1. Ob und zu welchem Preis die Schweiz künftig
Strom importieren kann, ist mehr als unklar
Die Schweiz funktioniert als Drehscheibe
Europa ist mit einem dichten Netz von Hochspannungsleitungen überzogen. Mittendrin liegt die
Schweiz. Das Höchstspannungsnetz wurde im Wesentlichen für den Stromaustausch im Fall von
Kraftwerksausfällen und Produktionsknappheiten gebaut. Die Schweiz weist innerhalb der
westeuropäischen Länder die höchste Dichte von Anschlüssen im grenzüberschreitenden Höchst-
spannungsnetz auf. Die Schweiz hat dank ihrer geografischen Lage und dank ihrer sekundengenau
verfügbaren Wasserkraftressourcen den Ruf einer Stromdrehscheibe.
So importierte die Schweiz im Jahr 2010 60 031 Gigawattstunden Strom und exportierte 60 049
Gigawattstunden (Gesamtenergiestatistik BFE).
Viele Unsicherheitsfaktoren
Übers ganze Jahr verteilt, fällt diese Bilanz jedoch sehr unterschiedlich aus – die Schweiz ist vor allem
im Winter auf Stromimporte angewiesen. So reichte in sieben der zehn letzten Winter die inländische
Stromproduktion nicht aus, um den Bedarf zu decken. Wenn die Kernkraftwerke Mühleberg und
Beznau altersbedingt vom Netz gehen, wird sich die Situation noch einmal stark verschlechtern. Denn
heute sind diese Werke eine wichtige Stütze im Winterhalbjahr. Zudem laufen auch die langfristigen
Lieferverträge mit Frankreich aus. Und es ist mehr als unsicher, wie die Importmöglichkeiten für die
Schweiz in Zukunft aussehen werden. Das hat mehrere Gründe:
− Der Stromhandel stösst heute an Grenzen, da die Transportleitungen des Höchstspannungsnetzes
immer öfter überlastet sind. Grund dafür ist, dass die Leitungen ursprünglich nicht für den
Transport nach dauernd unterversorgten Ländern ausgelegt waren, sondern für den gegenseitigen
Austausch in Engpasssituationen und in einem bescheidenen Ausmass zur Nutzung von
unregelmässig anfallenden erneuerbaren Energien. Erschwerend kommt hinzu, dass an den
internationalen Grenzübergängen im Verbundsystem die knappen Netzressourcen auktioniert
werden. Nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage werden die interessantesten Zeitfenster für
den Stromtransport dem Meistbietenden zugeschlagen.
− Der Ausbau der Netzkapazitäten gestaltet sich schwierig. So rechnet alleine die EU in den
nächsten Jahren mit Investitionen in die Übertragungsnetze von 200 Milliarden Euro. Diese
Investitionen sind unter anderem nötig, um die unregelmässig anfallende Produktion aus
erneuerbaren Energien zu integrieren. Doch vielerorts kommen diese Arbeiten nicht voran. Allein
Deutschland muss in den nächsten Jahren gegen 3600 Kilometer Leitungen bauen, konnte bislang
aber erst rund 100 davon erstellen. Der Ausbau gestaltet sich unter anderem deshalb schwierig,
weil der Widerstand gegen solche Bauprojekte wächst.
− Nicht nur in der Schweiz drohen Versorgungsengpässe, sondern auch in anderen europäischen
Ländern. Kommt hinzu, dass sich die EU-Länder gemäss Lissabon-Vertrag gegenseitig bevorzugt
mit Strom beliefern müssen.
2. Fazit: Nur Schweizer Kraftwerke sorgen für unabhängige Versorgung
Die Abhängigkeit der Schweiz von Stromimporten wird in Zukunft zunehmen, wenn keine zusätzlichen
Kraftwerkskapazitäten im Inland realisiert werden. Ob und vor allem zu welchem Preis sich die
Schweiz in Zukunft in Europa mit genügend Strom wird eindecken können, ist zum heutigen Zeitpunkt
mehr als unsicher. Will die Schweiz weiterhin über eine möglichst unabhängige Stromversorgung
verfügen, bleibt als einzige Option der Bau von neuen Kraftwerkskapazitäten. Da die Schweiz
insbesondere im Winterhalbjahr auf Strom angewiesen ist, bringen neue erneuerbare Energien, die
vor allem im Sommer anfallen, wenig, um die Stromlücke zu schliessen.