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Länderfinanzausgleich:
Eine Bewertung aktueller Vorschläge zur
Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen
IW policy paper · 29/2015
Autor:
Dr. Tobias Hentze
Telefon: 0221 4981-748
E-Mail: hentze@iwkoeln.de
30. September 2015
2
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung..................................................................................................... 3
1. Einleitung ............................................................................................................. 4
2. Funktionsweise des Länderfinanzausgleichs....................................................... 5
3. Aktueller Diskussionsstand und Reformansätze ................................................ 11
3.1 Abschaffung Umsatzsteuervorwegausgleich .................................................. 11
3.2 Abschaffung horizontaler Ausgleich................................................................ 13
4. Bewertung der Reformvorschläge...................................................................... 15
5. Fazit ................................................................................................................... 19
Literatur .................................................................................................................... 21
JEL-Klassifikation:
H71 - Nationale und kommunale Besteuerung; Subventionen und Einnahmequellen
H73 - Kompetenzkonflikte und ihre Auswirkungen
H77 - Beziehungen zwischen Gebietskörperschaften; Föderalismus
3
Zusammenfassung
Das Auslaufen des Solidarpakts II erfordert eine Neuordnung der Finanzbeziehungen
zwischen Bund und Ländern. Jenseits ökonomischer Empfehlungen zeichnet sich in
der politischen Debatte eine Fokussierung auf zwei Reformvorschläge ab. Zum einen
handelt es sich dabei um einen Vorschlag, nach dem in dem mehrstufigen System
des Länderfinanzausgleichs der Umsatzsteuervorwegausgleich abgeschafft werden
soll. Dies würde zumindest die Transparenz des Systems erhöhen und das Umver-
teilungsvolumen reduzieren.
Dem gegenüber steht ein Ansatz, nach dem die direkten Zahlungen zwischen den
Ländern als Teil des horizontalen Ausgleichs gestrichen werden sollen. Dies hätte
aus politökonomischer Sicht den Vorteil, dass eine klare Trennung in Geber- und
Nehmerländer nicht mehr möglich wäre, da es zu keinen direkten Zahlungen zwi-
schen den Ländern mehr käme.
Aus ökonomischer Sicht kranken jedoch beide Vorschläge insbesondere an ihrer
mangelhaften Anreizsystematik. Wie bisher würde es auch in Zukunft insbesondere
für finanzschwache Länder keinen Anreiz geben, eigene Steuereinnahmen zu gene-
rieren, da diese zum Großteil mit Hilfsmitteln verrechnet würden. Dadurch gelänge
auch kein Schritt in Richtung mehr Steuerautonomie für die Länder, die vor allem
aufgrund der für die Länder nahenden Schuldenbremse ab dem Jahr 2020 von gro-
ßer Wichtigkeit wäre.
Vor diesem Hintergrund sind beide diskutierten Optionen aus Sicht des Instituts der
deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) als nicht zielführend einzuschätzen, da sie nicht
an den fundamentalen Fehlanreizen des Länderfinanzausgleichs rütteln. Mehr Ei-
genverantwortlichkeit für die Bundesländer sowie niedrigere Ausgleichstarife wären
vielmehr wichtige Reformbausteine, um die Anreizsystematik zu verbessern. Noch
bleibt zu hoffen, dass die Politik den Mut für eine umfassende und leistungsfreundli-
che Reform finden wird.
4
1. Einleitung
Der Reformdruck beim Länderfinanzausgleich steigt. Zum Jahresende 2019 läuft der
Solidarpakt II aus und damit treten auch die Regelungen des derzeitigen Finanzaus-
gleichs außer Kraft. Deshalb steht eine Neuregelung der Finanzbeziehungen zwi-
schen Bund und Ländern auf der politischen Agenda. Die Politik sucht derzeit nach
einem Reformmodell, das von allen Seiten getragen wird. Dabei gestalten sich die
Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den 16 Landesregierungen äu-
ßerst schwierig.
Es zeichnet sich ab, dass kein Bundesland gewillt ist, nach der Reform finanziell
schlechter dazustehen als vorher. Damit müsste der Bund in jedem Fall seine Mittel
erhöhen, wozu offensichtlich auch die Bereitschaft besteht. Trotz Erfüllung dieser
Grundvoraussetzung ist der konkrete Reformweg noch offen. Der Länderfinanzaus-
gleich soll laut Grundgesetz gleichwertige Lebensverhältnisse im gesamten Bundes-
gebiet ermöglichen. Gleichwohl ist Deutschland weit entfernt von einem Zentralstaat,
weshalb die Länder und ihre Haushaltsautonomie miteinbezogen werden müssen.
Der Spagat zwischen Solidarität und Eigenverantwortlichkeit stellt die Politik vor eine
schwierige Aufgabe.
Besondere Brisanz kommt dadurch hinzu, dass die sogenannten Sonder-Bundes-
ergänzungszuweisungen (SoBEZ) an die ostdeutschen Bundesländer ebenfalls 2019
enden. Aus diesen Mitteln fließen jährlich Milliardenzahlungen an die neuen Bundes-
länder, wobei sich der Umfang Jahr für Jahr reduziert – im Jahr 2019 auf 3,8 Milliar-
den Euro. Insgesamt garantiert der Solidarpakt II den neuen Ländern im Zeitraum
von 2005 bis 2019 Zuschüsse von 105 Milliarden Euro.
Logisch verknüpft damit ist die Zukunft des Solidaritätszuschlages, der als Zuschlag
auf die Einkommen-, Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer im gesamten Bundesge-
biet erhoben wird und mit dem Auslaufen des Solidarpakts II seine Rechtfertigungs-
grundlage verliert.
Die von der Politik vornehmlich diskutierten Reformkonzepte haben eher graduelle
Veränderungen des Systems im Auge. Zum einen wird ein Wegfall des sogenannten
Umsatzsteuervorwegausgleichs diskutiert, so dass die Konzentration auf den Aus-
gleichszahlungen zwischen den Ländern liegen würde. Zum anderen wird im Gegen-
satz dazu eine Variante ins Spiel gebracht, die diese horizontalen Zahlungen zwi-
schen den Ländern abschafft und dafür noch mehr als bisher auf die Verteilung der
Umsatzsteuer zur Angleichung der Finanzkraft setzt. Aus ökonomischer Sicht wäre
jedoch ein tiefergehender Systemwechsel erforderlich, um den Bundesländern An-
reize für eine solide und zukunftsfähige Haushaltspolitik zu setzen.
5
2. Funktionsweise des Länderfinanzausgleichs
Der Länderfinanzausgleich erfolgt in vier Schritten, was bereits auf die Komplexität
des Verfahrens hindeutet (für eine ausführliche Darstellung siehe Brügelmann,
2014). Ausgangspunkt ist die sogenannte primäre oder vertikale Steuerverteilung,
das heißt die Aufteilung der Steuereinnahmen auf die Gebietskörperschaften, also
Bund, Länder und Gemeinden. Neben reinen Bundes- oder Landessteuern (zum
Beispiel Versicherungs- oder Grunderwerbsteuer) nehmen die sogenannten Ge-
meinschaftssteuern eine wichtige Funktion zur Finanzierung der verschiedenen
staatlichen Ebenen ein. Zu diesen zählen zum Beispiel mit der Umsatz- und der
Lohn- und Einkommensteuer die beiden aufkommensstärksten Steuerarten. So er-
halten die Länder 42,5 Prozent und die Gemeinden 15 Prozent der lokal angefalle-
nen Lohn- und Einkommensteuereinnahmen, wobei in diesem Fall der Wohnsitz des
Steuerpflichtigen entscheidend ist. Im Jahr 2014 vereinnahmten die Bundesländer so
rund 142 Milliarden Euro. Aus der Zusammenrechnung verschiedener Steuerein-
nahmen ergibt sich für jedes Bundesland eine einwohnergewichtete Finanzkraft, die
zum Durchschnitt ins Verhältnis gesetzt wird.
Die Umsatzsteuer geht dabei nicht in die Basis zur Bestimmung der Finanzkraft ein,
da sie erst in einem zweiten Schritt verteilt wird, wobei auch der Umsatzsteuervor-
wegausgleich vorgenommen wird. Im Jahr 2014 standen den Ländern rund 44 Pro-
zent der Umsatzsteuereinnahmen zu. Bis zu 25 Prozent dieses Aufkommensanteils
fließt im Rahmen des Umsatzsteuervorwegausgleichs finanzschwachen Bundeslän-
dern zu. Bis zu einer Finanzkraft von 97 Prozent des Länderdurchschnitts wird die
Differenz zu 95 Prozent ausgeglichen, bevor die restliche Umsatzsteuer nach Anzahl
der Einwohner eines Bundeslandes verteilt wird.
Im Jahr 2014 führte dieses Verfahren dazu, dass selbst das finanzschwächste Land
eine Finanzkraft von gut 97 Prozent des Durchschnittswerts erreichte. Dabei wurden
rund 7,5 Milliarden Euro zwischen den Ländern umverteilt – der theoretisch mögliche
Maximalwert lag dabei 2014 doppelt so hoch. Insbesondere die Flächenländer Nord-
rhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen mussten 2014 gegenüber
einer direkten Pro-Kopf-Verteilung auf Einnahmen verzichten. Im Gegenzug profitier-
ten insbesondere die ostdeutschen Bundesländer von dem Ausgleichsmechanismus.
Während bei der Umsatzsteuer vorab die Anteile noch vor der Auszahlung anders
berechnet werden, kommt es im nächsten Schritt – dem Länderfinanzausgleich im
engeren Sinne – zu direkten Transferzahlungen zwischen den Bundesländern. Dafür
wird zunächst die sich nach der Umsatzsteuerverteilung ergebende Finanzkraft der
Bundesländer modifiziert: Zu diesem Zweck wird die Einwohnerzahl der Stadtstaaten
fiktiv um das 1,35-Fache erhöht, so dass die Finanzkraft je Einwohner sinkt. Die Ein-
6
wohnerzahl der Länder Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Branden-
burg wird mit Faktoren zwischen 1,02 und 1,05 erhöht. Während bei den Stadtstaa-
ten aufgrund der Bevölkerungsdichte höhere Kosten je Einwohner unterstellt werden,
erfolgt die Anpassung für die drei ostdeutschen Bundesländer aufgrund ihrer ländli-
chen Struktur.
Außerdem wird die Summe der Gemeindesteuern in einem Bundesland in diesem
Schritt berücksichtigt, indem 64 Prozent der Gemeindesteuern zur Finanzkraft hinzu-
gerechnet werden. Die Begründung hierfür lautet, dass ein Bundesland für wohlha-
bende Gemeinden weniger Geld benötige und es daher auch weniger Finanzkraft
erfordere.
Auf dieser Basis wurden 2014 rund 9 Milliarden Euro zwischen den Bundesländern
transferiert. Das Ausmaß des Ausgleichs wird dabei nach einem progressiven Tarif
mit drei Stufen – ähnlich dem Einkommensteuertarif – ermittelt. Der Auffüllungsfak-
tor, der über die Ausgleichshöhe entscheidet, liegt für Länder mit einer Finanzkraft
von unter 80 Prozent bei 75 Prozent, bis 93 Prozent Finanzkraft sinkt dieser auf
70 Prozent und bis 100 Prozent Finanzkraft dann auf 44 Prozent. Spiegelbildlich ver-
hält es sich mit den Abschöpfungsfaktoren, also wie viel die finanzstarken Länder an
die finanzschwachen abführen müssen. Von 100 Prozent bis 107 Prozent Finanzkraft
steigt die Grenzabschöpfung von 44 Prozent auf 70 Prozent, bis zu einer Finanzkraft
von 120 Prozent dann auf das Maximum von 75 Prozent.
Der vierte und letzte Schritt stellt wiederum einen vertikalen Ausgleichsmechanismus
dar, das heißt der Bund unterstützt einzelne Länder mit sogenannten Bundesergän-
zungszuweisungen (BEZ). Auch in diesem Fall folgen die Zahlungen einer Systema-
tik, die von der Finanzkraft der Länder unter Einrechnung der vorherigen Schritte
ausgeht. Bis zu einer Finanzkraft von 99,5 Prozent des Durchschnitts wird die Diffe-
renz zu 77,5 Prozent vom Bund ausgeglichen. Dies sorgt nochmals dafür, dass die
finanzschwächsten Länder näher an den Durchschnitt heranrücken. Anders als im
horizontalen Ausgleich des Länderfinanzausgleichs im engeren Sinne muss jedoch
kein finanzstarkes Land eine Zahlung leisten. Dies fällt ausschließlich dem Bund zu,
der im Jahr 2014 insgesamt 3,5 Milliarden Euro BEZ überwies, allen voran an Berlin,
Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Insgesamt verfügten die Bundesländer dadurch
nach Durchführung des Länderfinanzausgleichs im Jahr 2014 über 236 Milliarden
Euro (Tabelle 1).
7
Tabelle 1: Das mehrstufige System des Länderfinanzausgleichs
in Milliarden Euro für 2014
Umverteilungs-
volumen
Finanzmittel der
Länder nach
Umverteilung
primäre Steuerverteilung an die Länder 141,8
Verteilung des Umsatzsteueranteils an die Länder 7,5 90,5
horizontaler Finanzausgleich zwischen den Ländern 9,0 0
BEZ des Bundes an die Länder 3,5 3,5
Summe 235,8
Quellen: Bundesfinanzministerium, IW Köln
Im Ergebnis führen die nach der primären Steuerverteilung stattfindenden drei Stufen
zu wesentlichen Verschiebungen in der Finanzkraft der Bundesländer (Tabelle 2).
Tabelle 2: Ausgleichzahlungen im Länderfinanzausgleich
in 1.000 Euro für 2014
Umsatzsteuer-
vorwegaus-
gleich
horizontaler
Ausgleich
allgemeine
BEZ
Netto-
position
Baden-Württemberg -1 687 183 -2 356 478 - -4 043 661
Bayern -1 997 588 -4 851 978 - -6 849 566
Brandenburg 972 761 509 677 221 362 1 703 800
Hessen -958 734 -1 754 885 - -2 713 619
Mecklenburg-Vorpommern 901 928 462 697 184 430 1 549 055
Niedersachsen 548 745 275 746 126 476 950 967
Nordrhein-Westfalen -2 269 431 897 408 471 880 -900 143
Rheinland-Pfalz -431 304 288 165 156 639 13 499
Saarland 197 347 144 042 69 284 410 673
Sachsen 2 374 760 1 034 372 424 629 3 833 761
Sachsen-Anhalt 1 390 437 585 341 239 131 2 214 909
Schleswig-Holstein 130 928 172 263 93 001 396 192
Thüringen 1 316 684 553 676 227 053 2 097 413
Berlin -209 088 3 491 268 1 104 962 4 387 143
Bremen -3 781 604 073 194 881 795 172
Hamburg -276 481 -55 385 - -331 866
Quellen: Bundesfinanzministerium, IW Köln
8
Die Umverteilung weist für 2014 demnach Bayern, Baden-Württemberg, Hessen,
Nordrhein-Westfalen und Hamburg – in der Reihenfolge – als Geberländer aus, wäh-
rend die übrigen Länder – an der Spitze Berlin und die ostdeutschen Länder –
zwangsläufig als Nehmerländer einzustufen sind. Für Länder wie Nordrhein-
Westfalen oder Bremen zeigt sich die Komplexität und Intransparenz des Systems
besonders deutlich: Während die Länder zunächst weniger Umsatzsteuer zugewie-
sen bekommen als ihnen nach einer Pro-Kopf-Verteilung zustände, erhalten sie im
horizontalen Länderfinanzausgleich von den anderen Ländern Ausgleichszahlungen
sowie vom Bund BEZ. Die Rolle als Geber- oder Nehmerland wechselt also zwi-
schen den Stufen. In der Summe wird Nordrhein-Westfalen zum Geber-, Bremen
dagegen zum Nehmerland.
Die Kritik am bestehenden System bezieht sich nicht nur auf die Komplexität und das
hohe Umverteilungsvolumen, sondern vor allem auf die mangelhafte Anreizwirkung
des Systems. Der Grund hierfür liegt in der hohen Grenzbelastung der Bundeslän-
der, die anzeigt, welcher Anteil eines zusätzlich eingenommenen Euros abgeführt
werden muss und für finanzschwache Länder deutlich höher ausfällt als für finanz-
starke (siehe auch Abbildung 4).
So entstehen keine Leistungsanreize für die Nehmerländer, ihre finanzielle Situation
durch eigenes Handeln zu verbessern. Der Grund für die extrem hohen Grenzbelas-
tungen der Nehmerländer liegt in den hohen Auffüllungsfaktoren begründet. Bei der
Umsatzsteuer wird eine unterdurchschnittliche Finanzkraft in der Regel zu 95 Pro-
zent ausgeglichen, bei den Bundesergänzungszuweisungen zu 77,5 Prozent. Die
Abschöpfungsquoten liegen jedoch darunter. Für einige Länder greift sogar die ge-
ringste Tarifstufe von 44 Prozent, weshalb auch die Grenzbelastung geringer ausfällt.
Beispielhaft lässt sich dies an den Ländern Brandenburg und Baden-Württemberg
illustrieren (Abbildung 1 und 2). Annahmegemäß entstehen in einem Bundesland
100 Euro Lohnsteuer zusätzlich. Davon gehen laut der gesetzlich vorgegebenen Auf-
teilung jeweils 42,5 Euro an das Land und den Bund sowie 15 Euro an die Kommu-
ne. Das Land Brandenburg gilt nun als weniger finanzschwach. Deshalb erhält es
geringere Transfers in Höhe von fast 47 Euro über den Umsatzsteuervorwegaus-
gleich sowie den horizontalen Länderfinanzausgleich. Da es einen Teil seiner zusätz-
lichen Finanzkraft behält, verringert sich zudem auch der Umfang der erhaltenen
BEZ um gut 3 Euro. Denn die Ungleichheit unter den Ländern hat abgenommen,
weshalb der Bund weniger Ergänzungsmittel leistet. So verbleiben dem Land von
den ursprünglich 57,5 Euro lediglich knapp 8 Euro oder rund 13 Prozent.
9
Abbildung 1: Grenzbelastung am Beispiel Brandenburg
von 100 Euro Lohnsteuer mehr…
Quelle: IW Köln
Baden-Württemberg dagegen wird als ohnehin finanzstarkes Land nun noch finanz-
stärker und muss daher mehr Ausgleichszahlungen in Höhe von 32 Euro leisten. Da
die zusätzlichen Einnahmen nicht auf alle Länder gleich verteilt werden, bleibt Ba-
den-Württemberg auch nach dem horizontalen Länderfinanzausgleich im Vergleich
zu den anderen Ländern finanzstärker als zuvor. Deshalb muss der Bund zusätzliche
Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von 7 Euro zahlen. Die Ungleichheit unter
den Ländern hat nämlich zugenommen. Baden-Württemberg bleiben immerhin
25,5 Euro der ursprünglichen Mehreinnahmen von 57,5 Euro, das macht immerhin
44 Prozent.
10
Abbildung 2: Grenzbelastung am Beispiel Baden-Württemberg
von 100 Euro Lohnsteuer mehr…
Quelle: IW Köln
Bei erheblichen Abweichungen der Finanzkraft vom Durchschnitt nach unten und
damit hohen Ausgleichbeträgen schwindet somit umso mehr der Anreiz für die Bun-
desländer, höhere originäre Steuereinnahmen zu generieren. Artikel 107 Grundge-
setz fordert auf der einen Seite einen finanziellen Ausgleich für finanzschwache Län-
der, anderseits aber steht es dem Gesetzgeber frei, ökonomische Anreizsysteme in
einer Art auszugestalten, dass jedes Bundesland sich um eigene Steuereinnahmen
bemüht. Ziel einer Reform sollte es sein, dem im Grundgesetz verankerten Ziel ein-
heitlicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet Genüge zu leisten und gleichzeitig ein
anreizkompatibles System zu entwickeln. Die Schwierigkeit dieses Dualismus ist
damit für jeden Reformvorschlag offenkundig.
11
3. Aktueller Diskussionsstand und Reformansätze
Während in der wissenschaftlichen Debatte zumeist eher umfassende und von öko-
nomischen Gesichtspunkten geleitete Reformmodelle vorgeschlagen werden (Lenk,
2015; Wissenschaftlicher Beirat, 2015; Störmann, 2014), ist die Politik offenbar ledig-
lich zu kleinen Korrekturen bereit und hat dabei in erster Linie die Verteilungsfrage im
Blick: Kein Land darf schlechter gestellt werden.
Zumindest scheint eine grundsätzliche Einigkeit zu bestehen, das System zu verein-
fachen und eine Stufe des Ausgleichsmechanismus abzuschaffen. Während auf der
einen Seite die Streichung des Umsatzsteuervorwegausgleichs und damit eine Kon-
zentration auf den horizontalen Länderfinanzausgleich präferiert wird (siehe „Ab-
schaffung Umsatzsteuervorwegausgleich“), wird auf der anderen Seite auf den Um-
satzsteuervorwegausgleich als Umverteilungsmechanismus gesetzt (siehe „Abschaf-
fung horizontaler Ausgleich“).
3.1 Abschaffung Umsatzsteuervorwegausgleich
Eine von Teilen der Politik bevorzugte Reformidee besteht im Kern aus der Abschaf-
fung des Umsatzsteuervorwegausgleichs als intransparentem Fremdkörper im Sys-
tem (Scholz-Schäuble-Vorschlag). Dies wird auch von Seiten der Wissenschaft viel-
fach befürwortet (Wissenschaftlicher Beirat, 2015; Störmann, 2014). Ursprünglich
sollte der Länderfinanzausgleich als Spitzenausgleich zwischen den Länder fungie-
ren, das heißt durch leichte Mittelverschiebungen große Unterschiede bei der Fi-
nanzkraft abschwächen. Eine vorherige Umverteilung der Umsatzsteuer zur Besser-
stellung finanzschwacher Länder ist dabei nicht zwingend geboten. Der Scholz-
Schäuble-Vorschlag sieht daher eine ausschließliche Pro-Kopf-Verteilung der Um-
satzsteuer auf die Länder vor, gepaart mit einem höheren Anteil für die Bundesländer
von rund 2 Prozentpunkten oder rund 3,8 Milliarden Euro zulasten des Bundes.
Der horizontale Finanzausgleich würde so gestärkt und um eine höhere Einbezie-
hung der Kommunalsteuern in die Finanzkraft – 75 Prozent statt 64 Prozent – modifi-
ziert. Zudem soll der dreistufige Tarif vereinfacht werden, indem ein linearer Satz in
Höhe von 67,5 Prozent sowohl zur Auffüllung als auch zur Abschöpfung angewendet
wird. Im Ergebnis würde das Umverteilungsvolumen zwischen den Ländern von rund
9 Milliarden Euro auf 14 Milliarden Euro ansteigen. Der Grund dafür ist die – nach
der Reform – wegfallende Auffüllung für finanzschwache Länder in Höhe von rund
7,5 Milliarden Euro im Rahmen des Umsatzsteuervorwegausgleichs.
Da der Satz von 67,5 Prozent teilweise unterhalb der bisherigen Tarifstufen von
70 Prozent und 75 Prozent liegt, würde eine Differenz in Zukunft bei sehr finanz-
12
schwachen Ländern in geringerem Umfang ausgeglichen werden als bisher. Dadurch
würde die Finanzkraft dieser Nehmerländer weniger stark an den Durchschnitt ange-
glichen werden. Aus diesem Grund ist vorgesehen, die BEZ um 1,2 Milliarden Euro
gegenüber dem bisherigen System zu erhöhen, um einen weitergehenden Ausgleich
zu ermöglichen. Bei Ländern, die nur knapp unterhalb des Länderdurchschnitts lie-
gen, würde die Auffüllung durch den linearen Tarif dagegen höher ausfallen, da der
einheitliche Tarif von 67,5 Prozent unter der bisher geringsten Stufe von 44 Prozent
liegt. Für ein Land mit einer Finanzkraft von 60 Prozent des Durchschnitts bedeutet
das zum Beispiel, dass die Differenz zu 75 Prozent ausgeglichen wird, die Finanz-
kraft also um 30 Prozentpunkte angehoben wird (Abbildung 3).
Mittels Entflechtungsmitteln und Zinshilfen sollen zusätzlich zu den höheren Umsatz-
steueranteilen und BEZ 3,5 Milliarden Euro auf die Länder entfallen. So ergeben sich
in der Summe zusätzliche Bundesmittel in Höhe von 8,5 Milliarden Euro, die den
Ländern zugutekommen.
Abbildung 3: Vergleich der Tarife im horizontalen Ausgleich
in Prozent
Quelle: IW Köln
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
50% 60% 70% 80% 90% 100% 110% 120% 130% 140% 150%
Tarif
Finanzkraft
Grenzauffüllung sinkt Grenzabschöpfung sinkt
Grenzauffüllung /
Grenzabschöpfung
steigt
aktueller Tarif
Tarif Scholz-Schäuble
Anhebung/Abenskung
der Finanzkraft um ...
Prozentpunkte
13
Die Ausgestaltung der Reform stellt sicher, dass jedes Bundesland fiskalisch gegen-
über dem jetzigen System gewinnt und erfüllt damit die offensichtliche Grundvoraus-
setzung jedes Reformvorschlags mit Anspruch auf Realisierbarkeit (Tabelle 3). Ent-
flechtungsmitteln und Zinshilfen sind dabei nicht berücksichtigt. Vor allem die Geber-
länder Bayern und Baden-Württemberg sowie Nordrhein-Westfalen würden deutlich
mehr Steuereinnahmen zur Verfügung haben.
Tabelle 3: Budgetwirkung Abschaffung Umsatzsteuervorwegausgleich
in Millionen Euro gegenüber dem derzeitigen System
Quelle: IW Köln
3.2 Abschaffung horizontaler Ausgleich
Sofern der horizontale Finanzausgleich und damit die Zahlungen zwischen den Bun-
desländern wegfallen sollten, müsste der Bund noch mehr Mittel als nach dem
Scholz-Schäuble-Vorschlag bereitstellen, um die unterschiedliche Finanzkraft der
Länder auszugleichen. Dies erklärt sich damit, dass in einem solchen System kein
Bundesland mehr eingenommene Steuereinnahmen wieder abgeben müsste und so
seine Finanzkraft reduziert.
Bei einer Abschaffung der Zahlungen zwischen den Ländern und einer Stärkung des
Umsatzsteuervorwegausgleichs bei sonst gleichen Rahmenbedingungen müsste der
Bund seine Mittel um weitere 4 Milliarden Euro gegenüber dem Scholz-Schäuble-
Vorschlag auf insgesamt gut 9 Milliarden Euro aufstocken, damit alle Länder fiska-
lisch gewinnen. Der Auffüllfaktor der Bundesergänzungszuweisungen müsste dabei
technisch zumindest auf rund 95 Prozent gesetzt werden.
Durch den Wegfall der direkten Transferzahlungen würden die bisherigen Geberlän-
der bei diesem Modell sehr stark profitieren (Tabelle 4). Dies müsste gegebenenfalls
BW BAY BB HE MV NI NRW RP
USt-Verteilung 2.188 2.590 502 1.243 327 1.601 3.606 820
horizontaler LFA -1.638 -1.873 770 -925 695 500 -1.217 -188
BEZ 0 0 221 0 224 50 -482 -157
insgesamt 549 716 134 319 92 368 1.395 274
SL SN ST SH TH BE HB HH
USt-Verteilung 203 829 459 578 442 705 135 358
horizontaler LFA 173 1.805 1.052 162 997 -81 5 -238
BEZ 35 578 340 -9 321 101 20 0
insgesamt 57 198 107 154 103 391 60 121
14
durch andere Instrumente austariert werden, um zu einseitige Verteilungseffekte zu
verhindern. Denkbar wäre zum Beispiel eine fiktive Anpassung der Finanzkraft in
Form der Einwohnerveredlung oder eine Anrechnung der Gemeindesteuern vor An-
wendung des Umsatzsteuervorwegausgleichs.
Tabelle 4: Budgetwirkung Abschaffung horizontaler Ausgleich
in Millionen Euro gegenüber dem derzeitigen System
BW BAY BB HE MV NI NRW RP
USt-Verteilung 0 0 0 0 0 0 0 0
horizontaler LFA 2.355 4.863 -511 1.755 -460 -282 -913 -288
BEZ 0 0 536 0 478 298 976 309
insgesamt 2.355 4.863 25 1.755 18 15 63 21
SL SN ST SH TH BE HB HH
USt-Verteilung 0 0 0 0 0 0 0 0
horizontaler LFA -145 -1.033 -588 -175 -556 -3.487 -603 68
BEZ 154 1.078 613 187 580 3.562 616 0
insgesamt 8 44 25 13 24 75 14 68
Quelle: IW Köln
15
4. Bewertung der Reformvorschläge
Die beiden Vorschläge – Abschaffung des Umsatzsteuervorwegausgleichs und Ab-
schaffung des horizontalen Ausgleichs – lassen sich anhand der folgenden Kriterien
bewerten:
1. Fiskalische Wirkung:
Wie in Abschnitt 3 dargelegt erfüllen die beiden beschriebenen Modelle die Grund-
bedingung für eine Reform: Der Bund stellt zusätzliche Mittel bereit und jedes einzel-
ne Land steht im Vergleich zum Status quo besser da. Inwieweit diese Mittel den
Ländern als höherer Anteil an der Umsatzsteuer, als höhere Bundesergänzungszu-
weisungen oder auf einem anderen Weg zugutekommen sollten, hängt von der Mo-
dellkonstruktion ab.
2. Verteilungseffekt:
Zwar würden alle Länder fiskalisch gewinnen, allerdings je nach Modell in sehr un-
terschiedlichem Maße – was die politische Umsetzung schwierig gestaltet. Nach dem
Scholz-Schäuble-Vorschlag wäre Nordrhein-Westfalen einer der großen Gewinner,
da das Land zunächst deutlich von der Verteilung der Umsatzsteuer nach Einwoh-
nern profitiert. Auch die größten Geberländer Bayern, Baden-Württemberg und Hes-
sen würden deutlich mehr Steuereinnahmen für sich verbuchen können, obwohl sie
im horizontalen Länderfinanzausgleich mehr zahlen müssten als bisher. Die Vertei-
lung der Umsatzsteuer nach Köpfen kompensiert dies allerdings. Auch wären es ge-
nau diese drei Länder, die mit großem Abstand in absoluten Zahlen die klaren Ge-
winner einer Abschaffung des horizontalen Ausgleichs wären, da ihre Transferzah-
lungen an andere Länder ersatzlos entfielen. Die anderen Länder würden in diesem
Fall ausnahmslos weniger stark als von dem Scholz-Schäuble-Vorschlag profitieren,
da sie auf die Ausgleichzahlungen der Geberländer verzichten müssten. Während
der Bund nach dem Scholz-Schäuble-Vorschlag rund 5 Milliarden Euro mehr über
den Länderfinanzausgleich an die Länder verteilen würde, wären es nach dem dar-
gelegten Umsatzsteuermodell rund 9 Milliarden Euro.
3. Transparenz und Verständlichkeit:
Beiden Vorschlägen muss zugutegehalten werden, dass sie das System vereinfa-
chen, indem eine der vier Stufen des Systems entfällt. Der Wegfall des Umsatzsteu-
ervorwegausgleichs würde dabei sogar die Transparenz erhöhen, weil klar zu sehen
ist, welches Land wie viel zahlt oder erhält. Aus ökonomischer Sicht ist dies zu be-
grüßen. Der Wegfall des horizontalen Länderfinanzausgleichs verändert das System
dagegen, da der eigentliche Kern dieses ursprünglich als Spitzenausgleich gedach-
ten Systems abgeschafft würde und de facto ein Bund-Länder-Ausgleich verbliebe.
16
Der eigentliche Fremdkörper Umsatzsteuervorwegausgleich würde zum entschei-
denden Faktor.
4. Anreizkompatibilität:
Bisher krankt das System des Länderfinanzausgleichs an einer leistungsfeindlichen
Struktur. Leider bieten auch die diskutierten Reformoptionen kaum Anreize für die
Länder, eigene Steuereinnahmen zu generieren. Während die Grenzbelastung der
meisten Länder nach dem Scholz-Schäuble-Vorschlag zumindest leicht zurückgeht,
zeigt sich bei dem Umsatzsteuer-Modell ein Auseinanderklaffen zwischen Geber-
und Nehmerländern (Abbildung 4). Nach dem Scholz-Schäuble-Ansatz fällt der
Rückgang in den meisten Ländern nur schwach aus und liegt bei bis zu 3 Prozent-
punkten. Dies trifft vor allem auf Empfängerländer zu, die Bundesergänzungszuwei-
sungen erhalten. Für Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gehen die Grenzbe-
lastungen signifikant zurück, da beide Länder keine Bundesergänzungszuweisungen
mehr erhalten. Der Stadtstaat Hamburg ist ein Verlierer des neuen linearen Tarifs, da
der auf Hamburg angewendete Satz mit 67,5 Prozent nun höher ist als zuvor mit 44
Prozent.
Durch den höheren Ausgleich der Finanzkraftunterschiede in Form der Bundeser-
gänzungsweisungen verschlechtern sich die Anreize für die Nehmerländern bei Ab-
schaffung des horizontalen Ausgleichs noch einmal, da sie bei eigenen Steuerein-
nahmen auf noch mehr Hilfsmittel als im jetzigen System verzichten müssten. Da die
Geberländer keine direkten Zahlungen mehr an die anderen Länder leisten müssten,
dürften sie den größten Teil von Steuermehreinnahmen für sich behalten.
17
Abbildung 4: Vergleich der Grenzbelastungen
in Prozent
Quelle: IW Köln
89%
88%
88%
87%
87%
87%
86%
85%
84%
84%
80%
69%
59%
56%
54%
43%
89%
89%
88%
87%
87%
87%
87%
85%
85%
85%
81%
70%
3%
5%
7%
1%
86%
86%
85%
84%
84%
84%
84%
82%
82%
60%
79%
50%
58%
55%
53%
61%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Bremen
Saarland
Mecklenburg-Vorpommern
Thüringen
Sachsen-Anhalt
Brandenburg
Schleswig-Holstein
Sachsen
Berlin
Rheinland-Pfalz
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Hessen
Baden-Württemberg
Bayern
Hamburg
Schäuble-Scholz Vorschlag Umsatzsteuer aktueller Tarif
18
Zudem bleibt mehr Steuerautonomie bei beiden Reformoptionen in weiter Ferne.
Dabei wäre dies ein Schlüssel, um ein anreizkompatibles System zu installieren
(Altemeyer-Bartscher, 2014; Broer, 2015). Die Bundesländer bräuchten diese Option,
um insbesondere in Krisenzeiten und nach Inkrafttreten der Schuldenbremse im Jahr
2020 Budgeträume nutzen zu können, ohne neue Kredite aufzunehmen.
Die Notwendigkeit zu mehr Steuerautonomie zeigt auch die aktuelle Flüchtlingshilfe,
bei der die meisten Länder sehr stark auf den Bund angewiesen sind. Steuersatz-
autonomie besteht derzeit lediglich bei der Grunderwerbsteuer, wobei dies ein Bei-
spiel für Fehlanreize durch den Gesetzgeber ist, da normierte Einnahmen anstatt
tatsächlicher für den Länderfinanzausgleich berücksichtigt werden (Broer, 2014).
5. Politische Durchsetzbarkeit:
Die politische Durchsetzbarkeit ist für alle vorgebrachten Modelle ein kritischer Punkt.
Auch wenn die beiden dargelegten Ansätze die Grundbedingung einer Besserstel-
lung aller Bundesländer erfüllen können, haben sie politökonomisch ihre Tücken.
Beim Scholz-Schäuble-Vorschlag würden die bisherigen Geberländer noch mehr
Zahlungen aus ihren zugewiesenen und im Haushalt verbuchten Steuereinnahmen
an andere Länder abführen müssen, was den Ruf als Zahlmeister insbesondere in
der Bevölkerung verstärken könnte. Zudem zeigen sich vor allem bei den ostdeut-
schen Ländern Vorbehalte gegen einen Wegfall des Umsatzsteuervorwegausgleichs.
Bei einer Abschaffung des horizontalen Ausgleichs dagegen würden die bisherigen
Nehmerländer trotz der massiven Erhöhung der Hilfsmittel seitens des Bundes ledig-
lich geringfügig profitieren, was die Zustimmungsbereitschaft in den Ländern ein-
schränkt. Auf der anderen Seite würde es keine klassischen Geber- und Nehmerlän-
der mehr geben, da es zu keinen direkten Zahlungen zwischen den Ländern mehr
kommen würde. Dies ist politökonomisch ein Vorteil dieses Vorschlags.
19
5. Fazit
Eine Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern ist zwingend
geboten. Aus ökonomischer Perspektive überzeugen allerdings beide dargelegten
Vorschläge nicht. Zwar ist der Bund offensichtlich bereit, den Ländern zusätzliche
Mittel bereitzustellen, die Chance auf eine grundlegende Reform des Systems Län-
derfinanzausgleich zur Beseitigung der fehlerhaften Anreizstruktur scheint jedoch
vertan zu werden. Ein Grund hierfür ist die Prämisse, dass alle Länder durch eine
Reform bessergestellt werden sollen. Im Sinne eines zukunftsfähigen Systems müss-
ten nach Ansicht des IW Köln die folgenden Punkte in Angriff genommen werden:
1. Vereinfachung:
Im Sinne eines verständlichen und transparenten Systems ist eine Verschlankung
des vierstufigen Abrechnungsmechanismus sinnvoll. Aus Sicht des IW Köln sollte
insbesondere der Umsatzsteuervorwegausgleich als ein Fremdköper im System ab-
geschafft werden. Allerdings sollte auch die finale Auffüllung der Finanzkraft durch
den Bund in ihrer Höhe kritisch beleuchtet werden.
2. Grenzbelastung:
Es bestehen – auch bei Umsetzung eines der vorgestellten Modelle – insbesondere
für die finanzschwachen Länder kaum Anreize, ihre Situation durch eigene Steuer-
einnahmen zu verändern, da Mehreinnahmen zu einem großen Teil mit Hilfsmitteln
verrechnet werden. Daher sollten im Sinne eines leistungsgerechten Systems die
Auffüllungs- und Abschöpfungsfaktoren spürbar gesenkt werden.
3. Steuerautonomie:
Wenn den Ländern stärkere Anreize zur Generierung zusätzlicher Steuereinnahmen
gegeben würden, müssten ihnen gleichzeitig Möglichkeiten eingeräumt werden, über
einzelne Steuern selbst zu bestimmen. Dies kann zum Beispiel Zu- und Abschläge
auf die Lohn- und Einkommensteuer bedeuten (Wissenschaftlicher Beirat, 2015).
Eine falsche Anreizsetzung wie bei der Grunderwerbsteuer sollte jedoch vermieden
werden (Broer, 2014). Lösungen dürfen zudem nicht nur auf der Einnahmeseite ge-
sucht werden, vielmehr müssen die einzelnen Ausgabenposten noch stärker hinter-
fragt werden.
4. Aufgabentrennung:
Jenseits der Finanzbeziehungen bedarf es einer Klärung, wer für welche Aufgaben
zuständig ist. Eine Abwälzung von Aufgaben seitens des Bundes auf Länder und
Gemeinden ohne finanzielle Kompensation muss verhindert werden.
20
Abkürzungsverzeichnis
BAY Bayern
BB Brandenburg
BE Berlin
BW Baden-Württemberg
HB Hansestadt Bremen
HE Hessen
HH Hansestadt Hamburg
MV Mecklenburg-Vorpommern
NI Niedersachsen
NRW Nordrhein-Westfalen
RP Rheinland-Pfalz
SH Schleswig-Holstein
SL Saarland
SN Sachsen
ST Sachsen-Anhalt
TH Thüringen
21
Literatur
Altemeyer-Bartscher, Martin, 2014, Länderfinanzausgleich, Steuerwettbewerb und
Steuersalienz, Wirtschaftsdienst, 2014, 7, S. 492–494
Broer, Michael, 2014, Reformoptionen des Länderfinanzausgleichs unter politöko-
nomischer Betrachtung, Wirtschaftsdienst, 2014, 4, S. 258–266
Broer, Michael, 2015, Wirkungen einer Ausweitung der Steuersatzautonomie der
Länder, Wirtschaftsdienst, 2015, 2, S. 135–142
Brügelmann, Ralph, 2014, Föderalismusreform: Die Unzulänglichkeiten des Finanz-
ausgleichs unter den Ländern, IW policy paper, 16/2014
Lenk, Thomas / Glinka, Philipp, 2015, Gutachten zur Neuordnung der Bund-Länder-
Finanzbeziehungen ab dem Jahr 2020 – ausgewählte Aspekte für mehr Transparenz
und Leistungsgerechtigkeit, erstellt für die Industrie-und Handelskammern des He-
ringsdorfer Kreises
Störmann, Wiebke, 2014, Finanzausgleich nach 2020: Reformbedarf und Vorschlä-
ge zur Neuregelung, List Forum, 2014, 40, 2, S. 132–157
Wissenschaftlicher Beirat, 2015, Reform des bundesstaatlichen Finanzausgleichs,
Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen,
01/2015

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Länderfinanzausgleich

  • 1. Länderfinanzausgleich: Eine Bewertung aktueller Vorschläge zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen IW policy paper · 29/2015 Autor: Dr. Tobias Hentze Telefon: 0221 4981-748 E-Mail: hentze@iwkoeln.de 30. September 2015
  • 2. 2 Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung..................................................................................................... 3 1. Einleitung ............................................................................................................. 4 2. Funktionsweise des Länderfinanzausgleichs....................................................... 5 3. Aktueller Diskussionsstand und Reformansätze ................................................ 11 3.1 Abschaffung Umsatzsteuervorwegausgleich .................................................. 11 3.2 Abschaffung horizontaler Ausgleich................................................................ 13 4. Bewertung der Reformvorschläge...................................................................... 15 5. Fazit ................................................................................................................... 19 Literatur .................................................................................................................... 21 JEL-Klassifikation: H71 - Nationale und kommunale Besteuerung; Subventionen und Einnahmequellen H73 - Kompetenzkonflikte und ihre Auswirkungen H77 - Beziehungen zwischen Gebietskörperschaften; Föderalismus
  • 3. 3 Zusammenfassung Das Auslaufen des Solidarpakts II erfordert eine Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Jenseits ökonomischer Empfehlungen zeichnet sich in der politischen Debatte eine Fokussierung auf zwei Reformvorschläge ab. Zum einen handelt es sich dabei um einen Vorschlag, nach dem in dem mehrstufigen System des Länderfinanzausgleichs der Umsatzsteuervorwegausgleich abgeschafft werden soll. Dies würde zumindest die Transparenz des Systems erhöhen und das Umver- teilungsvolumen reduzieren. Dem gegenüber steht ein Ansatz, nach dem die direkten Zahlungen zwischen den Ländern als Teil des horizontalen Ausgleichs gestrichen werden sollen. Dies hätte aus politökonomischer Sicht den Vorteil, dass eine klare Trennung in Geber- und Nehmerländer nicht mehr möglich wäre, da es zu keinen direkten Zahlungen zwi- schen den Ländern mehr käme. Aus ökonomischer Sicht kranken jedoch beide Vorschläge insbesondere an ihrer mangelhaften Anreizsystematik. Wie bisher würde es auch in Zukunft insbesondere für finanzschwache Länder keinen Anreiz geben, eigene Steuereinnahmen zu gene- rieren, da diese zum Großteil mit Hilfsmitteln verrechnet würden. Dadurch gelänge auch kein Schritt in Richtung mehr Steuerautonomie für die Länder, die vor allem aufgrund der für die Länder nahenden Schuldenbremse ab dem Jahr 2020 von gro- ßer Wichtigkeit wäre. Vor diesem Hintergrund sind beide diskutierten Optionen aus Sicht des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) als nicht zielführend einzuschätzen, da sie nicht an den fundamentalen Fehlanreizen des Länderfinanzausgleichs rütteln. Mehr Ei- genverantwortlichkeit für die Bundesländer sowie niedrigere Ausgleichstarife wären vielmehr wichtige Reformbausteine, um die Anreizsystematik zu verbessern. Noch bleibt zu hoffen, dass die Politik den Mut für eine umfassende und leistungsfreundli- che Reform finden wird.
  • 4. 4 1. Einleitung Der Reformdruck beim Länderfinanzausgleich steigt. Zum Jahresende 2019 läuft der Solidarpakt II aus und damit treten auch die Regelungen des derzeitigen Finanzaus- gleichs außer Kraft. Deshalb steht eine Neuregelung der Finanzbeziehungen zwi- schen Bund und Ländern auf der politischen Agenda. Die Politik sucht derzeit nach einem Reformmodell, das von allen Seiten getragen wird. Dabei gestalten sich die Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den 16 Landesregierungen äu- ßerst schwierig. Es zeichnet sich ab, dass kein Bundesland gewillt ist, nach der Reform finanziell schlechter dazustehen als vorher. Damit müsste der Bund in jedem Fall seine Mittel erhöhen, wozu offensichtlich auch die Bereitschaft besteht. Trotz Erfüllung dieser Grundvoraussetzung ist der konkrete Reformweg noch offen. Der Länderfinanzaus- gleich soll laut Grundgesetz gleichwertige Lebensverhältnisse im gesamten Bundes- gebiet ermöglichen. Gleichwohl ist Deutschland weit entfernt von einem Zentralstaat, weshalb die Länder und ihre Haushaltsautonomie miteinbezogen werden müssen. Der Spagat zwischen Solidarität und Eigenverantwortlichkeit stellt die Politik vor eine schwierige Aufgabe. Besondere Brisanz kommt dadurch hinzu, dass die sogenannten Sonder-Bundes- ergänzungszuweisungen (SoBEZ) an die ostdeutschen Bundesländer ebenfalls 2019 enden. Aus diesen Mitteln fließen jährlich Milliardenzahlungen an die neuen Bundes- länder, wobei sich der Umfang Jahr für Jahr reduziert – im Jahr 2019 auf 3,8 Milliar- den Euro. Insgesamt garantiert der Solidarpakt II den neuen Ländern im Zeitraum von 2005 bis 2019 Zuschüsse von 105 Milliarden Euro. Logisch verknüpft damit ist die Zukunft des Solidaritätszuschlages, der als Zuschlag auf die Einkommen-, Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer im gesamten Bundesge- biet erhoben wird und mit dem Auslaufen des Solidarpakts II seine Rechtfertigungs- grundlage verliert. Die von der Politik vornehmlich diskutierten Reformkonzepte haben eher graduelle Veränderungen des Systems im Auge. Zum einen wird ein Wegfall des sogenannten Umsatzsteuervorwegausgleichs diskutiert, so dass die Konzentration auf den Aus- gleichszahlungen zwischen den Ländern liegen würde. Zum anderen wird im Gegen- satz dazu eine Variante ins Spiel gebracht, die diese horizontalen Zahlungen zwi- schen den Ländern abschafft und dafür noch mehr als bisher auf die Verteilung der Umsatzsteuer zur Angleichung der Finanzkraft setzt. Aus ökonomischer Sicht wäre jedoch ein tiefergehender Systemwechsel erforderlich, um den Bundesländern An- reize für eine solide und zukunftsfähige Haushaltspolitik zu setzen.
  • 5. 5 2. Funktionsweise des Länderfinanzausgleichs Der Länderfinanzausgleich erfolgt in vier Schritten, was bereits auf die Komplexität des Verfahrens hindeutet (für eine ausführliche Darstellung siehe Brügelmann, 2014). Ausgangspunkt ist die sogenannte primäre oder vertikale Steuerverteilung, das heißt die Aufteilung der Steuereinnahmen auf die Gebietskörperschaften, also Bund, Länder und Gemeinden. Neben reinen Bundes- oder Landessteuern (zum Beispiel Versicherungs- oder Grunderwerbsteuer) nehmen die sogenannten Ge- meinschaftssteuern eine wichtige Funktion zur Finanzierung der verschiedenen staatlichen Ebenen ein. Zu diesen zählen zum Beispiel mit der Umsatz- und der Lohn- und Einkommensteuer die beiden aufkommensstärksten Steuerarten. So er- halten die Länder 42,5 Prozent und die Gemeinden 15 Prozent der lokal angefalle- nen Lohn- und Einkommensteuereinnahmen, wobei in diesem Fall der Wohnsitz des Steuerpflichtigen entscheidend ist. Im Jahr 2014 vereinnahmten die Bundesländer so rund 142 Milliarden Euro. Aus der Zusammenrechnung verschiedener Steuerein- nahmen ergibt sich für jedes Bundesland eine einwohnergewichtete Finanzkraft, die zum Durchschnitt ins Verhältnis gesetzt wird. Die Umsatzsteuer geht dabei nicht in die Basis zur Bestimmung der Finanzkraft ein, da sie erst in einem zweiten Schritt verteilt wird, wobei auch der Umsatzsteuervor- wegausgleich vorgenommen wird. Im Jahr 2014 standen den Ländern rund 44 Pro- zent der Umsatzsteuereinnahmen zu. Bis zu 25 Prozent dieses Aufkommensanteils fließt im Rahmen des Umsatzsteuervorwegausgleichs finanzschwachen Bundeslän- dern zu. Bis zu einer Finanzkraft von 97 Prozent des Länderdurchschnitts wird die Differenz zu 95 Prozent ausgeglichen, bevor die restliche Umsatzsteuer nach Anzahl der Einwohner eines Bundeslandes verteilt wird. Im Jahr 2014 führte dieses Verfahren dazu, dass selbst das finanzschwächste Land eine Finanzkraft von gut 97 Prozent des Durchschnittswerts erreichte. Dabei wurden rund 7,5 Milliarden Euro zwischen den Ländern umverteilt – der theoretisch mögliche Maximalwert lag dabei 2014 doppelt so hoch. Insbesondere die Flächenländer Nord- rhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen mussten 2014 gegenüber einer direkten Pro-Kopf-Verteilung auf Einnahmen verzichten. Im Gegenzug profitier- ten insbesondere die ostdeutschen Bundesländer von dem Ausgleichsmechanismus. Während bei der Umsatzsteuer vorab die Anteile noch vor der Auszahlung anders berechnet werden, kommt es im nächsten Schritt – dem Länderfinanzausgleich im engeren Sinne – zu direkten Transferzahlungen zwischen den Bundesländern. Dafür wird zunächst die sich nach der Umsatzsteuerverteilung ergebende Finanzkraft der Bundesländer modifiziert: Zu diesem Zweck wird die Einwohnerzahl der Stadtstaaten fiktiv um das 1,35-Fache erhöht, so dass die Finanzkraft je Einwohner sinkt. Die Ein-
  • 6. 6 wohnerzahl der Länder Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Branden- burg wird mit Faktoren zwischen 1,02 und 1,05 erhöht. Während bei den Stadtstaa- ten aufgrund der Bevölkerungsdichte höhere Kosten je Einwohner unterstellt werden, erfolgt die Anpassung für die drei ostdeutschen Bundesländer aufgrund ihrer ländli- chen Struktur. Außerdem wird die Summe der Gemeindesteuern in einem Bundesland in diesem Schritt berücksichtigt, indem 64 Prozent der Gemeindesteuern zur Finanzkraft hinzu- gerechnet werden. Die Begründung hierfür lautet, dass ein Bundesland für wohlha- bende Gemeinden weniger Geld benötige und es daher auch weniger Finanzkraft erfordere. Auf dieser Basis wurden 2014 rund 9 Milliarden Euro zwischen den Bundesländern transferiert. Das Ausmaß des Ausgleichs wird dabei nach einem progressiven Tarif mit drei Stufen – ähnlich dem Einkommensteuertarif – ermittelt. Der Auffüllungsfak- tor, der über die Ausgleichshöhe entscheidet, liegt für Länder mit einer Finanzkraft von unter 80 Prozent bei 75 Prozent, bis 93 Prozent Finanzkraft sinkt dieser auf 70 Prozent und bis 100 Prozent Finanzkraft dann auf 44 Prozent. Spiegelbildlich ver- hält es sich mit den Abschöpfungsfaktoren, also wie viel die finanzstarken Länder an die finanzschwachen abführen müssen. Von 100 Prozent bis 107 Prozent Finanzkraft steigt die Grenzabschöpfung von 44 Prozent auf 70 Prozent, bis zu einer Finanzkraft von 120 Prozent dann auf das Maximum von 75 Prozent. Der vierte und letzte Schritt stellt wiederum einen vertikalen Ausgleichsmechanismus dar, das heißt der Bund unterstützt einzelne Länder mit sogenannten Bundesergän- zungszuweisungen (BEZ). Auch in diesem Fall folgen die Zahlungen einer Systema- tik, die von der Finanzkraft der Länder unter Einrechnung der vorherigen Schritte ausgeht. Bis zu einer Finanzkraft von 99,5 Prozent des Durchschnitts wird die Diffe- renz zu 77,5 Prozent vom Bund ausgeglichen. Dies sorgt nochmals dafür, dass die finanzschwächsten Länder näher an den Durchschnitt heranrücken. Anders als im horizontalen Ausgleich des Länderfinanzausgleichs im engeren Sinne muss jedoch kein finanzstarkes Land eine Zahlung leisten. Dies fällt ausschließlich dem Bund zu, der im Jahr 2014 insgesamt 3,5 Milliarden Euro BEZ überwies, allen voran an Berlin, Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Insgesamt verfügten die Bundesländer dadurch nach Durchführung des Länderfinanzausgleichs im Jahr 2014 über 236 Milliarden Euro (Tabelle 1).
  • 7. 7 Tabelle 1: Das mehrstufige System des Länderfinanzausgleichs in Milliarden Euro für 2014 Umverteilungs- volumen Finanzmittel der Länder nach Umverteilung primäre Steuerverteilung an die Länder 141,8 Verteilung des Umsatzsteueranteils an die Länder 7,5 90,5 horizontaler Finanzausgleich zwischen den Ländern 9,0 0 BEZ des Bundes an die Länder 3,5 3,5 Summe 235,8 Quellen: Bundesfinanzministerium, IW Köln Im Ergebnis führen die nach der primären Steuerverteilung stattfindenden drei Stufen zu wesentlichen Verschiebungen in der Finanzkraft der Bundesländer (Tabelle 2). Tabelle 2: Ausgleichzahlungen im Länderfinanzausgleich in 1.000 Euro für 2014 Umsatzsteuer- vorwegaus- gleich horizontaler Ausgleich allgemeine BEZ Netto- position Baden-Württemberg -1 687 183 -2 356 478 - -4 043 661 Bayern -1 997 588 -4 851 978 - -6 849 566 Brandenburg 972 761 509 677 221 362 1 703 800 Hessen -958 734 -1 754 885 - -2 713 619 Mecklenburg-Vorpommern 901 928 462 697 184 430 1 549 055 Niedersachsen 548 745 275 746 126 476 950 967 Nordrhein-Westfalen -2 269 431 897 408 471 880 -900 143 Rheinland-Pfalz -431 304 288 165 156 639 13 499 Saarland 197 347 144 042 69 284 410 673 Sachsen 2 374 760 1 034 372 424 629 3 833 761 Sachsen-Anhalt 1 390 437 585 341 239 131 2 214 909 Schleswig-Holstein 130 928 172 263 93 001 396 192 Thüringen 1 316 684 553 676 227 053 2 097 413 Berlin -209 088 3 491 268 1 104 962 4 387 143 Bremen -3 781 604 073 194 881 795 172 Hamburg -276 481 -55 385 - -331 866 Quellen: Bundesfinanzministerium, IW Köln
  • 8. 8 Die Umverteilung weist für 2014 demnach Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Hamburg – in der Reihenfolge – als Geberländer aus, wäh- rend die übrigen Länder – an der Spitze Berlin und die ostdeutschen Länder – zwangsläufig als Nehmerländer einzustufen sind. Für Länder wie Nordrhein- Westfalen oder Bremen zeigt sich die Komplexität und Intransparenz des Systems besonders deutlich: Während die Länder zunächst weniger Umsatzsteuer zugewie- sen bekommen als ihnen nach einer Pro-Kopf-Verteilung zustände, erhalten sie im horizontalen Länderfinanzausgleich von den anderen Ländern Ausgleichszahlungen sowie vom Bund BEZ. Die Rolle als Geber- oder Nehmerland wechselt also zwi- schen den Stufen. In der Summe wird Nordrhein-Westfalen zum Geber-, Bremen dagegen zum Nehmerland. Die Kritik am bestehenden System bezieht sich nicht nur auf die Komplexität und das hohe Umverteilungsvolumen, sondern vor allem auf die mangelhafte Anreizwirkung des Systems. Der Grund hierfür liegt in der hohen Grenzbelastung der Bundeslän- der, die anzeigt, welcher Anteil eines zusätzlich eingenommenen Euros abgeführt werden muss und für finanzschwache Länder deutlich höher ausfällt als für finanz- starke (siehe auch Abbildung 4). So entstehen keine Leistungsanreize für die Nehmerländer, ihre finanzielle Situation durch eigenes Handeln zu verbessern. Der Grund für die extrem hohen Grenzbelas- tungen der Nehmerländer liegt in den hohen Auffüllungsfaktoren begründet. Bei der Umsatzsteuer wird eine unterdurchschnittliche Finanzkraft in der Regel zu 95 Pro- zent ausgeglichen, bei den Bundesergänzungszuweisungen zu 77,5 Prozent. Die Abschöpfungsquoten liegen jedoch darunter. Für einige Länder greift sogar die ge- ringste Tarifstufe von 44 Prozent, weshalb auch die Grenzbelastung geringer ausfällt. Beispielhaft lässt sich dies an den Ländern Brandenburg und Baden-Württemberg illustrieren (Abbildung 1 und 2). Annahmegemäß entstehen in einem Bundesland 100 Euro Lohnsteuer zusätzlich. Davon gehen laut der gesetzlich vorgegebenen Auf- teilung jeweils 42,5 Euro an das Land und den Bund sowie 15 Euro an die Kommu- ne. Das Land Brandenburg gilt nun als weniger finanzschwach. Deshalb erhält es geringere Transfers in Höhe von fast 47 Euro über den Umsatzsteuervorwegaus- gleich sowie den horizontalen Länderfinanzausgleich. Da es einen Teil seiner zusätz- lichen Finanzkraft behält, verringert sich zudem auch der Umfang der erhaltenen BEZ um gut 3 Euro. Denn die Ungleichheit unter den Ländern hat abgenommen, weshalb der Bund weniger Ergänzungsmittel leistet. So verbleiben dem Land von den ursprünglich 57,5 Euro lediglich knapp 8 Euro oder rund 13 Prozent.
  • 9. 9 Abbildung 1: Grenzbelastung am Beispiel Brandenburg von 100 Euro Lohnsteuer mehr… Quelle: IW Köln Baden-Württemberg dagegen wird als ohnehin finanzstarkes Land nun noch finanz- stärker und muss daher mehr Ausgleichszahlungen in Höhe von 32 Euro leisten. Da die zusätzlichen Einnahmen nicht auf alle Länder gleich verteilt werden, bleibt Ba- den-Württemberg auch nach dem horizontalen Länderfinanzausgleich im Vergleich zu den anderen Ländern finanzstärker als zuvor. Deshalb muss der Bund zusätzliche Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von 7 Euro zahlen. Die Ungleichheit unter den Ländern hat nämlich zugenommen. Baden-Württemberg bleiben immerhin 25,5 Euro der ursprünglichen Mehreinnahmen von 57,5 Euro, das macht immerhin 44 Prozent.
  • 10. 10 Abbildung 2: Grenzbelastung am Beispiel Baden-Württemberg von 100 Euro Lohnsteuer mehr… Quelle: IW Köln Bei erheblichen Abweichungen der Finanzkraft vom Durchschnitt nach unten und damit hohen Ausgleichbeträgen schwindet somit umso mehr der Anreiz für die Bun- desländer, höhere originäre Steuereinnahmen zu generieren. Artikel 107 Grundge- setz fordert auf der einen Seite einen finanziellen Ausgleich für finanzschwache Län- der, anderseits aber steht es dem Gesetzgeber frei, ökonomische Anreizsysteme in einer Art auszugestalten, dass jedes Bundesland sich um eigene Steuereinnahmen bemüht. Ziel einer Reform sollte es sein, dem im Grundgesetz verankerten Ziel ein- heitlicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet Genüge zu leisten und gleichzeitig ein anreizkompatibles System zu entwickeln. Die Schwierigkeit dieses Dualismus ist damit für jeden Reformvorschlag offenkundig.
  • 11. 11 3. Aktueller Diskussionsstand und Reformansätze Während in der wissenschaftlichen Debatte zumeist eher umfassende und von öko- nomischen Gesichtspunkten geleitete Reformmodelle vorgeschlagen werden (Lenk, 2015; Wissenschaftlicher Beirat, 2015; Störmann, 2014), ist die Politik offenbar ledig- lich zu kleinen Korrekturen bereit und hat dabei in erster Linie die Verteilungsfrage im Blick: Kein Land darf schlechter gestellt werden. Zumindest scheint eine grundsätzliche Einigkeit zu bestehen, das System zu verein- fachen und eine Stufe des Ausgleichsmechanismus abzuschaffen. Während auf der einen Seite die Streichung des Umsatzsteuervorwegausgleichs und damit eine Kon- zentration auf den horizontalen Länderfinanzausgleich präferiert wird (siehe „Ab- schaffung Umsatzsteuervorwegausgleich“), wird auf der anderen Seite auf den Um- satzsteuervorwegausgleich als Umverteilungsmechanismus gesetzt (siehe „Abschaf- fung horizontaler Ausgleich“). 3.1 Abschaffung Umsatzsteuervorwegausgleich Eine von Teilen der Politik bevorzugte Reformidee besteht im Kern aus der Abschaf- fung des Umsatzsteuervorwegausgleichs als intransparentem Fremdkörper im Sys- tem (Scholz-Schäuble-Vorschlag). Dies wird auch von Seiten der Wissenschaft viel- fach befürwortet (Wissenschaftlicher Beirat, 2015; Störmann, 2014). Ursprünglich sollte der Länderfinanzausgleich als Spitzenausgleich zwischen den Länder fungie- ren, das heißt durch leichte Mittelverschiebungen große Unterschiede bei der Fi- nanzkraft abschwächen. Eine vorherige Umverteilung der Umsatzsteuer zur Besser- stellung finanzschwacher Länder ist dabei nicht zwingend geboten. Der Scholz- Schäuble-Vorschlag sieht daher eine ausschließliche Pro-Kopf-Verteilung der Um- satzsteuer auf die Länder vor, gepaart mit einem höheren Anteil für die Bundesländer von rund 2 Prozentpunkten oder rund 3,8 Milliarden Euro zulasten des Bundes. Der horizontale Finanzausgleich würde so gestärkt und um eine höhere Einbezie- hung der Kommunalsteuern in die Finanzkraft – 75 Prozent statt 64 Prozent – modifi- ziert. Zudem soll der dreistufige Tarif vereinfacht werden, indem ein linearer Satz in Höhe von 67,5 Prozent sowohl zur Auffüllung als auch zur Abschöpfung angewendet wird. Im Ergebnis würde das Umverteilungsvolumen zwischen den Ländern von rund 9 Milliarden Euro auf 14 Milliarden Euro ansteigen. Der Grund dafür ist die – nach der Reform – wegfallende Auffüllung für finanzschwache Länder in Höhe von rund 7,5 Milliarden Euro im Rahmen des Umsatzsteuervorwegausgleichs. Da der Satz von 67,5 Prozent teilweise unterhalb der bisherigen Tarifstufen von 70 Prozent und 75 Prozent liegt, würde eine Differenz in Zukunft bei sehr finanz-
  • 12. 12 schwachen Ländern in geringerem Umfang ausgeglichen werden als bisher. Dadurch würde die Finanzkraft dieser Nehmerländer weniger stark an den Durchschnitt ange- glichen werden. Aus diesem Grund ist vorgesehen, die BEZ um 1,2 Milliarden Euro gegenüber dem bisherigen System zu erhöhen, um einen weitergehenden Ausgleich zu ermöglichen. Bei Ländern, die nur knapp unterhalb des Länderdurchschnitts lie- gen, würde die Auffüllung durch den linearen Tarif dagegen höher ausfallen, da der einheitliche Tarif von 67,5 Prozent unter der bisher geringsten Stufe von 44 Prozent liegt. Für ein Land mit einer Finanzkraft von 60 Prozent des Durchschnitts bedeutet das zum Beispiel, dass die Differenz zu 75 Prozent ausgeglichen wird, die Finanz- kraft also um 30 Prozentpunkte angehoben wird (Abbildung 3). Mittels Entflechtungsmitteln und Zinshilfen sollen zusätzlich zu den höheren Umsatz- steueranteilen und BEZ 3,5 Milliarden Euro auf die Länder entfallen. So ergeben sich in der Summe zusätzliche Bundesmittel in Höhe von 8,5 Milliarden Euro, die den Ländern zugutekommen. Abbildung 3: Vergleich der Tarife im horizontalen Ausgleich in Prozent Quelle: IW Köln 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 50% 60% 70% 80% 90% 100% 110% 120% 130% 140% 150% Tarif Finanzkraft Grenzauffüllung sinkt Grenzabschöpfung sinkt Grenzauffüllung / Grenzabschöpfung steigt aktueller Tarif Tarif Scholz-Schäuble Anhebung/Abenskung der Finanzkraft um ... Prozentpunkte
  • 13. 13 Die Ausgestaltung der Reform stellt sicher, dass jedes Bundesland fiskalisch gegen- über dem jetzigen System gewinnt und erfüllt damit die offensichtliche Grundvoraus- setzung jedes Reformvorschlags mit Anspruch auf Realisierbarkeit (Tabelle 3). Ent- flechtungsmitteln und Zinshilfen sind dabei nicht berücksichtigt. Vor allem die Geber- länder Bayern und Baden-Württemberg sowie Nordrhein-Westfalen würden deutlich mehr Steuereinnahmen zur Verfügung haben. Tabelle 3: Budgetwirkung Abschaffung Umsatzsteuervorwegausgleich in Millionen Euro gegenüber dem derzeitigen System Quelle: IW Köln 3.2 Abschaffung horizontaler Ausgleich Sofern der horizontale Finanzausgleich und damit die Zahlungen zwischen den Bun- desländern wegfallen sollten, müsste der Bund noch mehr Mittel als nach dem Scholz-Schäuble-Vorschlag bereitstellen, um die unterschiedliche Finanzkraft der Länder auszugleichen. Dies erklärt sich damit, dass in einem solchen System kein Bundesland mehr eingenommene Steuereinnahmen wieder abgeben müsste und so seine Finanzkraft reduziert. Bei einer Abschaffung der Zahlungen zwischen den Ländern und einer Stärkung des Umsatzsteuervorwegausgleichs bei sonst gleichen Rahmenbedingungen müsste der Bund seine Mittel um weitere 4 Milliarden Euro gegenüber dem Scholz-Schäuble- Vorschlag auf insgesamt gut 9 Milliarden Euro aufstocken, damit alle Länder fiska- lisch gewinnen. Der Auffüllfaktor der Bundesergänzungszuweisungen müsste dabei technisch zumindest auf rund 95 Prozent gesetzt werden. Durch den Wegfall der direkten Transferzahlungen würden die bisherigen Geberlän- der bei diesem Modell sehr stark profitieren (Tabelle 4). Dies müsste gegebenenfalls BW BAY BB HE MV NI NRW RP USt-Verteilung 2.188 2.590 502 1.243 327 1.601 3.606 820 horizontaler LFA -1.638 -1.873 770 -925 695 500 -1.217 -188 BEZ 0 0 221 0 224 50 -482 -157 insgesamt 549 716 134 319 92 368 1.395 274 SL SN ST SH TH BE HB HH USt-Verteilung 203 829 459 578 442 705 135 358 horizontaler LFA 173 1.805 1.052 162 997 -81 5 -238 BEZ 35 578 340 -9 321 101 20 0 insgesamt 57 198 107 154 103 391 60 121
  • 14. 14 durch andere Instrumente austariert werden, um zu einseitige Verteilungseffekte zu verhindern. Denkbar wäre zum Beispiel eine fiktive Anpassung der Finanzkraft in Form der Einwohnerveredlung oder eine Anrechnung der Gemeindesteuern vor An- wendung des Umsatzsteuervorwegausgleichs. Tabelle 4: Budgetwirkung Abschaffung horizontaler Ausgleich in Millionen Euro gegenüber dem derzeitigen System BW BAY BB HE MV NI NRW RP USt-Verteilung 0 0 0 0 0 0 0 0 horizontaler LFA 2.355 4.863 -511 1.755 -460 -282 -913 -288 BEZ 0 0 536 0 478 298 976 309 insgesamt 2.355 4.863 25 1.755 18 15 63 21 SL SN ST SH TH BE HB HH USt-Verteilung 0 0 0 0 0 0 0 0 horizontaler LFA -145 -1.033 -588 -175 -556 -3.487 -603 68 BEZ 154 1.078 613 187 580 3.562 616 0 insgesamt 8 44 25 13 24 75 14 68 Quelle: IW Köln
  • 15. 15 4. Bewertung der Reformvorschläge Die beiden Vorschläge – Abschaffung des Umsatzsteuervorwegausgleichs und Ab- schaffung des horizontalen Ausgleichs – lassen sich anhand der folgenden Kriterien bewerten: 1. Fiskalische Wirkung: Wie in Abschnitt 3 dargelegt erfüllen die beiden beschriebenen Modelle die Grund- bedingung für eine Reform: Der Bund stellt zusätzliche Mittel bereit und jedes einzel- ne Land steht im Vergleich zum Status quo besser da. Inwieweit diese Mittel den Ländern als höherer Anteil an der Umsatzsteuer, als höhere Bundesergänzungszu- weisungen oder auf einem anderen Weg zugutekommen sollten, hängt von der Mo- dellkonstruktion ab. 2. Verteilungseffekt: Zwar würden alle Länder fiskalisch gewinnen, allerdings je nach Modell in sehr un- terschiedlichem Maße – was die politische Umsetzung schwierig gestaltet. Nach dem Scholz-Schäuble-Vorschlag wäre Nordrhein-Westfalen einer der großen Gewinner, da das Land zunächst deutlich von der Verteilung der Umsatzsteuer nach Einwoh- nern profitiert. Auch die größten Geberländer Bayern, Baden-Württemberg und Hes- sen würden deutlich mehr Steuereinnahmen für sich verbuchen können, obwohl sie im horizontalen Länderfinanzausgleich mehr zahlen müssten als bisher. Die Vertei- lung der Umsatzsteuer nach Köpfen kompensiert dies allerdings. Auch wären es ge- nau diese drei Länder, die mit großem Abstand in absoluten Zahlen die klaren Ge- winner einer Abschaffung des horizontalen Ausgleichs wären, da ihre Transferzah- lungen an andere Länder ersatzlos entfielen. Die anderen Länder würden in diesem Fall ausnahmslos weniger stark als von dem Scholz-Schäuble-Vorschlag profitieren, da sie auf die Ausgleichzahlungen der Geberländer verzichten müssten. Während der Bund nach dem Scholz-Schäuble-Vorschlag rund 5 Milliarden Euro mehr über den Länderfinanzausgleich an die Länder verteilen würde, wären es nach dem dar- gelegten Umsatzsteuermodell rund 9 Milliarden Euro. 3. Transparenz und Verständlichkeit: Beiden Vorschlägen muss zugutegehalten werden, dass sie das System vereinfa- chen, indem eine der vier Stufen des Systems entfällt. Der Wegfall des Umsatzsteu- ervorwegausgleichs würde dabei sogar die Transparenz erhöhen, weil klar zu sehen ist, welches Land wie viel zahlt oder erhält. Aus ökonomischer Sicht ist dies zu be- grüßen. Der Wegfall des horizontalen Länderfinanzausgleichs verändert das System dagegen, da der eigentliche Kern dieses ursprünglich als Spitzenausgleich gedach- ten Systems abgeschafft würde und de facto ein Bund-Länder-Ausgleich verbliebe.
  • 16. 16 Der eigentliche Fremdkörper Umsatzsteuervorwegausgleich würde zum entschei- denden Faktor. 4. Anreizkompatibilität: Bisher krankt das System des Länderfinanzausgleichs an einer leistungsfeindlichen Struktur. Leider bieten auch die diskutierten Reformoptionen kaum Anreize für die Länder, eigene Steuereinnahmen zu generieren. Während die Grenzbelastung der meisten Länder nach dem Scholz-Schäuble-Vorschlag zumindest leicht zurückgeht, zeigt sich bei dem Umsatzsteuer-Modell ein Auseinanderklaffen zwischen Geber- und Nehmerländern (Abbildung 4). Nach dem Scholz-Schäuble-Ansatz fällt der Rückgang in den meisten Ländern nur schwach aus und liegt bei bis zu 3 Prozent- punkten. Dies trifft vor allem auf Empfängerländer zu, die Bundesergänzungszuwei- sungen erhalten. Für Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gehen die Grenzbe- lastungen signifikant zurück, da beide Länder keine Bundesergänzungszuweisungen mehr erhalten. Der Stadtstaat Hamburg ist ein Verlierer des neuen linearen Tarifs, da der auf Hamburg angewendete Satz mit 67,5 Prozent nun höher ist als zuvor mit 44 Prozent. Durch den höheren Ausgleich der Finanzkraftunterschiede in Form der Bundeser- gänzungsweisungen verschlechtern sich die Anreize für die Nehmerländern bei Ab- schaffung des horizontalen Ausgleichs noch einmal, da sie bei eigenen Steuerein- nahmen auf noch mehr Hilfsmittel als im jetzigen System verzichten müssten. Da die Geberländer keine direkten Zahlungen mehr an die anderen Länder leisten müssten, dürften sie den größten Teil von Steuermehreinnahmen für sich behalten.
  • 17. 17 Abbildung 4: Vergleich der Grenzbelastungen in Prozent Quelle: IW Köln 89% 88% 88% 87% 87% 87% 86% 85% 84% 84% 80% 69% 59% 56% 54% 43% 89% 89% 88% 87% 87% 87% 87% 85% 85% 85% 81% 70% 3% 5% 7% 1% 86% 86% 85% 84% 84% 84% 84% 82% 82% 60% 79% 50% 58% 55% 53% 61% 0% 20% 40% 60% 80% 100% Bremen Saarland Mecklenburg-Vorpommern Thüringen Sachsen-Anhalt Brandenburg Schleswig-Holstein Sachsen Berlin Rheinland-Pfalz Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Hessen Baden-Württemberg Bayern Hamburg Schäuble-Scholz Vorschlag Umsatzsteuer aktueller Tarif
  • 18. 18 Zudem bleibt mehr Steuerautonomie bei beiden Reformoptionen in weiter Ferne. Dabei wäre dies ein Schlüssel, um ein anreizkompatibles System zu installieren (Altemeyer-Bartscher, 2014; Broer, 2015). Die Bundesländer bräuchten diese Option, um insbesondere in Krisenzeiten und nach Inkrafttreten der Schuldenbremse im Jahr 2020 Budgeträume nutzen zu können, ohne neue Kredite aufzunehmen. Die Notwendigkeit zu mehr Steuerautonomie zeigt auch die aktuelle Flüchtlingshilfe, bei der die meisten Länder sehr stark auf den Bund angewiesen sind. Steuersatz- autonomie besteht derzeit lediglich bei der Grunderwerbsteuer, wobei dies ein Bei- spiel für Fehlanreize durch den Gesetzgeber ist, da normierte Einnahmen anstatt tatsächlicher für den Länderfinanzausgleich berücksichtigt werden (Broer, 2014). 5. Politische Durchsetzbarkeit: Die politische Durchsetzbarkeit ist für alle vorgebrachten Modelle ein kritischer Punkt. Auch wenn die beiden dargelegten Ansätze die Grundbedingung einer Besserstel- lung aller Bundesländer erfüllen können, haben sie politökonomisch ihre Tücken. Beim Scholz-Schäuble-Vorschlag würden die bisherigen Geberländer noch mehr Zahlungen aus ihren zugewiesenen und im Haushalt verbuchten Steuereinnahmen an andere Länder abführen müssen, was den Ruf als Zahlmeister insbesondere in der Bevölkerung verstärken könnte. Zudem zeigen sich vor allem bei den ostdeut- schen Ländern Vorbehalte gegen einen Wegfall des Umsatzsteuervorwegausgleichs. Bei einer Abschaffung des horizontalen Ausgleichs dagegen würden die bisherigen Nehmerländer trotz der massiven Erhöhung der Hilfsmittel seitens des Bundes ledig- lich geringfügig profitieren, was die Zustimmungsbereitschaft in den Ländern ein- schränkt. Auf der anderen Seite würde es keine klassischen Geber- und Nehmerlän- der mehr geben, da es zu keinen direkten Zahlungen zwischen den Ländern mehr kommen würde. Dies ist politökonomisch ein Vorteil dieses Vorschlags.
  • 19. 19 5. Fazit Eine Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern ist zwingend geboten. Aus ökonomischer Perspektive überzeugen allerdings beide dargelegten Vorschläge nicht. Zwar ist der Bund offensichtlich bereit, den Ländern zusätzliche Mittel bereitzustellen, die Chance auf eine grundlegende Reform des Systems Län- derfinanzausgleich zur Beseitigung der fehlerhaften Anreizstruktur scheint jedoch vertan zu werden. Ein Grund hierfür ist die Prämisse, dass alle Länder durch eine Reform bessergestellt werden sollen. Im Sinne eines zukunftsfähigen Systems müss- ten nach Ansicht des IW Köln die folgenden Punkte in Angriff genommen werden: 1. Vereinfachung: Im Sinne eines verständlichen und transparenten Systems ist eine Verschlankung des vierstufigen Abrechnungsmechanismus sinnvoll. Aus Sicht des IW Köln sollte insbesondere der Umsatzsteuervorwegausgleich als ein Fremdköper im System ab- geschafft werden. Allerdings sollte auch die finale Auffüllung der Finanzkraft durch den Bund in ihrer Höhe kritisch beleuchtet werden. 2. Grenzbelastung: Es bestehen – auch bei Umsetzung eines der vorgestellten Modelle – insbesondere für die finanzschwachen Länder kaum Anreize, ihre Situation durch eigene Steuer- einnahmen zu verändern, da Mehreinnahmen zu einem großen Teil mit Hilfsmitteln verrechnet werden. Daher sollten im Sinne eines leistungsgerechten Systems die Auffüllungs- und Abschöpfungsfaktoren spürbar gesenkt werden. 3. Steuerautonomie: Wenn den Ländern stärkere Anreize zur Generierung zusätzlicher Steuereinnahmen gegeben würden, müssten ihnen gleichzeitig Möglichkeiten eingeräumt werden, über einzelne Steuern selbst zu bestimmen. Dies kann zum Beispiel Zu- und Abschläge auf die Lohn- und Einkommensteuer bedeuten (Wissenschaftlicher Beirat, 2015). Eine falsche Anreizsetzung wie bei der Grunderwerbsteuer sollte jedoch vermieden werden (Broer, 2014). Lösungen dürfen zudem nicht nur auf der Einnahmeseite ge- sucht werden, vielmehr müssen die einzelnen Ausgabenposten noch stärker hinter- fragt werden. 4. Aufgabentrennung: Jenseits der Finanzbeziehungen bedarf es einer Klärung, wer für welche Aufgaben zuständig ist. Eine Abwälzung von Aufgaben seitens des Bundes auf Länder und Gemeinden ohne finanzielle Kompensation muss verhindert werden.
  • 20. 20 Abkürzungsverzeichnis BAY Bayern BB Brandenburg BE Berlin BW Baden-Württemberg HB Hansestadt Bremen HE Hessen HH Hansestadt Hamburg MV Mecklenburg-Vorpommern NI Niedersachsen NRW Nordrhein-Westfalen RP Rheinland-Pfalz SH Schleswig-Holstein SL Saarland SN Sachsen ST Sachsen-Anhalt TH Thüringen
  • 21. 21 Literatur Altemeyer-Bartscher, Martin, 2014, Länderfinanzausgleich, Steuerwettbewerb und Steuersalienz, Wirtschaftsdienst, 2014, 7, S. 492–494 Broer, Michael, 2014, Reformoptionen des Länderfinanzausgleichs unter politöko- nomischer Betrachtung, Wirtschaftsdienst, 2014, 4, S. 258–266 Broer, Michael, 2015, Wirkungen einer Ausweitung der Steuersatzautonomie der Länder, Wirtschaftsdienst, 2015, 2, S. 135–142 Brügelmann, Ralph, 2014, Föderalismusreform: Die Unzulänglichkeiten des Finanz- ausgleichs unter den Ländern, IW policy paper, 16/2014 Lenk, Thomas / Glinka, Philipp, 2015, Gutachten zur Neuordnung der Bund-Länder- Finanzbeziehungen ab dem Jahr 2020 – ausgewählte Aspekte für mehr Transparenz und Leistungsgerechtigkeit, erstellt für die Industrie-und Handelskammern des He- ringsdorfer Kreises Störmann, Wiebke, 2014, Finanzausgleich nach 2020: Reformbedarf und Vorschlä- ge zur Neuregelung, List Forum, 2014, 40, 2, S. 132–157 Wissenschaftlicher Beirat, 2015, Reform des bundesstaatlichen Finanzausgleichs, Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen, 01/2015