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NAEGELI & STREICHENBERG ATTORNEYS AT LAW
Der Einsatz neuer Informations-
und Kommunikationstechniken in
Publikumsgesellschaften
E ine rechtsvergleichende Darstellung USA – Schwe iz
Dr. iur. Christoph Steiner, Fürsprecher, LL.M.
Naegeli & Streichenberg Rechtsanwälte
Stockerstrasse 38
8002 Zürich
Inhalt*
I. Einleitung 1
1. Stand der Diskussion in der Schweiz 1
2. Verwandte Diskussionen 3
3. Ausblick 4
II. Einsatz von neuen Informations- und Kommunikationstechniken in den USA 5
1. Rechtliche Rahmenbedingungen 5
2. Proxy Process 6
a) Notice of Meeting 8
b) Proxy Solicitation 10
c) Proxy Fights 16
d) Proxy Voting 18
3. Annual Meeting 19
a) Webcasting 19
b) Virtual Annual Meeting 21
c) Electronic Conferences 26
4. Board of Directors 26
5. Investor Relations 27
6. Zusammenfassung 27
III. Einsatz von neuen Informations- und Kommunikationstechniken in der Schweiz 28
1. Ausgangslage 28
2. Einsatzmöglichkeiten de lege lata 29
a) Simultane Übertragung der Generalversammlung 29
b) Kommunikation unter Aktionären 29
c) Investor Relations 29
3. Einsatzmöglichkeiten de lege ferenda 29
a) Einberufung der Generalversammlung 29
b) Bevollmächtigung zur Stimmrechtsvertretung 32
c) Virtuelle Teilnahme an der realen Generalversammlung 36
d) Virtuelle Generalversammlung 39
IV. Würdigung 39
*
Der Autor dankt der Stiftung „Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der Wissenschaftlichen
Forschung“ für die grosszügige finanzielle Unterstützung.
- 1 -
I. Einleitung
Derweil im Bereich der Kommunikation zwischen Behörden und Bürgern und Bürgerinnen
(Bürgern) in der Schweiz der Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechniken
(NIKT)1
von der Regierung, den rechtsetzenden Behörden und der Lehre im Hinblick auf die zu
erwartenden Impulse für die direkte Demokratie intensiv diskutiert und durch die Schaffung der
rechtlichen Rahmenbedingungen abgesichert wird2
, sind die Einsatzmöglichkeiten von NIKT
zur Kommunikation zwischen Publikumsgesellschaften und deren Aktionären und
Aktionärinnen (Aktionären) im Unterschied zu den USA und Deutschland – soweit ersichtlich –
für die schweizerische Lehre und für schweizerische Unternehmen erst nach und nach ein
Thema.
1. Stand der Diskussion in der Schweiz
In der Schweiz hat sich zum einen, trotz der sich beinahe über Nacht verflüchtigten allgemeinen
Internet-Euphorie, ein Dialog zwischen Lehre und Praxis über die rechtlichen und praktischen
Möglichkeiten sowie Nutzen und Risiken des Einsatzes des Internets zum Vertrieb von
Kapitalmarktinstrumenten etabliert3
; diese Einsatzmöglichkeiten werden indessen an dieser
Stelle nicht weiter vertieft.
Zum anderen wird der Einsatz von NIKT als Mittel zur Kommunikation zwischen
Aktiengesellschaft und Aktionär in der Schweiz weniger in der Lehre, sondern vielmehr – im
Rahmen der Ausarbeitung eines „Swiss Code of Best Practices“4
(Swiss Code) durch die von
der economiesuisse5
ins Leben gerufene Expertengruppe „Corporate Governance“ – von
Vertretern von Unternehmen, Verbänden und von der SWX Swiss Exchange (SWX) diskutiert.
Nicht nur im Ausland, sondern auch im Inland ist in letzter Zeit in der Lehre, den Medien, in der
1
Der Begriff NIKT bezeichnet die Gesamtheit der in der modernen Mediengesellschaft genutzten und immer
stärker miteinander verflochtenen Techniken zur Produktion, Übertragung, Speicherung und Verarbeitung von
Informationen im weitesten Sinn. Vgl. die Definition unter <http://www.nrw.de/landnrw/nrwlex/lexiuk.htm>.
2
Siehe dazu ausführlich unter I.2. Verwandte Diskussionen.
3
Vgl. dazu Hrsg. WEBER ROLF H., HILTY RETO M., AUF DER MAUR ROLF, Geschäftsplattform Internet III
Kapitalmarkt - Marktauftritt – Besteuerung, Publikationen aus dem Zentrum für Informations- und
Kommunikationsrecht der Universität Zürich, ZIK, Band 17, Zürich 2002.
4
Vgl. <http://www.economiesuisse.ch/d/content.cfm?upid=4B42201A-1850-4309-
A49B90A37CA04F7B&type=pdf&filetype=pdf> (sämtliche in diesem Artikel erwähnten Hyperlinks waren
am 1. August 2002 aktiv).
5
Verband der Schweizer Unternehmen; für Details siehe <http://www.economiesuisse.ch>.
- 2 -
Politik und von Seiten institutioneller Investoren und Investorinnen (Investoren) eine teilweise
hitzige Diskussion über adäquate Kontroll- und Leitungsstrukturen börsenkotierter
Aktiengesellschaften zum Schutz der legitimen Interessen der Aktionäre entbrannt. Berichte
über Missmanagement und exzessive Gehaltsbezüge des Managements6
haben auch in der
Schweiz zu Forderungen nach mehr Transparenz und einer besseren Kontrolle der
Führungsetagen von Publikumsgesellschaften geführt. Der zeitlich perfekt veröffentlichte Swiss
Code in seiner bereinigten Fassung vom 28. Februar 20027
ist das konsolidierte Resultat einer
umfassenden Untersuchung über „Corporate Governance“ in der Schweiz (Bericht Corporate
Governance)8
und wendet sich im Sinn von Empfehlungen an die schweizerischen
Publikumsgesellschaften. Der dem Swiss Code zu Grunde liegende Bericht Corporate
Governance definiert den aus dem angelsächsischen stammenden Begriff wie folgt: „Corporate
Governance im weiteren Sinn umfasst (...) alle Organisations- und Strukturfragen der
Unternehmen, welche die Aktionärsstellung direkt oder indirekt schützen. Zur so verstandenen
Corporate Governance gehören Fragen der Aktionärsrechte, einschliesslich der Kapitalstruktur,
der Generalversammlung und der Klagerechte. Corporate Governance im weiteren Sinn umfasst
somit die Gesamtheit der Grundsätze und Regeln, welche die Funktionstüchtigkeit der
Unternehmen im Hinblick auf die Optimierung der Aktionärsinteressen („shareholder value“)
gewährleisten sollen“9
. Aus dieser Definition wird ersichtlich, dass die Frage der rechtlichen
Ausgestaltung der Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Unternehmen und Aktionär ein
wichtiger Aspekt der Corporate Governance-Diskussion ist. Der Bericht Corporate Governance
nimmt sich dieser Frage insbesondere hinsichtlich des Einsatzes des Internets denn auch
6
Vgl. für die Schweiz die „Fälle“ ABB, Swissair, Zurich Financial Services oder Zürcher Kantonalbank, für die
USA die „Fälle“ Enron, GlobalCrossing, WorldCom, Tyco oder Kmart.
7
Vgl. Fn 4.
8
Der ausführliche Bericht „Corporate Governance in der Schweiz“ von HOFSTETTER KARL ist das Resultat von
Diskussionen im Rahmen der „Expertengruppe Corporate Governance“ der Schweizer Wirtschaft, vgl.
<http://www.economiesuisse.ch/d/content.cfm?upid=B99DB790-589A-414C-
8E5A7F80C48D775A&type=pdf&filetype=pdf>.
9
Corporate Governance in der Schweiz, Fn 8, S. 4 ff. MONKS ROBERT A.G. /MINOW NELL, Corporate
Governance, Malden/Oxford 2001, S. 1, definieren den Begriff Corporate Governance breiter: „What is
corporate governance? It is the relationship among various participants in determining the direction and
performance of corporations. The primary participants are (1) the shareholders, (2) the management (led by
the CEO), and (3) the board of directors”.
- 3 -
entsprechend an. Weitere Publikationen, die sich mit dem Thema NIKT und
Publikumsgesellschaft befassen, sind – soweit ersichtlich – bisher erst zwei erschienen10
.
2. Verwandte Diskussionen
Ausserhalb des Aktien- und Kapitalmarktrechts werden die Einsatzmöglichkeiten sowie Nutzen
und Risiken von NIKT in einem verwandten Rechtsbereich schon seit längerem von Lehre und
Praxis ausgiebig diskutiert. So geniesst in der Schweiz der Begriff „eGovernment“ grosse
Popularität. Im weitesten Sinn wird unter eGovernment der Informationsaustausch zwischen
Behörden und Bürgern über neue Informations- und Kommunikationstechniken verstanden11
.
Auf Bundesebene hat der Bundesrat am 19. Februar 2002 die eGovernment-Strategie
verabschiedet12
. Für den Bundesrat stehen die Realisierung der Projekte „guichet virtuel“ und
„eVoting“ im Vordergrund13
. Der virtuelle Schalter soll den Zugang zu sämtlichen
elektronischen Angeboten von Bund, Kantonen und Gemeinden ermöglichen14
, das eVoting15
die papierlose Stimmabgabe bei Wahlen und Abstimmungen. Ziel des Einsatzes von NIKT ist
die Weiterentwicklung der direkten Demokratie. Die Voraussetzungen für eine „eDemocracy“
in der Schweiz gelten auf Grund ihrer direktdemokratischen Tradition, ihrer dezentralen
Struktur sowie der vorhandenen technischen Infrastruktur als besonders gut16
. Damit aber
eGovernment über den reinen Informationsaustausch hinaus kommt und auch verbindliche
Rechtshandlungen wie das Abstimmen oder das Bezahlen von Gebühren über das Internet
vorgenommen werden können, müssen in diesem Bereich erst die rechtlichen
10
LAMBERT CLAUDE, Die Durchführung einer Generalversammlung an zwei verschiedenen Tagungsorten,
REPRAX 2000 Bd. 2, S. 36 ff.; APPENZELLER HANSJÜRG, Interaktive Teilnahme an einer
Generalversammlung über das Internet: Fiktion oder Realität?, Finanz und Wirtschaft vom 16. Februar 2000,
S. 27.
11
Vgl. zum Ganzen die Seite zum Information Society Project Switzerland unter <http://www.isps.ch>.
12
Siehe <http://www.isb.admin.ch/egov/deutsch/index.htm>.
13
Zu den Aktivitäten des Bundes vgl. <http://www.isps.ch/site/default.asp?dossiers=51>.
14
Vgl. Bericht und Konzept zuhanden der Koordinationsgruppe Informationsgesellschaft (KIG) vom 9. Juni
2000: „guichet virtuel“: Der elektronische Weg zu Verwaltung, Parlament und Gericht,
<http://www.isps.ch/site/fichiers/446.doc>.
15
Zur Anwendung des „E-Voting“ zur Heimatbindung von Auslandschweizern vgl. NZZ, Nr. 193 vom 21.
August 2000; zur Zukunft des „E-Voting“ auf kantonaler Ebene vgl. Der Bund, Nr. 159 vom 10. Juli 2000, S.
20, und Der Bund, Nr. 207 vom 5. September 2000, S. 31.
16
Die Schweiz ist z.B. weitestgehend per Kabelfernsehen erschlossen und die Anbindung ans Internet über
Kabelfernsehen befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium.
- 4 -
Rahmenbedingungen der neuen technologischen Möglichkeiten überprüft, international
abgestimmt und neu geschaffen werden17
.
3. Ausblick
Dass in der Schweiz der Einsatz von NIKT als Kommunikationsmittel zwischen Gesellschaft
und Investor nicht weiter fortgeschritten ist, erstaunt nicht nur, weil die Beziehungen zwischen
Staat und Bürger in einer direkten Demokratie und die Beziehungen zwischen
Aktiengesellschaft und Aktionär nach schweizerischem Aktienrecht in Bezug auf die
gegenseitige Kommunikation sehr ähnlich sind18
und sich deshalb in Bezug auf den Einsatz von
NIKT teilweise ähnliche rechtliche und praktische Probleme wie Schriftlichkeit, Authentizität,
Integrität, Sicherheit und Zuverlässigkeit stellen19
, sondern auch darum, weil NIKT im
Allgemeinen und das Internet im Besonderen als Kommunikationsmittel zwischen Gesellschaft
und Aktionär in den USA seit längerem und in Deutschland20
seit kurzem ein Thema ist, das
sowohl die Lehre als auch die Rechtsetzung beschäftigt.
Nachfolgend werden nun rechtsvergleichend die Einsatzmöglichkeiten von NIKT für
schweizerische Publikumsgesellschaften, das heisst Aktiengesellschaften nach schweizerischen
Recht, die an der SWX Swiss Exchange21
kotiert sind, untersucht. Zu diesem Zweck wird in
einem ersten Schritt eine Übersicht über die – im Unterschied zum schweizerischen Recht – im
amerikanischen Recht bereits heute zahlreich explizit vorgesehenen Möglichkeiten des
Einsatzes von NIKT im Allgemeinen und des Internets im Besonderen gegeben. In einem
17
Vgl. Bericht und Konzept zuhanden der Koordinationsgruppe Informationsgesellschaft (KIG) vom 9. Juni
2000: „guichet virtuel“: Der elektronische Weg zu Verwaltung, Parlament und Gericht (Fn 14), S. 23; JÖRG
FLORIAN S./ ARTER OLIVER, Digitale Signaturen: Die Public-Key-Infrastruktur nach der neuen
Zertifizierungsdiensteverordnung, ZBJV 7-8/2000, S. 449 ff.; WALTHER FRIDOLIN M.R., Die Digitalisierung
des Rechts, recht 1/2000, S. 1 ff.; WEBER ROLF H., Elektronisches Geld, Erscheinungsformen und rechtlicher
Problemaufriss, in: Schweizer Schriften zum Bankrecht Bd. 58, Zürich 1999; ANDERSON ROBERT H./BIKSON
TORA K./NEU RICHARD C., Sending Your Government a Message: E-mail Communication Between Citizens
and Government, Santa Monica/Washington 1999.
18
Natürlich bestehen auch Unterschiede: Unter Umständen kennt z.B. eine Aktiengesellschaft ihre
Gesellschafter gar nicht. Im Gegensatz dazu sind die Bürger eines Staates meistens bekannt.
19
Stichworte sind z.B. Sicherheit und Verlässlichkeit von elektronischen Transaktionen, die elektronische
Unterschrift oder die Gefahr des mehrfachen Abstimmens.
20
Zur deutschen Diskussion zum Thema “Hauptversammlung und Neue Medien” vgl. die umfangreichen und
per 1. Juni 2002 aktualisierten Nachweise unter <http://www.jura.uni-
duesseldorf.de/service/hv/welcome.html> sowie NOACK ULRICH, Gesellschaftsrecht und Informationstechnik,
in: Festschrift für Jean Nicolas Druey, Zürich 2002.
21
<http://www.swx.ch>.
- 5 -
zweiten Schritt wird anschliessend diskutiert, welche dieser Einsatzmöglichkeiten in der
Schweiz – de lege lata –bereits bestehen und ob die vom schweizerischen Recht nicht gedeckten
Möglichkeiten des Einsatzes von NIKT – de lege ferenda – in die schweizerische
Rechtsordnung implementiert werden sollten. Besondere Aufmerksamkeit wird in dieser
Diskussion den in den USA bereits gemachten positiven und negativen Erfahrungen des
Einsatzes von NIKT geschenkt.
II. Einsatz von neuen Informations- und Kommunikationstechniken in den
USA
1. Rechtliche Rahmenbedingungen
In den USA ist das Gesellschaftsrecht auf Stufe der Einzelstaaten geregelt. Das
Kapitalmarktrecht ist hingegen vorwiegend bundesstaatlicher Natur. Es erstaunt deshalb nicht,
dass sich Normen, die den Einsatz von NIKT regeln, sowohl in gesetzlichen Erlassen auf
bundesstaatlicher Ebene, insbesondere in den Federal Securities Laws, dem Securities Act of
193322
(’33 Act) sowie dem Securities Exchange Act of 193423
(’34 Act) als auch in solchen der
Einzelstaaten, zum Beispiel im Delaware General Corporation Law24
oder im Massachusetts
Corporation Law25
, finden. Oft werden diese Normen zudem durch Elemente des common law,
Erlasse der auf Bundesebene agierenden Börsenaufsichtskommission Securities and Exchange
Commission (SEC)26
sowie in Regelungswerken der verschiedenen amerikanischen Börsen27
ergänzt und/oder konkretisiert.
Die Kodifizierung unterschiedlicher Einsatzmöglichkeiten von NIKT wurde vor allem durch die
generelle Aufgeschlossenheit der Amerikaner gegenüber Technologie im Allgemeinen und der
Informatik im Besonderen sowie durch den Wettbewerb unter den einzelstaatlichen
22
15 U.S.C § 77a ff.; Gesetzestext ist einsehbar z.B. unter <http://www.law.uc.edu/CCL/33Act/index.html>.
23
15 U.S.C § 78a ff.; Gesetzestext ist einsehbar z.B. unter <http://www.law.uc.edu/CCL/34Act/index.html>.
24
Delaware Code Title 8; Gesetzestext ist z.B. einsehbar unter
<http://198.187.128.12/delaware/lpext.dll/Infobase/a4ee?fn=document-frame.htm&f=templates&2.0>.
25
General Laws of Massachusetts Title XXII; Gesetzestext ist z.B. einsehbar unter
<http://www.state.ma.us/legis/laws/mgl/gl-155-toc.htm>.
26
Für mehr Informationen vgl. die offizielle Website der SEC unter <http://www.sec.gov>.
27
Vgl. das NSYE (New York Stock Exchange) Listed Company Manual, <http://www.nyse.com/
listed/listedcomanual.html>, den AMEX (American Stock Exchange) Company Guide,
<http://wallstreet.cch.com/AmericanStockExchangeAmex/AmexCompanyGuideListingStandards,Policiesand
Requirements/default.asp>) und das NASD (National Asscociation of Securities Dealer) Manual
<http://secure.nasdr.com/default.htm>.
- 6 -
Gesellschaftsrechten28
gefördert. Die wichtigste Voraussetzung allerdings war die frühe und
grosse Verbreitung und Akzeptanz des Internets in der Bevölkerung29,30
. Diese Katalysatoren
tragen auch heute noch zum Anwachsen von gesetzlich reglementierten Einsatzmöglichkeiten
von NIKT bei.
Die Diskussion um den Einsatz von NIKT konzentrierte sich in den USA während langer Zeit
um den Einsatz des Internets im proxy process, dem Verfahren der Stimmrechtsvertretung in der
Generalversammlung. Eine breite Diskussion über Sinn und Nutzen von virtuellen
Generalversammlungen ist erstaunlicherweise erst im Jahr 2000 entbrannt, als Delaware als
erster und bis heute einziger Bundesstaat eine gesetzliche Grundlage für diese Form der
Generalversammlung geschaffen hat.
2. Proxy Process
Die Aktionäre einer amerikanischen Gesellschaft haben die Möglichkeit, ihre Aktionärsrechte
während des annual meeting durch einen proxy, einen Vertreter, wahrzunehmen. Der Begriff
proxy voting beschreibt dabei die Ausübung des Stimmrechts des Aktionärs über einen
bevollmächtigten Vertreter, der an der Generalversammlung physisch anwesend sein muss. Der
proxy hat die Interessen des Aktionärs zu berücksichtigen und ist an dessen Weisungen
gebunden. Der Begriff proxy bezeichnet allerdings nicht nur den physischen Vertreter, sondern
steht auch für die vom Aktionär erteilte Vollmacht an sich.
Die Ausübung des Stimmrechts durch einen Vertreter ist eine äusserst komplexe Materie. Die
Komplexität ergibt sich vor allem dadurch, dass der proxy process sowohl durch gesetzliche
Normen auf Ebene der Einzelstaaten als auch durch solche auf bundesstaatlicher Ebene geregelt
wird. Überdies werden diese Normen teilweise durch Regelungen der Börsengremien flankiert
oder überlagert. Die Einzelstaaten regeln in ihrem jeweiligen Gesellschaftsrecht die materiellen
Grundlagen der Bevollmächtigung und der Stimmrechtsausübung, während das bundesstaatliche
28
Zu den Hintergründen und zum Umfang der unbestrittenen Vormachtsstellung des Delaware General
Corporation Law (vgl. Fn 24) in den USA vgl. z.B. ALVA CURTIS, Delaware and the Market for Corporate
Charters: History and Agency, 15 Del. J. Corp. L. 885, oder CLAWSON MARK A., The Mythology of Market in
Twentieth Century Corporation Doctrine, 33 U.S.F.L. Rev. 173.
29
Diese wurde u.a. dadurch gefördert, dass in den USA Lokalgespräche für minimalste Gesprächsgebühren, z.B.
10 Cents (die Höhe der Gebühren varieren und sind abhängig vom gewählten Anbieter und Gebührenplan),
ohne Zeitlimit geführt werden können.
30
Mitte des Jahres 2001 hatten mehr als die Hälfte aller amerikanischer Bürger Zugang zum Internet (COLE
DOUGLAS R., E-Proxies for Sale? Corporate Vote-Buying in the Internet Age, 76 Wash. L. Rev. 793, S. 812).
- 7 -
Kapitalmarktrecht die Kontrolle des Prozesses der Stimmrechtsausübung zum Gegenstand hat.
Die bundesstaatlichen Vorschriften finden allerdings nur auf so genannte reporting companies
Anwendung, das heisst Gesellschaften, die über mehr als US$ zehn Millionen.
Gesellschaftsvermögen verfügen und mehr als 500 eingetragene Aktionäre haben31
, deren
Aktien an einer nationalen Börse gehandelt werden32
oder die sich freiwillig registriert haben.
Bemerkenswert – und der Verständlichkeit der Normierung nicht gerade zuträglich – ist in
diesem Zusammenhang die selbst für amerikanische Verhältnisse hohe Dichte der Regulierung.
Die Komplexität und Akribie der Regelung des proxy process in den USA lässt sich zum einen
damit erklären, dass in den USA der Willensbildungsprozess der Aktionäre nicht während,
sondern vor der Generalversammlung, im proxy fight, stattfindet und deshalb dessen Fairness
gewährleistet werden muss. Haben die Aktionäre ihre proxies einmal erteilt, ist die
Durchführung der Generalversammlung nicht mehr als eine Formsache. Im Resultat nimmt denn
auch kaum ein Aktionär einer amerikanischen Gesellschaft persönlich an der
Generalversammlung teil. Die amerikanischen Gesetzgeber und vor allem die SEC, haben dem
Phänomen der der Generalversammlung vorgezogenen Willensbildung der Aktionäre Rechnung
getragen und die Werbung um Vollmachten zur Stimmrechtsausübung, die proxy solicitation,
sowie die damit einhergehenden Informationspflichten der an der proxy solicitation beteiligten
Parteien, sei es die Gesellschaft selbst oder aussenstehende Aktionäre, entsprechend geregelt.
Zum anderen trägt aber auch die Tatsache, dass die Mehrheit der im Aktienbuch einer US
Gesellschaft eingetragenen Personen, die record holder, unter einem street oder nominee name
als Aktionär geführt werden, zur Komplexität bei. Zur Ausübung der Aktionärsrechte ist allein
der hinter diesen stehende wirtschaftliche Eigentümer, der beneficial owner, berechtigt. Zur
Wahrung der Interessen des beneficial owners besteht deshalb ein Geflecht an Regelungen, das
ihm erlaubt, seine Aktionärsrechte auszuüben. Dabei handelt es sich vor allem um Normen,
welche die Pflichten des intermediary zur Weiterleitung von Dokumenten und Informationen
der Gesellschaft an den beneficial owner sowie die Einholung von Weisungen des beneficial
owner regeln. Nachfolgend wird auf eine detaillierte Beschreibung des ganzen proxy process
31
Vgl. ’34 Act § 12(g)(1) und Rule 12g-1.
32
Vgl. ’34 Act § 12(b).
- 8 -
verzichtet33
. Hingegen wird im Detail auf diejenigen Phasen des proxy process eingegangen, die
eine Analogie zum schweizerischen System der Stimmrechtsvertretung aufweisen und in denen
NIKT zum Einsatz kommen können.
a) Notice of Meeting
Der proxy process nimmt in den USA seinen Anfang mit der notice of meeting, der
Benachrichtigung der im Aktienbuch eingetragenen Aktionäre über die bevorstehende
Generalversammlung durch die Gesellschaft. Die Form der Benachrichtigung bestimmt sich
nach dem Gesellschaftsrecht der jeweiligen Einzelstaaten. Für die Mitteilung der
bevorstehenden Generalversammlung ist in den meisten Staaten nach wie vor die Schriftform
vorgeschrieben. Einzelne Staaten sind jedoch dazu übergegangen, die Benachrichtigung unter
Nutzung von NIKT zuzulassen. Dabei wurden unterschiedliche Lösungen gewählt. So wird etwa
in Idaho34
und Missouri35
die Benachrichtigung unter Benutzung elektronischer Medien der
schriftlichen Mitteilung gleichgestellt. In Virginia muss eine Gesellschaft über 300 Aktionäre
verfügen, um von der Möglichkeit von NIKT Gebrauch zu machen36
. Die gesellschaftsrechtlich
bedeutenden Staaten New York und Delaware haben schliesslich im Jahr 1999 bzw. 2000 die
Möglichkeit des Einsatzes von NIKT zur Mitteilung über die anstehende Generalversammlung
gesetzlich verankert. In New York ist es nur möglich, Aktionäre mittels E-Mail auf die
Generalversammlung aufmerksam zu machen, wenn diese der Gesellschaft persönlich oder
durch einen Dritten ihre E-Mail-Adresse zu diesem Zweck zukommen lassen37
. Im Unterschied
zu New York und den anderen erwähnten Staaten, beschränkte sich Delaware nicht auf das
Ergänzen der notice of meeting of shareholders Section. Im Juni 2000 hat Delaware sein
General Corporation Law 38
in Bezug auf den Einsatz von NIKT einer Generalrevision
unterzogen, im Resultat eine neue Section eingeführt sowie zwölf weitere Sections umfangreich
33
Für eine detaillierte Darstellung des proxy process in deutscher Sprache vgl. MERKT HANNO, US-
amerikanisches Gesellschaftsrecht, Heidelberg 1991, Rn 633 ff., aber auch SPINDLER GERALD/HÜTHER
MARIO, Das Internet als Medium der Aktionärsbeteiligung in den USA, RIW 5/2000, S. 329 ff.
34
Idaho Stat., tit. 30, ch. 1, § 141(1).
35
Missouri Rev.Stat., ch. 351, § 320(1).
36
Code of Virginia, ch. 13, § 1-658(G).
37
N.Y.Bus.Corp.Law § 605(a) (…). If transmitted electronically, such notice is given when directed to the
shareholder`s electronic mail address as supplied by the shareholder to the secretary of the corporation or as
otherwise directed pursuant to the shareholder`s authorization or instructions. (…).
38
Vgl. Fn 24.
- 9 -
ergänzt39
. Eine zentrale Rolle nimmt dabei die neue Section 232 ein. Diese ermöglicht es
Gesellschaften, sämtliche im Gesetz oder in den Statuten vorgesehenen Mitteilungen an die
Aktionäre elektronisch, über electronic transmission, zu übermitteln, sofern diese vorher –
widerruflich – eingewilligt haben, solche Übermittlungen zu akzeptieren40
. Der Begriff der
electronic transmission ist in Section 232(c) definiert41
: Unter electronic transmission ist
jegliche Form von Kommunikation zu verstehen, die keine physische Übertragung auf Papier
umfasst, die eine Aufzeichnung bewirkt, die vom Empfänger aufbewahrt, wieder abgerufen und
überprüft werden kann und die vom Empfänger mittels eines automatisierten Prozesses in
Papierform reproduziert werden kann. Diese offene Definition erfasst damit klar Fax und E-
Mail, kann aber auch andere, zum Beispiel heute noch nicht bekannte Formen der
elektronischen Kommunikation, erfassen. Erfolgen die Mitteilungen über Fax, so müssen die
Aktionäre mit ihrer Einwilligung gleichzeitig auch eine Faxnummer angeben, erfolgen sie über
E-Mail, muss der Gesellschaft eine E-Mail-Adresse mitgeteilt werden42
. Damit kann die
Mitteilung über die bevorstehende Generalversammlung auch in Delaware über E-Mail
39
Zur Revision im Detail vgl. HOLZMAN JAMES L./MULLEN THOMAS A., A New Technology Frontier for
Delaware Corporations, 4 Del. L. Rev. 55, S. 61 ff.
40
Delaware.Gen.Corp § 232 (a) Without limiting the manner by which notice otherwise may be given
effectively to stockholders, any notice to stockholders given by the corporation under any provision of this
chapter, the certificate of incorporation, or the bylaws shall be effective if given by a form of electronic
transmission consented to by the stockholder to whom the notice is given. Any such consent shall be
revocable by the stockholder by written notice to the corporation. Any such consent shall be deemed revoked
if (1) the corporation is unable to deliver by electronic transmission 2 consecutive notices given by the
corporation in accordance with such consent and (2) such inability becomes known to the secretary or an
assistant secretary of the corporation or to the transfer agent, or other person responsible for the giving of
notice; provided, however, the inadvertent failure to treat such inability as a revocation shall not invalidate any
meeting or other action.
41
Delaware.Gen.Corp § 232 (c) For purposes of this chapter, "electronic transmission" means any form of
communication, not directly involving the physical transmission of paper, that creates a record that may be
retained, retrieved and reviewed by a recipient thereof, and that may be directly reproduced in paper form by
such a recipient through an automated process.
42
Delaware.Gen.Corp § 232 (b) Notice given pursuant to subsection (a) of this section shall be deemed given:
(1) if by facsimile telecommunication, when directed to a number at which the stockholder has consented to
receive notice; (2) if by electronic mail, when directed to an electronic mail address at which the stockholder
has consented to receive notice; (3) if by a posting on an electronic network together with separate notice to
the stockholder of such specific posting, upon the later of (A) such posting and (B) the giving of such separate
notice; and (4) if by any other form of electronic transmission, when directed to the stockholder. An affidavit
of the secretary or an assistant secretary or of the transfer agent or other agent of the corporation that the
notice has been given by a form of electronic transmission shall, in the absence of fraud, be prima facie
evidence of the facts stated therein.
- 10 -
erfolgen, sofern die jeweiligen Aktionäre der elektronischen Übermittlung vorgängig
zugestimmt und der Gesellschaft eine E-Mail-Adresse mitgeteilt haben.
b) Proxy Solicitation
Wie bereits erwähnt, findet der Willensbildungsprozess in amerikanischen Gesellschaften
grundsätzlich vor der eigentlichen Generalversammlung im proxy process statt. Mit oder nach
der Mitteilung der bevorstehenden Generalversammlung wird in einem weiteren Schritt vom
board of directors im Namen der Gesellschaft und/oder von insurgents, aussenstehenden
Aktionären oder Aktionärsgruppen, meistens institutionellen Investoren, im Rahmen der proxy
solicitation43
um die Erteilung von proxies geworben44
. An der New York Stock Exchange
(NYSE) kotierte Gesellschaften zum Beispiel müssen für alle shareholder meetings zwingend
proxies werben, da der proxy process für Aktionäre eine angenehme Art und Weise des
Abstimmens darstellt, verbunden mit einer Offenlegung der zur Willensbildung notwendigen
Informationen45
. Proxies können sowohl für Wahlen als auch für Sachentscheide wie zum
Beispiel die Durchführung einer Fusion geworben werden. Werden Nominationen oder
Sachentscheidsvorschläge der Gesellschaft von Seiten des Aktionariats aktiv bekämpft und
werben diese insurgents auch um die Erteilung von proxies, spricht man in den USA von einem
proxy fight. Natürlich steht es einem Aktionär auch bei fehlender aktiver Bekämpfung eines
Vorschlags der Gesellschaft frei, diesen Vorschlag auf der von der Gesellschaft geworbenen
proxy abzulehnen.
Damit das Werben um proxies im Allgemeinen und der proxy fight im Besonderen fair abläuft,
auferlegt der ’34 Act in Regulation 14a, Solicitation of Proxies, den werbenden Parteien
weitgehende Pflichten, die sicherstellen sollen, dass der umworbene Aktionär ein vollständiges
Bild der zur Abstimmung stehenden Materie vermittelt erhält und damit die Möglichkeit hat,
einen vernünftigen und informierten Entscheid zu fällen. So regelt zum Beispiel Rule 14a-3(a)
die Übersendung des proxy statements46,47
an die Aktionäre; Rule 14-a3(b) die Übersendung des
43
Der Begriff “solicitation” ist in Rule 14a-1(l) des ’34 Act sehr breit definiert: „(...) any request for a proxy
whether or not accompanied by or included in a form op proxy“.
44
Vgl. z.B. die Mitteilung der bevorstehenden Generalversammlung 2002 inkl. proxy statement durch General
Electric Company (GE) unter <http://www.ge.com/annual01/download/pdf/44299-003.PDF>.
45
NYSE Listed Company Manual, Fn 27, Rule 402.04(A).
46
Der Begriff “proxy statement ” ist in Rule 14a-1(g) des ’34 Act definiert: „The term „proxy statement” means
the statement required by Rule 14a-3(a), whether or not contained in a single document”.
47
Vgl. für ein proxy statement Fn 44, oben.
- 11 -
annual reports an die Aktionäre, Rule 14-a6 umschreibt die Registrierungspflichten der
Werbenden gegenüber der SEC, Rule 14-a8 normiert das Verfahren, falls Vorschläge seitens der
insurgents vorliegen, und Rule 14a-9 enthält die Pflicht der Gesellschaft, werbenden Aktionären
entweder eine Liste aller Aktionäre zukommen zu lassen oder das Werbematerial der Aktionäre
selbst zu verschicken48
. Weitere, teilweise ausführliche und sogar weitergehende Vorschriften
finden sich zudem in den Kotierungsreglementen der verschiedenen Börsen49
.
Regulation S-T, General Rules And Regulations For Electronic Filings50
, regelt die Nutzung des
Internets zur Übermittlung von Informationen seitens von Unternehmen, zum Beispiel die
Quartals- oder Jahresberichte, an die SEC zwecks Publikation in der über Internet für alle
Investoren frei zugänglichen Datenbank EDGAR51
. Regulation S-T geht dabei vom Grundsatz
aus, dass Übermittlungen seitens der Unternehmen in elektronischer Form zu erfolgen haben,
gewährt aber für gewisse Fälle Ausnahmen52
. Seit dem Jahr 1999 können neben Dokumente im
ASCII53
Format auch solche im PDF54
oder HTML55
Format übermittelt werden56
.
Der Einsatz des Internets im Rahmen der proxy solicitation zur Übermittlung von Informationen
der um proxies Werbenden, sei es die Gesellschaft und/oder die insurgents, an die Aktionäre
wurde von der SEC im Jahr 1995 in den Richtlinien zur Nutzung elektronischer Medien zum
Versand von Unternehmensinformationen57
erstmals offiziell gebilligt. Eine Regulation S-T
entsprechende gesetzliche Normierung der Übermittlung von Informationen durch die
Gesellschaft oder Dritte an die Aktionäre durch NIKT ist bis heute nicht erfolgt58
.
48
Vgl. den Text von Regulation 14A z.B. unter <http://www.law.uc.edu/CCL/34ActRls/reg14A.html>.
49
Vgl. Fn 27.
50
17 CFR 232. Volltext einsehbar z.B. unter <http://www.law.uc.edu/CCL/regS-T/index.html>.
51
EDGAR steht dabei für Electronic Data Gathering, Analysis, and Retrieval system. Vgl. <http://
www.sec.gov/edgar/searchedgar/webusers.htm>. Zur Geschichte von EDGAR vgl. auch SPINDLER/ HÜTHER,
Fn 33, S. 332.
52
Vgl. §§ 232.121, 232.201 und 232.202.
53
American Standard Code for Information Interchange.
54
Portable Document Format.
55
HyperText Markup Language.
56
SEC Release No. 33-7684, 34-41410, Rulemaking for EDGAR System, May 17, 1999.
57
SEC Release No. 33-7233; 34-36345, Use Of Electronic Media For Delivery Purposes, October 6, 1995.
Volltext einsehbar z.B. unter <http://www.sec.gov/rules/concept/33-7233.txt>. Vgl. auch SEC Release No.
33-7234; 34-36346, Use Of Electronic Media For Delivery Purposes Part II, October 13, 1995, sowie
schliesslich SEC Release No. 33-7289, 34-37183, Use Of Electronic Media For Delivery Purposes Part VI,
May 15, 1996.
58
SEC Release No. 33-7233; 34-36345, Fn 57, S. 3.
- 12 -
Die elektronische Übermittlung von Informationen an die Aktionäre wird der Übermittlung in
Papierform und per Post nur bei Erfüllung der nachfolgend dargestellten Bedingungen
gleichgestellt59
. Die SEC definiert die elektronische Übermittlung von Informationen, indem sie
möglichst viele Analogien zur Übermittlung von Informationen in Papierform zieht. Jede
Übermittlung von Informationen, unabhänig ob in elektronischer Form oder auf Papier, muss
dabei folgende Voraussetzungen erfüllen: Es muss die Möglichkeit der Aufbewahrung eines
permanent records, einer permanenten Aufzeichnung, bestehen, und die die Informationen
Übermittelnden müssen vernünftige Vorkehren treffen, um die Integrität und Sicherheit der
übermittelten Informationen zu gewährleisten60
.
Werden dem Aktionär neue Informationen per Post zugestellt, so wird er durch die physische
Zustellung der Informationen von selbst auf das Vorliegen von neuen Informationen
aufmerksam gemacht. Bei elektronischer Übermittlung, wenn zum Beispiel die Informationen
nur auf einer Website publiziert werden, ist dies nicht unbedingt der Fall. Dem Aktionär muss
deshalb bei elektronischer Übermittlung von Informationen in einem ersten Schritt rechtzeitig
und angemessen notice, Anzeige, gemacht werden, dass überhaupt neue Informationen
vorliegen. Der oder die elektronisch Übermittelnde muss deshalb die Wahrnehmbarkeit der
Information mittels einer separaten Mitteilung, sei es per Post oder aber auch per E-Mail,
herstellen. Wird die neue Information via postversandter Diskette oder CD-Rom oder aber auch
über E-Mail direkt mitgeteilt, entfällt eine gesonderte Mitteilung. E-Mail darf von
Informierenden grundsätzlich nur dann eingesetzt werden, wenn informed consent seitens der
Informationsempfänger vorliegt, das heisst, wenn diese den Einsatz von E-Mail vorgängig
genehmigt und dem oder der Informierenden zu diesem Zweck eine E-Mail-Adresse mitgeteilt
haben61
.
Der Aktionär muss weiter die Möglichkeit haben, ähnlich leicht und dauerhaft access, Zugriff,
auf die elektronisch übermittelten Informationen zu haben, wie er dies bei per Post übermittelten
Informationen auf Papier hätte. Die Informationen müssen so lange zugänglich sein, als es die
entsprechenden Publizitätsvorschriften verlangen. In dieser Zeitspanne steht es dem Aktionär
zudem frei, sein Einverständnis zur elektronischen Übermittlung zu widerrufen und auf einer
Zustellung der Informationen in Papierform zu bestehen. Mit dieser Regelung soll gewährleistet
59
SEC Release No. 33-7233; 34-36345, Fn 57, S. 6 ff.
60
SEC Release No. 33-7233; 34-36345, Fn 57, S. 7.
61
SEC Release No. 33-7233; 34-36345, Fn 57, S. 8.
- 13 -
werden, dass Komplikationen mit der elektronischen Zustellung oder dem elektronischen
Zugriff keine, die Publizitätspflichten hemmenden Auswirkungen haben62
.
Schliesslich muss der oder die elektronisch Informierende, wie beim Postversand, Grund zur
Annahme haben, dass der Aktionär die Informationen erhalten hat und er beziehungsweise sie
damit seine beziehungsweise ihre Informationspflichten via des eingesetzten Mediums erfüllt
hat. Die SEC macht hierzu verschiedene Vorschläge, wie Verfahren zur Herstellung der
Gewissheit der Erfüllung der Publizitätspflichten aussehen können. Zentral ist dabei das
Konzept des informed consent des Aktionärs, dass er einem Einsatz eines bestimmten Mediums
ausdrücklich zustimmt, in Verbindung mit der Gewährleistung der rechtsgenügsamen notice des
Vorliegens von neuen Informationen und der Möglichkeit des access auf diese Informationen.
Weiter werden aber auch Beweise, dass der Aktionär die Informationen erhalten hat wie zum
Beispiel E-Mail-Return-Receipt oder auch ein Protokoll, das belegt, dass der Aktionär die
Informationen heruntergeladen, über Hyperlink angewählt oder ausgedruckt hat, als genügender
Grund zur Annahme der Erfüllung der Publizitätspflichten aufgeführt63
,64
.
In der Praxis werden diese drei Voraussetzungen meist über die Wahl des folgenden Modells
erfüllt: Die Informierenden holen die vorgängige Einwilligung der Aktionäre zum Einsatz des
Internets zur elektronischen Übermittlung von Informationen ein. Über E-Mail wird dann den
Aktionären mitgeteilt, dass auf einer bestimmten Website neue Informationen publiziert sind. Im
E-Mail wird dem Aktionär eine persönliche Identifikationsnummer (PIN) mitgeteilt. Zusammen
mit weiteren personenbezogenen Daten oder einer Gesellschaftsidentifikationsnummer65
kann
sich der Aktionär so Zugang zu den im passwortgeschützen Bereich einer Website publizierten
Informationen verschaffen und dort ebenfalls direkt seine proxy ausfüllen66
oder dem
intermediary67
Weisungen erteilen68
. Die Informierenden können den Zugriff der einzelnen
62
SEC Release No. 33-7233; 34-36345, Fn 57, S. 9.
63
SEC Release No. 33-7233; 34-36345, Fn 57, S. 10.
64
Für Angestellte einer informationspflichtigen Gesellschaft sieht die SEC gewisse Vereinfachungen vor. Vgl.
dazu SEC Release No. 33-7288; 34-37182, Use of Electronic Media by Broker-Dealers, Transfer Agents, and
Investment Advisers for Delivery of Information; Additional Examples Under the Securities Act of 1933,
Securities Exchange Act of 1934, and Investment Company Act of 1940, May 9, 1996, S. 24, Volltext
einsehbar z.B. unter <http://www.sec.gov/rules/concept/33-7288.txt>.
65
Vgl. dazu z.B. die Website von ADP unter <http://www.proxyvote.com/>.
66
Vgl. die Simulation zur Abgabe einer proxy unter <http://www.stocktronics.com/webvote/>, ID=3618,
Code=174273.
67
Zur Rolle des intermediary vgl. weiter unten in diesem Abschnitt.
- 14 -
Aktionäre auf die Informationen über Webprotokolle genau verfolgen und dokumentieren. Hat
der Aktionär auf die Informationen zugegriffen und trifft bei den Informierenden keine
Widerrufserklärung ein, haben diese ihre Publizitätspflichten erfüllt.
Die bis vor kurzem in den meisten Staaten fehlende Möglichkeit der elektronischen Mitteilung
über die bevorstehende Generalversammlung hat dazu geführt, dass die Werbung um
Stimmrechtsvollmachten in zwei Schritten erfolgt ist. Zuerst wurde sämtlichen Aktionären per
Post die Mitteilung über die bevorstehende Generalversammlung, einschliesslich
Vollmachtsformular sowie Erläuterungen zur möglichen Internet- oder Telefonabstimmung,
zugestellt. Aktionäre, die sich zum Beispiel bereits bei einer Konto- oder Depoteröffnung mit
der elektronischen Übermittlung von Informationen einverstanden erklärt haben, wird die
Adresse der Website mitgeteilt, wo sie das proxy statement und gegebenenfalls den annual
report einsehen können. Den anderen Aktionären werden diese Informationen ebenfalls in
Papierform zugesandt. Dank der Anerkennung der elektronischen Mitteilung über die
anstehende Generalversammlung durch mehrere Staaten69
ist es jedoch heute bei vorgängiger
Einwilligung des Aktionärs zur elektronischen Übermittlung von Informationen möglich, rein
elektronisch, meistens internetbasiert, um Stimmrechtvollmachten zu werben.
Wie eingangs bereits erwähnt, ist die Mehrheit der im Aktienbuch einer US Gesellschaft
eingetragenen record holder unter einem street oder nominee name als Aktionär geführt. Weil
zur Ausübung der Aktionärsrechte jedoch allein der hinter diesen record holder stehende
wirtschaftliche Eigentümer, der beneficial owner, berechtigt ist, besteht ein Geflecht an
Regelungen, das diesem erlaubt, seine Aktionärsrechte auszuüben. Da sich aus diesem
Normengeflecht keine weiteren, auf die Lage in der Schweiz anwendbaren Erkenntnisse
gewinnen lassen, wird auf die Pflichten des intermediary zur Weiterleitung von Dokumenten
und Informationen der Gesellschaft an den beneficial owner sowie die Einholung von
Weisungen an dieser Stelle nur soweit eingegangen, als auch hier der Einsatz von elektronischer
Übermittlung analog des Release No. 33-723370
zulässig ist71
.
68
Zum proxy voting vgl. im Detail unten II 2 d) Proxy Voting.
69
Vgl. dazu oben II 2 a) Notice of Meeting.
70
Vgl. Fn 57.
71
Vgl. dazu im Detail SEC Release No. 33-7288; 34-37182, Fn 64, S. 1 ff. Vgl. auch SPINDLER/ HÜTHER, Fn 33,
S. 333 f.
- 15 -
Für einen beneficial owner ändert sich dabei im Grundsatz nichts. Im Unterschied zu im
Aktienbuch eingetragenen Aktionären erhalten die nicht eingetragenen beneficial owners die
Informationen über Vermittlung den zwischen ihnen und der Gesellschaft geschalteten
intermediary. Zusätzlich haben die nichteingetragenen beneficial owners die Möglicheit, auf der
Website, welche die Informationen enthält, dem intermediary elektronisch Weisungen zu
erteilen. Unternehmen wie ADP Investor Communication Services (ADP), der grösste proxy
process Intermediär72
, oder Equiserve73
haben sich auf die Abwicklung des proxy process über
Internet spezialisiert. ADP bietet interessierten Investoren auf ihrer neuen und allumfassenden
Website icsdelivery.com zum Beispiel die Möglichkeit, den Namen ihres Brokers oder ihrer
Bank74
anzuklicken und sich anschliessend unter Angabe der Depotnummer und einer E-Mail-
Adresse zu registrieren. Nach der Registrierung und dem damit verbundenen informed consent
zur Übermittlung von Informationen über das Internet wird der Investor jeweils sofort über E-
Mail über das Vorliegen von neuen Informationen betreffend all in seinem Depot verbuchten
Investments informiert. Dem Investor wird damit eine äusserst angenehme Möglichkeit geboten,
ohne grossen Aufwand seine Stimmrechte bezüglich all seinen Investments entweder direkt per
Erteilung einer proxy oder indirekt via Erteilung einer Weisung an den intermediary
wahrzunehmen.
Im Jahr 2001 hat die NYSE schliesslich ihr Listed Company Manual75
an die neue Rechtslage
angepasst. Gemäss Rule 402.04 können kotierte Gesellschaften ihr proxy material auch
elektronisch übermitteln, sofern die von der SEC aufgestellten Grundsätze befolgt werden.
Im Unterschied zum elektronischen proxy voting76
ist die elektronische Übermittlung von
Gesellschaftsinformationen in den USA noch nicht sehr verbreitet. Einer im Jahr 2002 von
Rhoda Andersen Associates für die American Society of Corporate Secretaries verfassten Studie
über die Verbreitung von electronic proxy voting und electronic information delivery lassen sich
72
ADP beschreibt unter <http://www.ics.adp.com/release6/public_site/about/ics_story.html> wie folgt: “ICS
distributes over 95 percent of all beneficial shareholders proxies of over 14,000 North American public
companies. ICS therefore distributes and tallies proxy votes for virtually all annual and special meetings”.
73
Vgl. dazu die Website von Equiserve unter <http://www.equiserve.com/>.
74
Natürlich müssen sich auch partizipierende Broker und Banken registrieren. Bei fehlender Partizipation kann
der Investor den Broker oder die Bank auffordern, am Service mitzumachen.
75
Vgl. Fn 27.
76
Vgl. dazu die Tabellen unten unter II 2 d) Proxy Voting.
- 16 -
die folgenden Zahlen entnehmen77
: Im Jahr 2001 haben von den ungefähr 14000
Publikumsgesellschaften in den USA gerade nur 416 Gesellschaften elektronisch Informationen
an die eingetragenen Aktionäre weitergegeben, aber immerhin 830 Gesellschaften haben
Informationen elektronisch an die beneficial owners übermittelt.
c) Proxy Fights
Werben sowohl Gesellschaft als auch insurgents aktiv um proxies, liegt ein proxy fight vor.
Proxy fights werden hauptsächlich geführt, um Machtverhältnisse im Verwaltungsrat zu ändern
und damit indirekt die Kontrolle über die Gesellschaft zu erlangen78
. Weniger häufig werden
proxy fights auch um Sachentscheide geführt79
.
Im proxy fight können NIKT und insbesondere das Internet über die eben diskutierten
Möglichkeiten hinaus eingesetzt werden80
. Websites und E-Mail werden dabei vor allem von
insurgents eingesetzt, um die Kommunikation mit den anderen Aktionären auszubauen, zu
erleichtern und vor allem zu intensivieren. Dazu wird von den insurgents meistens eine Website
unterhalten, die sämtliche Informationen betreffend den proxy fight bündelt. Auf einer solchen
Website
- können die insurgents sich persönlich sowie ihre Pläne und Beweggründe multimedial
präsentieren, - kann in einem täglichen Update die Entwicklung des proxy fights beschrieben
werden,
- können sämtliche Presseberichte sowie die der SEC eingereichten Dokumente durch
Hyperlinks einfach zugänglich gemacht werden und können von Besuchern auf bulletin boards,
virtuellen schwarze Brettern, Mitteilungen hinterlassen werden. Der SEC muss eine Vollkopie
77
Vgl. <http://www.ccbn.com/resource_center/spotlight/200202.html>.
78
Viele amerikanische Gesellschaften verfügen als Präventivmassnahme gegen feindliche Übernahmen über
eine aktive poison pill. Eine posion pill bewirkt im Resultat eine massive Kapitalverwässerung, sobald jemand
eine von der Gesellschaft festgelegte Prozentzahl der ausstehenden Aktien (meistens zwischen 10-15%)
erwirbt. Poison pills sind vorwiegend so strukturiert, dass sie nur vom Verwaltungsrat ausser Kraft gesetzt
werden können. Einem raider bleibt damit nichts anderes übrig, als seine feindliche Übernahme zweigleisig,
d.h. über den Kauf von Aktien verbunden mit einem gleichzeitigen proxy fight zwecks Wahl von ihm
wohlgesinnten Verwaltungsräten, zu starten. Ist der Verwaltungsrat dem raider einmal wohlgesinnt, kann
dieser die posion pill aufheben.
79
Der prominenteste proxy fight des Jahres 2002 war sicher derjenige zwischen Hewlett-Packard und Compaq
Computer im Hinblick auf die Abstimmung über die von HP vorgeschlagene Fusion. Dieser wurde jedoch vor
allem über gigantische Inseratekampagnen in den Printmedien ausgetragen.
80
COWELL III EUGENE F., Shareholder Communication, INSIGHTS, Volume 15, Number 10, October 2001,
S. 17 ff.
- 17 -
des Inhalts der Website eingereicht werden81
. Dies wiederum bewirkt, dass Aktionäre, welche
die oben beschriebenen Dienstleistungen von ADP in Anspruch nehmen, die Existenz der
Website umgehend mitgeteilt erhalten82
. Übermitteln Besucher der Website anschliessend sogar
noch ihre E-Mail-Adresse, verfügen die insurgents innert kurzer Zeit über eine Liste von
möglichen Unterstützern ihrer Anliegen, ohne dass sie sich mühsam durch bei der Gesellschaft
zu verlangende Aktionärslisten83
und den darin vermerkten street names kämpfen müssen. Solch
direkte, schnelle und kostengünstige Kommunikation war insurgents vor dem Internetzeitalter
nicht zugänglich. Die im Jahr 2000 durchgeführte Revision der Rule 14a-12 des ’34 Act macht
den umschriebenen Einsatz des Internets unter gewissen Voraussetzungen auch schon möglich,
bevor überhaupt ein definitives proxy statement, das grundsätzlich sämtliche Werbetätigkeiten
begleiten muss, vorliegt84
.
Der Einsatz des Internets im proxy fight wird wohl meistens unter die proxy rules der Regulation
14A fallen. Insurgents werden sich selten auf die Ausnahme der Rule 14a-2(b)(2) berufen
können, die es Aktionären erlaubt, bei bis zu zehn anderen Aktionären um Vollmachten zu
werben, ohne sich um die proxy rules, mit Ausnahme der Betrugsbestimmungen der Rule 14a-9,
kümmern zu müssen.
Damit wird auch klar, dass Aktionäre, die sich zum Beispiel E-Mail bedienen, um andere
Aktionäre auf irgendein gesellschaftsspezifisches Anliegen im Hinblick auf eine kommende
Generalversammlung aufmerksam zu machen, ohne aktiv einen proxy fight zu führen, ohne
weiteres plötzlich aus dem Schutzbereich der Rule 14a-2(b)(2) fallen können, sollten deren E-
Mail von maximal zehn ersten Empfängern an weitere Aktionäre weitergeleitet werden.
Nur internetbasierte proxy fights werden wohl auch in Zukunft die Ausnahme sein85
. Vielmehr
wird sich eine Mischung zwischen herkömmlichen Inseratekampagnen in den Printmedien
sowie dem Einsatz des Internets ergeben.
81
Vgl. dazu im Dateil ’34 Act Rule 14a-12.
82
Vgl. dazu oben II 2 b) Proxy Solicitation.
83
Vgl. dazu im Dateil ’34 Act Rule 14a-7.
84
Dazu im Detail COWELL, Fn 80, S. 21.
85
Als erste, reine Internetkampagne gilt in den USA der von der Travis Street Partners LLC angeführte proxy
fight um eine Auswechslung des Verwaltungsrats der an der Nasdaq gehandelten ICO, Inc.
- 18 -
d) Proxy Voting
Die Form der Erteilung der proxy bestimmt sich nach dem Recht der Einzelstaaten. Dem
Beispiel von Delaware nacheifernd, lassen heute dreissig Bundesstaaten86
ausdrücklich die
Erteilung der Stimmrechtsvollmacht über NIKT zu87
. Das Gesellschaftsrecht von Delaware sieht
in diesem Zusammenhang vor, dass eine wirksame Bevollmächtigung nur dann erfolgt, wenn
die Vollmacht den erteilenden Aktionär erkennen lässt beziehungsweise wenn auf ihn
geschlossen werden kann. Bei der Erteilung der Vollmacht über Internet werden deshalb die im
Kapitel Proxy Solicitation beschriebenen Identifikationssysteme verwendet, die diese
Voraussetzung erfüllen.
Die Verbreitung von electronic und insbesondere internet proxy voting in den USA nimmt
ständig zu. Der Studie von Rhoda Andersen Associates88
lassen sich die folgenden Zahlen
entnehmen:
Eingetragene Aktionäre
Proxy Season # of Issuers Offering
Telephoning Voting
Range of Voters Using
Telephone
# of Issuers Offering
Internet Voting
Range of Voters Using
Internet
June 97 – Mar 98 200 6% - 45% 30 1% - 4%
June 98 – Mar 99 502 11% - 24% 256 5% - 11%
June 99 – Mar 99 1038 12% - 27% 897 6% -14%
May 00 – Jun 01 1352 7% - 30% 1,274 4% - 12%
86
COLE DOUGLAS R., Fn 30, S. 812.
87
Delaware.Gen.Corp § 212 (c)(2) A stockholder may authorize another person or persons to act for such
stockholder as proxy by transmitting or authorizing the transmission of a telegram, cablegram, or other means
of electronic transmission to the person who will be the holder of the proxy or to a proxy solicitation firm,
proxy support service organization or like agent duly authorized by the person who will be the holder of the
proxy to receive such transmission, provided that any such telegram, cablegram or other means of electronic
transmission must either set forth or be submitted with information from which it can be determined that the
telegram, cablegram or other electronic transmission was authorized by the stockholder. If it is determined that
such telegrams, cablegrams or other electronic transmissions are valid, the inspectors or, if there are no
inspectors, such other persons making that determination shall specify the information upon which they relied.
88
Vgl. Fn 77.
- 19 -
Beneficial Owners (Serviced By ADP)
Proxy Season # of Issuers Offering
Telephoning Voting
Range of Voters Using
Telephone
# of Issuers Offering
Internet Voting
Range of Voters Using
Internet
June 97 – Mar 98 100% 6% - 9% 100% 1% - 4%
June 98 – Mar 99 100% 13.5% 100% 6.2%
June 99 – Mar 99 100% 14% 100% 10.1%
May 00 – Jun 01 100% 12% 100% 10.5%
3. Annual Meeting
Wie soeben dargestellt, lag der Schwerpunkt der Diskussion um den Einsatz von NIKT in den
USA lange Zeit beinahe ausschliesslich auf dem Einsatz des Internets im Rahmen des proxy
process89
. Dies ist nicht weiter erstaunlich, findet doch – wie schon erwähnt – der
Willensbildungsprozess in amerikanischen Gesellschaften nicht während der
Generalversammlung, sondern im proxy process statt. Konsequenterweise dauern
Generalversammlungen denn auch nicht lange und die Beschlussfassung wird zu einer reinen
Formsache90
. Der Durchführungsort einer Generalversammlung bestimmt sich nach den
anwendbaren Bestimmungen der Einzelstaaten. Die meisten Staaten gewähren den
Gesellschaften das Recht, den Tagungsort in ihrem bylaws91
zu bestimmen. Wie nachfolgend
dargestellt wird, hat dieser Tagungsort in den USA – mit einer Ausnahme – auch heute noch ein
physischer zu sein.
a) Webcasting
Pioniere in Sachen virtueller Generalversammlung, einer Generalversammlung, die nur über
elektronische Mittel abgehalten wird, waren einzelne Gesellschaften, die Mitte der
Neunzigerjahre begonnen haben, ihre Generalversammlungen im Internet zu übertragen. Als
89
Dies im Gegensatz zu Deutschland, wo sich die Diskussion vor allem um die virtuelle Hauptversammlung
dreht (vgl. Fn 20).
90
Dieses Verständnis schlägt sich auch in den verschiedenen Gesellschaftsrechten der Einzelstaaten nieder, die
meistens nur wenige grundsätzliche Bestimmungen über den Ablauf des annual meeting enthalten. In der
Folge schweigen auch Lehrbücher, nach einer meist äusserst detaillierten Darstellung des proxy process, zum
Thema „Ablauf des annual meeting“.
91
Die articles of association oder das certificate of association, zusammen mit den bylaws, entsprechen in etwa
unseren Statuten.
- 20 -
einer der Wegbereiter gilt Bell & Howell Company92
. Als erste grössere Gesellschaft
ermöglichte sie ihren Aktionären im Jahr 1996 über Internet die Präsentationen am physischen
Durchführungsort live mitzuverfolgen sowie über E-Mail Fragen zu stellen. Die Möglichkeit,
über das Internet abzustimmen, wurde damals noch nicht eingeräumt93
. Im Jahr 2001 haben über
100 Gesellschaften in den USA ihre Generalversammlung mittels sogenanntem webcasting im
Internet übertragen94
. Von der Interaktivität des Internets wird jedoch noch immer sehr wenig
bis gar nicht Gebrauch gemacht und beschränkt sich meistens auf die Möglichkeit des Stellens
von Fragen an die leitenden Organe95
.
Die nach wie vor zunehmende Popularität des webcasting der Generalversammlung in den USA
hat verschiedene Gründe: Zum einen hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass solche finanziell
äusserst günstige Übertragungen96
den globalen Aktionären die Möglichkeit bieten, an der
Generalversammlung zu partizipieren, ohne physisch am Tagungsort anwesend sein zu müssen
und damit eine bessere Einbindung des Aktionärs in die Angelegenheiten der Gesellschaft
ermöglichen. Zum anderen haben auch die wirtschaftlichen Realitäten des neuen Jahrtausends
zu diesem Trend beigetragen. Grenz- und kontinentüberschreitende Fusionen, wie diejenige von
DaimlerChrysler AG, verlangen nicht nur neue Formen der multikontinentalen Konzernführung,
sondern auch solche der globalen Aktionärseinbindung und -mitwirkung97
. Schliesslich hat auch
das Inkrafttreten der so genannten Regulation FD98
im Jahr 2000 den Trend verstärkt.
Regulation FD – FD steht für fair disclosure – untersagt das selektive Offenlegen von non
public material information gegenüber ausgewählten Personen wie Analysten oder
institutionellen Investoren. Vermittelt eine Gesellschaft zum Beispiel an einer
Analystenkonferenz oder auch an einer Generalversammlung bisher unbekannte materielle
Informationen, so muss sie diese Informationen gleichzeitig auch dem Investorenpublikum
92
GOLDMAN MICHAEL D./FILLIBEN EILEEN M., Corporate Governance: Current Trends and Likely
Developments for the Twenty-First Century, 25 Del. J. Corp. L. 683, S. 694 f.
93
YOUNG DAVID, Web Meetings: Bell & Howell Tries E-mail, Chicago Trib., June 10, 1996, S. 3.
94
Vgl. statt vieler die Investor Relations Websites von Wallgreen,
<http://investor.walgreens.com/medialist.cfm>, oder Intel, <http://www.intel.com/intel/finance/index.htm>,
und die darin aufgeführten Webcasts.
95
LANE BRIAN J./MACKAY CHERYL A., Preparing For Your Annual Meeting, New York 2002, S. 4.
96
Eine Audio-Übertragung inkl. einer interaktiven Folienpräsentation kostet in den USA ca. $2’500. Ein volles
Video Webcasting kostet ca. $15’000, inklusive die Crew und das Equipment zur Übertragung.
97
Vgl. dazu den Investor Relations Teil der Website von DaimlerChrysler,
<http://www.daimlerchrysler.com/index_g.htm?/investor/investor_g.htm>.
98
Vgl. dazu das Fact Sheet der SEC zur Regulation FD unter <http://www.sec.gov/news/extra/seldsfct.htm>.
- 21 -
bekanntgeben. Mit der Übertragung dieser Anlässe über das Internet können Gesellschaften den
Anforderungen der Regulation FD Genüge tun99
. Schliesslich braucht es auf Seiten des
Aktionärs nur einen handelsüblichen PC mit installierter Internet Browser und frei erhältlicher
Multimedia Software wie RealPlayer®100
oder Windows Media Player™101
. Als Folge dieser
Entwicklung hat sich in den USA eine richtige Webcast-Industrie entwickelt102
.
b) Virtual Annual Meeting
Die Übertragung der Generalversammlung allein oder verbunden mit gewissen
Interaktionsmöglichkeiten vermag jedoch noch keine virtuelle Generalversammlung zu
begründen, da
- nach wie vor eine physische Versammlung der Aktionäre und Organe an einem von der
Gesellschaft zu bestimmenden Tagungsort durchgeführt werden muss,
- die über Internet teilnehmenden Aktionäre für Präsenzquorumszwecke103
nicht als anwesend
betrachtet werden und eine realtime Abstimmung während der Versammlung nicht möglich ist.
Im Zug der Ergänzungen vom Juni 2000104
hat Delaware jedoch als erster – und bis jetzt
einziger – Staat sein Gesellschaftsrecht so erweitert, dass Gesellschaften, die in Delaware
eingetragen sind, ihre Generalversammlung ohne physiche Versammlung, das heisst allein über
means of remote communication, also über Mittel der Fernkommunikation abhalten können.
Gleichzeitig wurde neu auch die Möglichkeit geschaffen, dass Aktionäre und proxy holders über
Mittel der Fernkommunikation an einer physischen Generalversammlung teilnehmen können,
das heisst,. dass sie als anwesend gelten105
und neu auch realtime abstimmen können. Die
Ergänzungen des Delaware General Corporation Law betreffen vor allem die Section 211106
,
99
Vgl. hierzu z.B. die Audio/Video Section Investor Relations Teil der Website von DaimlerChrysler,
<http://www.daimlerchrysler.com/index_g.htm?/investor/av/av_1_g.htm>.
100
Vgl. <http://www.real.com/>.
101
Vgl. <http://www.microsoft.com/windows/>.
102
Vgl. statt aller die Website von Corporate Communications Broadcast Network, <http://www.ccbn.com/>.
103
Die meisten Gesellschaftsrechte schreiben für Generalversammlungen Präsenzquoren vor, vgl. z.B.
Delaware.Gen.Corp § 216.
104
Vgl. zur Gesetzesrevision auch oben II 2. Proxy Process.
105
Dies ist eine wichtige Neuerung in Bezug auf die im amerikanischen Gesellschaftsrecht wichtigen
Präsenzquoren. Bis anhin ist/war es zwar auch schon möglich, via Webcast einer Generalversammlung
beizuwohnen.Diese Partizipation führte jedoch nicht dazu, dass solche Aktionäre als anwesend galten.
Überdies hatte das Internet Proxy Voting bereits vor der eigentlichen Generalversammlung zu erfolgen.
106
Delaware.Gen.Corp § 211. Meetings of stockholders.
- 22 -
die jedoch teilweise in Verbindung mit der neugeschaffenen Section 232(c)107
gelesen werden
muss. Interessanterweise ist der Begriff remote communication im Gesetz nicht definiert. Der
Gesetzgeber hat ihn als selbsterklärend angesehen. Er soll jede Form von Kommunikation
erfassen, die von einem Ort ausgeht, der mit dem Durchführungsort der Versammlung.nicht
identisch sein muss.
Section 211(a)(1) räumt dem Verwaltungsrat, sofern dieser bereits statutorisch befugt ist, den
Ort der Generalversammlung festzulegen, eine unübertragbare Kompetenz ein zu bestimmen, ob
die Generalversammlung virtuell, das.heisst. allein über elektronische Mittel, physisch oder in
einer gemischten Form stattfindet. Die unübertragbare Kompetenz des Verwaltungsrats soll
verhindern, dass die Gesellschaft durch eine von Aktionären angestrengte Statutenänderung zur
Durchführung von virtuellen Generalversammlungen oder gemischten Formen gezwungen
(a) (1) Meetings of stockholders may be held at such place, either within or without this State as may be
designated by or in the manner provided in the certificate of incorporation or bylaws, or if not so designated,
as determined by the board of directors. If, pursuant to this paragraph or the certificate of incorporation or the
bylaws of the corporation, the board of directors is authorized to determine the place of a meeting of
stockholders, the board of directors may, in its sole discretion, determine that the meeting shall not be held at
any place, but may instead be held solely by means of remote communication as authorized by paragraph
(a)(2) of this section.
(2) If authorized by the board of directors in its sole discretion, and subject to such guidelines and procedures
as the board of directors may adopt, stockholders and proxyholders not physically present at a meeting of
stockholders may, by means of remote communication:
a. Participate in a meeting of stockholders; and
b. Be deemed present in person and vote at a meeting of stockholders, whether such meeting is to be held at a
designated place or solely by means of remote communication, provided that (i) the corporation shall
implement reasonable measures to verify that each person deemed present and permitted to vote at the
meeting by means of remote communication is a stockholder or proxyholder, (ii) the corporation shall
implement reasonable measures to provide such stockholders and proxyholders a reasonable opportunity to
participate in the meeting and to vote on matters submitted to the stockholders, including an opportunity to
read or hear the proceedings of the meeting substantially concurrently with such proceedings, and (iii) if any
stockholder or proxyholder votes or takes other action at the meeting by means of remote communication, a
record of such vote or other action shall be maintained by the corporation.
(b) …
(c) …
(d) …
(e) All elections of directors shall be by written ballot unless otherwise provided in the certificate of
incorporation; if authorized by the board of directors, such requirement of a written ballot shall be satisfied by
a ballot submitted by electronic transmission, provided that any such electronic transmission must either set
forth or be submitted with information from which it can be determined that the electronic transmission was
authorized by the stockholder or proxy holder.
107
Vgl. dazu Fn 41.
- 23 -
werden kann108
. Beschliesst der Verwaltungsrat die Durchführung einer virtuellen
Generalversammlung oder in einer gemischten Form, so kann er Ablauf und Richtlinien der
Generalversammlung definieren, äussert sich doch das Gesetz überhaupt nicht zu diesem
Punkt109
. Die unübertragbare Kompetenz des Verwaltungsrats ist Konsequenz der Einsicht des
Gesetzgebers, dass zwar die Entwicklung von Telekommunikationstechnologien immer
schneller voran schreitet, die Entwicklung von Realtime Internet Voting Systemen jedoch
immer noch in den Kinderschuhen steckt. Die Verlässlichkeit solcher Systeme wird von
Experten nach wie vor als tief eingeschätzt. Weiter ist die Durchführung einer virtuellen
Generalversammlung für eine Gesellschaft immer auch mit Kosten verbunden, die zur Zeit des
Inkrafttretens der Änderungen nur schwer abgeschätzt werden konnten. Überdies ist unklar, ob
eine Gesellschaft überhaupt in der Lage ist, Richtlinien und einen Ablauf der
Generalversammlung zu implementieren, die den gesetzlichen Anforderungen genügen.
Schliesslich sind hinsichtlich des Beschlusses, an der Generalversammlung Teilnahme und
realtime Abstimmung über elektronische Mittel zuzulassen, immer auch die Auswirkungen auf
die Beziehungen zu den Aktionären, aber auch auf die Gesellschaftskultur im Allgemeinen zu
überdenken. Aus all diesen Gründen hat der Gesetzgeber von Delaware den Entscheid, an einer
Generalversammlung elektronische Kommunikationsmittel zuzulassen, allein in die Hand des
Verwaltungsrats gelegt, der Risiken und Nutzen eines solchen Einsatzes nach seinem bestem
Wissen und Gewissen abwägen soll.
Der Verwaltungsrat darf indessen den Einsatz von Fernkommunikation an einer
Generalversammlung nur dann anordnen, wenn die Voraussetzungen von Section
211(a)(2)(B)(i)-(iii) erfüllt sind: (1) Die Gesellschaft muss vernünftige Mechanismen zur
Verifizierung der teilnehmenden Aktionäre implementieren, (2) die Gesellschaft muss
Massnahmen implementieren, die es den teilnehmenden Aktionären erlauben, an der
Versammlung vernünftig zu partizipieren, vernünftig abstimmen sowie die Vorgänge sowohl
schriftlich als auch mit Ton mitverfolgen zu können, und (3) die Gesellschaft muss über jede
Handlung und jede Abstimmung Aufzeichnungen erheben und diese aufbewahren. Die
Voraussetzungen sind bewusst offen formuliert, um dem Verwaltungsrat grösstmögliche
Flexibilität bei der Ausgestaltung des Einsatzes von Fernkommunikation zu ermöglichen.
108
HOLZMAN/MULLEN, Fn 39, S. 61 ff.
109
Obschon nicht zum Erlass solcher Richtlinien verpflichtet, wird dem Verwaltungsrat von Experten angeraten,
solche zu erlassen, um Voraussehbarkeit des Ablaufs zu gewährleisten und Verwirrung zu verhindern.
- 24 -
Schliesslich gilt es hinsichtlich der Abstimmung via Fernkommunikation festzuhalten, dass
diese gemäss Section 211(e) in der Form der electronic transmission zu erfolgen hat110
.
Electronic transmission ist nicht mit der Form der remote communictation zu verwechseln, die –
wie bereits oben erläutert – viel weiter geht.
Im Vorfeld der Gesetzesergänzung vom Jahr 2000 wurde von Experten erwartet, das die in
Delaware inkorporierten Gesellschaften eher zurückhaltend auf die neue Möglichkeit des
Einsatzes von Fernkommunikation im Allgemeinen sowie der virtuellen Generalversammlung
im Besonderen reagieren werden. Diese Erwartung hat sich bestätigt: In den zwei Jahren seit
Inkrafttreten der neuen Regelung hat erst eine einzige virtuelle Generalversammlung
stattgefunden. Im April 2001 hatte Inforte Corporation, eine kleine, an der NASDAQ gehandelte
Technologie Consulting Gesellschaft111
, ihre erste Generalversammlung als
Publikumsgesellschaft allein gestützt auf Fernkommunikation durchgeführt und dabei ihre
Kosten von den ursprünglich budgetierten $20’000 auf $2000 senken können112,113
, wobei es
anzufügen gilt, dass Inforte auf eine (teure) Internet basierte Abstimmungslösung verzichtet und
es sich bei der Übertragung um ein blosses Audio-Webcasting gehandelt hat114
. Die 5500
eingetragenen Aktionäre hatten dafür die Möglichkeit, ihre Stimmen per Fax zu übermitteln;
Fragen konnten über E-Mail eingereicht werden. Gemäss Angaben von Inforte verlief die
Versammlung ohne Zwischenfälle und war aus der Sicht der Gesellschaft ein voller Erfolg115
.
Nichtsdestotrotz sind bis heute keine weiteren Gesellschaften der Pioniertat von Inforte gefolgt.
Selbst Inforte sah sich mit Widerstand gegen die virtuelle Generalversammlung konfrontiert.
Besorgte Investoren fragten sich, ob der Gesellschaft nicht zu viel Macht eingeräumt wird,
kritische Stimmen einfach zu unterschlagen.
Der Virtualisierung des Willensbildungsprozesses bläst in den USA generell ein scharfer Wind
entgegen. Dies ist erstaunlich, ermöglicht doch der Einsatz von Fernkommunikation sowie die
virtuelle Generalversammlung auf den ersten Blick mehr Aktionärsdemokratie und –aktivismus;
110
Vgl. zur Form der electronic transmission Fn 41.
111
Ticker: INFT.
112
LANE/MACKAY, Fn 95, S. 4.
113
BANNAN KAREN, Safe at Home: Virtual Annual Meetings, CFO.com, September 15, 2001.
114
Vgl. im Detail das Interview mit TAMI KAMARAUSKAS, CFO und Chief Investor Relations Officer von Inforte,
unter <http://lefile.com/articles/irnotes/inforte.htm>.
115
KAMARAUSKAS TAMI, Case Study: Inforte Corp. Hosts Virtual Shareholder Meeting, wallstreetlawyer.com,
October 2001, S. 20.
- 25 -
er eröffnet überdies ein massives Kostensparpotential für die Gesellschaft. Institutionelle und
soziale Investoren sowie Corporate Governance Experten hingegen führen als Hauptargument
gegen die virtuelle Generalversammlung an, dass sich verantwortliche Organe nicht hinter der
Fassade einer virtuellen Versammlung verstecken können sollen, sondern Angesicht zu
Angesicht mit unzufriedenen Aktionären konfrontiert und in eine unter Umständen emotionale
Diskussion unter physisch Anwesenden verwickelt werden sollten116
. Virtuelle
Generalversammlungen würden deshalb wirksamen Aktionärsaktivismus mehr hemmen denn
fördern117
. Institutionelle Investoren hingegen befürworten den ergänzenden Einsatz von NIKT
in der Generalversammlung, da dieser Einsatz das Notwendige mit etwas Nützlichem verbinde
und die Organe der Gesellschaft nach wie vor persönlich, von Angesicht zu Angesicht, den
anwesenden Aktionären Rechenschaft über ihre Tätigkeit ablegen müssen118
. Diese Gründe
haben schliesslich auch einen Vorstoss des Gesetzgebers in Massachusetts zu Fall gebracht, der
im Anschluss an Delaware die Möglichkeit der virtuellen Generalversammlung im Gesetz
verankern wollte119
. Im Gegensatz dazu findet der ergänzende Einsatz von Fernkommunikation
von Seiten der Gesellschaften selber kaum lobende Worte. Erstens würden Abstimmungen nicht
mehr – wie bisher auf Grund der eingegangenen proxies – mehr oder weniger voraussehbar, da
Aktionäre und vor allem Aktionärsgruppen bis zum letzten Moment mit der Stimmabgabe
zuwarten könnten120
. Zweitens befürchten Gesellschaften zudem, dass die Möglichkeit der quasi
anonymen Fragestellung an die Organe zu einer Flut von – möglicherweise auch
querulatorischen – Fragestellungen führen könnte. Zuletzt werden – trotz sämtlicher Fortschritte
der Technik – aber auch Bedenken hinsichtlich der Machbarkeit, Sicherheit und Verlässlichkeit
des Einsatzes von Fernkommunikation und den damit verbundenen rechtlichen Problemen
angeführt.
116
HARRIS ROY, Point-Counterpoint: The Virtual Annual, CFO.com, August 24, 2001.
117
Ebenso LANE/MACKAY, Fn 95, S. 4.
118
Labor & Corporate Governance, September 2001, S. 2 (Monthly Publication of Proxy Voter Services (PVS), a
division of Institutional Shareholder Services (ISS)).
119
LANE/MACKAY, Fn 95, S. 5.
120
Dass sich die verantwortlichen Organe einer Gesellschaft, aber auch die Aktionäre, in einer Abstimmung an
einer Generalversammlung nicht gerne überraschen lassen, hat sich gerade letztlich bei der Abstimmung über
die Fusion zwischen HP und Compaq gezeigt, als sich die Deutsche Bank als bedeutende Aktionärin in letzter
Minute entschieden hat, nicht - wie früher mitgeteilt - gegen, sondern für die Fusion zu stimmen.
- 26 -
Zusammenfassend kann deshalb festgehalten werden, dass virtuelle Generalversammlungen in
den USA immer noch sehr kontrovers sind. Vielleicht gerade deswegen haben sie sich weder im
Gesellschaftsrecht anderer Staaten noch in der Praxis von Delaware etablieren können.
c) Electronic Conferences
Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass mehrere gesellschaftsrechtlich
unbedeutende Staaten121
wie Minnesota, Oregon oder North Dakota in ihrem jeweiligen
Gesellschaftsrecht im Zusammenhang mit dem annual meeting ebenfalls den Einsatz von NIKT
vorsehen. Solche Vorschriften122
sehen vor, dass die Teilnahme an einer herkömmlichen
Generalversammlung über elektronische Medien der physischen Präsenz gleichgestellt wird,
wenn physisch wie virtuell anwesende Aktionäre einander während der Generalversammlung
gleichzeitig hören können und wenn alle anderen Voraussetzungen einer Generalversammlung
erfüllt sind. Die praktischen Konsequenzen dieser ursprünglich wohl auf Telefonkonferenzen
ausgelegten Vorschriften sind allerdings gering, ist das Modell doch meistens nur auf
Gesellschaften mit wenigen Aktionären, sogenannten closely held companies, anwendbar und
überdies für Publikumsgesellschaften zurzeit technisch kaum umsetzbar.
4. Board of Directors
Die Ergänzungen des Delaware General Corporation Law aus dem Jahr 2000 ermöglichen es
dem Verwaltungsrat von in Delaware inkorporierten Gesellschaften, via electronic
transmission123
Rücktrittserklärungen124
abzugeben sowie Zirkularbeschlüsse125
zu fällen.
Section 141 (i) macht schliesslich klar, dass Sitzungen des Verwaltungsrats über alle
121
Zur gesellschaftsrechtlichen Vormachtsstellung von Delaware vgl. Fn 28.
122
Vgl. z.B. Minnesota Statutes, Chapter 302A.436, Electronic communications: „Subdivision 1. Electronic
conferences. If and to the extent authorized in the bylaws or by the board of a closely held corporation, a
conference among shareholders by any means of communication through which the shareholders may
simultaneously hear each other during the conference constitutes a regular or special meeting of shareholders,
if the same notice is given of the conference to every holder of shares entitled to vote as would be required by
this chapter for a meeting, and if the number of shares held by the shareholders participating in the conference
would be sufficient to constitute a quorum at a meeting. Participation in a conference by that means
constitutes presence at the meeting in person or by proxy if all the other requirements of section 302A.449 are
met”.
123
Zum Begriff vgl. im Detail Fn 41.
124
Delaware.Gen.Corp § 141 (b).
125
Delaware.Gen.Corp § 141 (f).
- 27 -
verfügbaren technischen Mittel durchgeführt werden können, solange sich die Mitglieder des
Verwaltungsrats hören können126,127
.
5. Investor Relations
Schliesslich sei hier darauf hingewiesen, dass die meisten amerikanischen
Publikumsgesellschaften auf ihrer Company Website eine ausführliche Rubrik Investor
Relations unterhalten. Dies ist grundsätzlich ohne gesetzliche Grundlage zulässig. Allerdings
gilt es zu beachten, dass die Gesellschaften hinsichtlich des publizierten Inhalts, so. bei
Prognosen über die Geschäftsentwicklung, sogenannten forward looking statements, unter
Umständen mit gesetzlichen Vorschriften, beispielsweise mit den Federal Securities Laws, in
Konflikt geraten können. Auf diese Konflikte wird an dieser Stelle jedoch nicht weiter
eingegangen, da diese genügend Stoff für eine weitere Abhandlung bieten würden.
6. Zusammenfassung
Während des Internetbooms der späten Neunzigerjahre engagierten sich in den USA viele
Autoren für den Einsatz von NIKT zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Gesellschaft
und Aktionären. Dabei betonten sie vor allem, dass die neuen Möglichkeiten des Internets den
einfachen Aktionär aus seiner rationalen Apathie wecken würden und damit die Demokratie der
Aktiengesellschaft gestärkt würde. Überdies würde der Einsatz des Internets zu
Kommunikationszwecken die Investor Relations Kosten einer Gesellschaft massiv senken.
Gesetzgeber in mehreren Staaten haben den Faden aufgenommen; Delaware mit seinem
managementfreundlichen Gesellschaftsrecht hat ihn mit seiner umfangreichen NIKT Revision
seines General Corporation Laws als einziger Bundesstaat zu Ende gesponnen. Die Gesetzgeber
von Delaware und Massachussets verspürten zu ihrem Erstaunen bereits während den
Gesetzgebungsverfahren zur Ergänzung ihrer Gesellschaftsrechte von Seiten der institutionellen
und sozialen Investoren Widerstand gegen die Virtualisierung von Willensbildungs- und
Abstimmungsprozessen. Diese ansonsten als Shareholder-Aktivisten bekannten
Investorengruppen machten geltend, die Virtualisierung der Generalversammlung biete den
Gesellschaften zu viele Möglichkeiten, unbequeme Aktionäre und deren Anliegen ins Leere
126
In Kalifornien ist es versuchsweise bis 1.1.2003 sogar möglich, eine Sitzung des Verwaltungsrats in einem
Internet-Chatroom durchzuführen, sofern gewisse Verifikationsmassnahmen durchgeführt werden können
(Cal. Corp. Code § 307).
127
HOLZMAN/MULLEN, Fn 39, S. 61 f.
- 28 -
laufen zu lassen und böte dem Management Schutz vor direkter Konfrontation mit
unzufriedenen Aktionären. Die im Anschluss an die Änderungen von Delaware vorgeschlagenen
Ergänzungen des Gesellschaftsrechts von Massachussets fanden in der Konsequenz keine
Mehrheit mehr und wurden aufs Eis gelegt. Soweit ersichtlich sind mittlerweile auch die
Fürsprecher des grossangelegten Einsatzes des Internets zu Kommunikationszwecken zwischen
Gesellschaft und Aktionär verstummt. Mehr und mehr finden sich mittlerweile Stimmen, die
ausführlich auf die Gefahren der neuen Möglichkeiten, wie zum Beispiel den leichter möglichen
Stimmenkauf, hinweisen. Schliesslich sorgen auch die weiter oben aufgeführten konkreten
Nutzungszahlen für eine gewisse Ernüchterung. Aktionäre nutzen das Internet zwar
grundsätzlich zunehmend, jedoch bewegen sich Nutzungsquoten in einem noch sehr
bescheidenen Rahmen. Das Gleiche gilt für die Gesellschaften; bis heute wurde erst eine
Generalversammlung virtuell durchgeführt.
Diese Trends in den USA lassen berechtigte Zweifel aufkommen, ob der Einsatz von NIKT
wirklich geeignet ist, Aktionärsaktivismus zu fördern und die Demokratie in NIKT einsetzenden
Gesellschaften zu stärken sowie deren Investor Relations Kosten in bedeutendem Umfang zu
senken. Wenn nun anschliessend der Einsatz von NIKT im Allgemeinen und des Internets im
Besonderen zur Kommunikation zwischen schweizerischen Publikumsgesellschaften und deren
Aktionären diskutiert wird, sollten diese Zweifel nicht vergessen werden.
III.Einsatz von neuen Informations- und Kommunikationstechniken in der
Schweiz
1. Ausgangslage
Sowohl Publikumsgesellschaften als auch deren Aktionäre können NIKT grundsätzlich zur
Übermittlung von Informationen sowie zur Vornahme von verbindlichen Rechtshandlungen
einsetzen. Nachfolgend werden nun in einem ersten Schritt die unter schweizerischem Recht
bereits bestehenden Einsatzmöglichkeiten von NIKT dargestellt. Daran anschliessend wird
untersucht, welche der vom schweizerischen Recht nicht gedeckten, im amerikanischen Recht
jedoch bereits vorgesehenen Möglichkeiten des Einsatzes von NIKT Eingang ins schweizerische
Recht finden sollten und wie die Einsatzmöglichkeiten geregelt werden könnten.
- 29 -
2. Einsatzmöglichkeiten de lege lata
a) Simultane Übertragung der Generalversammlung
In der Lehre ist unbestritten, dass die simultane Übertragung der Generalversammlung über
NIKT unter geltendem Recht zulässig ist128
. Die meisten Gesellschaften übertragen ihre
Generalversammlung mittlerweile im Internet oder, so im Fall der letzten Generalversammlung
der Swissair, sogar im Fernsehen.
b) Kommunikation unter Aktionären
Anders als in den USA129
ist in der Schweiz der Einsatz von NIKT im Allgemeinen sowie
Internet und E-Mail im Besonderen zur Kommunikation unter Aktionären nicht speziell geregelt
und deshalb, zum Beispiel im Vorfeld von Generalversammlungen, ohne weiteres zulässig.
c) Investor Relations
Die Nutzung von NIKT im Allgemeinen und des Internets im Besonderen zur Pflege der
Investor Relations ist in der Schweiz nicht speziell geregelt. Hinsichtlich der im Internet
veröffentlichten Informationen gelten die gleichen rechtlichen Schranken wie für sämtliche
anderen Medien auch. Gesellschaften, die in den USA direkt oder über American Depositary
Receipts (ADR)130
an einer Börse zweitkotiert sind, müssen überdies den Inhalt ihrer Investor
Relations Websites mit den Federal Securities Laws abstimmen131
.
3. Einsatzmöglichkeiten de lege ferenda
a) Einberufung der Generalversammlung
Gemäss Artikel 700 Absatz 1 OR ist die Generalversammlung spätestens 20 Tage vor dem
Versammlungstag in der durch die Statuten vorgeschriebenen Form einzuberufen. Eine
Gesellschaft könnte damit in ihren Statuten grundsätzlich vorsehen, die Generalversammlung
elektronisch über NIKT einzuberufen. De lege lata hat die Gesellschaft ferner Artikel 696 OR zu
128
HOFSTETTER, Fn 8, S. 16; LAMBERT, Fn 10, S. 36 ff.; APPENZELLER, Fn 10.
129
Aktionäre von US Gesellschaften dürfen nur bei bis zu zehn anderen Aktionären um Vollmachten werben,
ohne sich um die proxy rules, mit Ausnahme der Betrugsbestimmungen der Rule 14a-9, kümmern zu müssen.
Vgl. dazu ausführlicher oben II 2 c) Proxy Fights.
130
Zum Thema ADR vgl z.B. SAUNDERS MARK A., American Depositary Receipts: An Introduction to U.S.
Capital Markets for Foreign Companies, 17 Fordham Int’l L.J. 48, oder die umfangreiche ADR-Website der
Bank of New York unter <http://www.adrbny.com/>.
131
Vgl. dazu auch oben II 5 Investor Relations.
- 30 -
beachten: Spätestens 20 Tage vor der ordentlichen Generalversammlung sind der
Geschäftsbericht und der Revisionsbericht den Aktionären am Gesellschaftssitz zur Einsicht
aufzulegen. Namenaktionäre sind hierüber durch schriftliche Mitteilung zu unterrichten,
Inhaberaktionäre durch Bekanntgabe im Schweizerischen Handelsamtsblatt. Weil den auf Grund
des Trends zur Einheitsaktie generell an Bedeutung gewinnenden Namenaktionären das
Aufliegen von Geschäfts- und Revisionsbericht schriftlich mitgeteilt werden muss, erfolgt diese
Mitteilung in der Praxis132
meistens mit und in der, gezwungenermassen, schriftlichen
Einladung zur Generalversammlung133
.
Die Schriftlichkeit der Mitteilung des Aufliegens von Geschäfts- und Revisionsbericht ist nicht
mit der Schriftlichkeit nach Artikel 13 Absatz 1 OR zu verwechseln. Artikel 13 Absatz 1 OR
hält fest, dass ein Vertrag, für den die schriftliche Form gesetzlich vorgeschrieben ist, die
Unterschriften aller Personen tragen muss, die durch ihn verpflichtet werden, wobei die
Unterschrift gemäss Artikel 14 Absatz 1 OR grundsätzlich eigenhändig zu schreiben ist. Die
Schriftlichkeit der Mitteilung des Aufliegens der Berichte dient nicht zur rechtsgeschäftlichen
Verpflichtung (der Gesellschaft), sondern der qualifizierten Information der Aktionäre. Die
Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der
elektronischen Signatur hält in diesem Zusammenhang fest, dass sich zwar das Bundesgericht
bis heute noch nicht mit der Frage beschäftigt hat, welche Anforderungen an die Schriftlichkeit
zu stellen sind, wenn diese nicht zur rechtsgeschäftlichen Verpflichtung, sondern der
qualifizierten Information der anderen Vertragspartei dient, aber gemäss Wortlaut und Sinn von
Artikel 13 Absatz 1 OR jedoch kein Grund besteht, auf einer eigenhändigen Unterschrift zu
beharren134
. Diese Ansicht ist meines Erachtens zutreffend und sollte analog auch für die
qualifizierte Information von Aktionären gelten. Ein Hindernis, die Mitteilung gemäss Artikel
696 Absatz 2 OR elektronisch zu übermitteln, besteht damit grundsätzlich nicht.
Bevor allerdings Informationen elektronsich übermittelt werden können, muss der oder die
Informierende wissen, wohin er beziehungsweise sie die elektronische Mitteilung senden kann.
Im Unterschied zur qualifizierten Information eines Vertragspartners kennen Gesellschaften
132
Börsenkotierte Gesellschaften publizieren überdies die Einladung zur Generalversammlung oft auch
zusätzlich in nationalen und internationalen Tageszeitungen.
133
Vgl. z.B. die Einladung der SwissRe zur Generalversammlung 2002, <http://www.swissre.com/INTERNET/
pwsfilpr.nsf/vwFilebyIDKEYLu/ALEU-59GJ72/$FILE/GVEinladungd.pdf>.
134
Botschaft zum Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur (ZertES) vom
3. Juli 2001, BBl Nr. 41/2001, S. 5679 ff., <http://www.admin.ch/ch/d/ff/2001/5679.pdf>, S. 5684.
- 31 -
zwar auch Namen und herkömmliche Adressen ihrer Namensaktionäre, jedoch selten deren
elektronischen Koordinaten. Inhaberaktionäre sind für die Gesellschaft ohne vorherige
Handlung derselben grundsätzlich nicht identifizierbar. Selbst wenn eine Gesellschaft über die
elektronischen Adressen ihrer Aktionäre verfügen sollte, wird sie darauf bedacht sein, ihre
Mitteilungen in einer Art und Weise zu versenden, die gewährleistet, dass sie ihre
Mitteilungspflicht erfüllt hat. Pressemeldungen von elektronischen Mitteilungen, die aus was für
Gründen auch immer in den digitalen Jagdgründen versickern, werden nicht helfen, der
elektronischen Mitteilung zum breiten Durchbruch zu verhelfen. Die theoretische Möglichkeit
des Einsatzes von NIKT zur qualifizierten Masseninformation von Aktionären durch die
Gesellschaft wird deshalb in der Praxis wohl kein grosses Echo finden.
Eine dem Modell der electronic transmission des Delaware General Corporations Law135
folgende Ergänzung des Aktienrechts, welche
- die elektronische Übermittlung einer Mitteilung ausdrücklich der schriftlichen Mitteilung
gleichstellt136
,
- eine offen formulierte Definition der elektronischen Übermittlung enthält sowie
- das Prinzip des informed consent, der vorgängigen, widerrufbaren, Einwilligung zur
elektronischen Übermittlung samt der zur Verfügungstellung einer entsprechenden
Adresse137
, verankert,
könnte allerdings die bestehende Unsicherheit der Gesellschaften beseitigen und damit
elektronischen Mitteilungen zum Durchbruch verhelfen. Solche Mitteilungen könnten sodann
über Fax, E-Mail und sogar über heute noch unbekannte Informations- und
Kommunikationstechniken erfolgen.
Über Sinn und Nutzen des Einsatzes von NIKT zur Einberufung der Generalversammlung in der
Schweiz lässt sich streiten. Tatsache ist, dass ein solcher Einsatz in den USA in mehreren
Bundesstaaten vorgesehen ist, Gesellschaften jedoch noch wenig davon Gebrauch machen. Im
Zug einer generellen Überarbeitung/Modernisierung des Aktienrechts liesse sich die Aufnahme
entsprechender Bestimmungen sicher vertreten. Ein zwingender Handlungsbedarf seitens des
Gesetzgebers besteht indessen meines Erachtens zurzeit nicht.
135
Vgl. dazu im Detail II 2 a) Notice of Meeting.
136
Vgl. Fn 40.
137
Vgl. Fn 41und 42.
- 32 -
b) Bevollmächtigung zur Stimmrechtsvertretung
Gemäss Artikel 689 Absatz 2 OR kann der Aktionär seine Aktien in der Generalversammlung
selbst vertreten oder durch eine Drittperson vertreten lassen, die unter Vorbehalt abweichender
statutarischer Bestimmungen nicht Aktionär zu sein braucht. Der Vertreter oder die Vertreterin
(Vertreter) eines Inhaberaktionärs weist sich durch Vorlage der Aktien oder durch eine vom
Verwaltungsrat angeordnete Art des Besitzesausweises aus138
. Der Vertreter eines
Namenaktionärs muss gemäss Artikel 689a Absatz 1 OR von diesem schriftlich zur Ausübung
der Mitgliedschaftsrechte bevollmächtigt sein. Wer Mitwirkungsrechte als Vertreter ausübt,
muss die Weisungen des oder der Vertretenen befolgen139
. Neben der willkürlichen Vertretung
sieht das Gesetz überdies drei Kategorien von institutionellen Stimmrechtsvertretern vor: Die
Organ- und unabhängige Stimmrechtsvertretung gemäss Artikel 689c OR sowie die
Depotvertretung gemäss Artikel 689d OR.
Will der Namenaktionär einen Vertreter bestimmen, so muss er diesem eine schriftliche
Vollmacht ausstellen. Beim Formerfordernis der Schriftlichkeit gemäss Artikel 689a Absatz 1
OR handelt es sich um eine Schriftlichkeit gemäss Artikel 13 Absatz 1 OR. Die Erteilung der
Vollmacht an den Vertreter ist eine Willenserklärung und stellt eine rechtsgeschäftliche
Handlung des Aktionärs dar. Da eine solche Vollmacht gemäss Artikel 14 Absatz 1 OR vom
Aktionär eigenhändig unterzeichnet werden muss, besteht heute noch keine Möglichkeit, eine
solche Vollmacht elektronisch zu erteilen.
Dieser Rechtszustand würde überwunden, wenn das Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste
im Bereich der elektronischen Signatur140
in Kraft141
treten und damit die Gleichstellung der
qualifizierten elektronischen Signatur mit der eigenhändig geschriebenen Unterschrift durch
Einfügung eines neuen Artikels 14 Absatz 2bis142
ins OR erfolgen würde143
. Die Botschaft144
138
Art. 689a Abs. 2 OR; die faktische Vertretungsmöglichkeit bei Inhaberaktien ist damit uneingeschränkt.
139
Art. 689b Abs. 1 OR.
140
Entwurf des Bundesgesetzes über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur (ZertES) vom
3. Juli 2001, BBl Nr. 41/2001, S. 5716 ff., <http://www.admin.ch/ch/d/ff/2001/5716.pdf>.
141
Vgl. zum Thema im Allgemeinen sowie zum Stand der Gesetzgebung im Besonderen
<http://www.ofj.admin.ch/
themen/e-commerce/intro-d.htm>.
142
„Der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt ist die qualifizierte elektronische Signatur, die auf einem
qualifizierten Zertifikat einer anerkannten Anbieterin von Zertifizierungsdiensten im Sinne des
Bundesgesetzes vom ... über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur beruht und auf den
Namen einer natürlichen Person lautet“.
- 33 -
umschreibt die Funktion der elektronischen Signatur wie folgt: „Durch die Verwendung der
elektronischen Signatur kann der Absender einer Nachricht oder eines elektronischen
Dokuments seine Identität nachweisen. Der Empfänger kann sich vergewissern, dass die
Meldung oder das Dokument während der Übermittlung nicht verändert wurde. Somit garantiert
die elektronische Signatur die Authentizität und Integrität elektronischer Nachrichten und
Dokumente. Möglich wird dies bei den vom Gesetz erfassten elektronischen Signaturen durch
den Einsatz vertrauenswürdiger Dritter (= Trusted Third Party [TTP]), die in diesem Gesetz als
Anbieterinnen von Zertifizierungsdiensten bezeichnet werden. Diese überprüfen die Identität
des Inhabers eines Signaturschlüssels und bestätigen die Zugehörigkeit des entsprechenden
Signaturprüfschlüssels zum Inhaber in einem (digitalen) Zertifikat“145
.
Damit wäre es möglich – ohne aktienrechtliche Sonderregelung – die Bevollmächtigung über E-
Mail vorzunehmen. Diese Lösung ermöglicht allerdings nur den Einsatz des Internets. Zudem
muss der Aktionär vorgängig bei einer Anbieterin von Zertifizierungsdiensten146
eine digitale
Signatur erwerben und diese anschliessend auf seinem Computer installieren. Schliesslich gibt
es seit dem 31. Dezember 2001 in der Schweiz keine öffentliche Zertifizierstelle für digitale
Identitäten mehr147
. Die Summe dieser Umstände dürfte den durchschnittlichen Aktionär davon
abhalten, überhaupt eine digitale Signatur zu beantragen. Die Möglichkeit der Erteilung der
Vollmacht zur Stimmrechtsvertretung über Internet dürfte damit Theorie bleiben.
Aus diesen Gründen drängt sich auch im Bereich der Erteilung der Vollmacht zur
Stimmrechtsvertretung eine aktienrechtliche Sonderlösung auf. Eine solche könnte sich an den
143
Vgl. dazu im Detail Botschaft, Fn 134, S. 5687.
144
Botschaft, Fn 134, S. 5685.
145
Zum technischen Funktionieren digitaler Signaturen vgl. LEGLER THOMAS, Digitale Signaturen in der
Schweiz: Vom realen zum virtuellen Notariat?, ZBGR 82, S. 129 ff.
146
Vgl. dazu Botschaft, Fn 134, S. 5693.
147
Vgl. zum Schicksal der Swisskey AG, der ersten Anbieterin von Zertifizierungsdiensten in der Schweiz,
<http://www.swisskey.ch/swisskey/documents/faq_last.pdf>. Swisskey AG begründete die Einstellung der
Ausstellung von digitalen Zertifikaten wie folgt: „Die Nachfrage nach digitalen Zertifikaten in der Schweiz
hat bis heute das prognostizierte Niveau nicht erreicht und wird es in nächster Zeit aus verschiedenen Gründen
auch nicht erreichen. Auch im internationalen Umfeld hat sich gezeigt, dass die Nachfrage nach
branchenunabhängigen, universell einsetzbaren Zertifikaten nicht rasch genug ein Niveau erreichen wird,
welches eine kostendeckende Ausstellung und Verwaltung der Ausweise für die digitale Welt erlauben würde.
Es fehlt bis heute über weite Strecken an zugkräftigen Angeboten und Lösungen im Internet, welche auf
digitale Zertifikate abstützen. Zurückzuführen ist dieser Umstand hauptsächlich auf den hohen
Komplexitätsgrad solcher Projekte. Es gibt keine gleichwertige Alternative zur PKI Technologie, die
Verbreitung dauert aber viel länger als ursprünglich vorgesehen”.
- 34 -
amerikanischen Modellen, aber auch an einem neuen schweizerischen Modell orientieren:
Gemäss Artikel 9 Absatz 2 des Bundesgesetzes über den Gerichtsstand in Zivilsachen
(GestG)148
sind Gerichtsstandvereinbarungen schriftlich zu schliessen. Der Schriftform
gleichgestellt werden dabei aber alle Formen der Übermittlung, die den Nachweis durch Text
ermöglichen, wie namentlich Telex, Telefax und E-Mail149,150
. Mit dieser Möglichkeit hat der
Gesetzgeber erstmals das Schriftformerfordernis des Artikels 13 Absatz 2 OR geöffnet. Was im
Zusammenhang mit der Gerichtsstandvereinbarung Sinn macht, muss jedoch nicht zwingend
auch im Zusammenhang mit der Erteilung der Vollmacht zur Stimmrechtsvertretung Sinn
machen. Während es im kleinen Kreis der die Gerichtsstandsvereinbarung abschliessenden
Parteien für alle Beteiligten durchaus möglich ist, die Authentizität151
und Integrität152
elektronischer Nachrichten zu überprüfen, ist dies im Zusammenhang mit der angestrebten
massenhaften Erteilung von Vollmachten zur Stimmrechtrechtsvertretung insbesondere für die
institutionellen Stimmrechtsvertreter nicht unbedingt der Fall. Die Öffnung des
Schriftformerfordernisses kann zwar über eine Artikel 9 Absatz 2 GestG entsprechende
Formulierung erreicht werden, sollte allerdings durch eine Section 212 (c)(2) des Delaware
General Corporation Law153
entsprechende Regelung dahin ergänzt werden, dass die
elektronische Übermittlung Informationen enthalten muss, welche die Identifikation des
bevollmächtigenden Aktionärs erlaubt. Eine solche Lösung würde zur Erteilung der Vollmacht
zur Stimmrechtsvertretung einen analogen Einsatz der in den USA gebräuchlichen
internetbasierten proxy-voting Systemen erlauben154
.
148
Gerichtsstandsgesetz, GestG, SR 272, <http://www.admin.ch/ch/d/sr/2/272.de.pdf>.
149
„Die Vereinbarung muss schriftlich erfolgen. Einer schriftlichen Vereinbarung gleichgestellt sind: a. Formen
der Übermittlung, die den Nachweis durch Text ermöglichen, wie namentlich Telex, Telefax und E-Mail; b.
eine mündliche Vereinbarung mit schriftlicher Bestätigung der Parteien“.
150
Vgl. in diesem Zusammenhang die Definition der electronic transmission von Section 232(c) des Delaware
General Corporation Law. Diese ist ebenfalls offen formuliert, setzt allerdings die Möglichkeit der
Umwandlung der Übermittlung in Papierform voraus. Vgl. auch die technologieneutrale Formulierung der
Absätze 2 und 3 des Artikels 957 OR.
151
Gewährleistung, dass der Absender und Empfänger diejenigen sind, die behaupten es zu sein.
152
Sicherstellung, dass Daten während der Übertragung nicht verändert werden.
153
Vgl. Fn 87.
154
Vgl. dazu die ausführliche Beschreibung unter II 2 b) Proxy Solicitation.
- 35 -
Instruktionen, wie der Vertreter zu stimmen hat, erteilt der vertretene Aktionär über eine
Weisung155
. Eine solche, auf Auftragsrecht beruhende Weisung bedarf keiner besonderen Form.
Die elektronische Weisungserteilung ist damit heute bereits möglich.
Auch im Zusammenhang mit der Erteilung der Vollmacht zur Stimmrechtsvertretung lässt sich
über Sinn und Nutzen des Einsatzes von NIKT streiten. Tatsache ist, dass weder von Aktionärs-
noch Gesellschaftsseite euphorisch auf die Möglichkeit der Erteilung einer Vollmacht zur
Stimmrechtsvertretung reagiert wird.
Die SwissRe hat ihren Aktionären im Hinblick auf die Generalversammlung 2002 bereits die
Möglichkeit eingeräumt, die Vollmacht zur Stimmrechtsvertretung an die institutionellen
Stimmrechtsvertreter über Internet zu erteilen156,157,158
. Gemäss Angaben der SwissRe wurden
von den rund 53000 per Post an die Aktionäre versandten Einladungen für die
Generalversammlung 2002 29500 Antwortbogen retourniert, davon 150 "elektronisch" via
Internet. Von diesen 150 bestellten rund 60% die entsprechende Zutrittskarte zur Teilnahme; der
Rest verteilt sich auf Vollmachten an die SwissRe und den unabhängigen Stimmrechtsvertreter
sowie einige auf Depotbanken. Von den total 57 Internet-Vollmachten stammten 23 aus der
Schweiz , 16 aus dem restlichen Europa, 10 aus USA/Canada und 8 aus Fernost. Die von der
SwissRe im Jahr 2002 gemachten Erfahrungen sprechen meines Erachtens eine deutliche
Sprache: Nur gerade ein Promille der Aktionäre der SwissRe hat am “Pionierprojekt”
teilgenommen und das Internet genutzt, um eine Vollmacht zur Stimmrechtsvertretung
einzuräumen!
155
Art. 689b Abs. 1 OR.
156
Vgl. Einladung, Fn 133, S. 4. Der Internet-Antwortbogen, zu finden unter <http://www.swissre.com/
INTERNET/pwsfrmpr.nsf/fmShareRegGer?OpenForm&_ModPath=INTERNET/pwswpspr.nsf> ist nicht
mehr online.
157
Auf das Formerfordernis von Art. 689a Abs. 2 OR angesprochen, liess die SwissRe verlauten: „Wir danken
Ihnen für Ihren Hinweis auf Art. 689a Abs. 1 OR und müssen feststellen, dass wir diesen Punkt tatsächlich
nicht genügend berücksichtigt haben. Wir werden daher die Angelegenheit für die kommende GV im 2003
mit unserem Rechstdienst überprüfen“.
158
Das von der SwissRe angewandte Auswertungsverfahren der über Internet eingereichten Antwortbogen
hingegen ist eine Möglichkeit der Umsetzung des hier gemachten Vorschlages zur zusätzlichen Identifikation
des Aktionärs: Auf dem elektronischen Antwortbogen sind die Eingabefelder "Aktionärs-Nr., Name und
email-Adresse oder Telephon- Nr." zwingend auszufüllen. Der Aktionär findet seine Aktionärs-Nr. auf dem
ihm mit der Einladung zugestellten Original-Antwortbogen, wo sie zusammen mit dem sog. "Barcode"
aufgedruckt ist. Die via Internet erhaltenen Antwortbogen druckt die SwissRe aus und überprüft dann, ob die
angegebene Aktionärs-Nr. mit dem Namen des Aktionärs übereinstimmt. Ist dies nicht der Fall, setzt sich die
SwissRe unverzüglich mit dem Aktionär in Verbindung.
- 36 -
Eine im Jahr 2001 durchgeführte, nicht repräsentative, qualitative Untersuchung zur Akzeptanz
der Vollmachtserteilung zur Stimmrechtsvertretung über Internet bei 24
Publikumsgesellschaften159
hat ergeben, dass 20 Gesellschaften keine Pläne zur Einführung der
Möglichkeit der Erteilung der Vollmacht zur Stimmrechtsvertretung über Internet haben. Die
Befragten stuften die mangelnde Rechtssicherheit sowie Sicherheitsmängel als grossen Nachteil
der Vollmachtserteilung über Internet ein. Als mittleren Nachteil wurden Qualitätsprobleme, das
mangelnde Vertrauen bei den Aktionären sowie die ungünstige Kosten-/Nutzenrelation
angegeben. Auf die Frage, ob eine gesetzliche Grundlage zum Einsatz von NIKT zur
Vollmachtserteilung geschaffen werden soll, sprachen sich 17 der 24 Publikumsgesellschaften
gegen eine rasche Änderung aus.
Weder diese Daten noch die in den USA gemachten Erfahrungen160
sprechen für einen
dringenden Handlungsbedarf beim Gesetzgeber. Sollte das Bundesgesetz über
Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur einmal in Kraft treten, könnten
die Vollmachten in einem ersten Schritt unter Anwendung einer digitalen Signatur erstmals,
wenn auch unter erschwerten Bedingungen, über Internet erteilt werden. Im Zug einer
generellen Überarbeitung/Modernisierung des Aktienrechts liesse sich hingegen die Schaffung
einer Rechtsgrundlage zur elektronischen Vollmachtserteilung ohne weiteres vertreten.
c) Virtuelle Teilnahme an der realen Generalversammlung
Gemäss herrschender Lehre und Rechtsprechung ist der Verwaltungsrat verpflichtet, die
Generalversammlung unter Anwesenden durchzuführen161
. Das Bundesgericht hat in einem
älteren Entscheid festgehalten, dass die Anwesenheit der Aktionäre an der Generalversammlung
für die Meinungsbildung unerlässlich sei. Diese könnten sich während der Versammlung auf
Grund der Voten und Ausführungen des Verwaltungsrats ihre Meinungen bilden. Eine briefliche
Stimmabgabe oder ein Zirkulationsbeschluss sei deshalb aktienrechtlich nicht zulässig162
. Der
Grundsatz der physischen Generalversammlungspräsenz163
ist im Aktienrecht nirgends explizit
verankert. Implizit geht dieser allerdings aus verschiedenen Bestimmungen wie beispielsweise
159
DOLDER MARC, Elektronische Generalversammlung – Die Akzeptanz von eVoting via Internet bei
Generalversammlungen aus Unternehmenssicht in der Schweiz, Diplomarbeit an der Hochschule für
Wirtschaft und Verwaltung HSW Bern, Bern 2001.
160
Vgl. dazu die Zahlen unter II 2 d) Proxy Voting.
161
Statt aller BÖCKLI PETER, Schweizerisches Aktienrecht, 2. Auflage, Zürich 1996, N 1262a.
162
BGE 67 I 346 f.
163
Vgl. auch HOFSTETTER, Fn 8, S. 12 f.
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  • 1. NAEGELI & STREICHENBERG ATTORNEYS AT LAW Der Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechniken in Publikumsgesellschaften E ine rechtsvergleichende Darstellung USA – Schwe iz Dr. iur. Christoph Steiner, Fürsprecher, LL.M. Naegeli & Streichenberg Rechtsanwälte Stockerstrasse 38 8002 Zürich
  • 2.
  • 3. Inhalt* I. Einleitung 1 1. Stand der Diskussion in der Schweiz 1 2. Verwandte Diskussionen 3 3. Ausblick 4 II. Einsatz von neuen Informations- und Kommunikationstechniken in den USA 5 1. Rechtliche Rahmenbedingungen 5 2. Proxy Process 6 a) Notice of Meeting 8 b) Proxy Solicitation 10 c) Proxy Fights 16 d) Proxy Voting 18 3. Annual Meeting 19 a) Webcasting 19 b) Virtual Annual Meeting 21 c) Electronic Conferences 26 4. Board of Directors 26 5. Investor Relations 27 6. Zusammenfassung 27 III. Einsatz von neuen Informations- und Kommunikationstechniken in der Schweiz 28 1. Ausgangslage 28 2. Einsatzmöglichkeiten de lege lata 29 a) Simultane Übertragung der Generalversammlung 29 b) Kommunikation unter Aktionären 29 c) Investor Relations 29 3. Einsatzmöglichkeiten de lege ferenda 29 a) Einberufung der Generalversammlung 29 b) Bevollmächtigung zur Stimmrechtsvertretung 32 c) Virtuelle Teilnahme an der realen Generalversammlung 36 d) Virtuelle Generalversammlung 39 IV. Würdigung 39 * Der Autor dankt der Stiftung „Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung“ für die grosszügige finanzielle Unterstützung.
  • 4.
  • 5. - 1 - I. Einleitung Derweil im Bereich der Kommunikation zwischen Behörden und Bürgern und Bürgerinnen (Bürgern) in der Schweiz der Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechniken (NIKT)1 von der Regierung, den rechtsetzenden Behörden und der Lehre im Hinblick auf die zu erwartenden Impulse für die direkte Demokratie intensiv diskutiert und durch die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen abgesichert wird2 , sind die Einsatzmöglichkeiten von NIKT zur Kommunikation zwischen Publikumsgesellschaften und deren Aktionären und Aktionärinnen (Aktionären) im Unterschied zu den USA und Deutschland – soweit ersichtlich – für die schweizerische Lehre und für schweizerische Unternehmen erst nach und nach ein Thema. 1. Stand der Diskussion in der Schweiz In der Schweiz hat sich zum einen, trotz der sich beinahe über Nacht verflüchtigten allgemeinen Internet-Euphorie, ein Dialog zwischen Lehre und Praxis über die rechtlichen und praktischen Möglichkeiten sowie Nutzen und Risiken des Einsatzes des Internets zum Vertrieb von Kapitalmarktinstrumenten etabliert3 ; diese Einsatzmöglichkeiten werden indessen an dieser Stelle nicht weiter vertieft. Zum anderen wird der Einsatz von NIKT als Mittel zur Kommunikation zwischen Aktiengesellschaft und Aktionär in der Schweiz weniger in der Lehre, sondern vielmehr – im Rahmen der Ausarbeitung eines „Swiss Code of Best Practices“4 (Swiss Code) durch die von der economiesuisse5 ins Leben gerufene Expertengruppe „Corporate Governance“ – von Vertretern von Unternehmen, Verbänden und von der SWX Swiss Exchange (SWX) diskutiert. Nicht nur im Ausland, sondern auch im Inland ist in letzter Zeit in der Lehre, den Medien, in der 1 Der Begriff NIKT bezeichnet die Gesamtheit der in der modernen Mediengesellschaft genutzten und immer stärker miteinander verflochtenen Techniken zur Produktion, Übertragung, Speicherung und Verarbeitung von Informationen im weitesten Sinn. Vgl. die Definition unter <http://www.nrw.de/landnrw/nrwlex/lexiuk.htm>. 2 Siehe dazu ausführlich unter I.2. Verwandte Diskussionen. 3 Vgl. dazu Hrsg. WEBER ROLF H., HILTY RETO M., AUF DER MAUR ROLF, Geschäftsplattform Internet III Kapitalmarkt - Marktauftritt – Besteuerung, Publikationen aus dem Zentrum für Informations- und Kommunikationsrecht der Universität Zürich, ZIK, Band 17, Zürich 2002. 4 Vgl. <http://www.economiesuisse.ch/d/content.cfm?upid=4B42201A-1850-4309- A49B90A37CA04F7B&type=pdf&filetype=pdf> (sämtliche in diesem Artikel erwähnten Hyperlinks waren am 1. August 2002 aktiv). 5 Verband der Schweizer Unternehmen; für Details siehe <http://www.economiesuisse.ch>.
  • 6. - 2 - Politik und von Seiten institutioneller Investoren und Investorinnen (Investoren) eine teilweise hitzige Diskussion über adäquate Kontroll- und Leitungsstrukturen börsenkotierter Aktiengesellschaften zum Schutz der legitimen Interessen der Aktionäre entbrannt. Berichte über Missmanagement und exzessive Gehaltsbezüge des Managements6 haben auch in der Schweiz zu Forderungen nach mehr Transparenz und einer besseren Kontrolle der Führungsetagen von Publikumsgesellschaften geführt. Der zeitlich perfekt veröffentlichte Swiss Code in seiner bereinigten Fassung vom 28. Februar 20027 ist das konsolidierte Resultat einer umfassenden Untersuchung über „Corporate Governance“ in der Schweiz (Bericht Corporate Governance)8 und wendet sich im Sinn von Empfehlungen an die schweizerischen Publikumsgesellschaften. Der dem Swiss Code zu Grunde liegende Bericht Corporate Governance definiert den aus dem angelsächsischen stammenden Begriff wie folgt: „Corporate Governance im weiteren Sinn umfasst (...) alle Organisations- und Strukturfragen der Unternehmen, welche die Aktionärsstellung direkt oder indirekt schützen. Zur so verstandenen Corporate Governance gehören Fragen der Aktionärsrechte, einschliesslich der Kapitalstruktur, der Generalversammlung und der Klagerechte. Corporate Governance im weiteren Sinn umfasst somit die Gesamtheit der Grundsätze und Regeln, welche die Funktionstüchtigkeit der Unternehmen im Hinblick auf die Optimierung der Aktionärsinteressen („shareholder value“) gewährleisten sollen“9 . Aus dieser Definition wird ersichtlich, dass die Frage der rechtlichen Ausgestaltung der Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Unternehmen und Aktionär ein wichtiger Aspekt der Corporate Governance-Diskussion ist. Der Bericht Corporate Governance nimmt sich dieser Frage insbesondere hinsichtlich des Einsatzes des Internets denn auch 6 Vgl. für die Schweiz die „Fälle“ ABB, Swissair, Zurich Financial Services oder Zürcher Kantonalbank, für die USA die „Fälle“ Enron, GlobalCrossing, WorldCom, Tyco oder Kmart. 7 Vgl. Fn 4. 8 Der ausführliche Bericht „Corporate Governance in der Schweiz“ von HOFSTETTER KARL ist das Resultat von Diskussionen im Rahmen der „Expertengruppe Corporate Governance“ der Schweizer Wirtschaft, vgl. <http://www.economiesuisse.ch/d/content.cfm?upid=B99DB790-589A-414C- 8E5A7F80C48D775A&type=pdf&filetype=pdf>. 9 Corporate Governance in der Schweiz, Fn 8, S. 4 ff. MONKS ROBERT A.G. /MINOW NELL, Corporate Governance, Malden/Oxford 2001, S. 1, definieren den Begriff Corporate Governance breiter: „What is corporate governance? It is the relationship among various participants in determining the direction and performance of corporations. The primary participants are (1) the shareholders, (2) the management (led by the CEO), and (3) the board of directors”.
  • 7. - 3 - entsprechend an. Weitere Publikationen, die sich mit dem Thema NIKT und Publikumsgesellschaft befassen, sind – soweit ersichtlich – bisher erst zwei erschienen10 . 2. Verwandte Diskussionen Ausserhalb des Aktien- und Kapitalmarktrechts werden die Einsatzmöglichkeiten sowie Nutzen und Risiken von NIKT in einem verwandten Rechtsbereich schon seit längerem von Lehre und Praxis ausgiebig diskutiert. So geniesst in der Schweiz der Begriff „eGovernment“ grosse Popularität. Im weitesten Sinn wird unter eGovernment der Informationsaustausch zwischen Behörden und Bürgern über neue Informations- und Kommunikationstechniken verstanden11 . Auf Bundesebene hat der Bundesrat am 19. Februar 2002 die eGovernment-Strategie verabschiedet12 . Für den Bundesrat stehen die Realisierung der Projekte „guichet virtuel“ und „eVoting“ im Vordergrund13 . Der virtuelle Schalter soll den Zugang zu sämtlichen elektronischen Angeboten von Bund, Kantonen und Gemeinden ermöglichen14 , das eVoting15 die papierlose Stimmabgabe bei Wahlen und Abstimmungen. Ziel des Einsatzes von NIKT ist die Weiterentwicklung der direkten Demokratie. Die Voraussetzungen für eine „eDemocracy“ in der Schweiz gelten auf Grund ihrer direktdemokratischen Tradition, ihrer dezentralen Struktur sowie der vorhandenen technischen Infrastruktur als besonders gut16 . Damit aber eGovernment über den reinen Informationsaustausch hinaus kommt und auch verbindliche Rechtshandlungen wie das Abstimmen oder das Bezahlen von Gebühren über das Internet vorgenommen werden können, müssen in diesem Bereich erst die rechtlichen 10 LAMBERT CLAUDE, Die Durchführung einer Generalversammlung an zwei verschiedenen Tagungsorten, REPRAX 2000 Bd. 2, S. 36 ff.; APPENZELLER HANSJÜRG, Interaktive Teilnahme an einer Generalversammlung über das Internet: Fiktion oder Realität?, Finanz und Wirtschaft vom 16. Februar 2000, S. 27. 11 Vgl. zum Ganzen die Seite zum Information Society Project Switzerland unter <http://www.isps.ch>. 12 Siehe <http://www.isb.admin.ch/egov/deutsch/index.htm>. 13 Zu den Aktivitäten des Bundes vgl. <http://www.isps.ch/site/default.asp?dossiers=51>. 14 Vgl. Bericht und Konzept zuhanden der Koordinationsgruppe Informationsgesellschaft (KIG) vom 9. Juni 2000: „guichet virtuel“: Der elektronische Weg zu Verwaltung, Parlament und Gericht, <http://www.isps.ch/site/fichiers/446.doc>. 15 Zur Anwendung des „E-Voting“ zur Heimatbindung von Auslandschweizern vgl. NZZ, Nr. 193 vom 21. August 2000; zur Zukunft des „E-Voting“ auf kantonaler Ebene vgl. Der Bund, Nr. 159 vom 10. Juli 2000, S. 20, und Der Bund, Nr. 207 vom 5. September 2000, S. 31. 16 Die Schweiz ist z.B. weitestgehend per Kabelfernsehen erschlossen und die Anbindung ans Internet über Kabelfernsehen befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium.
  • 8. - 4 - Rahmenbedingungen der neuen technologischen Möglichkeiten überprüft, international abgestimmt und neu geschaffen werden17 . 3. Ausblick Dass in der Schweiz der Einsatz von NIKT als Kommunikationsmittel zwischen Gesellschaft und Investor nicht weiter fortgeschritten ist, erstaunt nicht nur, weil die Beziehungen zwischen Staat und Bürger in einer direkten Demokratie und die Beziehungen zwischen Aktiengesellschaft und Aktionär nach schweizerischem Aktienrecht in Bezug auf die gegenseitige Kommunikation sehr ähnlich sind18 und sich deshalb in Bezug auf den Einsatz von NIKT teilweise ähnliche rechtliche und praktische Probleme wie Schriftlichkeit, Authentizität, Integrität, Sicherheit und Zuverlässigkeit stellen19 , sondern auch darum, weil NIKT im Allgemeinen und das Internet im Besonderen als Kommunikationsmittel zwischen Gesellschaft und Aktionär in den USA seit längerem und in Deutschland20 seit kurzem ein Thema ist, das sowohl die Lehre als auch die Rechtsetzung beschäftigt. Nachfolgend werden nun rechtsvergleichend die Einsatzmöglichkeiten von NIKT für schweizerische Publikumsgesellschaften, das heisst Aktiengesellschaften nach schweizerischen Recht, die an der SWX Swiss Exchange21 kotiert sind, untersucht. Zu diesem Zweck wird in einem ersten Schritt eine Übersicht über die – im Unterschied zum schweizerischen Recht – im amerikanischen Recht bereits heute zahlreich explizit vorgesehenen Möglichkeiten des Einsatzes von NIKT im Allgemeinen und des Internets im Besonderen gegeben. In einem 17 Vgl. Bericht und Konzept zuhanden der Koordinationsgruppe Informationsgesellschaft (KIG) vom 9. Juni 2000: „guichet virtuel“: Der elektronische Weg zu Verwaltung, Parlament und Gericht (Fn 14), S. 23; JÖRG FLORIAN S./ ARTER OLIVER, Digitale Signaturen: Die Public-Key-Infrastruktur nach der neuen Zertifizierungsdiensteverordnung, ZBJV 7-8/2000, S. 449 ff.; WALTHER FRIDOLIN M.R., Die Digitalisierung des Rechts, recht 1/2000, S. 1 ff.; WEBER ROLF H., Elektronisches Geld, Erscheinungsformen und rechtlicher Problemaufriss, in: Schweizer Schriften zum Bankrecht Bd. 58, Zürich 1999; ANDERSON ROBERT H./BIKSON TORA K./NEU RICHARD C., Sending Your Government a Message: E-mail Communication Between Citizens and Government, Santa Monica/Washington 1999. 18 Natürlich bestehen auch Unterschiede: Unter Umständen kennt z.B. eine Aktiengesellschaft ihre Gesellschafter gar nicht. Im Gegensatz dazu sind die Bürger eines Staates meistens bekannt. 19 Stichworte sind z.B. Sicherheit und Verlässlichkeit von elektronischen Transaktionen, die elektronische Unterschrift oder die Gefahr des mehrfachen Abstimmens. 20 Zur deutschen Diskussion zum Thema “Hauptversammlung und Neue Medien” vgl. die umfangreichen und per 1. Juni 2002 aktualisierten Nachweise unter <http://www.jura.uni- duesseldorf.de/service/hv/welcome.html> sowie NOACK ULRICH, Gesellschaftsrecht und Informationstechnik, in: Festschrift für Jean Nicolas Druey, Zürich 2002. 21 <http://www.swx.ch>.
  • 9. - 5 - zweiten Schritt wird anschliessend diskutiert, welche dieser Einsatzmöglichkeiten in der Schweiz – de lege lata –bereits bestehen und ob die vom schweizerischen Recht nicht gedeckten Möglichkeiten des Einsatzes von NIKT – de lege ferenda – in die schweizerische Rechtsordnung implementiert werden sollten. Besondere Aufmerksamkeit wird in dieser Diskussion den in den USA bereits gemachten positiven und negativen Erfahrungen des Einsatzes von NIKT geschenkt. II. Einsatz von neuen Informations- und Kommunikationstechniken in den USA 1. Rechtliche Rahmenbedingungen In den USA ist das Gesellschaftsrecht auf Stufe der Einzelstaaten geregelt. Das Kapitalmarktrecht ist hingegen vorwiegend bundesstaatlicher Natur. Es erstaunt deshalb nicht, dass sich Normen, die den Einsatz von NIKT regeln, sowohl in gesetzlichen Erlassen auf bundesstaatlicher Ebene, insbesondere in den Federal Securities Laws, dem Securities Act of 193322 (’33 Act) sowie dem Securities Exchange Act of 193423 (’34 Act) als auch in solchen der Einzelstaaten, zum Beispiel im Delaware General Corporation Law24 oder im Massachusetts Corporation Law25 , finden. Oft werden diese Normen zudem durch Elemente des common law, Erlasse der auf Bundesebene agierenden Börsenaufsichtskommission Securities and Exchange Commission (SEC)26 sowie in Regelungswerken der verschiedenen amerikanischen Börsen27 ergänzt und/oder konkretisiert. Die Kodifizierung unterschiedlicher Einsatzmöglichkeiten von NIKT wurde vor allem durch die generelle Aufgeschlossenheit der Amerikaner gegenüber Technologie im Allgemeinen und der Informatik im Besonderen sowie durch den Wettbewerb unter den einzelstaatlichen 22 15 U.S.C § 77a ff.; Gesetzestext ist einsehbar z.B. unter <http://www.law.uc.edu/CCL/33Act/index.html>. 23 15 U.S.C § 78a ff.; Gesetzestext ist einsehbar z.B. unter <http://www.law.uc.edu/CCL/34Act/index.html>. 24 Delaware Code Title 8; Gesetzestext ist z.B. einsehbar unter <http://198.187.128.12/delaware/lpext.dll/Infobase/a4ee?fn=document-frame.htm&f=templates&2.0>. 25 General Laws of Massachusetts Title XXII; Gesetzestext ist z.B. einsehbar unter <http://www.state.ma.us/legis/laws/mgl/gl-155-toc.htm>. 26 Für mehr Informationen vgl. die offizielle Website der SEC unter <http://www.sec.gov>. 27 Vgl. das NSYE (New York Stock Exchange) Listed Company Manual, <http://www.nyse.com/ listed/listedcomanual.html>, den AMEX (American Stock Exchange) Company Guide, <http://wallstreet.cch.com/AmericanStockExchangeAmex/AmexCompanyGuideListingStandards,Policiesand Requirements/default.asp>) und das NASD (National Asscociation of Securities Dealer) Manual <http://secure.nasdr.com/default.htm>.
  • 10. - 6 - Gesellschaftsrechten28 gefördert. Die wichtigste Voraussetzung allerdings war die frühe und grosse Verbreitung und Akzeptanz des Internets in der Bevölkerung29,30 . Diese Katalysatoren tragen auch heute noch zum Anwachsen von gesetzlich reglementierten Einsatzmöglichkeiten von NIKT bei. Die Diskussion um den Einsatz von NIKT konzentrierte sich in den USA während langer Zeit um den Einsatz des Internets im proxy process, dem Verfahren der Stimmrechtsvertretung in der Generalversammlung. Eine breite Diskussion über Sinn und Nutzen von virtuellen Generalversammlungen ist erstaunlicherweise erst im Jahr 2000 entbrannt, als Delaware als erster und bis heute einziger Bundesstaat eine gesetzliche Grundlage für diese Form der Generalversammlung geschaffen hat. 2. Proxy Process Die Aktionäre einer amerikanischen Gesellschaft haben die Möglichkeit, ihre Aktionärsrechte während des annual meeting durch einen proxy, einen Vertreter, wahrzunehmen. Der Begriff proxy voting beschreibt dabei die Ausübung des Stimmrechts des Aktionärs über einen bevollmächtigten Vertreter, der an der Generalversammlung physisch anwesend sein muss. Der proxy hat die Interessen des Aktionärs zu berücksichtigen und ist an dessen Weisungen gebunden. Der Begriff proxy bezeichnet allerdings nicht nur den physischen Vertreter, sondern steht auch für die vom Aktionär erteilte Vollmacht an sich. Die Ausübung des Stimmrechts durch einen Vertreter ist eine äusserst komplexe Materie. Die Komplexität ergibt sich vor allem dadurch, dass der proxy process sowohl durch gesetzliche Normen auf Ebene der Einzelstaaten als auch durch solche auf bundesstaatlicher Ebene geregelt wird. Überdies werden diese Normen teilweise durch Regelungen der Börsengremien flankiert oder überlagert. Die Einzelstaaten regeln in ihrem jeweiligen Gesellschaftsrecht die materiellen Grundlagen der Bevollmächtigung und der Stimmrechtsausübung, während das bundesstaatliche 28 Zu den Hintergründen und zum Umfang der unbestrittenen Vormachtsstellung des Delaware General Corporation Law (vgl. Fn 24) in den USA vgl. z.B. ALVA CURTIS, Delaware and the Market for Corporate Charters: History and Agency, 15 Del. J. Corp. L. 885, oder CLAWSON MARK A., The Mythology of Market in Twentieth Century Corporation Doctrine, 33 U.S.F.L. Rev. 173. 29 Diese wurde u.a. dadurch gefördert, dass in den USA Lokalgespräche für minimalste Gesprächsgebühren, z.B. 10 Cents (die Höhe der Gebühren varieren und sind abhängig vom gewählten Anbieter und Gebührenplan), ohne Zeitlimit geführt werden können. 30 Mitte des Jahres 2001 hatten mehr als die Hälfte aller amerikanischer Bürger Zugang zum Internet (COLE DOUGLAS R., E-Proxies for Sale? Corporate Vote-Buying in the Internet Age, 76 Wash. L. Rev. 793, S. 812).
  • 11. - 7 - Kapitalmarktrecht die Kontrolle des Prozesses der Stimmrechtsausübung zum Gegenstand hat. Die bundesstaatlichen Vorschriften finden allerdings nur auf so genannte reporting companies Anwendung, das heisst Gesellschaften, die über mehr als US$ zehn Millionen. Gesellschaftsvermögen verfügen und mehr als 500 eingetragene Aktionäre haben31 , deren Aktien an einer nationalen Börse gehandelt werden32 oder die sich freiwillig registriert haben. Bemerkenswert – und der Verständlichkeit der Normierung nicht gerade zuträglich – ist in diesem Zusammenhang die selbst für amerikanische Verhältnisse hohe Dichte der Regulierung. Die Komplexität und Akribie der Regelung des proxy process in den USA lässt sich zum einen damit erklären, dass in den USA der Willensbildungsprozess der Aktionäre nicht während, sondern vor der Generalversammlung, im proxy fight, stattfindet und deshalb dessen Fairness gewährleistet werden muss. Haben die Aktionäre ihre proxies einmal erteilt, ist die Durchführung der Generalversammlung nicht mehr als eine Formsache. Im Resultat nimmt denn auch kaum ein Aktionär einer amerikanischen Gesellschaft persönlich an der Generalversammlung teil. Die amerikanischen Gesetzgeber und vor allem die SEC, haben dem Phänomen der der Generalversammlung vorgezogenen Willensbildung der Aktionäre Rechnung getragen und die Werbung um Vollmachten zur Stimmrechtsausübung, die proxy solicitation, sowie die damit einhergehenden Informationspflichten der an der proxy solicitation beteiligten Parteien, sei es die Gesellschaft selbst oder aussenstehende Aktionäre, entsprechend geregelt. Zum anderen trägt aber auch die Tatsache, dass die Mehrheit der im Aktienbuch einer US Gesellschaft eingetragenen Personen, die record holder, unter einem street oder nominee name als Aktionär geführt werden, zur Komplexität bei. Zur Ausübung der Aktionärsrechte ist allein der hinter diesen stehende wirtschaftliche Eigentümer, der beneficial owner, berechtigt. Zur Wahrung der Interessen des beneficial owners besteht deshalb ein Geflecht an Regelungen, das ihm erlaubt, seine Aktionärsrechte auszuüben. Dabei handelt es sich vor allem um Normen, welche die Pflichten des intermediary zur Weiterleitung von Dokumenten und Informationen der Gesellschaft an den beneficial owner sowie die Einholung von Weisungen des beneficial owner regeln. Nachfolgend wird auf eine detaillierte Beschreibung des ganzen proxy process 31 Vgl. ’34 Act § 12(g)(1) und Rule 12g-1. 32 Vgl. ’34 Act § 12(b).
  • 12. - 8 - verzichtet33 . Hingegen wird im Detail auf diejenigen Phasen des proxy process eingegangen, die eine Analogie zum schweizerischen System der Stimmrechtsvertretung aufweisen und in denen NIKT zum Einsatz kommen können. a) Notice of Meeting Der proxy process nimmt in den USA seinen Anfang mit der notice of meeting, der Benachrichtigung der im Aktienbuch eingetragenen Aktionäre über die bevorstehende Generalversammlung durch die Gesellschaft. Die Form der Benachrichtigung bestimmt sich nach dem Gesellschaftsrecht der jeweiligen Einzelstaaten. Für die Mitteilung der bevorstehenden Generalversammlung ist in den meisten Staaten nach wie vor die Schriftform vorgeschrieben. Einzelne Staaten sind jedoch dazu übergegangen, die Benachrichtigung unter Nutzung von NIKT zuzulassen. Dabei wurden unterschiedliche Lösungen gewählt. So wird etwa in Idaho34 und Missouri35 die Benachrichtigung unter Benutzung elektronischer Medien der schriftlichen Mitteilung gleichgestellt. In Virginia muss eine Gesellschaft über 300 Aktionäre verfügen, um von der Möglichkeit von NIKT Gebrauch zu machen36 . Die gesellschaftsrechtlich bedeutenden Staaten New York und Delaware haben schliesslich im Jahr 1999 bzw. 2000 die Möglichkeit des Einsatzes von NIKT zur Mitteilung über die anstehende Generalversammlung gesetzlich verankert. In New York ist es nur möglich, Aktionäre mittels E-Mail auf die Generalversammlung aufmerksam zu machen, wenn diese der Gesellschaft persönlich oder durch einen Dritten ihre E-Mail-Adresse zu diesem Zweck zukommen lassen37 . Im Unterschied zu New York und den anderen erwähnten Staaten, beschränkte sich Delaware nicht auf das Ergänzen der notice of meeting of shareholders Section. Im Juni 2000 hat Delaware sein General Corporation Law 38 in Bezug auf den Einsatz von NIKT einer Generalrevision unterzogen, im Resultat eine neue Section eingeführt sowie zwölf weitere Sections umfangreich 33 Für eine detaillierte Darstellung des proxy process in deutscher Sprache vgl. MERKT HANNO, US- amerikanisches Gesellschaftsrecht, Heidelberg 1991, Rn 633 ff., aber auch SPINDLER GERALD/HÜTHER MARIO, Das Internet als Medium der Aktionärsbeteiligung in den USA, RIW 5/2000, S. 329 ff. 34 Idaho Stat., tit. 30, ch. 1, § 141(1). 35 Missouri Rev.Stat., ch. 351, § 320(1). 36 Code of Virginia, ch. 13, § 1-658(G). 37 N.Y.Bus.Corp.Law § 605(a) (…). If transmitted electronically, such notice is given when directed to the shareholder`s electronic mail address as supplied by the shareholder to the secretary of the corporation or as otherwise directed pursuant to the shareholder`s authorization or instructions. (…). 38 Vgl. Fn 24.
  • 13. - 9 - ergänzt39 . Eine zentrale Rolle nimmt dabei die neue Section 232 ein. Diese ermöglicht es Gesellschaften, sämtliche im Gesetz oder in den Statuten vorgesehenen Mitteilungen an die Aktionäre elektronisch, über electronic transmission, zu übermitteln, sofern diese vorher – widerruflich – eingewilligt haben, solche Übermittlungen zu akzeptieren40 . Der Begriff der electronic transmission ist in Section 232(c) definiert41 : Unter electronic transmission ist jegliche Form von Kommunikation zu verstehen, die keine physische Übertragung auf Papier umfasst, die eine Aufzeichnung bewirkt, die vom Empfänger aufbewahrt, wieder abgerufen und überprüft werden kann und die vom Empfänger mittels eines automatisierten Prozesses in Papierform reproduziert werden kann. Diese offene Definition erfasst damit klar Fax und E- Mail, kann aber auch andere, zum Beispiel heute noch nicht bekannte Formen der elektronischen Kommunikation, erfassen. Erfolgen die Mitteilungen über Fax, so müssen die Aktionäre mit ihrer Einwilligung gleichzeitig auch eine Faxnummer angeben, erfolgen sie über E-Mail, muss der Gesellschaft eine E-Mail-Adresse mitgeteilt werden42 . Damit kann die Mitteilung über die bevorstehende Generalversammlung auch in Delaware über E-Mail 39 Zur Revision im Detail vgl. HOLZMAN JAMES L./MULLEN THOMAS A., A New Technology Frontier for Delaware Corporations, 4 Del. L. Rev. 55, S. 61 ff. 40 Delaware.Gen.Corp § 232 (a) Without limiting the manner by which notice otherwise may be given effectively to stockholders, any notice to stockholders given by the corporation under any provision of this chapter, the certificate of incorporation, or the bylaws shall be effective if given by a form of electronic transmission consented to by the stockholder to whom the notice is given. Any such consent shall be revocable by the stockholder by written notice to the corporation. Any such consent shall be deemed revoked if (1) the corporation is unable to deliver by electronic transmission 2 consecutive notices given by the corporation in accordance with such consent and (2) such inability becomes known to the secretary or an assistant secretary of the corporation or to the transfer agent, or other person responsible for the giving of notice; provided, however, the inadvertent failure to treat such inability as a revocation shall not invalidate any meeting or other action. 41 Delaware.Gen.Corp § 232 (c) For purposes of this chapter, "electronic transmission" means any form of communication, not directly involving the physical transmission of paper, that creates a record that may be retained, retrieved and reviewed by a recipient thereof, and that may be directly reproduced in paper form by such a recipient through an automated process. 42 Delaware.Gen.Corp § 232 (b) Notice given pursuant to subsection (a) of this section shall be deemed given: (1) if by facsimile telecommunication, when directed to a number at which the stockholder has consented to receive notice; (2) if by electronic mail, when directed to an electronic mail address at which the stockholder has consented to receive notice; (3) if by a posting on an electronic network together with separate notice to the stockholder of such specific posting, upon the later of (A) such posting and (B) the giving of such separate notice; and (4) if by any other form of electronic transmission, when directed to the stockholder. An affidavit of the secretary or an assistant secretary or of the transfer agent or other agent of the corporation that the notice has been given by a form of electronic transmission shall, in the absence of fraud, be prima facie evidence of the facts stated therein.
  • 14. - 10 - erfolgen, sofern die jeweiligen Aktionäre der elektronischen Übermittlung vorgängig zugestimmt und der Gesellschaft eine E-Mail-Adresse mitgeteilt haben. b) Proxy Solicitation Wie bereits erwähnt, findet der Willensbildungsprozess in amerikanischen Gesellschaften grundsätzlich vor der eigentlichen Generalversammlung im proxy process statt. Mit oder nach der Mitteilung der bevorstehenden Generalversammlung wird in einem weiteren Schritt vom board of directors im Namen der Gesellschaft und/oder von insurgents, aussenstehenden Aktionären oder Aktionärsgruppen, meistens institutionellen Investoren, im Rahmen der proxy solicitation43 um die Erteilung von proxies geworben44 . An der New York Stock Exchange (NYSE) kotierte Gesellschaften zum Beispiel müssen für alle shareholder meetings zwingend proxies werben, da der proxy process für Aktionäre eine angenehme Art und Weise des Abstimmens darstellt, verbunden mit einer Offenlegung der zur Willensbildung notwendigen Informationen45 . Proxies können sowohl für Wahlen als auch für Sachentscheide wie zum Beispiel die Durchführung einer Fusion geworben werden. Werden Nominationen oder Sachentscheidsvorschläge der Gesellschaft von Seiten des Aktionariats aktiv bekämpft und werben diese insurgents auch um die Erteilung von proxies, spricht man in den USA von einem proxy fight. Natürlich steht es einem Aktionär auch bei fehlender aktiver Bekämpfung eines Vorschlags der Gesellschaft frei, diesen Vorschlag auf der von der Gesellschaft geworbenen proxy abzulehnen. Damit das Werben um proxies im Allgemeinen und der proxy fight im Besonderen fair abläuft, auferlegt der ’34 Act in Regulation 14a, Solicitation of Proxies, den werbenden Parteien weitgehende Pflichten, die sicherstellen sollen, dass der umworbene Aktionär ein vollständiges Bild der zur Abstimmung stehenden Materie vermittelt erhält und damit die Möglichkeit hat, einen vernünftigen und informierten Entscheid zu fällen. So regelt zum Beispiel Rule 14a-3(a) die Übersendung des proxy statements46,47 an die Aktionäre; Rule 14-a3(b) die Übersendung des 43 Der Begriff “solicitation” ist in Rule 14a-1(l) des ’34 Act sehr breit definiert: „(...) any request for a proxy whether or not accompanied by or included in a form op proxy“. 44 Vgl. z.B. die Mitteilung der bevorstehenden Generalversammlung 2002 inkl. proxy statement durch General Electric Company (GE) unter <http://www.ge.com/annual01/download/pdf/44299-003.PDF>. 45 NYSE Listed Company Manual, Fn 27, Rule 402.04(A). 46 Der Begriff “proxy statement ” ist in Rule 14a-1(g) des ’34 Act definiert: „The term „proxy statement” means the statement required by Rule 14a-3(a), whether or not contained in a single document”. 47 Vgl. für ein proxy statement Fn 44, oben.
  • 15. - 11 - annual reports an die Aktionäre, Rule 14-a6 umschreibt die Registrierungspflichten der Werbenden gegenüber der SEC, Rule 14-a8 normiert das Verfahren, falls Vorschläge seitens der insurgents vorliegen, und Rule 14a-9 enthält die Pflicht der Gesellschaft, werbenden Aktionären entweder eine Liste aller Aktionäre zukommen zu lassen oder das Werbematerial der Aktionäre selbst zu verschicken48 . Weitere, teilweise ausführliche und sogar weitergehende Vorschriften finden sich zudem in den Kotierungsreglementen der verschiedenen Börsen49 . Regulation S-T, General Rules And Regulations For Electronic Filings50 , regelt die Nutzung des Internets zur Übermittlung von Informationen seitens von Unternehmen, zum Beispiel die Quartals- oder Jahresberichte, an die SEC zwecks Publikation in der über Internet für alle Investoren frei zugänglichen Datenbank EDGAR51 . Regulation S-T geht dabei vom Grundsatz aus, dass Übermittlungen seitens der Unternehmen in elektronischer Form zu erfolgen haben, gewährt aber für gewisse Fälle Ausnahmen52 . Seit dem Jahr 1999 können neben Dokumente im ASCII53 Format auch solche im PDF54 oder HTML55 Format übermittelt werden56 . Der Einsatz des Internets im Rahmen der proxy solicitation zur Übermittlung von Informationen der um proxies Werbenden, sei es die Gesellschaft und/oder die insurgents, an die Aktionäre wurde von der SEC im Jahr 1995 in den Richtlinien zur Nutzung elektronischer Medien zum Versand von Unternehmensinformationen57 erstmals offiziell gebilligt. Eine Regulation S-T entsprechende gesetzliche Normierung der Übermittlung von Informationen durch die Gesellschaft oder Dritte an die Aktionäre durch NIKT ist bis heute nicht erfolgt58 . 48 Vgl. den Text von Regulation 14A z.B. unter <http://www.law.uc.edu/CCL/34ActRls/reg14A.html>. 49 Vgl. Fn 27. 50 17 CFR 232. Volltext einsehbar z.B. unter <http://www.law.uc.edu/CCL/regS-T/index.html>. 51 EDGAR steht dabei für Electronic Data Gathering, Analysis, and Retrieval system. Vgl. <http:// www.sec.gov/edgar/searchedgar/webusers.htm>. Zur Geschichte von EDGAR vgl. auch SPINDLER/ HÜTHER, Fn 33, S. 332. 52 Vgl. §§ 232.121, 232.201 und 232.202. 53 American Standard Code for Information Interchange. 54 Portable Document Format. 55 HyperText Markup Language. 56 SEC Release No. 33-7684, 34-41410, Rulemaking for EDGAR System, May 17, 1999. 57 SEC Release No. 33-7233; 34-36345, Use Of Electronic Media For Delivery Purposes, October 6, 1995. Volltext einsehbar z.B. unter <http://www.sec.gov/rules/concept/33-7233.txt>. Vgl. auch SEC Release No. 33-7234; 34-36346, Use Of Electronic Media For Delivery Purposes Part II, October 13, 1995, sowie schliesslich SEC Release No. 33-7289, 34-37183, Use Of Electronic Media For Delivery Purposes Part VI, May 15, 1996. 58 SEC Release No. 33-7233; 34-36345, Fn 57, S. 3.
  • 16. - 12 - Die elektronische Übermittlung von Informationen an die Aktionäre wird der Übermittlung in Papierform und per Post nur bei Erfüllung der nachfolgend dargestellten Bedingungen gleichgestellt59 . Die SEC definiert die elektronische Übermittlung von Informationen, indem sie möglichst viele Analogien zur Übermittlung von Informationen in Papierform zieht. Jede Übermittlung von Informationen, unabhänig ob in elektronischer Form oder auf Papier, muss dabei folgende Voraussetzungen erfüllen: Es muss die Möglichkeit der Aufbewahrung eines permanent records, einer permanenten Aufzeichnung, bestehen, und die die Informationen Übermittelnden müssen vernünftige Vorkehren treffen, um die Integrität und Sicherheit der übermittelten Informationen zu gewährleisten60 . Werden dem Aktionär neue Informationen per Post zugestellt, so wird er durch die physische Zustellung der Informationen von selbst auf das Vorliegen von neuen Informationen aufmerksam gemacht. Bei elektronischer Übermittlung, wenn zum Beispiel die Informationen nur auf einer Website publiziert werden, ist dies nicht unbedingt der Fall. Dem Aktionär muss deshalb bei elektronischer Übermittlung von Informationen in einem ersten Schritt rechtzeitig und angemessen notice, Anzeige, gemacht werden, dass überhaupt neue Informationen vorliegen. Der oder die elektronisch Übermittelnde muss deshalb die Wahrnehmbarkeit der Information mittels einer separaten Mitteilung, sei es per Post oder aber auch per E-Mail, herstellen. Wird die neue Information via postversandter Diskette oder CD-Rom oder aber auch über E-Mail direkt mitgeteilt, entfällt eine gesonderte Mitteilung. E-Mail darf von Informierenden grundsätzlich nur dann eingesetzt werden, wenn informed consent seitens der Informationsempfänger vorliegt, das heisst, wenn diese den Einsatz von E-Mail vorgängig genehmigt und dem oder der Informierenden zu diesem Zweck eine E-Mail-Adresse mitgeteilt haben61 . Der Aktionär muss weiter die Möglichkeit haben, ähnlich leicht und dauerhaft access, Zugriff, auf die elektronisch übermittelten Informationen zu haben, wie er dies bei per Post übermittelten Informationen auf Papier hätte. Die Informationen müssen so lange zugänglich sein, als es die entsprechenden Publizitätsvorschriften verlangen. In dieser Zeitspanne steht es dem Aktionär zudem frei, sein Einverständnis zur elektronischen Übermittlung zu widerrufen und auf einer Zustellung der Informationen in Papierform zu bestehen. Mit dieser Regelung soll gewährleistet 59 SEC Release No. 33-7233; 34-36345, Fn 57, S. 6 ff. 60 SEC Release No. 33-7233; 34-36345, Fn 57, S. 7. 61 SEC Release No. 33-7233; 34-36345, Fn 57, S. 8.
  • 17. - 13 - werden, dass Komplikationen mit der elektronischen Zustellung oder dem elektronischen Zugriff keine, die Publizitätspflichten hemmenden Auswirkungen haben62 . Schliesslich muss der oder die elektronisch Informierende, wie beim Postversand, Grund zur Annahme haben, dass der Aktionär die Informationen erhalten hat und er beziehungsweise sie damit seine beziehungsweise ihre Informationspflichten via des eingesetzten Mediums erfüllt hat. Die SEC macht hierzu verschiedene Vorschläge, wie Verfahren zur Herstellung der Gewissheit der Erfüllung der Publizitätspflichten aussehen können. Zentral ist dabei das Konzept des informed consent des Aktionärs, dass er einem Einsatz eines bestimmten Mediums ausdrücklich zustimmt, in Verbindung mit der Gewährleistung der rechtsgenügsamen notice des Vorliegens von neuen Informationen und der Möglichkeit des access auf diese Informationen. Weiter werden aber auch Beweise, dass der Aktionär die Informationen erhalten hat wie zum Beispiel E-Mail-Return-Receipt oder auch ein Protokoll, das belegt, dass der Aktionär die Informationen heruntergeladen, über Hyperlink angewählt oder ausgedruckt hat, als genügender Grund zur Annahme der Erfüllung der Publizitätspflichten aufgeführt63 ,64 . In der Praxis werden diese drei Voraussetzungen meist über die Wahl des folgenden Modells erfüllt: Die Informierenden holen die vorgängige Einwilligung der Aktionäre zum Einsatz des Internets zur elektronischen Übermittlung von Informationen ein. Über E-Mail wird dann den Aktionären mitgeteilt, dass auf einer bestimmten Website neue Informationen publiziert sind. Im E-Mail wird dem Aktionär eine persönliche Identifikationsnummer (PIN) mitgeteilt. Zusammen mit weiteren personenbezogenen Daten oder einer Gesellschaftsidentifikationsnummer65 kann sich der Aktionär so Zugang zu den im passwortgeschützen Bereich einer Website publizierten Informationen verschaffen und dort ebenfalls direkt seine proxy ausfüllen66 oder dem intermediary67 Weisungen erteilen68 . Die Informierenden können den Zugriff der einzelnen 62 SEC Release No. 33-7233; 34-36345, Fn 57, S. 9. 63 SEC Release No. 33-7233; 34-36345, Fn 57, S. 10. 64 Für Angestellte einer informationspflichtigen Gesellschaft sieht die SEC gewisse Vereinfachungen vor. Vgl. dazu SEC Release No. 33-7288; 34-37182, Use of Electronic Media by Broker-Dealers, Transfer Agents, and Investment Advisers for Delivery of Information; Additional Examples Under the Securities Act of 1933, Securities Exchange Act of 1934, and Investment Company Act of 1940, May 9, 1996, S. 24, Volltext einsehbar z.B. unter <http://www.sec.gov/rules/concept/33-7288.txt>. 65 Vgl. dazu z.B. die Website von ADP unter <http://www.proxyvote.com/>. 66 Vgl. die Simulation zur Abgabe einer proxy unter <http://www.stocktronics.com/webvote/>, ID=3618, Code=174273. 67 Zur Rolle des intermediary vgl. weiter unten in diesem Abschnitt.
  • 18. - 14 - Aktionäre auf die Informationen über Webprotokolle genau verfolgen und dokumentieren. Hat der Aktionär auf die Informationen zugegriffen und trifft bei den Informierenden keine Widerrufserklärung ein, haben diese ihre Publizitätspflichten erfüllt. Die bis vor kurzem in den meisten Staaten fehlende Möglichkeit der elektronischen Mitteilung über die bevorstehende Generalversammlung hat dazu geführt, dass die Werbung um Stimmrechtsvollmachten in zwei Schritten erfolgt ist. Zuerst wurde sämtlichen Aktionären per Post die Mitteilung über die bevorstehende Generalversammlung, einschliesslich Vollmachtsformular sowie Erläuterungen zur möglichen Internet- oder Telefonabstimmung, zugestellt. Aktionäre, die sich zum Beispiel bereits bei einer Konto- oder Depoteröffnung mit der elektronischen Übermittlung von Informationen einverstanden erklärt haben, wird die Adresse der Website mitgeteilt, wo sie das proxy statement und gegebenenfalls den annual report einsehen können. Den anderen Aktionären werden diese Informationen ebenfalls in Papierform zugesandt. Dank der Anerkennung der elektronischen Mitteilung über die anstehende Generalversammlung durch mehrere Staaten69 ist es jedoch heute bei vorgängiger Einwilligung des Aktionärs zur elektronischen Übermittlung von Informationen möglich, rein elektronisch, meistens internetbasiert, um Stimmrechtvollmachten zu werben. Wie eingangs bereits erwähnt, ist die Mehrheit der im Aktienbuch einer US Gesellschaft eingetragenen record holder unter einem street oder nominee name als Aktionär geführt. Weil zur Ausübung der Aktionärsrechte jedoch allein der hinter diesen record holder stehende wirtschaftliche Eigentümer, der beneficial owner, berechtigt ist, besteht ein Geflecht an Regelungen, das diesem erlaubt, seine Aktionärsrechte auszuüben. Da sich aus diesem Normengeflecht keine weiteren, auf die Lage in der Schweiz anwendbaren Erkenntnisse gewinnen lassen, wird auf die Pflichten des intermediary zur Weiterleitung von Dokumenten und Informationen der Gesellschaft an den beneficial owner sowie die Einholung von Weisungen an dieser Stelle nur soweit eingegangen, als auch hier der Einsatz von elektronischer Übermittlung analog des Release No. 33-723370 zulässig ist71 . 68 Zum proxy voting vgl. im Detail unten II 2 d) Proxy Voting. 69 Vgl. dazu oben II 2 a) Notice of Meeting. 70 Vgl. Fn 57. 71 Vgl. dazu im Detail SEC Release No. 33-7288; 34-37182, Fn 64, S. 1 ff. Vgl. auch SPINDLER/ HÜTHER, Fn 33, S. 333 f.
  • 19. - 15 - Für einen beneficial owner ändert sich dabei im Grundsatz nichts. Im Unterschied zu im Aktienbuch eingetragenen Aktionären erhalten die nicht eingetragenen beneficial owners die Informationen über Vermittlung den zwischen ihnen und der Gesellschaft geschalteten intermediary. Zusätzlich haben die nichteingetragenen beneficial owners die Möglicheit, auf der Website, welche die Informationen enthält, dem intermediary elektronisch Weisungen zu erteilen. Unternehmen wie ADP Investor Communication Services (ADP), der grösste proxy process Intermediär72 , oder Equiserve73 haben sich auf die Abwicklung des proxy process über Internet spezialisiert. ADP bietet interessierten Investoren auf ihrer neuen und allumfassenden Website icsdelivery.com zum Beispiel die Möglichkeit, den Namen ihres Brokers oder ihrer Bank74 anzuklicken und sich anschliessend unter Angabe der Depotnummer und einer E-Mail- Adresse zu registrieren. Nach der Registrierung und dem damit verbundenen informed consent zur Übermittlung von Informationen über das Internet wird der Investor jeweils sofort über E- Mail über das Vorliegen von neuen Informationen betreffend all in seinem Depot verbuchten Investments informiert. Dem Investor wird damit eine äusserst angenehme Möglichkeit geboten, ohne grossen Aufwand seine Stimmrechte bezüglich all seinen Investments entweder direkt per Erteilung einer proxy oder indirekt via Erteilung einer Weisung an den intermediary wahrzunehmen. Im Jahr 2001 hat die NYSE schliesslich ihr Listed Company Manual75 an die neue Rechtslage angepasst. Gemäss Rule 402.04 können kotierte Gesellschaften ihr proxy material auch elektronisch übermitteln, sofern die von der SEC aufgestellten Grundsätze befolgt werden. Im Unterschied zum elektronischen proxy voting76 ist die elektronische Übermittlung von Gesellschaftsinformationen in den USA noch nicht sehr verbreitet. Einer im Jahr 2002 von Rhoda Andersen Associates für die American Society of Corporate Secretaries verfassten Studie über die Verbreitung von electronic proxy voting und electronic information delivery lassen sich 72 ADP beschreibt unter <http://www.ics.adp.com/release6/public_site/about/ics_story.html> wie folgt: “ICS distributes over 95 percent of all beneficial shareholders proxies of over 14,000 North American public companies. ICS therefore distributes and tallies proxy votes for virtually all annual and special meetings”. 73 Vgl. dazu die Website von Equiserve unter <http://www.equiserve.com/>. 74 Natürlich müssen sich auch partizipierende Broker und Banken registrieren. Bei fehlender Partizipation kann der Investor den Broker oder die Bank auffordern, am Service mitzumachen. 75 Vgl. Fn 27. 76 Vgl. dazu die Tabellen unten unter II 2 d) Proxy Voting.
  • 20. - 16 - die folgenden Zahlen entnehmen77 : Im Jahr 2001 haben von den ungefähr 14000 Publikumsgesellschaften in den USA gerade nur 416 Gesellschaften elektronisch Informationen an die eingetragenen Aktionäre weitergegeben, aber immerhin 830 Gesellschaften haben Informationen elektronisch an die beneficial owners übermittelt. c) Proxy Fights Werben sowohl Gesellschaft als auch insurgents aktiv um proxies, liegt ein proxy fight vor. Proxy fights werden hauptsächlich geführt, um Machtverhältnisse im Verwaltungsrat zu ändern und damit indirekt die Kontrolle über die Gesellschaft zu erlangen78 . Weniger häufig werden proxy fights auch um Sachentscheide geführt79 . Im proxy fight können NIKT und insbesondere das Internet über die eben diskutierten Möglichkeiten hinaus eingesetzt werden80 . Websites und E-Mail werden dabei vor allem von insurgents eingesetzt, um die Kommunikation mit den anderen Aktionären auszubauen, zu erleichtern und vor allem zu intensivieren. Dazu wird von den insurgents meistens eine Website unterhalten, die sämtliche Informationen betreffend den proxy fight bündelt. Auf einer solchen Website - können die insurgents sich persönlich sowie ihre Pläne und Beweggründe multimedial präsentieren, - kann in einem täglichen Update die Entwicklung des proxy fights beschrieben werden, - können sämtliche Presseberichte sowie die der SEC eingereichten Dokumente durch Hyperlinks einfach zugänglich gemacht werden und können von Besuchern auf bulletin boards, virtuellen schwarze Brettern, Mitteilungen hinterlassen werden. Der SEC muss eine Vollkopie 77 Vgl. <http://www.ccbn.com/resource_center/spotlight/200202.html>. 78 Viele amerikanische Gesellschaften verfügen als Präventivmassnahme gegen feindliche Übernahmen über eine aktive poison pill. Eine posion pill bewirkt im Resultat eine massive Kapitalverwässerung, sobald jemand eine von der Gesellschaft festgelegte Prozentzahl der ausstehenden Aktien (meistens zwischen 10-15%) erwirbt. Poison pills sind vorwiegend so strukturiert, dass sie nur vom Verwaltungsrat ausser Kraft gesetzt werden können. Einem raider bleibt damit nichts anderes übrig, als seine feindliche Übernahme zweigleisig, d.h. über den Kauf von Aktien verbunden mit einem gleichzeitigen proxy fight zwecks Wahl von ihm wohlgesinnten Verwaltungsräten, zu starten. Ist der Verwaltungsrat dem raider einmal wohlgesinnt, kann dieser die posion pill aufheben. 79 Der prominenteste proxy fight des Jahres 2002 war sicher derjenige zwischen Hewlett-Packard und Compaq Computer im Hinblick auf die Abstimmung über die von HP vorgeschlagene Fusion. Dieser wurde jedoch vor allem über gigantische Inseratekampagnen in den Printmedien ausgetragen. 80 COWELL III EUGENE F., Shareholder Communication, INSIGHTS, Volume 15, Number 10, October 2001, S. 17 ff.
  • 21. - 17 - des Inhalts der Website eingereicht werden81 . Dies wiederum bewirkt, dass Aktionäre, welche die oben beschriebenen Dienstleistungen von ADP in Anspruch nehmen, die Existenz der Website umgehend mitgeteilt erhalten82 . Übermitteln Besucher der Website anschliessend sogar noch ihre E-Mail-Adresse, verfügen die insurgents innert kurzer Zeit über eine Liste von möglichen Unterstützern ihrer Anliegen, ohne dass sie sich mühsam durch bei der Gesellschaft zu verlangende Aktionärslisten83 und den darin vermerkten street names kämpfen müssen. Solch direkte, schnelle und kostengünstige Kommunikation war insurgents vor dem Internetzeitalter nicht zugänglich. Die im Jahr 2000 durchgeführte Revision der Rule 14a-12 des ’34 Act macht den umschriebenen Einsatz des Internets unter gewissen Voraussetzungen auch schon möglich, bevor überhaupt ein definitives proxy statement, das grundsätzlich sämtliche Werbetätigkeiten begleiten muss, vorliegt84 . Der Einsatz des Internets im proxy fight wird wohl meistens unter die proxy rules der Regulation 14A fallen. Insurgents werden sich selten auf die Ausnahme der Rule 14a-2(b)(2) berufen können, die es Aktionären erlaubt, bei bis zu zehn anderen Aktionären um Vollmachten zu werben, ohne sich um die proxy rules, mit Ausnahme der Betrugsbestimmungen der Rule 14a-9, kümmern zu müssen. Damit wird auch klar, dass Aktionäre, die sich zum Beispiel E-Mail bedienen, um andere Aktionäre auf irgendein gesellschaftsspezifisches Anliegen im Hinblick auf eine kommende Generalversammlung aufmerksam zu machen, ohne aktiv einen proxy fight zu führen, ohne weiteres plötzlich aus dem Schutzbereich der Rule 14a-2(b)(2) fallen können, sollten deren E- Mail von maximal zehn ersten Empfängern an weitere Aktionäre weitergeleitet werden. Nur internetbasierte proxy fights werden wohl auch in Zukunft die Ausnahme sein85 . Vielmehr wird sich eine Mischung zwischen herkömmlichen Inseratekampagnen in den Printmedien sowie dem Einsatz des Internets ergeben. 81 Vgl. dazu im Dateil ’34 Act Rule 14a-12. 82 Vgl. dazu oben II 2 b) Proxy Solicitation. 83 Vgl. dazu im Dateil ’34 Act Rule 14a-7. 84 Dazu im Detail COWELL, Fn 80, S. 21. 85 Als erste, reine Internetkampagne gilt in den USA der von der Travis Street Partners LLC angeführte proxy fight um eine Auswechslung des Verwaltungsrats der an der Nasdaq gehandelten ICO, Inc.
  • 22. - 18 - d) Proxy Voting Die Form der Erteilung der proxy bestimmt sich nach dem Recht der Einzelstaaten. Dem Beispiel von Delaware nacheifernd, lassen heute dreissig Bundesstaaten86 ausdrücklich die Erteilung der Stimmrechtsvollmacht über NIKT zu87 . Das Gesellschaftsrecht von Delaware sieht in diesem Zusammenhang vor, dass eine wirksame Bevollmächtigung nur dann erfolgt, wenn die Vollmacht den erteilenden Aktionär erkennen lässt beziehungsweise wenn auf ihn geschlossen werden kann. Bei der Erteilung der Vollmacht über Internet werden deshalb die im Kapitel Proxy Solicitation beschriebenen Identifikationssysteme verwendet, die diese Voraussetzung erfüllen. Die Verbreitung von electronic und insbesondere internet proxy voting in den USA nimmt ständig zu. Der Studie von Rhoda Andersen Associates88 lassen sich die folgenden Zahlen entnehmen: Eingetragene Aktionäre Proxy Season # of Issuers Offering Telephoning Voting Range of Voters Using Telephone # of Issuers Offering Internet Voting Range of Voters Using Internet June 97 – Mar 98 200 6% - 45% 30 1% - 4% June 98 – Mar 99 502 11% - 24% 256 5% - 11% June 99 – Mar 99 1038 12% - 27% 897 6% -14% May 00 – Jun 01 1352 7% - 30% 1,274 4% - 12% 86 COLE DOUGLAS R., Fn 30, S. 812. 87 Delaware.Gen.Corp § 212 (c)(2) A stockholder may authorize another person or persons to act for such stockholder as proxy by transmitting or authorizing the transmission of a telegram, cablegram, or other means of electronic transmission to the person who will be the holder of the proxy or to a proxy solicitation firm, proxy support service organization or like agent duly authorized by the person who will be the holder of the proxy to receive such transmission, provided that any such telegram, cablegram or other means of electronic transmission must either set forth or be submitted with information from which it can be determined that the telegram, cablegram or other electronic transmission was authorized by the stockholder. If it is determined that such telegrams, cablegrams or other electronic transmissions are valid, the inspectors or, if there are no inspectors, such other persons making that determination shall specify the information upon which they relied. 88 Vgl. Fn 77.
  • 23. - 19 - Beneficial Owners (Serviced By ADP) Proxy Season # of Issuers Offering Telephoning Voting Range of Voters Using Telephone # of Issuers Offering Internet Voting Range of Voters Using Internet June 97 – Mar 98 100% 6% - 9% 100% 1% - 4% June 98 – Mar 99 100% 13.5% 100% 6.2% June 99 – Mar 99 100% 14% 100% 10.1% May 00 – Jun 01 100% 12% 100% 10.5% 3. Annual Meeting Wie soeben dargestellt, lag der Schwerpunkt der Diskussion um den Einsatz von NIKT in den USA lange Zeit beinahe ausschliesslich auf dem Einsatz des Internets im Rahmen des proxy process89 . Dies ist nicht weiter erstaunlich, findet doch – wie schon erwähnt – der Willensbildungsprozess in amerikanischen Gesellschaften nicht während der Generalversammlung, sondern im proxy process statt. Konsequenterweise dauern Generalversammlungen denn auch nicht lange und die Beschlussfassung wird zu einer reinen Formsache90 . Der Durchführungsort einer Generalversammlung bestimmt sich nach den anwendbaren Bestimmungen der Einzelstaaten. Die meisten Staaten gewähren den Gesellschaften das Recht, den Tagungsort in ihrem bylaws91 zu bestimmen. Wie nachfolgend dargestellt wird, hat dieser Tagungsort in den USA – mit einer Ausnahme – auch heute noch ein physischer zu sein. a) Webcasting Pioniere in Sachen virtueller Generalversammlung, einer Generalversammlung, die nur über elektronische Mittel abgehalten wird, waren einzelne Gesellschaften, die Mitte der Neunzigerjahre begonnen haben, ihre Generalversammlungen im Internet zu übertragen. Als 89 Dies im Gegensatz zu Deutschland, wo sich die Diskussion vor allem um die virtuelle Hauptversammlung dreht (vgl. Fn 20). 90 Dieses Verständnis schlägt sich auch in den verschiedenen Gesellschaftsrechten der Einzelstaaten nieder, die meistens nur wenige grundsätzliche Bestimmungen über den Ablauf des annual meeting enthalten. In der Folge schweigen auch Lehrbücher, nach einer meist äusserst detaillierten Darstellung des proxy process, zum Thema „Ablauf des annual meeting“. 91 Die articles of association oder das certificate of association, zusammen mit den bylaws, entsprechen in etwa unseren Statuten.
  • 24. - 20 - einer der Wegbereiter gilt Bell & Howell Company92 . Als erste grössere Gesellschaft ermöglichte sie ihren Aktionären im Jahr 1996 über Internet die Präsentationen am physischen Durchführungsort live mitzuverfolgen sowie über E-Mail Fragen zu stellen. Die Möglichkeit, über das Internet abzustimmen, wurde damals noch nicht eingeräumt93 . Im Jahr 2001 haben über 100 Gesellschaften in den USA ihre Generalversammlung mittels sogenanntem webcasting im Internet übertragen94 . Von der Interaktivität des Internets wird jedoch noch immer sehr wenig bis gar nicht Gebrauch gemacht und beschränkt sich meistens auf die Möglichkeit des Stellens von Fragen an die leitenden Organe95 . Die nach wie vor zunehmende Popularität des webcasting der Generalversammlung in den USA hat verschiedene Gründe: Zum einen hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass solche finanziell äusserst günstige Übertragungen96 den globalen Aktionären die Möglichkeit bieten, an der Generalversammlung zu partizipieren, ohne physisch am Tagungsort anwesend sein zu müssen und damit eine bessere Einbindung des Aktionärs in die Angelegenheiten der Gesellschaft ermöglichen. Zum anderen haben auch die wirtschaftlichen Realitäten des neuen Jahrtausends zu diesem Trend beigetragen. Grenz- und kontinentüberschreitende Fusionen, wie diejenige von DaimlerChrysler AG, verlangen nicht nur neue Formen der multikontinentalen Konzernführung, sondern auch solche der globalen Aktionärseinbindung und -mitwirkung97 . Schliesslich hat auch das Inkrafttreten der so genannten Regulation FD98 im Jahr 2000 den Trend verstärkt. Regulation FD – FD steht für fair disclosure – untersagt das selektive Offenlegen von non public material information gegenüber ausgewählten Personen wie Analysten oder institutionellen Investoren. Vermittelt eine Gesellschaft zum Beispiel an einer Analystenkonferenz oder auch an einer Generalversammlung bisher unbekannte materielle Informationen, so muss sie diese Informationen gleichzeitig auch dem Investorenpublikum 92 GOLDMAN MICHAEL D./FILLIBEN EILEEN M., Corporate Governance: Current Trends and Likely Developments for the Twenty-First Century, 25 Del. J. Corp. L. 683, S. 694 f. 93 YOUNG DAVID, Web Meetings: Bell & Howell Tries E-mail, Chicago Trib., June 10, 1996, S. 3. 94 Vgl. statt vieler die Investor Relations Websites von Wallgreen, <http://investor.walgreens.com/medialist.cfm>, oder Intel, <http://www.intel.com/intel/finance/index.htm>, und die darin aufgeführten Webcasts. 95 LANE BRIAN J./MACKAY CHERYL A., Preparing For Your Annual Meeting, New York 2002, S. 4. 96 Eine Audio-Übertragung inkl. einer interaktiven Folienpräsentation kostet in den USA ca. $2’500. Ein volles Video Webcasting kostet ca. $15’000, inklusive die Crew und das Equipment zur Übertragung. 97 Vgl. dazu den Investor Relations Teil der Website von DaimlerChrysler, <http://www.daimlerchrysler.com/index_g.htm?/investor/investor_g.htm>. 98 Vgl. dazu das Fact Sheet der SEC zur Regulation FD unter <http://www.sec.gov/news/extra/seldsfct.htm>.
  • 25. - 21 - bekanntgeben. Mit der Übertragung dieser Anlässe über das Internet können Gesellschaften den Anforderungen der Regulation FD Genüge tun99 . Schliesslich braucht es auf Seiten des Aktionärs nur einen handelsüblichen PC mit installierter Internet Browser und frei erhältlicher Multimedia Software wie RealPlayer®100 oder Windows Media Player™101 . Als Folge dieser Entwicklung hat sich in den USA eine richtige Webcast-Industrie entwickelt102 . b) Virtual Annual Meeting Die Übertragung der Generalversammlung allein oder verbunden mit gewissen Interaktionsmöglichkeiten vermag jedoch noch keine virtuelle Generalversammlung zu begründen, da - nach wie vor eine physische Versammlung der Aktionäre und Organe an einem von der Gesellschaft zu bestimmenden Tagungsort durchgeführt werden muss, - die über Internet teilnehmenden Aktionäre für Präsenzquorumszwecke103 nicht als anwesend betrachtet werden und eine realtime Abstimmung während der Versammlung nicht möglich ist. Im Zug der Ergänzungen vom Juni 2000104 hat Delaware jedoch als erster – und bis jetzt einziger – Staat sein Gesellschaftsrecht so erweitert, dass Gesellschaften, die in Delaware eingetragen sind, ihre Generalversammlung ohne physiche Versammlung, das heisst allein über means of remote communication, also über Mittel der Fernkommunikation abhalten können. Gleichzeitig wurde neu auch die Möglichkeit geschaffen, dass Aktionäre und proxy holders über Mittel der Fernkommunikation an einer physischen Generalversammlung teilnehmen können, das heisst,. dass sie als anwesend gelten105 und neu auch realtime abstimmen können. Die Ergänzungen des Delaware General Corporation Law betreffen vor allem die Section 211106 , 99 Vgl. hierzu z.B. die Audio/Video Section Investor Relations Teil der Website von DaimlerChrysler, <http://www.daimlerchrysler.com/index_g.htm?/investor/av/av_1_g.htm>. 100 Vgl. <http://www.real.com/>. 101 Vgl. <http://www.microsoft.com/windows/>. 102 Vgl. statt aller die Website von Corporate Communications Broadcast Network, <http://www.ccbn.com/>. 103 Die meisten Gesellschaftsrechte schreiben für Generalversammlungen Präsenzquoren vor, vgl. z.B. Delaware.Gen.Corp § 216. 104 Vgl. zur Gesetzesrevision auch oben II 2. Proxy Process. 105 Dies ist eine wichtige Neuerung in Bezug auf die im amerikanischen Gesellschaftsrecht wichtigen Präsenzquoren. Bis anhin ist/war es zwar auch schon möglich, via Webcast einer Generalversammlung beizuwohnen.Diese Partizipation führte jedoch nicht dazu, dass solche Aktionäre als anwesend galten. Überdies hatte das Internet Proxy Voting bereits vor der eigentlichen Generalversammlung zu erfolgen. 106 Delaware.Gen.Corp § 211. Meetings of stockholders.
  • 26. - 22 - die jedoch teilweise in Verbindung mit der neugeschaffenen Section 232(c)107 gelesen werden muss. Interessanterweise ist der Begriff remote communication im Gesetz nicht definiert. Der Gesetzgeber hat ihn als selbsterklärend angesehen. Er soll jede Form von Kommunikation erfassen, die von einem Ort ausgeht, der mit dem Durchführungsort der Versammlung.nicht identisch sein muss. Section 211(a)(1) räumt dem Verwaltungsrat, sofern dieser bereits statutorisch befugt ist, den Ort der Generalversammlung festzulegen, eine unübertragbare Kompetenz ein zu bestimmen, ob die Generalversammlung virtuell, das.heisst. allein über elektronische Mittel, physisch oder in einer gemischten Form stattfindet. Die unübertragbare Kompetenz des Verwaltungsrats soll verhindern, dass die Gesellschaft durch eine von Aktionären angestrengte Statutenänderung zur Durchführung von virtuellen Generalversammlungen oder gemischten Formen gezwungen (a) (1) Meetings of stockholders may be held at such place, either within or without this State as may be designated by or in the manner provided in the certificate of incorporation or bylaws, or if not so designated, as determined by the board of directors. If, pursuant to this paragraph or the certificate of incorporation or the bylaws of the corporation, the board of directors is authorized to determine the place of a meeting of stockholders, the board of directors may, in its sole discretion, determine that the meeting shall not be held at any place, but may instead be held solely by means of remote communication as authorized by paragraph (a)(2) of this section. (2) If authorized by the board of directors in its sole discretion, and subject to such guidelines and procedures as the board of directors may adopt, stockholders and proxyholders not physically present at a meeting of stockholders may, by means of remote communication: a. Participate in a meeting of stockholders; and b. Be deemed present in person and vote at a meeting of stockholders, whether such meeting is to be held at a designated place or solely by means of remote communication, provided that (i) the corporation shall implement reasonable measures to verify that each person deemed present and permitted to vote at the meeting by means of remote communication is a stockholder or proxyholder, (ii) the corporation shall implement reasonable measures to provide such stockholders and proxyholders a reasonable opportunity to participate in the meeting and to vote on matters submitted to the stockholders, including an opportunity to read or hear the proceedings of the meeting substantially concurrently with such proceedings, and (iii) if any stockholder or proxyholder votes or takes other action at the meeting by means of remote communication, a record of such vote or other action shall be maintained by the corporation. (b) … (c) … (d) … (e) All elections of directors shall be by written ballot unless otherwise provided in the certificate of incorporation; if authorized by the board of directors, such requirement of a written ballot shall be satisfied by a ballot submitted by electronic transmission, provided that any such electronic transmission must either set forth or be submitted with information from which it can be determined that the electronic transmission was authorized by the stockholder or proxy holder. 107 Vgl. dazu Fn 41.
  • 27. - 23 - werden kann108 . Beschliesst der Verwaltungsrat die Durchführung einer virtuellen Generalversammlung oder in einer gemischten Form, so kann er Ablauf und Richtlinien der Generalversammlung definieren, äussert sich doch das Gesetz überhaupt nicht zu diesem Punkt109 . Die unübertragbare Kompetenz des Verwaltungsrats ist Konsequenz der Einsicht des Gesetzgebers, dass zwar die Entwicklung von Telekommunikationstechnologien immer schneller voran schreitet, die Entwicklung von Realtime Internet Voting Systemen jedoch immer noch in den Kinderschuhen steckt. Die Verlässlichkeit solcher Systeme wird von Experten nach wie vor als tief eingeschätzt. Weiter ist die Durchführung einer virtuellen Generalversammlung für eine Gesellschaft immer auch mit Kosten verbunden, die zur Zeit des Inkrafttretens der Änderungen nur schwer abgeschätzt werden konnten. Überdies ist unklar, ob eine Gesellschaft überhaupt in der Lage ist, Richtlinien und einen Ablauf der Generalversammlung zu implementieren, die den gesetzlichen Anforderungen genügen. Schliesslich sind hinsichtlich des Beschlusses, an der Generalversammlung Teilnahme und realtime Abstimmung über elektronische Mittel zuzulassen, immer auch die Auswirkungen auf die Beziehungen zu den Aktionären, aber auch auf die Gesellschaftskultur im Allgemeinen zu überdenken. Aus all diesen Gründen hat der Gesetzgeber von Delaware den Entscheid, an einer Generalversammlung elektronische Kommunikationsmittel zuzulassen, allein in die Hand des Verwaltungsrats gelegt, der Risiken und Nutzen eines solchen Einsatzes nach seinem bestem Wissen und Gewissen abwägen soll. Der Verwaltungsrat darf indessen den Einsatz von Fernkommunikation an einer Generalversammlung nur dann anordnen, wenn die Voraussetzungen von Section 211(a)(2)(B)(i)-(iii) erfüllt sind: (1) Die Gesellschaft muss vernünftige Mechanismen zur Verifizierung der teilnehmenden Aktionäre implementieren, (2) die Gesellschaft muss Massnahmen implementieren, die es den teilnehmenden Aktionären erlauben, an der Versammlung vernünftig zu partizipieren, vernünftig abstimmen sowie die Vorgänge sowohl schriftlich als auch mit Ton mitverfolgen zu können, und (3) die Gesellschaft muss über jede Handlung und jede Abstimmung Aufzeichnungen erheben und diese aufbewahren. Die Voraussetzungen sind bewusst offen formuliert, um dem Verwaltungsrat grösstmögliche Flexibilität bei der Ausgestaltung des Einsatzes von Fernkommunikation zu ermöglichen. 108 HOLZMAN/MULLEN, Fn 39, S. 61 ff. 109 Obschon nicht zum Erlass solcher Richtlinien verpflichtet, wird dem Verwaltungsrat von Experten angeraten, solche zu erlassen, um Voraussehbarkeit des Ablaufs zu gewährleisten und Verwirrung zu verhindern.
  • 28. - 24 - Schliesslich gilt es hinsichtlich der Abstimmung via Fernkommunikation festzuhalten, dass diese gemäss Section 211(e) in der Form der electronic transmission zu erfolgen hat110 . Electronic transmission ist nicht mit der Form der remote communictation zu verwechseln, die – wie bereits oben erläutert – viel weiter geht. Im Vorfeld der Gesetzesergänzung vom Jahr 2000 wurde von Experten erwartet, das die in Delaware inkorporierten Gesellschaften eher zurückhaltend auf die neue Möglichkeit des Einsatzes von Fernkommunikation im Allgemeinen sowie der virtuellen Generalversammlung im Besonderen reagieren werden. Diese Erwartung hat sich bestätigt: In den zwei Jahren seit Inkrafttreten der neuen Regelung hat erst eine einzige virtuelle Generalversammlung stattgefunden. Im April 2001 hatte Inforte Corporation, eine kleine, an der NASDAQ gehandelte Technologie Consulting Gesellschaft111 , ihre erste Generalversammlung als Publikumsgesellschaft allein gestützt auf Fernkommunikation durchgeführt und dabei ihre Kosten von den ursprünglich budgetierten $20’000 auf $2000 senken können112,113 , wobei es anzufügen gilt, dass Inforte auf eine (teure) Internet basierte Abstimmungslösung verzichtet und es sich bei der Übertragung um ein blosses Audio-Webcasting gehandelt hat114 . Die 5500 eingetragenen Aktionäre hatten dafür die Möglichkeit, ihre Stimmen per Fax zu übermitteln; Fragen konnten über E-Mail eingereicht werden. Gemäss Angaben von Inforte verlief die Versammlung ohne Zwischenfälle und war aus der Sicht der Gesellschaft ein voller Erfolg115 . Nichtsdestotrotz sind bis heute keine weiteren Gesellschaften der Pioniertat von Inforte gefolgt. Selbst Inforte sah sich mit Widerstand gegen die virtuelle Generalversammlung konfrontiert. Besorgte Investoren fragten sich, ob der Gesellschaft nicht zu viel Macht eingeräumt wird, kritische Stimmen einfach zu unterschlagen. Der Virtualisierung des Willensbildungsprozesses bläst in den USA generell ein scharfer Wind entgegen. Dies ist erstaunlich, ermöglicht doch der Einsatz von Fernkommunikation sowie die virtuelle Generalversammlung auf den ersten Blick mehr Aktionärsdemokratie und –aktivismus; 110 Vgl. zur Form der electronic transmission Fn 41. 111 Ticker: INFT. 112 LANE/MACKAY, Fn 95, S. 4. 113 BANNAN KAREN, Safe at Home: Virtual Annual Meetings, CFO.com, September 15, 2001. 114 Vgl. im Detail das Interview mit TAMI KAMARAUSKAS, CFO und Chief Investor Relations Officer von Inforte, unter <http://lefile.com/articles/irnotes/inforte.htm>. 115 KAMARAUSKAS TAMI, Case Study: Inforte Corp. Hosts Virtual Shareholder Meeting, wallstreetlawyer.com, October 2001, S. 20.
  • 29. - 25 - er eröffnet überdies ein massives Kostensparpotential für die Gesellschaft. Institutionelle und soziale Investoren sowie Corporate Governance Experten hingegen führen als Hauptargument gegen die virtuelle Generalversammlung an, dass sich verantwortliche Organe nicht hinter der Fassade einer virtuellen Versammlung verstecken können sollen, sondern Angesicht zu Angesicht mit unzufriedenen Aktionären konfrontiert und in eine unter Umständen emotionale Diskussion unter physisch Anwesenden verwickelt werden sollten116 . Virtuelle Generalversammlungen würden deshalb wirksamen Aktionärsaktivismus mehr hemmen denn fördern117 . Institutionelle Investoren hingegen befürworten den ergänzenden Einsatz von NIKT in der Generalversammlung, da dieser Einsatz das Notwendige mit etwas Nützlichem verbinde und die Organe der Gesellschaft nach wie vor persönlich, von Angesicht zu Angesicht, den anwesenden Aktionären Rechenschaft über ihre Tätigkeit ablegen müssen118 . Diese Gründe haben schliesslich auch einen Vorstoss des Gesetzgebers in Massachusetts zu Fall gebracht, der im Anschluss an Delaware die Möglichkeit der virtuellen Generalversammlung im Gesetz verankern wollte119 . Im Gegensatz dazu findet der ergänzende Einsatz von Fernkommunikation von Seiten der Gesellschaften selber kaum lobende Worte. Erstens würden Abstimmungen nicht mehr – wie bisher auf Grund der eingegangenen proxies – mehr oder weniger voraussehbar, da Aktionäre und vor allem Aktionärsgruppen bis zum letzten Moment mit der Stimmabgabe zuwarten könnten120 . Zweitens befürchten Gesellschaften zudem, dass die Möglichkeit der quasi anonymen Fragestellung an die Organe zu einer Flut von – möglicherweise auch querulatorischen – Fragestellungen führen könnte. Zuletzt werden – trotz sämtlicher Fortschritte der Technik – aber auch Bedenken hinsichtlich der Machbarkeit, Sicherheit und Verlässlichkeit des Einsatzes von Fernkommunikation und den damit verbundenen rechtlichen Problemen angeführt. 116 HARRIS ROY, Point-Counterpoint: The Virtual Annual, CFO.com, August 24, 2001. 117 Ebenso LANE/MACKAY, Fn 95, S. 4. 118 Labor & Corporate Governance, September 2001, S. 2 (Monthly Publication of Proxy Voter Services (PVS), a division of Institutional Shareholder Services (ISS)). 119 LANE/MACKAY, Fn 95, S. 5. 120 Dass sich die verantwortlichen Organe einer Gesellschaft, aber auch die Aktionäre, in einer Abstimmung an einer Generalversammlung nicht gerne überraschen lassen, hat sich gerade letztlich bei der Abstimmung über die Fusion zwischen HP und Compaq gezeigt, als sich die Deutsche Bank als bedeutende Aktionärin in letzter Minute entschieden hat, nicht - wie früher mitgeteilt - gegen, sondern für die Fusion zu stimmen.
  • 30. - 26 - Zusammenfassend kann deshalb festgehalten werden, dass virtuelle Generalversammlungen in den USA immer noch sehr kontrovers sind. Vielleicht gerade deswegen haben sie sich weder im Gesellschaftsrecht anderer Staaten noch in der Praxis von Delaware etablieren können. c) Electronic Conferences Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass mehrere gesellschaftsrechtlich unbedeutende Staaten121 wie Minnesota, Oregon oder North Dakota in ihrem jeweiligen Gesellschaftsrecht im Zusammenhang mit dem annual meeting ebenfalls den Einsatz von NIKT vorsehen. Solche Vorschriften122 sehen vor, dass die Teilnahme an einer herkömmlichen Generalversammlung über elektronische Medien der physischen Präsenz gleichgestellt wird, wenn physisch wie virtuell anwesende Aktionäre einander während der Generalversammlung gleichzeitig hören können und wenn alle anderen Voraussetzungen einer Generalversammlung erfüllt sind. Die praktischen Konsequenzen dieser ursprünglich wohl auf Telefonkonferenzen ausgelegten Vorschriften sind allerdings gering, ist das Modell doch meistens nur auf Gesellschaften mit wenigen Aktionären, sogenannten closely held companies, anwendbar und überdies für Publikumsgesellschaften zurzeit technisch kaum umsetzbar. 4. Board of Directors Die Ergänzungen des Delaware General Corporation Law aus dem Jahr 2000 ermöglichen es dem Verwaltungsrat von in Delaware inkorporierten Gesellschaften, via electronic transmission123 Rücktrittserklärungen124 abzugeben sowie Zirkularbeschlüsse125 zu fällen. Section 141 (i) macht schliesslich klar, dass Sitzungen des Verwaltungsrats über alle 121 Zur gesellschaftsrechtlichen Vormachtsstellung von Delaware vgl. Fn 28. 122 Vgl. z.B. Minnesota Statutes, Chapter 302A.436, Electronic communications: „Subdivision 1. Electronic conferences. If and to the extent authorized in the bylaws or by the board of a closely held corporation, a conference among shareholders by any means of communication through which the shareholders may simultaneously hear each other during the conference constitutes a regular or special meeting of shareholders, if the same notice is given of the conference to every holder of shares entitled to vote as would be required by this chapter for a meeting, and if the number of shares held by the shareholders participating in the conference would be sufficient to constitute a quorum at a meeting. Participation in a conference by that means constitutes presence at the meeting in person or by proxy if all the other requirements of section 302A.449 are met”. 123 Zum Begriff vgl. im Detail Fn 41. 124 Delaware.Gen.Corp § 141 (b). 125 Delaware.Gen.Corp § 141 (f).
  • 31. - 27 - verfügbaren technischen Mittel durchgeführt werden können, solange sich die Mitglieder des Verwaltungsrats hören können126,127 . 5. Investor Relations Schliesslich sei hier darauf hingewiesen, dass die meisten amerikanischen Publikumsgesellschaften auf ihrer Company Website eine ausführliche Rubrik Investor Relations unterhalten. Dies ist grundsätzlich ohne gesetzliche Grundlage zulässig. Allerdings gilt es zu beachten, dass die Gesellschaften hinsichtlich des publizierten Inhalts, so. bei Prognosen über die Geschäftsentwicklung, sogenannten forward looking statements, unter Umständen mit gesetzlichen Vorschriften, beispielsweise mit den Federal Securities Laws, in Konflikt geraten können. Auf diese Konflikte wird an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen, da diese genügend Stoff für eine weitere Abhandlung bieten würden. 6. Zusammenfassung Während des Internetbooms der späten Neunzigerjahre engagierten sich in den USA viele Autoren für den Einsatz von NIKT zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Gesellschaft und Aktionären. Dabei betonten sie vor allem, dass die neuen Möglichkeiten des Internets den einfachen Aktionär aus seiner rationalen Apathie wecken würden und damit die Demokratie der Aktiengesellschaft gestärkt würde. Überdies würde der Einsatz des Internets zu Kommunikationszwecken die Investor Relations Kosten einer Gesellschaft massiv senken. Gesetzgeber in mehreren Staaten haben den Faden aufgenommen; Delaware mit seinem managementfreundlichen Gesellschaftsrecht hat ihn mit seiner umfangreichen NIKT Revision seines General Corporation Laws als einziger Bundesstaat zu Ende gesponnen. Die Gesetzgeber von Delaware und Massachussets verspürten zu ihrem Erstaunen bereits während den Gesetzgebungsverfahren zur Ergänzung ihrer Gesellschaftsrechte von Seiten der institutionellen und sozialen Investoren Widerstand gegen die Virtualisierung von Willensbildungs- und Abstimmungsprozessen. Diese ansonsten als Shareholder-Aktivisten bekannten Investorengruppen machten geltend, die Virtualisierung der Generalversammlung biete den Gesellschaften zu viele Möglichkeiten, unbequeme Aktionäre und deren Anliegen ins Leere 126 In Kalifornien ist es versuchsweise bis 1.1.2003 sogar möglich, eine Sitzung des Verwaltungsrats in einem Internet-Chatroom durchzuführen, sofern gewisse Verifikationsmassnahmen durchgeführt werden können (Cal. Corp. Code § 307). 127 HOLZMAN/MULLEN, Fn 39, S. 61 f.
  • 32. - 28 - laufen zu lassen und böte dem Management Schutz vor direkter Konfrontation mit unzufriedenen Aktionären. Die im Anschluss an die Änderungen von Delaware vorgeschlagenen Ergänzungen des Gesellschaftsrechts von Massachussets fanden in der Konsequenz keine Mehrheit mehr und wurden aufs Eis gelegt. Soweit ersichtlich sind mittlerweile auch die Fürsprecher des grossangelegten Einsatzes des Internets zu Kommunikationszwecken zwischen Gesellschaft und Aktionär verstummt. Mehr und mehr finden sich mittlerweile Stimmen, die ausführlich auf die Gefahren der neuen Möglichkeiten, wie zum Beispiel den leichter möglichen Stimmenkauf, hinweisen. Schliesslich sorgen auch die weiter oben aufgeführten konkreten Nutzungszahlen für eine gewisse Ernüchterung. Aktionäre nutzen das Internet zwar grundsätzlich zunehmend, jedoch bewegen sich Nutzungsquoten in einem noch sehr bescheidenen Rahmen. Das Gleiche gilt für die Gesellschaften; bis heute wurde erst eine Generalversammlung virtuell durchgeführt. Diese Trends in den USA lassen berechtigte Zweifel aufkommen, ob der Einsatz von NIKT wirklich geeignet ist, Aktionärsaktivismus zu fördern und die Demokratie in NIKT einsetzenden Gesellschaften zu stärken sowie deren Investor Relations Kosten in bedeutendem Umfang zu senken. Wenn nun anschliessend der Einsatz von NIKT im Allgemeinen und des Internets im Besonderen zur Kommunikation zwischen schweizerischen Publikumsgesellschaften und deren Aktionären diskutiert wird, sollten diese Zweifel nicht vergessen werden. III.Einsatz von neuen Informations- und Kommunikationstechniken in der Schweiz 1. Ausgangslage Sowohl Publikumsgesellschaften als auch deren Aktionäre können NIKT grundsätzlich zur Übermittlung von Informationen sowie zur Vornahme von verbindlichen Rechtshandlungen einsetzen. Nachfolgend werden nun in einem ersten Schritt die unter schweizerischem Recht bereits bestehenden Einsatzmöglichkeiten von NIKT dargestellt. Daran anschliessend wird untersucht, welche der vom schweizerischen Recht nicht gedeckten, im amerikanischen Recht jedoch bereits vorgesehenen Möglichkeiten des Einsatzes von NIKT Eingang ins schweizerische Recht finden sollten und wie die Einsatzmöglichkeiten geregelt werden könnten.
  • 33. - 29 - 2. Einsatzmöglichkeiten de lege lata a) Simultane Übertragung der Generalversammlung In der Lehre ist unbestritten, dass die simultane Übertragung der Generalversammlung über NIKT unter geltendem Recht zulässig ist128 . Die meisten Gesellschaften übertragen ihre Generalversammlung mittlerweile im Internet oder, so im Fall der letzten Generalversammlung der Swissair, sogar im Fernsehen. b) Kommunikation unter Aktionären Anders als in den USA129 ist in der Schweiz der Einsatz von NIKT im Allgemeinen sowie Internet und E-Mail im Besonderen zur Kommunikation unter Aktionären nicht speziell geregelt und deshalb, zum Beispiel im Vorfeld von Generalversammlungen, ohne weiteres zulässig. c) Investor Relations Die Nutzung von NIKT im Allgemeinen und des Internets im Besonderen zur Pflege der Investor Relations ist in der Schweiz nicht speziell geregelt. Hinsichtlich der im Internet veröffentlichten Informationen gelten die gleichen rechtlichen Schranken wie für sämtliche anderen Medien auch. Gesellschaften, die in den USA direkt oder über American Depositary Receipts (ADR)130 an einer Börse zweitkotiert sind, müssen überdies den Inhalt ihrer Investor Relations Websites mit den Federal Securities Laws abstimmen131 . 3. Einsatzmöglichkeiten de lege ferenda a) Einberufung der Generalversammlung Gemäss Artikel 700 Absatz 1 OR ist die Generalversammlung spätestens 20 Tage vor dem Versammlungstag in der durch die Statuten vorgeschriebenen Form einzuberufen. Eine Gesellschaft könnte damit in ihren Statuten grundsätzlich vorsehen, die Generalversammlung elektronisch über NIKT einzuberufen. De lege lata hat die Gesellschaft ferner Artikel 696 OR zu 128 HOFSTETTER, Fn 8, S. 16; LAMBERT, Fn 10, S. 36 ff.; APPENZELLER, Fn 10. 129 Aktionäre von US Gesellschaften dürfen nur bei bis zu zehn anderen Aktionären um Vollmachten werben, ohne sich um die proxy rules, mit Ausnahme der Betrugsbestimmungen der Rule 14a-9, kümmern zu müssen. Vgl. dazu ausführlicher oben II 2 c) Proxy Fights. 130 Zum Thema ADR vgl z.B. SAUNDERS MARK A., American Depositary Receipts: An Introduction to U.S. Capital Markets for Foreign Companies, 17 Fordham Int’l L.J. 48, oder die umfangreiche ADR-Website der Bank of New York unter <http://www.adrbny.com/>. 131 Vgl. dazu auch oben II 5 Investor Relations.
  • 34. - 30 - beachten: Spätestens 20 Tage vor der ordentlichen Generalversammlung sind der Geschäftsbericht und der Revisionsbericht den Aktionären am Gesellschaftssitz zur Einsicht aufzulegen. Namenaktionäre sind hierüber durch schriftliche Mitteilung zu unterrichten, Inhaberaktionäre durch Bekanntgabe im Schweizerischen Handelsamtsblatt. Weil den auf Grund des Trends zur Einheitsaktie generell an Bedeutung gewinnenden Namenaktionären das Aufliegen von Geschäfts- und Revisionsbericht schriftlich mitgeteilt werden muss, erfolgt diese Mitteilung in der Praxis132 meistens mit und in der, gezwungenermassen, schriftlichen Einladung zur Generalversammlung133 . Die Schriftlichkeit der Mitteilung des Aufliegens von Geschäfts- und Revisionsbericht ist nicht mit der Schriftlichkeit nach Artikel 13 Absatz 1 OR zu verwechseln. Artikel 13 Absatz 1 OR hält fest, dass ein Vertrag, für den die schriftliche Form gesetzlich vorgeschrieben ist, die Unterschriften aller Personen tragen muss, die durch ihn verpflichtet werden, wobei die Unterschrift gemäss Artikel 14 Absatz 1 OR grundsätzlich eigenhändig zu schreiben ist. Die Schriftlichkeit der Mitteilung des Aufliegens der Berichte dient nicht zur rechtsgeschäftlichen Verpflichtung (der Gesellschaft), sondern der qualifizierten Information der Aktionäre. Die Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur hält in diesem Zusammenhang fest, dass sich zwar das Bundesgericht bis heute noch nicht mit der Frage beschäftigt hat, welche Anforderungen an die Schriftlichkeit zu stellen sind, wenn diese nicht zur rechtsgeschäftlichen Verpflichtung, sondern der qualifizierten Information der anderen Vertragspartei dient, aber gemäss Wortlaut und Sinn von Artikel 13 Absatz 1 OR jedoch kein Grund besteht, auf einer eigenhändigen Unterschrift zu beharren134 . Diese Ansicht ist meines Erachtens zutreffend und sollte analog auch für die qualifizierte Information von Aktionären gelten. Ein Hindernis, die Mitteilung gemäss Artikel 696 Absatz 2 OR elektronisch zu übermitteln, besteht damit grundsätzlich nicht. Bevor allerdings Informationen elektronsich übermittelt werden können, muss der oder die Informierende wissen, wohin er beziehungsweise sie die elektronische Mitteilung senden kann. Im Unterschied zur qualifizierten Information eines Vertragspartners kennen Gesellschaften 132 Börsenkotierte Gesellschaften publizieren überdies die Einladung zur Generalversammlung oft auch zusätzlich in nationalen und internationalen Tageszeitungen. 133 Vgl. z.B. die Einladung der SwissRe zur Generalversammlung 2002, <http://www.swissre.com/INTERNET/ pwsfilpr.nsf/vwFilebyIDKEYLu/ALEU-59GJ72/$FILE/GVEinladungd.pdf>. 134 Botschaft zum Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur (ZertES) vom 3. Juli 2001, BBl Nr. 41/2001, S. 5679 ff., <http://www.admin.ch/ch/d/ff/2001/5679.pdf>, S. 5684.
  • 35. - 31 - zwar auch Namen und herkömmliche Adressen ihrer Namensaktionäre, jedoch selten deren elektronischen Koordinaten. Inhaberaktionäre sind für die Gesellschaft ohne vorherige Handlung derselben grundsätzlich nicht identifizierbar. Selbst wenn eine Gesellschaft über die elektronischen Adressen ihrer Aktionäre verfügen sollte, wird sie darauf bedacht sein, ihre Mitteilungen in einer Art und Weise zu versenden, die gewährleistet, dass sie ihre Mitteilungspflicht erfüllt hat. Pressemeldungen von elektronischen Mitteilungen, die aus was für Gründen auch immer in den digitalen Jagdgründen versickern, werden nicht helfen, der elektronischen Mitteilung zum breiten Durchbruch zu verhelfen. Die theoretische Möglichkeit des Einsatzes von NIKT zur qualifizierten Masseninformation von Aktionären durch die Gesellschaft wird deshalb in der Praxis wohl kein grosses Echo finden. Eine dem Modell der electronic transmission des Delaware General Corporations Law135 folgende Ergänzung des Aktienrechts, welche - die elektronische Übermittlung einer Mitteilung ausdrücklich der schriftlichen Mitteilung gleichstellt136 , - eine offen formulierte Definition der elektronischen Übermittlung enthält sowie - das Prinzip des informed consent, der vorgängigen, widerrufbaren, Einwilligung zur elektronischen Übermittlung samt der zur Verfügungstellung einer entsprechenden Adresse137 , verankert, könnte allerdings die bestehende Unsicherheit der Gesellschaften beseitigen und damit elektronischen Mitteilungen zum Durchbruch verhelfen. Solche Mitteilungen könnten sodann über Fax, E-Mail und sogar über heute noch unbekannte Informations- und Kommunikationstechniken erfolgen. Über Sinn und Nutzen des Einsatzes von NIKT zur Einberufung der Generalversammlung in der Schweiz lässt sich streiten. Tatsache ist, dass ein solcher Einsatz in den USA in mehreren Bundesstaaten vorgesehen ist, Gesellschaften jedoch noch wenig davon Gebrauch machen. Im Zug einer generellen Überarbeitung/Modernisierung des Aktienrechts liesse sich die Aufnahme entsprechender Bestimmungen sicher vertreten. Ein zwingender Handlungsbedarf seitens des Gesetzgebers besteht indessen meines Erachtens zurzeit nicht. 135 Vgl. dazu im Detail II 2 a) Notice of Meeting. 136 Vgl. Fn 40. 137 Vgl. Fn 41und 42.
  • 36. - 32 - b) Bevollmächtigung zur Stimmrechtsvertretung Gemäss Artikel 689 Absatz 2 OR kann der Aktionär seine Aktien in der Generalversammlung selbst vertreten oder durch eine Drittperson vertreten lassen, die unter Vorbehalt abweichender statutarischer Bestimmungen nicht Aktionär zu sein braucht. Der Vertreter oder die Vertreterin (Vertreter) eines Inhaberaktionärs weist sich durch Vorlage der Aktien oder durch eine vom Verwaltungsrat angeordnete Art des Besitzesausweises aus138 . Der Vertreter eines Namenaktionärs muss gemäss Artikel 689a Absatz 1 OR von diesem schriftlich zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte bevollmächtigt sein. Wer Mitwirkungsrechte als Vertreter ausübt, muss die Weisungen des oder der Vertretenen befolgen139 . Neben der willkürlichen Vertretung sieht das Gesetz überdies drei Kategorien von institutionellen Stimmrechtsvertretern vor: Die Organ- und unabhängige Stimmrechtsvertretung gemäss Artikel 689c OR sowie die Depotvertretung gemäss Artikel 689d OR. Will der Namenaktionär einen Vertreter bestimmen, so muss er diesem eine schriftliche Vollmacht ausstellen. Beim Formerfordernis der Schriftlichkeit gemäss Artikel 689a Absatz 1 OR handelt es sich um eine Schriftlichkeit gemäss Artikel 13 Absatz 1 OR. Die Erteilung der Vollmacht an den Vertreter ist eine Willenserklärung und stellt eine rechtsgeschäftliche Handlung des Aktionärs dar. Da eine solche Vollmacht gemäss Artikel 14 Absatz 1 OR vom Aktionär eigenhändig unterzeichnet werden muss, besteht heute noch keine Möglichkeit, eine solche Vollmacht elektronisch zu erteilen. Dieser Rechtszustand würde überwunden, wenn das Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur140 in Kraft141 treten und damit die Gleichstellung der qualifizierten elektronischen Signatur mit der eigenhändig geschriebenen Unterschrift durch Einfügung eines neuen Artikels 14 Absatz 2bis142 ins OR erfolgen würde143 . Die Botschaft144 138 Art. 689a Abs. 2 OR; die faktische Vertretungsmöglichkeit bei Inhaberaktien ist damit uneingeschränkt. 139 Art. 689b Abs. 1 OR. 140 Entwurf des Bundesgesetzes über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur (ZertES) vom 3. Juli 2001, BBl Nr. 41/2001, S. 5716 ff., <http://www.admin.ch/ch/d/ff/2001/5716.pdf>. 141 Vgl. zum Thema im Allgemeinen sowie zum Stand der Gesetzgebung im Besonderen <http://www.ofj.admin.ch/ themen/e-commerce/intro-d.htm>. 142 „Der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt ist die qualifizierte elektronische Signatur, die auf einem qualifizierten Zertifikat einer anerkannten Anbieterin von Zertifizierungsdiensten im Sinne des Bundesgesetzes vom ... über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur beruht und auf den Namen einer natürlichen Person lautet“.
  • 37. - 33 - umschreibt die Funktion der elektronischen Signatur wie folgt: „Durch die Verwendung der elektronischen Signatur kann der Absender einer Nachricht oder eines elektronischen Dokuments seine Identität nachweisen. Der Empfänger kann sich vergewissern, dass die Meldung oder das Dokument während der Übermittlung nicht verändert wurde. Somit garantiert die elektronische Signatur die Authentizität und Integrität elektronischer Nachrichten und Dokumente. Möglich wird dies bei den vom Gesetz erfassten elektronischen Signaturen durch den Einsatz vertrauenswürdiger Dritter (= Trusted Third Party [TTP]), die in diesem Gesetz als Anbieterinnen von Zertifizierungsdiensten bezeichnet werden. Diese überprüfen die Identität des Inhabers eines Signaturschlüssels und bestätigen die Zugehörigkeit des entsprechenden Signaturprüfschlüssels zum Inhaber in einem (digitalen) Zertifikat“145 . Damit wäre es möglich – ohne aktienrechtliche Sonderregelung – die Bevollmächtigung über E- Mail vorzunehmen. Diese Lösung ermöglicht allerdings nur den Einsatz des Internets. Zudem muss der Aktionär vorgängig bei einer Anbieterin von Zertifizierungsdiensten146 eine digitale Signatur erwerben und diese anschliessend auf seinem Computer installieren. Schliesslich gibt es seit dem 31. Dezember 2001 in der Schweiz keine öffentliche Zertifizierstelle für digitale Identitäten mehr147 . Die Summe dieser Umstände dürfte den durchschnittlichen Aktionär davon abhalten, überhaupt eine digitale Signatur zu beantragen. Die Möglichkeit der Erteilung der Vollmacht zur Stimmrechtsvertretung über Internet dürfte damit Theorie bleiben. Aus diesen Gründen drängt sich auch im Bereich der Erteilung der Vollmacht zur Stimmrechtsvertretung eine aktienrechtliche Sonderlösung auf. Eine solche könnte sich an den 143 Vgl. dazu im Detail Botschaft, Fn 134, S. 5687. 144 Botschaft, Fn 134, S. 5685. 145 Zum technischen Funktionieren digitaler Signaturen vgl. LEGLER THOMAS, Digitale Signaturen in der Schweiz: Vom realen zum virtuellen Notariat?, ZBGR 82, S. 129 ff. 146 Vgl. dazu Botschaft, Fn 134, S. 5693. 147 Vgl. zum Schicksal der Swisskey AG, der ersten Anbieterin von Zertifizierungsdiensten in der Schweiz, <http://www.swisskey.ch/swisskey/documents/faq_last.pdf>. Swisskey AG begründete die Einstellung der Ausstellung von digitalen Zertifikaten wie folgt: „Die Nachfrage nach digitalen Zertifikaten in der Schweiz hat bis heute das prognostizierte Niveau nicht erreicht und wird es in nächster Zeit aus verschiedenen Gründen auch nicht erreichen. Auch im internationalen Umfeld hat sich gezeigt, dass die Nachfrage nach branchenunabhängigen, universell einsetzbaren Zertifikaten nicht rasch genug ein Niveau erreichen wird, welches eine kostendeckende Ausstellung und Verwaltung der Ausweise für die digitale Welt erlauben würde. Es fehlt bis heute über weite Strecken an zugkräftigen Angeboten und Lösungen im Internet, welche auf digitale Zertifikate abstützen. Zurückzuführen ist dieser Umstand hauptsächlich auf den hohen Komplexitätsgrad solcher Projekte. Es gibt keine gleichwertige Alternative zur PKI Technologie, die Verbreitung dauert aber viel länger als ursprünglich vorgesehen”.
  • 38. - 34 - amerikanischen Modellen, aber auch an einem neuen schweizerischen Modell orientieren: Gemäss Artikel 9 Absatz 2 des Bundesgesetzes über den Gerichtsstand in Zivilsachen (GestG)148 sind Gerichtsstandvereinbarungen schriftlich zu schliessen. Der Schriftform gleichgestellt werden dabei aber alle Formen der Übermittlung, die den Nachweis durch Text ermöglichen, wie namentlich Telex, Telefax und E-Mail149,150 . Mit dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber erstmals das Schriftformerfordernis des Artikels 13 Absatz 2 OR geöffnet. Was im Zusammenhang mit der Gerichtsstandvereinbarung Sinn macht, muss jedoch nicht zwingend auch im Zusammenhang mit der Erteilung der Vollmacht zur Stimmrechtsvertretung Sinn machen. Während es im kleinen Kreis der die Gerichtsstandsvereinbarung abschliessenden Parteien für alle Beteiligten durchaus möglich ist, die Authentizität151 und Integrität152 elektronischer Nachrichten zu überprüfen, ist dies im Zusammenhang mit der angestrebten massenhaften Erteilung von Vollmachten zur Stimmrechtrechtsvertretung insbesondere für die institutionellen Stimmrechtsvertreter nicht unbedingt der Fall. Die Öffnung des Schriftformerfordernisses kann zwar über eine Artikel 9 Absatz 2 GestG entsprechende Formulierung erreicht werden, sollte allerdings durch eine Section 212 (c)(2) des Delaware General Corporation Law153 entsprechende Regelung dahin ergänzt werden, dass die elektronische Übermittlung Informationen enthalten muss, welche die Identifikation des bevollmächtigenden Aktionärs erlaubt. Eine solche Lösung würde zur Erteilung der Vollmacht zur Stimmrechtsvertretung einen analogen Einsatz der in den USA gebräuchlichen internetbasierten proxy-voting Systemen erlauben154 . 148 Gerichtsstandsgesetz, GestG, SR 272, <http://www.admin.ch/ch/d/sr/2/272.de.pdf>. 149 „Die Vereinbarung muss schriftlich erfolgen. Einer schriftlichen Vereinbarung gleichgestellt sind: a. Formen der Übermittlung, die den Nachweis durch Text ermöglichen, wie namentlich Telex, Telefax und E-Mail; b. eine mündliche Vereinbarung mit schriftlicher Bestätigung der Parteien“. 150 Vgl. in diesem Zusammenhang die Definition der electronic transmission von Section 232(c) des Delaware General Corporation Law. Diese ist ebenfalls offen formuliert, setzt allerdings die Möglichkeit der Umwandlung der Übermittlung in Papierform voraus. Vgl. auch die technologieneutrale Formulierung der Absätze 2 und 3 des Artikels 957 OR. 151 Gewährleistung, dass der Absender und Empfänger diejenigen sind, die behaupten es zu sein. 152 Sicherstellung, dass Daten während der Übertragung nicht verändert werden. 153 Vgl. Fn 87. 154 Vgl. dazu die ausführliche Beschreibung unter II 2 b) Proxy Solicitation.
  • 39. - 35 - Instruktionen, wie der Vertreter zu stimmen hat, erteilt der vertretene Aktionär über eine Weisung155 . Eine solche, auf Auftragsrecht beruhende Weisung bedarf keiner besonderen Form. Die elektronische Weisungserteilung ist damit heute bereits möglich. Auch im Zusammenhang mit der Erteilung der Vollmacht zur Stimmrechtsvertretung lässt sich über Sinn und Nutzen des Einsatzes von NIKT streiten. Tatsache ist, dass weder von Aktionärs- noch Gesellschaftsseite euphorisch auf die Möglichkeit der Erteilung einer Vollmacht zur Stimmrechtsvertretung reagiert wird. Die SwissRe hat ihren Aktionären im Hinblick auf die Generalversammlung 2002 bereits die Möglichkeit eingeräumt, die Vollmacht zur Stimmrechtsvertretung an die institutionellen Stimmrechtsvertreter über Internet zu erteilen156,157,158 . Gemäss Angaben der SwissRe wurden von den rund 53000 per Post an die Aktionäre versandten Einladungen für die Generalversammlung 2002 29500 Antwortbogen retourniert, davon 150 "elektronisch" via Internet. Von diesen 150 bestellten rund 60% die entsprechende Zutrittskarte zur Teilnahme; der Rest verteilt sich auf Vollmachten an die SwissRe und den unabhängigen Stimmrechtsvertreter sowie einige auf Depotbanken. Von den total 57 Internet-Vollmachten stammten 23 aus der Schweiz , 16 aus dem restlichen Europa, 10 aus USA/Canada und 8 aus Fernost. Die von der SwissRe im Jahr 2002 gemachten Erfahrungen sprechen meines Erachtens eine deutliche Sprache: Nur gerade ein Promille der Aktionäre der SwissRe hat am “Pionierprojekt” teilgenommen und das Internet genutzt, um eine Vollmacht zur Stimmrechtsvertretung einzuräumen! 155 Art. 689b Abs. 1 OR. 156 Vgl. Einladung, Fn 133, S. 4. Der Internet-Antwortbogen, zu finden unter <http://www.swissre.com/ INTERNET/pwsfrmpr.nsf/fmShareRegGer?OpenForm&_ModPath=INTERNET/pwswpspr.nsf> ist nicht mehr online. 157 Auf das Formerfordernis von Art. 689a Abs. 2 OR angesprochen, liess die SwissRe verlauten: „Wir danken Ihnen für Ihren Hinweis auf Art. 689a Abs. 1 OR und müssen feststellen, dass wir diesen Punkt tatsächlich nicht genügend berücksichtigt haben. Wir werden daher die Angelegenheit für die kommende GV im 2003 mit unserem Rechstdienst überprüfen“. 158 Das von der SwissRe angewandte Auswertungsverfahren der über Internet eingereichten Antwortbogen hingegen ist eine Möglichkeit der Umsetzung des hier gemachten Vorschlages zur zusätzlichen Identifikation des Aktionärs: Auf dem elektronischen Antwortbogen sind die Eingabefelder "Aktionärs-Nr., Name und email-Adresse oder Telephon- Nr." zwingend auszufüllen. Der Aktionär findet seine Aktionärs-Nr. auf dem ihm mit der Einladung zugestellten Original-Antwortbogen, wo sie zusammen mit dem sog. "Barcode" aufgedruckt ist. Die via Internet erhaltenen Antwortbogen druckt die SwissRe aus und überprüft dann, ob die angegebene Aktionärs-Nr. mit dem Namen des Aktionärs übereinstimmt. Ist dies nicht der Fall, setzt sich die SwissRe unverzüglich mit dem Aktionär in Verbindung.
  • 40. - 36 - Eine im Jahr 2001 durchgeführte, nicht repräsentative, qualitative Untersuchung zur Akzeptanz der Vollmachtserteilung zur Stimmrechtsvertretung über Internet bei 24 Publikumsgesellschaften159 hat ergeben, dass 20 Gesellschaften keine Pläne zur Einführung der Möglichkeit der Erteilung der Vollmacht zur Stimmrechtsvertretung über Internet haben. Die Befragten stuften die mangelnde Rechtssicherheit sowie Sicherheitsmängel als grossen Nachteil der Vollmachtserteilung über Internet ein. Als mittleren Nachteil wurden Qualitätsprobleme, das mangelnde Vertrauen bei den Aktionären sowie die ungünstige Kosten-/Nutzenrelation angegeben. Auf die Frage, ob eine gesetzliche Grundlage zum Einsatz von NIKT zur Vollmachtserteilung geschaffen werden soll, sprachen sich 17 der 24 Publikumsgesellschaften gegen eine rasche Änderung aus. Weder diese Daten noch die in den USA gemachten Erfahrungen160 sprechen für einen dringenden Handlungsbedarf beim Gesetzgeber. Sollte das Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur einmal in Kraft treten, könnten die Vollmachten in einem ersten Schritt unter Anwendung einer digitalen Signatur erstmals, wenn auch unter erschwerten Bedingungen, über Internet erteilt werden. Im Zug einer generellen Überarbeitung/Modernisierung des Aktienrechts liesse sich hingegen die Schaffung einer Rechtsgrundlage zur elektronischen Vollmachtserteilung ohne weiteres vertreten. c) Virtuelle Teilnahme an der realen Generalversammlung Gemäss herrschender Lehre und Rechtsprechung ist der Verwaltungsrat verpflichtet, die Generalversammlung unter Anwesenden durchzuführen161 . Das Bundesgericht hat in einem älteren Entscheid festgehalten, dass die Anwesenheit der Aktionäre an der Generalversammlung für die Meinungsbildung unerlässlich sei. Diese könnten sich während der Versammlung auf Grund der Voten und Ausführungen des Verwaltungsrats ihre Meinungen bilden. Eine briefliche Stimmabgabe oder ein Zirkulationsbeschluss sei deshalb aktienrechtlich nicht zulässig162 . Der Grundsatz der physischen Generalversammlungspräsenz163 ist im Aktienrecht nirgends explizit verankert. Implizit geht dieser allerdings aus verschiedenen Bestimmungen wie beispielsweise 159 DOLDER MARC, Elektronische Generalversammlung – Die Akzeptanz von eVoting via Internet bei Generalversammlungen aus Unternehmenssicht in der Schweiz, Diplomarbeit an der Hochschule für Wirtschaft und Verwaltung HSW Bern, Bern 2001. 160 Vgl. dazu die Zahlen unter II 2 d) Proxy Voting. 161 Statt aller BÖCKLI PETER, Schweizerisches Aktienrecht, 2. Auflage, Zürich 1996, N 1262a. 162 BGE 67 I 346 f. 163 Vgl. auch HOFSTETTER, Fn 8, S. 12 f.