Referatspräsentation zum Thema "Mystik im Crhsitentm und Islam" der Veranstaltung "Christentum und Islam - Geschichte ihrer Beziehungen" von Prof. Dr. Unterburger an der WWU Münster. (WS 2011/12)
2. Mystik im Christentum und Islam 2
• Begriffsdefinition „Mystik“
• Islamische Mystik (Sufismus)
• Entstehungs-/ und Entwicklungsgeschichte
• Zentrale Elemente des Sufismus
• Mystische Bruderschaften und Orden
• Al-Ghazali (gest. 1111)
• Das Gottesgedenken (ḏikr)
• Christliche Mystik
• Ursprünge
• Die monastische Mystik
• Die „neue“ Mystik
3. Mystik im Christentum und Islam 3
Mystik (griech. myein – die Augen schließen)
a) „als Erfahrung die Versenkung der Seele in ihren göttlich-unendlichen Grund
(unio mystica – Einswerden mit dem Ursprung, d.h. mit dem, was alles
Endlich Vielfältige „im Grunde“ ist)
b) als Versuch der philosophischen und theologischen Auslegung; die Reflexion
über diese Erfahrung“
Schimmel: „eine seelische Erfahrung einer Wirklichkeit, die durch ‚keinen
normalen Erkenntnisakt begriffen oder ausgedrückt‘ werden kann.
4. Mystik im Christentum und Islam 4
• arab. taṣawwuf. abgeleitet von ṣūf (arab. Wolle), dem Gewand der Mystiker
• Mystiker - ṣūfī oder mutaṣawwif
Ǧunayd al-Baġdādī (gest. 910): „das bedingungslose und ungebundene Einswerden mit Gott“
Ruwaym al-Baġdādī (gest. 915): „die Zuflucht bei Gott in jeder Situation […] und der Verzicht
auf Sachen, die das religiöse Gesetz (šarīʿa) erlaubt hat“
Abū Bakr aš-Šiblī (gest. 946) : „das Abwenden des Herzens vom Volk und das Verbinden
des Herzens an Gott“
Ḏū-n-Nūn al-Miṣrī (gest. 859): „das Halten der Gottesliebe über allem und das Halten Gottes
solcher Leute über allen“
Abd al-Qādir al-Ǧīlānī (gest. 1166): „die schweigende Hinnahme bei Eintritt von Schicksal und
Vorherbestimmung“.
5. Mystik im Christentum und Islam 5
• Weltverzicht und Frömmigkeit einiger Prophetengefährten (7./8. Jhd.)
• Erziehung der niederen Triebseele (nafs) für Gotteserkenntnis (maʿrifa)
• verschiedene Seelenzustände durch „ṣūfischen Pfad“ (tarīqa)
• das Gesetz (šarīʿa) – der mystische Pfad (tarīqa) – die Wahrheit (haqīqa)
• „diejenigen, die Gott liebt und diejenigen, die ihn lieben“ (Koran, 5:54)
6. Mystik im Christentum und Islam 6
Leitprinzipien
• absolutes Gottvertrauen und Zufriedenheit mit dem, was Gott gewährt
• ständiges Gottgedenken
• Weltverzicht und Konzentration auf die ethischen Prinzipien des Glaubens
• absolute Gottesliebe
• Zentren in Baġdād (Irak), Naysābūr (Iran), Balḫ (Afghanistan) und Tirmiḏ
(Usbekistan)
• Höhepunkt mit Abū Ḥāmid al-Ġazālī (gest. 1111)
• Werk: „die Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften“ (iḥyāʾ ʿulūm ad-dīn)
7. Mystik im Christentum und Islam 7
• Quelle allen Übels, der dem Menschen einflüstert; wandelbar und erziehbar
• 3 Arten von nafs im Koran:
• die befehlende Seele (nafs al-ʾammāra) [12:53]
• die tadelnde Seele (nafs al-lawwāma) [75:2]
• die ruhende Seele (nafs al-muṭmaʾinna) [89:27] Ziel
Verhaltensprinzipien zur Erziehung der Triebseele
• der Aufmerksamkeit beim Atmen (hūš dar dam),
• der Überwachung der eigenen Schritte (nazar bar qadam),
• der inneren mystischen Reise (safar dar waṭan),
• der Einsamkeit in der Menge (ḫalwat dar anǧuman),
• dem eigentlichen Gottgedenken (yād kard),
• der Kontrolle seiner Gedanken (bāz gard),
• der Überwachung seiner Gedanken (negāh dašt) und
• der Konzentration auf Gott in jeder Situation (yād dašt).
8. Mystik im Christentum und Islam 8
• Etablierung im 12. / 13. Jhd.
• durch Meister (šayḫ) geleitet und betreut
• Schüler erlernt „verborgenes Wissen“ durch Meister
• Kette an Meistern bis zum Propheten (silsila)
• wichtigsten Bruderschaften des klassischen Sufismus
• Qādirīya, Indonesien bis Nordwestafrika
• Suhrawardīya , Indien bis Südpakistan
• Rifāʿīya, Naher Osten, Türkei, Balkan
• Naqšbandīya, Zentralasien, Indien; Türkei.
• Mawlawīya, Türkei
9. Mystik im Christentum und Islam 9
ū Ḥā Ġ āī
• Gelehrter aus Ḫorasān (Iran)
• Kritiker der Philosophie, Befürworter der Mystik
„die Vernunft ist nur ein dürres Skelett der Religion, wenn sie nicht von der
Kraft des Herzens Leben empfängt.“
• durch rationale Überlegungen ist eine Glaubensgewissheit nicht möglich
• Sufismus als richtiger Weg zur Erkenntnis
10. Mystik im Christentum und Islam 10
Ḏ
• „Ihr Gläubigen! Gedenket unablässig Gottes und preiset ihn morgens und
abends.“ (Koran, 33:41-42)
• laut oder leise; alleine oder in Gemeinschaft
• Ziel: Herz gedenkt Gott unablässig, auch wenn die Zunge schweigt
• Abwenden von teuflischen Einflüsterungen durch Gottesgedenken
• spirituelle Übung und Mittel zur Meditation
12. Titel der Präsentation 12
• Keine allgemein anerkannte Definition
• Adjektiv „mystisch“ bereits im 2./3. Jh. gebraucht und bezeichnete:
o geheimnisvolle, hl. Phänomene
o den geistlichen Sinne der Schrift
o eine tiefe, unsagbare Erkenntnis (Kontemplation)
• 5. Jh. Begriff der „mystische Theologie“ (Pseudo-Dionysius Areopagita)
o Die mystische Gotteserkenntnis oder Erfahrung mystischer Einigung
13. Mystik im Christentum und Islam 13
• Bedeutung des Begriffs „mystisch“ im Christentum zielt auf:
o eine unmittelbare oder direkte Wahrnehmung der Gegenwart Gottes
o „liebende Einigung mit Gott“
o Aufhebung der Begrenzung zwischen Gott und Mensch
o Eine auf Erfahrung gegründete Gotteserkenntnis schon während des
Erdenlebens
o Höhepunkt ist die Vereinigung Gottes mit der Seele = unio mystica
14. Mystik im Christentum und Islam 14
• Paulusbriefe
• Christliche Theorie der Mystik im 3. Jh. in Alexandrien
o Clemens von Alexandrien
o Origenes
o Platonismus
• Origenes:
o Theorie wurzelt in Erforschung des „inneren Sinns der Schrift“
o Sieht als erster in der Braut des alttest. Hohenlieds die Seele und nicht nur
die Kirche
15. Mystik im Christentum und Islam 15
• Mönchtum als wichtigster „Sitz im Leben“ der Mystik
• Mystische Schriften des Ps.-Dionysius Areopagita
o Ende des 5. Jahrhunderts
o Popularisierung der Unterteilung des mystischen Weges in via purgativa,
illuminativa und unitiva
o Richtmaß für die mittelalterliche Mystik
• Frühmittelalter: Mangel an mystischen Zeugnissen
16. Mystik im Christentum und Islam 16
Hochmittelalter:
• Bernhard von Clairvaux
o Wiederbelebung einer mystischen Lektüre des Hohenlied
• Anfänge der Frauenmystik
Konzentration auf die liebende Einigung von göttlichem und menschlichem
Wesen
Weltflucht, die Kontemplation ermöglichen soll, steht im Mittelpunkt
17. Mystik im Christentum und Islam 17
• Bettelorden und religiöse Frauenbewegung der Beginen
o mystischer Kontakt mit Gott sollte allen Christen zugänglich werden
o Produktion von mystischen Texten in europäischen Volkssprachen
o Ausdruck und Inhalt der Texte gewagter
• Vertreter: Franz von Assisi, Bonaventura, Meister Eckhart, etc.
• Aufblühen der Frauenmystik (13./14. Jh.)
Hadewijch, Mechthild von Magdeburg
18. Mystik im Christentum und Islam 18
• Ab 17. Jh. zunehmender Vorbehalt gegenüber der Mystik
• Aufklärung im 18. Jhd.
o Verurteilung und Ablehnung
o Gleichgesetzt mit paranormalen psychosomatischen Zustände
• 18./19. Jh.: bedeutende Mystiker fehlen
19. Mystik im Christentum und Islam 19
Platon (428/27-348/47 v. Chr.): 4 Seinsstufen
(Schatten, physische, mathematische Körper, Ideen)
• Menschenbild des Platonismus
• Entgegensetzung Geist Materie
• Der Wahre Mensch = Vernunftseele, Mittlerin
sinnliche-unsinnliche Welt
• Mutartige Seele und Begierdenseele
darunter: „Gefängnis“
20. Mystik im Christentum und Islam 20
• Pneumatischer Mensch = äußerlich an materielle Welt gebunden;
innerlicher Kern, der sie mit geistlich-transzendenter Welt verbindet
• Mensch hat Kontakt zur Transzendenz verloren
• Stufen hin zur Geistwelt „von unten“ zurück aufsteigen Weg der
Erkenntnis
21. Mystik im Christentum und Islam 21
• Spekulationen um einen Demiurg
• „Einer“, dem alles zugrunde liegt
Neuplatonismus (3. Jh. Plotin; - 6. Jh. n. Chr.)
• Zusammenhang zwischen dem „Einen“ und auf der Erde
vorhandener Vielfalt
• Zwischen Einheit und Vielheit – System der
Abstufungen, Emanation (Hervorgehen) – das Eine verliert
nie seine Vorrangstellung
22. Mystik im Christentum und Islam 22
• Zusammenhang zwischen dem „Einen“ und auf der Erde vorhandener Vielfalt
• Zwischen Einheit und Vielheit – System der Abstufungen, Emanation
(Hervorgehen) – das Eine verliert nie seine Vorrangstellung
23. Mystik im Christentum und Islam 23
• Das Eine tritt heraus – Entfernung von seiner geistigen Wirklichkeit bis hin
zur Materialität
• Ruft Unterscheidung hervor
• Dauernde Abstufung des Seins erzeugt neue Unterscheidungen
• Fortdauernder Zusammenhang zwischen Ursprung im Einen und Welt der
Vielheiten
• Leiter zur Wahrheit
• Weg muss ein geistiger sein, da Vielfalt an Materialität haftet
24. Mystik im Christentum und Islam 24
• (aus einer Handschrift der Paulusbriefe, frühes 9. Jh.)
• „mystischer“ Identitätswechsel:
• Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus
lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch,
das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes,
der mich geliebt hat und sich selbst für mich
dahingegeben hat. (Galater 2,20)
• Seinswirklichkeit grundlegend durch Christus
verändert, nicht EIN Moment christlicher(/menschlicher)
Existenz Paulus Kein Mystiker
25. Mystik im Christentum und Islam 25
Islam:
• Sufi-Stufen (Reue, Armut, Gottvertrauen, Geduld, Furcht/Hoffnung
Gottesliebe, Gotteserkenntnis)
• Gemeinsamkeit: Stufensystem; Annäherung, Ursache allein Seins
in Gott
26. Mystik im Christentum und Islam 26
Christentum
• Hinwendung zu himmlischen Hierarchien über irdische Kirche als Mittlerin
• Dreizahl der kirchlichen Ämter – Abbild der himmlischen Hierarchie
• Platonisches Abbildschema
• Bischof, Priester, Diakon entsprechen himmlischer Trias
• Kirche: Mönche, Laien, Katechumenen
Islam
• Vermittlerrolle ausgeschlossen
• Sufi-Meister als Initiator, Lehrer
• Oft keine etablierten Führer, sondern Handwerker und Gelehrte
• Priestertum ausgeschlossen
27. Mystik im Christentum und Islam 27
Christentum
• Sondersprache mystischer Texte, Gestaltwerdung mystischer Inhalte
• Mystische Sprache als eigentliche Aussageform mystischer Erfahrung
• Paulus: „unsagbare Worte“ (2 Kor. 12,4) bei Entrückung
• Mystische Erkenntnis überhaupt „sagbar“? Schweigen: Korrelat der
mystischen Rede
• Bernhard von Clairvaux: Geist redet mit Seele eine „eigene Sprache“
ohne „sinnlich wahrnehmbare Laute“
28. Mystik im Christentum und Islam 28
Christentum:
• Mystische Erfahrung vollzieht sich nicht außerhalb der Sprache, ist
vielmehr „Medium der Erfahrung“
• Mystische Sprache = Metasprache
• Annäherung vom Vielen der Worte zum Einen der Aussage (transitus)
• Hervorgang Gottes in unserer Welt + Rückkehr des Geschaffenen
zum Ursprung
29. Mystik im Christentum und Islam 29
Islam
• Symbolsprache/Verschlüsselung
• Ekstatische Sprechweise – Ausdruck der Entrückung, nicht wörtlich zu
verstehen
Sprache als Weg von Vielfalt zum Göttlichen Einen
30. Mystik im Christentum und Islam 30
Yunus Emre (um 1300) Angelus Silesius (geb. 1624)
31. Mystik im Christentum und Islam 31
• Göttliches in im Menschen angelegt; Hallag: extremere Form
• Lyrisches Ich in Armut
• Gegensatz Leib/Seele – Seele: höherer Wert /Innen-Außen-Gegensatz
• Kreislaufgedanke
• Gott ist nicht fassbar
• Das Eine in Allem
• Yunus: Biblische Symbole
• Hallag:
32. Mystik im Christentum und Islam 32
• Askese (Verzicht auf weltliche (Luxus)Güter)
• Gottesliebe Zentrum beider Strömungen
• Islam: Liebe geht von Gott aus, Mensch antwortet
• Christentum: Gott als der Annehmende, Bejahende
• Suche nach Glanz und Herrlichkeit Gottes
• Gott bleibt unaussprechlich, entzieht sich
• Sufismus: Verbot, von Vereinigung zu sprechen –nur angestrebt
• Christliche Mystik: Vereinigung mit Gott nur punktuell möglich,
vollkommen erst im Jenseits
Unterschied:
• Muhammad: „Gottes Diener“, Geschöpf, nie mit dem christlichen „Gottessohn“
vergleichbar
33. Mystik im Christentum und Islam 33
• Gemeinsame Ursprünge in Platons Philosophie
• Eremiten in Arabien – Askese-Prinzip vermittelt
• Spanien: Kulturkontakt: Raimundus Lullus