Er kam im Herbst 2015 als Sanierer der angeschlagenen Bergbahnen Destination Gstaad (BDG).
Am Wochenende heimsten Matthias In-Albon und sein Unternehmen in Tirol gleich sieben Preise ein.
1. 2 Dienstag, 21. Mai 2019
Region
Svend Peternell (Interview)
Herzliche Gratulation zum
Preis als Seilbahner des Jahres!
Den holt man nur, wenn man
nicht davor zurückschreckt,
sich unbeliebt zu machen – wie
Sie als Sanierer, der 2015 aus
dem Wallis gekommen ist.
Matthias In-Albon: Das kann ich
mit Jabeantworten.Manmuss bei
einer Sanierung und Umstruktu-
rierung alle Schrauben anpassen,
wasgrosseVeränderungenbedeu-
tet. Bei der Bergbahnen Destina-
tionGstaad(BDG)musstenwirAk-
zente setzen, um wieder Unter-
nehmertum in die Firma zu
bringen.
Die härtesten Massnahmen zur
Rettung des Unternehmens
waren die Einstellung derReller-
li-Gondeln und derZubringer-
bahn in St.Stephan.Wird man
Ihnen dort den Preis gönnen?
Jeder Preis gibt zusätzliche Nei-
der. Unpopuläre Massnahmen zu
treffen und negative Entscheide
durchzuführen, gehört zum
Unternehmerdenken dazu. Und
daher kümmert es mich diesbe-
züglich nicht, was andere darü-
ber denken.Wichtig ist mir, dass
wirals Unternehmenweiterkom-
men. Dass nun die externen Ex-
perten den Positivtrend der BDG
in ihrer Studie untermauern,
freut mich sehr.
Nicht nur Freunde haben Sie
sich mit den eingeführten Park-
platzgebühren gemacht. Im
Saanenland bezahlt man, in
Zweisimmen nicht.
Daswird auch noch kommen.Das
ist eine Frage der koordinierten,
gesamthaften Einführung – auch
in der Gemeinde Zweisimmen,
wo das Parkplatzreglement
schon abgesegnetworden ist.Die
Einführung erfolgt zusammen
mit den Bergbahnen, der Ge-
meinde und der BLS. Das haben
wir so abgeglichen. Sonst wei-
chen die Besucher ins Dorf aus.
Sie müssen eine dicke Haut
haben.
Das braucht es, ja. Im zweiten
Jahr meinesWirkens bei der BDG
bekam ich gewisse Statements
zu hören, ich solle wieder über
den Sanetschpass zurück in mei-
ne Heimat gehen.
Wie sind Sie damit
umgegangen?
Mein Vorteil ist meine Unabhän-
gigkeit.Ich konnte gewisseAbläu-
feisoliertanschauen,ohnedieZu-
sammenhänge in der Region zu
sehen oderverstehen zu müssen.
Somit konnte ich die nötigen Ent-
scheide treffen und durchführen.
Was mussten Sie also genau
tun, um die BDG aus der Misere
zu führen?
Kurz gesagt: Auf der einen Seite
ging es darum, die Kosten zu
senken, und auf der anderen, die
Einnahmen zu erhöhen.
Mit klaren Einschnitten: Von
anfänglich 370 BDG-Mitarbei-
tenden haben Sie auf 321 abge-
speckt.
Das waren nicht Kündigungen,
sondern Abgänge und Saison-
stellen, die wir nicht mehr be-
setzt haben.
Was hatte das fürAuswirkun-
gen auf Qualität und Präsenz
im Skigebiet?
Die Gesamtzufriedenheit bei den
Gästen ist gestiegen, wie einer
externen quantitativen Auswer-
tung der letzten vier Jahre zu
entnehmen ist. Weniger Leute
haben die gleiche Leistung mit
besserer Qualität geliefert und
somit effizientere Dienstleistun-
gen erbracht. Hinzu kommt, dass
das Rellerli und die Zufahrt St.
Stephan nicht mehr in Betrieb
sind.
Das nennt man dann wohl
Prozessoptimierung.
Wir haben uns für jeden einzel-
nen Berg überlegt, welche Anla-
ge und welches Pistenfahrzeug
im Optimalfall wie besetzt wer-
den muss. So kamen wir auf ein
theoretisches Ist und konnten
vergleichen, wie viele Prozent-
stellen wir wirklich haben. Das
ergab eine Differenz von Theo-
rie und Praxis von über 20 Pro-
zent.
Während zweier Jahre hat die
BDG 10 Millionen in die Be-
schneiung investiert – mit
entsprechend hohem Energie-
und Wasserverbrauch.Wo
bleibt der Beitrag zum Klima-
schutz?
Das Unternehmen hat ökonomi-
sche, ökologische und soziale
Nachhaltigkeit entlang derWert-
schöpfungskette verankert. Zur
Sicherung unserer Zukunftsfä-
higkeit investieren wir konse-
quent in die umfassende Nach-
haltigkeit, wie etwa in ein
Schneehöhenmesssystem, in die
Sonnenenergie oder in ein Leit-
system.
Der Preis «Seilbahner
des Jahres» stärkt Ihnen den
Rücken.
Ich sehe es als einen Preis mei-
ner engagierten Mitarbeiter an.
Darum widme ich den Preis als
Seilbahner des Jahres auch mei-
nem Mitarbeiterstab. Um das
Boot aus stürmischen in ruhige-
re Gewässer zu führen, muss
man einen Weg ausserhalb der
Komfortzone gehen. Der Kapi-
tän kann noch so gut sein –
wenn niemand mitrudert, kann
man nichts ausrichten. Auch
eine klare Navigationskarte des
Verwaltungsrates ist enorm
wichtig.
Was kommt als Nächstes?
Von meinem Werdegang her bin
ich der Sanierer, und man stell-
te mir bereits verschiedentlich
die Frage, ob ich nach der Sanie-
rung wieder weggehen werde.
Aber es reizt mich, nach Sanie-
rung und Restrukturierung auch
die Vorwärtsstrategien mitzu-
prägen.
Konkret.
Mit der Erneuerung der Eggli-
bahn und dem Neubau des Berg-
hauses durch massgebliche
Unterstützung des Club de Luge
führen wir die Vorwärtsstrategie
der BDG weiter. 2021 bis 2023
steht die Beschneiung Lengen-
brand-Parwengesattel-Chalte-
brunne an, 2023 bis 2025 der
Neubau der Horneggli-Sessel-
bahn und 2024 bis 2026 der Er-
satz der Sesselbahn Hornberg.
Aber jetzt werden Sie das
Tempo zurücknehmen.
Wir versuchen viel umzusetzen,
und das erfordert Höchstleistun-
gen vom Team. Permanent in der
Stresszone zu sein, ist aber nicht
gut. Das habe ich auch intern ge-
spürt. Schliesslich wollen wir für
die Unternehmung brennen und
nicht verbrennen.
Sie hinterfragen sich auch
selbst.
Um als Chef fördern zu können,
ist eine Eigenreflexion enorm
wichtig. Ich muss reflektieren,
wo wir pushen und wo wir auf
Flow gehen. Schliesslich will ich
niemanden aus dem Mitarbeiter-
stab oder der Geschäftsleitung
deswegen verlieren.
Und wie erholt sich der Seil-
bahner des Jahres?
Joggen, Wandern, Schwimmen
und durch die Zeit mit der Fami-
lie. Es scheint mir wichtig, sich
trotz des stetigen hohen Arbeits-
einsatzes Zeit für Hobbys zu neh-
men. Ich denke, dass bewusstes
Abschalten zu mehr Kreativität
und besserer Führungsqualität
führt.
«Mein Vorteil ist meine Unabhängigkeit»
Gstaad Er kam im Herbst 2015 als Sanierer der angeschlagenen Bergbahnen Destination Gstaad (BDG).
Am Wochenende heimsten Matthias In-Albon und sein Unternehmen in Tirol gleich sieben Preise ein.
Das Team der Bergbahnen Destination Gstaad, das insgesamt sieben Preise in Innsbruck holte (v.l.): Jannik Sager, Walter Reichenbach,
Isabella Eder, Geschäftsführer Matthias In-Albon und Verwaltungsratspräsident Heinz Brand. Foto: PD
«Wir wollen für die
Unternehmung
brennen und nicht
verbrennen.»
Matthias In-Albon
Geschäftsführer Bergbahnen
Destination Gstaad
Dynamische Preise – hin zum Onlinegeschäft
«Im Gegensatz zu St. Moritz und
Zermatt führen wir auf den nächs-
ten Winter nicht nur dynamische
Preise ein», sagt Matthias In-Al-
bon, «sondern machen eine
gesamtheitliche Verlagerung
Richtung Onlinegeschäft.» Er
spricht von Customer-Relation-
ship-Management und Kundenbin-
dungssystem, wo die Daten
aufbereitet werden, und einem
Modul, das auf einer Art Cumulus-
System basiert: «Es gibt eine
Schneeflockensammlung nach
Betrag und Anzahl Buchungen. So
sammelt man Punkte und Leistun-
gen und hat danach etwas gratis
zugut. Bei der Onlinebuchung gibt
es keine Warteschlangen an der
Kasse. Der flexible Gast kann
während der Woche von günstige-
ren Preisen profitieren.» In-Albon
geht es darum, dem Kunden
aufzuzeigen, dass er einen guten
Kauf gemacht hat. «Bei den
variablen Preisen muss die Trans-
parenz sichtbar bleiben.» Wer
frühzeitig entscheidet und bucht,
kommt günstiger weg. «Am güns-
tigsten mit 49 Franken am Tag.
Der Plafond nach oben liegt bei
74 Franken. (sp)
Weitere 9 Prozent Steigerung bei den Ersteintritten
Die Bergbahnen Destination
Gstaad (BDG) hat zum zweiten
aufeinanderfolgenden Mal die
Negativspirale auf der Kostenseite
durchbrechen können. Es gelang
eine Reduktion von 23 Millionen
(2015/2016) auf 19,5 Millionen
(2017/2018). Den Umsatz steigerte
die BDG 2017/2018 gegenüber
dem Vorjahr um 3 Millionen auf
knapp 27 Millionen. Der Gewinn
stieg von 115 000 auf 281000
Franken. Auch die Ebitda-Marge
(Gewinn vor Zinsen, Steuern und
Abschreibungen) kletterte von 22
auf 27 Prozent und näherte sich
dem Branchenrichtwert von 30 bis
35 Prozent an. Auch die sinkende
Anzahl Ersteintritte wurde durch-
brochen: 2017/2018 stieg sie
erstmals um 18 Prozent und im
soeben abgeschlossenen Ge-
schäftsjahr 2018/2019 um weitere 9
Prozent. Die BDG kann auch
weiterhin auf die Standortgemein-
den Saanen, Zweisimmen, Laue-
nen und Gsteig zählen: Diese
haben 2018 im Sinne eines Leis-
tungsauftrags (Sommer) und eines
Investitionsbeitrags (Winter) für die
nächsten fünf Jahre je 4 Millionen
Franken gesprochen. (sp)
Nicht nur gespart, auch 75 Millionen investiert
Die BDG hat sich bei ihrer Ross-
kur nicht nur aufs Sparen verlegt.
«Ausbezahlt gemacht haben sich
unsere Investitionen, welche sich
auf 75 Millionen Franken bis zur
kommenden Wintersaison be
laufen», sagt Geschäftsführer
Matthias In-Albon. Er führt
weitere Gründe ins Feld wie die
veränderte Mitarbeiterkultur, die
umgekrempelte und neu organi-
sierte Führung sowie das Sanie-
rungskonzept mit einem Verwal-
tungsrat, der Rückgrat zeigte, um
die Umstrukturierung umzuset-
zen. «Er verfolgte eine unabhän-
gige und unternehmerische
Perspektive und liess sich lokal
nicht beeinflussen, sondern
sagte klar: Wir gehen den Weg
dieses Sanierungskonzeptes.
Deshalb war auch die ganze
Entpolitisierung sehr wichtig.»
Neben der neuen Saanersloch-
bahn und der geplanten neuen
Egglibahn für diesen Dezember
wurden über 10 Millionen Franken
in die Beschneiung investiert.
Ausserdem wurden die Berggast-
häuser saniert, und jetzt wird ein
Spielplatz am Rinderberg und an
der Wispile gebaut. (sp)
Sieben Auszeichnungen gehen an die BDG
Die Bergbahnen Destination
Gstaad (BDG) hat an den diesjäh-
rigen Winter-Awards vom Interna-
tionalen Skiareatest gleich in
mehreren Kategorien Auszeich-
nungen gewonnen. So ist die BDG
«Aufsteiger des Jahres» unter den
Schweizer Skigebieten und Ge-
schäftsführer Matthias In-Albon
«Seilbahner des Jahres». Die
Pistenleitertrophy geht zudem an
Walter Reichenbach, die Architek-
turtrophy an Elisabeth Wampfler
und Jaggi & Partner für die neue
Saanerslochbahn. Hinzu kommen
das Internationale Pistengütesie-
gel in Gold und jenes für die
Rodelbahnen sowie das beste
Gästeinformationssystem. Das
Skiareatest-Team gibt es seit
24 Jahren. Über 220 Mitglieder
nehmen Tourismusdestinationen
unter die Lupe und sammeln
anonym Eindrücke im europäi-
schen Alpenraum. Die Juroren
stammen aus verschiedenen
Berufsgruppen und Ländern. Die
Preise, welche die BDG am
Samstag entgegennahm, sind von
verschiedenen Unternehmen
gesponsert. Es handelt sich vor
allem um Naturalleistungen. (sp)
Zur Person
Matthias In-Albon ist gebürtiger
Briger und 34-jährig, verheiratet
und Vater zweier Kinder im Alter
von drei und anderthalb Jahren.
Der Wirtschaftsingenieur und
Betriebsökonom, der zuerst bei
der Lonza AG arbeitete, zog als
COO der Bergbahnen Saas-Fee
die Fusion mit den Nachbarn in
Saas-Almagell durch und er-
arbeitete sich in der Branche
einen guten Ruf, ehe er im Herbst
2015 als Sanierer zu den maro-
den BDG stiess und die Bahnge-
sellschaft mit straffen Massnah-
men und einem ihn stärkenden
Verwaltungsrat im Rücken aus
der Bredouille zog. Gegenwärtig
absolviert Matthias In-Albon eine
Führungsweiterbildung an der
Uni St. Gallen (Executive MBA-
HSG). (sp)