1. Buchauszug Nr. 10
Bibliographische Information:
Originaltitel: Success is Within You - http://goo.gl/Lpsa5s
Autor: Howard Whitman
Publiziert: 1956
Seitenzahl: 288
Weitere Textauszüge aus Büchern, die auf Deutsch nicht verfügbar sind:
http://goo.gl/wXOFmP
Wahrscheinlich gibt es beinahe ebenso viele Definitionen von „Erfolg“ wie es
erwachsene Menschen auf dieser Erde gibt.
Ist ein Multimillionär mehr mit sich im Reinen, nachdem er seinen „Nettowert“
um eine weitere Million Dollar, Euros oder Franken vergrößert hat?
Ist die Filmdiva mit einer Schatulle voller Diamanten glücklicher als die
Kassiererin im Supermarkt?
Wie würden Sie „Erfolg“ oder „Lebenserfolg“ definieren?
Oder haben Sie sich darüber auch noch niemals Gedanken gemacht?
Dieser Auszug aus der monatlichen Reihe „Erfolgstipps für Fortgeschrittene“
könnte dazu angetan sein, Ihnen einige Bestandteile eines wahren Erfolges
aufzuzeigen.
2. Buchauszug:
Es gibt zwei Hauptkriterien des Erfolgs:
1. Andere Leute glauben, dass sie erfolgreich seien
2. Glauben Sie selbst es auch?
Diese beiden Punkte gehören so zusammen wie der Trinkhalm und das
Mixgetränk. Wenn Sie dieses Getränk wirklich genießen wollen, sollten Sie
beide Sachen haben.
Wenn Sie aber nur eine einzige Sache haben können, dann besser das
Getränk, denn ohne das Getränk nützt Ihnen der Trinkhalm gar nichts.
Ebenso wenig nützt es Ihnen, wenn Sie alle Welt von Ihrem Erfolg überzeugt
haben, sich selbst aber für erfolglos halten.
Das „Erfolgsgetränk“ ist Ihr eigenes Wissen um Ihren Erfolg. Wenn Sie dieses
innere Wissen haben, brauchen Sie andere Leute von nichts mehr zu
überzeugen.
Das Problem entsteht, sobald wir versuchen, unseren Erfolg in die Schablonen
der Umwelt hineinzuquetschen, auch wenn diese nicht mit dem
übereinstimmen, was uns das Herz diktiert. Wozu soll das gut sein? Wollen wir
um anderer Leute willen erfolgreich sein oder um unserer selbst willen? Wenn
der Erfolg ein Sinn haben soll, dann nur, wenn es sich um etwas Persönliches
handelt.
Was Erfolg ist, ist von Mensch zu Mensch verschieden, ebenso wie sich die
Persönlichkeit von Mensch zu Mensch unterscheidet. Manchmal müssen wir
sehr tief gehen, um in uns selbst zu entdecken, welche Art von Erfolg die zu
uns passende ist.
Viel zu oft gehen wir den Vorgaben der Umwelt auf den Leim, ohne näher
darüber nachzudenken. Diesen Trugschluss begehen wir auch in anderen
Lebensbereichen.
Aber einige Beherzte haben sich der Herausforderung gestellt und suchen nach
ehrlicheren, passenderen und individuelleren Erfolgsdefinitionen.
William Faulkner, Nobelpreisträger für Literatur, sagte einmal: „Ich kam auf die
Welt, um ein Vagabund zu sein. Als ich nichts hatte, war ich glücklicher. Ich
besaß einen Trenchcoat mit zwei großen Taschen. Darin hatte ich ein paar
Socken, eine Kurzfassung von Shakespeare und eine Flasche Whiskey. Damit
war ich zufrieden.“
Es steht Ihnen frei, diese Art von Erfolg abzulehnen. Genauer gesagt: sie für
sich selbst abzulehnen. Aber Faulkner können Sie sie nicht absprechen. Es ist
eine klare Aussage, typisch für einen Mississippi-Bewohner.
3. Persönlich bin ich es etwas leid, jedes Mal, wenn jemand das Bild eines
Gottgleichen auf Erden beschwören möchte, den Namen Albert Schweitzer zu
hören und Schweitzer selbst scheint es ähnlich zu ergehen. Als er 1955 achtzig
Jahre alt wurde, feierten seine Anhänger überall auf der Welt diesen
Geburtstag. Es wurden Sammlungen durchgeführt (in den USA kamen
zwanzigtausend Dollar zusammen und in anderen Ländern noch mehr), um
diesem liebenswürdigen Arzt, der sich an ein dunkles Fleckchen in Afrika
zurückgezogen hatte, um die Einheimischen zu heilen, Geschenke zukommen
zu lassen. In seinem Krankenhaus in Lambaréné in Gabun fanden sich
fünfhundert Verehrer mit Blumengebinden ein, sangen und trommelten, und
wollten diesem weltberühmten zum Geburtstag gratulieren. Doch dessen
Kommentar lautete nur: „Wie sehr mir das doch alles auf die Nerven geht! Ich
bin es leid“.
Hier haben wir einen Mann mit einer eigenen Vorstellung von Erfolg, aber die
Welt ließ ihn nicht nach seiner Fasson gewähren.
Im turbulenten Europa in der Mitte des 19. Jahrhunderts schrieb die unheilbar
romantische und unkonventionelle George Sand in einer ihrer berühmten
Briefe:
„Man ist infolge seiner eigenen Bemühungen glücklich, sobald man die
glückswichtigen Zutaten erkannt hat: einfache Geschmäcker, ein gewisses Maß
an Mut, Selbstverleugnung bis zu einem bestimmten Punkt, Liebe zur Arbeit
und vor allem ein reines Gewissen. Das Glück ist kein leerer Traum, davon bin
ich überzeugt. Mit dem richtigen Gebrauch von Erfahrung und Nachdenken
kann man viel aus sich herausziehen, mit gutem Willen und Geduld kann man
sogar die Gesundheit wieder erlangen ... wollen wir das Leben also so leben,
wie es ist und seien wir nicht undankbar ...“
Die herausragendsten Persönlichkeiten gelangten schließlich zu dem Schluss,
dass der persönliche Erfolg im Inneren vorhanden sein muss, wenn er
überhaupt existieren soll. Er kann nicht aus äußeren Signalen oder Anzeichen
zusammengesetzt werden, sondern ausschließlich aus nicht greifbaren inneren
Werten, die sich aus einer reifen Philosophie ergeben. Eine Sache bezüglich
Mahatma Gandhi, welche die Welt sehr beeindruckte, war ein Foto seiner
materiellen Besitztümer zum Zeitpunkt seines Ablebens: eine Brille, ein Paar
Sandalen, ein paar Kleider, eine Spindel und ein Buch.
Und doch wusste die Welt, dass einer der Reichsten von ihr gegangen war.
Vermutlich war der gesamten Welt bewusst, was Henry David Thoreau mit dem
folgenden einfachen Satz umschrieb: „Ein Mensch ist in dem Maße reich, in
dem er auf Dinge verzichten kann.“
Gandhi selbst hatte mehrmals davon gesprochen, die Bedürfnisse
zurückzuschrauben. Für ihn war das Leben wie eine allmählicher Prozess, im
Zuge dessen er sich nach und nach von immer mehr Bedürfnissen
verabschiedete.
4. Gandhi lebte vor, dass sich ein Mensch mit immer weniger bescheiden kann,
um schließlich an einen Punkt zu kommen, wo er fast von nichts mehr abhängig
war.
Damit soll nicht gesagt werden, dass die Armut unser Ideal sein sollte oder
dass eine asketische Abkehr vom Materiellen uns zu einer großen Seele
machen würde.
Viele große Menschen haben inmitten enormer materieller Reichtümer gelebt:
Andrew Carnegie, Jacob Riis, Julius Rosenwald, Samuel Mather, die
Guggenheim-Familie oder Russell Sage, um nur einige zu erwähnen. Diese
Personen haben persönliche Erfolge im Innen und im Außen erlebt; sie konnten
das Mixgetränk mit dem Trinkhalm einnehmen.
Für den wahren Erfolg gibt es eine Reihe konstanter Faktoren. Dies gilt für
einen Andrew Carnegie ebenso wie für einen Mahatma Gandhi. Hierbei handelt
es sich um essentielle Faktoren, unabhängig von Reichtum, Errungenschaften,
Armut oder Asketismus. Das sind dynamische Erfolgsfaktoren.
Der erste konstante Faktor ist die sinnhafte Ausrichtung. Wir müssen
wissen, dass wir bei unserem Vorhaben auf ein Ziel zuarbeiten. Kein Ziel zu
haben, ist der schlimmste Feind des Erfolgs.
Solange wir blind umhertappen, ist es sehr schwierig zu wissen, ob wir
vorankommen. Sobald wir aber ein Ziel haben, spüren wir, dass unsere
Energien und schöpferischen Gedanken uns in eine gewisse Richtung ziehen,
und bereits das Näherkommen, die Reise, bringt uns viel Befriedigung. Ohne
ein Ziel erfahren wir im selben Maße eine Unzufriedenheit.
Vor kurzem kam aus Biloxi, Mississippi, eine Nachricht, welche die Rolle des
Ziels anschaulich vor Augen führt. Eine junge Tänzerin stürzte sich in den
Fluss, mit der Absicht, aus dem Leben zu scheiden. Die Frau war
vierundzwanzig Jahre alt und, wie sie später erklärte, „hatte das Leben satt“.
Ein junger Mann beobachtete das Ereignis und sprang seinerseits in die Fluten,
um die junge Dame zu retten. Dabei hatte er nicht bedacht, dass er nicht
schwimmen konnte. Er ruderte mit den Armen im Wasser umher und rief um
Hilfe. Er war kurz davor, unterzugehen, als die Tänzerin auf ihn zuschwamm.
Der junge Held schluckte kräftig Wasser, aber es gelang der Frau, ihn an Ufer
zu schleppen und zu retten.
In dem Augenblick, in dem sie sah, dass der junge Mann am Ertrinken war,
gelangte etwas in ihr Leben, was bisher nicht vorhanden war: ein Ziel. Was
ertrank, war ihre Verzweiflung. Nachdem sie aus der Klinik entlassen worden
war, wo ihre Unterkühlung behandelt wurde, erwartete sie eine zweite Chance.
Dies ist ein radikales Beispiel für die Begegnung mit einem Zielmangel und
sicherlich ein Einzelfall. Aber jeder von uns hat schon Zeiten erlebt, in denen
das Leben aufregend erschien, weil wir uns auf ein Ziel zubewegten.
5. Und jeder kennt auch Zeiten, als das Leben deprimierend erschien, weil wir
keinen Weg vor uns sahen.
Eine Voraussetzung für ein erfolgreiches Leben ist ein Ziel!
An zweiter Stelle ist zu nennen, dass der Weg zum Erfolg „durchwachsen“
ist. Er ist keine gerade Linie. Nicht jede Stunde und nicht jeder Tag ist von
Erfolg gekrönt.
Es gibt Erfolgsgipfel und Erfolgstäler. Ein Fernsehproduzent, der jeden Tag ein
anspruchsvolles Programm machte, erzählte mir einmal:
„Ich würde verrückt werden, wenn ich jeden Tag eine Messlatte der absoluten
Perfektion anlegen würde. Ich versuche eben, im Durchschnitt eine gute Arbeit
zu leisten. Ich weiß sehr wohl, dass ich manchmal unterdurchschnittlich
abschneide, aber Fehler sind unvermeidlich. Wenn es im Großen und Ganzen
stimmt, bin ich zufrieden.“
Auch die Erfolgreichen haben also ihr Tage – oder gar Jahre – mit
Misserfolgen. Das belegt lediglich, dass der Erfolg keine leichte Sache ist.
Psychiater erzählen uns von „zwanghaften“ Typen, die keinen Misserfolg
ertragen. In Wirklichkeit haben diese Menschen noch nie den wahren Erfolg
kennen gelernt; sie haben ständig den Geschmack der Mittelmäßigkeit im
Mund.
Diese Leute scheuen sich vor dem kleinsten Misserfolg zurück, weil er das
wackelige Selbstbild vollends zum Einstürzen bringen könnte. Jemand, der
wirklich an sich glaubt, kann auch einen Tiefschlag einstecken und weiß, dass
ein gelegentliches Scheitern unausweichlich ist.
In dem Maße, in dem wir innerlich wachsen, müssen wir früher oder später
lernen, dass nicht jeder Tag ein Freudentag ist und dass nicht alle unsere
Bemühungen von Erfolg gekrönt sein werden.
Die dritte Erfolgszutat ist der Preis. Erfolg gibt es nicht umsonst. Eine
Besonderheit des Lebens ist es, dass wir das, was wir uns nicht verdient
haben, nicht wirklich zu schätzen wissen. Die Sofas der Psychiater sind vom
Gewicht verwöhnter Damen durchgesessen, die eigentlich alles haben, was
man sich wünschen kann, aber dem Leben seltsamerweise nichts
Freudespendendes abgewinnen können.
Es hat den Anschein, als müsse die Freude am Erfolg mit dem Bemühen um
sein Erreichen ausbalanciert werden. Das ist ein kleiner mystischer Aspekt des
menschlichen Daseins, der ein jeden von uns betrifft.
Bei einer Abschlussfeier am Oberlin College wurden mehrere Ehrentitel
verliehen. Ich war dort anwesend und achtete auf die Erklärung, welche
Theodore E. Steinway, Präsident von Steinway & Sons, betraf.
6. Dort hieß es, dass Steinway „342.000 Pianos hergestellt habe, welche von
Pianisten wie Liszt und Rubinstein gebraucht und missbraucht worden waren“.
Es war auch zu lesen, dass bei einem Konzertflügel 243 sehr gespannte Saiten
eine Zugkraft von 20.000 Kilo auf einen Eisenkern ausüben. „Theodore E.
Steinway zeigt uns, dass aus einer großen Spannung eine große Harmonie
entstehen kann“.
Vielleicht ist dies das Ying und Yang der Existenz in der westlichen Welt. Der
Halbkreis der Freude wird an den Halbkreis der Bemühung angekoppelt. Auf
diese Weise bilden Spannung und Harmonie eine Einheit.
Eine vierte wesentliche Voraussetzung für den Erfolg ist die Befriedigung.
Was den einen nährt, vergiftet den anderen. Deshalb kann die Befriedigung für
den einen darin bestehen, ein Vermögen anzuhäufen, während sie für einen
anderen Menschen darin besteht, ein Gedicht zu verfassen. Doch keiner dieser
beiden kann sagen, dass er erfolgreich gewesen sei, solange er das Vermögen
nicht hat beziehungsweise das Gedicht ungeschrieben ist.
Der Erfolg will genossen werden. Vielleicht wurde er mit Tränen erreicht, aber
er muss mit einem Lächeln gekrönt werden. Andernfalls war der Erfolg vielleicht
durchaus die Mühe wert, aber ohne das innere Lächeln – welches als
„Befriedigung“ bekannt ist – kann von einem Erfolg nicht die Rede sein.
Dies ist eine der Abartigkeiten unserer Zeit: so viele Menschen haben die
äußeren Requisiten des Erfolgs, doch an den inneren fehlt es. Diese Menschen
haben nicht das Gefühl, dass sie erfolgreich seien. Sie fühlen sich leer. „Ich
habe wie ein Sklave geschuftet, wozu das alles?“, lautet die bittere Klage.
Die Befriedigung braucht nicht an die große Glocke gehängt zu werden. Sie
braucht auch niemandem anderen gezeigt zu werden. Ein Lehrer, der für ein
bescheidenes Gehalt arbeitet, und in der Gemeinschaft vielleicht nicht als ein
erfolgreicher Mensch angesehen ist, kann in seinem Inneren sehr wohl die
Befriedigung verspüren, dass er seine Arbeit gut macht und dass sie ihm Spaß
macht, unabhängig davon, was andere sehen oder nicht. Ein Gutteil dieser
Erfolgszutat hängt mehr von der eigenen Einstellung ab, als von der äußeren
Zuschaustellung.
Ein Schreiner kann sich zum Beispiel als Versager fühlen, weil er handwerklich
tätig ist und von seinem Vorgesetzten Weisungen empfängt, während andere
Herrschaften in ihren Büros sitzen und ihren Sekretärinnen diktieren, doch ein
anderer Schreiner, der dieselbe Arbeit ausführt, hat vielleicht ein Gefühl des
Stolzes, weil er dieses handwerkliche Talent hat und mit Holz umgehen kann.
Die letzte Erfolgszutat ist die Spiritualität. Es ist schwer vorstellbar, dass
sich jemand erfolgreich fühlt, ohne nicht auch eine Beziehung zu einer
größeren Dimension zu verspüren. Egal, ob Vagabund oder Banker, wenn
jemand seinen Erfolg genießen will, muss er – wenngleich vielleicht nur in sehr
subtiler Weise – eine Beziehung zum Göttlichen haben.
7. Auch dies ist wieder etwas Persönliches. Die Spiritualität des Vagabunden und
die des Bankers werden wohl schwerlich auf derselben Oktave klingen, aber so
weit sie auf der Skala auch auseinanderliegen, bilden sie doch eine Harmonie.
Der Erfolg ist keine Zwangsjacke. Er ist keine vorgefertigte Gussform, in die wir
uns hineinzuzwängen haben. Er ist nichts Starres.
Der Erfolg ist so individuell wie unsere Fingerabdrücke oder der Blick.
Was wir dazu brauchen, ist lediglich der Mut, zu uns selbst zu stehen.