. Tobias war inzwischen 29 Jahre
alt, er hatte sich aus dem 4. Stock in den Tod ge-
stürzt.
Im amerikanischen Kinofilm „Demolition“
heißt es: Wenn eine Frau ihren Mann verliert,
dann nennt man sie Witwe, wenn ein Kind seine
Eltern verliert, dann wird das Kind zur Waise,
aber es gibt keinen Begriff, der Eltern beschreibt,
die ihr Kind verlieren, und einen solchen Begriff
sollte es auch nicht geben.
Es ist wider die Natur: Denn diese unbedingte
Form der Liebe, die man dem eigenen Kind ge-
genüber empfindet, die gibt es einfach nur von
Mutter bzw. Vater zum Kind. Weder zur Partnerin
noch zu den eigenen Eltern existiert dieser be-
dingungslose Wunsch, dass es dem anderen,
nämlich dem eigenen Kind halt einfach nur gut
gehen möge.
Aber nun ist alles anders.
Vor allem über die Gegenwart und Zukunft zu
sprechen – im Wissen, dass für den eigenen Sohn
die Zukunft schon vorbei ist. Das Leben bleibt
stehen für Tobias. Irgendwann sind auch seine
jüngeren Geschwister älter, als er es wurde. Heute
ist es noch so, dass Tobias in unseren Alltag ein-
steigen und alles mitverfolgen könnte. Er kennt
die Verwandtschaft, die Namen, das Alter aller
Cousinen und Cousins und vor allem von Alma,
seiner geliebten Nichte. Tobias wollte sich im
Wahlkampf für Europa engagieren und es war
ihm als Anhänger von Rapid
zwar klar, wie schlecht
das Team in der lau-
fenden Meister-
schaft gerade
liegt, aber
dass wir
noch im
Cup vertre-
ten waren
und viel-
leicht so-
gar den
ersten Titel
nach langer
Zeit hätten
holen können.
Wochen, Mo-
nate oder Jahre
werden vergehen,
die wir Eltern und seine
Geschwister nun ohne Tobias verbringen müssen.
Die durchschnittliche Lebenserwartung lässt so-
gar vermuten, dass wir von heute an noch länger
auf der Welt sein werden, als Tobias es sein gan-
zes Leben an Jahren war.
Was wird sich in diesen Jahren alles verändern?
Verwandte werden sterben, Kinder geboren, äl-
ter und größer werden. Wir alle berichten dann
bestimmt den Cousinen vom Cousin, der Nichte
von ihrem Onkel. Jede Menge Anekdoten und Ge-
schichten werden wir erzählen – außerdem seine
Musik, seine Bilder, seine Texte immer wieder in
Ehren halten – an die nächste Generation weiter
geben. Aber Tobias wird in all diesen Erinnerun-
gen immer eben maximal 29 Jahre alt bleiben.
Er kann und wird nicht mehr weiter älter. Wird
keine Familie gründen, keine Kinder erziehen,
obwohl wir alle doch meinen, er wäre bestimmt
ein großartiger, besonders einfühlsamer Vater ge-
worden.
Beim Begräbnis und im Rahmen der anschlie-
ßenden Agape haben wir ein Video mit einem
Teil seiner Arbeiten gezeigt. Da war es offensicht-
lich: Auch 29 Jahre sind ein volles Leben. Und To-
bias’ 29 Jahre waren offenbar intensiver und lei-
denschaftlicher als die vieler anderer.
Sentimentalität ist schrecklich – man tut sich
dann selbst so leid – aber gerade wir Eltern haben
natürlich die Fantasie, dass unser Bub mehr An-
erkennung außerhalb seiner eigenen Familie er-
fahren hätte können, Anerkennung, die er leider
nicht bekam – das ist schon traurig.
Genauso traurig, wie das Gefühl des wohl
schrecklichsten Scheiterns, das es als Mensch nur
geben kann: dem eigenen Kind offensichtlich
nicht genug Sicherheit, Liebe, Geborgenheit ge-
geben zu haben, dass es sich mit seinen Sorgen,
einer unendlichen Traurigkeit, dieser schreckli-
chen Einsamkeit nicht an Vater oder Mutter ge-
wandt hat. Tobias hat uns aber einen ungemein
liebevollen Abschiedsbrief hinterlassen. Kein
Wort des Vorwurfs, nur Zeilen der Liebe und der
Hoffnung. Hoffnung ist nicht schrecklich.
Die Chance auf ein Leben nach dem Tod ist ja
zumindest 50:50. Also könnten wir uns vielleicht
ja tatsächlich einmal wieder sehen. Schon jetzt
fühlen sich die Besuche am Friedhof völlig anders
an, als zum Beispiel bei den eigenen Eltern oder
den Großeltern. Es ist keine „Pflichterfüllung“ zu
Allerheiligen oder zu Weihnachten zum Grab zu
gehen. Nein – es ist ganz anders: man besucht
sich wirklich und innig.
Es geht viel näher, wenn man da steht und
weiß, da liegt das eigene Kind.
Tobias’ drei Geschwister haben am Friedhof
vier Luftballons in die Luft steigen lassen. Einer
ist in den Himmel aufgestiegen, die drei anderen
in einer Baumkrone unweit des Grabes hängen
geblieben. Wir sind einfach noch angehalten hier
zu sein. Den Muttertag, den Vatertag zu feiern.
Auch und gerade, weil eines unserer Kinder nicht
mehr dabei ist: Tobias, der uns immer schrecklich
fehlen wird.
Was ist ein
guter Vater?
Gespräch über das Vatersein.
Die SN trafen zwei
Väter-Generationen, um übers
Windelwechseln, schlaflose Nächte
und große Gefühle zu reden.
MARIA MACKINGER
Nikolaus Lasser-Andratsch ist
vor kurzem zum zweiten Mal Va-
ter geworden, sein Erstgeborener
ist zweieinhalb Jahre alt. Sein eige-
ner Vater Dieter Lasser hat eben-
falls zwei Söhne groß gezogen.
SN: Beginnen wir ganz am
Anfang: Wie haben Sie die
Schwangerschaften erlebt?
Nikolaus Lasser-Andratsch: Beim ersten Kind war viel
Ungewissheit da. Wir haben gemeinsam einen Ge-
burtsvorbereitungskurs besucht, ich war bei den Ult-
raschalluntersuchungen dabei. Wir hatten eine Riesen-
Checkliste, aber spätestens, als unser erster Sohn auf
der Welt war, war klar, dass diese Checkliste total sinn-
los war. Wir haben z. B. ein Kinderzimmer eingerichtet,
in dem noch immer keiner unserer Söhne schläft.
Dieter Lasser: Ich war erst 22, meine Frau 19 Jahre alt,
als wir 1977 zum ersten Mal Eltern geworden sind. Die
Schwangerschaft habe ich nicht so miterlebt, weil ich
ständig arbeiten war. Geburtsvorbereitungskurse hat
es noch nicht gegeben. Eine neue Ausstattung zu kau-
fen war für uns finanziell nicht drinnen, es gab auch
gar nicht so viel Zeug. Wir hatten nur eine kleine Woh-
nung und haben alles, was das Kind gebraucht hat, von
der Verwandtschaft bekommen.
SN: Waren Sie bei den Geburten dabei?
Dieter: Das war damals gar kein Thema. Bei meinem
Erstgeborenen bin ich gar nicht in die Nähe des Kreiß-
saals gekommen, die Hebamme hat mich verjagt. Fünf
Jahre später beim Niki war ich im Kreißsaal dabei, aber
nachdem es dann doch länger gedauert hat, wurde ich
heimgeschickt. Ich habe meine beiden Söhne erst am
nächsten Tag gesehen, hinter einer Glasscheibe. Auf
dem Arm hatte ich meine Buben nach ein paar Tagen.
Nikolaus: Ich war bei beiden Kindern bei der Geburt
dabei, das ist auch gar nicht zur Diskussion gestanden.
SN: Haben Sie über Ihre Vaterrolle zuvor
nachgedacht?
Dieter: Man stellt sich halt vor, dass man
ein guter Vater sein will. Einer, mit
dem das Kind immer reden kann.
Und das habe ich, glaub ich, ganz
gut hingekriegt. Ich hatte meine
gewissen Vorstellungen von
Grenzen. Und natürlich gab es
auch finanzielle Grenzen. Mei-
ne Frau hat zum Beispiel nach
dem ersten Kind gleich wieder
arbeiten gehen müssen, sonst
hätten wir uns unser Leben gar
nicht leisten können. Die Oma
hat inzwischen aufs Kind ge-
schaut.
Nikolaus: Ja, er war streng. Aber ich wä-
re nicht der, der ich heute bin, wenn ich
nicht von Anfang an zu dieser Selbstständigkeit erzo-
gen worden wäre. Wir hatten nie das neueste Zeug da-
heim. Ich war nach der Schule oft bei Freunden oder
Freunde waren bei uns. Meine Eltern haben sich mit
zwei anderen Elternpaaren in Sachen Betreuung abge-
wechselt.
SN: Was war die gravierendste Veränderung,
nachdem die Kinder auf der Welt waren?
Nikolaus: Der Fokus liegt jetzt total auf mei-
nen Buben. Ich habe nicht mehr das Ge-
fühl, dass ich etwas verpasse, wenn ich
mal wo nicht dabei bin.
Dieter: Beim ersten Kind war sicher
die größte Veränderung, dass ich
mir eine andere Arbeit gesucht ha-
be. Ich war Versicherungsvertreter,
immer abends und am Wochenende
unterwegs. Ich wollte meinem Sohn
nicht nur beim Schlafen zuschauen.
SN: Welche Aufgaben
haben Sie als Vater übernommen?
Dieter: Gewickelt habe ich nie. Darum hätte ich auch
nie in Karenz gehen können. War ich allein daheim mit
dem Baby, bin ich zum Wickeln zur Nachbarin rüber
(lacht). Aber Flascherlkochen, die Kinder ins Bett brin-
gen, kochen, waschen, bügeln, staubsaugen – das war
alles kein Problem für mich.
Nikolaus: Ich bin auch bei allem dabei, 50:50 schaffen
wir gefühlt schon. Ich bügle meine Hemden auch
selbst. Meine Mutter hat immer gesagt: ,Wenn du ein
Hemd anziehen willst, musst du es dir selbst bügeln.’
SN: Haben Sie Ihre Partnerinnen anfangs
um die Nähe zum Kind beneidet?
Nikolaus: Manches geht einfach nicht. Wenn ein Still-
baby Hunger hat, hast du als Vater verloren. Wobei:
Wenn die Kleinen nachts fünf Mal gestillt werden
wollen, weiß ich nicht, ob ich eine Frau sein möchte.
Dieter: Mir kommt vor, es liegt in der Natur der Sache,
dass eine Mutter ihr Kind öfter im Arm hat als ein Va-
ter. Das hätte ich aber nie mit Eifersucht verbunden.
Nikolaus: Meine Schwiegermutter hat am Anfang zu
mir gesagt: ,Die Papazeit kommt noch.’ Bei meinem
Großen merk ich: Diese Zeit ist bereits da. Wir haben
unsere Rituale und genießen unsere Zeit zu zweit.
SN: Froh gewesen, nach einer harten Nacht
ins Büro flüchten zu können?
Dieter: Wenn mein Erstgeborener eine unruhige Nacht
hatte, bin ich oft ins Wohnzimmer ausgewichen. Beim
Niki habe ich fix im Wohnzimmer geschlafen, weil er
als Baby zwischen 23 und fünf Uhr immer wach war.
Nikolaus: Momente, in denen ich mich gern in die Ar-
beit geflüchtet hab, habe ich anfangs schon gekannt,
das gebe ich ehrlich zu. Aber so, wie ich es jetzt bei uns
daheim erlebe, gibt es keinen Grund zu flüchten.
SN: Dieter, waren Sie stolz darauf, dass ihr
Sohn in Karenz gegangen ist?
Dieter: Natürlich, es gibt ja nichts Schöneres, als inten-
siv Zeit mit seinen Kindern zu verbringen. Aber es
muss sich halt auch alles finanziell ausgehen.
Nikolaus: Ich werde auch bei unserem zweiten Kind
wieder bis zu drei Monate in Karenz gehen. Dafür wür-
de ich auch mein Erspartes anknabbern. Vater zu sein
ist so etwas Unfassbares, ich habe mir das vorher nicht
vorstellen können. Aber dann war auf einmal dieser
kleine Mensch da und hat mich angeschaut. Seitdem
bringe ich es in meinem Kopf nicht mehr zusammen,
dass es je eine Zeit ohne ihn gegeben haben könnte.
BILDER: SN/STOCKADOBE-VALENTY, UNI SBG, PRIVAT (2), MARBOE
Anton Bucher.
Dieter Lasser.
Nikolaus
Lasser-
Andratsch
BILDER: SN/MACK (2)

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  • 1. 2 POLITIK SAMSTAG, 8. JUNI 2019 URSACHE & WIRKUNG URSACHE & WIRKUNG „Er nahm mich unter seine Flügel“ Der Opa steht im Schatten der Oma. Aber nicht immer und überall. Der Großvater kann „der große Erklärer“ sein und viel Rückhalt bieten. JOSEF BRUCKMOSER Nur aus Liebe zu meinem Großva- ter habe ich mich als Kind nicht umgebracht“, schrieb Tho- mas Bernhard in den Erinnerun- gen „Ein Kind“. Der Schriftsteller war ohne Vater aufgewachsen, die Mutter war überfordert und züchtigte ihn mit einem Ochsen- ziemer – worauf hin der Sieben- jährige in die Wohnung des Groß- vaters flüchtete. Glücklich erin- nert sich Bernhard, wie er den Opa auf Spaziergängen begleiten durfte. „Er war mein großer Erklärer, der erste, der wichtigste, im Grunde der einzige“. Das ist eine der großen literarischen Erinne- rungen an einen Großvater, die der Salzburger Religionspädagoge Anton A. Bucher in seinem Buch „Lebensernte. Psychologie der Großel- ternschaft“ zitiert. Sehr schnell wird in dieser ebenso liebevollen wie wissenschaftlichen Aus- einandersetzung mit dem Thema klar, dass der Opa häufig im Schatten der Oma steht. Noch im Jahr 2015 bedauerten Wissenschafter, dass das Großelternschaft insgesamt in der Forschung kaum beachtet worden sei. Besonders margina- lisiert würden die Großväter, obgleich es der schönste Job der Welt sei. Jean Paul Sartre, der seinen Vater im Alter von 15 Monaten verlor, erlebte das bei seinem Opa so: „Ich beglückte ihn durch meine bloße Gegenwart. . .; er legte die Hand auf mein Haupt, ich spürte die Wärme seiner Handfläche, mit einer Stimme, die vor Zärtlichkeit bebte, nannte er mich sein ’Klein- chen’“. Den aus der Schweiz gebürtigen Wissen- schafter Anton A. Bucher erinnert das beinahe zwangsläufig an den Almöhi. 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Denn bei aller Qualität institutio- neller Kinderbetreuung wird es – etwa bei Krankheit – ohne das Netz von Oma und Opa eng. Dass dabei die Großmutter dem Großvater noch immer den Rang abläuft, liegt – auch – an der in dieser Generation noch geringen Eman- zipation, hat aber offenbar auch mit der Reso- nanz zu tun: Auf die Frage nach ihren Lieblings- großeltern nennen 43 Prozent der Enkel die Oma, genauer: die „Mutter von Mama“. Es folgt mit 23 Prozent der Opa mütterlicherseits. Die Oma väterlicherseits kommt auf 22 Prozent, der Opa väterlicherseits liegt mit 12 Prozent abge- schlagen auf dem letzten Platz. Die Oma hat auch bei allen positiven Zuschreibungen wie liebevoll, bescheiden, fröhlich oder großzügig die Nase vorn. Nur den Begriff „weise“ schrei- ben die Enkelkinder geringfügig mehr dem Opa (73 Prozent) als der Oma (70 Prozent) zu. Auch 18 von 19 Tätigkeiten machen die Enkelkinder mehr mit der Oma, ausgenommen ist nur der Sport. Geht es um finanzielle Ressourcen, ist als erster der Großvater gefragt, gehört er doch meist noch jener Generation an, in der die Ein- kommensschere zwischen Mann und Frau noch größer war als jetzt. In Erinnerung ist der Großvater als Mentor, vom richtigen Umgang mit Werkzeugen bis zu „Geschichten, die er vom Krieg erzählt hat und von denen ich so viel gelernt habe“. 2013 sagte ein Enkelkind in einer Studie: „Er nahm mich unter seine Flügel und hat mir so vieles über fast alles beigebracht.“ Und ein weitere State- ment hieß: „Ich denke, von ihm habe ich die meisten Ideen bekommen, wie ich richtig han- deln soll, auch die, etwas richtig zu machen, oder gar nicht. Darin war er sehr einflussreich auf mich.“ Eines der schönsten Vermächtnisse hat die Austro-Popgruppe STS dem Opa gesungen: „Du warst ka Übermensch, hast a nie so tan, a des- halb war da irgendwie a Kraft. Und durch dei Art, wie du dei Lebn glebt hast, hab i a Ahnung griagt, wie mas vielleicht schafft.“ Anton Bucher: „Lebensernte. Psychologie der Groß- elternschaft“, 138 S., 17,47 Euro, Springer 2019. . Ein Kind verlieren Etwas andere Gedanken zum Vatertag. Der Journalist und TV-Produzent Golli Marboe über den Suizid seines Sohnes Tobias. Vor vielen Jahren, als unser Sohn Tobias noch nicht einmal in der Volksschule war, da hat den kleinen Buben beinahe einmal ein Auto über- fahren. Genau vor unserer Haustür ist er ohne zu schauen plötzlich über die Straße gelaufen. Viele Mütter, viele Väter kennen einen solchen Augenblick: man passt kurz nicht auf, das Kind rennt unvermittelt los und beinahe kommt es zu einem Unglück. Tobi hatte damals alle Schutzen- gel der Welt und wir waren unendlich erleichtert. Diese Weihnachten, fünfundzwanzig Jahre spä- ter, da standen wir wieder auf dieser Straße vor unserer Haustür. Tobias war inzwischen 29 Jahre alt, er hatte sich aus dem 4. Stock in den Tod ge- stürzt. Im amerikanischen Kinofilm „Demolition“ heißt es: Wenn eine Frau ihren Mann verliert, dann nennt man sie Witwe, wenn ein Kind seine Eltern verliert, dann wird das Kind zur Waise, aber es gibt keinen Begriff, der Eltern beschreibt, die ihr Kind verlieren, und einen solchen Begriff sollte es auch nicht geben. Es ist wider die Natur: Denn diese unbedingte Form der Liebe, die man dem eigenen Kind ge- genüber empfindet, die gibt es einfach nur von Mutter bzw. Vater zum Kind. Weder zur Partnerin noch zu den eigenen Eltern existiert dieser be- dingungslose Wunsch, dass es dem anderen, nämlich dem eigenen Kind halt einfach nur gut gehen möge. Aber nun ist alles anders. Vor allem über die Gegenwart und Zukunft zu sprechen – im Wissen, dass für den eigenen Sohn die Zukunft schon vorbei ist. Das Leben bleibt stehen für Tobias. Irgendwann sind auch seine jüngeren Geschwister älter, als er es wurde. Heute ist es noch so, dass Tobias in unseren Alltag ein- steigen und alles mitverfolgen könnte. Er kennt die Verwandtschaft, die Namen, das Alter aller Cousinen und Cousins und vor allem von Alma, seiner geliebten Nichte. Tobias wollte sich im Wahlkampf für Europa engagieren und es war ihm als Anhänger von Rapid zwar klar, wie schlecht das Team in der lau- fenden Meister- schaft gerade liegt, aber dass wir noch im Cup vertre- ten waren und viel- leicht so- gar den ersten Titel nach langer Zeit hätten holen können. Wochen, Mo- nate oder Jahre werden vergehen, die wir Eltern und seine Geschwister nun ohne Tobias verbringen müssen. Die durchschnittliche Lebenserwartung lässt so- gar vermuten, dass wir von heute an noch länger auf der Welt sein werden, als Tobias es sein gan- zes Leben an Jahren war. Was wird sich in diesen Jahren alles verändern? Verwandte werden sterben, Kinder geboren, äl- ter und größer werden. Wir alle berichten dann bestimmt den Cousinen vom Cousin, der Nichte von ihrem Onkel. Jede Menge Anekdoten und Ge- schichten werden wir erzählen – außerdem seine Musik, seine Bilder, seine Texte immer wieder in Ehren halten – an die nächste Generation weiter geben. Aber Tobias wird in all diesen Erinnerun- gen immer eben maximal 29 Jahre alt bleiben. Er kann und wird nicht mehr weiter älter. Wird keine Familie gründen, keine Kinder erziehen, obwohl wir alle doch meinen, er wäre bestimmt ein großartiger, besonders einfühlsamer Vater ge- worden. Beim Begräbnis und im Rahmen der anschlie- ßenden Agape haben wir ein Video mit einem Teil seiner Arbeiten gezeigt. Da war es offensicht- lich: Auch 29 Jahre sind ein volles Leben. Und To- bias’ 29 Jahre waren offenbar intensiver und lei- denschaftlicher als die vieler anderer. Sentimentalität ist schrecklich – man tut sich dann selbst so leid – aber gerade wir Eltern haben natürlich die Fantasie, dass unser Bub mehr An- erkennung außerhalb seiner eigenen Familie er- fahren hätte können, Anerkennung, die er leider nicht bekam – das ist schon traurig. Genauso traurig, wie das Gefühl des wohl schrecklichsten Scheiterns, das es als Mensch nur geben kann: dem eigenen Kind offensichtlich nicht genug Sicherheit, Liebe, Geborgenheit ge- geben zu haben, dass es sich mit seinen Sorgen, einer unendlichen Traurigkeit, dieser schreckli- chen Einsamkeit nicht an Vater oder Mutter ge- wandt hat. Tobias hat uns aber einen ungemein liebevollen Abschiedsbrief hinterlassen. Kein Wort des Vorwurfs, nur Zeilen der Liebe und der Hoffnung. Hoffnung ist nicht schrecklich. Die Chance auf ein Leben nach dem Tod ist ja zumindest 50:50. Also könnten wir uns vielleicht ja tatsächlich einmal wieder sehen. Schon jetzt fühlen sich die Besuche am Friedhof völlig anders an, als zum Beispiel bei den eigenen Eltern oder den Großeltern. Es ist keine „Pflichterfüllung“ zu Allerheiligen oder zu Weihnachten zum Grab zu gehen. Nein – es ist ganz anders: man besucht sich wirklich und innig. Es geht viel näher, wenn man da steht und weiß, da liegt das eigene Kind. Tobias’ drei Geschwister haben am Friedhof vier Luftballons in die Luft steigen lassen. Einer ist in den Himmel aufgestiegen, die drei anderen in einer Baumkrone unweit des Grabes hängen geblieben. Wir sind einfach noch angehalten hier zu sein. Den Muttertag, den Vatertag zu feiern. Auch und gerade, weil eines unserer Kinder nicht mehr dabei ist: Tobias, der uns immer schrecklich fehlen wird. Was ist ein guter Vater? Gespräch über das Vatersein. Die SN trafen zwei Väter-Generationen, um übers Windelwechseln, schlaflose Nächte und große Gefühle zu reden. MARIA MACKINGER Nikolaus Lasser-Andratsch ist vor kurzem zum zweiten Mal Va- ter geworden, sein Erstgeborener ist zweieinhalb Jahre alt. Sein eige- ner Vater Dieter Lasser hat eben- falls zwei Söhne groß gezogen. SN: Beginnen wir ganz am Anfang: Wie haben Sie die Schwangerschaften erlebt? Nikolaus Lasser-Andratsch: Beim ersten Kind war viel Ungewissheit da. Wir haben gemeinsam einen Ge- burtsvorbereitungskurs besucht, ich war bei den Ult- raschalluntersuchungen dabei. Wir hatten eine Riesen- Checkliste, aber spätestens, als unser erster Sohn auf der Welt war, war klar, dass diese Checkliste total sinn- los war. Wir haben z. B. ein Kinderzimmer eingerichtet, in dem noch immer keiner unserer Söhne schläft. Dieter Lasser: Ich war erst 22, meine Frau 19 Jahre alt, als wir 1977 zum ersten Mal Eltern geworden sind. Die Schwangerschaft habe ich nicht so miterlebt, weil ich ständig arbeiten war. Geburtsvorbereitungskurse hat es noch nicht gegeben. Eine neue Ausstattung zu kau- fen war für uns finanziell nicht drinnen, es gab auch gar nicht so viel Zeug. Wir hatten nur eine kleine Woh- nung und haben alles, was das Kind gebraucht hat, von der Verwandtschaft bekommen. SN: Waren Sie bei den Geburten dabei? Dieter: Das war damals gar kein Thema. Bei meinem Erstgeborenen bin ich gar nicht in die Nähe des Kreiß- saals gekommen, die Hebamme hat mich verjagt. Fünf Jahre später beim Niki war ich im Kreißsaal dabei, aber nachdem es dann doch länger gedauert hat, wurde ich heimgeschickt. Ich habe meine beiden Söhne erst am nächsten Tag gesehen, hinter einer Glasscheibe. Auf dem Arm hatte ich meine Buben nach ein paar Tagen. Nikolaus: Ich war bei beiden Kindern bei der Geburt dabei, das ist auch gar nicht zur Diskussion gestanden. SN: Haben Sie über Ihre Vaterrolle zuvor nachgedacht? Dieter: Man stellt sich halt vor, dass man ein guter Vater sein will. Einer, mit dem das Kind immer reden kann. Und das habe ich, glaub ich, ganz gut hingekriegt. Ich hatte meine gewissen Vorstellungen von Grenzen. Und natürlich gab es auch finanzielle Grenzen. Mei- ne Frau hat zum Beispiel nach dem ersten Kind gleich wieder arbeiten gehen müssen, sonst hätten wir uns unser Leben gar nicht leisten können. Die Oma hat inzwischen aufs Kind ge- schaut. Nikolaus: Ja, er war streng. Aber ich wä- re nicht der, der ich heute bin, wenn ich nicht von Anfang an zu dieser Selbstständigkeit erzo- gen worden wäre. Wir hatten nie das neueste Zeug da- heim. Ich war nach der Schule oft bei Freunden oder Freunde waren bei uns. Meine Eltern haben sich mit zwei anderen Elternpaaren in Sachen Betreuung abge- wechselt. SN: Was war die gravierendste Veränderung, nachdem die Kinder auf der Welt waren? Nikolaus: Der Fokus liegt jetzt total auf mei- nen Buben. Ich habe nicht mehr das Ge- fühl, dass ich etwas verpasse, wenn ich mal wo nicht dabei bin. Dieter: Beim ersten Kind war sicher die größte Veränderung, dass ich mir eine andere Arbeit gesucht ha- be. Ich war Versicherungsvertreter, immer abends und am Wochenende unterwegs. Ich wollte meinem Sohn nicht nur beim Schlafen zuschauen. SN: Welche Aufgaben haben Sie als Vater übernommen? Dieter: Gewickelt habe ich nie. Darum hätte ich auch nie in Karenz gehen können. War ich allein daheim mit dem Baby, bin ich zum Wickeln zur Nachbarin rüber (lacht). Aber Flascherlkochen, die Kinder ins Bett brin- gen, kochen, waschen, bügeln, staubsaugen – das war alles kein Problem für mich. Nikolaus: Ich bin auch bei allem dabei, 50:50 schaffen wir gefühlt schon. Ich bügle meine Hemden auch selbst. Meine Mutter hat immer gesagt: ,Wenn du ein Hemd anziehen willst, musst du es dir selbst bügeln.’ SN: Haben Sie Ihre Partnerinnen anfangs um die Nähe zum Kind beneidet? Nikolaus: Manches geht einfach nicht. Wenn ein Still- baby Hunger hat, hast du als Vater verloren. Wobei: Wenn die Kleinen nachts fünf Mal gestillt werden wollen, weiß ich nicht, ob ich eine Frau sein möchte. Dieter: Mir kommt vor, es liegt in der Natur der Sache, dass eine Mutter ihr Kind öfter im Arm hat als ein Va- ter. Das hätte ich aber nie mit Eifersucht verbunden. Nikolaus: Meine Schwiegermutter hat am Anfang zu mir gesagt: ,Die Papazeit kommt noch.’ Bei meinem Großen merk ich: Diese Zeit ist bereits da. Wir haben unsere Rituale und genießen unsere Zeit zu zweit. SN: Froh gewesen, nach einer harten Nacht ins Büro flüchten zu können? Dieter: Wenn mein Erstgeborener eine unruhige Nacht hatte, bin ich oft ins Wohnzimmer ausgewichen. Beim Niki habe ich fix im Wohnzimmer geschlafen, weil er als Baby zwischen 23 und fünf Uhr immer wach war. Nikolaus: Momente, in denen ich mich gern in die Ar- beit geflüchtet hab, habe ich anfangs schon gekannt, das gebe ich ehrlich zu. Aber so, wie ich es jetzt bei uns daheim erlebe, gibt es keinen Grund zu flüchten. SN: Dieter, waren Sie stolz darauf, dass ihr Sohn in Karenz gegangen ist? Dieter: Natürlich, es gibt ja nichts Schöneres, als inten- siv Zeit mit seinen Kindern zu verbringen. Aber es muss sich halt auch alles finanziell ausgehen. Nikolaus: Ich werde auch bei unserem zweiten Kind wieder bis zu drei Monate in Karenz gehen. Dafür wür- de ich auch mein Erspartes anknabbern. Vater zu sein ist so etwas Unfassbares, ich habe mir das vorher nicht vorstellen können. Aber dann war auf einmal dieser kleine Mensch da und hat mich angeschaut. Seitdem bringe ich es in meinem Kopf nicht mehr zusammen, dass es je eine Zeit ohne ihn gegeben haben könnte. BILDER: SN/STOCKADOBE-VALENTY, UNI SBG, PRIVAT (2), MARBOE Anton Bucher. Dieter Lasser. Nikolaus Lasser- Andratsch BILDER: SN/MACK (2)