1. 8 Internet World BUSINESS TRENDS & STRATEGIEN 15. Oktober 2012 21/12
INTERMEDIÄRE – VERMITTLER ZWISCHEN GESCHÄFTEN
Das Fleurop-Prinzip
Wie Fleurop verlinken heute clevere Web-Dienste Geschäfte: Sie bringen Gastronomen und Essenslieferdienste zusammen
oder verhelfen Patienten bequem zu ihrer Arznei. Weitere Ideen für Intermediäre werden gesucht – auch von Investoren
as Google der Gärtner entstand 1908: an. Wer sie umsetzt, darf auf hohes Inter-
D Als sich das Telefon in Haushalten
auszubreiten begann, erfand der Berliner
esse seitens der Investoren rechnen: Die
international agierenden Intermediärs-
Max Hübner die „Blumenspenden-Ver- gruppen Deliveryhero und Yourdelivery
mittlungs-Vereinigung“: „Es reist der Auf- wurden mit hohen zweistelligen Millio-
trag, nicht die Blume“, war die Idee, die nenbeträgen unterstützt: „Als Intermediär
bald als Fleurop aufbühen sollte. Fortan zwischen Anbieter und Lieferant zu ste-
wurden nicht mehr Bouquets verschickt, hen, ist ein interessantes, höchst lukratives
sondern Lieferaufträge an zuverlässige Geschäftsmodell“, erklärt Jörg Binnenbrü-
Gärtner vor Ort vermittelt. cker, Geschäftsführer von Dumont-Ven-
Kunden freuten sich über frische, un- ture, beteiligt an Lieferando. „Diese Diens-
versehrte Blumen, Gärtner über zusätzli- te helfen bei der Logistik und bieten auch
che Aufträge – trotz zweier Kriege über- noch einen Marketingkanal.“
wand Fleurop schnell Grenzen. Seit 1946 Neben der Aussicht auf die Lieferung in-
agiert das Unternehmen weltweit, heute nerhalb eines Tages werden Restaurants,
vereint es 50.000 Floristen, vermittelt Auf- Einzelhändler und Apotheken mit Hilfe
träge für 25 Millionen Sträuße im Jahr – von Intermediären im Netz sichtbar, ohne
längst auch über das Internet. Websites oder Online-Marketing betrei-
Dort feiert das Fleurop-Prinzip fröhli- ben zu müssen. Intermediäre versprechen
Foto: Fleurop
che Urständ. Wie einst Gärtner Hübner zudem Skaleneffekte, wie Investoren sie so
per Post und Telefon vermitteln Gründer lieben: Einmal eingerichtet, können die
heute als Intermediäre online Geschäfte: Fleurop-Blumenhändler: Nicht Blumen werden verschickt, sondern Aufträge – zum Gärtner vor Ort Plattformen unendlich viele Geschäfts-
Dienste wie Lieferando (Yourdelivery), partner zusammenbringen. Sie bezahlen
Lieferheld (Delivery Hero) oder Pizza.de sinn, wenn Waren einzeln an Kunden ver- Bönig. Diesen wollen auch die Web-Servi- dafür entweder Handelsprovisionen oder
etwa verhelfen Gastronomen und Liefer- schickt und gewachsene Infrastrukturen ces Vitabote und Dedendo stärker auslas- eine Einrichtungs- plus Nutzungsgebüh-
dienste zu Mehr-Einnahmen. Ordermed, zerstört werden“, sagt Mathias Thomas, ten. Allerdings bekommen Kranke hier ren oder beides. Die Einnahmen wieder-
Vitabote oder Dedendo vernetzen dazu Gründer von Gaxsys (s. rechts). „Jeder är- bisher nur frei verfügbare Arzneien. um reichen aus, um mit geballter Werbe-
Apotheken, Ärzte und Patienten. Und der gert sich über die Zunahme von Lastwa- Pizza, Medikamente, Markenware – der kraft Tausende, wenn nicht gar Millionen
Karlsruher Dienstleister Gaxsys macht gen.“ Um die Umwelt zu schonen und Ver- Bedarf an Intermediären wächst auch in Nutzer auf die Plattformen zu locken.
den Einzelhandel zum Lieferanten von triebsnetze zu erhalten, lässt Thomas Lä- anderen Sparten. E-Commerce und Mul- Nutzen viele Konsumenten diese regelmä-
Marken-Online-Shops. „Komfort ist ge- den vor Ort liefern, was bei Marken online tichannel erfordern Ideen. Verbraucher ßig, können ihnen weitere Services und
bestellt wird. würden gern Getränke sowie Partysnacks Produkte angeboten werden.
„Ein Rezept anfordern, zur Lieferung online ordern, die Reini- „Die Vision ist, das Businessmodell auf
„Ideen, die Online- und ist ein Prozess, den man gung ihrer Wäsche im Web organisieren andere Branchen auszuweiten“, sagt Bin-
Stationärleistungen verzahnen, heute noch zeitraubend oder Pakete auch nach Schalterschluss ab- nenbrücker. „Das Verzahnen von Off- und
zu Fuß oder per Telefon holen. „Je dringlicher und je weniger plan- Onlinemodellen durch Intermediäre liegt
haben enorme Marktchancen.“ lösen muss“, sagt Markus bar ein Bedürfnis, umso mehr sind Inter- im Trend.“ Lieferando und Konsorten
HAGEN SEXAUER Bönig, Gründer von Or- mediäre gefragt, die Lieferanten auf ihren könnten neben Restaurants Getränke-
Principal Sempora dermed. „Wir organisie- Plattformen einbinden“, so Sexauer. händler oder Caterer ins Netzwerk addie-
ren und verkürzen Kom- In den USA organisiert die vor Kurzem ren, Apotheken ihren Botendienst auch
munikation.“ Bei Order- preisgekrönte App Missnev – „Never miss für die Reinigungen oder Supermärkte
fragt“, sagt Hagen Sexauer und fasst die med organisieren sich über 165.000 Ärzte, a package“ – Geschäfte, Kioske, Restau- ums Eck öffnen, damit Kranke nicht raus-
Studie „Sehnsucht nach dem Intermediär“ 1500 Apotheken und Patienten. Letztere rants, um Bestellern fußläufig Abholmög- müssen zum Einkaufen. „Langfristig gese-
der Beratung Sempora zusammen: „Ideen, registrieren sich auf der Plattform bei ei- lichkeiten zu bieten. Gleiches macht Use- hen wollen wir unser Geschäftsmodell tat-
die Online- und Stationärleistungen ver- ner Apotheke und können danach über yourlocal mit britischenPubs. „Die öffnen sächlich ausweiten“, sagt Ordermed-Chef
zahnen, haben enorme Marktchancen.“ das System beim Arzt Rezepte verschrei- mit solchen Services die Herzen ihrer Gäs- Bönig. „Botendienste können auch Ande-
Wie bei Fleurop ist das Ziel der Interme- bungspflichtiger Medikamente anfordern. te“, sagt Gründer Stuart Mills und grinst: res als Medikamente liefern.“
diäre, Partner für eine effiziente, schnelle Die Apotheke organisiert die Lieferung „Es es gibt doch keine bessere Entschuldi- Mit großem Interesse beobachten Han-
Lieferung zu verlinken. „Es wäre doch am gleichen Tag. „Die meisten Apotheken gung für ein kurzes Bier.“ Adaptionen sol- delskonzerne die Dienstleister: Längst tüf-
wirtschaftlicher und ökologischer Wahn- unterhalten einen Botendienst“, erläutert cher Services kämen auch in Deutschland teln Amazon und Ebay an Konzepten, ih-
re Plattformen zu Intermediären auszu-
bauen. Das Ziel sind regionale Mikrologis-
Bestellung und Lieferung online organisieren Schnelle Lieferung gefragt tik-Infrastrukturen für kürzeste Lieferfris-
Für welche Warengruppen Kunden Intermediär-Konzepte schätzen Welche Lieferfristen Verbraucher für Waren erwarten ten innerhalb eines Tages. Otto hat daher
in Vitabote investiert, und hinter Deden-
alle Angaben niemals hohe Zustimmung sehr hohe Zustimmung alle Angaben in Prozent 2 Std. 4 Std. 6 Std. am gleichen Tag
in Prozent
do stehen der börsennotierte Werbekon-
zern Interpublic Group, Pharmagroß-
Medikamente 10 37 53 Speisen/Pizza & Co 69 43 27
händler Anzag und – indirekt – die Inves-
Speisen/Pizza & Co 11 30 59 Medikamente 26 18 10 46
toren von KKR, die an der Sendergruppe
Getränke 19 41 40 Feinkost/Partyservice 20 19 14 47
Prosieben Sat1 beteiligt ist. Dedendo
Drogerieartikel 20 48 32 Lebensmittel 17 20 12 51
Reinigung 21 42 37 Getränke 14 10 62
plant, bald ähnlich aggressiv im Fernse-
14
Sanitätsbedarf 21 45 34 Bio-Produkte 11 14 10 65
hen zu werben wie Zalando.
Feinkost/Partyservice 28 42 30 Sanitätsbedarf 9 12 13 66
Blumenhändler Hübner sah mit Begeis-
Tiernahrung 26 39 35 Reinigung 4 7 8 81
terung, wie seine Fleurop-Idee trotz zwei-
Lebensmittel 33 34 33 Tiernahrung 4 6 8 82 ter Weltkriege in Europa und in den USA
Bio-Produkte 39 36 25 Drogerieartikel 3 7 12 78 aufblühte. Dass sie nun mit aller Kraft
auch in andere Sparten rankt, würde den
40 Prozent der Verbraucher wünschen sich Bestell- und Lieferservices für Getränke Höchstens zwei Stunden wollen 69 Prozent der Besteller auf ihr Essen warten Unternehmer, der 1946 starb, wohl mit
© INTERNET WORLD Business 21/12 Quelle: Sempora Consulting, 519 Verbraucher befragt mehr Stolz erfüllen. füllen. vs ■