1. Chancen nutzen – Soziale Arbeit und
digitale Medien.
Skript des Vortrages von Hans Karl Schmitz auf dem
Forum 13 des DVSG-Bundeskongresses 2013 »Soziale
Arbeit im Gesundheitswesen : Netzwerke stärken Kooperationen leben« der Deutsche Vereinigung für
Soziale Arbeit im Gesundheitswesen e.V. am
11.10.2013.
Wollen Sie einmal sehen, wie das Digitale aussieht?
Hier ist die Vernetzung verschiedener Computer
graphisch dargestellt.
Das könnte auch eine Landkarte unseres Gehirns sein –
oder eine Landkarte der Vernetzungen unter
Sozialarbeitern.
http://en.wikipedia.org/wiki/File:Internet_map_1024.jpg CC
BY 2.5 The Opte Project
Bundesarchiv, Bild 194-0837-06A / Lachmann, Hans / CCBY-SA (http://creativecommons.org/licenses/bysa/3.0/de/deed.en), via Wikimedia Commons
Soziale Arbeit hinkt der Digitalisierung hinterher.
• Die Meisten kennen sich besser mit digitalen
Medien aus, als Mitarbeitende Sozialer Arbeit.
• Das Internet ist längst ein relevanter Sozialraum
– in dem der Sozialarbeiter allerdings meistens
fehlt
• Möglichkeiten und Chancen der digitalen
Medien in der Praxis Sozialer Arbeit sind nicht
systematisch dargestellt und ausgelotet
• Es gibt nur wenige gute Beispiele oder
Evaluationen
• Die aktuelle Fachliteratur bietet nur Fragmente
und keinen Überblick über das Thema
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2. Lassen Sie mich eine Distanzposition einnehmen und
mit einem Rückblick beginnen:
Die Ergebnisse von 200 Jahren Sozialer Arbeit und 200
Jahre Aufklärung: Leibeigenschaft und Sklaverei sind
abgeschafft. Es gibt Frauenrechte, Behindertenrechte,
Kinderrechte, Menschenrechte, Bürgerrechte. Wir
haben einen Sozialstaat, Sozialgesetzgebung,
Pressefreiheit, Wir leben in einer Demokratie. Das
haben wir ganz gut hin bekommen, darauf können wir
stolz sein.
Springen wir jetzt ins Jahr 1989
Das Ende der Welt, die mit den Polen "Ost – West"
beschrieben wurde.
Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts
bekommt die gesellschaftliche Entwicklung nahezu
zeitgleich zwei Schübe unabsehbaren Ausmaßes:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mauer_nahe_Reichst
ag.jpg GNU Free Documentation License
(1) Das Ende der bipolaren Welt (Kommunismus vs.
Kapitalismus) liberalisiert den Welthandel und
demontiert die Gestaltungsmacht der Staaten: "Im
Rahmen einer globalisierten Wirtschaft können
Nationalstaaten die internationale Wettbewerbsfähigkeit
ihrer 'Standorte' nur auf dem Wege der
Selbstbeschränkung staatlicher Gestaltungsmacht
verbessern; das rechtfertigt 'Abbau'-Politiken, die den
sozialen Zusammenhalt beschädigen und die
demokratische Stabilität der Gesellschaft auf eine harte
Probe stellen." (Habermas1998:82)
Das führt zu gesellschaftlichen Verwerfungen:
Präkarisierung, soziale Schieflagen, Exklusion, etc.
Das Sozialwesen muss nicht nur zunehmend
Verwahrlosung bekämpfen, sondern verwahrlost selbst:
• Soziale Arbeit verkommt zu Sozialem
Wirtschaften – Helfen ist dann nicht mehr
Handlungszweck. Helfen wird zum Mittel, um
die eigenen Stellen abzusichern
• Soziale Arbeit wird zunehmend ein
Niedriglohn-Sektor
(2) Kommunikationstechnik wird durch den Abbau der
Monopole für Kunden zunehmend preiswerter, das
Internet wird bereichert durch das "World Wide Web",
der Informationsfluss explodiert, die Kosten für globale
Kommunikationsakte streben gegen Null.
Die Informationstechnik bietet unserer Profession
Chancen zur Kooperation, zum Lernen und zum
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3. Wissensmanagement, die vorher undenkbar waren.
Die Krise der Sozialen Arbeit hat einen Namen: NeoLiberalismus.
•
•
Die Soziale Arbeit wird zunehmend
ökonomisiert
und das Soziale wird zu Markte getragen
»Das Ökonomische okkupiert einen gesellschaftlichen
Bereich, dessen Tätigkeit bislang dort einsetzte, wo die
Auswirkungen des Ökonomischen auf die privaten
Lebensverhältnisse der Menschen nicht akzeptiert
werden können und es der unmittelbaren— nicht mehr
marktgesteuerten Hilfe bedarf.« Grams@Wilken2000
Das Zauberwort der Ökonomen lautet: Effizienz. Ihr
Imperativ lautet: Erledige die Dinge schneller, besser,
billiger, etc.
Dieses Bild erzählt eine Geschichte:
Ein Waldarbeiter versucht, einen Baum mit einer
stumpfen Säge zu fällen. Auf den Rat hin, doch die
Säge zu schärfen, erwidert er: »Keine Zeit, ich muss
den Baum fällen!«
Schneller oder kräftiger zu sägen, das ist effizient.
Die Säge zu schärfen wäre effektiv.
http://www.flickr.com/photos/michaelpollak/6908863360/
Michael Pollak CC BY 2.0
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4. Die Frage nach der Effektivität unseres beruflichen
Handelns lautet: Mache ich die richtigen Dinge? Diese
Frage ist letztendlich eine moralische Frage.
Der Tugendethiker Aristoteles fordert auf zu rechter
Anschauung und rechtem Handeln, also dazu, Theorie
und Praxis der Sache angemessen zu nutzen. Der Sache
angemessen, nicht den leeren Kassen angemessen. Hier
ist also unsere Professionsethik und unser
Professionswissen gefragt.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Aristotle_Alte
mps_Inv8575.jpg Public Domain
Gehen wir noch einmal zurück zum Jahr 1989:
Am 13. März 1989 wurde von Tim Berners-Lee die
Festlegung der Beschreibungssprache HTML
veröffentlicht. Zusammen mit dem Hypertext Transfer
Protocol (HTTP) bilden sie das Fundament für das
World Wide Web.
CC BY 2.0 Paul Clarke
(http://creativecommons.org/licenses/by/2.0), via
Wikimedia Commons
Dieses Startdatum des World Wide Web ist ein
Kristallisationspunkt, ein Umschlagpunkt. Die
Richtung wechselt und neue Wege werden beschritten.
In ein paar hundert Jahren werden die Schulkinder
vielleicht lernen (neben »333 – bei Issos Keilerie«):
»1989 – Ende der industriellen Revolution und Beginn
der digitalen Revolution.«
http://en.wikipedia.org/wiki/File:Internet_map_1024.jpg CC
BY 2.5 The Opte Project
Globalisierung
nachindustrielle Gesellschaft
Wissensgesellschaft
Es gibt ähnliche Schlagwörter: Globalisierung – hier
kommen wirtschaftliche Liberalisierung und
Digitalisierung zusammen: Eine E-Mail ans andere
Ende der Welt kostet so gut wie nichts und dauert
vielleicht eine Sekunde. Und globale Märkte sind
Gespräche, Kommunikationsakte. Ohne Digitalisierung
würde Globalisierung nicht so beschleunigt
funktionieren.
»Die nachindustrielle Gesellschaft ist in zweifacher
Hinsicht eine Wissensgesellschaft: einmal, weil
Neuerungen mehr und mehr von Forschung und
Entwicklung getragen werden ... ; und zum anderen,
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5. weil die Gesellschaft ... immer mehr Gewicht auf das
Gebiet des Wissens legt.« [Bell1989:219].
Soziale Arbeit und Wissen!? – Als Sozialarbeiter sind
wir Berater. Beratung ist in hohem Maß von Wissen
abhängig. Beratung benutzt Wissen und erzeugt im
Vollzug neues Wissen. Es ist nicht so, dass wir nur viel
Wissen gebrauchen: das betriebliche Praxis-Wissen
wird andauernd aktualisiert und umgebaut.
Wissensmanagement ist nicht das Füllen von
Datenbanken (-gräbern), sondern Lernmanagement.
Lernen und Arbeiten ist nicht zu trennen.
Wie organisieren Sie persönlich ihr Lernen und
Wissen? Wie organisiert ihre Einrichtung Lernen und
Wissen, wie sorgt das Unternehmen dafür, eine
lernfähige Organisation zu sein?
Die digitale Revolution ist eine stille Revolution. Das
ist vielleicht am Besten vergleichbar mit dem
Klimawandel. Der macht auch nicht viel Lärm. Wir
nehmen ja nicht das Klima wahr, sondern immer nur
das aktuelle, wechselhafte Wetter. Trotzdem gibt es
kaum jemanden, der noch einen Klimawandel leugnet.
•
•
http://en.wikipedia.org/wiki/File:Internet_map_1024.jpg CC
BY 2.5 The Opte Project
Der Fall er Berliner Mauer war Weltgeschichte
Das Startdatum des WWW auch – nur niemand
hat es bemerkt
Nichts desto trotz: Es handelt sich um eine Revolution:
kein Stein bleibt auf dem anderen. Die digitale
Revolution verändert fast alles. Wir erleben einen tief
greifenden Wandel in der Arbeitswelt. Rationalisierung
in der Industrie, der Produktion gehört zur industriellen
Revolution, zur Vergangenheit. In der digitalen
Gesellschaft sind Dienstleistungsberufe betroffen, nicht
etwa nur einfache Arbeiter oder Angestellte, nicht etwa
nur die 3. Welt, sondern der Experte, also wir.
Das ist eine Dose Tomaten. Sie kostet 35 Cent. Wer
einen Garten hat, der weiß, wie viel Arbeit Tomaten
machen: sähen, aufziehen, umpflanzen, gießen,
pflegen, düngen, ernten, konservieren, etc. Gärtnern
macht Spaß, aber Geld verdienen mit Tomaten
funktioniert nur mit knallharter Rationalisierung.
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6. Foto: eigener Vorratsschrank, CC BY 3.0
Dienstleistungen wie die Erfassung von Stammdaten
eines Klienten der Sozialen Arbeit ist manuelle
Datenverarbeitung mit einem Lächeln dazu, einer Hand
voll Empathie. Das ist atemberaubend ineffizient. Das
wird in Zukunft automatisiert – automatisiert, nicht in
Niedriglohnsektoren (»nach Indien«) verlagert. Die
Frage ist: Ist diese Zukunft ein Traum oder ein
Albtraum?
Nun ja: Zukunft wird gemacht, nicht erlitten!
Bundesarchiv, Bild 183-13688-0002 / CC-BY-SA
http://www.bild.bundesarchiv.de/archives/barchpic/search/?
search%5Bform%5D%5BSIGNATUR%5D=Bild+183-136880002
Screenshot | Christian Spannagel Creative Commons-CC-BYLizenz
Das ist Christian Spannagel. Er ist Professor für
Mathematik und ihre Didaktik an der Pädagogischen
Hochschule Heidelberg. Er hält Vorlesungen. Diese
Vorlesungen nimmt er als Video auf und veröffentlicht
sie auf Youtube, frei zugänglich für jeden. Im nächsten
Semester hält er keine Vorlesung, die sind ja im
Internet, sondern statt dessen vertiefende Seminare. Die
Vorlesungsinhalte sollen sich die Studentinnen
vorbereitend erarbeiten. Dieses Vorgehen nennt man
»flipped classroom«: zuerst die Hausaufgaben, dann
der Unterricht.
Die digitale Revolution verändert die Hochschullehre.
OER (Open Educational Ressources) sind vollständig
kostenlos und frei verfügbare Unterrichtsmaterialien,
mit dem Recht auf uneingeschränkte Reproduktion und
Anpassung.
Mit 11,5 Millionen Euro werden in Polen vollständig
frei verfügbare Unterrichtsmaterialien für die Klassen
vier bis sechs entwickelt – im Auftrag der Regierung.
Ob es in Deutschland gelingt, in ähnlicher kurzer Zeit
solche Erfolge zu erzielen, darf angesichts der
abwehrenden Haltung der Schulbuchverlage bezweifelt
werden.
Die digitale Revolution verändert die Schule. Aber
auch das Medium (Schul-)Buch, das Verlagswesen, den
Journalismus, etc. Viele Unternehmen brauchen ein
völlig neues Geschäftsmodell.
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7. Creative Commons ist eine Non-Profit-Organisation,
die Lizenzverträge anbietet. Diese Lizenzen sind für
alle Werke anwendbar, die unter das Urheberrecht
fallen, zum Beispiel Texte, Bilder, Musikstücke,
Videoclips, usw.
Ein Beispiel: Das Skript dieses Vortrags steht Ihnen
unter CC BY 3.0 zur Verfügung. Sie dürfen:
• den Inhalt kopieren, verbreiten und zugänglich
machen
• Abwandlungen und Bearbeitungen des Inhaltes
anfertigen
• den Inhalt kommerziell nutzen
Unter den folgenden Bedingungen:
• Sie müssen meinen Namen nennen
• den Text oder seine Bearbeitung weitergeben
dürfen Sie nur unter gleichen
Lizenzbedingungen
Auf diese Weise entstehen Freie Inhalte – Inhalte, deren
kostenlose Nutzung und Weiterverbreitung
urheberrechtlich erlaubt ist.
Open Access
freier Zugang
Open Access ist der freie Zugang zu wissenschaftlicher
Literatur und anderen Materialien im Internet. Aus
dem Staatshaushalt wird Forschung und Lehre
finanziert. Als Produkt werden urheberrechtlich
geschützte Werke hervor gebracht. Da diese Werke von
der Allgemeinheit finanziert werden, sollten sie auch
der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. »Die
Publikationen aus staatlich finanzierter oder geförderter
Forschung und Lehre werden oft in kommerziellen
Verlagen publiziert, deren Qualitätssicherung von
ebenfalls meist staatlich bezahlten Wissenschaftlern im
Peer-Review-Prozess übernommen wird. Die
Publikationen werden jedoch nicht einmal den
Bibliotheken der Forschungseinrichtungen kostenlos
zur Verfügung gestellt. Der Steuerzahler kommt also
dreifach (Produktion, Qualitätssicherung, Nutzung) für
die Kosten der Publikationen auf, während private
Verleger den Gewinn abschöpfen.«
[http://www.piratenpartei.de/navigation/politik/openaccess.html]
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8. Open Data bedeutet die freie Verfügbar- und
Nutzbarkeit von öffentlichen Daten. Wenn öffentliche
Daten für jedermann frei zugänglich gemacht werden,
wird mehr Transparenz und Zusammenarbeit
ermöglicht.
Open Source oder quelloffen nennt man Software,
deren Lizenzbestimmungen besagen, dass der Quelltext
öffentlich zugänglich ist. Die Software darf frei kopiert,
modifiziert und weiterverbreitet werden. Ganze
Betriebssysteme (z. B. Linux) und eine riesige Menge
an Software stehen zur freien Verfügung.
Frei meint hier zweierlei:
• Frei wie Freibier: es ist kostenlos
• Frei wie freie Meinung: jedem Experten steht es
offen, die Sicherheit, Funktionalität, etc. der
Software zu analysieren und zu verbessern (also
keine Hintertüren zu Geheimdiensten, Facebook
und Co).
Das Recht auf Teilhabe führte vor Jahrzehnten (und bis
heute) dazu, dass für Sozialhilfeempfänger Radio und
Fernsehen zur Information, zum Anschluss ans globale
Dorf, gebührenbefreit und nicht pfändbar sind. Das
muss aktualisiert werden.
Das Internet ist das neue Leitmedium. In einer
Wissensgesellschaft ist Computer- und
Internetkompetenz für die persönliche Entfaltung, für
aktive Bürgerschaft, für sozialen Zusammenhalt und für
Beschäftigungsfähigkeit notwendig. Das ist die
Ideenwelt der europäischen Gemeinschaft
(http://ec.europa.eu/dgs/education_culture/publ/pdf/lllearning/keycomp_de.pdf). Jedem sein Computer und
sein Internet. In der sozialarbeiterischen Praxis geht
das am besten mit Open Source – und geschulten
Sozialarbeitern.
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9. »Die Socialbar ist ein Treffen von Weltverbesserern.
Web-Aktivisten, Social Entrepreneurs, NGOs,
ehrenamtliche Helfer, Politiker und Unternehmen mit
sozialer Verantwortung kommen bei der Socialbar
zusammen, um sich kennen zu lernen, Kontakte zu
knüpfen, Erfahrungen auszutauschen und
Kooperationen einzugehen.« [http://www.socialbar.de]
Das sind interessante Treffen. Dort wird das
Sozialwesen weiterentwickelt. Es wird öffentlich
definiert, was Soziale Arbeit ist und was daraus wird.
Ich habe an einigen Treffen teilgenommen und nach
Berufskolleg/innen (Profession Soziale Arbeit und/oder
Erziehungswissenschaften) Ausschau gehalten. Ich
habe keine gefunden. Hier ist aber genau diese
Professionalität gefragt!
Ein Barcamp ist eine lernorientierte
Konferenz, in der es keine Referenten, sondern
ausschließlich Teilnehmer gibt. Die Teilnehmer eines
Barcamps erstellen selbst ein gemeinsames Programm
aus Vorträgen, Diskussionen und Workshops – und
werden damit zu Teil-Gebern.
Entstanden sind Barcamps im IT-Umfeld, in der
partizipative Führung und gute virtuelle Vernetzung zur
Generierung von Innovationen genutzt werden.
Entstanden sind Barcamps auch aus der Erfahrung, dass
die Pausen auf Konferenzen, die Seitengespräche
zwischen den Teilnehmenden, ebenso interessant sind,
wie die Referats-Inhalte.
Dieses Veranstaltungsformat sorgt dafür, gewachsene
hierarchische Strukturen zu durchbrechen,
Fachwissen und Erfahrung auszutauschen, für einen
hohen Wissenstransfer aus der Praxis, zahlreiche
frische Impulse und Ideen für alle Teilnehmer und neue
Kontakte. Gemeinsame neue Projekte können gestartet
werden.
Stellen Sie sich vor, Ihre Soziale Einrichtung würde ein
Barcamp als interne Fortbildungsveranstaltung
durchführen. Dann wüsste das Unternehmen, was es
weiß, welche Wissenspotenziale in den Mitarbeitenden
schlummern! Wenn Klienten oder Kooperationspartner
in das Barcamp eingebunden werden, ergeben sich
noch mehr Potenziale.
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10. Die beiden Protokolle http und html – grundlegend für
das www – hat Tim Berners-Lee zu einem bestimmten
Zweck geschrieben: Weltweiter Austausch und
Aktualisierung von Informationen für Wissenschaftler.
Hier klingt nichts nach »new economy« und alles nach
einer Gemeinwesenorientierung.
Ich habe zum einen thematisiert, dass die digitale
Revolution fast alles verändern wird.
CC BY 2.0 Paul Clarke
(http://creativecommons.org/licenses/by/2.0), via Wikimedia
Commons
Zum anderen: Wenn wir uns das Internet anschauen,
entdecken wir etwas Spannendes:
Gemeinwesenorientierung. Ich hoffe, ich habe mit
meinen wenigen Beispielen deutlich gemacht, dass es
viele Verbündete gibt – Verbündete in der
Gemeinwesenorientierung. Verbündete können wir in
unserer Krise gut gebrauchen.
Zurück zur Sozialen Arbeit: Die Balance von
Kapitalinteressen und Sozialinteressen herstellen, die
Balance von Profitorientierung und
Gemeinwesenorientierung, ist eine Kernaufgabe der
Sozialen Arbeit.
http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Samenwaage.jpg,
gemeinfrei
Soziale Arbeit übernimmt in der Aufklärung – dem
großen Projekt der Moderne – die
Aufgabe, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen, für
Partizipation, die gesellschaftliche
Teilhabe der Adressaten zu sorgen, den
Kapitalinteressen Sozialinteressen entgegen zu
stellen und durchzusetzen.
»Soziale Arbeit ist ein Moment in jenem kühnen
Projekt der Neuzeit, das auf soziale Gerechtigkeit
hinzielt.« [Thiersch2002:21]
Sozialinteressen im Internet? Soziale Arbeit muss der
digitalen Revolution Konzessionen abringen und in die
Pflicht nehmen. Soziale Arbeit muss auch »im
Internet« für soziale Gerechtigkeit sorgen, für Teilhabe
an der Gesellschaft.
Ziel der Sozialen Arbeit ist Partizipation. Dabei denkt
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11. man zuerst an den Adressaten, die Klientin.
CC BY 2.0 ardenswayoflife
http://www.flickr.com/photos/ardenswayoflife/2934883706/
Aber wie steht es denn um die Partizipation der
Akteure, der Sozialarbeiter? Ich sage: Mangelhaft.
• Die meisten Akteure beschäftigen sich mit
Finanz-Engpässen und bangen um die Zukunft
ihrer Einrichtung. Adressatenbezogene Soziale
Arbeit wird durch wirtschaftliches Handeln im
sozialen Sektor ersetzt.
• Sie haben kaum Ressourcen, um an der
Gestaltung der Sozialen Arbeit Teil zu haben:
die Rückmeldung der professionellen Akteure
der Sozialen Arbeit an die Steuernden.
Was wäre gute Beteiligung der Akteure Sozialer
Arbeit?
• Partizipation am sozialpolitischem Diskurs –
trotz(-end) der Ökonomisierung im Sozialwesen
• Partizipation an Netzwerken, bevor man sie
steuern und nutzen kann
• Partizipation der Mitarbeitenden an der
Fortschreibung (oder neudeutsch: dem ChangeManagement) der sozialen Einrichtungen
• Partizipation der Profession an der Scientific
Community
Also: Was hindert uns, digitale Medien zur
Partizipation zu nutzen?
Typische Aussagen von Sozialarbeitern zu digitalen
Medien sind:
• es macht mir Angst!
• ich habe keine Zeit, kein Geld!
• das brauche ich nicht! Irrelevant!
• kann ich nicht!
• Will ich auch gar nicht!
• ist nicht meine Baustelle!
Wenden wir auf diese Problembeschreibung doch
einmal unsere eigene sozialarbeiterische Expertise an:
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12. Der Klient Sozialarbeiter
• verleugnet die Existenz des Problems digitale
Revolution
• er missversteht die Bedeutung des Problems
• er verkennt die Lösbarkeit des Problems
• er unterschätzt seine Problemlösungsfähigkeiten
Das sind Fallen, die uns an Chancennutzung hindern.
Diese Angst, diese Problemlösungs-Fallen, in die man
hinein tappt, das ist sehr schade. Denn eigentlich sind
Sozialarbeiter fit.
ein Sozialarbeiter
• hat hohe kommunikative Kompetenz
• ist es gewohnt, mit Komplexität umzugehen
• ist als Vermittler zwischen den Diensten und
Professionen sehr kooperationsfähig
• ist prinzipien- und werteorientiert und nicht
käuflich
• ist netzwerkorientiert (Vernetzung ist eine
wichtige Aufgabe in der Sozialen Arbeit)
• und hat eine breit gefächerte Ausbildung
Das sind beste Voraussetzungen, um sich angemessen
in digitalen Medien zu bewegen. Es gibt kaum ein
besseres, fitteres Berufsbild!
Was viele nicht mitbringen, ist Software-Kompetenz.
Was alle mitbringen – und das ist viel wichtiger – ist
die kulturelle Kompetenz.
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13. Wie gelingt die Aneignung digitaler Medien? Mit
Kompetenzerwerb.
Erwerbe die Schlüsselkompetenz Umgang mit digitalen
Medien, Internetkompetenz (internet literacy). Das
Internet entwickelt sich rasend schnell weiter. Das
heißt: wir haben eine ständige Laborsituation, wir
müssen dran bleiben.
•
•
•
•
•
Das ist eine notwendige Voraussetzung dafür,
den Adressaten der Sozialen Arbeit, den
Klienten zu Partizipation zu verhelfen
Diese Kompetenz ist auch Voraussetzung für
uns Akteure, digitale Medien zur Kooperation,
zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung, zum
Lernen und zum Wissensmangement zu nutzen
Das ist sozialpolitisch relevant: Ermächtigung
der Akteure zur aktiven Mitgestaltung an
(sozial-) politischen Entscheidungsprozessen –
z. B. durch Öffentlichkeitsarbeit im Internet und
anderswo
Die Hochschulen sind hier auch gefragt: Das
Thema digitale Medien gehört in Aus- und
Fortbildung
Und die öffentlichen und freien Träger im
Sozialwesen müssen uns die digitale
Infrastruktur zur Verfügung stellen – dazu
müssen wir das einfordern
Dabei können wir aber nicht stehen bleiben.
Souveräner Umgang mit digitalen Medien: Die
Chancen und Grenzen der digitalen Medien sind mutig
auszuloten.
• sei kreativ, werde Social-Work-Hacker (Hacken
heißt, Software innovativ zu gebrauchen – oder
subversiv zu missbrauchen – zu
sozialarbeiterischen Zwecken. Hacken wird hier
verstanden als der kreative Umgang mit einem
Service oder System, um Produkte zu erstellen,
für die der Service/ das System nicht zur
Verfügung gestellt wurde)
• Fehler dürfen passieren und werden passieren.
Fehler generieren Lernprozesse. Wir brauchen
eine fehlertolerante Unternehmenskultur
• Entwickle Ideen für bessere Tools, für Software,
die der Sozialarbeit besser dient
• Und für Software, die dem Gemeinwesen besser
dient. Wir brauchen sozialpolitisch konzipierte
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14. •
Gegenentwürfe zu profitorientierten
Webdiensten.
Auf der Ebene einer Einrichtung oder eines
Betriebes kann zum Beispiel ein Programmierer
beauftragt werden, gemeinwohlorientierte
(Open-Source) Software den Bedürfnissen der
eigenen Einrichtung und ihrem
gesellschaftlichen Auftrag anzupassen und zu
erweitern. Das ist auch zum Nutzen der
Mitstreiter
Auch hier können wir nicht stehen bleiben:
Beteiligung an der Netzpolitik, denn Netzpolitik ist
Gesellschaftspolitik. Und Gesellschaftspolitik ist
Sozialpolitik.
• Auf nationaler und europäischer Ebene ist dafür
Sorge zu tragen, dass das Internet auch den
Sozialinteressen und nicht ausschließlich den
Kapitalinteressen dient.
Ich komme jetzt zum Ende. Die Chancen nutzen, die
sich der Sozialen Arbeit durch digitale Medien bieten –
das ist ein langer Weg, der aber mit ersten Schritten
beginnt.
Wir können natürlich weiter "Socken stopfen"
Bundesarchiv, Bild 194-0837-06A / Lachmann, Hans / CCBY-SA (http://creativecommons.org/licenses/bysa/3.0/de/deed.en), via Wikimedia Commons
Wir können aber die Zukunft gestalten – also: Schärfe
deine Säge!
Danke.
http://www.flickr.com/photos/michaelpollak/6908863360/
Michael Pollak CC BY 2.0
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15. Zitierte Literatur:
Bell1989
Bell, Daniel: Die nachindustrielle Gesellschaft. Ffm: Campus, 1989. (Org. 1975, amerik. Org. 1973)
Grams@Wilken2000
Wolfram Grams: Sozialarbeit als Ware oder: Das Soziale zu Markte tragen. In: Udo Wilken (Hrsg.):
Soziale Arbeit zwischen Ethik und Ökonomie. Lambertus Verlag (Freiburg) 2000. S. 77 – 98.
Habermas1998
Habermas, Jürgen: Die postnationale Konstellation : Politische Essays. Ffm.: Suhrkamp, 1998.
Thiersch2002
Ethik in Sozialarbeit und Pflege : Interview mit Hans Thiersch. Alice-Magazin. 1/2002. (S. 20 – 23)
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