2. Historisches Umfeld: 1960er Jahre
• Ein Höhepunkt des kalten Krieges
– Gegenseitige Abschreckung mit Atomwaffen
– Tatsächlicher Ausbruch eines Atomkrieges erscheint
möglich (z.B. 1962 Cuba-Krise)
• USA und Sowjetunion wollen Überlegenheit des
eigenen Systems beweisen
– Raumfahrt (Sputnik, Mondlandung)
– Computertechnik
– Massive Atomforschung
– viele Projekte von der „Advanced Research Projects
Agency“ (ARPA) finanziert; ARPA hatte und hat stark
militärischen Fokus
3. 1960: technisches Umfeld
• Kommunikation über Telefon und
Fernschreiber
• Erste Computer
– Hallen füllende Großrechner
– Minicomputer
– Anbindung via TTYs (Teletype-Writer,
Fernschreiber ähnliche Geräte)
4. Das Telefonnetz
• Hierarchisch aufgebaut
• Daher leicht zu (zer)stören
• Wie erreiche ich einen
Teilnehmer?
– Numerische Adresse
– 09341/999991
– Vorwahl gibt Ortsknoten an
– Rufnummer dort den
Teilnehmer
5. Wie kam eine Verbindung zustande?
• Wahl des Teilnehmers
• Leitungen werden
durchgeschaltet
– 09341
– 999991
• Nach Aufbau besteht eine
feste Verbindung bis zum
Ende des Gesprächs
6. Welche Probleme gab es?
• Teuer
– In Sprechpausen blieb die Leitung exklusiv zugeordnet
– Relativ viele Leitungen notwendig
• Störanfällig
– Eine Störung in einem Teilstück beendet die
Verbindung vollständig
– Verlust von zentralen Knoten (Vermittlungsstellen)
führt rasch zum Zerfallen in Teilnetze
– Gerade im Kriegsfall somit leicht anzugreifen
7. 1964: RAND Studie
• Paul Braban von der Fa. RAND erstellt eine Studie,
wie man im Kriegsfall die Störanfälligkeit des
Telefonsystems verbessen kann
• Idee
– Es wird nicht permanent eine Leitung durchgeschaltet
– Sprache in vielen kleinen, kurzen Datenpaketen
übertragen
– Hierdurch werden Sprechpausen von anderen
Gesprächen benutzt und mehrere parallele
Verbindungen werden möglich
8. Das vermaschte Netz
• Die Knoten werden mit
„vielen“ anderen Knoten
verbunden
• Ideal wäre „jeder mit
jedem“ (vollvermascht),
aber technisch nicht
realisierbar
• Bei Leitungsvermittlung
viel zu viele Leitungen!
9. Daher: Paketvermittlung
• Sprache in z.B. 10ms
Päckchen
• Wird von Knoten zu Knoten
übertragen
• Eine Leitung wird von
mehreren Gesprächen
gleichzeitig genutzt viel
weniger Leitungen nötig
• Netz ermittelt besten Weg
für das Paket
10. Dies ist die Grundidee des Internet!
• Internet auch heute noch
– Paketvermittelndes Netz
– Stark vermascht
• Auf der RAND-Studie basiert die verbreitete
Ansicht, dass das Internet als ausfallsicheres
Kommunikationsnetz für einen Atomkrieg
entwickelt wurde
• Es gab jedoch auch eine zeitgleichen zivilen
Ansatz
11. 1962: „the galactic network“
• Der Forscher Licklider an der renomierten Uni
MIT (Boston, USA) erstellt Artikel seiner Idee des
„[inter]galactic network“
• Grundidee
– Globales Netz …
– … untereinander verbundener Computer …
– … wo „Jeder“
– … Daten und Programme auf beliebigen Computern
abrufen kann.
• Genau das, was das Internet heute tatsächlich ist
12. Wie waren Computer damals
verbunden?
• Gar nicht!
• Es gab nur Verbindung zwischen Computer
und TTY (Eingabeterminal)
• TTY war teilweise über Telefonleitung
angebunden
13. Wie also Computer verbinden?
• man nutzt die Anschlüsse, die eigentlich für
TTYs gedacht sind, und lässt Programme über
sie Daten austauschen
• Probleme
– Leitungsverbindungen sind sehr teuer,
– und außerdem kommt es in der Computer-
Kommunikation zu vielen Wartezeiten
– Aber Verbindungsauf- und –abbau dauern sehr
lange
14. Die Lösung auch hier:
Paketvermittlung
• Bereits 1961 veröffentlich Roberts, auch am
MIT, Artikel über die Paketvermittlung –
parallel zu RAND Studie und ohne Wissen
darüber
• Zielsetzung ist hier „rein“ wissenschaftlich: die
Zusammenarbeit der Forscher soll verbessert
werden
15. Welche Probleme gab es denn
beispielsweise?
• Die Forscher waren oft räumlich weit entfernt
von den (wenigen!) Computern
• Spezielle Programme oder Hardware war nur
auf wenigen Rechnern vorhanden
• Aufwendige Berechnungen erforderten
mehrere Rechner
• … und vieles mehr
16. Ein Projekt für die ARPA!
• Die „Advanced Research Projects Agency“
finanziert diese waghalsige Projekt
• klar als Netz zu Forschungszwecken gedacht
• Nutzer sind daher zunächst auch
ausschließlich Universitäten
17. 1969: das erste „Internet“ (ARPANET)
• Vier Rechner werden miteinander verbunden
• Paketvermittelt
• Bereits geeignet zum Test der Ausfallsicherheit
18. Was braucht man für
Paketvermittlung?
• Natürlich die Leitungen
• Aber genau so wichtig: die Software
– die die Verbindungswege berechnet
– die den Datenaustausch zwischen Rechnern
steuert
• Regelwerke, wie die Daten ausgetauscht
werden müssen. Diese nennt man
„Protokolle“.
19. Ein Netz für Experten
• In dieser Frühphase und den kommenden
Jahren ist das „Internet“ nur für Experten
nutzbar
– tiefgehendes Wissen über Computer notwendig
– entfernte Computer werden über numerische
Adressen erreicht (vergleichbar Telefonnummern)
– Jegliche kommerzielle Nutzung ist verboten
23. 1972: die erste „Killeranwendung“
• Def. „Killeranwendung“ lt. Duden: „
Anwendung, die zahlreiche Nutzer … findet
und dadurch einer neuen Technologie zum
Durchbruch verhilft“
• War E-Mail
– wurde 1972 vorgestellt
– vereinfachte Kommunikation von
Wissenschaftlern sehr stark und führte zum
Wunsch, an das Internet angeschlossen zu werden
24. 1973: Entwicklung von TCP/IP
• Protokoll (und Software) zum Austausch der
Daten zwischen den Computern
• TCP/IP wird in einer erweiterten Form auch
heute noch genutzt
• Die frühen Netze, insbesondere das ARPANET,
verwendeten andere (aber ähnliche)
Protokolle
26. 1974: Telenet:
erstes öffentliches Netz
• Telenet bietet ein öffentliches Netz an, das auf
den Prinzipien des ARPANET beruht
• Außerdem werden im Laufe der nächsten
Jahre weiter öffentliche und private Netze
aufgebaut, aber nicht miteinander verbunden.
– Oft als „Bulletin Board System“ bezeichnet
– Prominenter Vertreter: CompuServe (relativ
benutzerfreundlich)
27. 1978: „Erfindung“ der SPAM-Mail
• Einer der ersten Missbrauchsfälle des Internet
• Mitarbeiter eines Computer-Herstellers
verschickt Einladung zu einer
Produktvorstellung
• Hat harsche Reaktionen ausgelöst
28. 1979: USENET
• Vorläufer von Web-Diskussionsforen, auch
heute noch verfügbar
• Ermöglicht Diskussion mit allen
angeschlossenen Teilnehmern
29. 1980er: lokale Netze und PCs
• Neue Entwicklungen
– Lokale Netzwerke (LAN) wie
Ethernet
– Preisgünstige Kleinrechner,
speziell IBM PC (1981)
• Beides wird in Folge zu einer
Vervielfachung der
angeschlossenen Geräte führen.
IBM PC
Osborne One
30. 1984: Einführung DNS
• Zur Erinnerung: Computer mussten über ihre Adresse
angesprochen werden (z.B. 192.0.2.1)
• Ähnlich schlecht zu merken wie Telefonnummern
• Daher wurden bereits zu Anfang Namen vergeben
„MIT01“, aber im „Adressbuch“ jedes einzelnen
Anwenders
• DNS macht das zentral – es ist so etwas wie das
„Telefonbuch des Internets“
• Die Verwaltung ist aber dezentral möglich!
• Wichtiger Schritt für die Nutzung durch Nicht-Experten
31. 1989
• CompuServe verbindet seinen E-Mail Dienst
mit dem Internet viele neue Teilnehmer,
auch im Nicht-Profi-Bereich
• Deutschland wird an das Internet
angeschlossen
• Kommerzielle Nutzung offiziell immer noch
nicht gestattet
• Am CERN schlägt Tim Berners-Lee das World-
Wide Web vor
32. Die erste Web-Seite
Re-make einer der ersten Seiten des CERN:
http://info.cern.ch/hypertext/WWW/TheProject.html
33. 1990
• ARPANET wird offiziell „abgeschaltet“, geht in
das Internet auf
• Erste kommerzieller Internet Provider (UUNET,
PSInet)
36. 1993: NCSA Mosaic – der erste
verbreitete grafische Browser
• Entwickelt von Marc Andreessen
am National Center for
Supercomputer Applications, USA
• eine nutzerfreundliche
Oberfläche für „Jeden“, auch
nicht-Experten
• Hat dem Web zum Durchbruch
verholfen
• Wurde relativ bald abgelöst von
Netscape Navigator, aus dem sich
später Mozilla Firefox entwickelte
Mosaic 1.0 auf Apple Macintosh
37. … damit ist das Web 1.0 begründet
• Die „Killeranwendung“ dieser Phase. Heute
verwenden viele Leute die Begriffe „Web“ und
„Internet“ synonym…
• Jeder hat jederzeit Zugriff auf alles Wissen
• Allerdings zunächst im Wesentlichen „read-
only“
• Das Publizieren eigener Inhalte ist nach wie
vor noch Experten vorbehalten, da technisch
kompliziert
39. Das Internet wird zunehmend
kommerzialisiert
Amazon 1995
Dell 1996
Wichtig: Entwicklung
von vertraulicher
Übertragung von
Kreditkartendaten (SSL)
1995 durch Netscape.
41. Web 2.0
• Begriff wurde 2004 geprägt
• Gemeint ist der Trend zu dynamischen
Anwendungen, die es Jedem ermöglichen,
selbst Inhalte zu erstellen, und somit selbst
weltweit zu publizieren
• Eine neue gesellschaftliche Dimension
• Möglich wurde dies durch Seiten wie Blogger,
die kein Fachwissen mehr voraussetzten und
obendrein kostenlos waren
42. Immer neue (Web 2.0) Anwendungen
• 2004: Facebook
• 2005: YouTube
• 2006: Twitter
43. Das Mobile Web
• Wird Mainstream ca. 2007, auch getrieben
durch die Einführung des Apple iPhone
• Heute nicht mehr wegzudenken
44. Das „galactic network“…
• Der Name war gar nicht so falsch gedacht
• Mittlerweile wird am „InterPlanetary Internet“
gearbeitet
– Zunächst zur Anbindung von Raumsonden in
unserem Sonnensystem
– Stellt wieder ganz neue Anforderungen und macht
neue Protokolle notwendig
45.
46. InterPlanetary Internet – neue
Anforderungen
• Physikalische Limits (z.B. Lichtgeschwindigkeit)
• lange Latenzzeiten
– Zum Mars je je nach Konstellation 8 bis 24 Minuten
– Saturn schon über eine Stunde
• Lange Zeiten ohne Verbindung
– Sender muss der Erde zugewandt sein
– Strombudget der Raumsonde
• Teil ähnliche Anforderungen auch im
planetarischen Internet, z.B. bei Fähren
47. Und die Ausfallsicherheit…?
• Netz hat sich gegenüber physischen Zerstörungen
als sehr robust erwiesen
• ABER:
– Zunehmend werden die Netzkomponenten selbst
attackiert,
– … über das Netz. „Cyberwar“
– Kann großen Schaden anrichten, da mittlerweile viele
Systeme von Netzverfügbarkeit abhängig sind
– z.B. in 2003 kein Geld aus Geldautomaten durch „SQL
Slammer“ Wurm
• Viel Arbeit im Sicherheitsbereich zu leisten.
48. Fazit: 50+ Jahre Internet
• Hat die Gesellschaft geändert
– „arabischen Frühling“
– Unterhaltungsindustrie (Musik, Videos, …)
• Ermöglicht viele neue Anwendungen, z.B. Telemedizin
• Wirft große Datenschutzprobleme auf
• Hat sich als robust und gleichzeitig verwundbar
erwiesen
• Ein Leben ohne Internet ist kaum mehr denkbar
• … übrigens ist das Telefonnetz mittlerweile auch fast
vollständig auf Paketvermittlung umgestellt
Hinweis der Redaktion
Diese und folgende Grafiken von http://som.csudh.edu/fac/lpress/history/arpamaps/
Im Duden unter Synonym „Killerapplikation“ zu finden: http://www.duden.de/suchen/dudenonline/killerapplikation
NCSA – National Center for Supercomputer Applications, USA (dort wurde Mosaic entwickelt)
[1] http://en.wikipedia.org/wiki/Mosaic_(web_browser), Verweis 17 (existiert nicht mehr)
1995 (genaues Datum unbekannt) Zeitschrift „PC Professionell“ Expert Edition Internet