Dieser Vortrag für das Bureau of Letters and Calls (Beschwerdebehörde) der V. R. China umreißt das Petitionsrecht nach Art. 17 Grundgesetz und diskutiert das Zusammenspiel mit anderen verfassungsrechtlichen Rechten (wobei das Zusammenspiel mit anderen Rechten der Schwerpunkt der Darstellung ist). Es wird am Ende die tatsächliche Bedeutung dieses Rechts in Deutschland diskutiert. Die Diskussion mit Beamten des Bureau of Letters and Calls der V. R. China war sehr interessant, weil diese Personen dieses Recht vor einem anderen (verfassungs-) rechtlichen Hintergrund sehen.
2. Zum rechtlichen Umgang
mit Bürgerbeschwerden
Dr. Jörg Brettschneider
Rechtsanwalt
Vortrag für das Bureau of Letters and Calls der V. R. China, Beijing
6. Verfassungsrechtliche Verankerung im GG
Art 17 GG
„Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in
Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten
oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und
an die Volksvertretung zu wenden.“
7. Landesrecht (Bundesländer)
Ausdrückliche Gewährleistungen: Bayern, Berlin, Brandenburg,
Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen (Klein, Maunz-Dürig, GG, Art. 17 Rn.
26). .
Mittelbar aber auch in denjenigen von Baden-Württemberg,
Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen (Klein, Maunz-Dürig, GG,
Art. 17 Rn. 26).
Das Bestehen eines Petitionsrechts wird vorausgesetzt (Klein,
Maunz-Dürig, GG, Art. 17 Rn. 26).
8. Der Landesverfassungsgesetzgeber
unterliegt bei der Ausgestaltung des
subjektiven Petitionsrechts
weitreichenden bundesverfassungs-
rechtlichen Bindungen (Klein, Maunz-
Dürig, GG, Art. 17 Rn. 26).
Landesrecht (Bundesländer)
9. Gemeindeordnung Schleswig-Holstein
16e Anregungen und Beschwerden
„Die Einwohnerinnen und Einwohner haben das Recht,
sich schriftlich oder zur Niederschrift mit Anregungen
und Beschwerden an die Gemeindevertretung zu
wenden. Die Zuständigkeiten der Bürgermeisterin
oder des Bürgermeisters werden hierdurch nicht
berührt. Antragstellerinnen und Antragsteller sind
über die Stellungnahme der Gemeindevertretung zu
unterrichten.“
Kommunale Ebene
10. Artikel 227 AEUV
„Jeder Bürger der Union sowie jede natürliche oder
juristische Person mit Wohnort oder satzungsmäßigem
Sitz in einem Mitgliedstaat kann allein oder zusammen
mit anderen Bürgern oder Personen in Angelegenheiten,
die in die Tätigkeitsbereiche der Union fallen und die ihn
oder sie unmittelbar betreffen, eine Petition an das
Europäische Parlament richten.“
Bürgerbeauftragter Art. 228 AEUV.
Die Petition darf sich nur auf Angelegenheiten beziehen,
die in die Tätigkeitsbereiche der Union fallen.
EU-Ebene
11. • Recht, sich mit Anliegen an die Behörden
und Volksvertretungen zu wenden
• jenseits formaler Verwaltungs-,
Rechtsbehelfs-, und Gerichtsverfahren
• ohne Fristbindung
• ohne Kostenrisiko
Gegenstand (Art. 17 GG)
12. Anspruch aus Art. 17 GG
Anspruch auf vorschriftsmäßige Erledigung
Subjektives Petitionseinbringungsrecht
13. „jedermann“:
• alle natürlichen Personen, auch Ausländer und
inländische juristische Personen und
Personenvereinigungen und
Personenvereinigungen des Privatrechts.
• juristische Personen des öffentlichen Rechts nur
dann, wenn sie Grundrechtsträger sind (wie z.B.
Universitäten und Rundfunkanstalten).
• grundsätzlich gilt das Petitionsrecht auch
in Sonderstatusverhältnissen (Soldaten, Beamte,
Strafgefangene).
Grundrechtsträger (Art. 17 GG)
15. • „Bitten“ sind auf ein künftiges,
„Beschwerden“ auf ein vergangenes oder
andauerndes Verhalten gerichtet.
• Es muss ein konkretes Begehren geäußert
werden.
• Abzugrenzen von formalen Verwaltungs-,
Rechtsbehelfs- und Gerichtsverfahren
“Bitten und Beschwerden“ (Art. 17 GG)
16. • Schriftform
• elektronische Übermittlung der Petition
• „öffentliche Petition“ (danach können Petenten ihre
Beschwerden über eine Internet-Maske des
Bundestages für jeden Dritten zugänglich ins Netz
stellen: öffentliches Diskussionsforum)
• Identität des Absenders
Form (Art. 17 GG)
17. • Sämtliche Behörden und öffentlich-rechtliche
Einrichtungen
• Staatliche Unternehmen in privater Rechtsform,
soweit sie staatliche Aufgaben wahrnehmen und
Beliehene
• Volksvertretungen
• Bei Unzuständigkeit Weiterleitung oder
Rückgabe unter Hinweis auf Unzuständigkeit
Adressaten (Art. 17 GG)
20. Anspruch auf vorschriftsmäßige Erledigung
- Anspruch auf Entgegennahme
- Anspruch auf inhaltliche Prüfung
- Anspruch auf Beantwortung (Verbescheidung)
- Kein Anspruch auf Abhilfe oder bestimmte Art
der Erledigung (BVerfGE 13, 54, 90)
21. • ein Recht auf Antwort, die Bescheidung.
• es muss nicht mitgeteilt werden, in
welchem Umfang und welchem Umfang
der Petitionsadressat Sachaufklärung
betrieben hat.
Anspruch auf vorschriftsmäßige Erledigung
22. • Petition wird nicht angenommen.
• Einreichung wird behindert oder erschwert
• Petition wird fehlerhaft bzw. überhaupt nicht
erledigt.
• Petent darf nicht mit Kosten belastet werden
• Behinderung vorbereitender Handlungen
• Drohung mit Nachteilen von staatlichen Stellen
oder tatsächliche Benachteiligung.
Verletzung des Petitionsrechts (Art. 17 GG)
23. • Art 227 AEUV
• Entscheidung gerichtlich überprüfbar
• „Behandlung“ bereits durch Weiterleitung die
Stelle weiterleitet, gegen deren Handeln die
Petition gerade gerichtet war?
EU-Ebene
24. Anspruchsausschluss
• Kein Anspruch auf Befassung, wenn
rechtswidrige Petition vorliegt.
• Der Eingriff in Kompetenzbereich der Justiz ist
z.B. verboten.
• Bei wiederholter Petition in gleicher Sache kein
Anspruch auf erneute inhaltliche Befassung.
25. • Petitionen als Instrument von „Voice“
• Es gibt auch andere Instrument von „Voice“.
• Konkurrenz der Instrumente von „Voice“.
• Die Instrumente „Voice“ als auch “Exit“ und
„Loyalty“ stehen in Zusammenhang.
Zusammenspiel mit anderen Rechten
26. Zusammenspiel mit anderen Rechten
Pressefreiheit Politischer Prozess
Meinungsfreit,
Versammlungsfreiheit
RechtsschutzPetitionsrecht
(mehrere) Bürger
Auswahl der Instrumente
alle „Voice“
(Albert O. Hirschman, Exit, Voice, and Loyality, 1970)
Innerparteiloche
Demokratie
InternetRADr.JörgBrettschneider
27. Zusammenspiel mit anderen Rechten
Art. 21 (Recht auf politische Mitgestaltung) Verfassung
Brandenburg
„(3) Alle Menschen haben das Recht, sich in Bürgerinitiativen
oder Verbänden zur Beeinflussung öffentlicher
Angelegenheiten zusammenzuschließen. Diese haben das
Recht auf Information durch alle staatlichen und kommunalen
Stellen und auf Vorbringen ihrer Anliegen bei den zuständigen
Stellen und Vertretungskörperschaften. Das Nähere regelt ein
Gesetz. “
28. •
• förmliche Rechtsbehelfe und Rechtsmittel,
• Meinungsäußerungen fallen unter Art. 5 Abs. 1
Satz 1.
• Anträge auf Auskunftserteilung und Akteneinsicht
gegenüber staatlichen Stellen
(Informationsfreiheit) fallen in den sachlichen
Schutzbereich der Informationsfreiheit
des Art. 5 Abs. 1 Satz 1.
Konkurrenzen
29. Bedeutung von Petitionen
Mediendurchdringung. Nutzung von Medien wie
facebook.com, insbesondere Internet zum Protest
Privatisierung von ehemals staatlichen
Aufgabenbereichen
geringere Bedeutung
31. 感 谢 观 看desk@ecomvat.com
Dr. Jörg Brettschneider
Rechtsanwalt
WeChat
Vortrag für das Bureau of Letters and Calls der V. R. China, Beijing,
Juni 2018
Foto von dem Vortrag