SlideShare ist ein Scribd-Unternehmen logo
1 von 24
Downloaden Sie, um offline zu lesen
6.Januar2019
TheNextGeneration.
DieWeltderMillennials4
SAMEREFAHIM/GETTYIMAGES
Eine Veranstaltung von
NZZ GESCHICHTSDEBATTE MIT JÜRGEN OSTERHAMMEL
Die Verflechtung der Welt –
Geschichte aus globaler Perspektive
Der vielfach ausgezeichnete Historiker Jürgen Osterhammel ist
der führende europäische Vertreter der Globalgeschichte, die sich
mit historischen Fragestellungen in einer die Weltregionen über-
greifenden Perspektive beschäftigt. An diesem Abend spricht er
unter anderem darüber, wann die Vernetzung der Welt über-
haupt begonnen hat und warum eine globalisierte Gesellschaft
einen globalen historischen Blick braucht.
Datum
Montag, 28. Januar 2019
18.30 Uhr bis 20.00 Uhr
Ort
Bernhard Theater Zürich
Sechseläutenplatz 1
8001 Zürich
Datum
Abonnentenpreis Fr. 15.–
Normalpreis Fr. 20.–
Anmeldung
nzz.ch/live
044 258 13 83
Über Jürgen Osterhammel
Jürgen Osterhammel, Jahrgang 1952, war bis zu seinem
Ruhestand Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der
Universität Konstanz. Zuvor war er Professor in Genf und an der
Fernuniversität Hagen. In den 80er-Jahren war er unter anderem
als Mitarbeiter Wolfgang J. Mommsens am Deutschen
Historischen Institut London tätig. Osterhammel hat zahlreiche
Bücher zur europäischen und asiatischen Geschichte seit dem
18. Jahrhundert veröffentlicht und gilt als renommierter
Historiker der interkulturellen Beziehungen und Wahrnehmungen.
Moderation
Peer Teuwsen, Redaktionsleiter «NZZ Geschichte»
36. Januar 2019 | NZZamSonntag
Nie mehr jung,
bitte!
Diese Ausgabe ist den Mill­
ennials gewidmet, jenen
Menschen, die heute so
zwischen 20 und 36 sind.
Von den Millennials ist viel
die Rede. Auf die Millen­
nials schaut die Wirtschaft.
Ihre Hoffnungen und
Ängste muss kennen, wer
auf dem Markt der Zukunft
bestehen will, liest man.
Millennials, klingt cool.
Wie ein edles Volk aus
«Star Trek». Aber ich bin
froh, bin ich keiner von
ihnen. Auf die Altersphase
20 plus kann ich prima ver­
zichten. Es heisst, die Zeit
lege einen verklärenden
Schein auf alles. Aber auch
rückblickend wird diese
Zeit für mich nicht besser,
ausser dass man besser aus­
sah. Ich war damals in der
unglücklichen Lage, keine
Ahnung zu haben, was ich
will vom Leben, ausser
irgendwelcher Bestätigung
für die Bedeutsamkeit mei­
ner Existenz.
Ich weiss nicht, ob das
heute anders ist. Die Gen­
derpolitik hat vermutlich
auch in dieser Beziehung
einiges verändert, vermut­
lich sogar zum Guten. Aber
als ich um die zwanzig war,
fing die Misere schon
damit an, dass man ein
Mann um die zwanzig war.
Das bedeutete prinzipiell
sehr ungünstige Karten.
Dank den 68ern gab es in
den achtziger Jahren schon
mehr Nachtleben, aber
betreffend Rollenbilder
hatte sich wenig bewegt.
Auch die progressiveren
Frauen gleichen Alters hat­
ten sich im Geiste noch
nicht vom Mann als Ernäh­
rer abgewandt und orien­
tierten sich intuitiv Rich­
tung oben, zu den älteren
Männern, die Auto und
Erfolg vorzuweisen hatten.
Der Lichtblick dieser
Jahre war für mich, quasi
ein GA für die ganze Welt
zu besitzen. Mein Vater
war Pilot bei der Swissair,
das Fluggeschäft
brummte, die Familien­
vergünstigungen waren
phänomenal. Wenn ich
mich recht erinnere, kos­
tete ein Ticket New York
retour 120 Franken. Und
war die Economy ausge­
bucht – es gab noch keine
Business –, landete der
Schnösel direkt in der
Maharadscha­Welt der
First Class, wo die Flight
Attendants sich dann ange­
nehmerweise auch noch
verpflichtet fühlten, dem
Sohn des Jumbo­Captains
eine Sonder­Sonder­
behandlung zukommen
zu lassen.
Der beste Teil meines
20­plus­Lebens ist rück­
blickend gesehen aber ver­
mutlich auch der Grund,
dass sich bei mir schon
früh ein eskapistisches
Muster etablierte. Wann
immer es mir schlecht
ging, und das war häufig
der Fall: Zack, weg nach
irgendwo! Ich war auch
deutlich jenseits der dreis­
sig noch Student.
Man sagt, niemand
würde auf dem Sterbebett
sagen: «Ach, hätte ich doch
mehr gearbeitet.» Stimmt
nicht. Ich werde das sagen!
Wenn ich einen Rat an die
jungen Leute habe, dann
den, sich früh ins Zeug zu
legen. Erst einmal eine
Beschäftigung finden, die
einem an den meisten
Tagen ein gewisses Gefühl
von Sinn vermittelt.
Ferien machen kann man
später noch. Auch Burning
Man geht heute noch mit
sechzig. So blöd. Jetzt wäre
ich endlich weise genug,
um 20 plus zu sein.
Christoph Zürcher
KanonderPopulärkultur
Den zweiten
Schritt machen
Eine Erhebung von «20 Mi­
nuten» zeigt: Junge Män­
ner sprechen im Ausgang
Frauen an, junge Frauen
aber keine Männer.
1 Kim Jong Un im
Schützengraben
Sieben Monate nach dem
historischen Treffen ihrer
Präsidenten ist vom Tau­
wetter zwischen Nord­
korea und den USA nicht
mehr viel zu spüren. Kim
Jong Un drohte in seiner
Neujahrsansprache mit
dem Ende der Entspan­
nungspolitik, sollten die
USA die Sanktionen gegen
sein Land beibehalten.
2 Instagram-Liebe
rostet nicht
Dem Ruf der Dating­Apps,
ein Ex­und­Hopp­Bezie­
hungsverhalten zu för­
dern, steht ein neuer Insta­
gram­Trend entgegen:
Prominente Paare wie die
Rapper Cardi B und Offset,
die sich im wirklichen
Leben getrennt haben, las­
sen in historischen Bildern
ihrer Zweisamkeit die erlo­
schene Liebe fortleben.
3 Ewige Diskussion
in der Schule
Längst hat uns das
Smartphone
kolonialisiert,
doch an der
Schule bleibt
es Gegenstand
von Grundsatz­
diskussionen. Es
gehört zum Lehrplan 21.
Aber Tech­Manager schi­
cken ihre Kinder auf tech­
nologiefreie Schulen.
4 Alter Hang zum
starken Mann
Obwohl sein Beziehungs­
status mit Putin von
«verliebt» auf «es ist
kompliziert» gewech­
selt hat, kann Donald
Trump nicht von
den Autokraten lassen.
Dem neuen brasiliani­
schen Hardliner­Präsiden­
ten Jair Bolsonaro gratu­
lierte er zur «grossartigen
Antrittsrede». Martin Helg
5
DieListe:DieVergangenheitlebt
Jede Topfpflanze weiss besser, wohin sie will, als der Norm-Jugendliche.
GETTYIMAGES
4 NZZamSonntag | 6. Januar 2019
...und
versuche
zumed
56. Januar 2019 | NZZamSonntag
BaldwerdendieMillennialsdieeinflussreichste
Altersgruppesein.DieWirtschaftbuhltjetztschonintensiv
umsie.Wiesieleben,wiesiedenken,wassiehoffen,
wassiefürchten.ZehnMenschenzwischen20und36Jahren
stellensichvor.AufgezeichnetvonVanessaSadecky
undKatharinaBracher
morgens
ich,
ditieren
6 NZZamSonntag | 6. Januar 2019
Vielleicht hat sie irgend-
wann genug: Bloggerin
Michèle Krüsi.
weile, mir nicht mehr ungefragt
Waren zu schicken. Trotzdem
bekomme ich pro Woche noch bis zu
fünfzehn Pakete, doch ich brauche
keine hundert Lippenstifte, sondern
zwei oder drei. Um die Produkte, die
ich selber nicht brauche, sinnvoll zu
verwerten, veranstalte ich regel-
mässig einen Flohmarkt und spende
die Einnahmen für einen guten
Zweck. Wenn ich Kleider einkaufe,
dann fast nur noch online. Wieso? Ers-
tens mag ich es nicht, Sachen in einer
engen Kabine anzuprobieren, und
zweitens ist Online-Shopping viel ein-
facher. Du hast eine viel grössere Aus-
wahl und kannst alle Produkte sortie-
ren und die Preise vergleichen.
Die Kleider und Accessoires, die ich
noch selber kaufe, stammen zu einem
Grossteil von Luxusmarken. Das sind
Dinge wie Handtaschen, bei denen
ich aber auch weiss, dass ich sie länger
tragen werde. Früher bin ich oft zu
H&M und habe mir gleich zehn güns-
tige Sachen gekauft. Die trug ich dann
eine Saison und dann nie mehr.
Entweder weil die Qualität zu schlecht
war oder weil die Teile nicht mehr
trendy waren. Heute kaufe ich viel
bewusster ein. Viel weniger, dafür
eben oft Dinge, die teurer sind, bei
denen ich aber auch weiss, dass sie
viele Jahre halten. Im Idealfall kann
ich sie dann einmal meinen Kindern
weitergeben, wenn es eine Chanel-
Tasche oder etwas Ähnliches ist. Das
ist auch eine Investition.
Zu Hause habe ich es gerne ruhig.
Von der Architektur her hätte ich
gerne eine Altbauwohnung, aber
wahrscheinlich wäre mir das dann zu
hellhörig. Mein Einrichtungsstil ist
skandinavisch minimalistisch. Ich
wohne momentan allein, weil ich
mich kürzlich von meinem Freund
getrennt habe. Wir haben uns nach
fast acht Jahren Beziehung in ver-
schiedene Richtungen entwickelt. Wir
sind Freunde geblieben und arbeiten
auch noch für meinen Blog zusam-
men. Ich war eigentlich noch nie im
Leben lange Single, denn auch vor
dieser Beziehung hatte ich auch schon
einen langjährigen Partner. Ich mache
mir aktuell definitiv keinen Druck,
schnell jemand Neuen zu finden.
Wenn ich dann doch jemanden ken-
nenlernen würde, ginge das auch
in Ordnung. Ich bin nicht der Typ
Mensch, der sich nie richtig für eine
Person entscheidet, bloss weil er
denkt, er finde vielleicht doch noch
etwas Besseres. Irgendwann hätte ich
gerne eine Familie und ein Haus, aber
das hat noch viel Zeit.
Ich bin weder vegan, noch gluten-
oder laktoseintolerant. Ich esse,
worauf ich Lust habe. Klar, ich achte
darauf, dass ich mein Gewicht halte.
Da ich sehr viel Sport mache, funktio-
niert das recht gut. Mir ist es wegen
meiner Vorbildfunktion sehr wichtig,
nicht mager zu sein, sondern sportlich
und gesund. Ich bevorzuge Einzel-
sport wie Body-Weight-Training und
werde zweimal pro Woche von einem
Personaltrainer unterstützt. Ins Gym
gehe ich nicht mehr. Ich fand es oft
unangenehm, von den Männern ange-
starrt zu werden.
Wenn ich sage, dass ich nicht gerne
im Mittelpunkt stehe, ist das mit mei-
nem Beruf schon etwas ironisch. Aber
ich bin schüchtern. Als ich anfing
zu bloggen, habe ich das jahrelang
geheim gehalten. Ich stamme aus
einem Dörfchen im Thurgau und
hatte niemanden, der sich für Mode
interessierte. Das Bloggen war eine
Möglichkeit, mich mit anderen
Fashionistas auszutauschen. Dass aus
meinem Hobby eine Karriere wird,
hätte ich nie gedacht. Es klingt heute
noch komisch, wenn ich sage: Ich
habe meine eigene Website und ver-
diene mein Geld damit.
Ich bin mir bewusst, dass meine
Blogger-Karriere von heute auf mor-
gen vorbei sein könnte. Vielleicht
haben die Leute bald die Nase voll von
Instagram, so wie es bei Facebook
passiert ist. Vielleicht habe auch ich
irgendwann genug. Mir ist es wichtig,
selbständig zu bleiben und kreativ
arbeiten zu können. Da ich einen
Abschluss und Erfahrungen als Art
Director habe, wird mir das sicher
gelingen.
«DerWalk-of-Shame
mitdemZalando-
Päckchenistnicht
meins»
Alexander Frei, 28, alias Crimer,
Musiker
Immer wenn ich sage, dass ich Musik
mache, fragt man mich, was ich
daneben für einen Job habe. Das ist
wohl ein schweizerischer Reflex. Die
Leute haben Mühe damit, sich vorzu-
stellen, dass man als Musiker Karriere
machen kann. Von diesem Bünzlitum
habe ich mich selbst noch nicht kom-
plett lösen können. Ich könnte zwar
mittlerweile nur noch Musik machen,
aber meinen Vierzig-Prozent-Job im
Online-Marketing behalte ich erst ein-
mal zur Sicherheit.
Am Anfang meiner Karriere habe
ich die Stelle auch dringend
gebraucht, ich wäre zu wenig risiko-
freudig gewesen, um ohne diese
finanzielle Sicherheit ein Album zu
produzieren. Ich habe den Job genau
angefangen, als meine erste Single
«Brotherlove» herauskam und dann
mit dem Erfolg das Pensum reduziert,
sonst wäre ich nicht weitergekom-
men. Man muss auch verstehen, dass
es nicht mein Ziel ist, so viel Geld wie
möglich zu verdienen, sondern das zu
machen, was mich erfüllt. Ich habe
das Gefühl, dass es vielen in meiner
Generation so geht.
Anfangs habe ich all meine Ferien-
tage für Gigs und Pressetermine und
Touren benutzt. Keine Ferien zu
haben, hat mir damals nicht gefehlt.
Wenn man am Montreux Jazz Festival
Alexander Frei wird
gerne im Laden
mit Namen begrüsst.
«Manchmalwürde
ichmitmeinem
Einflussgernemehr
bewirken»
Michèle Krüsi, 27, Lifestyle-Bloggerin
Ich habe mir immer gesagt, dass ich so
viel Geld verdienen möchte, dass ich
mir keine Gedanken machen muss,
wie ich meine Miete zahle oder ob ich
in die Ferien gehen kann. Mit meiner
Arbeit als Bloggerin habe ich das
geschafft. Das Schöne daran ist, dass
es mir auch unglaublich viel Freude
bereitet und es Hobby und Beruf
zugleich geworden ist. Das funktio-
niert so: Ich erreiche mit meinem
Instagram-Profil und Blog «The
Fashion Fraction» pro Monat bis zu
drei Millionen Menschen. Dadurch
habe ich einen gewissen Einfluss, den
ich unter anderem für Werbeposts
nutze. Ich habe schon mit einem Tele-
kom-Unternehmen, einer Detail-
handelskette und vielen Fashion- und
Beauty-Brands zusammengearbeitet.
Auf solchen bezahlten Posts ist dann
zu sehen, wie ich mit einem Schokola-
denhasen, einem Föhn oder einer Uhr
im Hintergrund posiere. Das klingt
jetzt vielleicht nach Willkür, aber ich
mache nicht für jeden Werbung.
Die Produkte müssen mir persönlich
gefallen, das wäre sonst weder
authentisch noch ehrlich. Nur für
Luxusmarken zu werben, kommt für
mich auch nicht infrage. Ich wider-
spiegle einen normalen Menschen,
und selbst Rolexbesitzer tragen ein-
mal eine Swatch.
Instagram ist leider oft sehr ober-
flächlich. Die Plattform lebt von per-
fekt inszenierten Bildern. Ich bin mir
bewusst, dass ich mit meinen Beiträ-
gen eine gewisse Verantwortung
trage, weil ich für viele junge Frauen
ein Vorbild bin. Auch darum will ich
nicht, dass meine Follower glauben,
sie müssten nur Luxusprodukte kau-
fen, um ein tolles Leben zu haben.
In manchen Momenten frage ich
mich schon: Was gebe ich den Leuten
mit meinem Blog Sinnvolles weiter?
Manchmal würde ich mit meinem
Einfluss gerne mehr bewirken. Des-
halb habe ich kürzlich ein T-Shirt mit
dem Print «We Are Equal» auf der
Vorderseite und «In Diversity There’s
Beauty And Strength» auf dem
Rücken entworfen und über meine
Plattformen verkauft. Der Verkaufs-
erlös wurde an eine NGO gespendet,
die Gleichberechtigung fördert. Sonst
versuche ich, auf meinem Blog poli-
tisch möglichst neutral zu bleiben.
Das liegt nicht daran, dass ich Angst
habe, Werbekunden zu verlieren, son-
dern daran, dass ich der Meinung bin,
nicht die richtige Plattform für Politi-
sches darzustellen.
Dank meinem Job bekomme ich
viele Produkte gratis und muss kaum
mehr Kleider und Kosmetika selber
kaufen. Ich bitte die Firmen mittler-
76. Januar 2019 | NZZamSonntag
«Übernachten werden wir in Budget-Hotels. Wir sind zu alt für Hostels, weil wir unseren eigenen Raum und Ruhe wollen»: Akash Arasu, Consultant.
NOELBESUZZI/GETTYIMAGES
8 NZZamSonntag | 6. Januar 2019
oder Open Air St. Gallen auftreten
kann, fühlt sich das nicht wie Arbeit
an. Ich mache, was ich liebe und ver-
diene damit meinen Lebensunterhalt.
Das ist das Allerschönste!
Dennoch ist mir mittlerweile meine
Work-Life-Balance wichtiger gewor-
den. Die Trennung von Arbeit und
Freizeit tut mir gut, ich war gerade mit
meiner Freundin zwei Wochen in
Griechenland und fühle mich deutlich
erholter und fokussierter. Wir haben
eine Woche am Meer verbracht und
sind dann nach Athen, um uns die
Stadt anzuschauen. Ich finde diesen
Hybrid aus Strandferien und Städte-
trip perfekt. Es war auch schön, ein-
mal nicht viel planen zu müssen.
Ferien nutze ich meistens auch, um
Kleider zu shoppen. Ich mag es, in
Läden einzukaufen, gerade wegen der
Beratung. Mit Online-Shopping kann
ich gar nichts anfangen. So ein Walk-
of-Shame mit dem Zalando-Päckchen
unter dem Arm ist nicht meins. Es
hat etwas Stupides, dass man sich
tausend Sachen nach Hause bestellt,
dann zwei auswählt und den Rest
wieder zurückschickt. Da ist der
Aufwand doch grösser, als im Laden
einzukaufen.
Ein Gegenstand, der mir viel
bedeutet, ist die silberne Uhr an mei-
nem Handgelenk. Mein Vater hat sie
sich von seinem ersten Lohn als
Banker gekauft. Leider war es nicht so
wie in der Werbung, als er sie mir
geschenkt hat. Ich habe sie im Keller
gefunden, und als ich ihn fragte, ob
ich sie haben darf, war er nicht so
begeistert und meinte, er würde mir
lieber eine schönere zu Weihnachten
schenken. Das wollte ich aber nicht,
weil ich die Geschichte mit dem ers-
ten Lohn so schön fand. Da die Uhr
kaputt war, musste ich sie extra im
IWC-Shop an der Bahnhofstrasse
reparieren lassen. Es war mir ein biss-
chen peinlich, so einen Luxusladen zu
betreten. Die Reparatur hat halb so
viel gekostet, wie wenn ich das Modell
neu gekauft hätte, aber ich habe es
trotzdem gemacht. Seither trage ich
die Uhr fast täglich. Mein wichtigster
Alltagsgegenstand ist mein Laptop,
weil ich damit an meiner Musik
arbeite. Für mich ist die Vorstellung
schlimm, dass er gestohlen werden
könnte, darum nutze ich Zeitschalt-
uhren für das Licht in meinem
Arbeitszimmer, wenn ich nicht zu
Hause bin.
Kleider kaufe ich meist im unteren
bis mittleren Preissegment. Ich mag
H&M und COS. Da kann man einfach
hingehen, wenn man einmal etwas
braucht. Meine Nachhaltigkeitskurve
ist schlecht beim Kleiderkauf, ich
finde es aber extrem schwierig, das zu
ändern. Man muss sich mega krass
mit dem Thema auseinandersetzen.
Beim Essen ist das viel einfacher. Ich
gebe gerne für ein gutes Stück Bio-
Fleisch viel Geld aus, und kann sicher
sein, dass es den Tieren gutging und
keine Schadstoffe drin sind.
Ich geniesse es, auswärts essen zu
gehen. Das Abendessen koche ich «Mir selbst etwas Gutes tun»: NadiaRüfenacht,Café-Besitzerin.
96. Januar 2019 | NZZamSonntag
allerdings meistens mit meiner Freun-
din zusammen. Ich finde das schön.
Wir schauen, dass wir ausgewogen
essen, es gibt viel Salat. Fleisch essen
wir bewusst höchstens zweimal pro
Woche.
Ich bin für mein Studium der Wirt-
schaft und Publizistik vom Rheintal in
die Stadt Zürich gezogen. Was mir hier
manchmal fehlt, sind kleine Lebens-
mittelläden, die für einen Dorf-Spirit
sorgen. Ich hätte gerne eine Metzgerei
in der Nähe. Ich finde es heimelig,
wenn man in einem Laden mit Namen
begrüsst wird.
Meine Wohnsituation ist ideal,
abgesehen davon, dass wir gerade
Schimmel im Bad und in der Küche
haben und dem Vermieter statt einer
E-Mail einen Brief schreiben müssen,
um uns zu beschweren. Ich wohne
mit meiner Freundin in einer Drei-
zimmerwohnung in einem Siebziger-
Jahre-Block. Altbau mit Fischgräten-
Parkett finde ich zwar schön, brauch
ich aber nicht unbedingt. Der wich-
tigste Faktor beim Wohnen ist genug
Platz und eine nicht zu teure Miete zu
haben.
Für die Einrichtung haben wir kein
Vermögen ausgegeben, aber wir
haben darauf geachtet, dass wichtige
Möbel wie das Bett und das Sofa nach
zweimal umziehen nicht auseinan-
derfallen und nicht alles aus der Ikea
kommt. Die Wohnung soll auf keinen
Fall protzig aussehen, sondern
gemütlich. Ich konnte viele hochwer-
tige Einrichtungsgegenstände wie
Schalenstühle aus den siebziger Jah-
ren von meinem Opa übernehmen.
Die Wohnung ist ein bisschen alt-
modisch, so wie meine Musik. Ich
mache von den achtziger Jahren
inspirierten Pop mit schrillen und
düsteren Synthisounds.
Die Nostalgie in meiner Musik ist
stark vom Musikgeschmacks meiner
Eltern beeinflusst. Mein Vater hat frü-
her viel Michael Jackson und Lionel
Richie gehört. Meine zwei Brüder und
ich haben das cool gefunden. Das
blieb unbewusst an mir kleben. Als
ich anfing, Musik zu machen, klang es
immer automatisch nach der Ästhetik
der achtziger Jahre. Ich habe mir aber
nicht vorgenommen, die Schweiz mit
Revival-Pop der achtziger Jahre zu
erobern, das wäre in die Hose gegan-
gen. Ich schaffe es nicht, moderner zu
klingen und will es auch nicht. Das
wird oft an meiner Musik kritisiert,
aber ich finde, ich bediene einfach ein
Genre, das man lieben oder hassen
kann wie Hip-Hop oder Jazz.
«EigeneKinder
sindmirzu
umweltschädlich»
Akash Arasu, 28, Consultant
Es hört sich wie ein verdammtes Tin-
der-Profil an, während ich das sage,
aber Reisen ist eines meiner Lebens-
ziele. Auf meiner Traumreise will ich
mit Buckelwalen bei Tonga oder La
Réunion tauchen. Leider kostet das
eine Tonne Geld: mit Flug und einem
achttägigen Aufenthalt gegen 9000
Franken. Das ist nicht etwas, was sich
jeder 08/15-Backpacker leisten kann.
Leider. Ich liebe die Erde, ich liebe die
Umwelt. Es fühlt sich an, als wäre es
ein Menschenrecht, die Präsenz dieser
wunderbaren Kreaturen zu spüren.
Ich mag Reisen, bei denen man
etwas erlebt. Meine Freundin und ich
wollen als Nächstes die indonesische
Natur erkunden. Wir planen unsere
Reise um Wanderungen und Tauch-
gänge herum. Übernachten werden
wir in Budget-Hotels. Wir sind zu alt
für Hostels, weil wir unseren eigenen
Raum und Ruhe wollen. Wir brauchen
keinen Luxus. Ein sauberes Bett in
einem ruhigen Zimmer genügt.
Kennengelernt haben wir uns auf
einer Tauchreise, aus der sich zuerst
eine Freundschaft entwickelt hat.
Zusammen sind wir seit einem Jahr
und führen seither eine Fernbezie-
hung zwischen Zürich und Oslo. Auch
wenn wir uns so einmal im Monat
sehen, ist das emotional sehr aufwüh-
lend. Nur schon der Gedanke, dass
wir mit der vielen Fliegerei so viel CO2
produzieren, stresst uns. Wir zahlen
zwar für CO2-Kompensationspro-
gramme, aber das reicht nicht. Darum
wollen wir längerfristig am gleichen
Ort leben. Wo das sein wird, müssen
wir noch entscheiden.
Über Kinder haben wir auch schon
geredet. Wir wollen beide keine.
Jedenfalls keine eigenen. Ich habe mir
das lange und gründlich überlegt.
Erstens sind Kinder wahnsinnig
umweltschädlich: Pro Lebensjahr ver-
ursachen sie fünfzig Tonnen CO2. Ich
könnte täglich mit zwanzig Hummer-
Autos herumfahren, und das wäre
besser für die Umwelt! Zweitens kann
man Kinder vor der Geburt nicht
fragen, ob sie überhaupt leben wollen.
Dieses zweite Argument stammt aus
der Philosophie des Antinatalismus.
Sie geht davon aus, dass das mensch-
liche Leben hauptsächlich aus Leiden
besteht und man sich darum dagegen
entscheiden müsste, hätte man die
Wahl. Ich bin mir nicht sicher, ob mich
dieses Argument ganz überzeugt, aber
etwas Wahres hat es.
Ich arbeite als Strategie-Consultant
im Finanz- und Industriebereich. Bin
ich glücklich mit meinem Job? Das ist
schwer zu beantworten. Ich bin dank-
bar für ihn, und es gibt viele ange-
nehme Aspekte wie die enge Zusam-
menarbeit mit Kollegen. Es gibt eine
gute Kooperation, weil wir alle für
die gleichen Kunden arbeiten. Es gibt
allerdings Dinge bei meiner Arbeit,
die mit meinen ethischen Werten in
Konflikt stehen. Ich finde, Menschen,
die wie ich eine höhere Ausbildung
genossen haben, tragen die Verant-
wortung, in Branchen zu arbeiten, die
die Welt verbessern. Aber viele von
uns haben Stellen, wo ein moralisches
Konzept für das Gute keinen Platz hat.
Es wird zum Beispiel einfach mit öko-
Akash Arasus Distanz-
beziehung produziert
leider viel CO2.
AMYBRYCE/GETTYIMAGES
10 NZZamSonntag | 6. Januar 2019
nomischen Wachstum ersetzt. Ob das
etwas Gutes ist, sei dahingestellt.
Viele von uns arbeiten wohl in einer
neutralen Position: Sie tun nichts
Schlechtes, aber sie tun wahrschein-
lich auch nichts Gutes. Bei mir ist es
so: Ich habe bis jetzt nur diese Idee im
Kopf, dass ich Gutes bewirken will.
Das könnte für mich bedeuten, dass
ich in ein paar Jahren für eine
Umweltschutzorganisation arbeiten
werde, aber ich plane nicht so weit
voraus.
Ich habe Wirtschaft studiert, weil
ich es ein spannendes Themenfeld
finde. Es interessiert mich, weil es
stark von der Psychologie getrieben
ist. Ein bisschen habe ich dieses Fach
auch gewählt, weil es einem eine
sichere Karriere bietet. Dieser letzte
Faktor hat damit zu tun, dass mir
meine indischen Eltern nicht geraten
haben, einfach das zu machen, was
mir gut gefällt.
Ich hoffe, dass Geld in meinem
Leben weniger eine Rolle spielen
wird, sobald ich das Ziel erreicht habe,
eine Wohnung zu kaufen. Ich möchte
aus dieser Falle raus, in der wir uns
alle befinden: Je mehr Geld man hat,
umso höher der Lebensstandard.
Das Teuerste, was ich besitze, ist
mein MacBook. Wenn ich Dinge
kaufe, dann tue ich das sehr bewusst.
Ich bestelle online, lasse sie mir aber
in den Laden statt nach Hause liefern.
So spare ich Zeit, weil ich Produkte,
die mir nicht gefallen, nicht selber
zurückschicken muss. Vor allem bei
Elektronik und Naturausrüstung wie
Wanderschuhe lese ich vor dem Kauf
Online-Bewertungen. Eine meiner
liebsten Informationsquellen ist Red-
dit, das ist ein soziales Netzwerk, in
dem nach Themen sortiert diskutiert
wird. Ich nutze einen Subreddit für
Produkte, die ein Leben lang halten
sollen. Als Student an der Universität
St. Gallen hatte ich nicht einfach so
viel Geld auf der Seite, um mir eine
Regenjacke für 200 Franken zu
kaufen. Jetzt geht das aber, und es
lohnt sich auch finanziell, weil die
Jacke eben nicht mehr nur ein Jahr,
sondern vielleicht sechs hält. Ich will
auch ganz bestimmte Marken unter-
stützen. Patagonia und The North
Face spenden beispielsweise für den
Naturschutz.
Ich investiere ab und an, aber am
Crypto-Hype war ich nie interessiert.
Gegenüber neuen Technologien bin
ich generell kritisch eingestellt. Ich
habe mein erstes Smartphone erst
2014 gekauft. Je mehr ich mich infor-
miere, desto mehr bin ich davon über-
zeugt, dass es gut ist, sich nicht zu sehr
auf sie zu verlassen. Gerade Social
Media senkt die Aufmerksamkeits-
spanne und verändert die Art, wie wir
mit Menschen interagieren. Ich merke
das selber. Ich finde das verrückt.
Daher versuche ich, bewusst in Lang-
zeit-Aufmerksamkeit zu investieren.
Ich habe aufgehört, News zu konsu-
mieren. Ich lese nur noch lange Artikel
und mehr Sachbücher. Ich versuche
Kurzzeit-Aufmerksamkeit-Situationen
zu vermeiden. Eine Stunde bevor ich
zu Bett gehe, beschäftige ich mich zum
Beispiel nicht mehr mit elektronischen
Geräten, und morgens versuche ich,
zu meditieren. Die Facebook- und
Instagram-App habe ich vor einem
halben Jahr gelöscht. Leider bekomme
ich nun deswegen E-Mails à la: Schau
mal, was deine Freunde Tolles
machen! Komm zurück zu uns! Das
nervt mich so, dass ich mir schon
überlege, die Konten zu löschen.
Wahrscheinlicher ist aber, dass ich
nachgeben und auf Login klicken
werde.
«Bisichmireine
Rolexleistenkann,
trageichkeine
andereUhr»
Raffaela Zollo, 26, Youtuberin
Mein Stil ist exzentrisch, bunt und
kurios. In der Schweiz fällt es mir
schwer, ausgefallene Kleider zu fin-
den. Shopping ist ein Grund, warum
ich immer wieder nach Japan reise. In
Tokio ist es so einfach, schräge Outfits
zu finden. Ich reise am liebsten allein
und mit dem Ziel, Einheimische ken-
nenzulernen. So wie in Kurashiki, da
habe ich im Schnellzug eine 60-jäh-
rige Dame getroffen, die mir später in
ihrem kleinen eckigen Auto ihre Hei-
matstadt gezeigt hat. So eine weite
Reise ist für mich immer etwas Beson-
deres, und ich buche meine Über-
nachtungen dann in einem Hotel, das
mir viel Komfort bietet. Nach Berlin
gehe ich auch sehr gerne, dann über-
nachte ich aber einfach bei Freunden.
Meine Karriere als Youtuberin ist
mir extrem wichtig. Ich habe mich
dafür selbständig gemacht und mei-
nen Job als Schmuckverkäuferin an
der Zürcher Bahnhofstrasse aufge-
geben. Auf meinem Kanal «Raffa’s
Plastic Life» produziere ich Videos mit
einer wilden Mischung aus Comedy,
meinem Leben als Transgender-Frau
und Schminktipps. Das funktioniert
super, pro Folge schauen sich das bis
zu einer halben Million Menschen an,
ich werde oft auf der Strasse erkannt.
Make-up spielt in meinen Videos
eine zentrale Rolle, weil es meine
grosse Leidenschaft ist. Das hat früh
angefangen. Als ich noch ein Junge
war, habe ich mich immer nach der
Schule geschminkt und konnte so das
erste Mal meine Weiblichkeit ausdrü-
cken. Ich bin im Gegensatz zu vielen
Youtubern keine Influencerin. Ich
möchte keine fremden Produkte in
meinen Videos präsentieren, das finde
ich nicht authentisch. Um Geld zu ver-
dienen, arbeite ich an einer eigenen
Make-up-Linie, die meine Fans online
bestellen können.
Ich gebe bewusst nicht mehr so viel
Geld für Make-up und Mode aus, weil
ich sparen möchte. Das fällt mir auch
nicht schwer, weil ich keine Materia-
listin bin. Wenn meine Wohnung
abbrennen würde, würde ich nur
mein Handy retten, um meine Eltern
und Geschwister kontaktieren zu kön-
nen. Luxusprodukte finde ich trotz-
dem toll. Ich würde mir gerne eine
Rolex in Roségold kaufen. Da bin ich
dann auch stur, bis ich sie mir leisten
kann, trage ich keine andere Uhr.
Mein grösster Traum ist es, eines
Tages ein Herrenhaus zu besitzen: Ein
mehrstöckiges Anwesen mit Garten,
einem Springbrunnen und Hecken-
labyrinth. Von der Architektur würde
mir das Zürcher Opernhaus zusagen.
Ich stehe auf die Kombination von
blendend weiss und barock. Das ist
auch der Einrichtungsstil meiner
Wohnung in der Agglo.
Als Nächstes genügt es mir, in
eine grössere Wohnung mit Seeblick
zu ziehen. Der Greifensee muss rei-
chen, für den Zürichsee bin ich noch
nicht reich genug. Ich hätte gerne ein
Extra-Zimmer, um meine Youtube-
Videos zu drehen, damit ich nicht
mehr wie bisher in meinem Wohn-
zimmer filmen muss. Ich schaue kein
Fernsehen im klassischen Sinn, son-
dern schaue auf Youtube, was es so
gibt. Das kann Comedy von Joan
Rivers sein oder ein Dokumentarfilm
über schwarze Löcher.
Ich bin seit vier Jahren Single, und
mittlerweile gefällt mir das total. Ich
habe meine Arbeit und meine
Freunde und bin damit zufrieden. Ich
träume nicht davon, zu heiraten oder
Kinder grosszuziehen. Ich denke gar
nicht so weit. Klar, wenn und falls ich
einen Partner finde, könnte sich das
ergeben. Mein Traumpartner sollte
auf jeden Fall gebildet sein und kein
Macho. Es ist mir auch wichtig, dass er
gross ist, damit ich mich in seinen
Armen geborgen fühlen kann. Vom
Typ her sagt mir der Schauspieler
Chris Hemsworth zu. Aber Mister
Right darf auch einen kleinen Bier-
bauch haben, da bin ich nicht so. Es
wäre auch toll, wenn wir uns ergän-
zen könnten und er sich ausserdem
mega für Geschichte oder Politik
interessieren würde.
Meine Idealvorstellung ist eine
monogame Beziehung. Ich finde eine
offene Kommunikation wichtig. Es
könnte ja sein, dass mein Partner zum
Beispiel mehr Feuer in der Beziehung
will. Wenn das so ist und ich ihm das
nicht geben kann, wäre es auch okay
für mich, ein spezielles Arrangement
zu haben. Wo er vielleicht einmal im
Monat mit jemand anderem schläft.
Aber dafür müsste schon alles andere
in der Beziehung perfekt sein.
Mein Ernährungsstil ist simpel:
Pizza. Esse ich mindestens viermal
pro Woche. Egal, in welcher Form,
tiefgekühlt oder frisch, das kommt für
mich nicht drauf an. Ich kann mir ja
nicht alles verbieten, irgendwo
braucht jeder ein Ventil, und meines
ist eben ungesundes Essen. Ich rauche
nicht und trinke kaum. Mein Gesicht
ist mir einfach viel wichtiger als mein
Körper. Ich bin nicht perfekt, aber
mein Gesicht finde ich sehr schön,
Raffaela Zollo mag die
Architektur blendend
weiss und barock.
Nadia Rüfenacht will
Online-Selbstfindungs-
Coach werden.
116. Januar 2019 | NZZamSonntag
und ich würde es gerne so behalten.
Natürlich gehe ich dafür regelmässig
zum Schönheitschirurgen. Der spritzt
mir die Wangen und Lippen auf. Mein
Vorbild ist Cher. Die Bitch ist 72 und
sieht besser aus als ich! Mit den richtig
üblen Operationen bin ich aber fertig.
Ich könnte mir meine Figur noch
sanduhrenförmig operieren lassen,
aber das ist mir zu krass mit dem lan-
gen Heilungsprozess und den
Schmerzen.
Ich gehe regelmässig abstimmen,
aber nur über Dinge, bei denen ich
mich auskenne und die mir wichtig
sind. Meine Youtube-Videos sind
manchmal automatisch politisch.
Wenn ich zum Beispiel über meine
negativen Erfahrungen als Trans-
gender-Frau spreche. Gerade im
queeren Bereich gibt es viele Sachen,
die mich aufregen: dass zum Beispiel
Homosexuelle in der Schweiz nicht
heiraten oder adoptieren dürfen. Das
finde ich verdammt unfair, und dafür
gehe ich auch auf die Strasse.
Die Umwelt ist mir wichtig, aber
nicht meine Priorität. Ich finde es
zum Beispiel scheusslich, wenn über-
all Abfall herumliegt. Meine künst-
lichen Wimpern sind aber aus Tier-
haar und bleiben es so lange, bis es ein
künstliches Produkt gibt, das gleich
gut ist. Ich habe schon alles probiert,
aber nicht einmal Menschenhaar sorgt
für den richtigen Augenaufschlag.
Auf der Packung steht, das sei ein
Nebenprodukt aus der Pelzindustrie.
Aber die können mir nicht erzählen,
dass ihre Marder auf grünen Wiesen
herumtollen und sie dann so lange
gestreichelt werden, bis ihnen
netterweise die Haare ausfallen. Ich
sehe das so: Wenigstens wird ver-
sucht, das ganze Tier zu verwerten,
wenn es schon für einen Pelzmantel
sterben muss.
«Ichsehemichin
ersterLinieals
Weltbürgerinund
nichtals
Schweizerin»
NadiaRüfenacht,25,Café-Besitzerin
Den Traum, ein eigenes Café zu eröff-
nen, trage ich seit meiner Lehre als
Restaurationsfachfrau in mir. Es war
vor allem finanziell ein steiniger Weg,
aber in diesem Jahr habe ich es
geschafft, das Café Complet in der
Stadt Zürich zu übernehmen. Hier
habe ich einen Platz gefunden, in dem
ich meine Werte und Philosophie ver-
einen kann: Ich kann mein Service-
Fachwissen anwenden und meine
Gäste dazu einladen, mit Achtsamkeit
veganes Essen zu geniessen.
Es war für mich keine Frage, ob
mein Café vegan sein sol. Es musste
auf pflanzlicher Ernährung basieren,
denn vegan zu sein, sollte aus meiner
Perspektive die Normalität sein. Als
ich mit siebzehn Jahren Veganerin
wurde, habe ich das Fundament für
mein Leben gelegt. Jede Entschei-
dung, die ich treffe, muss mit dem
Veganismus vereinbar sein. Nur so
kann ich authentisch sein und ein
zufriedenes Leben führen. Das war
nicht immer leicht. In der Lehre
musste ich meinen Gästen Fleisch ser-
vieren und empfehlen. Das hat mich
wütend und traurig gemacht. Irgend-
wann war ich mutig genug, manchen
Gästen statt des Entrecôtes den
Gemüseteller zu empfehlen. Das hat
meinem Chef nicht gefallen. Dabei
ging es mir nicht darum, jemandem
verbieten zu wollen, Tiere zu essen,
sondern meine Mitmenschen vor eine
bewusste Wahl zu stellen und aufzu-
klären. Das ist auch bei meinem Café
so. Jeder ist willkommen, egal, was er
oder sie isst.
Auf meinem Lebensweg ist das
Café nur eine Zwischenstation. Es ist
eine gute Grundbildung und Prüfung,
ob ich die Selbständigkeit meistern
kann. Ich weiss schon jetzt, dass ich es
nicht für immer behalten will. Der
Plan ist, es erfolgreich zu machen und
dann weiterzugeben. In einer nächs-
ten Phase möchte ich als Selbst-
findungs-Coach Frauen online bera-
ten und gleichzeitig die Welt bereisen.
Als Vorbereitung dafür absolviere ich
nächstes Jahr eine Online-Ausbil-
dung. Wenn ich den Leuten erzähle,
dass ich mich online ausbilden lasse
und zukünftig auch meine Coachings
online anbieten will, versteht man
mich häufig nicht. Dabei ist das gar
nicht so kompliziert: Die Coaching-
Sitzungen finden einfach per Video-
Anruf statt. Ich mag dieses Konzept,
weil die Klientin und ich so flexibel
sind. Ich brauche keine Praxis, und
die Klientin kann zu Hause bleiben.
Vom Themenfeld würde ich mich
gerne auf das Frausein, Liebe, Sex und
Beziehungen fokussieren. Zum einen
weil es mich fasziniert, zum anderen
weil ich täglich sehe, wie viele Frauen
die Verbindung zu sich selbst verloren
haben und damit unzufrieden sind.
Ich sehe mich in erster Linie als
Weltbürgerin und nicht als Schweize-
rin. Ich versuche, an die Menschen
auf der ganzen Erde zu denken, wenn
ich beurteile, welche Konsequenzen
meine Handlungen haben. Zum Bei-
spiel kaufe ich mir online eine Haar-
pflege für meine Dreadlocks, statt mir
ein Shampoo aus dem Bioladen in
der Nachbarschaft zu holen. Wenn ich
könnte, würde ich meine Spezial-
pflege im Quartier kaufen, aber sie ist
dort nicht erhältlich. Dass ich mir das
Mittel in den USA bestelle, ist für mich
trotzdem vertretbar, weil ich eine
vegane Manufaktur unterstütze.
Meine Verantwortung und die mei-
ner Generation liegt darin, dass wir im
Leben das machen, wovon wir über-
zeugt sind. Denn nur wenn wir zufrie-
den sind, können wir anderen helfen
und Gutes in der Welt bewirken. Wir
sollten auch für ältere Generationen
Vorbilder sein, die früher nicht so
viele Möglichkeiten hatten und viel-
leicht noch in dieser Mentalität gefan-
gen sind. Auch sie können heute
machen, was sie lieben, und müssen
sich nicht zu alt dafür fühlen. Ich
erlebe die Wichtigkeit des Austauschs
zwischen den Generationen im Café.
Es gibt zwei Laufbahn-Coaches, die
Mitte vierzig sind und hier ihre
Beratungen abhalten. Wir lernen viel
voneinander.
In Zukunft könnte ich mir vorstel-
len, für meine Anliegen politisch tätig
zu werden, aber heute passt das nicht
zu mir. Ich habe eine Stammkundin,
die bald Vollzeit-Tieraktivistin wird.
Ich finde das toll, aber das ist ihr Weg,
um die Welt zu verbessern. Meiner ist
das Café, auch das ist Aktivismus.
Reisen und Ferien sind für mich
unterschiedliche Dinge. Ferien sind
eine Erfindung des klassischen Sys-
tems, von dem ich mich gelöst habe.
Ich achte jeden Tag darauf, dass es mir
gutgeht. So habe ich nicht das Gefühl,
dass ich am Ende bin, dass ich Ferien
brauche, um mich zu erholen. Ich
schliesse jeden Tag auf eine schöne
Art ab, auch wenn es ein Tag war, an
dem alles schief lief. Zum Beispiel
hole ich mir etwas Besonders zum
Essen, gehe früh ins Bett oder höre
einen Podcast. Es kommt nicht so dar-
auf an, was ich tue, sondern es geht
um das Bewusstsein, dass ich mir
etwas Gutes tue. Manchmal bedeutet
das einfach einen Schluck Wasser
trinken. Auf der anderen Seite ist es
so, dass ich mir durch die Selbständig-
keit Ferien nicht wirklich leisten kann.
Ich hatte diesen Sommer das Café für
eine Woche zu, in dieser Zeit habe ich
aber einfach Papierkram erledigt.
Momentan geniesse ich das Single-
Leben, spüre aber, dass ich bald in
einer Beziehung sein werde. Ich weiss,
dass ich gerne vor dreissig eine Fami-
lie gründen möchte. Dieser Wunsch
sitzt tief in mir drin und kommt nicht
aus einem gesellschaftlichen Zwang
heraus. Heiraten würde ich auch
gerne, aber nicht in der Kirche, son-
dern in der Natur. Es geht mir darum,
die Liebe zu meinem Partner mit
Freunden und meiner Familie zu
zelebrieren. Aktiv auf Partnersuche
bin ich dennoch nicht. Früher war ich
auf Tinder, aber ich habe gemerkt,
dass das eine Energie verlangt, die ich
als Frau nicht geben will. In meiner
weiblichen Energie muss ich anneh-
men können, statt zu nehmen. Wenn
ich aktiv werde, wird sich ein Mann
nicht von mir angezogen fühlen. Das
mag für manche Leute esoterisch oder
nach den fünfziger Jahren klingen,
aber für mich passt dieser spirituelle
Ansatz der Energien, um die Welt zu
verstehen.
Mein Anspruch an meinen zukünf-
tigen Partner ist, dass wir unser Leben
gemeinsam kreieren und das, was
wir uns wünschen, teilen können.
Die grösste Herausforderung ist dabei,
dass man immer ein gemeinsames
Ziel verfolgt. Das heisst auch, dass
man stetig an sich selber arbeitet. Es
braucht aber auch die Ehrlichkeit,
Alles
blossein
Mythos?
Ein sinnhafter Beruf und
nachhaltiger Konsum?
Veganismus und Urban
Gardening? So, wie der
Millennial gemeinhin
beschrieben wird, exis-
tiert er in der Empirie
offenbar gar nicht. Die
US-Notenbank hat dazu
eine Studie mit dem Titel
«Are Millennials Diffe-
rent?» publiziert. Die
Autoren ziehen den
Schluss, dass Millennials
weniger Geld für Konsum
zur Verfügung haben als
noch ihre Eltern und
Grosseltern. Die alten
Konsummuster aber
seien dieselben geblie-
ben: Gutes Essen, Wohn-
eigentum und fahrbarer
Untersatz haben auch für
Millennials Priorität.
Andere Untersuchungen
kamen zum Schluss, dass
der «Millennial» so idealis-
tisch gar nicht ist, son-
dern sich eher damit
beschäftigt, um die Erhal-
tung seines Wohlstands
zu kämpfen: Die meisten
sind während der Rezes-
sion berufstätig gewor-
den und müssen noch
Jahre später Lohnnach-
teile in Kauf nehmen.
Millennials haben auch
weniger Kinder als Gene-
rationen vor ihnen. Was
sich vermutlich auch mit
den geringeren finanziel-
len Mitteln erklärt.
12 NZZamSonntag | 6. Januar 2019
«Was meine Spiri­
tualität anbetrifft,
haben mich Yoga und
Achtsamkeitslehre
beeinflusst»: Claudia
Schumacher,
Autorin.
136. Januar 2019 | NZZamSonntag
PETESALOUTOS/PLAINPICTURE
14 NZZamSonntag | 6. Januar 2019
einen Schlussstrich zu ziehen, wenn
es nach fünf oder fünfzig Jahren nicht
mehr passt.
«Ichwillmitmeinen
TöchternimRuck-
sackZentralamerika
bereisenund
Riesenkristalle
sehen»
Jelena Brkic, 33, selbständige
Unternehmerin
Mein Leben ist momentan mein
Luxus. Dass ich zu Hause bleiben
kann und an meinen zwei grossen
Projekten arbeite: mein Schmucklabel
Elvetia aufbauen und meine zwei klei-
nen Kinder grossziehen. Ich habe mei-
nen eigenen Lohn, meine Familie und
viel Freizeit.
Hinter diesem Lebensstil stecken
sehr viele Überlegungen, harte Arbeit
und eine Prise Glück. Meine Familien-
planung war fest in meinen Business-
plan integriert. Ich habe innert zweier
Jahre zwei Töchter bekommen. Mit
ihnen zusammenzusein, ist für mich
ein bisschen wie meine eigene Kind-
heit nachzuholen. Die ist irgendwie
untergegangen mit all dem Noten-
und Prüfungsdruck, den man schon
bei der Einschulung zu spüren
bekommt. Ich finde das schade.
Mein Leben hat vor vier Jahren
noch ganz anders ausgesehen. Ich war
als Digital-Marketing-Managerin
angestellt und habe 150 bis 200 Pro-
zent gearbeitet. Ich war aber unzufrie-
den und noch nicht da im Leben, wo
ich gern gewesen wäre. Ich wollte
selbständig sein und eine Familie
gründen. Mit meinem damaligen Ehe-
mann, mit dem ich schon fast neun
Jahre verheiratet war, konnte ich mir
aber nicht vorstellen, Kinder zu
haben. Wir liessen uns scheiden, und
ich habe bald darauf meine Fest-
anstellung aufgegeben und meinen
aktuellen Partner und Vater meiner
Kinder kennengelernt.
Mein Unternehmen ist mir extrem
wichtig, weil ich so hinter den Werten
stehe, die es verkörpert. Ich mache
etwas, was sonst niemand macht und
von dem mir alle aus finanziellen
Gründen abgeraten haben: Ich lasse
meine Schmuckstücke zu hundert
Prozent in der Schweiz herstellen und
verwende ausschliesslich Bergkristall
und weitere Mineralien aus den
Schweizer Alpen. Nur so kann ich
sicher sein, dass weder Menschen
noch die Umwelt für meinen Schmuck
ausgebeutet werden.
Schmuck selber herzustellen, war
zuerst nur ein Hobby. Ich mochte es
einfach, in meiner Freizeit etwas
Handwerkliches zu machen und bin
oft in den Alpen wandern gegangen.
Wie der Zufall es wollte, lief ich einem
Berufsstrahler über den Weg. Er
führte mich in die Welt der Schweizer
Bergkristalle ein und nahm mich mit
zum Kristallsuchen. Als ich entdeckte,
dass die ganze Kristall-Industrie in
der Schweiz ein Nachwuchsproblem
hat und zu verschwinden droht, hatte
ich meine Aufgabe gefunden. Es war
eine Herausforderung, in die Szene
hineinzukommen. Es sind fast nur
ältere Männer Kristallsucher und
Mineraliensammler. Die dachten sich:
Was will uns diese junge Frau ohne
Schweizer Wurzeln über unsere Tradi-
tion erzählen? Mittlerweile kennt man
mich, und ich fühle mich ernstgenom-
men und werde unterstützt.
Ich kann momentan nicht sparen,
alles, was ich verdiene, reinvestiere
ich in mein Unternehmen. Als Familie
sparen wir aber momentan für eine
grosse Reise. Wir fahren nach dem
Weihnachtsgeschäft drei Monate nach
Spanien. Ich muss nicht am Strand
liegen, aber ich will mit den Kindern
raus an die Sonne. Ich mag Europa
und zivilisierte Gegenden, in denen
ich mich zurechtfinde. Ich war schon
in exotischen Ländern wie Kambo-
dscha und Thailand. Aber erstens
gurkt mich die lange Reise an, und
zweitens leide ich unter den kulturel-
len Barrieren. Ich kann mich nicht
entspannen, wenn ich die Armut in
solchen Ländern sehe. Es fällt mir zu
schwer, Mitleid von Mitgefühl zu tren-
nen. Bei mir endet alles im Mitleid,
und der Urlaub wird unerträglich.
In den Spanien-Ferien wollen wir
ein Haus mieten und es wie in einer
Wohngemeinschaft füllen: Mein engs-
ter Geschäftspartner, ein Gold-
schmied, zieht mit seinem Hund ein,
und meine Eltern und Freunde wer-
den auch bei uns wohnen. So können
wir etappenweise Ferien mit Leuten
verbringen, die uns wichtig sind.
Für eine richtige Traumreise
möchte ich aber mehr. Ich will mit
meinen Töchtern im Rucksack Zen-
tralamerika bereisen. Zum einen die
mir fremde Kultur kennenlernen und
zum anderen die Vielfalt der Minera-
lien entdecken. Besonders interessie-
ren mich die Höhlen von Naica mit
den grössten Gipskristallen der Welt.
Die sind bis zu vierzehn Meter lang
und fünfundfünfzig Tonnen schwer.
Leider haben meist nur Geologie-For-
scher die Erlaubnis, dieses Naturspek-
takel live zu erleben. Aber wer weiss,
vielleicht finde ich einen Weg.
Die Schweizer Demokratie bedeutet
mir viel. Ich stimme ab, wenn ich
mich genug gut über ein Thema infor-
mieren konnte. Dafür suche ich auch
bewusst den Austausch mit anderen
Stimmbürgern. Auf dem Spielplatz
unserer Wohnsiedlung zum Beispiel.
Das ist interessant, weil nicht alle dar-
über reden wollen, wie und warum sie
abstimmen werden. Bei Wahlen ent-
halte ich mich aus Prinzip, da ich die
zur Wahl stehenden Politiker nicht
genug gut einschätzen kann.
Wenn es ums Essen ging, war ich
früher fast zwanghaft. Es war so
schlimm, dass ich wie eine verdorrte
Dattel durch die Gegend lief und nicht
mehr wusste, was ich noch essen darf
und soll. Alles war entweder gesund-
heitsschädlich, unethisch oder bei-
des. Heute haue ich mir ab und zu ein-
mal Aromat auf eine Gurke, obwohl
ich weiss, dass da Geschmacksverstär-
ker drin ist. Ich bin nur noch beim
Fleisch und Gemüse pingelig und ver-
suche, regional und Demeter oder bio
zu kaufen. Dafür laufe ich auch oft zu
einem Hofladen bei uns in Leimbach.
Obwohl ich selber einen Online-
Shop betreibe, kaufe ich nichts online.
Es ist mir zu stressig mit dem Riesen-
angebot. Ich bin jemand, der sich
Dinge gerne im Laden anschaut. Neue
Kleider kaufe ich mir nur, wenn ich
sie wirklich brauche. Das liegt auch
daran, dass ich einen teuren Ge-
schmack habe. Ich mag Kleidung, die
nicht jeder hat. Wenn ich dann doch
etwas kaufe, sind es oft limitierte Edi-
tionen von Jungdesignern. Sonst habe
ich ein grosses Netzwerk an Freundin-
nen, mit denen ich private Kleider-
tauschpartys veranstalte.
Ich gönne mir kaum Zückerchen.
Ich mache das nur, wenn mein Partner
mir etwas schenkt. Früher hatte ich
ein uraltes Tour-de-Suisse-Velo. Es
war sechzig Jahre alt, es gingen nur
noch zwei Gänge, und die Bremsen
waren kaputt. Trotzdem bin ich jeden
Tag fünfzehn Kilometer nach Zürich
gefahren. Auf meinen Geburtstag hat
mein Partner mir dann ein Villiger-
Velo gekauft. Das ist für mich der Rolls
Royce unter den klassischen Frauen-
velos: Es hat einen super bequemen
Ledersitz und viele Gänge. Ich bin
drauf gesessen und habe gedacht,
Mann, das ist so schön, so zu fahren.
Ich wäre nie auf die Idee gekommen,
mir so was zu gönnen. Ich habe da
eine Hemmung. Ich bin noch viel zu
sehr damit beschäftigt, mir meine
beruflichen Träume zu erfüllen.
«Freiheithatunsere
Generationim
Internetgefunden»
Denis Simonet, 33, Informatiker,
Gründer der Piratenpartei Schweiz
Politisiert hat mich, und das wird jetzt
vielleicht sonderbar klingen, das
«Gamen». Wie das kam, versteht man
vielleicht besser, wenn man weiss,
wie ich aufgewachsen bin. Im Alter
von acht Jahren erhielt ich von mei-
nen Eltern meinen ersten Computer.
Das war so eine riesige, eckige Kiste in
beigen Farben. Ich war schon immer
wissensdurstig und habe alles
gelesen, was mir in die Finger gekom-
men ist. Als später das Internet kam,
gab mir das die Möglichkeit, noch viel
mehr zu studieren und zu lesen, ich
betrachtete das Internet als die Quelle
des Wissens schlechthin. Online habe
ich auch Programmieren gelernt, war
die meiste Zeit in Chats unterwegs,
in denen sich die Community gegen-
seitig Tricks gelehrt und fachgesim-
Jelena Brkic integrierte
die Familiengründung
in ihren Businessplan.
Erklärte Politikern und
Journalisten das
Internet: Denis Simonet.
156. Januar 2019 | NZZamSonntag
«IcherreichemitmeinemInstagram-ProfilundBlogproMonatbiszudreiMillionenMenschen»:Michèle Krüsi, Lifestyle-Bloggerin.
WESTEND61/GETTYIMAGES
16 NZZamSonntag | 6. Januar 2019
pelt hat. In den Anfängen war ich
einer von vielen Autodidakten. In
meiner Klasse jedoch gehörte ich zu
den paar wenigen, die sich intensiv
mit dieser neuen Technologie
beschäftigten. Ich war sicher der
grösste Nerd der Schule.
Als ich im Gymer war, machte ein
Berner SP-Politiker von sich reden,
der Computerspiele verbieten wollte.
Er sah seine Welt bedroht von ein paar
Shooter-Games, die angeblich Gewalt
verherrlichten. Ich hörte seine Argu-
mente und beobachtete die Reaktio-
nen in der Öffentlichkeit und wusste:
Das kommt nicht gut. Die Leute haben
keine Ahnung, wie falsch ein solches
Verbot wäre und wie es ganz grund-
sätzlich unser Konzept von Freiheit
infrage stellen würde: Freiheit ist
doch das, was unsere Generation
durch das Internet gelernt hat.
Daraufhin sah ich mir verschiedene
Parteiprogramme an und suchte darin
vergeblich eine Haltung zu digitalen
Themen. Nirgends fand ich mich zu
Hause. Niemand schien sich auszu-
kennen in meiner Welt. In den Chats
habe ich dann von der damals erfolg-
reichen Piratenpartei in Schweden
erfahren, die sich für Bürgerrechte
wie unter anderem die Informations-
freiheit einsetzt. Zusammen mit ein
paar Gleichgesinnten fassten wir den
Plan, auch hier in der Schweiz eine
Piratenpartei zu gründen. Ich sollte
ihr erster Präsident werden. Die Gra-
tiszeitung «20 Minuten» kündigte die
Parteigründung gross an, und kurz
darauf explodierte unser Online-
Forum. Hunderte von Leuten melde-
ten sich innerhalb von wenigen Tagen
als Mitglieder. Dass wir uns bewusst
vom Rechts-Links-Spektrum der her-
kömmlichen Parteienlandschaft
distanzierten, hat uns sicher geholfen.
Wir trafen einen Nerv der Zeit.
Über Politmarketing habe ich in der
Zeit so einiges gelernt. Zum Beispiel,
dass es Schlagworte braucht. Mit
«Digitalpolitik» gaben wir der Öffent-
lichkeit eines. Heute sprechen
Schweizer Politiker ganz selbstver-
ständlich davon, zuvor haben sie den
viel zu eng definierten Begriff «Netz-
politik» verwendet. Zum anderen
habe ich gelernt, wie man die Medien
für seine Anliegen nutzen kann. Wir
haben damals Kontakt zu Julian
Assange, dem Gründer von Wikileaks,
aufgenommen. Vier Stunden lang
habe ich mich von Chat zu Chat
gehangelt, von User zu User, bis ich
endlich den persönlichen Assistenten
von Assange aufgestöbert hatte. Ich
bat ihn um ein Treffen mit seinem
Chef, der damals vom amerikanischen
Geheimdienst gesucht wurde. «In
zwei Stunden in Genf», lautete die
Antwort. Assange kam mit einem
Bodyguard zum Treffen und war am
Anfang des Gesprächs sehr unruhig.
Seine Äusserungen hatten etwas Para-
noides. Wir boten ihm unsere Hilfe
an, falls er Asyl in der Schweiz bean-
tragen wolle. Wochen später, als die
Amerikaner seine Wikileaks-Domain
sperrten, gab Assange über Twitter
bekannt, dass man neu die Domain
www.wikileak.ch nutzen sollte. Die
Adresse war auf meinen Namen regis-
triert. An jenem Tag bestellte ich mir
gegen Mittag mit grossem Hunger
eine Pizza. Bis zum Abend hatte ich
keinen Bissen davon gegessen. Kaum
nahm ich ein Stück in die Hand, unter-
brach mich das Telefon. Von «Al
Jazeera» bis «New York Times»: Alle
wollten mit dem vermeintlichen
Gewährsmann von Assange reden.
Mir blieb keine Wahl, als die Anfragen
zu beantworten, denn sonst hätten
die Journalisten geschrieben, ich sei
jetzt der neue Betreiber der Site und
damit für Wikileaks verantwortlich,
was ja kreuzfalsch war. Betreiber war
natürlich immer noch Assange.
Die ganze Wikileaks-Sache hat der
Schweizer Piratenpartei Riesen-
schwung gegeben. Digitalpolitik
wurde allmählich ernstgenommen.
Die Politiker wollten über lange Jahre
nicht einsehen, dass nationale
Gesetze nutzlos sind, wenn es um
Digitalpolitik geht. Die Piraten weck-
ten dieses Bewusstsein.
Als Präsident der Partei war ich
immer wieder auf den Titelseiten von
Boulevardmedien, und meine Arbeit-
geber – neben meinem Informatik-
studium an der ETH arbeitete ich für
ein Kommunikationsunternehmen –
war zu Recht irritiert. Ausserdem
hatte ich keine Zeit mehr für mein Pri-
vatleben, vernachlässigte viele andere
Aspekte meines Lebens. Eine Bezie-
hung ging in der Zeit in die Brüche. Ich
kam nie zur Ruhe, konnte nicht los-
lassen. Ich wollte wieder Bücher lesen
und Klavier spielen. Schliesslich
beschloss ich vor drei Jahren, das Prä-
sidium abzugeben. Ich mache eine
Sache entweder richtig oder gar nicht.
So erklärt sich dieser Schritt.
Die Piratenpartei Schweiz leistete
mit der Wikileaks-Sache einen sehr
wichtigen Beitrag zur Debatte, hat es
aber nicht geschafft, sich in der Par-
teienlandschaft zu etablieren. Grund
dafür ist auch, dass sich junge Kräfte
in den anderen Parteien dieser The-
men angenommen haben. Es wird
immer weniger zwischen der on- und
offline Welt unterschieden – die Leute
beginnen zu begreifen, dass beides
zusammengehört.
Heute ist mir wichtig, dass ich viel
Zeit mit meiner Freundin verbringe.
Mit dem Klettern haben wir ein
gemeinsames Hobby. Ausserdem sind
wir nach Lenzburg gezogen. Die Stadt
ist toll: Die Lebensqualität ist hoch,
und kulturell ist hier viel los.
Klar, kann man behaupten, dass
mein Rückzug ins Private egoistisch
ist. Ich habe mich tatsächlich entpoli-
tisiert. Ich versuche trotzdem, mich
zu engagieren. Zum Beispiel bei der
Aarauer Sektion des Schweizer Alpin-
clubs. Und ich könnte mir auch vor-
stellen, irgendwann in die lokale Poli-
tik einzusteigen. Bei welcher Partei
ich dann wäre, habe ich mir noch
nicht überlegt.
Der ältere Denis ist schon schlauer
als der jüngere. Inzwischen habe ich
viele Graustufen entdeckt und akzep-
tiere politische Realitäten, an denen
hochtrabende Ideale scheitern. Die
Sicherheitsbedürfnisse unserer
Gesellschaft und die Interessen der
verschiedenen Gruppierungen müs-
sen ernst genommen werden. Doch
die Freiheit im Internet müssen wir
mit allen Mitteln verteidigen, denn
darauf basieren auch die demokrati-
schen Werte unserer Gesellschaft.
«Bisschenwas
Speziellesmachen,
kleineAbenteuer
erleben–dasfinde
ichbeimReisengut»
Claudia Schumacher, 32 Jahre,
Autorin
Als Berufsanfängerin glaubte ich, man
könnte von Luft und Liebe leben. Aber
natürlich habe ich bald realisiert, dass
man ohne Geld nirgendwohin kommt,
schon gar nicht auf eine coole Reise.
Und ein Grundmass an Sicherheit ist
auch gut. Ich will genug Geld haben.
So viel jedenfalls, dass es als Thema in
meinem Leben schön im Hintergrund
bleibt. Zu den Menschen, die ihren
Selbstwert an die Höhe ihres Ver-
mögens knüpfen, werde ich nie
gehören. Das ist Armseligkeit. Wenn
Geld für dich zum Wert an sich wird,
solltest du aufhorchen. Klar, kannst
du Geld auch anhäufen und dann
eines Tages deinen Kindern alles
geben, das ist sehr liebevoll. Aber
grundsätzlich ist Geld ein Tauschwert.
Du musst es ausgeben und solltest
dich damit nicht in deinen Bunker
zurückziehen, sonst macht es dich
steif und alt und hässlich. Ich will
grosszügig leben.
Mein Geld gebe ich gerne für schö-
nes Wohnen, gutes Essen, Reisen,
Kultur und Sport aus. Das Teuerste,
was ich mir je gekauft habe? Ein
Designer-Boxspringbett für rund
5000 Franken. Man schläft darin
wie Gott in Frankreich. Das sind
so Konsumposten, bei denen ich kein
schlechtes Gewissen habe. Schöne
Kleidung lässt mich zwar nicht kalt,
aber da wird’s schon kniffliger mit der
ganzen, moralisch versauten Fast
Fashion. Die neuen Kleidungsstücke,
die ich mir dieses Jahr zugelegt habe,
kann ich an einer Hand abzählen.
Ich versuche jetzt zum Beispiel auch,
Pflegeprodukte ohne Mikroplastik zu
kaufen. Neulich hat mir eine Freundin
einen Link zu einer biologisch abbau-
baren Zahnbürste geschickt. So
Sachen sind doch spannend. Die dre-
ckigen Meere machen mich traurig,
und die ungesunden Tiere darin noch
mehr. Womit wir beim Thema Ernäh-
rung wären: Ich esse seit ein paar
Monaten vegan. Ist gesünder für
mich. Für den Planeten sowieso. Was
das Reisen angeht, bin ich gerne ein-
Steht zum «Selbst­
verwirklichungstrieb»:
Claudia Schumacher.
176. Januar 2019 | NZZamSonntag
mal dekadent und checke in einem
Luxushotel ein, wenn der Anlass
passt. Aber ich reise auch mit Ruck-
sack. In einer All-inclusive-Anlage am
Strand findet man mich sicher nicht.
Ich suche die Reiseroute und alles mit
Freunden im Internet raus. Und dann
schlafen wir in Airbnbs und kommen
rum. Bisschen was Spezielles machen,
kleine Abenteuer erleben, so etwas
finde ich beim Reisen gut. Mit einer
Freundin will ich nächsten Sommer
bei einer Nonna in der Toscana
kochen lernen. Was gibt’s Besseres als
selbstgemachte Pasta und Brunello?
Wir haben schon geschaut: Es gibt
auch vegane Nonnas. Mit meinem
Freund will ich unbedingt einmal den
John Muir Trail in der Sierra Nevada
machen, so into-the-wild-mässig. Da
bist du mehr als zwei Wochen unter-
wegs, in einer irre schönen Natur,
musst dein Essen vor den Bären ver-
stecken und vor allem: ohne Internet
überleben.
Luxus ist für mich: Zeit mit meinen
Liebsten. Klingt nach Postkarten-
Kitsch, ist aber wahr. Ich arbeite gerne
und viel, liebe das Schreiben, habe so
einen Selbstverwirklichungstrieb.
Und wenn ich einmal nicht arbeite,
bin ich beim Sport, koche oder hänge
wie ein Junkie an meiner Mindful-
ness-App, damit ich mich entspanne
und nicht die volle Ladung des Adre-
nalins, das ich so über den Tag hinweg
produziere, an meinem Umfeld
ablasse. Selbstoptimierung klingt
zwar irgendwie nicht sympathisch,
aber eigentlich ist es genau das. Man
will ein guter Mensch sein, der ein
gutes Leben führt. Und ich kann mit
meinem Lifestyle auch behaupten,
ganz happy zu sein.
Neulich habe ich mit meinem bes-
ten Freund darüber gescherzt, was
wir Millennials unter Liebe verstehen:
Liebe ist, wenn man sich gegenseitig
bei der Selbstoptimierung unter-
stützt. Und das Liken der Beiträge des
anderen auf Facebook, Instagram und
Twitter. Aber das ist natürlich selbst-
ironisch. Unsere Liebe ist genauso
verwirrend und herzzerreissend wie
die jeder anderen Generation. Ich
glaube total an die grosse Liebe. Ich
glaube sogar, ein Glückskind zu sein
und sie gefunden zu haben. Jetzt
muss ich sie nur noch halten – was ja
die eigentliche Herausforderung ist.
In der Liebe war ich immer alt-
modisch. Sex ohne Liebe ist für mich
zum Beispiel reizlos. Weshalb das
Konzept «offene Beziehung» für mich
auch keinen Sinn macht. Wenige
Freunde von mir haben es probiert. Es
war der Anfang vom Ende.
Klar stimme ich ab, wenn Wahlen
sind. Ich bin in einer Zeit aufgewach-
sen, in der Demokratie absolut gesetzt
und selbstverständlich war wie Meg
Ryan und Tom Hanks im Samstag-
abend-TV. Dass heute überall im Wes-
ten ernstzunehmende, antidemokra-
tische Kräfte wirken, ist wahnsinnig
gruselig. Und seit Trump Präsident
der USA ist, braucht auch keiner mehr
zu fragen, wofür wir noch den Femi-
nismus brauchen. Ich engagiere mich
in meinen Texten und auf Twitter für
eine liberale Gesellschaft, in der nie-
mand wegen seines Geschlechts, sei-
ner Hautfarbe oder sexuellen Orien-
tierung benachteiligt wird.
Ins Kino oder in Kunstausstellun-
gen gehe ich gerne. Aber vor allem
liebe ich es, zu lesen. Viel davon auf
dem Handy, auch die Bücher. Einmal
habe ich nachgezählt und kam zu dem
Ergebnis, dass ich 51 Romane in einem
Jahr gelesen habe. Ein bisschen ein
triebhaftes Leseverhalten. Wenn wir
von Kultur reden, muss da aber auch
Netflix mit rein. In letzter Zeit streame
ich zum Beispiel viel Stand-up-
Comedy von Frauen.
Was meine Spiritualität betrifft,
haben mich Yoga und Achtsamkeits-
lehre sicher beeinflusst. Wenn ich viel
Stress habe, versuche ich, bewusst auf
meine Atmung zu achten. Dankbar-
keit den Menschen und dem Leben
gegenüber, finde ich zentral. Wo ich
wahrscheinlich nicht zeitgeistig bin:
Ich verstehe mich als Christin, immer
noch, auch wenn ich nicht mehr
regelmässig in die Kirche gehe wie als
Kind. Ich bin halbwegs bibelfest und
würde diese kulturelle und religiöse
Prägung nicht missen wollen.
Drogen nehme ich keine. Aber
würde meine Mutter nicht die «NZZ
am Sonntag» lesen, dann gäbe ich
jetzt vielleicht zu, dass ich schon mit
dem Gedanken gespielt habe, einmal
aus Neugier etwas auszuprobieren.
Allerdings hab ich auch schon bis um
elf Uhr morgens im Berliner «Berg-
hain» getanzt, vielleicht als Einzige
nicht auf Drogen, und es war trotz-
dem mega. Ich glaube, ich habe eine
körpereigene Rauschbegabung.
«Ichhabekeinen
Masterplanim
Leben.Ichglaube
einfach,dassalles
gutkommt»
Nicola Roten, 36, Gründerin von
«Vision Guatemala»
«Zu Hause» wird überschätzt. Dieses
Konzept kenne ich nicht. Was nicht
heisst, dass ich das Gefühl von Heimat
nicht kenne. Meine Heimat ist überall
dort, wo mein Leben stattfindet. Mein
Arbeitsort ist vorwiegend in Guate-
mala, doch meine fünfjährige Tochter
und ich sind momentan in der
Schweiz, wo ich nach finanziellen
Partnern für meine Organisation
suche. In Guatemala fühle ich mich
genauso zu Hause wie in der Schweiz.
«Du hast doch ein Kind, das braucht
Wurzeln», kommentieren die Leute
mein Leben zwischen den Kulturen
manchmal. Doch meine Tochter hat
sehr wohl Wurzeln. Sie hat mich, ihre
Mutter an ihrer Seite, und sie hat
einen starken Bezug zu ihren Gross-
eltern, die hier in der Schweiz leben.
Es sind Wurzeln, die nicht nur an
einem bestimmten Ort verankert sind.
Von den Millennials sagt man, dass sie
idealistischer seien als die Generatio-
nen davor, mit ihrem Beruf nicht nur
Geld verdienen, sondern auch etwas
Sinnvolles leisten wollen. Das macht
aus mir wohl einen typischen Vertre-
ter meiner Generation. Dass ich meine
Existenz in den Dienst eines höheren
Zwecks stelle, war für mich immer
schon klar, ohne dass ich aktiv eine
Entscheidung dafür getroffen habe
oder irgendwas geplant hätte.
Im Jahr 2010 habe ich meine Orga-
nisation «Vision Guatemala» gegrün-
det und angefangen, Mikrokredite zu
vergeben an Frauen, die ihr eigenes
Unternehmen gründen wollen. Von
den Frauen verlangen wir unter ande-
rem, dass sie ihre Geschäftstätigkeit
genau dokumentieren und ihre Aus-
gaben und Einnahmen belegen. Wir
sind kein Hilfswerk. Das wichtigste
Grundprinzip meiner NGO war von
Anfang an die Selbständigkeit: Die
Organisation soll Menschen dazu
inspirieren, ihr Leben selbst in die
Hand zu nehmen und nicht in der
Opferrolle zu verharren. Hilflosigkeit
ist oft selbsterlernt. Aus dieser Hal-
tung kann man sich als aufgeklärtes
Wesen wieder befreien. Doch dazu
braucht es Bildung und die Freiheit,
Gelerntes anwenden zu können.
Die Wirkung meiner Methode kon-
trolliere ich regelmässig nach wissen-
schaftlichen Kriterien. Von allen Teil-
nehmerinnen, die je unser Programm
durchlaufen haben, haben 90 Prozent
noch heute ein funktionierendes
Unternehmen. Die Rückzahlungs-
quote der Kredite beträgt 100 Prozent,
was sicher ungewöhnlich ist in der
Branche. Stolz macht mich, dass
meine Mitarbeiter nicht mehr auf
meine Anwesenheit angewiesen sind.
Wenn ich der Schweiz bin, läuft der
Laden ohne mich.
Was die Liebe angeht, so habe ich
eine feste Vorstellung davon, wie eine
funktionierende Partnerschaft aus-
sehen muss. Es braucht gegenseitiges
Vertrauen, man muss sich beiderseitig
in Ruhe lassen können, damit jeder
wachsen kann an der Seite des ande-
ren, ohne besitzergreifend zu werden.
Wenn man sich liebt, dann steht man
sich nicht im Weg. Man kann unend-
lich wachsen. So eine Beziehung hatte
ich, bevor ich nach Guatemala zog, um
meine Organisation zu gründen. Die
Erfahrung von damals hat einen Stan-
dard gesetzt. Weniger will ich nicht.
Den Vater meiner Tochter habe ich
in Guatemala kennengelernt. Er hat
darunter gelitten, dass meine Organi-
sation wuchs. Mein Erfolg störte ihn.
Eifersüchtig auf jeden, den ich bei der
Arbeit kennenlernte, forderte er mehr
Raum für sich, als ich ihm geben
konnte oder wollte. Unsere Trennung
war zwangsläufig. Meine Tochter ist
mitten in der Gemeinschaft aufge-
wachsen. Ich habe sie die ersten zwei
Jahre pausenlos auf mir herumgetra-
gen und weitergearbeitet.
Existenz im Dienst
eines höheren Zwecks:
Nicola Roten.
18 NZZamSonntag | 6. Januar 2019
«Wenn ich ganz ehrlich bin, ist es mir zu Hause am wohlsten»: Tonja Kaufmann, Politikerin
CHARLESGULLUNG/PLAINPICTURE
196. Januar 2019 | NZZamSonntag
Ich wurde 1982 in Colombo, Sri
Lanka, geboren. Als ich wenige
Wochen alt war, haben mich meine
Adoptiveltern in die Schweiz geholt.
Aufgewachsen bin ich im Hinter­
thurgau. Später haben meine Eltern
noch zwei Kinder aus Sri Lanka adop­
tiert. Meine Geschwister und ich
waren immer die einzigen dunkel­
häutigen Kinder im Dorf. Ich habe
mich aber nie fehl am Platz gefühlt.
Wenn mich andere Kinder ausgelacht
oder aus dem Spiel ausgeschlossen
haben, war es am Ende immer so, dass
sie sich bei mir entschuldigt haben.
Mir taten diese Kinder eher leid, denn
von meinen Eltern hatte ich die Ein­
stellung mitbekommen, dass wir alle
Teil einer Weltgemeinschaft sind –
egal, wie unterschiedlich wir auch
aussehen. Ich fühlte mich privilegiert
und bedauerte diese Kinder für ihr
Unwissen und ihren beschränkten
Horizont.
Von meinen Eltern habe ich dieses
Urvertrauen mit auf den Lebensweg
bekommen. Alles ist gut, so wie es ist.
Dieses Gefühl war entscheidend für
mein ganzes Leben. Obwohl ich mich
akzeptiert gefühlt habe in diesem Dorf
im Hinterthurgau, so war für mich
immer klar, dass ich von dort weg­
wollte. Für mich war es immer beruhi­
gend zu wissen, dass ich eine gute
Ausbildung bekam, studieren würde
und mir dieser Hintergrund ermög­
lichen würde, von diesem Ort wegzu­
ziehen. Als ich mit Zug und Postauto
in die Kantonsschule nach Frauenfeld
pendeln durfte, bedeutete das für
mich nicht weniger als die erste Hori­
zonterweiterung in der Fremde.
Später bin ich nach Sri Lanka
gereist, um nach meiner leiblichen
Mutter zu suchen. Meine Adoptiv­
eltern haben mir immer versprochen,
dass sie mich bei der Suche unterstüt­
zen würden. Ihre Bedingung aber war,
dass ich selbst ins Flugzeug steigen
und in die fremde Kultur reisen
müsse. Die Suche nach meiner Mutter
war ein riesiges Abenteuer mit vielen
Wendungen und Überraschungen. Ich
habe auf dieser Reise einen weiteren
Teil meiner Wurzeln gefunden.
Geld ist mir nur insofern wichtig,
um meine Organisation am Laufen zu
halten. Wenn ich in der Schweiz bin
und wichtige Termine habe, kaufe ich
mir businessmässige Kleidung im
Secondhand­Laden und wohne für
wenig Geld bei Freunden, um zu spa­
ren. Meinen Lohn habe ich bei der
Gründung meiner NGO nie mitein­
gerechnet. Das mag ja gehen, wenn
man allein ist. Jetzt aber bin ich Mut­
ter und muss eine Tochter gross­
ziehen. Ich gestehe mir erst seit
kurzem richtig ein, dass ich mehr für
die finanzielle Zukunft hätte vor­
sorgen müssen.
Wo siehst du dich in zehn Jahren?
Auf solche Fragen konnte ich noch nie
eine Antwort geben. Ich hatte nie
einen Masterplan für mein Leben. Ich
mache immer kleine Schritte in
irgendeine Richtung. Ich glaube ein­
fach, dass es irgendwie gut kommt.
«Esgehtmirgegen
denStrich,wennmich
jemandnichternst
nimmt,weilich
eineFraubin»
Tonja Kaufmann, 31,
Politikerin und Köchin
Ich bin kein «Reisefüdle». Klar, gehe
ich ab und zu gerne in die Ferien.
Aber wenn ich ganz ehrlich bin, ist es
mir zu Hause am wohlsten. Ich lebe
in Hausen im Kanton Aargau, nur
wenige Kilometer von dem Ort ent­
fernt, in dem ich aufgewachsen bin.
Hausen liegt in der Agglo, ist also gut
erschlossen, hat aber gleichzeitig
viel Naherholungsgebiet. Die Natur
habe ich also quasi vor der Haustüre,
meine Freunde und Familie leben nur
ein paar Autominuten entfernt. Die
Gemeinde zählt 3600 Einwohner.
Hier kennt man sich, hält ein Schwätz­
chen, wenn man sich begegnet. Das
gibt es in einer grossen Stadt nicht.
Dieser Kontakt würde mir fehlen.
Meine politische Laufbahn begann,
als ich 17 Jahre alt war. Politisiert
haben mich meine Erfahrungen im
Ausgang. In der Brugger Altstadt, wo
meine Freunde und ich häufig aus­
gingen, gab es immer wieder Pro­
bleme mit Schlägereien. Wir gerieten
in diese Auseinandersetzungen hin­
ein, ob wir nun wollten oder nicht.
Immer wieder kam es zu Ausschrei­
tungen zwischen – ich sag jetzt ein­
mal – normalem Publikum und jun­
gen Ausländern. In meinem Freun­
deskreis gab es drei Lager: Die einen
gingen nicht mehr in den Ausgang,
um sich Probleme zu ersparen. Ein
anderer Teil mischte sich ein und
machte bei den Schlägereien mit. Ich
gehörte zum dritten Lager, das sich
entschied, politisch gegen die Pro­
bleme vorzugehen.
Aus meiner Sicht ist es so, dass es
Leute aus anderen kulturellen Räu­
men gibt, die unsere Kultur zu wenig
kennen oder sich zu wenig an sie
anpassen wollen. Zum Beispiel ist das
Frauenbild anders. Doch meine Mut­
ter hat mich und meine Schwester
zu selbstbewussten jungen Frauen
erzogen. Es geht mir gegen den Strich,
wenn ich nicht ernst genommen
werde, weil ich eine Frau bin.
Die SVP ist die einzige Partei, die
sich der Ausländerpolitik wirklich
annimmt und eine restriktive Haltung
vertritt. Auch die Autonomie der
Gemeinden und deren Finanzhoheit
sind Schwerpunkte der SVP. Deshalb
ist sie immer noch die richtige Partei
für mich. Auch mein beruflicher
Hintergrund beeinflusst meinen poli­
tischen Kompass. Mir sind das Ver­
hindern von «Food­Waste» und die
«Nose­to­tail­Verwertung» wichtig.
Meine Kochlehre schloss ich mit 18
Jahren ab. Etwa ein Jahr lang arbeitete
ich in einem Grossbetrieb. Wir haben
2000 Portionen pro Tag produziert
und monatlich 2,7 Tonnen Lebens­
mittel verarbeitet. In diesem Betrieb
war ich als Frau die Ausnahme.
Eigentlich hatte ich nie ein Problem
damit, dass meine Autorität als Sous­
chef nicht akzeptiert wurde. Ausser
einmal, als zwei Mitarbeiter mich aus
religiösen Gründen als Vorgesetzte
ablehnten. Sie waren muslimischen
Glaubens. Die Gastronomie hat tradi­
tionell einen hohen Ausländeranteil.
Ich habe Arbeitskollegen, die keinen
Schweizer Pass haben, aber integriert
sind. Die frage ich jeweils nach Rezep­
ten aus ihrer Kultur. Diese Neugier
gehört für mich dazu.
Im letzten Grossratswahlkampf
habe ich bewusst auf Plakate mit mei­
nem Kopf darauf verzichtet. Dafür
habe ich persönlich Flyer und ein
Speckzöpfchen verteilt. Das Rezept
des Speckzopfs ist von mir. Ein sehr
persönliches Geschenk, denn es passt
zu mir als Köchin. Ich war in jeder
Aargauer Gemeinde mindestens
einmal und habe mich den Leuten
gezeigt, bin Rede und Antwort gestan­
den. Oder ich stand am Morgen vor
der Migros oder am Bahnhof und habe
Flyer und Zöpfe verteilt.
Für die Politik habe ich mein beruf­
liches Pensum reduziert. Seit fünf
Jahren sitze ich im Gemeinderat von
Hausen und seit fast zwei Jahren im
Aargauer Grossrat. Politik ist träge,
man arbeitet sich durch Papierberge.
Da freue ich mich, wenn Resultate
greifbar sind. Zum Beispiel bauen wir
in Hausen gerade eine Mehrzweck­
halle mit Gemeindesaal für 14 Millio­
nen Franken. Wenn ich die Baustelle
besuche, sehe ich das Resultat meiner
politischen Arbeit mit eigenen Augen.
Das gefällt mir an der Lokalpolitik.
In der Politik hatte ich nie ein
Glaubwürdigkeitsproblem, weil ich
eine Frau bin. Mein Alter wurde mir
schon eher vorgehalten. Obwohl mein
Grossratsmandat mich fordert, kann
ich nicht ausschliessen, dass ich ein­
mal national politisieren werde.
Geld gebe ich vor allem fürs Woh­
nen und für mein Auto aus. Mobilität
ist wichtig in meinem Leben, mit mei­
nem Terminkalender und meiner
Wohnlage bin ich auf das Auto ange­
wiesen. Ich investiere auch ein biss­
chen in mein Auto, ich habe einen
Mazda 3 MPS: ein eher sportliches,
aber nicht übertrieben grosses Auto.
Daneben lege ich etwas Geld auf die
Seite. Ich hatte schon früh eine dritte
Säule, weil ich wegen meiner politi­
schen Arbeit nur Teilzeit tätig bin.
Mein Traum ist es, irgendwann ein
Häuschen im Grünen zu besitzen.
Wir Millennials haben schon sehr
viele Optionen, aber im Gegensatz zur
Generation Y sind wir nicht mit der
Präsenz von Instagram und Snapchat
aufgewachsen. Wir hatten noch keine
Handys mit Kameras, die ständig
angeschaltet waren – wir haben
unsere Jugend in einem geschützten
Rahmen verbracht. Von mir existieren
keine Fotos in der Öffentlichkeit, die
ich lieber nicht mehr sehen würde.
Darüber bin ich extrem froh.
Lebt lieber ländlich:
SVP-Grossrätin
Tonja Kaufmann.
20 NZZamSonntag | 6. Januar 2019
StefanBondelisDenkakrobatik
Egozentrische
Zahlwörter
Bei den Zahlwörtern 1 und
9 ordnen wir jedem Buch­
staben die Position im
Alphabet zu: A=1, B=2 . . .
J=10 . . . Z=26. Dann wer­
den die Lücken mit den
Rechenoperationen +, ×, –,
: ausgefüllt sowie mit
andern mathematischen
Symbolen ergänzt, dass die
Auswertung den Wert des
Zahlwortes selbst ergibt.
Der Punkt vor der 5 bedeu­
tet 0.5=½.
Wie können die Zahlwerte
«übers Kreuz» dargestellt
werden?
Grosse undkleine Zahl
Magisches Quadrat
Lösung vom 30. 12. 2018
1. C
2. B
Eineinhalb Fünftel ist ein
Fünftel plus ein halber Fünftel.
Ein Fünftel von 20 ist 4,
deshalb ist ein halber Fünftel 2;
also insgesamt 6.
3.B
Mit einer zusätzlichen roten
Hilfslinie wird das grosse
Dreieck in vier kleine Dreiecke
geteilt.
Weil beim grossen Dreieck alle
Seiten gleich lang sind, ist bei
den kleinen Dreiecken die
Grundlinie jeweils gleich lang
wie eine halbe, grosse Dreieck­
seite. Ebenso ist die Höhe der
vier kleinen Dreiecke jeweils
gleich gross. Deshalb sind die
Flächen der vier kleinen Drei­
ecke alle gleich gross. Somit
beträgt die blaue Fläche ein
Viertel des grossen Dreiecks.
4. B
Vom zweiten Wort nimmt man
den dritten und vierten Buch­
staben, anschliessend vom
ersten Wort den ersten und
zweiten.
Werden die Zahlen von 1 bis
14 nebeneinander geschrie­
ben, entsteht die folgende
19­stellige Zahl:
In jedes Feld des folgenden
Rasters soll ein Buchstabe
so eingetragen werden,
dass ein magisches Quadrat
entsteht: Waagrecht und
senkrecht sollen jeweils
dieselben Wörter zu lesen
sein.
½
½ ½
½ ½
½
1 4 5 3 1
2 3 2 4 2
1 5 1 5 1
3 2 4 2 3
12 trinken
Champagner
6 nahmen nichts
8 essen
Cashewnüsse
x
D E E E E E F I
I N N N N S S U
1234567891011121314
1234567891011121314 10 111
1234567891011121314 92 314
123456789101112131415161718192021222324
E I N S
5 9 14 19 1
N E U N
14( ).5 21 14 9
– – + =
– : × =
E I N S
5 9 14 19 9
N E U N
14 5 21 14 1
=
=
Aus dieser Zahl werden 14
Ziffern gestrichen. Die
Reihenfolge der Ziffern
muss unverändert bleiben.
Die kleinste
Zahl, die
man auf diese Weise erhält
ist 10111.
Hinweis: Eine Zahl darf
nicht mit einer Null
beginnen.
4
4
Als grösste Zahl nach
Streichen von 14 Ziffern
bleibt 92314.
Nun schreiben wir
die Zahlen von 1 bis 24
nebeneinander.
Welches ist die kleinste Zahl,
die man erhält, wenn 24
einzelne Ziffern gestrichen
werden?
5.C
Anschliessend kann man
schlangenlinienförmig
ORATORIUM lesen (in der Ecke
rechts oben beginnend).
6. B
Angenommen Jolanda hat 24
Gäste eingeladen. Dann trinken
12 Champagner, 8 essen Cashew­
nüsse, und 6 nahmen weder
Champagner noch Nüsse.
Mit x bezeichnen wir die Anzahl
Gäste, die sowohl Champagner
wie auch Cashewnüsse hatten
(die Schnittmenge der beiden
Ovale). Dann muss gelten:
(12–x)+x+(8–x)+6=24.
Daraus folgt x=2. Also nahmen
2/24=1/12 sowohl Champagner
als auch Nüsse.
7.A
Wenn Samuel den Drittschnells­
ten überholt, dann ist er an­
schliessend Drittschnellster.
Nach dem Überholmanöver ist
Theo anschliessend Vorletzter.
Somit ist Samuel Dritter, und
zwei Plätze hinter ihm ist Theo
an fünfter Stelle. Nach Theo
kommt nur noch einer, nämlich
der Letzte. Also sind es insge­
samt sechs Läufer.
8. A
X = 2×0–1×8 = –8
Y = 2×0–1×9 = –9
9. C
Das nächste Datum ist am
20. 1. 19. Es ist 20=1+19.
10. B
Suguru
Im Punktfeld erscheint die Zahl
19, die neueJahrzahl.
In die leeren Felder sind die
bei dem betreffenden Ras­
ter angegebenen Ziffern so
einzutragen, dass sie in
jeder Zeile und in jeder
Spalte je einmal vorkom­
men. Zwischen einigen Fel­
Zahlen 1 bis 4: einfach
LogischeKniffelei: Futoshiki
3
2
1
1
1
1
2
2
2
2 3
3
3
3
4
4
4
4
Beispiel Lösungdern ist angegeben, ob die
Nachbarziffer grösser (>)
oder kleiner (<) ist. Die Spit­
ze des Symbols zeigt jeweils
auf die Zahl, die kleiner ist.
Es ist zum Beispiel 2<5 oder
4>1.
Zahlen 1 bis 5: knifflig Zahlen 1 bis 6:
schwierig
Zur Illustration ein Futoshiki
mit den Zahlen 1 bis 4:
Wie lautet die grösste Zahl
nach dem Streichen von
24 Ziffern?
Die folgenden 16 Buch­
staben müssen in den Raster
verteilt werden:
Dabei sollen folgende
Wörter entstehen (in
beliebiger Reihenfolge):
•entsteht im Kopf
•Kreuzblütler
•Teil des neuen Jahres
•Teil des neuen Jahres
216. Januar 2019 | NZZamSonntag
Sudokus
In jedes Feld der
beiden Zahlen-
gitter soll eine
Ziffer von 1 bis 9
so eingesetzt
werden, dass jede
der neun Ziffern
in jeder Zeile, in
jeder Spalte und
in jedem der fett
umrandeten 3×3-
Blöcke genau ein-
mal enthalten ist.
Beim zweiten
Sudoku muss
jede der neun
Ziffern auch in
den beiden
Hauptdiagonalen
vorkommen.
Einfaches Sudoku Sudoku mit Diagonalen
8 2 4 9 7 5 3 6 1
3 9 6 2 8 1 4 5 7
1 5 7 3 6 4 8 2 9
5 8 3 1 9 7 2 4 6
7 1 2 6 4 8 9 3 5
6 4 9 5 2 3 7 1 8
2 7 5 4 1 9 6 8 3
9 6 1 8 3 2 5 7 4
4 3 8 7 5 6 1 9 2
7 9 1 5 3 8 4 2 6
8 2 6 4 9 1 5 7 3
4 5 3 7 6 2 1 9 8
6 3 5 8 1 9 7 4 2
2 1 4 3 5 7 8 6 9
9 8 7 2 4 6 3 5 1
1 7 8 6 2 4 9 3 5
5 4 2 9 8 3 6 1 7
3 6 9 1 7 5 2 8 4
Lösungvom30.12.2018
Waagrecht: 7 zielender
SCHUETZE, Sternbild (nicht
Sternzeichen) 10 ZUKUNFT
13 heute, HAEUTE 15 TUGEND
17 «dichte!», die DICHTE 18 NUSS
19 RIESE («Jim Knopf», «Game of
Thrones») 20 «CHEERS!» 21 sich
SETZEN, Setzen im Poker
23 SKAL («Dinner For One»)
24 RAUCH 26 REGELN regeln
28 Kaviar vom STOER 30 RHEIN-
fall 31 OUI, franz. ja 32 MAESSI-
GEN 33 GLUECK
Senkrecht: 1 SCHICKSAL
2 MUEHELOS 3 Marder, Schlange
OTTER 4 GETUSCHEL 5 BUGS
(Y2K-Bug) 6 ENDE 8 EUTER
9 (Schul-)ZENSUR 10 ZUSEHEN
(«Dinner For One») 11 Wunder-
KERZEN 12 FESTLICH
14 ACHATE mit ach 16 NIE
22 NEUE 25 ARI, Ira 26 RIGA,
Lettland mit OEZ 27 GOUT,
franz. Geschmack, in Ragout
29 ESA, European Space Agency
Lösungvom
30. 12. 2018
2 3 9 8 6 4 5 7 1
4 8 5 1 3 7 2 6 9
7 1 6 9 5 2 3 8 4
1 9 3 2 8 6 4 5 7
6 5 7 4 1 3 8 9 2
8 2 4 5 7 9 1 3 6
5 4 1 6 9 8 7 2 3
9 7 2 3 4 5 6 1 8
3 6 8 7 2 1 9 4 5
8 1 5 9 3 6 4 7 2
4 9 3 8 7 2 1 6 5
7 2 6 4 1 5 3 9 8
3 5 8 7 9 1 2 4 6
1 4 2 6 8 3 7 5 9
6 7 9 2 5 4 8 1 3
5 8 4 1 2 9 6 3 7
9 6 7 3 4 8 5 2 1
2 3 1 5 6 7 9 8 4
1 2 3 4 5 6
7 8 9 10 11 12
13 14 15
16 17
18 19 20 21 22
23 24 25
26 27
28 29
Waagrecht (J und Y= I):
7 Gipfelempfindung?
Jedenfalls weit weg von
11 senkrecht!
11 Ganzer Name hoch-
rangigen Flügelträgers,
nur der erste vom
Hundert-Jahre-Einsam-
keit-Thematisierer.
13 Beflügelte – oder aber
sinnlich Eingeschränkte.
14 Lockt den Präzisions-
freund aufs Winter-
wasser.
16 Stets äussert sich der
Weise leise, . . . und
bedingungsweise
(W. Busch).
17 Dressing darf’s gern sein,
Meeres Spiegel nicht.
18 Lateiners Merkmal wie
abgebrochener Jurist.
20 21-senkrecht-Verwandter
– zur Untermalung von
Versöhnungsfesten?
23 Manches tut’s, weil’s alt
ist, manches ist’s, weil’s
neu ist.
24 Arbeitet speicherstark
im E-Hirn.
25 Teilnahme an solchem
Slalom: auch Standard-
massinhabern gestattet.
26 . . . besteht darin,
Gelegenheiten wahrzu-
nehmen (chinesisches
Sprichwort).
28 Nach Halb-und-halb-
Behandlung: Sortieren
von Gross und Klein.
29 Das Gewissen spricht,
aber der . . . schreit
(J. A. Petit-Senn).
Senkrecht:
1 Ein Eigenstandbein in der
Welt des Freiheitsdrangs.
2 Mongoleinöde.
3 So die Haltung der Her-
aushaltungsüberzeugten.
4 Fetter Anteil an der
Vergangenheitssehn-
sucht.
5 Wahltags für Stimmen
bestimmt.
6 Wo kein Gehorsam ist,
kann auch kein . . .
bestehen (Sprichwort).
8 Serviert mit Imitatkraft,
garniert mit Augen-
zwinkern.
9 Könnte der Arzt meinen,
wenn er scherzt: Wir
haben ein Problem.
10 Führt bei 28 waagrecht
zur Lösung.
11 Stil manchen Märchens?
Auf der Smiley-Skala
weiter unten!
JostStegrathsQuerdenker
12 Sorgen in Eiszeiten für so
was wie ein Dach über
dem Kopf.
14 Einer erzählte von
Copperfield, einer er-
klärte die Entstehung der
19 senkrecht.
15 Altgriechisch anmuten-
der Asienküsten-
abschnitt.
19 Kopflose Geduldsübung?
Ende des Beginnens?
Schutzbedürftige zuhauf!
21 Keine pfeift grösser.
22 Mass für Kaufmanns
Reichtum in Kaisers
Reich.
27 Zürcher sind schnell dort,
z.B. mit ihm.
Chiffre
Die Symbole einer fremden Schrift
stehen für die Buchstaben unseres
gewohnten Alphabets, gleiche Zei-
chen jeweils für gleiche Buchstaben.
Entschlüsseln Sie die Geheimschrift,
und entdecken Sie auf diese Weise
ein Zitat von Johann Peter Hebel.
Lösung vom 30. 12. 2018:
Wir sollen nur tiefer und wunderbarer
hängen an dem, was war, und lächeln:
ein wenig klarer vielleicht als vor
einem Jahr.
22 NZZamSonntag | 6. Januar 2019
Sie heiraten bald?
Dann melden Sie
sich bei uns!
zuza.speckert@nzz.ch
Tel. 076 446 01 99
Andreas Grunder und Miroslava Dinic.
«Man muss die Frau
erobern mit etwas,
was man gut kann»:
German Alyshev
und Ronja Bosshard.
Ronja Bosshard
und
German Alyshev
Ronja und German haben
sich am 22.Dezember 2018
im Zürcher Stadthaus das
Jawort gegeben.
Die Braut wurde im Zür-
cher Oberland gross. Einige
Tage vor der Hochzeit hat
die Sopranistin ihren Mas-
ter in Music Pedagogy and
Performance an der Zür-
cher Hochschule der
Künste erlangt. Der Bräuti-
gam ist Russe. Er wuchs in
der Nähe von Wladiwostok
in Ostsibirien auf und stu-
dierte Klavier-Pädagogik.
Seit 2014 lebt er in der
Schweiz. In der ZHdK ab-
solviert er den Master in
Klavier-Pädagogik, kom-
poniert und arbeitet als
Chordirigent und Organist.
November 2015. In einer
Probepause an der ZHdK
stellt eine ukrainische
Kommilitonin Ronja Ger-
man, den kommunikativen
Russen, vor. Der startet
sofort eine Charme-Offen-
sive. Ronja ist beeindruckt.
Auch, weil der junge Mann
nach nur einem Jahr in der
Schweiz perfekt Deutsch
spricht. Man verabredet
sich und lernt sich schnell
besser kennen. German
komponiert für seine
Angebetete Lieder. Als
Ronja eines Tages eine
Riesen-Schokolade mit
dem von Hand gegossenen
Liebes-Akkord in E-Dur
geschenkt bekommt, funkt
es auch bei ihr. Nicht nur
die aufwendige Geste
berührt Ronja, sondern
auch Germans Musik.
«Man muss die Frau seines
Herzens mit etwas
erobern, das man gut kann.
Und komponieren kann
ich», so der Bräutigam.
Diese Weisheit hat ihm
sein Vater beigebracht.
Seit März 2016 sind die
beiden ein Paar.
Der Heiratsantrag im
Mai 2018 ist filmreif. Der
Musiker schenkt seiner
Freundin einen riesigen
Blumenstrauss. Wortlos.
Im Kelch einer der Lilien
steckt der Verlobungsring.
Aus Fair-Trade-Gold! Die
reine Liebe muss von rei-
nem Gold gekürt werden,
findet German. Und so
betritt auch die Braut das
Trauzimmer in reinstem
Blütenweiss. Bereits am
Abend des Hochzeitstages
fühlen sich die Frischver-
mählten irgendwie anders.
«Wir sind jetzt richtig ver-
heiratet, jetzt gilt’s ernst»,
das spüren beide. Und
versprechen einander um
zwei Uhr morgens, dass
sie – obwohl beide sehr
beschäftigt sind – ab sofort
mehr Zeit miteinander
verbringen wollen.
Miroslava Dinic-
Perisic und
Andreas Grunder
Miroslava Dinic-Perisic, 56,
und Andreas Grunder, 62,
haben am 22.Dezember
2018 im Zürcher Stadthaus
geheiratet.
Die Braut kam in Nis in
Serbien zur Welt und
wurde zuerst in der
Schweiz, dann in Serbien
gross. In Nis besuchte sie
das Gymnasium und eine
Kunsthochschule, später
bildete sie sich zur Homöo-
pathin in Belgrad aus.
Heute holt die Braut in
Zürich das Diplom zur
Naturheilpraktikerin nach.
Miroslava ist Witwe und
hat zwei Kinder. Der Bräu-
tigam wuchs in Basel,
Neuenburg und Fehraltorf
auf. An der ETH Zürich stu-
dierte er drei Semester
Physik. Heute ist er als
Informatiker für eine
Schweizer Grossbank tätig.
Aus erster Ehe hat Andreas
vier Kinder.
Nachdem sich Andreas
und Miroslava im Septem-
ber 2017 übers Internet
kennengelernt haben, tref-
fen sie sich schon bald in
der Hummerbar des Ho-
tels St. Gotthard. Er sehe
wie James Bond aus,
schreibt Andreas, Miro-
slava werde ihn erkennen.
Vier Stunden dauert das
erste Date. Andreas hat
noch nie eine Frau getrof-
fen, mit der er so tiefe
Gespräche hätte führen
können. «Ich hatte das
Gefühl, Miroslava habe
dieselben sechshundert
Bücher gelesen wie ich.»
Vor Rührung steigen ihm
Tränen hoch, die sie als
«Augenproblem» dekla-
riert. Miroslava gefällt
Andreas zwar gut, doch
von einem 007-Agenten ist
er weit entfernt. «Du soll-
test dich besser anziehen,
wenn du James Bond sein
willst», rät sie ihm. Das
leuchtet Andreas ein, er
weiss, dass er ein eher ver-
geistigter Typ ist, der nicht
viel Wert auf sein Äusseres
legt. Noch am selben
Abend schickt er Miroslava
deshalb eine SMS: «Wollen
wir mich neu einkleiden
gehen?» Das zweite Date ist
eine Shopping-Tour, bei
der Andreas umgestylt
wird. Seine Kollegen
erkennen Andreas in sei-
nem neuen Outfit kaum
mehr, sie staunen.
Beim dritten Treffen ist
bereits von Heirat die
Rede. Sobald Andreas’
Scheidung durch ist, wol-
len sie es tun. Beim vierten
Treffen besucht man die
Eltern. Die Mutter, die
einen nach einer Minute
entweder liebt oder hasst,
ist vom ersten Moment an
von Andreas begeistert
(und Andreas von ihr).
Beim nächsten (fünften)
Treffen wird unser Paar in
einem Rolls-Royce zu den
Swiss Indoors nach Basel
gefahren, wo man sich den
Tennismatch Federer
gegen Cilic ansieht.
Nach der Ziviltrauung
essen die Frischvermähl-
ten im Kreis der Familie im
Restaurant Föhrewäldli zu
Mittag. Und im nächsten
Sommer findet noch die
kirchliche Trauung in
einem Kloster in Monte-
negro statt. Zuza Speckert
Justmarried
22
236. Januar 2019 | NZZamSonntag
Events
Thomas Zeltner
«Ichbehaupte,schweizweit
gibteszehnPersonen,diedas
gesamteGesundheitssystem
verstehen.»Gitti Hug, Co-Präsidentin Alumni Seniors Chapter, und
Zürcher Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger.
Urs Landolf, Präsident
HSG Alumni.
Christoph Franz, Verwaltungsratspräsident
von Roche.
Alain Bandle, Co-Präsident
Alumni Seniors Chapter.
Otto C. Honegger (l.), Ex-Leiter SRF-Dok-Redaktion, und
Ex-Direktor Medical Centers Leukerbad, Hans Spring.
Tagungsleiter
Max Becker.
Jutta Nixdorf und
Bertold Müller.
V. l.: Rudolf Minsch, Willy Oggier und
Thomas Zeltner.
Thema beim fünften Treffen der «Ehemaligen» der Hoch-
schule St. Gallen im «Lakeside» in Zürich war die Digitali-
sierung des Gesundheitssystems. Der Moderator, die
Podiumsteilnehmer und die Referenten waren alle klug
und witzig. Christoph Franz (VR-Präsident Roche) ist
Befürworter der Digitalisierung. Patienten würden eine
aktivere Rolle spielen, Ärzte effizienter arbeiten können.
Vorausgesetzt natürlich, dass die Kassen den «gläsernen
Patienten» nicht bestrafen. Ärztin Brida von Castelberg
forderte dieselbe Software für alle Spitäler, und Gesund-
heitsexperte Thomas Zeltner ein Gesundheitssystem, das
primär Gesundheit produziert und dafür sorgt, dass
Krankheiten nicht im finanziellen Desaster münden.
Wollen wir den digitalen Patienten?
HSG-Alumni-Treffen
Von Zuza
Speckert
Von links: Brida von Castelberg (Vizepräsidentin Patientenvereinigung),
Daniel H. Schmutz (CEO Helsana), Andrea Rytz (CEO Schulthess Klinik).
Nächsten Sonntag
im Magazin «Stil»
Das Magazin «Stil» als wöchentliche Beilage in der «NZZ am Sonntag» gibt es am Kiosk oder bequem im Abonnement. Jetzt bestellen: abo.nzz.ch, leserservice@nzz.ch oder Telefon 044 258 10 00.
Lugano (TI), 30. Dezember 2018. (Didier Ruef)
SonntagnachmittaginderSchweiz
Impressum: Chefredaktion: Luzi Bernet (lzb.), Ressortleitung: Christoph Zürcher (cz.), Art Direction: Björn Vondras, Verlag: NZZ am Sonntag, Gesellschaft, Postfach, 8021 Zürich
Weisse Jahreszeit
Phönix aus dem Schnee
Porzellan, Tel Aviv, weisse Mode-Klassiker
und Weisswein – eine «bunt» gemischte
Ausgabe in der Farbe des Winters
Der Skibetrieb von Crans-Montana stand
2018 kurz vor dem Aus – trotz idealen
Bedingungen. Ein winterliches Loblied
NZZ am Sonntag
13. Januar 2019
The White
Album*
Die hellste aller Farben ist alles
andere als farblos
NZZ am Sonntag
13. Januar 2019

Weitere ähnliche Inhalte

Empfohlen

Everything You Need To Know About ChatGPT
Everything You Need To Know About ChatGPTEverything You Need To Know About ChatGPT
Everything You Need To Know About ChatGPTExpeed Software
 
Product Design Trends in 2024 | Teenage Engineerings
Product Design Trends in 2024 | Teenage EngineeringsProduct Design Trends in 2024 | Teenage Engineerings
Product Design Trends in 2024 | Teenage EngineeringsPixeldarts
 
How Race, Age and Gender Shape Attitudes Towards Mental Health
How Race, Age and Gender Shape Attitudes Towards Mental HealthHow Race, Age and Gender Shape Attitudes Towards Mental Health
How Race, Age and Gender Shape Attitudes Towards Mental HealthThinkNow
 
AI Trends in Creative Operations 2024 by Artwork Flow.pdf
AI Trends in Creative Operations 2024 by Artwork Flow.pdfAI Trends in Creative Operations 2024 by Artwork Flow.pdf
AI Trends in Creative Operations 2024 by Artwork Flow.pdfmarketingartwork
 
PEPSICO Presentation to CAGNY Conference Feb 2024
PEPSICO Presentation to CAGNY Conference Feb 2024PEPSICO Presentation to CAGNY Conference Feb 2024
PEPSICO Presentation to CAGNY Conference Feb 2024Neil Kimberley
 
Content Methodology: A Best Practices Report (Webinar)
Content Methodology: A Best Practices Report (Webinar)Content Methodology: A Best Practices Report (Webinar)
Content Methodology: A Best Practices Report (Webinar)contently
 
How to Prepare For a Successful Job Search for 2024
How to Prepare For a Successful Job Search for 2024How to Prepare For a Successful Job Search for 2024
How to Prepare For a Successful Job Search for 2024Albert Qian
 
Social Media Marketing Trends 2024 // The Global Indie Insights
Social Media Marketing Trends 2024 // The Global Indie InsightsSocial Media Marketing Trends 2024 // The Global Indie Insights
Social Media Marketing Trends 2024 // The Global Indie InsightsKurio // The Social Media Age(ncy)
 
Trends In Paid Search: Navigating The Digital Landscape In 2024
Trends In Paid Search: Navigating The Digital Landscape In 2024Trends In Paid Search: Navigating The Digital Landscape In 2024
Trends In Paid Search: Navigating The Digital Landscape In 2024Search Engine Journal
 
5 Public speaking tips from TED - Visualized summary
5 Public speaking tips from TED - Visualized summary5 Public speaking tips from TED - Visualized summary
5 Public speaking tips from TED - Visualized summarySpeakerHub
 
ChatGPT and the Future of Work - Clark Boyd
ChatGPT and the Future of Work - Clark Boyd ChatGPT and the Future of Work - Clark Boyd
ChatGPT and the Future of Work - Clark Boyd Clark Boyd
 
Getting into the tech field. what next
Getting into the tech field. what next Getting into the tech field. what next
Getting into the tech field. what next Tessa Mero
 
Google's Just Not That Into You: Understanding Core Updates & Search Intent
Google's Just Not That Into You: Understanding Core Updates & Search IntentGoogle's Just Not That Into You: Understanding Core Updates & Search Intent
Google's Just Not That Into You: Understanding Core Updates & Search IntentLily Ray
 
Time Management & Productivity - Best Practices
Time Management & Productivity -  Best PracticesTime Management & Productivity -  Best Practices
Time Management & Productivity - Best PracticesVit Horky
 
The six step guide to practical project management
The six step guide to practical project managementThe six step guide to practical project management
The six step guide to practical project managementMindGenius
 
Beginners Guide to TikTok for Search - Rachel Pearson - We are Tilt __ Bright...
Beginners Guide to TikTok for Search - Rachel Pearson - We are Tilt __ Bright...Beginners Guide to TikTok for Search - Rachel Pearson - We are Tilt __ Bright...
Beginners Guide to TikTok for Search - Rachel Pearson - We are Tilt __ Bright...RachelPearson36
 
Unlocking the Power of ChatGPT and AI in Testing - A Real-World Look, present...
Unlocking the Power of ChatGPT and AI in Testing - A Real-World Look, present...Unlocking the Power of ChatGPT and AI in Testing - A Real-World Look, present...
Unlocking the Power of ChatGPT and AI in Testing - A Real-World Look, present...Applitools
 

Empfohlen (20)

Everything You Need To Know About ChatGPT
Everything You Need To Know About ChatGPTEverything You Need To Know About ChatGPT
Everything You Need To Know About ChatGPT
 
Product Design Trends in 2024 | Teenage Engineerings
Product Design Trends in 2024 | Teenage EngineeringsProduct Design Trends in 2024 | Teenage Engineerings
Product Design Trends in 2024 | Teenage Engineerings
 
How Race, Age and Gender Shape Attitudes Towards Mental Health
How Race, Age and Gender Shape Attitudes Towards Mental HealthHow Race, Age and Gender Shape Attitudes Towards Mental Health
How Race, Age and Gender Shape Attitudes Towards Mental Health
 
AI Trends in Creative Operations 2024 by Artwork Flow.pdf
AI Trends in Creative Operations 2024 by Artwork Flow.pdfAI Trends in Creative Operations 2024 by Artwork Flow.pdf
AI Trends in Creative Operations 2024 by Artwork Flow.pdf
 
Skeleton Culture Code
Skeleton Culture CodeSkeleton Culture Code
Skeleton Culture Code
 
PEPSICO Presentation to CAGNY Conference Feb 2024
PEPSICO Presentation to CAGNY Conference Feb 2024PEPSICO Presentation to CAGNY Conference Feb 2024
PEPSICO Presentation to CAGNY Conference Feb 2024
 
Content Methodology: A Best Practices Report (Webinar)
Content Methodology: A Best Practices Report (Webinar)Content Methodology: A Best Practices Report (Webinar)
Content Methodology: A Best Practices Report (Webinar)
 
How to Prepare For a Successful Job Search for 2024
How to Prepare For a Successful Job Search for 2024How to Prepare For a Successful Job Search for 2024
How to Prepare For a Successful Job Search for 2024
 
Social Media Marketing Trends 2024 // The Global Indie Insights
Social Media Marketing Trends 2024 // The Global Indie InsightsSocial Media Marketing Trends 2024 // The Global Indie Insights
Social Media Marketing Trends 2024 // The Global Indie Insights
 
Trends In Paid Search: Navigating The Digital Landscape In 2024
Trends In Paid Search: Navigating The Digital Landscape In 2024Trends In Paid Search: Navigating The Digital Landscape In 2024
Trends In Paid Search: Navigating The Digital Landscape In 2024
 
5 Public speaking tips from TED - Visualized summary
5 Public speaking tips from TED - Visualized summary5 Public speaking tips from TED - Visualized summary
5 Public speaking tips from TED - Visualized summary
 
ChatGPT and the Future of Work - Clark Boyd
ChatGPT and the Future of Work - Clark Boyd ChatGPT and the Future of Work - Clark Boyd
ChatGPT and the Future of Work - Clark Boyd
 
Getting into the tech field. what next
Getting into the tech field. what next Getting into the tech field. what next
Getting into the tech field. what next
 
Google's Just Not That Into You: Understanding Core Updates & Search Intent
Google's Just Not That Into You: Understanding Core Updates & Search IntentGoogle's Just Not That Into You: Understanding Core Updates & Search Intent
Google's Just Not That Into You: Understanding Core Updates & Search Intent
 
How to have difficult conversations
How to have difficult conversations How to have difficult conversations
How to have difficult conversations
 
Introduction to Data Science
Introduction to Data ScienceIntroduction to Data Science
Introduction to Data Science
 
Time Management & Productivity - Best Practices
Time Management & Productivity -  Best PracticesTime Management & Productivity -  Best Practices
Time Management & Productivity - Best Practices
 
The six step guide to practical project management
The six step guide to practical project managementThe six step guide to practical project management
The six step guide to practical project management
 
Beginners Guide to TikTok for Search - Rachel Pearson - We are Tilt __ Bright...
Beginners Guide to TikTok for Search - Rachel Pearson - We are Tilt __ Bright...Beginners Guide to TikTok for Search - Rachel Pearson - We are Tilt __ Bright...
Beginners Guide to TikTok for Search - Rachel Pearson - We are Tilt __ Bright...
 
Unlocking the Power of ChatGPT and AI in Testing - A Real-World Look, present...
Unlocking the Power of ChatGPT and AI in Testing - A Real-World Look, present...Unlocking the Power of ChatGPT and AI in Testing - A Real-World Look, present...
Unlocking the Power of ChatGPT and AI in Testing - A Real-World Look, present...
 

Gesamtausgabe gesellschaft 2019-01-06

  • 2. Eine Veranstaltung von NZZ GESCHICHTSDEBATTE MIT JÜRGEN OSTERHAMMEL Die Verflechtung der Welt – Geschichte aus globaler Perspektive Der vielfach ausgezeichnete Historiker Jürgen Osterhammel ist der führende europäische Vertreter der Globalgeschichte, die sich mit historischen Fragestellungen in einer die Weltregionen über- greifenden Perspektive beschäftigt. An diesem Abend spricht er unter anderem darüber, wann die Vernetzung der Welt über- haupt begonnen hat und warum eine globalisierte Gesellschaft einen globalen historischen Blick braucht. Datum Montag, 28. Januar 2019 18.30 Uhr bis 20.00 Uhr Ort Bernhard Theater Zürich Sechseläutenplatz 1 8001 Zürich Datum Abonnentenpreis Fr. 15.– Normalpreis Fr. 20.– Anmeldung nzz.ch/live 044 258 13 83 Über Jürgen Osterhammel Jürgen Osterhammel, Jahrgang 1952, war bis zu seinem Ruhestand Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Konstanz. Zuvor war er Professor in Genf und an der Fernuniversität Hagen. In den 80er-Jahren war er unter anderem als Mitarbeiter Wolfgang J. Mommsens am Deutschen Historischen Institut London tätig. Osterhammel hat zahlreiche Bücher zur europäischen und asiatischen Geschichte seit dem 18. Jahrhundert veröffentlicht und gilt als renommierter Historiker der interkulturellen Beziehungen und Wahrnehmungen. Moderation Peer Teuwsen, Redaktionsleiter «NZZ Geschichte»
  • 3. 36. Januar 2019 | NZZamSonntag Nie mehr jung, bitte! Diese Ausgabe ist den Mill­ ennials gewidmet, jenen Menschen, die heute so zwischen 20 und 36 sind. Von den Millennials ist viel die Rede. Auf die Millen­ nials schaut die Wirtschaft. Ihre Hoffnungen und Ängste muss kennen, wer auf dem Markt der Zukunft bestehen will, liest man. Millennials, klingt cool. Wie ein edles Volk aus «Star Trek». Aber ich bin froh, bin ich keiner von ihnen. Auf die Altersphase 20 plus kann ich prima ver­ zichten. Es heisst, die Zeit lege einen verklärenden Schein auf alles. Aber auch rückblickend wird diese Zeit für mich nicht besser, ausser dass man besser aus­ sah. Ich war damals in der unglücklichen Lage, keine Ahnung zu haben, was ich will vom Leben, ausser irgendwelcher Bestätigung für die Bedeutsamkeit mei­ ner Existenz. Ich weiss nicht, ob das heute anders ist. Die Gen­ derpolitik hat vermutlich auch in dieser Beziehung einiges verändert, vermut­ lich sogar zum Guten. Aber als ich um die zwanzig war, fing die Misere schon damit an, dass man ein Mann um die zwanzig war. Das bedeutete prinzipiell sehr ungünstige Karten. Dank den 68ern gab es in den achtziger Jahren schon mehr Nachtleben, aber betreffend Rollenbilder hatte sich wenig bewegt. Auch die progressiveren Frauen gleichen Alters hat­ ten sich im Geiste noch nicht vom Mann als Ernäh­ rer abgewandt und orien­ tierten sich intuitiv Rich­ tung oben, zu den älteren Männern, die Auto und Erfolg vorzuweisen hatten. Der Lichtblick dieser Jahre war für mich, quasi ein GA für die ganze Welt zu besitzen. Mein Vater war Pilot bei der Swissair, das Fluggeschäft brummte, die Familien­ vergünstigungen waren phänomenal. Wenn ich mich recht erinnere, kos­ tete ein Ticket New York retour 120 Franken. Und war die Economy ausge­ bucht – es gab noch keine Business –, landete der Schnösel direkt in der Maharadscha­Welt der First Class, wo die Flight Attendants sich dann ange­ nehmerweise auch noch verpflichtet fühlten, dem Sohn des Jumbo­Captains eine Sonder­Sonder­ behandlung zukommen zu lassen. Der beste Teil meines 20­plus­Lebens ist rück­ blickend gesehen aber ver­ mutlich auch der Grund, dass sich bei mir schon früh ein eskapistisches Muster etablierte. Wann immer es mir schlecht ging, und das war häufig der Fall: Zack, weg nach irgendwo! Ich war auch deutlich jenseits der dreis­ sig noch Student. Man sagt, niemand würde auf dem Sterbebett sagen: «Ach, hätte ich doch mehr gearbeitet.» Stimmt nicht. Ich werde das sagen! Wenn ich einen Rat an die jungen Leute habe, dann den, sich früh ins Zeug zu legen. Erst einmal eine Beschäftigung finden, die einem an den meisten Tagen ein gewisses Gefühl von Sinn vermittelt. Ferien machen kann man später noch. Auch Burning Man geht heute noch mit sechzig. So blöd. Jetzt wäre ich endlich weise genug, um 20 plus zu sein. Christoph Zürcher KanonderPopulärkultur Den zweiten Schritt machen Eine Erhebung von «20 Mi­ nuten» zeigt: Junge Män­ ner sprechen im Ausgang Frauen an, junge Frauen aber keine Männer. 1 Kim Jong Un im Schützengraben Sieben Monate nach dem historischen Treffen ihrer Präsidenten ist vom Tau­ wetter zwischen Nord­ korea und den USA nicht mehr viel zu spüren. Kim Jong Un drohte in seiner Neujahrsansprache mit dem Ende der Entspan­ nungspolitik, sollten die USA die Sanktionen gegen sein Land beibehalten. 2 Instagram-Liebe rostet nicht Dem Ruf der Dating­Apps, ein Ex­und­Hopp­Bezie­ hungsverhalten zu för­ dern, steht ein neuer Insta­ gram­Trend entgegen: Prominente Paare wie die Rapper Cardi B und Offset, die sich im wirklichen Leben getrennt haben, las­ sen in historischen Bildern ihrer Zweisamkeit die erlo­ schene Liebe fortleben. 3 Ewige Diskussion in der Schule Längst hat uns das Smartphone kolonialisiert, doch an der Schule bleibt es Gegenstand von Grundsatz­ diskussionen. Es gehört zum Lehrplan 21. Aber Tech­Manager schi­ cken ihre Kinder auf tech­ nologiefreie Schulen. 4 Alter Hang zum starken Mann Obwohl sein Beziehungs­ status mit Putin von «verliebt» auf «es ist kompliziert» gewech­ selt hat, kann Donald Trump nicht von den Autokraten lassen. Dem neuen brasiliani­ schen Hardliner­Präsiden­ ten Jair Bolsonaro gratu­ lierte er zur «grossartigen Antrittsrede». Martin Helg 5 DieListe:DieVergangenheitlebt Jede Topfpflanze weiss besser, wohin sie will, als der Norm-Jugendliche. GETTYIMAGES
  • 4. 4 NZZamSonntag | 6. Januar 2019 ...und versuche zumed
  • 5. 56. Januar 2019 | NZZamSonntag BaldwerdendieMillennialsdieeinflussreichste Altersgruppesein.DieWirtschaftbuhltjetztschonintensiv umsie.Wiesieleben,wiesiedenken,wassiehoffen, wassiefürchten.ZehnMenschenzwischen20und36Jahren stellensichvor.AufgezeichnetvonVanessaSadecky undKatharinaBracher morgens ich, ditieren
  • 6. 6 NZZamSonntag | 6. Januar 2019 Vielleicht hat sie irgend- wann genug: Bloggerin Michèle Krüsi. weile, mir nicht mehr ungefragt Waren zu schicken. Trotzdem bekomme ich pro Woche noch bis zu fünfzehn Pakete, doch ich brauche keine hundert Lippenstifte, sondern zwei oder drei. Um die Produkte, die ich selber nicht brauche, sinnvoll zu verwerten, veranstalte ich regel- mässig einen Flohmarkt und spende die Einnahmen für einen guten Zweck. Wenn ich Kleider einkaufe, dann fast nur noch online. Wieso? Ers- tens mag ich es nicht, Sachen in einer engen Kabine anzuprobieren, und zweitens ist Online-Shopping viel ein- facher. Du hast eine viel grössere Aus- wahl und kannst alle Produkte sortie- ren und die Preise vergleichen. Die Kleider und Accessoires, die ich noch selber kaufe, stammen zu einem Grossteil von Luxusmarken. Das sind Dinge wie Handtaschen, bei denen ich aber auch weiss, dass ich sie länger tragen werde. Früher bin ich oft zu H&M und habe mir gleich zehn güns- tige Sachen gekauft. Die trug ich dann eine Saison und dann nie mehr. Entweder weil die Qualität zu schlecht war oder weil die Teile nicht mehr trendy waren. Heute kaufe ich viel bewusster ein. Viel weniger, dafür eben oft Dinge, die teurer sind, bei denen ich aber auch weiss, dass sie viele Jahre halten. Im Idealfall kann ich sie dann einmal meinen Kindern weitergeben, wenn es eine Chanel- Tasche oder etwas Ähnliches ist. Das ist auch eine Investition. Zu Hause habe ich es gerne ruhig. Von der Architektur her hätte ich gerne eine Altbauwohnung, aber wahrscheinlich wäre mir das dann zu hellhörig. Mein Einrichtungsstil ist skandinavisch minimalistisch. Ich wohne momentan allein, weil ich mich kürzlich von meinem Freund getrennt habe. Wir haben uns nach fast acht Jahren Beziehung in ver- schiedene Richtungen entwickelt. Wir sind Freunde geblieben und arbeiten auch noch für meinen Blog zusam- men. Ich war eigentlich noch nie im Leben lange Single, denn auch vor dieser Beziehung hatte ich auch schon einen langjährigen Partner. Ich mache mir aktuell definitiv keinen Druck, schnell jemand Neuen zu finden. Wenn ich dann doch jemanden ken- nenlernen würde, ginge das auch in Ordnung. Ich bin nicht der Typ Mensch, der sich nie richtig für eine Person entscheidet, bloss weil er denkt, er finde vielleicht doch noch etwas Besseres. Irgendwann hätte ich gerne eine Familie und ein Haus, aber das hat noch viel Zeit. Ich bin weder vegan, noch gluten- oder laktoseintolerant. Ich esse, worauf ich Lust habe. Klar, ich achte darauf, dass ich mein Gewicht halte. Da ich sehr viel Sport mache, funktio- niert das recht gut. Mir ist es wegen meiner Vorbildfunktion sehr wichtig, nicht mager zu sein, sondern sportlich und gesund. Ich bevorzuge Einzel- sport wie Body-Weight-Training und werde zweimal pro Woche von einem Personaltrainer unterstützt. Ins Gym gehe ich nicht mehr. Ich fand es oft unangenehm, von den Männern ange- starrt zu werden. Wenn ich sage, dass ich nicht gerne im Mittelpunkt stehe, ist das mit mei- nem Beruf schon etwas ironisch. Aber ich bin schüchtern. Als ich anfing zu bloggen, habe ich das jahrelang geheim gehalten. Ich stamme aus einem Dörfchen im Thurgau und hatte niemanden, der sich für Mode interessierte. Das Bloggen war eine Möglichkeit, mich mit anderen Fashionistas auszutauschen. Dass aus meinem Hobby eine Karriere wird, hätte ich nie gedacht. Es klingt heute noch komisch, wenn ich sage: Ich habe meine eigene Website und ver- diene mein Geld damit. Ich bin mir bewusst, dass meine Blogger-Karriere von heute auf mor- gen vorbei sein könnte. Vielleicht haben die Leute bald die Nase voll von Instagram, so wie es bei Facebook passiert ist. Vielleicht habe auch ich irgendwann genug. Mir ist es wichtig, selbständig zu bleiben und kreativ arbeiten zu können. Da ich einen Abschluss und Erfahrungen als Art Director habe, wird mir das sicher gelingen. «DerWalk-of-Shame mitdemZalando- Päckchenistnicht meins» Alexander Frei, 28, alias Crimer, Musiker Immer wenn ich sage, dass ich Musik mache, fragt man mich, was ich daneben für einen Job habe. Das ist wohl ein schweizerischer Reflex. Die Leute haben Mühe damit, sich vorzu- stellen, dass man als Musiker Karriere machen kann. Von diesem Bünzlitum habe ich mich selbst noch nicht kom- plett lösen können. Ich könnte zwar mittlerweile nur noch Musik machen, aber meinen Vierzig-Prozent-Job im Online-Marketing behalte ich erst ein- mal zur Sicherheit. Am Anfang meiner Karriere habe ich die Stelle auch dringend gebraucht, ich wäre zu wenig risiko- freudig gewesen, um ohne diese finanzielle Sicherheit ein Album zu produzieren. Ich habe den Job genau angefangen, als meine erste Single «Brotherlove» herauskam und dann mit dem Erfolg das Pensum reduziert, sonst wäre ich nicht weitergekom- men. Man muss auch verstehen, dass es nicht mein Ziel ist, so viel Geld wie möglich zu verdienen, sondern das zu machen, was mich erfüllt. Ich habe das Gefühl, dass es vielen in meiner Generation so geht. Anfangs habe ich all meine Ferien- tage für Gigs und Pressetermine und Touren benutzt. Keine Ferien zu haben, hat mir damals nicht gefehlt. Wenn man am Montreux Jazz Festival Alexander Frei wird gerne im Laden mit Namen begrüsst. «Manchmalwürde ichmitmeinem Einflussgernemehr bewirken» Michèle Krüsi, 27, Lifestyle-Bloggerin Ich habe mir immer gesagt, dass ich so viel Geld verdienen möchte, dass ich mir keine Gedanken machen muss, wie ich meine Miete zahle oder ob ich in die Ferien gehen kann. Mit meiner Arbeit als Bloggerin habe ich das geschafft. Das Schöne daran ist, dass es mir auch unglaublich viel Freude bereitet und es Hobby und Beruf zugleich geworden ist. Das funktio- niert so: Ich erreiche mit meinem Instagram-Profil und Blog «The Fashion Fraction» pro Monat bis zu drei Millionen Menschen. Dadurch habe ich einen gewissen Einfluss, den ich unter anderem für Werbeposts nutze. Ich habe schon mit einem Tele- kom-Unternehmen, einer Detail- handelskette und vielen Fashion- und Beauty-Brands zusammengearbeitet. Auf solchen bezahlten Posts ist dann zu sehen, wie ich mit einem Schokola- denhasen, einem Föhn oder einer Uhr im Hintergrund posiere. Das klingt jetzt vielleicht nach Willkür, aber ich mache nicht für jeden Werbung. Die Produkte müssen mir persönlich gefallen, das wäre sonst weder authentisch noch ehrlich. Nur für Luxusmarken zu werben, kommt für mich auch nicht infrage. Ich wider- spiegle einen normalen Menschen, und selbst Rolexbesitzer tragen ein- mal eine Swatch. Instagram ist leider oft sehr ober- flächlich. Die Plattform lebt von per- fekt inszenierten Bildern. Ich bin mir bewusst, dass ich mit meinen Beiträ- gen eine gewisse Verantwortung trage, weil ich für viele junge Frauen ein Vorbild bin. Auch darum will ich nicht, dass meine Follower glauben, sie müssten nur Luxusprodukte kau- fen, um ein tolles Leben zu haben. In manchen Momenten frage ich mich schon: Was gebe ich den Leuten mit meinem Blog Sinnvolles weiter? Manchmal würde ich mit meinem Einfluss gerne mehr bewirken. Des- halb habe ich kürzlich ein T-Shirt mit dem Print «We Are Equal» auf der Vorderseite und «In Diversity There’s Beauty And Strength» auf dem Rücken entworfen und über meine Plattformen verkauft. Der Verkaufs- erlös wurde an eine NGO gespendet, die Gleichberechtigung fördert. Sonst versuche ich, auf meinem Blog poli- tisch möglichst neutral zu bleiben. Das liegt nicht daran, dass ich Angst habe, Werbekunden zu verlieren, son- dern daran, dass ich der Meinung bin, nicht die richtige Plattform für Politi- sches darzustellen. Dank meinem Job bekomme ich viele Produkte gratis und muss kaum mehr Kleider und Kosmetika selber kaufen. Ich bitte die Firmen mittler-
  • 7. 76. Januar 2019 | NZZamSonntag «Übernachten werden wir in Budget-Hotels. Wir sind zu alt für Hostels, weil wir unseren eigenen Raum und Ruhe wollen»: Akash Arasu, Consultant. NOELBESUZZI/GETTYIMAGES
  • 8. 8 NZZamSonntag | 6. Januar 2019 oder Open Air St. Gallen auftreten kann, fühlt sich das nicht wie Arbeit an. Ich mache, was ich liebe und ver- diene damit meinen Lebensunterhalt. Das ist das Allerschönste! Dennoch ist mir mittlerweile meine Work-Life-Balance wichtiger gewor- den. Die Trennung von Arbeit und Freizeit tut mir gut, ich war gerade mit meiner Freundin zwei Wochen in Griechenland und fühle mich deutlich erholter und fokussierter. Wir haben eine Woche am Meer verbracht und sind dann nach Athen, um uns die Stadt anzuschauen. Ich finde diesen Hybrid aus Strandferien und Städte- trip perfekt. Es war auch schön, ein- mal nicht viel planen zu müssen. Ferien nutze ich meistens auch, um Kleider zu shoppen. Ich mag es, in Läden einzukaufen, gerade wegen der Beratung. Mit Online-Shopping kann ich gar nichts anfangen. So ein Walk- of-Shame mit dem Zalando-Päckchen unter dem Arm ist nicht meins. Es hat etwas Stupides, dass man sich tausend Sachen nach Hause bestellt, dann zwei auswählt und den Rest wieder zurückschickt. Da ist der Aufwand doch grösser, als im Laden einzukaufen. Ein Gegenstand, der mir viel bedeutet, ist die silberne Uhr an mei- nem Handgelenk. Mein Vater hat sie sich von seinem ersten Lohn als Banker gekauft. Leider war es nicht so wie in der Werbung, als er sie mir geschenkt hat. Ich habe sie im Keller gefunden, und als ich ihn fragte, ob ich sie haben darf, war er nicht so begeistert und meinte, er würde mir lieber eine schönere zu Weihnachten schenken. Das wollte ich aber nicht, weil ich die Geschichte mit dem ers- ten Lohn so schön fand. Da die Uhr kaputt war, musste ich sie extra im IWC-Shop an der Bahnhofstrasse reparieren lassen. Es war mir ein biss- chen peinlich, so einen Luxusladen zu betreten. Die Reparatur hat halb so viel gekostet, wie wenn ich das Modell neu gekauft hätte, aber ich habe es trotzdem gemacht. Seither trage ich die Uhr fast täglich. Mein wichtigster Alltagsgegenstand ist mein Laptop, weil ich damit an meiner Musik arbeite. Für mich ist die Vorstellung schlimm, dass er gestohlen werden könnte, darum nutze ich Zeitschalt- uhren für das Licht in meinem Arbeitszimmer, wenn ich nicht zu Hause bin. Kleider kaufe ich meist im unteren bis mittleren Preissegment. Ich mag H&M und COS. Da kann man einfach hingehen, wenn man einmal etwas braucht. Meine Nachhaltigkeitskurve ist schlecht beim Kleiderkauf, ich finde es aber extrem schwierig, das zu ändern. Man muss sich mega krass mit dem Thema auseinandersetzen. Beim Essen ist das viel einfacher. Ich gebe gerne für ein gutes Stück Bio- Fleisch viel Geld aus, und kann sicher sein, dass es den Tieren gutging und keine Schadstoffe drin sind. Ich geniesse es, auswärts essen zu gehen. Das Abendessen koche ich «Mir selbst etwas Gutes tun»: NadiaRüfenacht,Café-Besitzerin.
  • 9. 96. Januar 2019 | NZZamSonntag allerdings meistens mit meiner Freun- din zusammen. Ich finde das schön. Wir schauen, dass wir ausgewogen essen, es gibt viel Salat. Fleisch essen wir bewusst höchstens zweimal pro Woche. Ich bin für mein Studium der Wirt- schaft und Publizistik vom Rheintal in die Stadt Zürich gezogen. Was mir hier manchmal fehlt, sind kleine Lebens- mittelläden, die für einen Dorf-Spirit sorgen. Ich hätte gerne eine Metzgerei in der Nähe. Ich finde es heimelig, wenn man in einem Laden mit Namen begrüsst wird. Meine Wohnsituation ist ideal, abgesehen davon, dass wir gerade Schimmel im Bad und in der Küche haben und dem Vermieter statt einer E-Mail einen Brief schreiben müssen, um uns zu beschweren. Ich wohne mit meiner Freundin in einer Drei- zimmerwohnung in einem Siebziger- Jahre-Block. Altbau mit Fischgräten- Parkett finde ich zwar schön, brauch ich aber nicht unbedingt. Der wich- tigste Faktor beim Wohnen ist genug Platz und eine nicht zu teure Miete zu haben. Für die Einrichtung haben wir kein Vermögen ausgegeben, aber wir haben darauf geachtet, dass wichtige Möbel wie das Bett und das Sofa nach zweimal umziehen nicht auseinan- derfallen und nicht alles aus der Ikea kommt. Die Wohnung soll auf keinen Fall protzig aussehen, sondern gemütlich. Ich konnte viele hochwer- tige Einrichtungsgegenstände wie Schalenstühle aus den siebziger Jah- ren von meinem Opa übernehmen. Die Wohnung ist ein bisschen alt- modisch, so wie meine Musik. Ich mache von den achtziger Jahren inspirierten Pop mit schrillen und düsteren Synthisounds. Die Nostalgie in meiner Musik ist stark vom Musikgeschmacks meiner Eltern beeinflusst. Mein Vater hat frü- her viel Michael Jackson und Lionel Richie gehört. Meine zwei Brüder und ich haben das cool gefunden. Das blieb unbewusst an mir kleben. Als ich anfing, Musik zu machen, klang es immer automatisch nach der Ästhetik der achtziger Jahre. Ich habe mir aber nicht vorgenommen, die Schweiz mit Revival-Pop der achtziger Jahre zu erobern, das wäre in die Hose gegan- gen. Ich schaffe es nicht, moderner zu klingen und will es auch nicht. Das wird oft an meiner Musik kritisiert, aber ich finde, ich bediene einfach ein Genre, das man lieben oder hassen kann wie Hip-Hop oder Jazz. «EigeneKinder sindmirzu umweltschädlich» Akash Arasu, 28, Consultant Es hört sich wie ein verdammtes Tin- der-Profil an, während ich das sage, aber Reisen ist eines meiner Lebens- ziele. Auf meiner Traumreise will ich mit Buckelwalen bei Tonga oder La Réunion tauchen. Leider kostet das eine Tonne Geld: mit Flug und einem achttägigen Aufenthalt gegen 9000 Franken. Das ist nicht etwas, was sich jeder 08/15-Backpacker leisten kann. Leider. Ich liebe die Erde, ich liebe die Umwelt. Es fühlt sich an, als wäre es ein Menschenrecht, die Präsenz dieser wunderbaren Kreaturen zu spüren. Ich mag Reisen, bei denen man etwas erlebt. Meine Freundin und ich wollen als Nächstes die indonesische Natur erkunden. Wir planen unsere Reise um Wanderungen und Tauch- gänge herum. Übernachten werden wir in Budget-Hotels. Wir sind zu alt für Hostels, weil wir unseren eigenen Raum und Ruhe wollen. Wir brauchen keinen Luxus. Ein sauberes Bett in einem ruhigen Zimmer genügt. Kennengelernt haben wir uns auf einer Tauchreise, aus der sich zuerst eine Freundschaft entwickelt hat. Zusammen sind wir seit einem Jahr und führen seither eine Fernbezie- hung zwischen Zürich und Oslo. Auch wenn wir uns so einmal im Monat sehen, ist das emotional sehr aufwüh- lend. Nur schon der Gedanke, dass wir mit der vielen Fliegerei so viel CO2 produzieren, stresst uns. Wir zahlen zwar für CO2-Kompensationspro- gramme, aber das reicht nicht. Darum wollen wir längerfristig am gleichen Ort leben. Wo das sein wird, müssen wir noch entscheiden. Über Kinder haben wir auch schon geredet. Wir wollen beide keine. Jedenfalls keine eigenen. Ich habe mir das lange und gründlich überlegt. Erstens sind Kinder wahnsinnig umweltschädlich: Pro Lebensjahr ver- ursachen sie fünfzig Tonnen CO2. Ich könnte täglich mit zwanzig Hummer- Autos herumfahren, und das wäre besser für die Umwelt! Zweitens kann man Kinder vor der Geburt nicht fragen, ob sie überhaupt leben wollen. Dieses zweite Argument stammt aus der Philosophie des Antinatalismus. Sie geht davon aus, dass das mensch- liche Leben hauptsächlich aus Leiden besteht und man sich darum dagegen entscheiden müsste, hätte man die Wahl. Ich bin mir nicht sicher, ob mich dieses Argument ganz überzeugt, aber etwas Wahres hat es. Ich arbeite als Strategie-Consultant im Finanz- und Industriebereich. Bin ich glücklich mit meinem Job? Das ist schwer zu beantworten. Ich bin dank- bar für ihn, und es gibt viele ange- nehme Aspekte wie die enge Zusam- menarbeit mit Kollegen. Es gibt eine gute Kooperation, weil wir alle für die gleichen Kunden arbeiten. Es gibt allerdings Dinge bei meiner Arbeit, die mit meinen ethischen Werten in Konflikt stehen. Ich finde, Menschen, die wie ich eine höhere Ausbildung genossen haben, tragen die Verant- wortung, in Branchen zu arbeiten, die die Welt verbessern. Aber viele von uns haben Stellen, wo ein moralisches Konzept für das Gute keinen Platz hat. Es wird zum Beispiel einfach mit öko- Akash Arasus Distanz- beziehung produziert leider viel CO2. AMYBRYCE/GETTYIMAGES
  • 10. 10 NZZamSonntag | 6. Januar 2019 nomischen Wachstum ersetzt. Ob das etwas Gutes ist, sei dahingestellt. Viele von uns arbeiten wohl in einer neutralen Position: Sie tun nichts Schlechtes, aber sie tun wahrschein- lich auch nichts Gutes. Bei mir ist es so: Ich habe bis jetzt nur diese Idee im Kopf, dass ich Gutes bewirken will. Das könnte für mich bedeuten, dass ich in ein paar Jahren für eine Umweltschutzorganisation arbeiten werde, aber ich plane nicht so weit voraus. Ich habe Wirtschaft studiert, weil ich es ein spannendes Themenfeld finde. Es interessiert mich, weil es stark von der Psychologie getrieben ist. Ein bisschen habe ich dieses Fach auch gewählt, weil es einem eine sichere Karriere bietet. Dieser letzte Faktor hat damit zu tun, dass mir meine indischen Eltern nicht geraten haben, einfach das zu machen, was mir gut gefällt. Ich hoffe, dass Geld in meinem Leben weniger eine Rolle spielen wird, sobald ich das Ziel erreicht habe, eine Wohnung zu kaufen. Ich möchte aus dieser Falle raus, in der wir uns alle befinden: Je mehr Geld man hat, umso höher der Lebensstandard. Das Teuerste, was ich besitze, ist mein MacBook. Wenn ich Dinge kaufe, dann tue ich das sehr bewusst. Ich bestelle online, lasse sie mir aber in den Laden statt nach Hause liefern. So spare ich Zeit, weil ich Produkte, die mir nicht gefallen, nicht selber zurückschicken muss. Vor allem bei Elektronik und Naturausrüstung wie Wanderschuhe lese ich vor dem Kauf Online-Bewertungen. Eine meiner liebsten Informationsquellen ist Red- dit, das ist ein soziales Netzwerk, in dem nach Themen sortiert diskutiert wird. Ich nutze einen Subreddit für Produkte, die ein Leben lang halten sollen. Als Student an der Universität St. Gallen hatte ich nicht einfach so viel Geld auf der Seite, um mir eine Regenjacke für 200 Franken zu kaufen. Jetzt geht das aber, und es lohnt sich auch finanziell, weil die Jacke eben nicht mehr nur ein Jahr, sondern vielleicht sechs hält. Ich will auch ganz bestimmte Marken unter- stützen. Patagonia und The North Face spenden beispielsweise für den Naturschutz. Ich investiere ab und an, aber am Crypto-Hype war ich nie interessiert. Gegenüber neuen Technologien bin ich generell kritisch eingestellt. Ich habe mein erstes Smartphone erst 2014 gekauft. Je mehr ich mich infor- miere, desto mehr bin ich davon über- zeugt, dass es gut ist, sich nicht zu sehr auf sie zu verlassen. Gerade Social Media senkt die Aufmerksamkeits- spanne und verändert die Art, wie wir mit Menschen interagieren. Ich merke das selber. Ich finde das verrückt. Daher versuche ich, bewusst in Lang- zeit-Aufmerksamkeit zu investieren. Ich habe aufgehört, News zu konsu- mieren. Ich lese nur noch lange Artikel und mehr Sachbücher. Ich versuche Kurzzeit-Aufmerksamkeit-Situationen zu vermeiden. Eine Stunde bevor ich zu Bett gehe, beschäftige ich mich zum Beispiel nicht mehr mit elektronischen Geräten, und morgens versuche ich, zu meditieren. Die Facebook- und Instagram-App habe ich vor einem halben Jahr gelöscht. Leider bekomme ich nun deswegen E-Mails à la: Schau mal, was deine Freunde Tolles machen! Komm zurück zu uns! Das nervt mich so, dass ich mir schon überlege, die Konten zu löschen. Wahrscheinlicher ist aber, dass ich nachgeben und auf Login klicken werde. «Bisichmireine Rolexleistenkann, trageichkeine andereUhr» Raffaela Zollo, 26, Youtuberin Mein Stil ist exzentrisch, bunt und kurios. In der Schweiz fällt es mir schwer, ausgefallene Kleider zu fin- den. Shopping ist ein Grund, warum ich immer wieder nach Japan reise. In Tokio ist es so einfach, schräge Outfits zu finden. Ich reise am liebsten allein und mit dem Ziel, Einheimische ken- nenzulernen. So wie in Kurashiki, da habe ich im Schnellzug eine 60-jäh- rige Dame getroffen, die mir später in ihrem kleinen eckigen Auto ihre Hei- matstadt gezeigt hat. So eine weite Reise ist für mich immer etwas Beson- deres, und ich buche meine Über- nachtungen dann in einem Hotel, das mir viel Komfort bietet. Nach Berlin gehe ich auch sehr gerne, dann über- nachte ich aber einfach bei Freunden. Meine Karriere als Youtuberin ist mir extrem wichtig. Ich habe mich dafür selbständig gemacht und mei- nen Job als Schmuckverkäuferin an der Zürcher Bahnhofstrasse aufge- geben. Auf meinem Kanal «Raffa’s Plastic Life» produziere ich Videos mit einer wilden Mischung aus Comedy, meinem Leben als Transgender-Frau und Schminktipps. Das funktioniert super, pro Folge schauen sich das bis zu einer halben Million Menschen an, ich werde oft auf der Strasse erkannt. Make-up spielt in meinen Videos eine zentrale Rolle, weil es meine grosse Leidenschaft ist. Das hat früh angefangen. Als ich noch ein Junge war, habe ich mich immer nach der Schule geschminkt und konnte so das erste Mal meine Weiblichkeit ausdrü- cken. Ich bin im Gegensatz zu vielen Youtubern keine Influencerin. Ich möchte keine fremden Produkte in meinen Videos präsentieren, das finde ich nicht authentisch. Um Geld zu ver- dienen, arbeite ich an einer eigenen Make-up-Linie, die meine Fans online bestellen können. Ich gebe bewusst nicht mehr so viel Geld für Make-up und Mode aus, weil ich sparen möchte. Das fällt mir auch nicht schwer, weil ich keine Materia- listin bin. Wenn meine Wohnung abbrennen würde, würde ich nur mein Handy retten, um meine Eltern und Geschwister kontaktieren zu kön- nen. Luxusprodukte finde ich trotz- dem toll. Ich würde mir gerne eine Rolex in Roségold kaufen. Da bin ich dann auch stur, bis ich sie mir leisten kann, trage ich keine andere Uhr. Mein grösster Traum ist es, eines Tages ein Herrenhaus zu besitzen: Ein mehrstöckiges Anwesen mit Garten, einem Springbrunnen und Hecken- labyrinth. Von der Architektur würde mir das Zürcher Opernhaus zusagen. Ich stehe auf die Kombination von blendend weiss und barock. Das ist auch der Einrichtungsstil meiner Wohnung in der Agglo. Als Nächstes genügt es mir, in eine grössere Wohnung mit Seeblick zu ziehen. Der Greifensee muss rei- chen, für den Zürichsee bin ich noch nicht reich genug. Ich hätte gerne ein Extra-Zimmer, um meine Youtube- Videos zu drehen, damit ich nicht mehr wie bisher in meinem Wohn- zimmer filmen muss. Ich schaue kein Fernsehen im klassischen Sinn, son- dern schaue auf Youtube, was es so gibt. Das kann Comedy von Joan Rivers sein oder ein Dokumentarfilm über schwarze Löcher. Ich bin seit vier Jahren Single, und mittlerweile gefällt mir das total. Ich habe meine Arbeit und meine Freunde und bin damit zufrieden. Ich träume nicht davon, zu heiraten oder Kinder grosszuziehen. Ich denke gar nicht so weit. Klar, wenn und falls ich einen Partner finde, könnte sich das ergeben. Mein Traumpartner sollte auf jeden Fall gebildet sein und kein Macho. Es ist mir auch wichtig, dass er gross ist, damit ich mich in seinen Armen geborgen fühlen kann. Vom Typ her sagt mir der Schauspieler Chris Hemsworth zu. Aber Mister Right darf auch einen kleinen Bier- bauch haben, da bin ich nicht so. Es wäre auch toll, wenn wir uns ergän- zen könnten und er sich ausserdem mega für Geschichte oder Politik interessieren würde. Meine Idealvorstellung ist eine monogame Beziehung. Ich finde eine offene Kommunikation wichtig. Es könnte ja sein, dass mein Partner zum Beispiel mehr Feuer in der Beziehung will. Wenn das so ist und ich ihm das nicht geben kann, wäre es auch okay für mich, ein spezielles Arrangement zu haben. Wo er vielleicht einmal im Monat mit jemand anderem schläft. Aber dafür müsste schon alles andere in der Beziehung perfekt sein. Mein Ernährungsstil ist simpel: Pizza. Esse ich mindestens viermal pro Woche. Egal, in welcher Form, tiefgekühlt oder frisch, das kommt für mich nicht drauf an. Ich kann mir ja nicht alles verbieten, irgendwo braucht jeder ein Ventil, und meines ist eben ungesundes Essen. Ich rauche nicht und trinke kaum. Mein Gesicht ist mir einfach viel wichtiger als mein Körper. Ich bin nicht perfekt, aber mein Gesicht finde ich sehr schön, Raffaela Zollo mag die Architektur blendend weiss und barock. Nadia Rüfenacht will Online-Selbstfindungs- Coach werden.
  • 11. 116. Januar 2019 | NZZamSonntag und ich würde es gerne so behalten. Natürlich gehe ich dafür regelmässig zum Schönheitschirurgen. Der spritzt mir die Wangen und Lippen auf. Mein Vorbild ist Cher. Die Bitch ist 72 und sieht besser aus als ich! Mit den richtig üblen Operationen bin ich aber fertig. Ich könnte mir meine Figur noch sanduhrenförmig operieren lassen, aber das ist mir zu krass mit dem lan- gen Heilungsprozess und den Schmerzen. Ich gehe regelmässig abstimmen, aber nur über Dinge, bei denen ich mich auskenne und die mir wichtig sind. Meine Youtube-Videos sind manchmal automatisch politisch. Wenn ich zum Beispiel über meine negativen Erfahrungen als Trans- gender-Frau spreche. Gerade im queeren Bereich gibt es viele Sachen, die mich aufregen: dass zum Beispiel Homosexuelle in der Schweiz nicht heiraten oder adoptieren dürfen. Das finde ich verdammt unfair, und dafür gehe ich auch auf die Strasse. Die Umwelt ist mir wichtig, aber nicht meine Priorität. Ich finde es zum Beispiel scheusslich, wenn über- all Abfall herumliegt. Meine künst- lichen Wimpern sind aber aus Tier- haar und bleiben es so lange, bis es ein künstliches Produkt gibt, das gleich gut ist. Ich habe schon alles probiert, aber nicht einmal Menschenhaar sorgt für den richtigen Augenaufschlag. Auf der Packung steht, das sei ein Nebenprodukt aus der Pelzindustrie. Aber die können mir nicht erzählen, dass ihre Marder auf grünen Wiesen herumtollen und sie dann so lange gestreichelt werden, bis ihnen netterweise die Haare ausfallen. Ich sehe das so: Wenigstens wird ver- sucht, das ganze Tier zu verwerten, wenn es schon für einen Pelzmantel sterben muss. «Ichsehemichin ersterLinieals Weltbürgerinund nichtals Schweizerin» NadiaRüfenacht,25,Café-Besitzerin Den Traum, ein eigenes Café zu eröff- nen, trage ich seit meiner Lehre als Restaurationsfachfrau in mir. Es war vor allem finanziell ein steiniger Weg, aber in diesem Jahr habe ich es geschafft, das Café Complet in der Stadt Zürich zu übernehmen. Hier habe ich einen Platz gefunden, in dem ich meine Werte und Philosophie ver- einen kann: Ich kann mein Service- Fachwissen anwenden und meine Gäste dazu einladen, mit Achtsamkeit veganes Essen zu geniessen. Es war für mich keine Frage, ob mein Café vegan sein sol. Es musste auf pflanzlicher Ernährung basieren, denn vegan zu sein, sollte aus meiner Perspektive die Normalität sein. Als ich mit siebzehn Jahren Veganerin wurde, habe ich das Fundament für mein Leben gelegt. Jede Entschei- dung, die ich treffe, muss mit dem Veganismus vereinbar sein. Nur so kann ich authentisch sein und ein zufriedenes Leben führen. Das war nicht immer leicht. In der Lehre musste ich meinen Gästen Fleisch ser- vieren und empfehlen. Das hat mich wütend und traurig gemacht. Irgend- wann war ich mutig genug, manchen Gästen statt des Entrecôtes den Gemüseteller zu empfehlen. Das hat meinem Chef nicht gefallen. Dabei ging es mir nicht darum, jemandem verbieten zu wollen, Tiere zu essen, sondern meine Mitmenschen vor eine bewusste Wahl zu stellen und aufzu- klären. Das ist auch bei meinem Café so. Jeder ist willkommen, egal, was er oder sie isst. Auf meinem Lebensweg ist das Café nur eine Zwischenstation. Es ist eine gute Grundbildung und Prüfung, ob ich die Selbständigkeit meistern kann. Ich weiss schon jetzt, dass ich es nicht für immer behalten will. Der Plan ist, es erfolgreich zu machen und dann weiterzugeben. In einer nächs- ten Phase möchte ich als Selbst- findungs-Coach Frauen online bera- ten und gleichzeitig die Welt bereisen. Als Vorbereitung dafür absolviere ich nächstes Jahr eine Online-Ausbil- dung. Wenn ich den Leuten erzähle, dass ich mich online ausbilden lasse und zukünftig auch meine Coachings online anbieten will, versteht man mich häufig nicht. Dabei ist das gar nicht so kompliziert: Die Coaching- Sitzungen finden einfach per Video- Anruf statt. Ich mag dieses Konzept, weil die Klientin und ich so flexibel sind. Ich brauche keine Praxis, und die Klientin kann zu Hause bleiben. Vom Themenfeld würde ich mich gerne auf das Frausein, Liebe, Sex und Beziehungen fokussieren. Zum einen weil es mich fasziniert, zum anderen weil ich täglich sehe, wie viele Frauen die Verbindung zu sich selbst verloren haben und damit unzufrieden sind. Ich sehe mich in erster Linie als Weltbürgerin und nicht als Schweize- rin. Ich versuche, an die Menschen auf der ganzen Erde zu denken, wenn ich beurteile, welche Konsequenzen meine Handlungen haben. Zum Bei- spiel kaufe ich mir online eine Haar- pflege für meine Dreadlocks, statt mir ein Shampoo aus dem Bioladen in der Nachbarschaft zu holen. Wenn ich könnte, würde ich meine Spezial- pflege im Quartier kaufen, aber sie ist dort nicht erhältlich. Dass ich mir das Mittel in den USA bestelle, ist für mich trotzdem vertretbar, weil ich eine vegane Manufaktur unterstütze. Meine Verantwortung und die mei- ner Generation liegt darin, dass wir im Leben das machen, wovon wir über- zeugt sind. Denn nur wenn wir zufrie- den sind, können wir anderen helfen und Gutes in der Welt bewirken. Wir sollten auch für ältere Generationen Vorbilder sein, die früher nicht so viele Möglichkeiten hatten und viel- leicht noch in dieser Mentalität gefan- gen sind. Auch sie können heute machen, was sie lieben, und müssen sich nicht zu alt dafür fühlen. Ich erlebe die Wichtigkeit des Austauschs zwischen den Generationen im Café. Es gibt zwei Laufbahn-Coaches, die Mitte vierzig sind und hier ihre Beratungen abhalten. Wir lernen viel voneinander. In Zukunft könnte ich mir vorstel- len, für meine Anliegen politisch tätig zu werden, aber heute passt das nicht zu mir. Ich habe eine Stammkundin, die bald Vollzeit-Tieraktivistin wird. Ich finde das toll, aber das ist ihr Weg, um die Welt zu verbessern. Meiner ist das Café, auch das ist Aktivismus. Reisen und Ferien sind für mich unterschiedliche Dinge. Ferien sind eine Erfindung des klassischen Sys- tems, von dem ich mich gelöst habe. Ich achte jeden Tag darauf, dass es mir gutgeht. So habe ich nicht das Gefühl, dass ich am Ende bin, dass ich Ferien brauche, um mich zu erholen. Ich schliesse jeden Tag auf eine schöne Art ab, auch wenn es ein Tag war, an dem alles schief lief. Zum Beispiel hole ich mir etwas Besonders zum Essen, gehe früh ins Bett oder höre einen Podcast. Es kommt nicht so dar- auf an, was ich tue, sondern es geht um das Bewusstsein, dass ich mir etwas Gutes tue. Manchmal bedeutet das einfach einen Schluck Wasser trinken. Auf der anderen Seite ist es so, dass ich mir durch die Selbständig- keit Ferien nicht wirklich leisten kann. Ich hatte diesen Sommer das Café für eine Woche zu, in dieser Zeit habe ich aber einfach Papierkram erledigt. Momentan geniesse ich das Single- Leben, spüre aber, dass ich bald in einer Beziehung sein werde. Ich weiss, dass ich gerne vor dreissig eine Fami- lie gründen möchte. Dieser Wunsch sitzt tief in mir drin und kommt nicht aus einem gesellschaftlichen Zwang heraus. Heiraten würde ich auch gerne, aber nicht in der Kirche, son- dern in der Natur. Es geht mir darum, die Liebe zu meinem Partner mit Freunden und meiner Familie zu zelebrieren. Aktiv auf Partnersuche bin ich dennoch nicht. Früher war ich auf Tinder, aber ich habe gemerkt, dass das eine Energie verlangt, die ich als Frau nicht geben will. In meiner weiblichen Energie muss ich anneh- men können, statt zu nehmen. Wenn ich aktiv werde, wird sich ein Mann nicht von mir angezogen fühlen. Das mag für manche Leute esoterisch oder nach den fünfziger Jahren klingen, aber für mich passt dieser spirituelle Ansatz der Energien, um die Welt zu verstehen. Mein Anspruch an meinen zukünf- tigen Partner ist, dass wir unser Leben gemeinsam kreieren und das, was wir uns wünschen, teilen können. Die grösste Herausforderung ist dabei, dass man immer ein gemeinsames Ziel verfolgt. Das heisst auch, dass man stetig an sich selber arbeitet. Es braucht aber auch die Ehrlichkeit, Alles blossein Mythos? Ein sinnhafter Beruf und nachhaltiger Konsum? Veganismus und Urban Gardening? So, wie der Millennial gemeinhin beschrieben wird, exis- tiert er in der Empirie offenbar gar nicht. Die US-Notenbank hat dazu eine Studie mit dem Titel «Are Millennials Diffe- rent?» publiziert. Die Autoren ziehen den Schluss, dass Millennials weniger Geld für Konsum zur Verfügung haben als noch ihre Eltern und Grosseltern. Die alten Konsummuster aber seien dieselben geblie- ben: Gutes Essen, Wohn- eigentum und fahrbarer Untersatz haben auch für Millennials Priorität. Andere Untersuchungen kamen zum Schluss, dass der «Millennial» so idealis- tisch gar nicht ist, son- dern sich eher damit beschäftigt, um die Erhal- tung seines Wohlstands zu kämpfen: Die meisten sind während der Rezes- sion berufstätig gewor- den und müssen noch Jahre später Lohnnach- teile in Kauf nehmen. Millennials haben auch weniger Kinder als Gene- rationen vor ihnen. Was sich vermutlich auch mit den geringeren finanziel- len Mitteln erklärt.
  • 12. 12 NZZamSonntag | 6. Januar 2019 «Was meine Spiri­ tualität anbetrifft, haben mich Yoga und Achtsamkeitslehre beeinflusst»: Claudia Schumacher, Autorin.
  • 13. 136. Januar 2019 | NZZamSonntag PETESALOUTOS/PLAINPICTURE
  • 14. 14 NZZamSonntag | 6. Januar 2019 einen Schlussstrich zu ziehen, wenn es nach fünf oder fünfzig Jahren nicht mehr passt. «Ichwillmitmeinen TöchternimRuck- sackZentralamerika bereisenund Riesenkristalle sehen» Jelena Brkic, 33, selbständige Unternehmerin Mein Leben ist momentan mein Luxus. Dass ich zu Hause bleiben kann und an meinen zwei grossen Projekten arbeite: mein Schmucklabel Elvetia aufbauen und meine zwei klei- nen Kinder grossziehen. Ich habe mei- nen eigenen Lohn, meine Familie und viel Freizeit. Hinter diesem Lebensstil stecken sehr viele Überlegungen, harte Arbeit und eine Prise Glück. Meine Familien- planung war fest in meinen Business- plan integriert. Ich habe innert zweier Jahre zwei Töchter bekommen. Mit ihnen zusammenzusein, ist für mich ein bisschen wie meine eigene Kind- heit nachzuholen. Die ist irgendwie untergegangen mit all dem Noten- und Prüfungsdruck, den man schon bei der Einschulung zu spüren bekommt. Ich finde das schade. Mein Leben hat vor vier Jahren noch ganz anders ausgesehen. Ich war als Digital-Marketing-Managerin angestellt und habe 150 bis 200 Pro- zent gearbeitet. Ich war aber unzufrie- den und noch nicht da im Leben, wo ich gern gewesen wäre. Ich wollte selbständig sein und eine Familie gründen. Mit meinem damaligen Ehe- mann, mit dem ich schon fast neun Jahre verheiratet war, konnte ich mir aber nicht vorstellen, Kinder zu haben. Wir liessen uns scheiden, und ich habe bald darauf meine Fest- anstellung aufgegeben und meinen aktuellen Partner und Vater meiner Kinder kennengelernt. Mein Unternehmen ist mir extrem wichtig, weil ich so hinter den Werten stehe, die es verkörpert. Ich mache etwas, was sonst niemand macht und von dem mir alle aus finanziellen Gründen abgeraten haben: Ich lasse meine Schmuckstücke zu hundert Prozent in der Schweiz herstellen und verwende ausschliesslich Bergkristall und weitere Mineralien aus den Schweizer Alpen. Nur so kann ich sicher sein, dass weder Menschen noch die Umwelt für meinen Schmuck ausgebeutet werden. Schmuck selber herzustellen, war zuerst nur ein Hobby. Ich mochte es einfach, in meiner Freizeit etwas Handwerkliches zu machen und bin oft in den Alpen wandern gegangen. Wie der Zufall es wollte, lief ich einem Berufsstrahler über den Weg. Er führte mich in die Welt der Schweizer Bergkristalle ein und nahm mich mit zum Kristallsuchen. Als ich entdeckte, dass die ganze Kristall-Industrie in der Schweiz ein Nachwuchsproblem hat und zu verschwinden droht, hatte ich meine Aufgabe gefunden. Es war eine Herausforderung, in die Szene hineinzukommen. Es sind fast nur ältere Männer Kristallsucher und Mineraliensammler. Die dachten sich: Was will uns diese junge Frau ohne Schweizer Wurzeln über unsere Tradi- tion erzählen? Mittlerweile kennt man mich, und ich fühle mich ernstgenom- men und werde unterstützt. Ich kann momentan nicht sparen, alles, was ich verdiene, reinvestiere ich in mein Unternehmen. Als Familie sparen wir aber momentan für eine grosse Reise. Wir fahren nach dem Weihnachtsgeschäft drei Monate nach Spanien. Ich muss nicht am Strand liegen, aber ich will mit den Kindern raus an die Sonne. Ich mag Europa und zivilisierte Gegenden, in denen ich mich zurechtfinde. Ich war schon in exotischen Ländern wie Kambo- dscha und Thailand. Aber erstens gurkt mich die lange Reise an, und zweitens leide ich unter den kulturel- len Barrieren. Ich kann mich nicht entspannen, wenn ich die Armut in solchen Ländern sehe. Es fällt mir zu schwer, Mitleid von Mitgefühl zu tren- nen. Bei mir endet alles im Mitleid, und der Urlaub wird unerträglich. In den Spanien-Ferien wollen wir ein Haus mieten und es wie in einer Wohngemeinschaft füllen: Mein engs- ter Geschäftspartner, ein Gold- schmied, zieht mit seinem Hund ein, und meine Eltern und Freunde wer- den auch bei uns wohnen. So können wir etappenweise Ferien mit Leuten verbringen, die uns wichtig sind. Für eine richtige Traumreise möchte ich aber mehr. Ich will mit meinen Töchtern im Rucksack Zen- tralamerika bereisen. Zum einen die mir fremde Kultur kennenlernen und zum anderen die Vielfalt der Minera- lien entdecken. Besonders interessie- ren mich die Höhlen von Naica mit den grössten Gipskristallen der Welt. Die sind bis zu vierzehn Meter lang und fünfundfünfzig Tonnen schwer. Leider haben meist nur Geologie-For- scher die Erlaubnis, dieses Naturspek- takel live zu erleben. Aber wer weiss, vielleicht finde ich einen Weg. Die Schweizer Demokratie bedeutet mir viel. Ich stimme ab, wenn ich mich genug gut über ein Thema infor- mieren konnte. Dafür suche ich auch bewusst den Austausch mit anderen Stimmbürgern. Auf dem Spielplatz unserer Wohnsiedlung zum Beispiel. Das ist interessant, weil nicht alle dar- über reden wollen, wie und warum sie abstimmen werden. Bei Wahlen ent- halte ich mich aus Prinzip, da ich die zur Wahl stehenden Politiker nicht genug gut einschätzen kann. Wenn es ums Essen ging, war ich früher fast zwanghaft. Es war so schlimm, dass ich wie eine verdorrte Dattel durch die Gegend lief und nicht mehr wusste, was ich noch essen darf und soll. Alles war entweder gesund- heitsschädlich, unethisch oder bei- des. Heute haue ich mir ab und zu ein- mal Aromat auf eine Gurke, obwohl ich weiss, dass da Geschmacksverstär- ker drin ist. Ich bin nur noch beim Fleisch und Gemüse pingelig und ver- suche, regional und Demeter oder bio zu kaufen. Dafür laufe ich auch oft zu einem Hofladen bei uns in Leimbach. Obwohl ich selber einen Online- Shop betreibe, kaufe ich nichts online. Es ist mir zu stressig mit dem Riesen- angebot. Ich bin jemand, der sich Dinge gerne im Laden anschaut. Neue Kleider kaufe ich mir nur, wenn ich sie wirklich brauche. Das liegt auch daran, dass ich einen teuren Ge- schmack habe. Ich mag Kleidung, die nicht jeder hat. Wenn ich dann doch etwas kaufe, sind es oft limitierte Edi- tionen von Jungdesignern. Sonst habe ich ein grosses Netzwerk an Freundin- nen, mit denen ich private Kleider- tauschpartys veranstalte. Ich gönne mir kaum Zückerchen. Ich mache das nur, wenn mein Partner mir etwas schenkt. Früher hatte ich ein uraltes Tour-de-Suisse-Velo. Es war sechzig Jahre alt, es gingen nur noch zwei Gänge, und die Bremsen waren kaputt. Trotzdem bin ich jeden Tag fünfzehn Kilometer nach Zürich gefahren. Auf meinen Geburtstag hat mein Partner mir dann ein Villiger- Velo gekauft. Das ist für mich der Rolls Royce unter den klassischen Frauen- velos: Es hat einen super bequemen Ledersitz und viele Gänge. Ich bin drauf gesessen und habe gedacht, Mann, das ist so schön, so zu fahren. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, mir so was zu gönnen. Ich habe da eine Hemmung. Ich bin noch viel zu sehr damit beschäftigt, mir meine beruflichen Träume zu erfüllen. «Freiheithatunsere Generationim Internetgefunden» Denis Simonet, 33, Informatiker, Gründer der Piratenpartei Schweiz Politisiert hat mich, und das wird jetzt vielleicht sonderbar klingen, das «Gamen». Wie das kam, versteht man vielleicht besser, wenn man weiss, wie ich aufgewachsen bin. Im Alter von acht Jahren erhielt ich von mei- nen Eltern meinen ersten Computer. Das war so eine riesige, eckige Kiste in beigen Farben. Ich war schon immer wissensdurstig und habe alles gelesen, was mir in die Finger gekom- men ist. Als später das Internet kam, gab mir das die Möglichkeit, noch viel mehr zu studieren und zu lesen, ich betrachtete das Internet als die Quelle des Wissens schlechthin. Online habe ich auch Programmieren gelernt, war die meiste Zeit in Chats unterwegs, in denen sich die Community gegen- seitig Tricks gelehrt und fachgesim- Jelena Brkic integrierte die Familiengründung in ihren Businessplan. Erklärte Politikern und Journalisten das Internet: Denis Simonet.
  • 15. 156. Januar 2019 | NZZamSonntag «IcherreichemitmeinemInstagram-ProfilundBlogproMonatbiszudreiMillionenMenschen»:Michèle Krüsi, Lifestyle-Bloggerin. WESTEND61/GETTYIMAGES
  • 16. 16 NZZamSonntag | 6. Januar 2019 pelt hat. In den Anfängen war ich einer von vielen Autodidakten. In meiner Klasse jedoch gehörte ich zu den paar wenigen, die sich intensiv mit dieser neuen Technologie beschäftigten. Ich war sicher der grösste Nerd der Schule. Als ich im Gymer war, machte ein Berner SP-Politiker von sich reden, der Computerspiele verbieten wollte. Er sah seine Welt bedroht von ein paar Shooter-Games, die angeblich Gewalt verherrlichten. Ich hörte seine Argu- mente und beobachtete die Reaktio- nen in der Öffentlichkeit und wusste: Das kommt nicht gut. Die Leute haben keine Ahnung, wie falsch ein solches Verbot wäre und wie es ganz grund- sätzlich unser Konzept von Freiheit infrage stellen würde: Freiheit ist doch das, was unsere Generation durch das Internet gelernt hat. Daraufhin sah ich mir verschiedene Parteiprogramme an und suchte darin vergeblich eine Haltung zu digitalen Themen. Nirgends fand ich mich zu Hause. Niemand schien sich auszu- kennen in meiner Welt. In den Chats habe ich dann von der damals erfolg- reichen Piratenpartei in Schweden erfahren, die sich für Bürgerrechte wie unter anderem die Informations- freiheit einsetzt. Zusammen mit ein paar Gleichgesinnten fassten wir den Plan, auch hier in der Schweiz eine Piratenpartei zu gründen. Ich sollte ihr erster Präsident werden. Die Gra- tiszeitung «20 Minuten» kündigte die Parteigründung gross an, und kurz darauf explodierte unser Online- Forum. Hunderte von Leuten melde- ten sich innerhalb von wenigen Tagen als Mitglieder. Dass wir uns bewusst vom Rechts-Links-Spektrum der her- kömmlichen Parteienlandschaft distanzierten, hat uns sicher geholfen. Wir trafen einen Nerv der Zeit. Über Politmarketing habe ich in der Zeit so einiges gelernt. Zum Beispiel, dass es Schlagworte braucht. Mit «Digitalpolitik» gaben wir der Öffent- lichkeit eines. Heute sprechen Schweizer Politiker ganz selbstver- ständlich davon, zuvor haben sie den viel zu eng definierten Begriff «Netz- politik» verwendet. Zum anderen habe ich gelernt, wie man die Medien für seine Anliegen nutzen kann. Wir haben damals Kontakt zu Julian Assange, dem Gründer von Wikileaks, aufgenommen. Vier Stunden lang habe ich mich von Chat zu Chat gehangelt, von User zu User, bis ich endlich den persönlichen Assistenten von Assange aufgestöbert hatte. Ich bat ihn um ein Treffen mit seinem Chef, der damals vom amerikanischen Geheimdienst gesucht wurde. «In zwei Stunden in Genf», lautete die Antwort. Assange kam mit einem Bodyguard zum Treffen und war am Anfang des Gesprächs sehr unruhig. Seine Äusserungen hatten etwas Para- noides. Wir boten ihm unsere Hilfe an, falls er Asyl in der Schweiz bean- tragen wolle. Wochen später, als die Amerikaner seine Wikileaks-Domain sperrten, gab Assange über Twitter bekannt, dass man neu die Domain www.wikileak.ch nutzen sollte. Die Adresse war auf meinen Namen regis- triert. An jenem Tag bestellte ich mir gegen Mittag mit grossem Hunger eine Pizza. Bis zum Abend hatte ich keinen Bissen davon gegessen. Kaum nahm ich ein Stück in die Hand, unter- brach mich das Telefon. Von «Al Jazeera» bis «New York Times»: Alle wollten mit dem vermeintlichen Gewährsmann von Assange reden. Mir blieb keine Wahl, als die Anfragen zu beantworten, denn sonst hätten die Journalisten geschrieben, ich sei jetzt der neue Betreiber der Site und damit für Wikileaks verantwortlich, was ja kreuzfalsch war. Betreiber war natürlich immer noch Assange. Die ganze Wikileaks-Sache hat der Schweizer Piratenpartei Riesen- schwung gegeben. Digitalpolitik wurde allmählich ernstgenommen. Die Politiker wollten über lange Jahre nicht einsehen, dass nationale Gesetze nutzlos sind, wenn es um Digitalpolitik geht. Die Piraten weck- ten dieses Bewusstsein. Als Präsident der Partei war ich immer wieder auf den Titelseiten von Boulevardmedien, und meine Arbeit- geber – neben meinem Informatik- studium an der ETH arbeitete ich für ein Kommunikationsunternehmen – war zu Recht irritiert. Ausserdem hatte ich keine Zeit mehr für mein Pri- vatleben, vernachlässigte viele andere Aspekte meines Lebens. Eine Bezie- hung ging in der Zeit in die Brüche. Ich kam nie zur Ruhe, konnte nicht los- lassen. Ich wollte wieder Bücher lesen und Klavier spielen. Schliesslich beschloss ich vor drei Jahren, das Prä- sidium abzugeben. Ich mache eine Sache entweder richtig oder gar nicht. So erklärt sich dieser Schritt. Die Piratenpartei Schweiz leistete mit der Wikileaks-Sache einen sehr wichtigen Beitrag zur Debatte, hat es aber nicht geschafft, sich in der Par- teienlandschaft zu etablieren. Grund dafür ist auch, dass sich junge Kräfte in den anderen Parteien dieser The- men angenommen haben. Es wird immer weniger zwischen der on- und offline Welt unterschieden – die Leute beginnen zu begreifen, dass beides zusammengehört. Heute ist mir wichtig, dass ich viel Zeit mit meiner Freundin verbringe. Mit dem Klettern haben wir ein gemeinsames Hobby. Ausserdem sind wir nach Lenzburg gezogen. Die Stadt ist toll: Die Lebensqualität ist hoch, und kulturell ist hier viel los. Klar, kann man behaupten, dass mein Rückzug ins Private egoistisch ist. Ich habe mich tatsächlich entpoli- tisiert. Ich versuche trotzdem, mich zu engagieren. Zum Beispiel bei der Aarauer Sektion des Schweizer Alpin- clubs. Und ich könnte mir auch vor- stellen, irgendwann in die lokale Poli- tik einzusteigen. Bei welcher Partei ich dann wäre, habe ich mir noch nicht überlegt. Der ältere Denis ist schon schlauer als der jüngere. Inzwischen habe ich viele Graustufen entdeckt und akzep- tiere politische Realitäten, an denen hochtrabende Ideale scheitern. Die Sicherheitsbedürfnisse unserer Gesellschaft und die Interessen der verschiedenen Gruppierungen müs- sen ernst genommen werden. Doch die Freiheit im Internet müssen wir mit allen Mitteln verteidigen, denn darauf basieren auch die demokrati- schen Werte unserer Gesellschaft. «Bisschenwas Speziellesmachen, kleineAbenteuer erleben–dasfinde ichbeimReisengut» Claudia Schumacher, 32 Jahre, Autorin Als Berufsanfängerin glaubte ich, man könnte von Luft und Liebe leben. Aber natürlich habe ich bald realisiert, dass man ohne Geld nirgendwohin kommt, schon gar nicht auf eine coole Reise. Und ein Grundmass an Sicherheit ist auch gut. Ich will genug Geld haben. So viel jedenfalls, dass es als Thema in meinem Leben schön im Hintergrund bleibt. Zu den Menschen, die ihren Selbstwert an die Höhe ihres Ver- mögens knüpfen, werde ich nie gehören. Das ist Armseligkeit. Wenn Geld für dich zum Wert an sich wird, solltest du aufhorchen. Klar, kannst du Geld auch anhäufen und dann eines Tages deinen Kindern alles geben, das ist sehr liebevoll. Aber grundsätzlich ist Geld ein Tauschwert. Du musst es ausgeben und solltest dich damit nicht in deinen Bunker zurückziehen, sonst macht es dich steif und alt und hässlich. Ich will grosszügig leben. Mein Geld gebe ich gerne für schö- nes Wohnen, gutes Essen, Reisen, Kultur und Sport aus. Das Teuerste, was ich mir je gekauft habe? Ein Designer-Boxspringbett für rund 5000 Franken. Man schläft darin wie Gott in Frankreich. Das sind so Konsumposten, bei denen ich kein schlechtes Gewissen habe. Schöne Kleidung lässt mich zwar nicht kalt, aber da wird’s schon kniffliger mit der ganzen, moralisch versauten Fast Fashion. Die neuen Kleidungsstücke, die ich mir dieses Jahr zugelegt habe, kann ich an einer Hand abzählen. Ich versuche jetzt zum Beispiel auch, Pflegeprodukte ohne Mikroplastik zu kaufen. Neulich hat mir eine Freundin einen Link zu einer biologisch abbau- baren Zahnbürste geschickt. So Sachen sind doch spannend. Die dre- ckigen Meere machen mich traurig, und die ungesunden Tiere darin noch mehr. Womit wir beim Thema Ernäh- rung wären: Ich esse seit ein paar Monaten vegan. Ist gesünder für mich. Für den Planeten sowieso. Was das Reisen angeht, bin ich gerne ein- Steht zum «Selbst­ verwirklichungstrieb»: Claudia Schumacher.
  • 17. 176. Januar 2019 | NZZamSonntag mal dekadent und checke in einem Luxushotel ein, wenn der Anlass passt. Aber ich reise auch mit Ruck- sack. In einer All-inclusive-Anlage am Strand findet man mich sicher nicht. Ich suche die Reiseroute und alles mit Freunden im Internet raus. Und dann schlafen wir in Airbnbs und kommen rum. Bisschen was Spezielles machen, kleine Abenteuer erleben, so etwas finde ich beim Reisen gut. Mit einer Freundin will ich nächsten Sommer bei einer Nonna in der Toscana kochen lernen. Was gibt’s Besseres als selbstgemachte Pasta und Brunello? Wir haben schon geschaut: Es gibt auch vegane Nonnas. Mit meinem Freund will ich unbedingt einmal den John Muir Trail in der Sierra Nevada machen, so into-the-wild-mässig. Da bist du mehr als zwei Wochen unter- wegs, in einer irre schönen Natur, musst dein Essen vor den Bären ver- stecken und vor allem: ohne Internet überleben. Luxus ist für mich: Zeit mit meinen Liebsten. Klingt nach Postkarten- Kitsch, ist aber wahr. Ich arbeite gerne und viel, liebe das Schreiben, habe so einen Selbstverwirklichungstrieb. Und wenn ich einmal nicht arbeite, bin ich beim Sport, koche oder hänge wie ein Junkie an meiner Mindful- ness-App, damit ich mich entspanne und nicht die volle Ladung des Adre- nalins, das ich so über den Tag hinweg produziere, an meinem Umfeld ablasse. Selbstoptimierung klingt zwar irgendwie nicht sympathisch, aber eigentlich ist es genau das. Man will ein guter Mensch sein, der ein gutes Leben führt. Und ich kann mit meinem Lifestyle auch behaupten, ganz happy zu sein. Neulich habe ich mit meinem bes- ten Freund darüber gescherzt, was wir Millennials unter Liebe verstehen: Liebe ist, wenn man sich gegenseitig bei der Selbstoptimierung unter- stützt. Und das Liken der Beiträge des anderen auf Facebook, Instagram und Twitter. Aber das ist natürlich selbst- ironisch. Unsere Liebe ist genauso verwirrend und herzzerreissend wie die jeder anderen Generation. Ich glaube total an die grosse Liebe. Ich glaube sogar, ein Glückskind zu sein und sie gefunden zu haben. Jetzt muss ich sie nur noch halten – was ja die eigentliche Herausforderung ist. In der Liebe war ich immer alt- modisch. Sex ohne Liebe ist für mich zum Beispiel reizlos. Weshalb das Konzept «offene Beziehung» für mich auch keinen Sinn macht. Wenige Freunde von mir haben es probiert. Es war der Anfang vom Ende. Klar stimme ich ab, wenn Wahlen sind. Ich bin in einer Zeit aufgewach- sen, in der Demokratie absolut gesetzt und selbstverständlich war wie Meg Ryan und Tom Hanks im Samstag- abend-TV. Dass heute überall im Wes- ten ernstzunehmende, antidemokra- tische Kräfte wirken, ist wahnsinnig gruselig. Und seit Trump Präsident der USA ist, braucht auch keiner mehr zu fragen, wofür wir noch den Femi- nismus brauchen. Ich engagiere mich in meinen Texten und auf Twitter für eine liberale Gesellschaft, in der nie- mand wegen seines Geschlechts, sei- ner Hautfarbe oder sexuellen Orien- tierung benachteiligt wird. Ins Kino oder in Kunstausstellun- gen gehe ich gerne. Aber vor allem liebe ich es, zu lesen. Viel davon auf dem Handy, auch die Bücher. Einmal habe ich nachgezählt und kam zu dem Ergebnis, dass ich 51 Romane in einem Jahr gelesen habe. Ein bisschen ein triebhaftes Leseverhalten. Wenn wir von Kultur reden, muss da aber auch Netflix mit rein. In letzter Zeit streame ich zum Beispiel viel Stand-up- Comedy von Frauen. Was meine Spiritualität betrifft, haben mich Yoga und Achtsamkeits- lehre sicher beeinflusst. Wenn ich viel Stress habe, versuche ich, bewusst auf meine Atmung zu achten. Dankbar- keit den Menschen und dem Leben gegenüber, finde ich zentral. Wo ich wahrscheinlich nicht zeitgeistig bin: Ich verstehe mich als Christin, immer noch, auch wenn ich nicht mehr regelmässig in die Kirche gehe wie als Kind. Ich bin halbwegs bibelfest und würde diese kulturelle und religiöse Prägung nicht missen wollen. Drogen nehme ich keine. Aber würde meine Mutter nicht die «NZZ am Sonntag» lesen, dann gäbe ich jetzt vielleicht zu, dass ich schon mit dem Gedanken gespielt habe, einmal aus Neugier etwas auszuprobieren. Allerdings hab ich auch schon bis um elf Uhr morgens im Berliner «Berg- hain» getanzt, vielleicht als Einzige nicht auf Drogen, und es war trotz- dem mega. Ich glaube, ich habe eine körpereigene Rauschbegabung. «Ichhabekeinen Masterplanim Leben.Ichglaube einfach,dassalles gutkommt» Nicola Roten, 36, Gründerin von «Vision Guatemala» «Zu Hause» wird überschätzt. Dieses Konzept kenne ich nicht. Was nicht heisst, dass ich das Gefühl von Heimat nicht kenne. Meine Heimat ist überall dort, wo mein Leben stattfindet. Mein Arbeitsort ist vorwiegend in Guate- mala, doch meine fünfjährige Tochter und ich sind momentan in der Schweiz, wo ich nach finanziellen Partnern für meine Organisation suche. In Guatemala fühle ich mich genauso zu Hause wie in der Schweiz. «Du hast doch ein Kind, das braucht Wurzeln», kommentieren die Leute mein Leben zwischen den Kulturen manchmal. Doch meine Tochter hat sehr wohl Wurzeln. Sie hat mich, ihre Mutter an ihrer Seite, und sie hat einen starken Bezug zu ihren Gross- eltern, die hier in der Schweiz leben. Es sind Wurzeln, die nicht nur an einem bestimmten Ort verankert sind. Von den Millennials sagt man, dass sie idealistischer seien als die Generatio- nen davor, mit ihrem Beruf nicht nur Geld verdienen, sondern auch etwas Sinnvolles leisten wollen. Das macht aus mir wohl einen typischen Vertre- ter meiner Generation. Dass ich meine Existenz in den Dienst eines höheren Zwecks stelle, war für mich immer schon klar, ohne dass ich aktiv eine Entscheidung dafür getroffen habe oder irgendwas geplant hätte. Im Jahr 2010 habe ich meine Orga- nisation «Vision Guatemala» gegrün- det und angefangen, Mikrokredite zu vergeben an Frauen, die ihr eigenes Unternehmen gründen wollen. Von den Frauen verlangen wir unter ande- rem, dass sie ihre Geschäftstätigkeit genau dokumentieren und ihre Aus- gaben und Einnahmen belegen. Wir sind kein Hilfswerk. Das wichtigste Grundprinzip meiner NGO war von Anfang an die Selbständigkeit: Die Organisation soll Menschen dazu inspirieren, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und nicht in der Opferrolle zu verharren. Hilflosigkeit ist oft selbsterlernt. Aus dieser Hal- tung kann man sich als aufgeklärtes Wesen wieder befreien. Doch dazu braucht es Bildung und die Freiheit, Gelerntes anwenden zu können. Die Wirkung meiner Methode kon- trolliere ich regelmässig nach wissen- schaftlichen Kriterien. Von allen Teil- nehmerinnen, die je unser Programm durchlaufen haben, haben 90 Prozent noch heute ein funktionierendes Unternehmen. Die Rückzahlungs- quote der Kredite beträgt 100 Prozent, was sicher ungewöhnlich ist in der Branche. Stolz macht mich, dass meine Mitarbeiter nicht mehr auf meine Anwesenheit angewiesen sind. Wenn ich der Schweiz bin, läuft der Laden ohne mich. Was die Liebe angeht, so habe ich eine feste Vorstellung davon, wie eine funktionierende Partnerschaft aus- sehen muss. Es braucht gegenseitiges Vertrauen, man muss sich beiderseitig in Ruhe lassen können, damit jeder wachsen kann an der Seite des ande- ren, ohne besitzergreifend zu werden. Wenn man sich liebt, dann steht man sich nicht im Weg. Man kann unend- lich wachsen. So eine Beziehung hatte ich, bevor ich nach Guatemala zog, um meine Organisation zu gründen. Die Erfahrung von damals hat einen Stan- dard gesetzt. Weniger will ich nicht. Den Vater meiner Tochter habe ich in Guatemala kennengelernt. Er hat darunter gelitten, dass meine Organi- sation wuchs. Mein Erfolg störte ihn. Eifersüchtig auf jeden, den ich bei der Arbeit kennenlernte, forderte er mehr Raum für sich, als ich ihm geben konnte oder wollte. Unsere Trennung war zwangsläufig. Meine Tochter ist mitten in der Gemeinschaft aufge- wachsen. Ich habe sie die ersten zwei Jahre pausenlos auf mir herumgetra- gen und weitergearbeitet. Existenz im Dienst eines höheren Zwecks: Nicola Roten.
  • 18. 18 NZZamSonntag | 6. Januar 2019 «Wenn ich ganz ehrlich bin, ist es mir zu Hause am wohlsten»: Tonja Kaufmann, Politikerin CHARLESGULLUNG/PLAINPICTURE
  • 19. 196. Januar 2019 | NZZamSonntag Ich wurde 1982 in Colombo, Sri Lanka, geboren. Als ich wenige Wochen alt war, haben mich meine Adoptiveltern in die Schweiz geholt. Aufgewachsen bin ich im Hinter­ thurgau. Später haben meine Eltern noch zwei Kinder aus Sri Lanka adop­ tiert. Meine Geschwister und ich waren immer die einzigen dunkel­ häutigen Kinder im Dorf. Ich habe mich aber nie fehl am Platz gefühlt. Wenn mich andere Kinder ausgelacht oder aus dem Spiel ausgeschlossen haben, war es am Ende immer so, dass sie sich bei mir entschuldigt haben. Mir taten diese Kinder eher leid, denn von meinen Eltern hatte ich die Ein­ stellung mitbekommen, dass wir alle Teil einer Weltgemeinschaft sind – egal, wie unterschiedlich wir auch aussehen. Ich fühlte mich privilegiert und bedauerte diese Kinder für ihr Unwissen und ihren beschränkten Horizont. Von meinen Eltern habe ich dieses Urvertrauen mit auf den Lebensweg bekommen. Alles ist gut, so wie es ist. Dieses Gefühl war entscheidend für mein ganzes Leben. Obwohl ich mich akzeptiert gefühlt habe in diesem Dorf im Hinterthurgau, so war für mich immer klar, dass ich von dort weg­ wollte. Für mich war es immer beruhi­ gend zu wissen, dass ich eine gute Ausbildung bekam, studieren würde und mir dieser Hintergrund ermög­ lichen würde, von diesem Ort wegzu­ ziehen. Als ich mit Zug und Postauto in die Kantonsschule nach Frauenfeld pendeln durfte, bedeutete das für mich nicht weniger als die erste Hori­ zonterweiterung in der Fremde. Später bin ich nach Sri Lanka gereist, um nach meiner leiblichen Mutter zu suchen. Meine Adoptiv­ eltern haben mir immer versprochen, dass sie mich bei der Suche unterstüt­ zen würden. Ihre Bedingung aber war, dass ich selbst ins Flugzeug steigen und in die fremde Kultur reisen müsse. Die Suche nach meiner Mutter war ein riesiges Abenteuer mit vielen Wendungen und Überraschungen. Ich habe auf dieser Reise einen weiteren Teil meiner Wurzeln gefunden. Geld ist mir nur insofern wichtig, um meine Organisation am Laufen zu halten. Wenn ich in der Schweiz bin und wichtige Termine habe, kaufe ich mir businessmässige Kleidung im Secondhand­Laden und wohne für wenig Geld bei Freunden, um zu spa­ ren. Meinen Lohn habe ich bei der Gründung meiner NGO nie mitein­ gerechnet. Das mag ja gehen, wenn man allein ist. Jetzt aber bin ich Mut­ ter und muss eine Tochter gross­ ziehen. Ich gestehe mir erst seit kurzem richtig ein, dass ich mehr für die finanzielle Zukunft hätte vor­ sorgen müssen. Wo siehst du dich in zehn Jahren? Auf solche Fragen konnte ich noch nie eine Antwort geben. Ich hatte nie einen Masterplan für mein Leben. Ich mache immer kleine Schritte in irgendeine Richtung. Ich glaube ein­ fach, dass es irgendwie gut kommt. «Esgehtmirgegen denStrich,wennmich jemandnichternst nimmt,weilich eineFraubin» Tonja Kaufmann, 31, Politikerin und Köchin Ich bin kein «Reisefüdle». Klar, gehe ich ab und zu gerne in die Ferien. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, ist es mir zu Hause am wohlsten. Ich lebe in Hausen im Kanton Aargau, nur wenige Kilometer von dem Ort ent­ fernt, in dem ich aufgewachsen bin. Hausen liegt in der Agglo, ist also gut erschlossen, hat aber gleichzeitig viel Naherholungsgebiet. Die Natur habe ich also quasi vor der Haustüre, meine Freunde und Familie leben nur ein paar Autominuten entfernt. Die Gemeinde zählt 3600 Einwohner. Hier kennt man sich, hält ein Schwätz­ chen, wenn man sich begegnet. Das gibt es in einer grossen Stadt nicht. Dieser Kontakt würde mir fehlen. Meine politische Laufbahn begann, als ich 17 Jahre alt war. Politisiert haben mich meine Erfahrungen im Ausgang. In der Brugger Altstadt, wo meine Freunde und ich häufig aus­ gingen, gab es immer wieder Pro­ bleme mit Schlägereien. Wir gerieten in diese Auseinandersetzungen hin­ ein, ob wir nun wollten oder nicht. Immer wieder kam es zu Ausschrei­ tungen zwischen – ich sag jetzt ein­ mal – normalem Publikum und jun­ gen Ausländern. In meinem Freun­ deskreis gab es drei Lager: Die einen gingen nicht mehr in den Ausgang, um sich Probleme zu ersparen. Ein anderer Teil mischte sich ein und machte bei den Schlägereien mit. Ich gehörte zum dritten Lager, das sich entschied, politisch gegen die Pro­ bleme vorzugehen. Aus meiner Sicht ist es so, dass es Leute aus anderen kulturellen Räu­ men gibt, die unsere Kultur zu wenig kennen oder sich zu wenig an sie anpassen wollen. Zum Beispiel ist das Frauenbild anders. Doch meine Mut­ ter hat mich und meine Schwester zu selbstbewussten jungen Frauen erzogen. Es geht mir gegen den Strich, wenn ich nicht ernst genommen werde, weil ich eine Frau bin. Die SVP ist die einzige Partei, die sich der Ausländerpolitik wirklich annimmt und eine restriktive Haltung vertritt. Auch die Autonomie der Gemeinden und deren Finanzhoheit sind Schwerpunkte der SVP. Deshalb ist sie immer noch die richtige Partei für mich. Auch mein beruflicher Hintergrund beeinflusst meinen poli­ tischen Kompass. Mir sind das Ver­ hindern von «Food­Waste» und die «Nose­to­tail­Verwertung» wichtig. Meine Kochlehre schloss ich mit 18 Jahren ab. Etwa ein Jahr lang arbeitete ich in einem Grossbetrieb. Wir haben 2000 Portionen pro Tag produziert und monatlich 2,7 Tonnen Lebens­ mittel verarbeitet. In diesem Betrieb war ich als Frau die Ausnahme. Eigentlich hatte ich nie ein Problem damit, dass meine Autorität als Sous­ chef nicht akzeptiert wurde. Ausser einmal, als zwei Mitarbeiter mich aus religiösen Gründen als Vorgesetzte ablehnten. Sie waren muslimischen Glaubens. Die Gastronomie hat tradi­ tionell einen hohen Ausländeranteil. Ich habe Arbeitskollegen, die keinen Schweizer Pass haben, aber integriert sind. Die frage ich jeweils nach Rezep­ ten aus ihrer Kultur. Diese Neugier gehört für mich dazu. Im letzten Grossratswahlkampf habe ich bewusst auf Plakate mit mei­ nem Kopf darauf verzichtet. Dafür habe ich persönlich Flyer und ein Speckzöpfchen verteilt. Das Rezept des Speckzopfs ist von mir. Ein sehr persönliches Geschenk, denn es passt zu mir als Köchin. Ich war in jeder Aargauer Gemeinde mindestens einmal und habe mich den Leuten gezeigt, bin Rede und Antwort gestan­ den. Oder ich stand am Morgen vor der Migros oder am Bahnhof und habe Flyer und Zöpfe verteilt. Für die Politik habe ich mein beruf­ liches Pensum reduziert. Seit fünf Jahren sitze ich im Gemeinderat von Hausen und seit fast zwei Jahren im Aargauer Grossrat. Politik ist träge, man arbeitet sich durch Papierberge. Da freue ich mich, wenn Resultate greifbar sind. Zum Beispiel bauen wir in Hausen gerade eine Mehrzweck­ halle mit Gemeindesaal für 14 Millio­ nen Franken. Wenn ich die Baustelle besuche, sehe ich das Resultat meiner politischen Arbeit mit eigenen Augen. Das gefällt mir an der Lokalpolitik. In der Politik hatte ich nie ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil ich eine Frau bin. Mein Alter wurde mir schon eher vorgehalten. Obwohl mein Grossratsmandat mich fordert, kann ich nicht ausschliessen, dass ich ein­ mal national politisieren werde. Geld gebe ich vor allem fürs Woh­ nen und für mein Auto aus. Mobilität ist wichtig in meinem Leben, mit mei­ nem Terminkalender und meiner Wohnlage bin ich auf das Auto ange­ wiesen. Ich investiere auch ein biss­ chen in mein Auto, ich habe einen Mazda 3 MPS: ein eher sportliches, aber nicht übertrieben grosses Auto. Daneben lege ich etwas Geld auf die Seite. Ich hatte schon früh eine dritte Säule, weil ich wegen meiner politi­ schen Arbeit nur Teilzeit tätig bin. Mein Traum ist es, irgendwann ein Häuschen im Grünen zu besitzen. Wir Millennials haben schon sehr viele Optionen, aber im Gegensatz zur Generation Y sind wir nicht mit der Präsenz von Instagram und Snapchat aufgewachsen. Wir hatten noch keine Handys mit Kameras, die ständig angeschaltet waren – wir haben unsere Jugend in einem geschützten Rahmen verbracht. Von mir existieren keine Fotos in der Öffentlichkeit, die ich lieber nicht mehr sehen würde. Darüber bin ich extrem froh. Lebt lieber ländlich: SVP-Grossrätin Tonja Kaufmann.
  • 20. 20 NZZamSonntag | 6. Januar 2019 StefanBondelisDenkakrobatik Egozentrische Zahlwörter Bei den Zahlwörtern 1 und 9 ordnen wir jedem Buch­ staben die Position im Alphabet zu: A=1, B=2 . . . J=10 . . . Z=26. Dann wer­ den die Lücken mit den Rechenoperationen +, ×, –, : ausgefüllt sowie mit andern mathematischen Symbolen ergänzt, dass die Auswertung den Wert des Zahlwortes selbst ergibt. Der Punkt vor der 5 bedeu­ tet 0.5=½. Wie können die Zahlwerte «übers Kreuz» dargestellt werden? Grosse undkleine Zahl Magisches Quadrat Lösung vom 30. 12. 2018 1. C 2. B Eineinhalb Fünftel ist ein Fünftel plus ein halber Fünftel. Ein Fünftel von 20 ist 4, deshalb ist ein halber Fünftel 2; also insgesamt 6. 3.B Mit einer zusätzlichen roten Hilfslinie wird das grosse Dreieck in vier kleine Dreiecke geteilt. Weil beim grossen Dreieck alle Seiten gleich lang sind, ist bei den kleinen Dreiecken die Grundlinie jeweils gleich lang wie eine halbe, grosse Dreieck­ seite. Ebenso ist die Höhe der vier kleinen Dreiecke jeweils gleich gross. Deshalb sind die Flächen der vier kleinen Drei­ ecke alle gleich gross. Somit beträgt die blaue Fläche ein Viertel des grossen Dreiecks. 4. B Vom zweiten Wort nimmt man den dritten und vierten Buch­ staben, anschliessend vom ersten Wort den ersten und zweiten. Werden die Zahlen von 1 bis 14 nebeneinander geschrie­ ben, entsteht die folgende 19­stellige Zahl: In jedes Feld des folgenden Rasters soll ein Buchstabe so eingetragen werden, dass ein magisches Quadrat entsteht: Waagrecht und senkrecht sollen jeweils dieselben Wörter zu lesen sein. ½ ½ ½ ½ ½ ½ 1 4 5 3 1 2 3 2 4 2 1 5 1 5 1 3 2 4 2 3 12 trinken Champagner 6 nahmen nichts 8 essen Cashewnüsse x D E E E E E F I I N N N N S S U 1234567891011121314 1234567891011121314 10 111 1234567891011121314 92 314 123456789101112131415161718192021222324 E I N S 5 9 14 19 1 N E U N 14( ).5 21 14 9 – – + = – : × = E I N S 5 9 14 19 9 N E U N 14 5 21 14 1 = = Aus dieser Zahl werden 14 Ziffern gestrichen. Die Reihenfolge der Ziffern muss unverändert bleiben. Die kleinste Zahl, die man auf diese Weise erhält ist 10111. Hinweis: Eine Zahl darf nicht mit einer Null beginnen. 4 4 Als grösste Zahl nach Streichen von 14 Ziffern bleibt 92314. Nun schreiben wir die Zahlen von 1 bis 24 nebeneinander. Welches ist die kleinste Zahl, die man erhält, wenn 24 einzelne Ziffern gestrichen werden? 5.C Anschliessend kann man schlangenlinienförmig ORATORIUM lesen (in der Ecke rechts oben beginnend). 6. B Angenommen Jolanda hat 24 Gäste eingeladen. Dann trinken 12 Champagner, 8 essen Cashew­ nüsse, und 6 nahmen weder Champagner noch Nüsse. Mit x bezeichnen wir die Anzahl Gäste, die sowohl Champagner wie auch Cashewnüsse hatten (die Schnittmenge der beiden Ovale). Dann muss gelten: (12–x)+x+(8–x)+6=24. Daraus folgt x=2. Also nahmen 2/24=1/12 sowohl Champagner als auch Nüsse. 7.A Wenn Samuel den Drittschnells­ ten überholt, dann ist er an­ schliessend Drittschnellster. Nach dem Überholmanöver ist Theo anschliessend Vorletzter. Somit ist Samuel Dritter, und zwei Plätze hinter ihm ist Theo an fünfter Stelle. Nach Theo kommt nur noch einer, nämlich der Letzte. Also sind es insge­ samt sechs Läufer. 8. A X = 2×0–1×8 = –8 Y = 2×0–1×9 = –9 9. C Das nächste Datum ist am 20. 1. 19. Es ist 20=1+19. 10. B Suguru Im Punktfeld erscheint die Zahl 19, die neueJahrzahl. In die leeren Felder sind die bei dem betreffenden Ras­ ter angegebenen Ziffern so einzutragen, dass sie in jeder Zeile und in jeder Spalte je einmal vorkom­ men. Zwischen einigen Fel­ Zahlen 1 bis 4: einfach LogischeKniffelei: Futoshiki 3 2 1 1 1 1 2 2 2 2 3 3 3 3 4 4 4 4 Beispiel Lösungdern ist angegeben, ob die Nachbarziffer grösser (>) oder kleiner (<) ist. Die Spit­ ze des Symbols zeigt jeweils auf die Zahl, die kleiner ist. Es ist zum Beispiel 2<5 oder 4>1. Zahlen 1 bis 5: knifflig Zahlen 1 bis 6: schwierig Zur Illustration ein Futoshiki mit den Zahlen 1 bis 4: Wie lautet die grösste Zahl nach dem Streichen von 24 Ziffern? Die folgenden 16 Buch­ staben müssen in den Raster verteilt werden: Dabei sollen folgende Wörter entstehen (in beliebiger Reihenfolge): •entsteht im Kopf •Kreuzblütler •Teil des neuen Jahres •Teil des neuen Jahres
  • 21. 216. Januar 2019 | NZZamSonntag Sudokus In jedes Feld der beiden Zahlen- gitter soll eine Ziffer von 1 bis 9 so eingesetzt werden, dass jede der neun Ziffern in jeder Zeile, in jeder Spalte und in jedem der fett umrandeten 3×3- Blöcke genau ein- mal enthalten ist. Beim zweiten Sudoku muss jede der neun Ziffern auch in den beiden Hauptdiagonalen vorkommen. Einfaches Sudoku Sudoku mit Diagonalen 8 2 4 9 7 5 3 6 1 3 9 6 2 8 1 4 5 7 1 5 7 3 6 4 8 2 9 5 8 3 1 9 7 2 4 6 7 1 2 6 4 8 9 3 5 6 4 9 5 2 3 7 1 8 2 7 5 4 1 9 6 8 3 9 6 1 8 3 2 5 7 4 4 3 8 7 5 6 1 9 2 7 9 1 5 3 8 4 2 6 8 2 6 4 9 1 5 7 3 4 5 3 7 6 2 1 9 8 6 3 5 8 1 9 7 4 2 2 1 4 3 5 7 8 6 9 9 8 7 2 4 6 3 5 1 1 7 8 6 2 4 9 3 5 5 4 2 9 8 3 6 1 7 3 6 9 1 7 5 2 8 4 Lösungvom30.12.2018 Waagrecht: 7 zielender SCHUETZE, Sternbild (nicht Sternzeichen) 10 ZUKUNFT 13 heute, HAEUTE 15 TUGEND 17 «dichte!», die DICHTE 18 NUSS 19 RIESE («Jim Knopf», «Game of Thrones») 20 «CHEERS!» 21 sich SETZEN, Setzen im Poker 23 SKAL («Dinner For One») 24 RAUCH 26 REGELN regeln 28 Kaviar vom STOER 30 RHEIN- fall 31 OUI, franz. ja 32 MAESSI- GEN 33 GLUECK Senkrecht: 1 SCHICKSAL 2 MUEHELOS 3 Marder, Schlange OTTER 4 GETUSCHEL 5 BUGS (Y2K-Bug) 6 ENDE 8 EUTER 9 (Schul-)ZENSUR 10 ZUSEHEN («Dinner For One») 11 Wunder- KERZEN 12 FESTLICH 14 ACHATE mit ach 16 NIE 22 NEUE 25 ARI, Ira 26 RIGA, Lettland mit OEZ 27 GOUT, franz. Geschmack, in Ragout 29 ESA, European Space Agency Lösungvom 30. 12. 2018 2 3 9 8 6 4 5 7 1 4 8 5 1 3 7 2 6 9 7 1 6 9 5 2 3 8 4 1 9 3 2 8 6 4 5 7 6 5 7 4 1 3 8 9 2 8 2 4 5 7 9 1 3 6 5 4 1 6 9 8 7 2 3 9 7 2 3 4 5 6 1 8 3 6 8 7 2 1 9 4 5 8 1 5 9 3 6 4 7 2 4 9 3 8 7 2 1 6 5 7 2 6 4 1 5 3 9 8 3 5 8 7 9 1 2 4 6 1 4 2 6 8 3 7 5 9 6 7 9 2 5 4 8 1 3 5 8 4 1 2 9 6 3 7 9 6 7 3 4 8 5 2 1 2 3 1 5 6 7 9 8 4 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 Waagrecht (J und Y= I): 7 Gipfelempfindung? Jedenfalls weit weg von 11 senkrecht! 11 Ganzer Name hoch- rangigen Flügelträgers, nur der erste vom Hundert-Jahre-Einsam- keit-Thematisierer. 13 Beflügelte – oder aber sinnlich Eingeschränkte. 14 Lockt den Präzisions- freund aufs Winter- wasser. 16 Stets äussert sich der Weise leise, . . . und bedingungsweise (W. Busch). 17 Dressing darf’s gern sein, Meeres Spiegel nicht. 18 Lateiners Merkmal wie abgebrochener Jurist. 20 21-senkrecht-Verwandter – zur Untermalung von Versöhnungsfesten? 23 Manches tut’s, weil’s alt ist, manches ist’s, weil’s neu ist. 24 Arbeitet speicherstark im E-Hirn. 25 Teilnahme an solchem Slalom: auch Standard- massinhabern gestattet. 26 . . . besteht darin, Gelegenheiten wahrzu- nehmen (chinesisches Sprichwort). 28 Nach Halb-und-halb- Behandlung: Sortieren von Gross und Klein. 29 Das Gewissen spricht, aber der . . . schreit (J. A. Petit-Senn). Senkrecht: 1 Ein Eigenstandbein in der Welt des Freiheitsdrangs. 2 Mongoleinöde. 3 So die Haltung der Her- aushaltungsüberzeugten. 4 Fetter Anteil an der Vergangenheitssehn- sucht. 5 Wahltags für Stimmen bestimmt. 6 Wo kein Gehorsam ist, kann auch kein . . . bestehen (Sprichwort). 8 Serviert mit Imitatkraft, garniert mit Augen- zwinkern. 9 Könnte der Arzt meinen, wenn er scherzt: Wir haben ein Problem. 10 Führt bei 28 waagrecht zur Lösung. 11 Stil manchen Märchens? Auf der Smiley-Skala weiter unten! JostStegrathsQuerdenker 12 Sorgen in Eiszeiten für so was wie ein Dach über dem Kopf. 14 Einer erzählte von Copperfield, einer er- klärte die Entstehung der 19 senkrecht. 15 Altgriechisch anmuten- der Asienküsten- abschnitt. 19 Kopflose Geduldsübung? Ende des Beginnens? Schutzbedürftige zuhauf! 21 Keine pfeift grösser. 22 Mass für Kaufmanns Reichtum in Kaisers Reich. 27 Zürcher sind schnell dort, z.B. mit ihm. Chiffre Die Symbole einer fremden Schrift stehen für die Buchstaben unseres gewohnten Alphabets, gleiche Zei- chen jeweils für gleiche Buchstaben. Entschlüsseln Sie die Geheimschrift, und entdecken Sie auf diese Weise ein Zitat von Johann Peter Hebel. Lösung vom 30. 12. 2018: Wir sollen nur tiefer und wunderbarer hängen an dem, was war, und lächeln: ein wenig klarer vielleicht als vor einem Jahr.
  • 22. 22 NZZamSonntag | 6. Januar 2019 Sie heiraten bald? Dann melden Sie sich bei uns! zuza.speckert@nzz.ch Tel. 076 446 01 99 Andreas Grunder und Miroslava Dinic. «Man muss die Frau erobern mit etwas, was man gut kann»: German Alyshev und Ronja Bosshard. Ronja Bosshard und German Alyshev Ronja und German haben sich am 22.Dezember 2018 im Zürcher Stadthaus das Jawort gegeben. Die Braut wurde im Zür- cher Oberland gross. Einige Tage vor der Hochzeit hat die Sopranistin ihren Mas- ter in Music Pedagogy and Performance an der Zür- cher Hochschule der Künste erlangt. Der Bräuti- gam ist Russe. Er wuchs in der Nähe von Wladiwostok in Ostsibirien auf und stu- dierte Klavier-Pädagogik. Seit 2014 lebt er in der Schweiz. In der ZHdK ab- solviert er den Master in Klavier-Pädagogik, kom- poniert und arbeitet als Chordirigent und Organist. November 2015. In einer Probepause an der ZHdK stellt eine ukrainische Kommilitonin Ronja Ger- man, den kommunikativen Russen, vor. Der startet sofort eine Charme-Offen- sive. Ronja ist beeindruckt. Auch, weil der junge Mann nach nur einem Jahr in der Schweiz perfekt Deutsch spricht. Man verabredet sich und lernt sich schnell besser kennen. German komponiert für seine Angebetete Lieder. Als Ronja eines Tages eine Riesen-Schokolade mit dem von Hand gegossenen Liebes-Akkord in E-Dur geschenkt bekommt, funkt es auch bei ihr. Nicht nur die aufwendige Geste berührt Ronja, sondern auch Germans Musik. «Man muss die Frau seines Herzens mit etwas erobern, das man gut kann. Und komponieren kann ich», so der Bräutigam. Diese Weisheit hat ihm sein Vater beigebracht. Seit März 2016 sind die beiden ein Paar. Der Heiratsantrag im Mai 2018 ist filmreif. Der Musiker schenkt seiner Freundin einen riesigen Blumenstrauss. Wortlos. Im Kelch einer der Lilien steckt der Verlobungsring. Aus Fair-Trade-Gold! Die reine Liebe muss von rei- nem Gold gekürt werden, findet German. Und so betritt auch die Braut das Trauzimmer in reinstem Blütenweiss. Bereits am Abend des Hochzeitstages fühlen sich die Frischver- mählten irgendwie anders. «Wir sind jetzt richtig ver- heiratet, jetzt gilt’s ernst», das spüren beide. Und versprechen einander um zwei Uhr morgens, dass sie – obwohl beide sehr beschäftigt sind – ab sofort mehr Zeit miteinander verbringen wollen. Miroslava Dinic- Perisic und Andreas Grunder Miroslava Dinic-Perisic, 56, und Andreas Grunder, 62, haben am 22.Dezember 2018 im Zürcher Stadthaus geheiratet. Die Braut kam in Nis in Serbien zur Welt und wurde zuerst in der Schweiz, dann in Serbien gross. In Nis besuchte sie das Gymnasium und eine Kunsthochschule, später bildete sie sich zur Homöo- pathin in Belgrad aus. Heute holt die Braut in Zürich das Diplom zur Naturheilpraktikerin nach. Miroslava ist Witwe und hat zwei Kinder. Der Bräu- tigam wuchs in Basel, Neuenburg und Fehraltorf auf. An der ETH Zürich stu- dierte er drei Semester Physik. Heute ist er als Informatiker für eine Schweizer Grossbank tätig. Aus erster Ehe hat Andreas vier Kinder. Nachdem sich Andreas und Miroslava im Septem- ber 2017 übers Internet kennengelernt haben, tref- fen sie sich schon bald in der Hummerbar des Ho- tels St. Gotthard. Er sehe wie James Bond aus, schreibt Andreas, Miro- slava werde ihn erkennen. Vier Stunden dauert das erste Date. Andreas hat noch nie eine Frau getrof- fen, mit der er so tiefe Gespräche hätte führen können. «Ich hatte das Gefühl, Miroslava habe dieselben sechshundert Bücher gelesen wie ich.» Vor Rührung steigen ihm Tränen hoch, die sie als «Augenproblem» dekla- riert. Miroslava gefällt Andreas zwar gut, doch von einem 007-Agenten ist er weit entfernt. «Du soll- test dich besser anziehen, wenn du James Bond sein willst», rät sie ihm. Das leuchtet Andreas ein, er weiss, dass er ein eher ver- geistigter Typ ist, der nicht viel Wert auf sein Äusseres legt. Noch am selben Abend schickt er Miroslava deshalb eine SMS: «Wollen wir mich neu einkleiden gehen?» Das zweite Date ist eine Shopping-Tour, bei der Andreas umgestylt wird. Seine Kollegen erkennen Andreas in sei- nem neuen Outfit kaum mehr, sie staunen. Beim dritten Treffen ist bereits von Heirat die Rede. Sobald Andreas’ Scheidung durch ist, wol- len sie es tun. Beim vierten Treffen besucht man die Eltern. Die Mutter, die einen nach einer Minute entweder liebt oder hasst, ist vom ersten Moment an von Andreas begeistert (und Andreas von ihr). Beim nächsten (fünften) Treffen wird unser Paar in einem Rolls-Royce zu den Swiss Indoors nach Basel gefahren, wo man sich den Tennismatch Federer gegen Cilic ansieht. Nach der Ziviltrauung essen die Frischvermähl- ten im Kreis der Familie im Restaurant Föhrewäldli zu Mittag. Und im nächsten Sommer findet noch die kirchliche Trauung in einem Kloster in Monte- negro statt. Zuza Speckert Justmarried 22
  • 23. 236. Januar 2019 | NZZamSonntag Events Thomas Zeltner «Ichbehaupte,schweizweit gibteszehnPersonen,diedas gesamteGesundheitssystem verstehen.»Gitti Hug, Co-Präsidentin Alumni Seniors Chapter, und Zürcher Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger. Urs Landolf, Präsident HSG Alumni. Christoph Franz, Verwaltungsratspräsident von Roche. Alain Bandle, Co-Präsident Alumni Seniors Chapter. Otto C. Honegger (l.), Ex-Leiter SRF-Dok-Redaktion, und Ex-Direktor Medical Centers Leukerbad, Hans Spring. Tagungsleiter Max Becker. Jutta Nixdorf und Bertold Müller. V. l.: Rudolf Minsch, Willy Oggier und Thomas Zeltner. Thema beim fünften Treffen der «Ehemaligen» der Hoch- schule St. Gallen im «Lakeside» in Zürich war die Digitali- sierung des Gesundheitssystems. Der Moderator, die Podiumsteilnehmer und die Referenten waren alle klug und witzig. Christoph Franz (VR-Präsident Roche) ist Befürworter der Digitalisierung. Patienten würden eine aktivere Rolle spielen, Ärzte effizienter arbeiten können. Vorausgesetzt natürlich, dass die Kassen den «gläsernen Patienten» nicht bestrafen. Ärztin Brida von Castelberg forderte dieselbe Software für alle Spitäler, und Gesund- heitsexperte Thomas Zeltner ein Gesundheitssystem, das primär Gesundheit produziert und dafür sorgt, dass Krankheiten nicht im finanziellen Desaster münden. Wollen wir den digitalen Patienten? HSG-Alumni-Treffen Von Zuza Speckert Von links: Brida von Castelberg (Vizepräsidentin Patientenvereinigung), Daniel H. Schmutz (CEO Helsana), Andrea Rytz (CEO Schulthess Klinik).
  • 24. Nächsten Sonntag im Magazin «Stil» Das Magazin «Stil» als wöchentliche Beilage in der «NZZ am Sonntag» gibt es am Kiosk oder bequem im Abonnement. Jetzt bestellen: abo.nzz.ch, leserservice@nzz.ch oder Telefon 044 258 10 00. Lugano (TI), 30. Dezember 2018. (Didier Ruef) SonntagnachmittaginderSchweiz Impressum: Chefredaktion: Luzi Bernet (lzb.), Ressortleitung: Christoph Zürcher (cz.), Art Direction: Björn Vondras, Verlag: NZZ am Sonntag, Gesellschaft, Postfach, 8021 Zürich Weisse Jahreszeit Phönix aus dem Schnee Porzellan, Tel Aviv, weisse Mode-Klassiker und Weisswein – eine «bunt» gemischte Ausgabe in der Farbe des Winters Der Skibetrieb von Crans-Montana stand 2018 kurz vor dem Aus – trotz idealen Bedingungen. Ein winterliches Loblied NZZ am Sonntag 13. Januar 2019 The White Album* Die hellste aller Farben ist alles andere als farblos NZZ am Sonntag 13. Januar 2019