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Hausarbeit
Die Schuldfrage des Friedrich Mergel am Mord des Juden Aaron
in Annette von Droste – Hülshoff „Die Judenbuche“
Vorname Name:
Matrikelnummer:
Germanistik
2
INHALTSVERZEICHNIS
I EINLEITUNG ..................................................................................................3
II Theorieteil .........................................................................................................5
1. Annette von Droste – Hülshoff: Kurzprofil ...................................................5
2. „Kriminalnovelle“ : theoretische Abgrenzung..............................................7
3. „Die Judenbuche“: zur Geschichte der Entstehung .....................................9
III Hauptteil..........................................................................................................11
1. Friedrich Mergel: Mörder und Opfer zugleich...........................................11
2. Schema der Novelle: Verdoppelungen und Verdunklungen als Grundansatz
in der „Judenbuche“ ......................................................................................14
•••• Erzählstruktur..................................................................................................14
•••• Indizien.............................................................................................................15
•••• Symbole............................................................................................................16
3. Schuldfrage im spirituellen Sinn: Verbindung der rechtlichen und religiösen
Ansätze.............................................................................................................18
IV SCHLUSSTEIL ..............................................................................................20
LITERATURVERZEICHNIS ..............................................................................................22
3
I EINLEITUNG
„Die Erzählung „Die Judenbuche“ gehört… zu den interessantesten Dorfgeschichten, die wir
besitzen. Sie ist … wahr in ihren Schilderungen, interessant in ihren psychologischen Motiven
und spannend“
Hermann Margraff
„Die Judenbuche“ von Annette von Droste-Hülshoff gilt als eine der ersten Kriminalnovellen in
der deutschen Literatur. Das in der Novelle dargestellte soziale Umfeld ermöglicht eine Parallele
zwischen dem heutigen und damaligen Stand der Gesellschaft zu ziehen. Die Schuld von
Friedrich Mergel am Mord des Juden Aaron ist die Zentralfrage der vorliegenden Arbeit. Durch
die ausführliche Analyse der Hauptperson, Friedrich Mergel wird ein vielseitiges Bild des
Mörders wiedergegeben. In dieser Analyse wurde versucht, mehrere Aspekte der Straftat von
Friedrich zu berücksichtigen: Einfluss der sozialen Faktoren und der Erziehung. Annette von
Droste-Hülshoff führte vor Augen des Lesers die Geburt und Entwicklung der schattigen
menschlichen Seiten. Diese Stufen (wie aus einem Kind der Mörder aufgewachsen war) werden
in der Arbeit eingehend betrachtet. Dadurch wird die Kernfrage der Arbeit beantwortet und
aufgezeigt, wer und was Friedrich Mergel zum Mörder gemacht hatte. Interessant erwies sich in
dieser Analyse auch die Frage des Mangels an der Rechtssprechung.
Die Arbeit besteht aus zwei Teilen. Im ersten Theorieteil wird kurz das Profil der Autorin
zusammengefasst, die Grundsteine des Schaffens von der „Judenbuche“ behandelt und die
Definition für den Begriff „Kriminalnovelle“ geliefert. Diese Stellen fließen in die Behandlung
der Schuldfrage von Friedrich Mergel weiter, die im zweiten praktischen Hauptteil dargestellt
sind. Die im Theorieteil behandelten Punkte verschaffen einen Einstieg in die Hauptanalyse und
verhelfen einen Zusammenhang zwischen dem in der Novelle Dargestellten und dem Leben der
Autorin herzustellen. Aus diesem Grund wurde bei der Behandlung der schriftstellerischen
Biographie hauptsächlich auf die für die Untersuchung der Kriminalnovelle wichtigen Aspekte
konzentriert. Dieser Schritt wurde auch aus der Sicht vorgenommen, die Anregungen der
Autorin wiederzufinden. Denn es ist offensichtlich, hinter jedem Kunstwerk (sei es Literatur,
Malerei oder Musik) versteckt sich ein Grund. Das Wiederfinden solcher Gründe trägt dazu bei,
das Werk und den Schöpfer besser zu verstehen. In vielen Werken wird aber erwartet, dass sich
der Leser selbst die Grundidee befasst. Dafür wird vom Autor viel verschwiegen oder durch
metaphorische Ausdrücke geschildert. Für die Kriminalnovellen sind solche Tricks besonders
gut anwendbar, da der Leser keine direkten Hinweise erhält und erst durch Nachdenken und
Selbstinterpretation die Geschehnisse nachvollziehen kann.
4
Die vorliegende Arbeit kann man im bestimmten Sinne auch als „Nachdenken“ und
„Interpretationen“ des Gelesenen bezeichnen. Diese werden aber meistens durch
Stellungnahmen von Literaturwissenschaftlern und Kritikern bestätigt.
Die Zusammenfassung der Arbeit gibt einen Überblick über die in der Arbeit erzielten
Schlussfolgerungen. In der Zusammenfassung werden auch neue Akzente gesetzt, die auch zu
Diskussionsanregungen führen können und das Thema aus einem weiten Blickwinkel zu
betrachten ermöglichen.
5
II THEORIETEIL
1. Annette von Droste – Hülshoff: Kurzprofil
„Ich mag und will jetzt nicht berühmt werden, aber nach hundert Jahren möchte ich gelesen
werden“
Annette von Droste-Hülshoff
(10.01.17971
– 24.05.1848)
Wenn man den Lebensweg der Autorin und ihren literarischen Erfolg betrachtet, ist es
festzustellen, dass der Wunsch, erst in hundert Jahren gelesen zu werden, in Erfüllung gegangen
ist. Zweifellos ist sie zu heutigen Zeiten mehr bekannt und populär als zu Zeiten ihres Lebens2
.
Annette von Droste stammt aus einer westfälischen Adelsfamilie. Sie war ein begabtes Kind.
Viele Talente waren bei ihr frühzeitig entdeckt worden: Gedichte, Musik, Fremdsprachen,
Zeichen3
. Gleichzeitig waren ihre Kindheit und auch das Erwachsenleben durch zahlreiche
Krankheiten geprägt, da sie ein frühgeborenes Kind war. Trotz der schweren Krankheiten ist es
anzumerken, dass sie viel Glück und Freude in der Kindheit hatte4
. Da ihre Familie als eine
wohlhabende und adlige Familie galt, konnte sie sich für Annette eine gute Ausbildung leisten
Die Droste knüpfte später auch freundschaftliche Beziehungen mit vielen für die Literatur
wichtigen Personen an. Die Heimat der Droste wird oft in ihren Werken (auch in „Die
Judenbuche“) beschrieben. Auf solche Weise berührt sie mit ihren Romanen und Gedichten die
Realität und stellt die für diese Zeitperiode typischen gesellschaftlichen Verhältnisse dar.
Ihre Kindheit und spätere Freundschaften spielten im literarischen Werdegang eine wichtige
Rolle. Unter den Personen, die das Leben und die Karriere der Droste als Schriftstellerin
beeinflusst haben, sind vor allem zwei Leidenschaften zu nennen: Heinrich Straube, ein
mittelloser Jurastudent und August von Arnswaldt. Zwei Männer, in die sie sich gleichzeitig
verliebt hatte, was sich in einen Gefühlszwiespalt und eine Intrige ausbrach. Das zog nach sich
familiäre Sanktionen und viel seelisches Leid. Die junge Droste dachte auch in der Zeit an
Selbstmord5
.
Als eine literarisch begabte Person suchte sie nach der Unterstützung und freundlichem Rat in
Fragen der Literatur. Diese fand sie bei ihrem ersten Mentor, dem Juristen Anton Mathias
Sprickmann. Er gab ihr Anstöße, mehr Aufmerksamkeit der Dichtkunst von Klopstock und
1
Nachdem das Kirchenbuch korrigiert wurde, wird der 14. Januar als Geburtstag genannt, die Familie spricht vom
12. Januar, Quelle: http://www.balladen.de/web/sites/balladen_gedichte/autoren.php?b05=7, abgerufen am
06.09.2012
2
http://www.droste-gesellschaft.de/cms/?navi=2, abgerufen am 05.09.2012
3
Vgl. Silling, Marie, 2011, S. 16
4
Ebd.
5
Hier und weiter zu biographischen Daten: Schneider, 1995, S. 28 f.
6
Hains zu schenken. Man findet aber keine weiteren bedeutenden Spuren von Sprickman im
Denken und Schreiben der Droste.
Die Zugehörigkeit ihrer Bezugspersonen zu rechtswissenschaftlichen Gebieten erweist sich aber
als äußerst interessant für unsere Untersuchung. Und obwohl die Dichterin meist als unabhängig
und nicht beeinflussend in Fragen der literarischen Richtung gilt, könnten doch diese früheren
Bekanntschaften aus dem Kreise der Juristen das Interesse für Art und Weise der damaligen
rechtlichen Sitten geweckt haben.
Ihr zweiter Mentor, der der Autorin lebenslang in der literarischen Entwicklung zur Seite stand,
war seit 1834 Christoph Bernhard Schülter, Philosophiedozent an der Akademie in München.
Zu dieser Zeit fand die Droste ihren eigenen Stil und setzte literarische Ziele, in denen sie stark
überzeugt war. Aus diesem Grund war es schwierig, die Droste von ihren Ideen und
Vorstellungen abzubringen.
Unter den weiblichen Figuren, die mit der Droste in engen Beziehungen standen, sind Sibylle
Mertens und Adele Schopenhauer zu nennen. Diese Frauen konnten der Droste einen Zugang
zum Kreis der Weimarer Klassik vermitteln. Elise Rüdiger galt als eine bevorzugte
Briefpartnerin, an die sich Droste in ihren Briefen des letzten Lebensjahrzehnts anwendet.
Als stärkste und intensivste Beziehung wird aber in ihren Biographien die Freundschaft mit
einem jungen mittellosen Mann, Levin Schücking bezeichnet. Sie überragte alle bisherigen
freundschaftlichen Verbindungen und verlief unter dem Deckmantel der mütterlichen
Zuneigung, obwohl es vielen klar war, dass es sich um eine leidenschaftliche einseitige Liebe
handelt.
Bevor es zur Geschichte der Entstehung „Die Judenbuche“ übergangen wird, ist ein interessanter
Punkt zu betonen. Den literarischen Erfolg der Droste, der aber wie ausgeführt erst später kam
und sie zu einer Deutschlands größten Dichterin machte, kann man mit ihrem eigenartigen
literarischen Stil erklären, der für die weiblichen Schriftstellerinnen dieser Zeitperiode untypisch
war. So wird bei der Untersuchung ihres Werkes „Die Schlacht im Loener Bruch“ festgestellt,
dass es wenig weibliche Züge im Schreibstil aufweist. Der vorher erwähnte Levin Schückling,
der auch ihr erster Biograph war, schreibt hierzu folgendes: „Sie unternimmt ein Werk, wie es
von einer Frauenhand nie unternommen ist und in der Ausführung ist nicht der leiseste Strich,
der die Frauenhand verriethe. […] Sie scheut sich nicht, Wunden, Blut und Leichen mit festem
Blick ins Auge zu schauen, aber ihre Phantasie ist weit weg davon entfernt, im Schrecklichen zu
schwelgen und nirgends wird die Keuschheit eines reizbaren Schönheitsgefühls verletzt“6
. Diese
Beschreibung kann man genau so gut zu „Die Judenbuche“ anwenden, in der sie Morde und
6
Maieihofer, Waltrand, 2005, S. 178 f.
7
Beraubungen mit einem fernhaltenden Manöver darstellt, wobei die für eine Frauenhand
merkwürdigen Stellen auch zu erkennen sind (z.B., Darstellung der Mutter von Friedrich Mergel,
ihrer weiblichen Trauer und Not). Waltrand Maierhofer stellt eine Frage im Titel der
Untersuchung zum literarischen Stil von Droste. „Annette von Droste-Hülshoff: Die Schlacht im
Loener Bruch 1623 (1838) Nichts Weibliches?“ fragt er und geht dabei auf die Epos der Autorin
ein, die einerseits sehr realistisch die Schlachtereignisse abbilden und andererseits auch das
Element des „Weiblichen“ enthalten (Naturbilder, verlobtes Paar)7
.
Auf solche Weise lässt sich feststellen, dass die Droste über einen hervorragenden Stil verfügte
und das Männliche (physische Kraft, die in Schlachten, Morden etc. auftritt) mit dem Weiblichen
(Natur, Frauenschicksal) zusammenfügen konnte. Vielleicht erklärt sich damit das Geheimnis
ihres Erfolgs auf der literarischen Bühne.
In den nächsten Unterkapiteln werden einige geschichtliche Aspekte der Entstehung „Die
Judenbuche“ dargelegt sowie die theoretische Abgrenzung des Begriffes „Kriminalnovelle“
geliefert.
2. „Kriminalnovelle“ : theoretische Abgrenzung
Versucht man eine theoretische Abgrenzung für den Begriff „Kriminalnovelle“ zu finden, stößt
man auf eine Reihe von Definitionen, in denen es keine genaue theoretische Grenze existiert.
Das erklärt sich auch dadurch, dass „die Übergänge zu anderen Literaturarten fließend sind“8
.
Die Kriminalnovelle wird in einigen Quellen als „Subgenre der Novelle“ bezeichnet. Wenn man
sich aber in Definition des „Kriminalromans“ vertieft, wird es deutlich, dass es in diesem Feld
eine Reihe von Untergattungen vorhanden ist, zu denen auch die Kriminalnovelle zählt:
„Kriminalerzählungen“, „Kriminalgeschichte“, „Kriminalnovelle“. Entscheidend ist für den
Kriminalroman (hier als Sammelbegriff für Kriminalgenre verwendet) die Darstellung und
Aufklärung eines Verbrechens. Helmut Heißenbüttel schreibt hierzu, dass die Aufteilung in
Kriminalromane und Detektivromane eher für die englische und amerikanische Literatur
charakteristisch ist9
. Für den Kriminalroman liefert er folgende Definition: „Der Kriminalroman,
so wie er sich historisch entwickelt hat und wie er heute eine bestimmte und nicht
wegzudiskutierende Rolle spielt, ist immer ein Detektivroman. Ihm zugrunde liegt ein festes
Schema, das zunächst drei Faktoren enthält: die Leiche, den Detektiv und den Verdächtigten“10
.
In seinem Beitrag „Über die Popularität des Kriminalromans“ nennt Bertolt Brecht das Lesen
eines Kriminalromans als „eine intellektuelle Beschäftigung“, da es dabei logisches Denken
7
Ebd. S. 179
8
http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/Kriminalroman, abgerufen 06.09.2012
9
Vgl. Helmut Heißenbüttel: Spielregeln des Kriminalromans in Vogt, Jochen 1998, S. 113
10
Ebd.
8
erforderlich ist. Er bezeichnet diesen Stil auch als „ein blühender Literaturzweig“11
und spricht
von „einem intellektuellen Genuss bei der Denkaufgabe, die der Kriminalroman dem Detektiv
und dem Leser stellt“12
.
„Die Judenbuche“, die als eine der ersten deutschen Werke in diesem Genre gilt, verfügt auch
über die oben genannten drei Elemente eines Kriminalromans: Leiche, Detektiv und
Verdächtigte. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass sich die tatsächlichen Detektive in dieser
Novelle (Gutsherr, Gerichtsschreiber) im Gegensatz zu späteren klassischen Detektivbildern
(Sherlock Holmes, Hercule Poirot) durch eine andere, passive Handlungsweise unterscheiden.
Somit wird aber der Mangel am Rechtssystem der damaligen Gesellschaft aufgezeigt. Betrachtet
man die Einordnung „Die Judenbuche“ von anderen literarischen Kritikern, so findet man die
Erwähnungen über:
- Dorfgeschichte – poetischer Realismus (eine der ersten Einordnungen für das Werk,
Vertreter: Karl Immermann, Jeremias Gotthelf, Berthord Auerbach);
- Kriminalgeschichte (so hatte die Droste ihre Entwürfe selbst bezeichnet, da sie die dafür
typischen Elemente enthalten – Vorgeschichte, psychologische Motivation);
- Detektivgeschichte (die zweite Hälfte der Erzählung, obwohl kein konkreter Detektiv
vorhanden ist. Es kommt die Übertragung der Detektivfunktionen auf Leser oder
Erzähler vor);
- Novelle (jedoch keine strenge Struktur der Novelle, Kritik seitens Fontane über eine
doppelsträngige Handlung --> zwei Morde, beide nicht ganz aufgeklärt sind)13
.
Heutzutage wird aber das Werk in den meisten Quellen als „Kriminalnovelle“ eingestuft. Das
von der Autorin einzusetzende Genre bestimmt zum größten Teil, wie sich die Geschehnisse
entwickeln. Für die vorliegende Untersuchung ist die Frage des Genres von einem großen
Belang. Durch die konstruktive Analyse des Stils, die im Hauptteil stattzufinden ist, wird die
Zentralfrage der Arbeit beantwortet. Man kann auch sagen, der Stil und die Tricks der Dichterin
sind rote Fäden für den Leser, der sich mit der Schuldfrage von Friedrich Mergel beschäftigt und
diese zu beantworten versucht.
11
Bertolt Brecht: Über die Popularität des Kriminalromans in Vogt, Jochen, 1998, S. 33
12
Ebd,, S. 35
13
Vgl. Fliedl, Konstanze, Vorlesungshandouts: Das Indizienparadigma. Die Judenbuche Annette von Droste-
Hülshoff http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_1-Fliedl-SS11.pdf, abgerufen am
07.09.2012
9
3. „Die Judenbuche“: zur Geschichte der Entstehung
Wann genau die Arbeit am Werk angefangen war, lässt sich schwierig feststellen. Die erste
schriftliche Erwähnung über die „Kriminalgeschichte Friedrich Mergel“ trifft man in ihrem Brief
an Junkermann vom 4. August 183714
. 1841 führt die Autorin die letzten Arbeitsphasen durch
und am 01.07.1841 schreibt sie ihrer Schwester Jenny, dass die Erzählung fertig sei15
. Der erste
Prosatextdruck wurde im Jahr 1842 (April-Mai) in der Zeitung „Das Morgenblatt für gebildete
Menschen“ veröffentlicht.
Zum Stoff für „Die Judenbuche“ diente der Fall, der auf den westfälischen Besitzen des
Vorfahrens der Schriftstellerin geschehen ist. Es geht um den Mord eines jüdischen Händlers
Soistmann Berend. Drostes Großvater war der Gerichtsherr. Er sollte diesen Fall ermitteln und
den Täter bestrafen16
. Diese Geschichte wurde vom Onkel der Droste, August von Haxthausen
noch 1818 unter dem Titel „Geschichte eines Algierer Sklaven“ aufgezeichnet. Diese
Niederschrift benutzte die Droste als Vorlage für ihre „Judenbuche“. An der Struktur der
Geschichte und den Charakterrissen der Hauptfigur (Winkelhannes, Mörder in „Geschichte eines
Algierer Sklaven“) nahm aber die Autorin grundlegende Änderungen vor. „Mein Mergel“ wie
sie selbst schreibt steht teils in deutlichem Gegensatz zu der Hauptfigur Winkelhannes17
.
Auffallend ist für den Schaffensprozess auch, dass Annette von Droste-Hülshoff ihre Entwürfe
gezielt Schritt für Schritt verkürzt hat. Diese Strategie der Verknappung wurde auch mit der
Setzung von neuen Schwerpunkten und Deutungen vereinigt18
. Aus dieser Strategie, die in
weiteren Kapiteln dieser Arbeit noch angesprochen wird, ist eine Form des Werkes entstanden,
in dem „das Gestaltungsprinzip zumeist der Intuition unterliegt“19
. Besonders wichtig war für die
Autorin jedes Bild in ein kompliziertes Geflecht mit anderen Elementen zusammenzusetzen. Fast
in jedem Wort ist eine vielseitige mehrschichtige Bedeutung zu finden20
. All diese Strategien
führten dazu, dass „Die Judenbuche“ zu einer Kriminalnovelle „mit einem umfassenden
Bedeutungs- und Ordnungsgeflecht“ wurde21
. Genau diese facettenreiche Struktur am Werk, in
dem dem Leser sehr viel zum Analysieren und Nachdenken überlassen wird, erschwert die
Beantwortung der Schuldfrage von Friedrich Mergel. Eingehend wird dieser Punkt im Weiteren
behandelt.
14
Vgl. Huge, Walter,1979, S. 44f, zitiert nach Hotze Ute, Annette von Droste-Hülshoff – Biographie – Die
Judenbuche, Studienarbeit, https://www.grin.com/login/#documents/103400/text abgerufen am 07.09.2012
15
Schwarze, Karl-Heinz, 2011, S.17
16
Fliedl, Konstanze, Vorlesungshandouts: Das Indizienparadigma. Die Judenbuche Annette von Droste-Hülshoff
http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_1-Fliedl-SS11.pdf, abgerufen am 07.09.2012
17
Schwarze, Karl-Heinz, 2011, S. 15f
18
Ebd., S.16
19
Ebd.
20
Ebd.
21
Ebd.
10
Unter den rein historischen Hintergründen, die mit dem Werk zu tun haben, ist noch zu
erwähnen, dass das in der Novelle beschriebene Dorf B. das Dorf Bellersen ist. Da hatte die
Droste die Verwandten und verbrachte viele Sommer in ihrer Jugend. „Die Judenbuche“ ist auch
mit ihrem Untertitel „Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen“ bekannt. Die Novelle
sollte ein Beitrag in einem Sammelband über die westfälische Region werden, was aber von der
Dichterin nicht verwirklicht wurde22
. Den Titel „Die Judenbuche“ hat nicht die Droste selbst
erfunden, sondern der Herausgeber Hermann Hauff, der Bruder des Märchendichters Wilhelm
Hauff23
.
Des Weiteren wird eine ausführliche Analyse der Novelle durchgeführt, in der die Antwort auf
die Schuldfrag des Friedrich Mergel am Mord des Juden Aaron gesucht wird.
22
Fliedl, Konstanze, Vorlesungshandout: Das Indizienparadigma. Die Judenbuche Annette von Droste-Hülshoff
http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_1-Fliedl-SS11.pdf, abgerufen am 07.09.2012
23
http://www.laurentianum.de/lref0303.htm, abgerufen am 07.09.2012
11
III HAUPTTEIL
Grundsätzlich kann man den Hauptteil in drei Schwerpunkte aufteilen, deren ausführliche
Analyse zur Beantwortung der Schuldfrage von Friedrich Mergel beiträgt. Um diese aufzuklären
und vielseitig zu veranschaulichen, wurde entschieden auf Folgendes einzugehen:
- Friedrich Mergel: Analyse der Hauptfigur, seiner sozialen Umgebung und Entwicklung,
Vorstellung der Hauptperson als Mörder und Opfer zugleich;
- Untersuchung des Aufbaues vom Werk, und zwar der Rolle von Verdoppelungen und
Verdunklungen, Indizien /Symbole als Wegweiser für den Leser;
- Die Rolle des Spirituellen und der Mystik, Verbindung des Religiösen mit dem
Rechtlichen.
Durch die Behandlung von diesen Punkten wird das Bild des Täters umfassend und von
unterschiedenen Seiten dargestellt.
1. Friedrich Mergel: Mörder und Opfer zugleich
Friedrich Mergel ist die Hauptfigur in der „Judenbuche“. Ab den ersten Seiten und bis zum
letzten Punkt der Kriminalnovelle verfolgt der Leser mit Neugier sein Leben und Schicksal.
Annette von Droste-Hülshoff schilderte meisterhaft die psychologische Entwicklung und das
soziale Umfeld von Friedrich. Dieser Aspekt ist wichtig für die vorliegende Untersuchung, da er
das psychologische Bild des Täters aufzeigt. Dies ist ein unabdingbares Element in der
Beurteilung seiner Person als Mörder. In der Novelle wird kein konkreter Verweis auf Friedrich
als auf Mörder gegeben. Anhand von vielen dargestellten Einzelheiten entscheidet der Leser
selbst, ob Friedrich schuld ist oder nicht. Die Frage der Erziehung und des sozialen Milieus gibt
dabei den Ausschlag. Häufig werden Verbrecher nach dem Tatbestand verurteilt, ohne ihre
persönlichen und sozialen Hintergründe zu berücksichtigen. Heinz Rölleke stellte 1970 als
besonders fortschrittlich heraus, dass „die Droste die Prägung des Friedrich Mergel zum
Verbrecher aus seiner Erziehung und seinem Milieu erklärlich mache“24
. Heinz Holzhauer führt
weiter aus, dass der Grund für die Tat „im Lebensschicksal des Täters, in seiner Herkunft als
Einzelkind aus der zerrütteten Ehe von einem trunksüchtigen Vater, in seiner Isolation […] und
seiner Außenseiterrolle“25
zu finden sei.
Der Charakter von Friedrich, und genauer gesagt die angeborenen und erworbenen Grundrisse,
sind genau so wie die anderen wichtigen Stellen in der Kriminalnovelle schwierig abzugrenzen.
Nur ein sehr aufmerksamer Leser findet die Ansätze, in denen die gesellschaftlichen
Vorstellungen des kleinen Friedrichs entstanden sind. Im unten angeführten Dialog zwischen
24
Holzhauer, Heinz, 2000, S. 254
25
Ebd., S. 253
12
dem kleinen Friedrich und seiner Mutter Margret wird dem Leser gezeigt, wie beim kleinen
Jungen Vorurteile entstehen. Wichtig ist darauf anzudeuten, dass diese teils falschen
Vorstellungen eine direkte Verbindung mit den weiteren Geschehnissen in der Geschichte haben
(Blaukittel als Diebe von Hölzern, Mord des Forsters und des Juden Aaron):
„…-„Er hat neulich den Aaron geprügelt und ihm sechs Grosche weggenommen.“ –„Hat er dem
Aaron Geld weggenommen, dann hat ihn der verfluchte Jude gewiss zuvor darum betrogen.
Hülsmeyer ist ein ordentlicher Mensch und die Juden sind alle Betrüger.“ – „Aber Mutter,
Brandis sagt auch, dass er Holz und Rehe stiehlt.“ […] „Höre, Fritz, das Holz lässt unser
Herrgott frei wachsen und das Wild wechselt von einem Land ins andere; das kann niemandem
gehören..“ 26
In ihrem Vorspruch zur Novelle nennt die Droste es als „des Vorurteils geheimen Seelendieb“.
Auf solche Weise findet man den versteckten Grund für die Tat schon in den ersten gereimten
Zeilen, die der Erzählung vorangehen.
Andere wichtige psychologische Hintergründe bestehen in der gesellschaftlichen Isolation des
kleinen Friedrichs, die durch den schlechten Ruf seines Vaters als Alkoholiker und seinen
späteren Tod verursacht wurde. Hierzu ist zu merken, dass die Dichterin in der Beschreibung des
Todes vom Vater besonders stark die Elemente des Mystischen einsetzt: „Friedrich dachte an
den Teufel, wie der wohl aussehen möge. Die vielen Geräusche und das Getöse im Haus kamen
ihm unheimlich vor“27
. Ohne Zweifel war dieses Ereignis ein ungeheurer Schock für das Kind,
der eine unauslöschliche Spur an seiner Person hinterließ.
Eine andere Figur, die den Jungen sehr stark beeinflusst hat, ist Margrets Bruder Simon
Semmler, der Friedrich adoptierte und viel Zeit mit ihm verbrachte. Diese nahen Beziehungen
zwischen dem Neffen und dem Onkel führten dazu, dass sich Friedrich sehr schnell änderte,
mehr selbstbewusst auftrat und sein Äußeres zu pflegen begann. Diese gewonnenen
Charakterzüge sind für die vorliegende Untersuchung entscheidend, da einige literarische
Quellen die Tat als „Mord aus Hochmut“ bezeichnen28
. Friedrich selbst versteht schlechte
Einflüsse von seinem Onkel. „..Onkel , ich habe Euch ein sehr schlechtes Gewissen zu danken“,
- sagt er zu Simon29
.
Je näher es in „Die Judenbuche“ zum Mord von Aaron kommt, desto genauer und ausführlicher
charakterisiert die Droste das Wesen von Friedrich. Dabei schreibt sie, dass es in Friedrich
schon Eigenschaften lagen, die die schlechte Beeinflussung seitens des Onkels erleichterten.
26
Annette von Droste-Hülshoff, „Die Judenbuche“, S. 12
27
Ebd., S. 10
28
Friedl, Konstanze, http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_2-Fliedl-SS11.pdf,
abgerufen am 09.09.2012
29
Annette von Droste-Hülshoff, „Die Judenbuche“, S. 37
13
Hier erkennt man die vorher erwähnte Grenze zwischen dem Angeborenen und Gewonnen. Zu
den angeborenen Eigenschaften zählt die Droste: „Leichtsinn, Reizbarkeit und ein grenzloser
Hochmut“30
. Des Weiteren zählt sie die Charakterzüge auf, über die Friedrich verfügte und die
ganz gut zum Bild des Mörders angewandt werden könnten. Einerseits schildert die Autorin
Friedrich als „äußerlich ordentlich, nüchtern, anscheinend treuherzig“, innerlich wird er aber
als „listig, prahlerisch und oft roh“ charakterisiert31
. In den von der Droste angeführten
Beschreibungen erkennt man vor allem die Aufspaltung oder anders ausgedruckt auch
Verdoppelung, eine generelle Besonderheit des Werkes, die wohl den gesamten Inhalt
kennzeichnet. Dies wird detaillierter im nächsten Unterkapitel dargestellt.
Zu berücksichtigen ist auch die Freundschaft zwischen Friedrich und Johannes Niemand, die
Hintergrundfigur, mit der Friedrich sehr oft verwechselt wird (z.B., Szene im Haus von Margret,
wenn die Mutter im Dunkeln Johannes für seinen Sohn hält). Ab einem bestimmten Zeitpunkt in
der Novelle taucht Johannes immer zusammen mit Friedrich auf. Häufig gewinnt man den
Eindruck, es sei der Schatten von Friedrich.
Unter dem Strich zum psychologischen Bild von Friedrich sowie zum sozialen Einfluss auf ihn
sind folgende Punkte zu betonen:
1. Friedrich Mergel erlitt ein psychologisches Drama in der Kindheit durch den Tod seines
Vaters und wurde dadurch zum gesellschaftlichen Außenseiter.
2. Mutter und Onkel von Friedrich hatten einen direkten nicht immer guten Einfluss auf ihn
ausgeübt. Als Kind und Halbwüchsiger erfährt er falsche Vorstellungen und Vorurteile,
die in der Zukunft schlechte Folgen für ihn haben.
3. Friedrich freundet sich mit Johannes Niemand an, der oft als „Schattenfigur“ auftaucht.
Auf solche Weise werden in diesem Unterkapitel die Grundaspekte aufgezeigt, die den
Werdegang von Friedrich als Person beeinflusst hatten. Dabei wird es offensichtlich, dass dem
Menschen sehr viel „Müll“ (z.B., „die Juden sind alle Betrüger“) beigebracht werden kann. Dies
wird automatisch von Kindern aufgenommen, insbesondere wenn es von für sie autoritären
Personen (z.B., Eltern) ausgedruckt wird. Die in diesem Teil durchgeführte Analyse erlaubt
schon jetzt darauf hinzuweisen, dass es kaum die Situationen gibt, in denen nur einem Menschen
die gesamte Schuld zuzuschreiben ist. Eine besondere Rücksicht verdienen auch andere im
Hintergrund stehende Faktoren. In diesem konkreten Fall ist die Schuldfrage am Mord eher
ganzheitlich zu betrachten. Vielleicht ist die Gesellschaft auch daran schuld, dass sie z.B. keinen
psychologischen Beistand dem kleinen Kind leistete, sondern es zum Außenseiter machte.
Annette von Droste-Hülshoff sieht in „Die Judenbuche“ in die Wurzeln. Sie gibt keinen
30
Ebd.
31
Ebd.
14
konkreten Hinweis auf die Schuld von Friedrich. Gleichzeitig schildert sie aber, woher der Wind
weht.
2. Schema der Novelle: Verdoppelungen und Verdunklungen als Grundansatz in der
„Judenbuche“
• Erzählstruktur
Aus den oben angeführten Informationen ist klar, dass „Die Judenbuche“ keine direkten
Antworten auf viele Fragen gibt. In diesem Kapitel wird genauer die in vorangehenden Kapiteln
angesprochene Struktur analysiert, die durch ein kompliziertes Geflecht mit anderen Elementen
geprägt wird.
Das folgende Abbild zeigt das Schema der Kriminalnovelle und deutet auf ihre Verdoppelung
hin, die als grundlegendes Merkmal für dieses Werk gilt.
Abb. 1. Erzählstruktur „Die Judenbuche“, Quelle: Konstanze Friedl, Vorlesungshandout: Das
Indizienparadigma. Die Judenbuche Annette von Droste-Hülshoff
http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_1-Fliedl-SS11.pdf, abgerufen am 10.09.2012
Die an den Ecken abgebildeten Ereignisse (Tod des Vater - Mord an Brandes - Mord an Aaron -
Tod Friedrichs) erfüllen die Funktion von sogenannten Knoten, ab denen sich die Ereignisse
unter einem anderen Winkel zu entwickeln beginnen. In der Novelle erkennt man zwei Gipfel:
Mord an Brandes und Mord an Aaron. Beide Taten sind nicht aufgeklärt. Bei der genaueren
Betrachtung des Abbildes lässt sich feststellen, dass die rechte Seite spiegelbildlich der linken
Seite gegenüber steht. Es wird dadurch die Wiederholung und Verdoppelung von Ereignissen
aufgezeigt. Auf solche Weise kann man die Zirkulation und Wiederkehr von vielen Elementen
(Symbolen) verfolgen32
.
32
Vgl. Friedl, Konstanze http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_1-Fliedl-SS11.pdf,
abgerufen am 10.09.2012
15
Die Erzählung wird in Form von szenischen Dialogpassagen geführt, die sich mit chronikartigen
Darstellungen abwechseln. Diese chronikartigen Erzählungen werden von einer Stimme
vorgestellt, die Konstanze Friedl auch als „Stimme des Dorfes“ bezeichnet. Außerdem weist sie
darauf hin, dass diese Stimme nicht allwissend und auktorial ist. Sie sagt dem Leser nicht direkt,
wer der Täter war, sondern vermutet und ahnt33
.
• Indizien
Sehr viele Punkte werden von der Droste nicht bis zum Ende aufgeklärt. Die Dichterin selbst
sagte, dass sie alle Details erzählen konnte, aber es war ihre gezielte Strategie, das Werk auf eine
besondere Weise darzulegen und viele Einzelheiten zu verdunkeln. Man gerät oft in eine
Sackgasse, weil der Leser viele Rätsel mit Hilfe von sogenannten Indizien erkennt. Z.B. dass der
Heimkehrer Friedrich ist, kann man nur aufgrund seiner Neigung feststellen, Holz zu schnitzen.
Der Gutsherr bestätigt auch, dass es Friedrich ist, weil er die Narbe von Friedrich erkannt hat.
Über diese Narbe ist aber dem Leser nicht bekannt. Und es bleibt allerdings nicht
hundertprozentig klar, dass es sich doch am Ende um Friedrich handelt. Die Droste setzt diese
Methode gezielt ein, damit sich der Leser Gedanken über falsche Spuren macht. Wenn man sich
diesen Trick tiefer anschaut, kann man auch andere Gründe erkennen. Die Schriftstellerin wollte
damit auch eine Schwäche am Recht und an der Gesellschaft zeigen, und zwar, dass man häufig
voreilig Unschuldige verurteilt34
.
Es gibt auch keinen genauen Hinweis, dass der Onkel Simon Brandes erschlagen konnte. Der
Leser kann das nur aufgrund des Indizes beurteilen, - der Axt. Auf die Schuld von Simon weisen
auch indirekt seine eigenen Aussprüche bezüglich des achten Gebots hin:
„Denk an die zehn Gebote“, - sagt er Friedrich vor der Beichte, - Du sollst kein Zeugnis ablegen
gegen deinen Nächsten“. – „Kein falsches!“ –„Nein, gar keins. Du bist schlecht informiert…“ 35
Auf solche Weise ist es festzustellen, dass der Sinn der Novelle in ihrer Dunkelheit besteht. Der
von der Droste eingesetzte Indizienstil versetzt den Leser in die Rolle des Detektivs.
Ein weiterer interessanter Ansatz, der im Hinblick auf den Indizienstil auftaucht, besteht in dem
Indizienparadigma, - einer Reihe von Prinzipien, die der Historiker Carlo Ginzburg Ende der
achtziger Jahre als „Indizienparadigma“ bezeichnete. Ginzburg bemerkte, dass ein sogenanntes
Indizienparadigma Ende des XIX. Jahrhunderts besonders stark in verschiedenen
Wissenschaften eingesetzt wurde36
. Dieses Indizienparadigma beruht auf drei Ansätzen:
33
Vgl. Ebd.
34
Vgl. Ebd.
35
Annette von Droste-Hülshoff, „Die Judenbuche“ S.36
36
Vgl. Veit, Ulrich, 2003, S. 105
16
1. Giovanni Morelli: Morelli konnte die Maler der Bilder aufgrund der kleinsten
Details bestimmen (z.B. ganz spezielle Handstellungen, Ohren, wie sie nur ein
bestimmter Maler malt).
2. Arthur Conan Doyle: ähnliches Interesse von Sherlock Holmes an den kleinsten
Details, der aufgrund deren Beobachtung den Verbrecher eruiert.
3. Sigmund Freud: eine große Rolle der Einzelheiten als Symptome in der
Psychoanalyse.
Wenn man den Indizienstil von der Droste analysiert, ist es festzustellen, dass das Prinzip des
Indizienparadigmas in ihren Texten fehlschlägt37
. In der Novelle kommen Spuren vor, die
gedeutet werden. Dabei sind sie aber meistens nie eindeutig und ergeben sich nicht in mit
zuverlässigen Begründungen bestätigte Lösungen, was Konstanze Friedl als „trügerisch“
bezeichnet und das Werk mit „Erkenntnisohnmacht“ charakterisiert. Auf solche Weise wird die
Schuldfrage in der Novelle nicht eindeutig aufgeklärt. Man kann nicht genau wissen, wer sich an
der Judenbuche erhängt hat.
• Symbole
Die Idee der Verdoppelung und Vertauschung ist auch in der Identitätsfrage sowie in zahlreichen
sich wiederholenden Symbolen zu erkennen. Das macht die Geschichte geheimnisvoll und füllt
sie mit den weiteren Elementen der Verdoppelung an. Konstanze Friedl merkt, dass diese
Schritte als „Tausch- und Ersetzungsvorgänge“ zu verstehen sind.
Eine der Hauptvertauschungen ist in der Identitätsfrage von Friedrich und Johannes zu erkennen.
Die Autorin gibt keine klare eindeutige Identität zwischen beiden Figuren (Margret hält
Johannes für ihren Sohn; Friedrich gibt sich bei der Rückkehr als Johannes). Das schon erwähnte
Element der Schattenfigur wird bei Friedl auch als „Spiegelbild“ bezeichnet: Friedrich ist das
Spiegelbild von Johannes38
. Interessant wird dieser Punkt bei Karl-Heinz Schwarze vorgestellt.
Er beschreibt die Umwandlung von Friedrich auf der Hochzeit: „Der tiefe Fall vom
hochangesehenen „Dorfelegant“ zum demaskierten Niemand ist zu groß“39
.
Die Droste verwendet die Strategie einer ständigen Bedeutungsverschiebung. Wichtig sind dabei
gemäß Friedl folgende Symbole:
- Bäume: Eiche – Buche: Der Vater von Friedrich wurde tot unter einer Eiche gefunden.
Im zweiten Handlungsgipfel wird die Eiche durch die Buche ersetzt. Die Frau des
Aarons suchte Trost bei einer Eiche, in die irgendwas eingeritzt wird.
37
Vgl. Friedl, Konstanze
38
Ebd.
39
Schwarze, Karl-Heinze, 2011, S.99, Hervorhebungen im Original nicht vorhanden
17
- Geld: als ein Requisit, das von einem zum anderen weitergegeben wird
- Geige: die von Friedrich an Johannes geschenkte Violine aus Holzschuh taucht wieder
bei Hochzeit als Bassgeige auf.
- Hund: Friedrich wird vom Hund geweckt, der Hund weckt Brandis.
Diese Symbole unterzeichnen die am Anfang dieses Kapitels angeführte Erzählstruktur und ihre
Eigenschaft zur Wiederkehr. Man sieht, dass sich viele Motive wiederholen. Ihre Bedeutung
wird dabei aber nicht endgültig festgelegt. Die in die Buche eingeritzten hebräischen
Schriftzeichen werden in diesem Sinne als das Ganze für das Unverständliche in der Novelle
bestimmt.
Eine sachliche Untersuchung des Tatbestandes von Friedrich findet man auch bei Karl-Heinz
Schwarze statt. Mit der Frage „Ist Friedrich dem Mord am Juden Aaron zuzutrauen?“ fängt er in
seinem Buch „Leg hin die Waagschal!“ eine analytische Untersuchung an, durch die aufgezeigt
wird, dass die Schuld von Friedrich fraglich ist, und unter Berücksichtigung von anderen
Aspekten kann man wohl davon ausgehen, dass er sich mehr um die Anerkennung im Dorf
kümmert und jede andere Person, die auch Aaron Geld schuldete, auch den Mord begehen
konnte40
. Außerdem weist der Autor darauf hin, dass der Leser „kein Zeuge des Vorfalls“ sei
und nur von anderen Dorfbewohnern hört, wie sie Friedrich verurteilen. Er schreibt von „einer
deutlichen Distanzierung vom Geschehenen durch die Autorin“. Diese bedingt noch eine
größere Vorsicht seitens des Lesers, wenn er die Lösung für den Vorfall sucht41
. Obwohl der
Mord des Aarons als Hauptgipfel in der Novelle gilt, wird der Mord von Brandes sowie dessen
Ermittlung viel ausführlicher beschrieben. Man fühlt in der sorgfältigen Ermittlung des Mordes
von Brandes eine leichte Ironie und Kritik, die sich an die damalige Justiz richtet.
Spricht man über die Lösung der Schuldfrage, so trifft man gemäß Friedl die Spannung zwischen
zwei religiösen Systemen42
. Sie spricht die Vorstellungen von Rölleke an, der die Schuldfrage
durch ihre religiösen Elemente entscheidet: „Der Hochmut ist unmissverständliches Zeichen für
Friedrichs Paktieren mit dem Bösen, und dieser Hochmut ist durchaus die Basis seiner späteren
Verbrechen […] Der Mord ergibt sich konsequent aus der Superbia. Diese Erkenntnis rückt die
Novelle mit einem Schlag in eine theologische Dimension: Die Ursünde Lucifers entspricht die
Erste Sünde des Menschen, die sich entschiedener in einer Haltung (die Hybris, sein zu wollen
wie Gott) als in einer Tat manifestiert; darauf erfolgt als erste eigentlich böse Tat der Mord, den
Kain an Abel verübt“ 43
.
40
Vgl. Schwarze, Karl-Heinz, 2011, S. 99
41
Ebd.
42
http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_1-Fliedl-SS11.pdf abgerufen am 10.09.2012
43
Rölleke, zitiert nach Fiedl, Konstanze, Hervorhebungen im Original vorhanden
18
Zu diesem Kapitel ist ein kleines Zwischenfazit zu ziehen und darauf hinzuweisen, dass das Bild
von Friedrich Mergel und somit die Aufklärung seiner Schuldfrage des Weiteren durch einen
besonderen an Bedeutungsverschiebungen vollen Stil der Dichterin erschwert wird. Die
Schuldfrage bleibt am Ende der Novelle offen und kommt nicht zum Abschluss. Häufig tragen
die sich wiederholenden Symbole keine eindeutige Bedeutung und bringen einen aufmerksamen
Leser in Verwirrung. Durch den Konflikt zwischen zwei religiösen Systemen (einerseits
Ausgleich nach dem Talionsprinzip „Auge um Auge“ und andererseits Zweifel an menschlicher
Urteilsfähigkeit, die man im Vorspruch zur Geschichte erkennt) gerät der Leser in ein weiteres
Dilemma, das wie im vorangehenden Teil ausgeführt den Haupthelden einerseits als Verbrecher
darstellt, und andererseits gleichzeitig zum Opfer macht.
3. Schuldfrage im spirituellen Sinn: Verbindung der rechtlichen und religiösen
Ansätze
Zum Schluss dieser Analyse ist noch ein interessanter Punkt zu behandeln, und zwar das
Religiöse in der Kriminalnovelle. Die Droste war wegen ihrer Gespenstgeschichten bekannt und
beliebt44
. Das Mystische zieht sich durch den ganzen Text wie ein roter Faden. Der Leser
gewinnt das Gefühl, dass die Autorin selbst den Schauder mit Vergnügen darstellt.
So werden zwei Kleinknechte des Gutsherrn in der Mordnacht „von des alten Mergels Geist
verfolgt“45
. Das Dämonische tritt auch in den anderen Stellen auf. Hierfür kann man die Stelle
anführen, wenn sich Friedrich mit seinem Onkel auf den Weg macht: „Und bald sah Margret
den Beiden nach, wie sie fortschritten, Simon voran, mit seinem Gesicht die Luft
durchschneidend, während ihm die Schöße des roten Rocks wie Feuerflammen nachzogen“.
Schauderhaft stellt sie auch die Nacht dar, in der Friedrichs Vater gestorben ist: „Sie hatten sich
kaum niedergelegt, da erhob sich ein Wirbelwind, als ob er das Haus mitnehmen wollte. […]
Das Bettgestell bebte und im Schornstein rasselte es wie ein Kobold“.
Ein mystisches Symbol erkennt man auch in den hebräischen Schriftzeichen. Man kann sagen,
sie erfüllen im bestimmten Maße die Rolle der Rechtspflege. Denn die Fragen der Justiz und der
Rechtssprechung sind im Werk mit einem spürbaren Nachteil vorgestellt. Heinz Holzhauer
schreibt hierzu, dass „die Droste eine rechtsethische Stellungnahme zu dem Konflikt zwischen
objektivem Recht und Volksmeinung vermeidet, vielleicht verdrängt“46
. Er stuft auch die
Novelle „als eine den Weg des Täters zur Tat verfolgende Kriminalerzählung“ ein47
.
44
Holzhauer, Heinz, 2000, S. 256
45
Ebd.
46
Ebd., S. 260
47
Ebd., S. 261
19
In der Novelle liegen konkrete oder typische Rechtsmängel auf der Hand. Zu diesen zählt Heinz
hinzu: „Rechtsverweigerung und –verzögerung, Bestechlichkeit von Richtern und fehlende
Unparteilichkeit, ein genereller institutioneller Mangel der Rechtspflege“48
.
Die Rolle der Rechtspflege wird oft auf die theologischen oder spirituellen Ansätze übertragen.
Diese sind in den Einführungsversen zu erkennen, indem die Autorin eine Anspielung auf die
Bibel vornimmt:
„Wo ist die Hand so zart, dass ohne Irren
Sie sondern mag beschränkten Hirnes Wirren
So fest, dass ohne Zittern sie den Stein
Mag schleudern auf ein verkümmert Sein […]“49
Die biblischen Stellen der Einführungsverse vermitteln die Nachricht: „Die Rache ist mein,
spricht Gott der Herr“50
. Verfolgt man das Schicksal von beiden vermuteten Mördern, wird dies
bestätigt: „Simon Semmler stirbt bald, aber zuvor noch ganz verarmt, durch Prozesse und böse
Schuldner, die er nicht gerichtlich belangen durfte, weil es, wie man sagte, zwischen ihnen keine
reine Sache war. Er hatte zuletzt Bettelbrod gegessen und war in einem fremden Schuppen auf
dem Stroh gestorben“. Friedrich Mergel, der nach 28 Jahren türkischer Sklaverei in seine Heimat
zurückkehrt, erhängt sich an der Judenbuche.
Auf solche Weise bestraft die Dichterin die Täter auf eine geschickte Weise, ohne sie im
Gerichtswege zu verurteilen. Diese Zeichen der Lebensbestrafung verhelfen dem Leser in seiner
Suche nach den Lösungen und weisen indirekt auf die Täter hin. Sowohl dem Religiösen als
auch dem Rechtlichen wird in der Novelle viel Aufmerksamkeit geschenkt. Die Dichterin setzte
eine hervorragende Methode dabei ein und ersetzte den Mangel an der rechtlichen Entwicklung
durch die Schicksalsschläge.
48
Ebd., S. 263, Hervorhebungen im Original vorhanden
49
Annette von Droste-Hülshoff, Vorspruch zu der “Judenbuche”
50
Römer 12, 19, zitiert nach Holzhauer, Heinz, 2000, S. 263
20
IV SCHLUSSTEIL
Zum Schluss sind die wichtigsten Punkte hervorzuheben, die im Laufe dieser Analyse
festgestellt wurden. Die folgende durchnummerierte Liste gibt einen Überblick über die erzielten
Schlussfolgerungen.
1. Annette von Droste-Hülshoff ist eine hervorragende Dichterin. Ihr literarischer Stil wird
durch für die Frauen untypische Methodik geprägt. Levin Schückling: „Sie unternimmt
ein Werk, wie es von einer Frauenhand nie unternommen ist und in der Ausführung ist
nicht der leiseste Strich, der die Frauenhand verriethe. […]“
2. Im Freundeskreis der Dichterin waren Juristen. Diese Kontakte kann man als Anstöße
betrachten, die bei der Droste das Interesse an der Verbrechensthematik hervorgerufen
haben.
3. Die Autorin setzte eigene literarische Ziele, von denen sie schwer abzubringen war. Auf
ihre Werke hatte kaum eine Person den Einfluss ausgeübt.
4. Kriminalnovelle als eine literarische Richtung ist theoretisch schwer abzugrenzen. Laut
Heißenbüttel sind im Kriminalroman drei Grundelemente zu finden: die Leiche, den
Detektiv und den Verdächtigten.
5. In der „Judenbuche“ wird die Rolle des Detektivs auf den Leser übertragen. Das
Ermittlungsverfahren wird mehr beim ersten Mord aufgezeigt, aber ist gleichzeitig mit
einer versteckten Ironie gefärbt.
6. Nach dem Genre wurde „Die Judenbuche“ als Dorfgeschichte, Kriminalgeschichte,
Detektivgeschichte und Novelle klassifiziert.
7. Während des Arbeitsprozesses an der „Judenbuche“ wandte die Dichterin gezielt die
Strategie der Verknappung an, die den Text von seinem Vorgänger „Geschichte eines
Algierer Sklaven“ deutlich verformte.
8. Die Verdoppelung und Verdunklung als Hauptstrategie der Dichterin. Es gibt kaum eine
Stelle in der Novelle, die nicht verdoppelt oder verdunkelt wurde.
9. Die Beantwortung der Schuldfrage von Friedrich Mergel wird durch mehrere Aspekte
erschwert: einerseits das psychologische Bild und Kindheitsdrama (es stellt sich die
Frage des gesellschaftlichen Einflusses auf die Entwicklung der Person) und andererseits
ein an Bedeutungsverschiebungen reicher Text, in dem der Leser selbst die
Identitätsfragen zu lösen hat.
10. Fehlschlagen des Indizienparadigmas nach Ginzburg.
11. Das Schema der Kriminalnovelle besteht aus einem 2-Handlungsgipfel-Modell, in dem
die Struktur der Verdoppelungen und Wiederholungen zu erkennen ist.
21
12. Der Mord des Juden Aarons wird im Werk aus zwei Positionen betrachtet. Einerseits ist
es der Mord aus Hochmut und andererseits ist Friedrich Mergel selbst das Opfer des
sozialen Umfelds. Zweiseitige Rolle (wieder Verdoppelung!) für die Hauptfigur der
Novelle: Mörder und Opfer zugleich.
13. Der Mangel an der Rechtspflege ersetzt die Autorin durch die Gottes Rache. Diese
Schicksalsschläge können auch die Funktion der Wegweiser bei der Festlegung der
Identität von Tätern erfüllen.
Aufgrund der vorliegenden Analyse wurde festgestellt, dass die Novelle die Schuldfrage des
Friedrich Mergels offen bleibt. Die hebräische Schrift an dem Baum, an dem sich Johannes –
Friedrich erhängte, bedeutetet: „Wenn du dich diesem Ort nahst, so wird es dir ergehen, wie du
mir getan hast“. Auf solche Weise wird Johannes – Friedrich mit Stärke des Mystischen und
Religiösen bestraft. Auffallend ist auch die Rolle der Erziehung und Gesellschaft. Wenn man
sich für die Version entscheidet, am Ende der Geschichte handle es sich um Friedrich, soll es
auch auf die gesellschaftlichen Einflüsse Rücksicht genommen werden, denn die Wurzeln des
Bösen genau von diesen Kleinigkeiten wachsen.
Zweifellos ist die Kriminalnovelle „Die Judenbuche“ ein Beispiel für meisterhaft geschriebenes
Werk, hinter dem sich viel Arbeit der Autorin steckt. Das Lesen der Geschichte, die sich mit
ihrer Einzigartigkeit unterscheidet, bringt trotz der vielen Unklarheiten und Lücken ein großes
Vergnügen.
22
LITERATURVERZEICHNIS
1. Annette von Droste – Hülshoff, „Die Judenbuche“, Cornelsen Verlag, Berlin 2003
2. Brecht, Bertolt: Über die Popularität des Kriminalromans 1938/1940 in: Der
Kriminalroman. Poetik – Theorie – Geschichte, Vogt, Jochen (Hrsg.), S. 33- 38, Wilhelm
Fink Verlag GmbH & Co. KG 1998
3. Heißenbüttel, Helmut: Spielregeln des Kriminalromans in: Der Kriminalroman. Poetik –
Theorie – Geschichte, Vogt, Jochen (Hrsg.), S. 111- 121, Wilhelm Fink Verlag GmbH &
Co. KG 1998
4. Holzhauer Heinz, Beiträge zur Rechtsgeschichte. Annette von Droste und das Recht, S.
246 – 268, Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin 2000
5. Maierhofer, Waltraund, Hexen – Huren – Heldenweiber. Bilder des Weiblichen in
Erzähltexten über den Dreißigjährigen Krieg, Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln 2005
6. Silling, Marie, Annette von Droste-Hülshoffs Lebensgang, Verlag Hamburg 2011
7. Schneider, Ronald, Annette von Droste-Hülshoff, Sammlung Metzler 1995
8. Schwarze, Karl-Heinz, Leg hin die Waagschal! Analyse der Judenbuche Annette von
Droste-Hülshoffs, Norderstedt 2011
9. Vielt, Ulrich: Texte und Spuren: Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie zwischen
Verstehen und Erklären in: Zwischen Erklären und Verstehen? Beiträge zu den
erkenntnistheoretischen Grundlagen archäologischer Interpretation, Heinz u.a. (Hrsg.),
Waxmann Verlag GmbH, Münster 2003
INTERNETQUELLEN
1. Fliedl, Konstanze, Vorlesungshandouts: Das Indizienparadigma. Die Judenbuche Annette von
Droste-Hülshoff:
http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_1-Fliedl-SS11.pdf
http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_2-Fliedl-SS11.pdf
abgerufen am 10.09.2012
2. http://www.balladen.de/web/sites/balladen_gedichte/autoren.php?b05=7, abgerufen am
10.09.2012
3. http://www.droste-gesellschaft.de/cms/?navi=2, abgerufen am 10.09.2012
4. http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/Kriminalroman , abgerufen am 10.09.2012
5. https://www.grin.com/login/#documents/103400/text abgerufen am 10.09.2012
6. http://www.laurentianum.de/lref0303.htm abgerufen am 10.09.2012

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  • 1. Deckblatt Universität: SS/WS ?? Hausarbeit Die Schuldfrage des Friedrich Mergel am Mord des Juden Aaron in Annette von Droste – Hülshoff „Die Judenbuche“ Vorname Name: Matrikelnummer: Germanistik
  • 2. 2 INHALTSVERZEICHNIS I EINLEITUNG ..................................................................................................3 II Theorieteil .........................................................................................................5 1. Annette von Droste – Hülshoff: Kurzprofil ...................................................5 2. „Kriminalnovelle“ : theoretische Abgrenzung..............................................7 3. „Die Judenbuche“: zur Geschichte der Entstehung .....................................9 III Hauptteil..........................................................................................................11 1. Friedrich Mergel: Mörder und Opfer zugleich...........................................11 2. Schema der Novelle: Verdoppelungen und Verdunklungen als Grundansatz in der „Judenbuche“ ......................................................................................14 •••• Erzählstruktur..................................................................................................14 •••• Indizien.............................................................................................................15 •••• Symbole............................................................................................................16 3. Schuldfrage im spirituellen Sinn: Verbindung der rechtlichen und religiösen Ansätze.............................................................................................................18 IV SCHLUSSTEIL ..............................................................................................20 LITERATURVERZEICHNIS ..............................................................................................22
  • 3. 3 I EINLEITUNG „Die Erzählung „Die Judenbuche“ gehört… zu den interessantesten Dorfgeschichten, die wir besitzen. Sie ist … wahr in ihren Schilderungen, interessant in ihren psychologischen Motiven und spannend“ Hermann Margraff „Die Judenbuche“ von Annette von Droste-Hülshoff gilt als eine der ersten Kriminalnovellen in der deutschen Literatur. Das in der Novelle dargestellte soziale Umfeld ermöglicht eine Parallele zwischen dem heutigen und damaligen Stand der Gesellschaft zu ziehen. Die Schuld von Friedrich Mergel am Mord des Juden Aaron ist die Zentralfrage der vorliegenden Arbeit. Durch die ausführliche Analyse der Hauptperson, Friedrich Mergel wird ein vielseitiges Bild des Mörders wiedergegeben. In dieser Analyse wurde versucht, mehrere Aspekte der Straftat von Friedrich zu berücksichtigen: Einfluss der sozialen Faktoren und der Erziehung. Annette von Droste-Hülshoff führte vor Augen des Lesers die Geburt und Entwicklung der schattigen menschlichen Seiten. Diese Stufen (wie aus einem Kind der Mörder aufgewachsen war) werden in der Arbeit eingehend betrachtet. Dadurch wird die Kernfrage der Arbeit beantwortet und aufgezeigt, wer und was Friedrich Mergel zum Mörder gemacht hatte. Interessant erwies sich in dieser Analyse auch die Frage des Mangels an der Rechtssprechung. Die Arbeit besteht aus zwei Teilen. Im ersten Theorieteil wird kurz das Profil der Autorin zusammengefasst, die Grundsteine des Schaffens von der „Judenbuche“ behandelt und die Definition für den Begriff „Kriminalnovelle“ geliefert. Diese Stellen fließen in die Behandlung der Schuldfrage von Friedrich Mergel weiter, die im zweiten praktischen Hauptteil dargestellt sind. Die im Theorieteil behandelten Punkte verschaffen einen Einstieg in die Hauptanalyse und verhelfen einen Zusammenhang zwischen dem in der Novelle Dargestellten und dem Leben der Autorin herzustellen. Aus diesem Grund wurde bei der Behandlung der schriftstellerischen Biographie hauptsächlich auf die für die Untersuchung der Kriminalnovelle wichtigen Aspekte konzentriert. Dieser Schritt wurde auch aus der Sicht vorgenommen, die Anregungen der Autorin wiederzufinden. Denn es ist offensichtlich, hinter jedem Kunstwerk (sei es Literatur, Malerei oder Musik) versteckt sich ein Grund. Das Wiederfinden solcher Gründe trägt dazu bei, das Werk und den Schöpfer besser zu verstehen. In vielen Werken wird aber erwartet, dass sich der Leser selbst die Grundidee befasst. Dafür wird vom Autor viel verschwiegen oder durch metaphorische Ausdrücke geschildert. Für die Kriminalnovellen sind solche Tricks besonders gut anwendbar, da der Leser keine direkten Hinweise erhält und erst durch Nachdenken und Selbstinterpretation die Geschehnisse nachvollziehen kann.
  • 4. 4 Die vorliegende Arbeit kann man im bestimmten Sinne auch als „Nachdenken“ und „Interpretationen“ des Gelesenen bezeichnen. Diese werden aber meistens durch Stellungnahmen von Literaturwissenschaftlern und Kritikern bestätigt. Die Zusammenfassung der Arbeit gibt einen Überblick über die in der Arbeit erzielten Schlussfolgerungen. In der Zusammenfassung werden auch neue Akzente gesetzt, die auch zu Diskussionsanregungen führen können und das Thema aus einem weiten Blickwinkel zu betrachten ermöglichen.
  • 5. 5 II THEORIETEIL 1. Annette von Droste – Hülshoff: Kurzprofil „Ich mag und will jetzt nicht berühmt werden, aber nach hundert Jahren möchte ich gelesen werden“ Annette von Droste-Hülshoff (10.01.17971 – 24.05.1848) Wenn man den Lebensweg der Autorin und ihren literarischen Erfolg betrachtet, ist es festzustellen, dass der Wunsch, erst in hundert Jahren gelesen zu werden, in Erfüllung gegangen ist. Zweifellos ist sie zu heutigen Zeiten mehr bekannt und populär als zu Zeiten ihres Lebens2 . Annette von Droste stammt aus einer westfälischen Adelsfamilie. Sie war ein begabtes Kind. Viele Talente waren bei ihr frühzeitig entdeckt worden: Gedichte, Musik, Fremdsprachen, Zeichen3 . Gleichzeitig waren ihre Kindheit und auch das Erwachsenleben durch zahlreiche Krankheiten geprägt, da sie ein frühgeborenes Kind war. Trotz der schweren Krankheiten ist es anzumerken, dass sie viel Glück und Freude in der Kindheit hatte4 . Da ihre Familie als eine wohlhabende und adlige Familie galt, konnte sie sich für Annette eine gute Ausbildung leisten Die Droste knüpfte später auch freundschaftliche Beziehungen mit vielen für die Literatur wichtigen Personen an. Die Heimat der Droste wird oft in ihren Werken (auch in „Die Judenbuche“) beschrieben. Auf solche Weise berührt sie mit ihren Romanen und Gedichten die Realität und stellt die für diese Zeitperiode typischen gesellschaftlichen Verhältnisse dar. Ihre Kindheit und spätere Freundschaften spielten im literarischen Werdegang eine wichtige Rolle. Unter den Personen, die das Leben und die Karriere der Droste als Schriftstellerin beeinflusst haben, sind vor allem zwei Leidenschaften zu nennen: Heinrich Straube, ein mittelloser Jurastudent und August von Arnswaldt. Zwei Männer, in die sie sich gleichzeitig verliebt hatte, was sich in einen Gefühlszwiespalt und eine Intrige ausbrach. Das zog nach sich familiäre Sanktionen und viel seelisches Leid. Die junge Droste dachte auch in der Zeit an Selbstmord5 . Als eine literarisch begabte Person suchte sie nach der Unterstützung und freundlichem Rat in Fragen der Literatur. Diese fand sie bei ihrem ersten Mentor, dem Juristen Anton Mathias Sprickmann. Er gab ihr Anstöße, mehr Aufmerksamkeit der Dichtkunst von Klopstock und 1 Nachdem das Kirchenbuch korrigiert wurde, wird der 14. Januar als Geburtstag genannt, die Familie spricht vom 12. Januar, Quelle: http://www.balladen.de/web/sites/balladen_gedichte/autoren.php?b05=7, abgerufen am 06.09.2012 2 http://www.droste-gesellschaft.de/cms/?navi=2, abgerufen am 05.09.2012 3 Vgl. Silling, Marie, 2011, S. 16 4 Ebd. 5 Hier und weiter zu biographischen Daten: Schneider, 1995, S. 28 f.
  • 6. 6 Hains zu schenken. Man findet aber keine weiteren bedeutenden Spuren von Sprickman im Denken und Schreiben der Droste. Die Zugehörigkeit ihrer Bezugspersonen zu rechtswissenschaftlichen Gebieten erweist sich aber als äußerst interessant für unsere Untersuchung. Und obwohl die Dichterin meist als unabhängig und nicht beeinflussend in Fragen der literarischen Richtung gilt, könnten doch diese früheren Bekanntschaften aus dem Kreise der Juristen das Interesse für Art und Weise der damaligen rechtlichen Sitten geweckt haben. Ihr zweiter Mentor, der der Autorin lebenslang in der literarischen Entwicklung zur Seite stand, war seit 1834 Christoph Bernhard Schülter, Philosophiedozent an der Akademie in München. Zu dieser Zeit fand die Droste ihren eigenen Stil und setzte literarische Ziele, in denen sie stark überzeugt war. Aus diesem Grund war es schwierig, die Droste von ihren Ideen und Vorstellungen abzubringen. Unter den weiblichen Figuren, die mit der Droste in engen Beziehungen standen, sind Sibylle Mertens und Adele Schopenhauer zu nennen. Diese Frauen konnten der Droste einen Zugang zum Kreis der Weimarer Klassik vermitteln. Elise Rüdiger galt als eine bevorzugte Briefpartnerin, an die sich Droste in ihren Briefen des letzten Lebensjahrzehnts anwendet. Als stärkste und intensivste Beziehung wird aber in ihren Biographien die Freundschaft mit einem jungen mittellosen Mann, Levin Schücking bezeichnet. Sie überragte alle bisherigen freundschaftlichen Verbindungen und verlief unter dem Deckmantel der mütterlichen Zuneigung, obwohl es vielen klar war, dass es sich um eine leidenschaftliche einseitige Liebe handelt. Bevor es zur Geschichte der Entstehung „Die Judenbuche“ übergangen wird, ist ein interessanter Punkt zu betonen. Den literarischen Erfolg der Droste, der aber wie ausgeführt erst später kam und sie zu einer Deutschlands größten Dichterin machte, kann man mit ihrem eigenartigen literarischen Stil erklären, der für die weiblichen Schriftstellerinnen dieser Zeitperiode untypisch war. So wird bei der Untersuchung ihres Werkes „Die Schlacht im Loener Bruch“ festgestellt, dass es wenig weibliche Züge im Schreibstil aufweist. Der vorher erwähnte Levin Schückling, der auch ihr erster Biograph war, schreibt hierzu folgendes: „Sie unternimmt ein Werk, wie es von einer Frauenhand nie unternommen ist und in der Ausführung ist nicht der leiseste Strich, der die Frauenhand verriethe. […] Sie scheut sich nicht, Wunden, Blut und Leichen mit festem Blick ins Auge zu schauen, aber ihre Phantasie ist weit weg davon entfernt, im Schrecklichen zu schwelgen und nirgends wird die Keuschheit eines reizbaren Schönheitsgefühls verletzt“6 . Diese Beschreibung kann man genau so gut zu „Die Judenbuche“ anwenden, in der sie Morde und 6 Maieihofer, Waltrand, 2005, S. 178 f.
  • 7. 7 Beraubungen mit einem fernhaltenden Manöver darstellt, wobei die für eine Frauenhand merkwürdigen Stellen auch zu erkennen sind (z.B., Darstellung der Mutter von Friedrich Mergel, ihrer weiblichen Trauer und Not). Waltrand Maierhofer stellt eine Frage im Titel der Untersuchung zum literarischen Stil von Droste. „Annette von Droste-Hülshoff: Die Schlacht im Loener Bruch 1623 (1838) Nichts Weibliches?“ fragt er und geht dabei auf die Epos der Autorin ein, die einerseits sehr realistisch die Schlachtereignisse abbilden und andererseits auch das Element des „Weiblichen“ enthalten (Naturbilder, verlobtes Paar)7 . Auf solche Weise lässt sich feststellen, dass die Droste über einen hervorragenden Stil verfügte und das Männliche (physische Kraft, die in Schlachten, Morden etc. auftritt) mit dem Weiblichen (Natur, Frauenschicksal) zusammenfügen konnte. Vielleicht erklärt sich damit das Geheimnis ihres Erfolgs auf der literarischen Bühne. In den nächsten Unterkapiteln werden einige geschichtliche Aspekte der Entstehung „Die Judenbuche“ dargelegt sowie die theoretische Abgrenzung des Begriffes „Kriminalnovelle“ geliefert. 2. „Kriminalnovelle“ : theoretische Abgrenzung Versucht man eine theoretische Abgrenzung für den Begriff „Kriminalnovelle“ zu finden, stößt man auf eine Reihe von Definitionen, in denen es keine genaue theoretische Grenze existiert. Das erklärt sich auch dadurch, dass „die Übergänge zu anderen Literaturarten fließend sind“8 . Die Kriminalnovelle wird in einigen Quellen als „Subgenre der Novelle“ bezeichnet. Wenn man sich aber in Definition des „Kriminalromans“ vertieft, wird es deutlich, dass es in diesem Feld eine Reihe von Untergattungen vorhanden ist, zu denen auch die Kriminalnovelle zählt: „Kriminalerzählungen“, „Kriminalgeschichte“, „Kriminalnovelle“. Entscheidend ist für den Kriminalroman (hier als Sammelbegriff für Kriminalgenre verwendet) die Darstellung und Aufklärung eines Verbrechens. Helmut Heißenbüttel schreibt hierzu, dass die Aufteilung in Kriminalromane und Detektivromane eher für die englische und amerikanische Literatur charakteristisch ist9 . Für den Kriminalroman liefert er folgende Definition: „Der Kriminalroman, so wie er sich historisch entwickelt hat und wie er heute eine bestimmte und nicht wegzudiskutierende Rolle spielt, ist immer ein Detektivroman. Ihm zugrunde liegt ein festes Schema, das zunächst drei Faktoren enthält: die Leiche, den Detektiv und den Verdächtigten“10 . In seinem Beitrag „Über die Popularität des Kriminalromans“ nennt Bertolt Brecht das Lesen eines Kriminalromans als „eine intellektuelle Beschäftigung“, da es dabei logisches Denken 7 Ebd. S. 179 8 http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/Kriminalroman, abgerufen 06.09.2012 9 Vgl. Helmut Heißenbüttel: Spielregeln des Kriminalromans in Vogt, Jochen 1998, S. 113 10 Ebd.
  • 8. 8 erforderlich ist. Er bezeichnet diesen Stil auch als „ein blühender Literaturzweig“11 und spricht von „einem intellektuellen Genuss bei der Denkaufgabe, die der Kriminalroman dem Detektiv und dem Leser stellt“12 . „Die Judenbuche“, die als eine der ersten deutschen Werke in diesem Genre gilt, verfügt auch über die oben genannten drei Elemente eines Kriminalromans: Leiche, Detektiv und Verdächtigte. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass sich die tatsächlichen Detektive in dieser Novelle (Gutsherr, Gerichtsschreiber) im Gegensatz zu späteren klassischen Detektivbildern (Sherlock Holmes, Hercule Poirot) durch eine andere, passive Handlungsweise unterscheiden. Somit wird aber der Mangel am Rechtssystem der damaligen Gesellschaft aufgezeigt. Betrachtet man die Einordnung „Die Judenbuche“ von anderen literarischen Kritikern, so findet man die Erwähnungen über: - Dorfgeschichte – poetischer Realismus (eine der ersten Einordnungen für das Werk, Vertreter: Karl Immermann, Jeremias Gotthelf, Berthord Auerbach); - Kriminalgeschichte (so hatte die Droste ihre Entwürfe selbst bezeichnet, da sie die dafür typischen Elemente enthalten – Vorgeschichte, psychologische Motivation); - Detektivgeschichte (die zweite Hälfte der Erzählung, obwohl kein konkreter Detektiv vorhanden ist. Es kommt die Übertragung der Detektivfunktionen auf Leser oder Erzähler vor); - Novelle (jedoch keine strenge Struktur der Novelle, Kritik seitens Fontane über eine doppelsträngige Handlung --> zwei Morde, beide nicht ganz aufgeklärt sind)13 . Heutzutage wird aber das Werk in den meisten Quellen als „Kriminalnovelle“ eingestuft. Das von der Autorin einzusetzende Genre bestimmt zum größten Teil, wie sich die Geschehnisse entwickeln. Für die vorliegende Untersuchung ist die Frage des Genres von einem großen Belang. Durch die konstruktive Analyse des Stils, die im Hauptteil stattzufinden ist, wird die Zentralfrage der Arbeit beantwortet. Man kann auch sagen, der Stil und die Tricks der Dichterin sind rote Fäden für den Leser, der sich mit der Schuldfrage von Friedrich Mergel beschäftigt und diese zu beantworten versucht. 11 Bertolt Brecht: Über die Popularität des Kriminalromans in Vogt, Jochen, 1998, S. 33 12 Ebd,, S. 35 13 Vgl. Fliedl, Konstanze, Vorlesungshandouts: Das Indizienparadigma. Die Judenbuche Annette von Droste- Hülshoff http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_1-Fliedl-SS11.pdf, abgerufen am 07.09.2012
  • 9. 9 3. „Die Judenbuche“: zur Geschichte der Entstehung Wann genau die Arbeit am Werk angefangen war, lässt sich schwierig feststellen. Die erste schriftliche Erwähnung über die „Kriminalgeschichte Friedrich Mergel“ trifft man in ihrem Brief an Junkermann vom 4. August 183714 . 1841 führt die Autorin die letzten Arbeitsphasen durch und am 01.07.1841 schreibt sie ihrer Schwester Jenny, dass die Erzählung fertig sei15 . Der erste Prosatextdruck wurde im Jahr 1842 (April-Mai) in der Zeitung „Das Morgenblatt für gebildete Menschen“ veröffentlicht. Zum Stoff für „Die Judenbuche“ diente der Fall, der auf den westfälischen Besitzen des Vorfahrens der Schriftstellerin geschehen ist. Es geht um den Mord eines jüdischen Händlers Soistmann Berend. Drostes Großvater war der Gerichtsherr. Er sollte diesen Fall ermitteln und den Täter bestrafen16 . Diese Geschichte wurde vom Onkel der Droste, August von Haxthausen noch 1818 unter dem Titel „Geschichte eines Algierer Sklaven“ aufgezeichnet. Diese Niederschrift benutzte die Droste als Vorlage für ihre „Judenbuche“. An der Struktur der Geschichte und den Charakterrissen der Hauptfigur (Winkelhannes, Mörder in „Geschichte eines Algierer Sklaven“) nahm aber die Autorin grundlegende Änderungen vor. „Mein Mergel“ wie sie selbst schreibt steht teils in deutlichem Gegensatz zu der Hauptfigur Winkelhannes17 . Auffallend ist für den Schaffensprozess auch, dass Annette von Droste-Hülshoff ihre Entwürfe gezielt Schritt für Schritt verkürzt hat. Diese Strategie der Verknappung wurde auch mit der Setzung von neuen Schwerpunkten und Deutungen vereinigt18 . Aus dieser Strategie, die in weiteren Kapiteln dieser Arbeit noch angesprochen wird, ist eine Form des Werkes entstanden, in dem „das Gestaltungsprinzip zumeist der Intuition unterliegt“19 . Besonders wichtig war für die Autorin jedes Bild in ein kompliziertes Geflecht mit anderen Elementen zusammenzusetzen. Fast in jedem Wort ist eine vielseitige mehrschichtige Bedeutung zu finden20 . All diese Strategien führten dazu, dass „Die Judenbuche“ zu einer Kriminalnovelle „mit einem umfassenden Bedeutungs- und Ordnungsgeflecht“ wurde21 . Genau diese facettenreiche Struktur am Werk, in dem dem Leser sehr viel zum Analysieren und Nachdenken überlassen wird, erschwert die Beantwortung der Schuldfrage von Friedrich Mergel. Eingehend wird dieser Punkt im Weiteren behandelt. 14 Vgl. Huge, Walter,1979, S. 44f, zitiert nach Hotze Ute, Annette von Droste-Hülshoff – Biographie – Die Judenbuche, Studienarbeit, https://www.grin.com/login/#documents/103400/text abgerufen am 07.09.2012 15 Schwarze, Karl-Heinz, 2011, S.17 16 Fliedl, Konstanze, Vorlesungshandouts: Das Indizienparadigma. Die Judenbuche Annette von Droste-Hülshoff http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_1-Fliedl-SS11.pdf, abgerufen am 07.09.2012 17 Schwarze, Karl-Heinz, 2011, S. 15f 18 Ebd., S.16 19 Ebd. 20 Ebd. 21 Ebd.
  • 10. 10 Unter den rein historischen Hintergründen, die mit dem Werk zu tun haben, ist noch zu erwähnen, dass das in der Novelle beschriebene Dorf B. das Dorf Bellersen ist. Da hatte die Droste die Verwandten und verbrachte viele Sommer in ihrer Jugend. „Die Judenbuche“ ist auch mit ihrem Untertitel „Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen“ bekannt. Die Novelle sollte ein Beitrag in einem Sammelband über die westfälische Region werden, was aber von der Dichterin nicht verwirklicht wurde22 . Den Titel „Die Judenbuche“ hat nicht die Droste selbst erfunden, sondern der Herausgeber Hermann Hauff, der Bruder des Märchendichters Wilhelm Hauff23 . Des Weiteren wird eine ausführliche Analyse der Novelle durchgeführt, in der die Antwort auf die Schuldfrag des Friedrich Mergel am Mord des Juden Aaron gesucht wird. 22 Fliedl, Konstanze, Vorlesungshandout: Das Indizienparadigma. Die Judenbuche Annette von Droste-Hülshoff http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_1-Fliedl-SS11.pdf, abgerufen am 07.09.2012 23 http://www.laurentianum.de/lref0303.htm, abgerufen am 07.09.2012
  • 11. 11 III HAUPTTEIL Grundsätzlich kann man den Hauptteil in drei Schwerpunkte aufteilen, deren ausführliche Analyse zur Beantwortung der Schuldfrage von Friedrich Mergel beiträgt. Um diese aufzuklären und vielseitig zu veranschaulichen, wurde entschieden auf Folgendes einzugehen: - Friedrich Mergel: Analyse der Hauptfigur, seiner sozialen Umgebung und Entwicklung, Vorstellung der Hauptperson als Mörder und Opfer zugleich; - Untersuchung des Aufbaues vom Werk, und zwar der Rolle von Verdoppelungen und Verdunklungen, Indizien /Symbole als Wegweiser für den Leser; - Die Rolle des Spirituellen und der Mystik, Verbindung des Religiösen mit dem Rechtlichen. Durch die Behandlung von diesen Punkten wird das Bild des Täters umfassend und von unterschiedenen Seiten dargestellt. 1. Friedrich Mergel: Mörder und Opfer zugleich Friedrich Mergel ist die Hauptfigur in der „Judenbuche“. Ab den ersten Seiten und bis zum letzten Punkt der Kriminalnovelle verfolgt der Leser mit Neugier sein Leben und Schicksal. Annette von Droste-Hülshoff schilderte meisterhaft die psychologische Entwicklung und das soziale Umfeld von Friedrich. Dieser Aspekt ist wichtig für die vorliegende Untersuchung, da er das psychologische Bild des Täters aufzeigt. Dies ist ein unabdingbares Element in der Beurteilung seiner Person als Mörder. In der Novelle wird kein konkreter Verweis auf Friedrich als auf Mörder gegeben. Anhand von vielen dargestellten Einzelheiten entscheidet der Leser selbst, ob Friedrich schuld ist oder nicht. Die Frage der Erziehung und des sozialen Milieus gibt dabei den Ausschlag. Häufig werden Verbrecher nach dem Tatbestand verurteilt, ohne ihre persönlichen und sozialen Hintergründe zu berücksichtigen. Heinz Rölleke stellte 1970 als besonders fortschrittlich heraus, dass „die Droste die Prägung des Friedrich Mergel zum Verbrecher aus seiner Erziehung und seinem Milieu erklärlich mache“24 . Heinz Holzhauer führt weiter aus, dass der Grund für die Tat „im Lebensschicksal des Täters, in seiner Herkunft als Einzelkind aus der zerrütteten Ehe von einem trunksüchtigen Vater, in seiner Isolation […] und seiner Außenseiterrolle“25 zu finden sei. Der Charakter von Friedrich, und genauer gesagt die angeborenen und erworbenen Grundrisse, sind genau so wie die anderen wichtigen Stellen in der Kriminalnovelle schwierig abzugrenzen. Nur ein sehr aufmerksamer Leser findet die Ansätze, in denen die gesellschaftlichen Vorstellungen des kleinen Friedrichs entstanden sind. Im unten angeführten Dialog zwischen 24 Holzhauer, Heinz, 2000, S. 254 25 Ebd., S. 253
  • 12. 12 dem kleinen Friedrich und seiner Mutter Margret wird dem Leser gezeigt, wie beim kleinen Jungen Vorurteile entstehen. Wichtig ist darauf anzudeuten, dass diese teils falschen Vorstellungen eine direkte Verbindung mit den weiteren Geschehnissen in der Geschichte haben (Blaukittel als Diebe von Hölzern, Mord des Forsters und des Juden Aaron): „…-„Er hat neulich den Aaron geprügelt und ihm sechs Grosche weggenommen.“ –„Hat er dem Aaron Geld weggenommen, dann hat ihn der verfluchte Jude gewiss zuvor darum betrogen. Hülsmeyer ist ein ordentlicher Mensch und die Juden sind alle Betrüger.“ – „Aber Mutter, Brandis sagt auch, dass er Holz und Rehe stiehlt.“ […] „Höre, Fritz, das Holz lässt unser Herrgott frei wachsen und das Wild wechselt von einem Land ins andere; das kann niemandem gehören..“ 26 In ihrem Vorspruch zur Novelle nennt die Droste es als „des Vorurteils geheimen Seelendieb“. Auf solche Weise findet man den versteckten Grund für die Tat schon in den ersten gereimten Zeilen, die der Erzählung vorangehen. Andere wichtige psychologische Hintergründe bestehen in der gesellschaftlichen Isolation des kleinen Friedrichs, die durch den schlechten Ruf seines Vaters als Alkoholiker und seinen späteren Tod verursacht wurde. Hierzu ist zu merken, dass die Dichterin in der Beschreibung des Todes vom Vater besonders stark die Elemente des Mystischen einsetzt: „Friedrich dachte an den Teufel, wie der wohl aussehen möge. Die vielen Geräusche und das Getöse im Haus kamen ihm unheimlich vor“27 . Ohne Zweifel war dieses Ereignis ein ungeheurer Schock für das Kind, der eine unauslöschliche Spur an seiner Person hinterließ. Eine andere Figur, die den Jungen sehr stark beeinflusst hat, ist Margrets Bruder Simon Semmler, der Friedrich adoptierte und viel Zeit mit ihm verbrachte. Diese nahen Beziehungen zwischen dem Neffen und dem Onkel führten dazu, dass sich Friedrich sehr schnell änderte, mehr selbstbewusst auftrat und sein Äußeres zu pflegen begann. Diese gewonnenen Charakterzüge sind für die vorliegende Untersuchung entscheidend, da einige literarische Quellen die Tat als „Mord aus Hochmut“ bezeichnen28 . Friedrich selbst versteht schlechte Einflüsse von seinem Onkel. „..Onkel , ich habe Euch ein sehr schlechtes Gewissen zu danken“, - sagt er zu Simon29 . Je näher es in „Die Judenbuche“ zum Mord von Aaron kommt, desto genauer und ausführlicher charakterisiert die Droste das Wesen von Friedrich. Dabei schreibt sie, dass es in Friedrich schon Eigenschaften lagen, die die schlechte Beeinflussung seitens des Onkels erleichterten. 26 Annette von Droste-Hülshoff, „Die Judenbuche“, S. 12 27 Ebd., S. 10 28 Friedl, Konstanze, http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_2-Fliedl-SS11.pdf, abgerufen am 09.09.2012 29 Annette von Droste-Hülshoff, „Die Judenbuche“, S. 37
  • 13. 13 Hier erkennt man die vorher erwähnte Grenze zwischen dem Angeborenen und Gewonnen. Zu den angeborenen Eigenschaften zählt die Droste: „Leichtsinn, Reizbarkeit und ein grenzloser Hochmut“30 . Des Weiteren zählt sie die Charakterzüge auf, über die Friedrich verfügte und die ganz gut zum Bild des Mörders angewandt werden könnten. Einerseits schildert die Autorin Friedrich als „äußerlich ordentlich, nüchtern, anscheinend treuherzig“, innerlich wird er aber als „listig, prahlerisch und oft roh“ charakterisiert31 . In den von der Droste angeführten Beschreibungen erkennt man vor allem die Aufspaltung oder anders ausgedruckt auch Verdoppelung, eine generelle Besonderheit des Werkes, die wohl den gesamten Inhalt kennzeichnet. Dies wird detaillierter im nächsten Unterkapitel dargestellt. Zu berücksichtigen ist auch die Freundschaft zwischen Friedrich und Johannes Niemand, die Hintergrundfigur, mit der Friedrich sehr oft verwechselt wird (z.B., Szene im Haus von Margret, wenn die Mutter im Dunkeln Johannes für seinen Sohn hält). Ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Novelle taucht Johannes immer zusammen mit Friedrich auf. Häufig gewinnt man den Eindruck, es sei der Schatten von Friedrich. Unter dem Strich zum psychologischen Bild von Friedrich sowie zum sozialen Einfluss auf ihn sind folgende Punkte zu betonen: 1. Friedrich Mergel erlitt ein psychologisches Drama in der Kindheit durch den Tod seines Vaters und wurde dadurch zum gesellschaftlichen Außenseiter. 2. Mutter und Onkel von Friedrich hatten einen direkten nicht immer guten Einfluss auf ihn ausgeübt. Als Kind und Halbwüchsiger erfährt er falsche Vorstellungen und Vorurteile, die in der Zukunft schlechte Folgen für ihn haben. 3. Friedrich freundet sich mit Johannes Niemand an, der oft als „Schattenfigur“ auftaucht. Auf solche Weise werden in diesem Unterkapitel die Grundaspekte aufgezeigt, die den Werdegang von Friedrich als Person beeinflusst hatten. Dabei wird es offensichtlich, dass dem Menschen sehr viel „Müll“ (z.B., „die Juden sind alle Betrüger“) beigebracht werden kann. Dies wird automatisch von Kindern aufgenommen, insbesondere wenn es von für sie autoritären Personen (z.B., Eltern) ausgedruckt wird. Die in diesem Teil durchgeführte Analyse erlaubt schon jetzt darauf hinzuweisen, dass es kaum die Situationen gibt, in denen nur einem Menschen die gesamte Schuld zuzuschreiben ist. Eine besondere Rücksicht verdienen auch andere im Hintergrund stehende Faktoren. In diesem konkreten Fall ist die Schuldfrage am Mord eher ganzheitlich zu betrachten. Vielleicht ist die Gesellschaft auch daran schuld, dass sie z.B. keinen psychologischen Beistand dem kleinen Kind leistete, sondern es zum Außenseiter machte. Annette von Droste-Hülshoff sieht in „Die Judenbuche“ in die Wurzeln. Sie gibt keinen 30 Ebd. 31 Ebd.
  • 14. 14 konkreten Hinweis auf die Schuld von Friedrich. Gleichzeitig schildert sie aber, woher der Wind weht. 2. Schema der Novelle: Verdoppelungen und Verdunklungen als Grundansatz in der „Judenbuche“ • Erzählstruktur Aus den oben angeführten Informationen ist klar, dass „Die Judenbuche“ keine direkten Antworten auf viele Fragen gibt. In diesem Kapitel wird genauer die in vorangehenden Kapiteln angesprochene Struktur analysiert, die durch ein kompliziertes Geflecht mit anderen Elementen geprägt wird. Das folgende Abbild zeigt das Schema der Kriminalnovelle und deutet auf ihre Verdoppelung hin, die als grundlegendes Merkmal für dieses Werk gilt. Abb. 1. Erzählstruktur „Die Judenbuche“, Quelle: Konstanze Friedl, Vorlesungshandout: Das Indizienparadigma. Die Judenbuche Annette von Droste-Hülshoff http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_1-Fliedl-SS11.pdf, abgerufen am 10.09.2012 Die an den Ecken abgebildeten Ereignisse (Tod des Vater - Mord an Brandes - Mord an Aaron - Tod Friedrichs) erfüllen die Funktion von sogenannten Knoten, ab denen sich die Ereignisse unter einem anderen Winkel zu entwickeln beginnen. In der Novelle erkennt man zwei Gipfel: Mord an Brandes und Mord an Aaron. Beide Taten sind nicht aufgeklärt. Bei der genaueren Betrachtung des Abbildes lässt sich feststellen, dass die rechte Seite spiegelbildlich der linken Seite gegenüber steht. Es wird dadurch die Wiederholung und Verdoppelung von Ereignissen aufgezeigt. Auf solche Weise kann man die Zirkulation und Wiederkehr von vielen Elementen (Symbolen) verfolgen32 . 32 Vgl. Friedl, Konstanze http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_1-Fliedl-SS11.pdf, abgerufen am 10.09.2012
  • 15. 15 Die Erzählung wird in Form von szenischen Dialogpassagen geführt, die sich mit chronikartigen Darstellungen abwechseln. Diese chronikartigen Erzählungen werden von einer Stimme vorgestellt, die Konstanze Friedl auch als „Stimme des Dorfes“ bezeichnet. Außerdem weist sie darauf hin, dass diese Stimme nicht allwissend und auktorial ist. Sie sagt dem Leser nicht direkt, wer der Täter war, sondern vermutet und ahnt33 . • Indizien Sehr viele Punkte werden von der Droste nicht bis zum Ende aufgeklärt. Die Dichterin selbst sagte, dass sie alle Details erzählen konnte, aber es war ihre gezielte Strategie, das Werk auf eine besondere Weise darzulegen und viele Einzelheiten zu verdunkeln. Man gerät oft in eine Sackgasse, weil der Leser viele Rätsel mit Hilfe von sogenannten Indizien erkennt. Z.B. dass der Heimkehrer Friedrich ist, kann man nur aufgrund seiner Neigung feststellen, Holz zu schnitzen. Der Gutsherr bestätigt auch, dass es Friedrich ist, weil er die Narbe von Friedrich erkannt hat. Über diese Narbe ist aber dem Leser nicht bekannt. Und es bleibt allerdings nicht hundertprozentig klar, dass es sich doch am Ende um Friedrich handelt. Die Droste setzt diese Methode gezielt ein, damit sich der Leser Gedanken über falsche Spuren macht. Wenn man sich diesen Trick tiefer anschaut, kann man auch andere Gründe erkennen. Die Schriftstellerin wollte damit auch eine Schwäche am Recht und an der Gesellschaft zeigen, und zwar, dass man häufig voreilig Unschuldige verurteilt34 . Es gibt auch keinen genauen Hinweis, dass der Onkel Simon Brandes erschlagen konnte. Der Leser kann das nur aufgrund des Indizes beurteilen, - der Axt. Auf die Schuld von Simon weisen auch indirekt seine eigenen Aussprüche bezüglich des achten Gebots hin: „Denk an die zehn Gebote“, - sagt er Friedrich vor der Beichte, - Du sollst kein Zeugnis ablegen gegen deinen Nächsten“. – „Kein falsches!“ –„Nein, gar keins. Du bist schlecht informiert…“ 35 Auf solche Weise ist es festzustellen, dass der Sinn der Novelle in ihrer Dunkelheit besteht. Der von der Droste eingesetzte Indizienstil versetzt den Leser in die Rolle des Detektivs. Ein weiterer interessanter Ansatz, der im Hinblick auf den Indizienstil auftaucht, besteht in dem Indizienparadigma, - einer Reihe von Prinzipien, die der Historiker Carlo Ginzburg Ende der achtziger Jahre als „Indizienparadigma“ bezeichnete. Ginzburg bemerkte, dass ein sogenanntes Indizienparadigma Ende des XIX. Jahrhunderts besonders stark in verschiedenen Wissenschaften eingesetzt wurde36 . Dieses Indizienparadigma beruht auf drei Ansätzen: 33 Vgl. Ebd. 34 Vgl. Ebd. 35 Annette von Droste-Hülshoff, „Die Judenbuche“ S.36 36 Vgl. Veit, Ulrich, 2003, S. 105
  • 16. 16 1. Giovanni Morelli: Morelli konnte die Maler der Bilder aufgrund der kleinsten Details bestimmen (z.B. ganz spezielle Handstellungen, Ohren, wie sie nur ein bestimmter Maler malt). 2. Arthur Conan Doyle: ähnliches Interesse von Sherlock Holmes an den kleinsten Details, der aufgrund deren Beobachtung den Verbrecher eruiert. 3. Sigmund Freud: eine große Rolle der Einzelheiten als Symptome in der Psychoanalyse. Wenn man den Indizienstil von der Droste analysiert, ist es festzustellen, dass das Prinzip des Indizienparadigmas in ihren Texten fehlschlägt37 . In der Novelle kommen Spuren vor, die gedeutet werden. Dabei sind sie aber meistens nie eindeutig und ergeben sich nicht in mit zuverlässigen Begründungen bestätigte Lösungen, was Konstanze Friedl als „trügerisch“ bezeichnet und das Werk mit „Erkenntnisohnmacht“ charakterisiert. Auf solche Weise wird die Schuldfrage in der Novelle nicht eindeutig aufgeklärt. Man kann nicht genau wissen, wer sich an der Judenbuche erhängt hat. • Symbole Die Idee der Verdoppelung und Vertauschung ist auch in der Identitätsfrage sowie in zahlreichen sich wiederholenden Symbolen zu erkennen. Das macht die Geschichte geheimnisvoll und füllt sie mit den weiteren Elementen der Verdoppelung an. Konstanze Friedl merkt, dass diese Schritte als „Tausch- und Ersetzungsvorgänge“ zu verstehen sind. Eine der Hauptvertauschungen ist in der Identitätsfrage von Friedrich und Johannes zu erkennen. Die Autorin gibt keine klare eindeutige Identität zwischen beiden Figuren (Margret hält Johannes für ihren Sohn; Friedrich gibt sich bei der Rückkehr als Johannes). Das schon erwähnte Element der Schattenfigur wird bei Friedl auch als „Spiegelbild“ bezeichnet: Friedrich ist das Spiegelbild von Johannes38 . Interessant wird dieser Punkt bei Karl-Heinz Schwarze vorgestellt. Er beschreibt die Umwandlung von Friedrich auf der Hochzeit: „Der tiefe Fall vom hochangesehenen „Dorfelegant“ zum demaskierten Niemand ist zu groß“39 . Die Droste verwendet die Strategie einer ständigen Bedeutungsverschiebung. Wichtig sind dabei gemäß Friedl folgende Symbole: - Bäume: Eiche – Buche: Der Vater von Friedrich wurde tot unter einer Eiche gefunden. Im zweiten Handlungsgipfel wird die Eiche durch die Buche ersetzt. Die Frau des Aarons suchte Trost bei einer Eiche, in die irgendwas eingeritzt wird. 37 Vgl. Friedl, Konstanze 38 Ebd. 39 Schwarze, Karl-Heinze, 2011, S.99, Hervorhebungen im Original nicht vorhanden
  • 17. 17 - Geld: als ein Requisit, das von einem zum anderen weitergegeben wird - Geige: die von Friedrich an Johannes geschenkte Violine aus Holzschuh taucht wieder bei Hochzeit als Bassgeige auf. - Hund: Friedrich wird vom Hund geweckt, der Hund weckt Brandis. Diese Symbole unterzeichnen die am Anfang dieses Kapitels angeführte Erzählstruktur und ihre Eigenschaft zur Wiederkehr. Man sieht, dass sich viele Motive wiederholen. Ihre Bedeutung wird dabei aber nicht endgültig festgelegt. Die in die Buche eingeritzten hebräischen Schriftzeichen werden in diesem Sinne als das Ganze für das Unverständliche in der Novelle bestimmt. Eine sachliche Untersuchung des Tatbestandes von Friedrich findet man auch bei Karl-Heinz Schwarze statt. Mit der Frage „Ist Friedrich dem Mord am Juden Aaron zuzutrauen?“ fängt er in seinem Buch „Leg hin die Waagschal!“ eine analytische Untersuchung an, durch die aufgezeigt wird, dass die Schuld von Friedrich fraglich ist, und unter Berücksichtigung von anderen Aspekten kann man wohl davon ausgehen, dass er sich mehr um die Anerkennung im Dorf kümmert und jede andere Person, die auch Aaron Geld schuldete, auch den Mord begehen konnte40 . Außerdem weist der Autor darauf hin, dass der Leser „kein Zeuge des Vorfalls“ sei und nur von anderen Dorfbewohnern hört, wie sie Friedrich verurteilen. Er schreibt von „einer deutlichen Distanzierung vom Geschehenen durch die Autorin“. Diese bedingt noch eine größere Vorsicht seitens des Lesers, wenn er die Lösung für den Vorfall sucht41 . Obwohl der Mord des Aarons als Hauptgipfel in der Novelle gilt, wird der Mord von Brandes sowie dessen Ermittlung viel ausführlicher beschrieben. Man fühlt in der sorgfältigen Ermittlung des Mordes von Brandes eine leichte Ironie und Kritik, die sich an die damalige Justiz richtet. Spricht man über die Lösung der Schuldfrage, so trifft man gemäß Friedl die Spannung zwischen zwei religiösen Systemen42 . Sie spricht die Vorstellungen von Rölleke an, der die Schuldfrage durch ihre religiösen Elemente entscheidet: „Der Hochmut ist unmissverständliches Zeichen für Friedrichs Paktieren mit dem Bösen, und dieser Hochmut ist durchaus die Basis seiner späteren Verbrechen […] Der Mord ergibt sich konsequent aus der Superbia. Diese Erkenntnis rückt die Novelle mit einem Schlag in eine theologische Dimension: Die Ursünde Lucifers entspricht die Erste Sünde des Menschen, die sich entschiedener in einer Haltung (die Hybris, sein zu wollen wie Gott) als in einer Tat manifestiert; darauf erfolgt als erste eigentlich böse Tat der Mord, den Kain an Abel verübt“ 43 . 40 Vgl. Schwarze, Karl-Heinz, 2011, S. 99 41 Ebd. 42 http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_1-Fliedl-SS11.pdf abgerufen am 10.09.2012 43 Rölleke, zitiert nach Fiedl, Konstanze, Hervorhebungen im Original vorhanden
  • 18. 18 Zu diesem Kapitel ist ein kleines Zwischenfazit zu ziehen und darauf hinzuweisen, dass das Bild von Friedrich Mergel und somit die Aufklärung seiner Schuldfrage des Weiteren durch einen besonderen an Bedeutungsverschiebungen vollen Stil der Dichterin erschwert wird. Die Schuldfrage bleibt am Ende der Novelle offen und kommt nicht zum Abschluss. Häufig tragen die sich wiederholenden Symbole keine eindeutige Bedeutung und bringen einen aufmerksamen Leser in Verwirrung. Durch den Konflikt zwischen zwei religiösen Systemen (einerseits Ausgleich nach dem Talionsprinzip „Auge um Auge“ und andererseits Zweifel an menschlicher Urteilsfähigkeit, die man im Vorspruch zur Geschichte erkennt) gerät der Leser in ein weiteres Dilemma, das wie im vorangehenden Teil ausgeführt den Haupthelden einerseits als Verbrecher darstellt, und andererseits gleichzeitig zum Opfer macht. 3. Schuldfrage im spirituellen Sinn: Verbindung der rechtlichen und religiösen Ansätze Zum Schluss dieser Analyse ist noch ein interessanter Punkt zu behandeln, und zwar das Religiöse in der Kriminalnovelle. Die Droste war wegen ihrer Gespenstgeschichten bekannt und beliebt44 . Das Mystische zieht sich durch den ganzen Text wie ein roter Faden. Der Leser gewinnt das Gefühl, dass die Autorin selbst den Schauder mit Vergnügen darstellt. So werden zwei Kleinknechte des Gutsherrn in der Mordnacht „von des alten Mergels Geist verfolgt“45 . Das Dämonische tritt auch in den anderen Stellen auf. Hierfür kann man die Stelle anführen, wenn sich Friedrich mit seinem Onkel auf den Weg macht: „Und bald sah Margret den Beiden nach, wie sie fortschritten, Simon voran, mit seinem Gesicht die Luft durchschneidend, während ihm die Schöße des roten Rocks wie Feuerflammen nachzogen“. Schauderhaft stellt sie auch die Nacht dar, in der Friedrichs Vater gestorben ist: „Sie hatten sich kaum niedergelegt, da erhob sich ein Wirbelwind, als ob er das Haus mitnehmen wollte. […] Das Bettgestell bebte und im Schornstein rasselte es wie ein Kobold“. Ein mystisches Symbol erkennt man auch in den hebräischen Schriftzeichen. Man kann sagen, sie erfüllen im bestimmten Maße die Rolle der Rechtspflege. Denn die Fragen der Justiz und der Rechtssprechung sind im Werk mit einem spürbaren Nachteil vorgestellt. Heinz Holzhauer schreibt hierzu, dass „die Droste eine rechtsethische Stellungnahme zu dem Konflikt zwischen objektivem Recht und Volksmeinung vermeidet, vielleicht verdrängt“46 . Er stuft auch die Novelle „als eine den Weg des Täters zur Tat verfolgende Kriminalerzählung“ ein47 . 44 Holzhauer, Heinz, 2000, S. 256 45 Ebd. 46 Ebd., S. 260 47 Ebd., S. 261
  • 19. 19 In der Novelle liegen konkrete oder typische Rechtsmängel auf der Hand. Zu diesen zählt Heinz hinzu: „Rechtsverweigerung und –verzögerung, Bestechlichkeit von Richtern und fehlende Unparteilichkeit, ein genereller institutioneller Mangel der Rechtspflege“48 . Die Rolle der Rechtspflege wird oft auf die theologischen oder spirituellen Ansätze übertragen. Diese sind in den Einführungsversen zu erkennen, indem die Autorin eine Anspielung auf die Bibel vornimmt: „Wo ist die Hand so zart, dass ohne Irren Sie sondern mag beschränkten Hirnes Wirren So fest, dass ohne Zittern sie den Stein Mag schleudern auf ein verkümmert Sein […]“49 Die biblischen Stellen der Einführungsverse vermitteln die Nachricht: „Die Rache ist mein, spricht Gott der Herr“50 . Verfolgt man das Schicksal von beiden vermuteten Mördern, wird dies bestätigt: „Simon Semmler stirbt bald, aber zuvor noch ganz verarmt, durch Prozesse und böse Schuldner, die er nicht gerichtlich belangen durfte, weil es, wie man sagte, zwischen ihnen keine reine Sache war. Er hatte zuletzt Bettelbrod gegessen und war in einem fremden Schuppen auf dem Stroh gestorben“. Friedrich Mergel, der nach 28 Jahren türkischer Sklaverei in seine Heimat zurückkehrt, erhängt sich an der Judenbuche. Auf solche Weise bestraft die Dichterin die Täter auf eine geschickte Weise, ohne sie im Gerichtswege zu verurteilen. Diese Zeichen der Lebensbestrafung verhelfen dem Leser in seiner Suche nach den Lösungen und weisen indirekt auf die Täter hin. Sowohl dem Religiösen als auch dem Rechtlichen wird in der Novelle viel Aufmerksamkeit geschenkt. Die Dichterin setzte eine hervorragende Methode dabei ein und ersetzte den Mangel an der rechtlichen Entwicklung durch die Schicksalsschläge. 48 Ebd., S. 263, Hervorhebungen im Original vorhanden 49 Annette von Droste-Hülshoff, Vorspruch zu der “Judenbuche” 50 Römer 12, 19, zitiert nach Holzhauer, Heinz, 2000, S. 263
  • 20. 20 IV SCHLUSSTEIL Zum Schluss sind die wichtigsten Punkte hervorzuheben, die im Laufe dieser Analyse festgestellt wurden. Die folgende durchnummerierte Liste gibt einen Überblick über die erzielten Schlussfolgerungen. 1. Annette von Droste-Hülshoff ist eine hervorragende Dichterin. Ihr literarischer Stil wird durch für die Frauen untypische Methodik geprägt. Levin Schückling: „Sie unternimmt ein Werk, wie es von einer Frauenhand nie unternommen ist und in der Ausführung ist nicht der leiseste Strich, der die Frauenhand verriethe. […]“ 2. Im Freundeskreis der Dichterin waren Juristen. Diese Kontakte kann man als Anstöße betrachten, die bei der Droste das Interesse an der Verbrechensthematik hervorgerufen haben. 3. Die Autorin setzte eigene literarische Ziele, von denen sie schwer abzubringen war. Auf ihre Werke hatte kaum eine Person den Einfluss ausgeübt. 4. Kriminalnovelle als eine literarische Richtung ist theoretisch schwer abzugrenzen. Laut Heißenbüttel sind im Kriminalroman drei Grundelemente zu finden: die Leiche, den Detektiv und den Verdächtigten. 5. In der „Judenbuche“ wird die Rolle des Detektivs auf den Leser übertragen. Das Ermittlungsverfahren wird mehr beim ersten Mord aufgezeigt, aber ist gleichzeitig mit einer versteckten Ironie gefärbt. 6. Nach dem Genre wurde „Die Judenbuche“ als Dorfgeschichte, Kriminalgeschichte, Detektivgeschichte und Novelle klassifiziert. 7. Während des Arbeitsprozesses an der „Judenbuche“ wandte die Dichterin gezielt die Strategie der Verknappung an, die den Text von seinem Vorgänger „Geschichte eines Algierer Sklaven“ deutlich verformte. 8. Die Verdoppelung und Verdunklung als Hauptstrategie der Dichterin. Es gibt kaum eine Stelle in der Novelle, die nicht verdoppelt oder verdunkelt wurde. 9. Die Beantwortung der Schuldfrage von Friedrich Mergel wird durch mehrere Aspekte erschwert: einerseits das psychologische Bild und Kindheitsdrama (es stellt sich die Frage des gesellschaftlichen Einflusses auf die Entwicklung der Person) und andererseits ein an Bedeutungsverschiebungen reicher Text, in dem der Leser selbst die Identitätsfragen zu lösen hat. 10. Fehlschlagen des Indizienparadigmas nach Ginzburg. 11. Das Schema der Kriminalnovelle besteht aus einem 2-Handlungsgipfel-Modell, in dem die Struktur der Verdoppelungen und Wiederholungen zu erkennen ist.
  • 21. 21 12. Der Mord des Juden Aarons wird im Werk aus zwei Positionen betrachtet. Einerseits ist es der Mord aus Hochmut und andererseits ist Friedrich Mergel selbst das Opfer des sozialen Umfelds. Zweiseitige Rolle (wieder Verdoppelung!) für die Hauptfigur der Novelle: Mörder und Opfer zugleich. 13. Der Mangel an der Rechtspflege ersetzt die Autorin durch die Gottes Rache. Diese Schicksalsschläge können auch die Funktion der Wegweiser bei der Festlegung der Identität von Tätern erfüllen. Aufgrund der vorliegenden Analyse wurde festgestellt, dass die Novelle die Schuldfrage des Friedrich Mergels offen bleibt. Die hebräische Schrift an dem Baum, an dem sich Johannes – Friedrich erhängte, bedeutetet: „Wenn du dich diesem Ort nahst, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast“. Auf solche Weise wird Johannes – Friedrich mit Stärke des Mystischen und Religiösen bestraft. Auffallend ist auch die Rolle der Erziehung und Gesellschaft. Wenn man sich für die Version entscheidet, am Ende der Geschichte handle es sich um Friedrich, soll es auch auf die gesellschaftlichen Einflüsse Rücksicht genommen werden, denn die Wurzeln des Bösen genau von diesen Kleinigkeiten wachsen. Zweifellos ist die Kriminalnovelle „Die Judenbuche“ ein Beispiel für meisterhaft geschriebenes Werk, hinter dem sich viel Arbeit der Autorin steckt. Das Lesen der Geschichte, die sich mit ihrer Einzigartigkeit unterscheidet, bringt trotz der vielen Unklarheiten und Lücken ein großes Vergnügen.
  • 22. 22 LITERATURVERZEICHNIS 1. Annette von Droste – Hülshoff, „Die Judenbuche“, Cornelsen Verlag, Berlin 2003 2. Brecht, Bertolt: Über die Popularität des Kriminalromans 1938/1940 in: Der Kriminalroman. Poetik – Theorie – Geschichte, Vogt, Jochen (Hrsg.), S. 33- 38, Wilhelm Fink Verlag GmbH & Co. KG 1998 3. Heißenbüttel, Helmut: Spielregeln des Kriminalromans in: Der Kriminalroman. Poetik – Theorie – Geschichte, Vogt, Jochen (Hrsg.), S. 111- 121, Wilhelm Fink Verlag GmbH & Co. KG 1998 4. Holzhauer Heinz, Beiträge zur Rechtsgeschichte. Annette von Droste und das Recht, S. 246 – 268, Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin 2000 5. Maierhofer, Waltraund, Hexen – Huren – Heldenweiber. Bilder des Weiblichen in Erzähltexten über den Dreißigjährigen Krieg, Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln 2005 6. Silling, Marie, Annette von Droste-Hülshoffs Lebensgang, Verlag Hamburg 2011 7. Schneider, Ronald, Annette von Droste-Hülshoff, Sammlung Metzler 1995 8. Schwarze, Karl-Heinz, Leg hin die Waagschal! Analyse der Judenbuche Annette von Droste-Hülshoffs, Norderstedt 2011 9. Vielt, Ulrich: Texte und Spuren: Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie zwischen Verstehen und Erklären in: Zwischen Erklären und Verstehen? Beiträge zu den erkenntnistheoretischen Grundlagen archäologischer Interpretation, Heinz u.a. (Hrsg.), Waxmann Verlag GmbH, Münster 2003 INTERNETQUELLEN 1. Fliedl, Konstanze, Vorlesungshandouts: Das Indizienparadigma. Die Judenbuche Annette von Droste-Hülshoff: http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_1-Fliedl-SS11.pdf http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/kriminalliteratur_2-Fliedl-SS11.pdf abgerufen am 10.09.2012 2. http://www.balladen.de/web/sites/balladen_gedichte/autoren.php?b05=7, abgerufen am 10.09.2012 3. http://www.droste-gesellschaft.de/cms/?navi=2, abgerufen am 10.09.2012 4. http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/Kriminalroman , abgerufen am 10.09.2012 5. https://www.grin.com/login/#documents/103400/text abgerufen am 10.09.2012 6. http://www.laurentianum.de/lref0303.htm abgerufen am 10.09.2012