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Hausmitteilung
12. März 2012                                                          Betr.: Hollande, Gauck, Identität, SPIEGEL-Bücher

D    as Gespräch mit dem französischen Präsidentschaftskandidaten François Hol-
     lande, 57, war schon seit langem vereinbart. Da sorgte, in der vorigen Woche,
eine SPIEGEL-Meldung für Aufregung im Wahlkampf: Kanzlerin Angela Merkel,
57, habe mit wichtigen EU-Regierungschefs vereinbart, Hollande nicht zu empfan-
gen – weil der eine Neuverhandlung des europäischen Fiskalpaktes verlangt hatte.
Im Pariser SPIEGEL-Büro bestürmten französische Kollegen den Korrespondenten
Mathieu von Rohr, 34, mit der Bitte um Auskunft. Gemeinsam mit seinem Kollegen
Romain Leick, 62, traf er Hollande am Mittwoch zum SPIEGEL-Gespräch in dessen
Wahlkampfzentrale in Paris. Was der Sozialist sagte, wird die Kanzlerin sorgen:
Gewinne er die Wahl, so Hollande, werde Frankreich auch in der Europapolitik
„einen anderen Weg“ einschlagen (Seite 90).


                                                                       S    eit Joachim Gauck, 72, für die Bundespräsi-
                                                                            dentenwahl an diesem Sonntag nominiert
                                                                       wurde, verweigert er sich den Medien: keine
                                                                       Pressekonferenzen, keine Interviews, keine
                                                                       Hintergrundgespräche. SPIEGEL-Autor Markus
                                                                       Feldenkirchen, 36, der Gauck bereits bei dessen
                                                                       erster Kandidatur vor zwei Jahren begleitet hat-
                                                                       te, reiste ihm dennoch hinterher. „Was machen
                                                                       Sie denn hier?“, fragte Gauck seinen Verfolger,
                                       CHRISTIAN THIEL / DER SPIEGEL




                                                                       als er ihn in einer Hotellobby im polnischen
                                                                       LódŹ entdeckte. Am nächsten Abend sprachen
                                                                       die beiden an der Bar über Gaucks Zukunft. „Er
                                                                       steht vor der Erfüllung seines Lebenstraums“,
                                                                       sagt Feldenkirchen, „aber ein bisschen mulmig
Feldenkirchen, Gauck in LÓdŹ                                           ist ihm auch“ (Seite 30).


W      ie fühlt sich ein Mann, der im Alter von 70 Jahren erfährt, dass er um seine
       Identität betrogen wurde? Dass die Frau, die ihn großzog und sich als seine
Mutter ausgab, ein Leben lang gelogen hat? George Jaunzemis waren schon vor
Jahrzehnten Ungereimtheiten in seiner Biografie aufgefallen. Doch erst im Renten-
alter kam sich der Mann auf die Spur. Er war in Neuseeland aufgewachsen, hatte
dort auch sein Berufsleben verbracht; seine Mutter hatte ihm verschwiegen, dass
er Deutscher ist und aus Magdeburg stammt. Als SPIEGEL-Redakteurin Barbara
Hardinghaus, 36, ihn fragte, wo er seine Wurzeln orte, war er ratlos: „Von der
Ernährung her fifty-fifty, halb Bratwurst, halb Fish & Chips“, antwortete Jaunzemis,
„tatsächlich aber habe ich keine Heimat, ich bin eine Summe“ (Seite 52).


B    iosprit tanken, Müll sortieren oder Vegetarier werden – es gibt vermeintlich
     viele Möglichkeiten, die Umwelt zu schützen. SPIEGEL-Redakteur Alexander
Neubacher, 43, selbst Biokisten-Käufer, hat
einiges auf den Prüfstand gestellt und berichtet
darüber in dieser Ausgabe (Seite 60) und in
seinem Buch „Ökofimmel. Wie wir versuchen,
die Welt zu retten – und was wir damit anrich-
ten“. 33 Phänomene, die selbst Wissenschaftler
rätseln lassen, beschreibt SPIEGEL-ONLINE-
Redakteur Axel Bojanowski, 40, im ebenfalls
neuen SPIEGEL-Buch „Nach zwei Tagen Regen
folgt Montag“.

Im Internet: www.spiegel.de    D E R                        S P I E G E L         1 1 / 2 0 1 2                       3
In diesem Heft
 Titel
Die Selbstheilungskraft des Herzens – neue
Strategien im Kampf gegen den Infarkt ........ 118

 Deutschland
Panorama: Schäuble fordert Steuer auf
Finanztransaktionen / Linke-Mitglieder zahlen
am meisten / Fluglärm macht krank ............... 15
Außenpolitik: Die Europäer spielen im
Iran-Konflikt eine Schlüsselrolle .................... 20
Europa: Im SPIEGEL-Gespräch kritisiert
EU-Kommissar Günther Oettinger
die deutsche Energiewende ............................ 24
Regierung: Unionsfrauen meutern gegen
das Nein der FDP zur Quote .......................... 27
CSU: Parteichef Horst Seehofer ärgert
sich über den geringen
Einfluss seiner Hauptstadttruppe ................... 28
Karrieren: Der künftige Bundespräsident
Joachim Gauck will den
Deutschen ihre Ängste nehmen ..................... 30
Internet: Autoscout24 bringt Werkstätten
gegen sich auf ................................................ 35
Wahlkampf: Wie die Piraten im Saarland
                                                                                                         Das Präsidenten-Experiment                                   Seite 30
                                                                                                         Mit seinen Begriffen aus Psychologie und Seelsorge wird Joachim Gauck
                                                                     TORSTEN SILZ / DAPD




und in Schleswig-Holstein
ihre Basis erweitern wollen ............................ 36                                              als Bundespräsident viele Bürger verwundern. Seine Botschaften
Aktivisten: Was wird nach dem FBI-Schlag                                                                 dürften manche verstören, die ihn noch für „ihren“ Kandidaten halten.
aus der Hacker-Bewegung Anonymous? ........ 38
Koalition: Unionspolitiker werfen der
Bundesjustizministerin vor, sie habe eine Studie
zur Vorratsdatenspeicherung frisieren lassen ... 42
Erziehung: SPIEGEL-Gespräch mit dem
dänischen Familientherapeuten Jesper Juul
über die Fehler von Eltern und Pädagogen .... 44
Wintersport: Liftbetreiber wollen Skiwanderer
von den Pisten verbannen .............................. 47
                                                                                          Bei Scheitern Krieg                                                           Seite 20
                                                                                          Die Verhandlungen der Kontaktgruppe mit Iran sind die wohl letzte Chance,
 Gesellschaft                                                                             eine militärische Auseinandersetzung in der Region zu verhindern. Die
Szene: Abendmahl mit Nackten / Erfolgreiche                                               Verantwortung für einen Erfolg der Gespräche liegt jetzt bei den Europäern.
Honecker-Memoiren ...................................... 48
Ein Video und seine Geschichte –
warum ein Kalifornier im
Flughörnchen-Outfit sein Leben riskiert ........ 50
Identität: Ein 70-Jähriger erforscht seine
Biografie und entdeckt ein Verbrechen .......... 52                                                  Schlecker von unten                                                Seite 66
Ortstermin: Die Berliner Unterstützer der                                                            Diese Woche wird entschieden, welche der 6000 Filialen des Drogerie-
syrischen Revolution ...................................... 57
                                                                                                     riesen schließen und welchen 13 000 der insgesamt rund 30 000 Beschäftigten
                                                                                                     gekündigt wird. Drei Betroffene erzählen, wie sie die Pleite erleben.
 Wirtschaft
Trends: DGB macht gegen Datenschutzgesetz
mobil / Vitaminsäfte enthalten zu viel Folsäure /
Interview mit Peter Hintze über die jüngsten
deutsch-französischen Kämpfe um EADS ...... 58
Nachhaltigkeit: Unsere große Öko-Illusion
im täglichen Leben ......................................... 60
                                                                                                                                                   Eine Frage der
Übernahmen: Porsche wird die Gerichte
noch lange beschäftigen ................................. 64                                                                                       Macht
Handel: Drei Schlecker-Mitarbeiterinnen –
drei Meinungen über den Pleitekonzern ........ 66                                                                                                                 Seiten 27, 145
Benzin: Taugt das westaustralische Preismodell                                                                                                     Kanzlerin Angela Merkel
für deutsche Tankstellen? ............................... 68                                                                                       will sich mit dem Nein der
Affären: Ein krisengeschüttelter Ferrostaal-
Manager darf noch mal ran ............................ 69
                                                                                                                                                   Liberalen zur Frauenquote
Banken: Neue Milliardenlücken bei                                                                                                                  nicht abfinden. Notfalls will
                                                                     MICHAEL HÜBNER / ACTION PRESS




der Hypo Real Estate ...................................... 72                                                                                     sie mit dem Thema in den
                                                                                                                                                   Bundestagswahlkampf 2013
 Serie                                                                                                                                             ziehen. SPIEGEL-Redakteu-
Die Reichen (Teil III): Ein Finanzmanager, ein
                                                                                                                                                   rin Elke Schmitter plädiert
Konzernchef und ein Internetmilliardär erzählen                                                                                                    für die Quote. Sie sei lästig
von ihrem Verhältnis zum Geld ..................... 74                                                 Familienministerin Schröder                 und undemokratisch, aber
Wie ein Elite-Internat versucht, eine ganz                                                                                                         leider notwendig.
normale Schule zu sein .................................. 79

4                                                                                    D E R                S P I E G E L   1 1 / 2 0 1 2
Medien
                                                                                                         Trends: RTL baut Aufsichtsrat um / Gottschalk
                                                                                                         wünscht sich eine Sparringspartnerin ............. 81
                                                                                                         Debatte: Weshalb der Begriff „Raubkopie“ das
                                                                                                         Elend der Urheberrechtsdiskussion illustriert .... 82
                                                                                                         Handel: Amazon-Partner bieten indizierte
                                                                                                         Filme an ......................................................... 84

                                                                                                          Ausland
                                                                                                         Panorama: Machtgerangel im Hause Assad /
                                                                                                         US-Autor Tim Weiner über die Rechtsbrüche
                                                                                                         des FBI / Europarat kritisiert Ungarns neue
                                                                                                         Nationale Justizbehörde ................................. 87
                                                                                                         Frankreich: SPIEGEL-Gespräch mit Präsident-
                                                                                                         schaftskandidat Hollande über Kanzlerin
                                                                                                         Merkels Weigerung, ihn zu empfangen ............. 90
                                                                                                         USA: Obamas Kriegsdoktrin ........................... 94
                                                                                                         Polen: Geplante Atomkraftwerke provozieren
                                                                                                         die Deutschen ............................................... 98
                                                                                                         Russland: Die Opposition will die Macht
                                                                                                         in der Hauptstadt .......................................... 100
                                                                                                         Golfstaaten: Katars unverzichtbarer Emir .... 102
  Obamas Drohnen-Krieg                                           Seite 94                                Global Village: Eine Auswanderermesse in Dublin
                                                                                                         kapituliert vor dem Besucheransturm ........... 108
  Im Kampf gegen den Terrorismus übernimmt Barack Obama die zweifel-
  haften Rechtsgrundsätze seines Vorgängers George W. Bush. Gezielte                                      Sport
  Tötungen durch Fernlenkwaffen sind heute offizielle Militärdoktrin.                                    Szene: Wasserspringer Patrick Hausding



                                                                                       REUTERS
                                                                                                         über rigide Regeln für Athleten bei Olympia
                                                                                                         in London / Brauchen Deutschlands
                                                                                                         Fußball-Manager Ausbildungsstandards? ...... 111
                                                                                                         Fußball: SPIEGEL-Gespräch mit dem
                                                                                                         Dortmunder Trainer Jürgen Klopp über
                                                                                                         sein Leben im Rampenlicht .......................... 112
                                                                                                         Boxen: Wie Weltmeisterin Rola El-Halabi
Jungbrunnen fürs Herz                                                  Seite 118                         das Attentat bewältigt,
                                                                                                         das ihr Stiefvater auf sie verübte .................. 115
Mediziner entdecken die Selbstheilungskraft kranker Herzen. So führt
körperliche Aktivität dazu, dass neue Blutgefäße wachsen. Forscher suchen                                 Wissenschaft · Technik
nach Wirkstoffen, um die Bildung solcher natürlichen Bypässe zu fördern.                                 Prisma: Nachtfahren gefährlicher als gedacht /
                                                                                                         Weniger Ausgrabungen in Griechenland ...... 116
                                                                                                         Automobile: Die englische Traditionsmarke
                                                                                                         Morgan wagt die Wiedergeburt
                                                                                                         des dreirädrigen Sportwagens ....................... 128
                                                                                                         Hirnforschung: Warum können sich manche
Wie viel Kultur braucht das Land?                                      Seite 136                         Menschen an fast jedes Gesicht erinnern? .... 129
                                                                                                         Geschichte: Der Absturz einer
Das deutsche Subventionssystem steht vor einem Kollaps. Das behaupten                                    Militärmaschine wurde zur Geburtsstunde
vier Experten und fordern einen radikalen Umbau: Die Hälfte aller Theater,                               der alpinen Luftrettung ................................ 132
Museen und Bibliotheken sollte geschlossen werden.
                                                                                                          Kultur
                                                                                                         Szene: Eine beeindruckende Ausstellung von
                                                                                                         Kriegsfotografien aus Libyen / Historiker Paul
                                                                                                         Nolte über den Wandel der Demokratie ......... 134
                                                                                                         Kulturpolitik: Vier Experten fordern den
Mit Vollgas                                                                                              Umbau des deutschen Subventionssystems ... 136
                                                                                                         Bestseller ..................................................... 140
durchs Leben                                                                                             Kunst: SPIEGEL-Gespräch mit den Fotografen
                                                                                                         Andreas Gursky und Thomas Ruff
                                                                                                         über die Wahrhaftigkeit von Bildern ............. 142
                    Seite 112                                                                            Gleichberechtigung: Warum die Frauenquote
Sein Talent zum Wortführer                                                                               undemokratisch, aber notwendig ist ............. 145
                                                                                                         Autoren: Das Meisterwerk „Parallelgeschichten“
habe sich früh abgezeichnet,                                                                             des Ungarn Péter Nádas ............................... 146
sagt der Dortmunder Trainer                                                                              Verlage: Piper-Chef Marcel Hartges und seine
Jürgen Klopp im SPIEGEL-                                                                                 Strategie im E-Book-Geschäft ...................... 148
Gespräch: „Ich war schon im-                                                                             Literaturkritik: Die Dramatikerin Dea Loher
mer laut.“ Die Unbedingtheit,                                                                            debütiert eindrucksvoll als Romanautorin mit
mit der Klopp seine Ziele                                                                                „Bugatti taucht auf“ ..................................... 151
                                                                                       FIRO SPORTPHOTO




beim BVB verfolgt, verlangt                                                                              Briefe ............................................................... 6
er auch von seinen Profis.                                                                               Impressum, Leserservice .............................. 152
„Wir sind hier, um alles raus-   Klopp                                                                   Register ........................................................ 154
zuhauen. Also: Vollgas.“                                                                                 Personalien ................................................... 156
                                                                                                         Hohlspiegel / Rückspiegel ............................. 158

                                               D E R   S P I E G E L   1 1 / 2 0 1 2                                                                                           5
Briefe

                                                                                                                                   Was, wenn Israel die Schlagkraft der Iraner
                                                                                                                                   unterschätzt und erhebliche Opfer hinneh-
                              „Eine Analyse, wie sie derzeit in                                                                    men muss? Dann wird es wohl kaum bei
                              deutschen Medien nur selten zu finden                                                                einem Luftschlag gegen iranische Atom-
                                                                                                                                   anlagen bleiben, sondern es wird Krieg
                              ist. Nicht vergessen sollte man aber:                                                                mit unbekannter Dynamik geben. Zu glau-
                              Israel verfügt bereits über ein                                                                      ben, es werde nur die Region destabilisiert,
                                                                                                                                   ist entschieden zu kurz gedacht.
                              beträchtliches Kernwaffenarsenal,                                                                                  BERNHARD LANGLOTZ, HAMBURG
                              während das bei Iran selbst nach
                                                                                                                                   Der Zuwachs an Destabilisierung in der
                              Einschätzungen westlicher                                                                            Region durch eine iranische Atombombe
                              Geheimdienste nicht der Fall ist.                                                                    resultiert aus der Tatsache, dass es dann
                                                                                                                                   drei Atommächte in der Region gäbe, und
    SPIEGEL-Titel 10/2012                       DR. HUBERT THIELICKE, AHRENSFELDE (BRANDENB.)                                      nicht etwa daraus, dass einzelne Entschei-
                                                                                                                                   dungsträger irrational handeln könnten.
                                                                                                                                            HELMUT SUTTOR, FRANKFURT AM MAIN
Nr. 10/2012, Krieg um die Bombe? – Irans          Vielleicht sollte man nicht vergessen, wer
geheimes Atom-Programm                            2002 von wem auf der Achse des Bösen                                             Sind denn israelische und US-Politiker von
                                                  verortet wurde und die Nahost-Region                                             jeglicher Vernunft verlassen, dass sie durch
Zurück an den Tisch!                              um Iran mit Krieg überzogen hat. Dass
                                                  bei solchen Nachbarschaftsverhältnissen
                                                                                                                                   Provokation, Propaganda und Lügen einen
                                                                                                                                   Krieg entfachen? Ist es denn nur die irani-
Die Signale, die sowohl die israelische als       ein Land nach Kernwaffen strebt, braucht                                         sche Seite, die nicht die Wahrheit sagt?
auch die iranische Regierung aussenden,           heute keinen Diplomaten mehr zu ver-                                                             MARIE-LUISE KHAN, HAMBURG
sind wohl eher an die eigene Bevölkerung          wundern. Vertrauen muss wiederherge-
gerichtet: als Demonstration von Stärke           stellt werden, beispielsweise über gemein-                                       Das Titelbild suggeriert eine von Iran aus-
und Führungsanspruch in der Region.                                                                                                gehende Kriegsgefahr. Tatsächlich ist es
Denn sollte Iran die Atombombe eines                                                                                               Israel beziehungsweise die Netanjahu-
Tages haben, wäre das Risiko, sie gegen                                                                                            Clique, die den Frieden gefährdet. Also
Israel einzusetzen, viel zu hoch. Nicht                                                                                            gehört eigentlich Netanjahus Konterfei
nur wegen eventueller Reaktionen, son-                                                                                             auf das Titelblatt.
dern auch, weil die Gefahr bestünde, dass

                                                                                                  ZIV KOREN / POLARIS / STUDIO X
                                                                                                                                              KARL WUESTER, KRAILLING (BAYERN)
eine Rakete aufgrund unvorhersehbarer
technischer Schwierigkeiten nicht Tel                                                                                              Eine der Lehren der Geschichte ist doch:
Aviv, sondern Ostjerusalem treffen, in                                                                                             Wenn Antisemiten einen Massenmord an-
jedem Fall aber Tausende oder Zigtau-                                                                                              kündigen, dann werden sie alles unter-
sende Palästinenser töten oder verstrah-                                                                                           nehmen, ihr Ziel in die Tat umzusetzen.
len würde. Das wäre das Ende aller irani-                                                                                          Unbegreiflich bleibt daher die in der Bun-
schen Träume.                                     Israelischer Kampfpilot                                                          desrepublik vorherrschende Blindheit,
         CHRISTOPH MÜLLER-LUCKWALD, BINGEN                                                                                         welche die existentielle Bedrohung Israels
                                                  same Interessen in Afghanistan oder bei                                          nicht wahrhaben will und die Israelis als
Die Wahrnehmung, wer wen bedroht und              der Pirateriebekämpfung im Persischen                                            die eigentlichen Aggressoren darstellt.
schon angegriffen hat, ist in Palästina und       Golf und am Horn von Afrika. Daher: zu-                                                          THORSTEN WILLMANN, LEIPZIG
Iran eine ganz unterschiedliche.                  rück an den Verhandlungstisch!
            FRIEDEMANN UNGERER, WAHLENDOW                           CHRISTOPH LEISERING, BERLIN                                    Weshalb sind israelische Atomwaffen ein
                             (MECKL.-VORP.)                                                                                        Segen für die Welt, vermeintliche irani-
                                                  Eine hervorragende, aber auch erschre-                                           sche Nuklearwaffen aber eine Bedro-
Atomwaffen in der Hand Irans sind gleich-         ckende Analyse. Ein Angriff Israels auf                                          hung? Geht denn von Pakistan, das seit
zeitig Waffen gegen sich selbst. Die Sor-         die iranischen Atomanlagen und die zu                                            1998 die Atombombe besitzt und nach-
gen Israels sind verständlich, aber sind          erwartende Reaktion Irans ist eine Hor-                                          weislich die Taliban mit Waffen versorgt,
sie wirklich realistisch? Kein iranisches         rorvorstellung. Warum wird der IAEA                                              keine Bedrohung aus? Bedroht von diesen
Regime kann es auf ein Hiroshima in Te-           der Zugang zu den Anlagen verwehrt,                                              Atommächten und umzingelt von US-Mi-
heran ankommen lassen. Denn dies wäre             wenn sie doch ausschließlich zivilen und                                         litärbasen, haben Rattenfänger wie Ah-
die unweigerliche Folge eines Angriffs            friedlichen Zwecken dienen und es daher                                          madinedschad es leicht, die Mehrheit der
auf Israel.                                       gar nichts zu verheimlichen gäbe?                                                Iraner hinter sich zu bringen.
        WILFRIED WIEGAND, NEUBIBERG (BAYERN)         DR. REINHARD TILL, BACKNANG (BAD.-WÜRTT.)                                                         RAHIM BARADARI, BERLIN

Ein fundamentalistischer Gottesstaat, der
den Holocaust leugnet und Israel mit der
Vernichtung droht, darf niemals die
                                                     Diskutieren Sie im Internet
Atombombe in die Hände bekommen!                     www.spiegel.de/forum und www.facebook.com/DerSpiegel
Gewiss, ein israelischer Angriff mag un-             ‣ Titel Wie lassen sich Herzprobleme vermeiden?
kalkulierbare Folgen haben. Aber was ist
die Alternative? Die Mullahs wollen die              ‣ Umweltschutz Energiesparbirnen, Dosenpfand,
Bombe um jeden Preis. Selbst wenn sich                 Gelber Sack – was ist sinnvoll, was nicht?
die Führung in Teheran am Ende rational
verhalten sollte, kann Israel sich dieses            ‣ Kultur Leistet sich Deutschland zu viele Theater
Risiko nicht leisten.                                  und Museen?
       CHRISTOFER GRASS, FREIBURG IM BREISGAU

6                                                        D E R   S P I E G E L   1 1 / 2 0 1 2
Briefe

Nr. 9/2012, Deutschland, deine Reichen:                                              Die Anzahl der Spitzenpromotionen im
Wer sind sie – und warum so viele?                                                   Fach Mathematik an der TU Berlin mag
                                                                                     auf den ersten Blick sehr befremdlich wir-
Fiktive Werte                                                                        ken, aber die TU ist sowohl Sprecher-
                                                                                     hochschule der „Berlin Mathematical
Manche Zeitgenossen mögen es als Ehre                                                School“, einer im Rahmen der Exzellenz-
empfinden, auf einem SPIEGEL-Titel das                                               initiative geförderten Graduiertenschule,
Thema „Reichtum in Deutschland“ mit-                                                 als auch Sprecherhochschule des DFG-
illustrieren zu dürfen. Ich fühle mich dort                                          Forschungszentrums „Matheon – Mathe-
reichlich deplatziert, denn ich halte mich                                           matik für Schlüsseltechnologien“. Die
mitnichten für reich. Die Verantwortung                                              hohe Berufungsquote von Nachwuchswis-
und Schulden für den Wiederaufbau und                                                senschaftlern der beiden Einrichtungen
die Erweiterung des neuen Schlosses El-                                              auf Professuren bestätigt die besondere
mau sind eine ganz reale Größe, die dort                                             Qualität der beiden Einrichtungen und
geschaffenen Werte heute allenfalls fiktiv.                                          zeigt, dass Ihre These – jedenfalls was die
Von den genannten Millionären und Mil-                                               Qualität der Mathematik an der TU Ber-
liardären bin ich in vielerlei Hinsicht weit                                         lin angeht – falsch ist.
entfernt. Schloss Elmau ist weder ein                                                     PROF. DR. DR. H. C. KURT KUTZLER, BERLIN
Reich der Reichen, noch sind meine sechs
Kinder in einem Bewusstsein von Armut
oder Luxus groß geworden. Reichtum ist                                               Nr. 9/2012, Die Shopping-Reise der CSU-
keine Frage des Geldes, sondern eine der                                             Bundestagsabgeordneten Dagmar Wöhrl
Ideen und des Vertrauens.
     DIETMAR MÜLLER-ELMAU, ELMAU (BAYERN)
                                                                                     Entschuldigung, Burma
Nr. 9/2012, Die Universitäten drohen
im Kampf gegen abgekupferte Doktor-
arbeiten zu scheitern

Erheblicher Schaden
Es geht letztendlich um mehr als um Tür-
schilder, weil solche „Plagiats-Doktoren“




                                                                                                                                     THOMAS IMO
als Politiker und Ministerialbeamte
durchaus einen erheblichen Schaden an-
richten können, indem sie ihre Vorstel-                                              Abgeordnete Wöhrl
lung von „Forschung“ bei ihrer Arbeit
anwenden. Können Plagiatsjäger die Wis-                                              Dagmar Wöhrl, Juristin und Mitglied ei-
senschaft retten? Das Zitieren ist ja nicht                                          ner Christlichen Union, offenbart mit ih-
das Problem. Bei einer Dissertation müss-                                            rem peinlichen Auftreten einen Charak-
te es eigentlich um das Darstellen von                                               ter, der keine Verwendung in öffentlichen
Forschungsergebnissen gehen. Etwas                                                   Ämtern zulässt. Wenn so ein Verhalten
Neues muss erarbeitet, gut begründet und                                             auch noch von Dirk Niebel geduldet oder
belegt werden. Der Doktorvater soll die                                              unterstützt wird, sollte das Ministerium
Arbeit betreuen, nicht nur lesen.                                                    auf den Prüfstand gestellt werden.
             JIRI SOBOTA, KRONBERG (HESSEN)                                          HARTMUT KAMIN, NEUENKIRCHEN (MECKL.-VORP.)

Im Kampf gegen Plagiate im Wissen-                                                   Als Vorsitzende des Entwicklungsaus-
schaftsbetrieb werden die Universitäten                                              schusses ist Wöhrl wohl fehl am Platz. Ihr
signifikante Erfolge erzielen, wenn die                                              Auftreten in Rangun spottet jeder Be-
Professoren die Betreuung ihrer Dokto-                                               schreibung. Es ist eine Unverschämtheit
randen und damit die zwischen ihnen be-                                              von ihr, wenn sie sagt, dass die Opposi-
stehende Forschungsbeziehung deutlich                                                tionsführerin Aung San Suu Kyi jahrelang
intensivieren.                                                                       keinen Stress hatte. Die CSU-Abgeordne-
                      HOLGER PILLAU, BERLIN                                          te hat keine Ahnung, wie es San Suu Kyi
                                                                                     ergangen ist, als diese 15 Jahre lang den
                                                                                     Hausarrest hat ertragen müssen.
                                                                                          MATTHIAS SCHWARZ, SULZBACH-ROSENBERG
                                              PETER ENDIG / PICTURE ALLIANCE / DPA




                                                                                     Ich entschuldige mich beim burmesischen
                                                                                     Volk für den Auftritt von Frau Wöhrl und
                                                                                     lege ihr nahe, von ihren Ämtern zurück-
                                                                                     zutreten. Weiterhin sollte Bundestagsprä-
                                                                                     sident Lammert ihre Eignung als Volks-
                                                                                     vertreterin überprüfen und nach diesem
                                                                                     Vorfall von ihr eine Entschuldigung beim
                                                                                     burmesischen Botschafter verlangen.
Hochschulabsolventen in Leipzig 2011                                                     HELMUT SCHWARZ, KANDERN (BAD.-WÜRTT.)

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Briefe

Nr. 10/2012, SPIEGEL-Gespräch mit dem           viele Sympathien. Mit dem gefassten Ent-
Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi und           schluss, seine „eigene Kunst“ zu machen,
dessen Frau Helene                              hat Herr Beltracchi sich auf eine lange
                                                Reise begeben. Mal sehen, wohin sie
Klammheimliche Freude                           führt. Seine Frau stellt im Interview etwas
                                                naiv die Frage: „Sind Pinsel Waffen?“ Ja,
Ihr Interview mit den Beltracchis bescher-      Pinsel können Waffen sein.
te mir einen angenehmen Zustand be-                                  CHRISTIAN HÜBNER, MÜNCHEN
schwingter Heiterkeit, der mehrere Tage
anhielt. Lange nicht mehr so gelacht –
ganz famos! Wie sagte Frank Zappa doch
so schön: „Art is making something out
of nothing and selling it“ (Kunst ist, aus
nichts etwas zu machen und es zu ver-
kaufen –Red.).
            THOMAS BUSCH, HEINSBERG (NRW)

Mon dieu, wer möchte beim Lesen nicht
gern mit Beltracchis Leben tauschen?
Dem bigotten Kunstmarkt eine Nase dre-
hen, auf einem Amsterdamer Hausboot
leben oder im Wohnmobil durch Asien
abhängen oder eben auch am Millionen-
pool in Freiburg liegen und den französi-
schen Wein von der eigenen Propriété vi-
ticole dekantieren. Nur in den Knast ge-
hen – das ist dann doch ein bisschen zu
viel. Andererseits beweist es: In seinen
Handlungen war Beltracchi ein Fälscher,
in seinem Innersten ist er aber absolut




                                                                                                            MANFRED ESSER
authentisch – eben ein echter Beltracchi!
            DR. UWE GRANZOW, FREIBURG I. B.

Ihre bisherige Berichterstattung über die       Beltracchi-Kunstwerk „14 Fälschungen“
Beltracchi-Bande hat uns beeindruckt.
Umso befremdlicher ist es, dass W. Bel-         Chapeau, Herr Beltracchi! Wenn in dieser
tracchi nun die Gelegenheit erhält, seine       Gesellschaft, die meist nach Schein und
Selbstgefälligkeit in so epischer Breite        Preis, nicht nach Wert (be)handelt und
darzustellen. Widersprechen müssen wir          dadurch in Mediokrität versinkt, viel-
dem Artikel, wenn Beltracchi als unser          leicht das Prädikat „genial“ zu vergeben
Geschäftspartner dargestellt wird. Wir          wäre, dann gebührte es ohne Abstrich Ih-
kennen Beltracchi nur aus den Medien            nen. Sie werden noch deutliche Marken
und dem Gerichtssaal, zu keiner Zeit be-        in der Malerei setzen.
stand Kontakt zu ihm. Die Schwestern H.                              STEPHAN MEHLE, WARTHAUSEN
Beltracchi und J. Spurzem hatten die Exis-                                         (BAD.-WÜRTT.)
tenz eines (malenden) Ehemannes wohl-
weislich verschwiegen. Es ist falsch, wenn      Der Kunstmarkt ist entsetzt, und ich emp-
der Fälscher behauptet, vor der Auktion         finde so etwas wie klammheimliche Freu-
eine Expertise bestellt zu haben. Wir ha-       de. Sieger ist wieder einmal die Gier,
ben natürlich vor der Aufnahme des Ge-          nicht die Kunst.
mäldes in den Katalog externen Exper-                                 HARTMUT NEUMANN, AACHEN
tenrat eingeholt und den Sohn von Hein-
rich Campendonk konsultiert; dieser war         Dank medialer Sensationsgier ist es der
von der Echtheit des Bildes überzeugt.          betrogenen und blamierten Kunstwelt ge-
Nach der Auktion hat die Werkverzeich-          lungen, nicht als totaler Verlierer dazu-
nisbearbeiterin in Kenntnis eines Mate-         stehen: Ein „echter“ Wolfgang Beltracchi
rialgutachtens ihre Expertise erstellt.         dürfte sich mittlerweile gut verkaufen
                    HENRIK HANSTEIN, KÖLN       lassen. Schade nur, dass Bilder auch wei-
                      KUNSTHAUS LEMPERTZ        terhin nicht um ihrer Schönheit willen ge-
                                                liebt werden!
Die Mechanismen des Kunstmarkts sind                                             ROCHUS LAYRITZ
sehr zutreffend beschrieben. Kaufent-                                  NEUMARKT-ST. VEIT (BAYERN)
scheidungen werden häufig getrieben
durch Sehnsucht nach Status – die Unsi-         Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe – bitte mit
                                                Anschrift und Telefonnummer – gekürzt und auch elek-
cherheit, eine eigene Entscheidung zu           tronisch zu veröffentlichen. Die E-Mail-Anschrift lautet:
treffen, ist groß. Insofern hat das Ehepaar     leserbriefe@spiegel.de
Beltracchi durchaus in künstlerischer Wei-
se dem Markt einen Spiegel vorgehalten          In der Gesamtauflage befindet sich im Mittelbund ein
und findet wahrscheinlich deswegen auch         vierseitiger Beihefter der Firma Dt. Telekom, Bonn.

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Panorama                                                                                          Deutschland
                                                                                                           Handelssaal der Frankfurter Börse




                                                                                                                                                ULRICH BAUMGARTEN / VARIO IMAGES
                 TRANSAKTIONSTEUER
                                                                 stände zu überwinden“. Schäuble lässt sein Ministerium des-
                                                                 halb einen eigenen Vorschlag für eine Finanztransaktionsteuer
               Große Lösung                                      ausarbeiten. Seine Steuerabteilung wies er an, eine große Lö-
                                                                 sung anzustreben. Die neue Abgabe soll nach Schäubles Vor-
                                                                 gabe alle Umsätze auf Finanzgeschäfte belasten, Aktien- und
 Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und acht           Anleiheverkäufe, Währungsgeschäfte sowie sämtliche Deri-
 seiner europäischen Kollegen forcieren eine Steuer auf Fi-      vate darauf. Gleichzeitig sollen die Vorschläge einfacher und
 nanzprodukte. „Wir sind davon überzeugt, dass eine Finanz-      praktikabler sein als die Überlegungen der EU-Kommission,
 transaktionsteuer auf europäischer Ebene eingeführt werden      die vergangenes Jahr ein Konzept vorlegte. Unterdessen
 sollte“, schreiben sie in einem Brief an die dä-                               wächst der parteiinterne Druck auf die SPD-
 nische Finanzministerin Margrethe Vestager.                                    Spitze, dem geplanten EU-Fiskalpakt nur zu-
 Dänemark hat derzeit die EU-Ratspräsident-                                     zustimmen, wenn sich die Bundesregierung
 schaft inne. Um eine rasche Entscheidung zu                                    auf eine Finanztransaktionsteuer festlege. Die
 erreichen, „würden wir es begrüßen, wenn die                                   Jusos fordern den SPD-Vorstand auf, beide Fra-
 Präsidentschaft den Verhandlungsprozess be-                                    gen miteinander zu verknüpfen. „Solange die
 schleunigt“, drängen die Unterzeichner, neben                                  Finanztransaktionsteuer blockiert wird, kann
 Schäuble unter anderem Frankreichs Finanz-                                     die SPD einem Fiskalpakt nicht zustimmen“,
 minister François Baroin und Italiens Minis-                                   heißt es in einem Beschluss des Juso-Bundes-
                                                                                  POLARIS / LAIF




 terpräsident Mario Monti, der zugleich Finanz-                                 vorstands. „Impulse für Wachstum und Be-
 minister ist. Bis Mitte des Jahres sollte der Pro-                             schäftigung können aus einer Spekulationsteu-
 zess abgeschlossen und Kompromissvorschlä-                                     er finanziert werden“, sagt etwa Ralf Stegner,
 ge sollten erörtert werden, „um alle Wider- Schäuble                           SPD-Fraktionschef in Schleswig-Holstein.



             RÜSTUNG
                                        nach will die Luftwaffe im nächsten                        Luftwaffe nicht plant, den „Euro-
                                        Jahrzehnt den Fliegerhorst Büchel in                       fighter“ für Nuklearwaffeneinsätze zu-
  Abzug der Atomwaffen                  Rheinland-Pfalz aufgeben, auf dem die
                                        Atombomben derzeit lagern; von den
                                                                                                   zulassen, zöge sich die Bundesrepublik
                                                                                                   aus der praktischen Umsetzung der so-
Die Bundesregierung rechnet offenbar    dort stationierten deutschen „Tornado“-                    genannten nuklearen Teilhabe in der
mit einem Abzug der amerikanischen      Kampfflugzeugen sollen die Bomben                          Nato zurück. „Die Bundesregierung
Atomwaffen aus Deutschland. Dies        im Kriegsfall getragen werden. Das                         richtet ihre Planung endlich darauf aus,
geht nach Angaben des Verteidigungs-    Bücheler „Tornado“-Geschwader soll                         dass der sogenannte Sonderwaffenein-
experten der SPD, Hans-Peter Bartels,   durch ein „Eurofighter“-Geschwader er-                     satz in Zukunft nicht mehr zu den Auf-
aus Bundeswehr-Unterlagen über die      setzt werden, das im niedersächsischen                     gaben der Bundeswehr gehört“, sagt
neue Luftwaffenstruktur hervor. Dem-    Wittmund stationiert wird. Weil die                        Bartels.
                                              D E R   S P I E G E L   1 1 / 2 0 1 2                                                        15
Panorama

                      PA R T E I E N


                  Teure Linke
Die Mitgliedschaft bei der Linken ist
eine kostspielige Angelegenheit: Wäh-
rend die Mitglieder ihrer Partei im
Schnitt 135,58 Euro im Jahr überwei-
sen, zahlen jene von CDU und vor al-
lem CSU deutlich niedrigere Beiträge.
Das geht aus den neuen Rechen-
schaftsberichten der sechs Bundestags-
parteien für das Jahr 2010 hervor. Teilt
man die Summe der Beiträge durch
die Mitgliederzahl, bilden die Christ-
sozialen mit 59,58 Euro pro Mitglied
das Schlusslicht (siehe Grafik). Mit-
glieder der Linken unterstützen ihre
Partei durchschnittlich mit mehr als
der doppelten Summe.

Beitragszahlungen
                                                             WOLFGANG KUMM / DPA




Jahresdurchschnitt je Parteimitglied in Euro
Quelle: Rechenschaftsberichte 2010 der Parteien
           150
                                                                                    Seehofer, Wulff, de Maizière, Generalinspekteur Wieker bei Großem Zapfenstreich
Die Linke120                                        135,58

     Grüne90                                      124,38
                                                                                                                        BUNDESPRÄSIDENT
             60
       FDP                                   116,89

      SPD
             30


             0
                                      91,07                                                                     Begrenzter Luxus
      CDU                         80,99                                              Die Union will Ex-Bundespräsident Christian Wulff ein Büro nur zeitlich begrenzt
                                                                                     auf Staatskosten zugestehen. „Die Amtsausstattung sollte dann enden, wenn Wulff
      CSU                 59,58                                                      wieder eine entgeltliche Tätigkeit aufnimmt“, sagt der für den Etat des Bundes-
                                                                                     präsidialamts zuständige Haushaltspolitiker Herbert Frankenhauser (CSU). Diese
                                                                                     Einschränkung solle für alle künftigen Präsidenten gleichermaßen gelten. Die Op-
                                                                                     position will Wulff erst gar kein Büro samt Sekretärin und Fahrer zugestehen. Er
      ZAHL DER WOCHE                                                                 habe dem höchsten Amt im Staat schweren Schaden zugefügt, sagt der SPD-Chef-
                                                                                     haushälter Carsten Schneider, „eine Gleichbehandlung mit seinen Amtsvorgängern
                                                                                     halte ich nicht für akzeptabel“. Das Bundespräsidialamt, das im Haushaltsausschuss
     Nur   42 %                                                                      die Ausstattung beantragen muss, versucht derweil, die Kosten niedrig zu halten –
                                                                                     und Wulffs künftiges Büro in einer bundeseigenen Liegenschaft unterzubringen,
                                                                                     um Miete zu sparen.
     der Summe, die Union und FDP im
     Bundeshaushalt 2011 einsparen woll-
     ten, wurden tatsächlich nicht ausge-
     geben. Wie aus Berechnungen des In-
     stituts der deutschen Wirtschaft her-                                                  ENTFÜHRUNGEN
                                                                                                                                 nem Bekunden gehören die Kidnapper
     vorgeht, kamen lediglich 4,7 der 11,2                                                                                       zum Stamm der Afar und hatten die
                                                                                                                                 Deutschen im Januar in der Danakil-
     Milliarden Euro zusammen, die im so-
     genannten Sparpaket veranschlagt
     waren. Auch für 2012 liegt die Regie-
                                                                                         Druck statt Geld                        Wüste verschleppt. Eine Delegation
                                                                                                                                 äthiopischer Stammesältester bewegte
     rung hinter ihrem Plan zurück: Von                                            Die beiden deutschen Geiseln, die in          die Afar nun zur Freilassung der Gei-
     den ursprünglich vorgesehenen Ein-                                            Äthiopien entführt waren, sind offen-         seln. Den beiden Deutschen geht es
     sparungen in Höhe von 19,1 Milliar-                                           bar durch diplomatische Bemühungen            den Umständen entsprechend gut. Zu-
     den Euro ist nicht einmal die Hälfte                                          der Bundesregierung freigekommen –            gespitzt hat sich dagegen die Lage ei-
     umgesetzt. Für das kommende Jahr                                              und anders als bei vielen Entführun-          nes entführten deutschen Ingenieurs in
     decken die konkreten Maßnahmen,                                               gen ohne Lösegeldzahlung. Der Kri-            Nordnigeria. Bei einer missglückten
     die bisher beschlossen wurden, so-                                            senstab im Auswärtigen Amt hatte pa-          Befreiungsaktion nigerianischer und
     gar nur ein Drittel des avisierten                                            rallel mit dem Diktator Eritreas, Isayas      britischer Spezialkräfte am vergange-
     Sparvolumens ab. Die Eckwerte für                                             Afewerki, sowie äthiopischen Stam-            nen Donnerstag kamen in dem Land
     den Haushalt 2013 will das Kabinett                                           mesältesten verhandelt, die jeweils           zwei Geiseln ums Leben. Von dem
     noch im März verabschieden.                                                   versprochen hatten, Emissäre zu den           Deutschen, der in Kano auf der Straße
                                                                                   Entführern zu entsenden. Nach eige-           entführt worden war, fehlt jede Spur.
16                                                                                      D E R   S P I E G E L   1 1 / 2 0 1 2
Deutschland


                          Fremdschämen                                                                                      BUNDESVERSAMM LUNG


                          KOMMENTAR: Von Klaus Brinkbäumer                                                                    NPD ohne Platz
  Ein Mensch, der einem Wankenden in            immer härter nachtritt? „Der Unersättli-                                  Die Bundestagsparteien streiten
  den Rücken sticht, einen Fallenden            che“, so heißt es nun, und natürlich:                                     darüber, wo die Vertreter der
  schubst, auf einen Liegenden tritt, ein       „Das Volk … hat recht.“                                                   rechtsextremen NPD in der Bun-
  solcher Mensch ist uns allen zuwider.         Man kann jeden Text über Wulff mit                                        desversammlung Platz finden sol-
  Doch was, wenn sich eine Gesellschaft         Worten wie „ja, aber“ doppelbödig aus-                                    len. Bei der letzten Präsidenten-
  oder der hörbare Teil einer Gesellschaft      statten, mit Anmerkungen über Gier                                        wahl hatten die NPD-Vertreter hin-
  so verhält? Was also sagen die Wochen         und Ehrensold oder dem Fazit „selber                                      ter den Grünen gesessen. Eine sol-
  seit dem Rücktritt Christian Wulffs über      schuld“, weil es richtig bleibt: Medien                                   che Platzierung der drei NPD-
  das Land aus?                                 haben Wulff nicht gejagt, sondern eine                                    Wahlmänner wollen die Grünen
  Es ist ein Unterschied, ob investigative      Affäre recherchiert; Wulff ist nicht ele-                                 diesmal nicht akzeptieren, weil sie
  Journalisten den Lügen eines amtieren-        gant zurückgetreten; und das Militaristi-                                 eine Angehörige eines Opfers der
  den Politikers und diversen Indizien          sche dieses Zapfenstreichs wirkte nord-                                   rechten Terrorzelle „Nationalso-
  nachgehen und dann, begründet, den            koreanisch.                                                               zialistischer Untergrund“ unter ih-
  Charakter dieses Politikers hinterfragen      Doch geht es darum noch?                                                  ren Wahlleuten haben. Auch CDU
  – oder ob eine Meute über einen Zu-           Man muss auch nicht biblisch werden                                       und CSU wollen Nähe zur NPD
  rückgetretenen herfällt mit Worten, mit       und vom ersten Stein reden, doch wie                                      vermeiden. Unter ihren Wahlleu-
  Lärm, mit Lust und Hass. Es ist schon         viele der wütenden Gnadenlosen wür-                                       ten befindet sich Mevlüde Genç,
  deshalb ein Unterschied, weil ein Politi-     den eigentlich auf Dinge verzichten, die                                  die 1993 beim fremdenfeindlichen
  ker, der im Amt ist, eine gewisse Härte       ihnen juristisch zustehen, mag auch das                                   Brandanschlag in Solingen mehre-
  verdient, da sich mit seinem Amt Privi-       Gesetz, das ihnen ihr Recht gibt, gro-                                    re Angehörige verloren hatte. Auf
  legien und Ansprüche verbinden. Ein           tesk sein?                                                                eine Vorstellung der Kandidaten
  ehemaliger Politiker, der am Boden            Für jene, die keine Möglichkeit haben,                                    zu Beginn der Wahl solle verzich-
  liegt, verdient Milde. Und manchmal           selbst zu recherchieren, sollte es genü-                                  tet werden, so eine Überlegung im
  Mitleid.                                      gen, sich den zurückgetretenen Wulff in                                   Ältestenrat, damit sich der NPD-
  Was also bedeuten die Vuvuzelas wäh-          seinem Haus in Großburgwedel vorzu-                                       Kandidat, der Historiker Olaf
  rend des Zapfenstreichs, und was bedeu-       stellen. Wie sich das alles aus seiner Per-                               Rose, nicht präsentieren könne.
  tet diese Wut jener Demonstranten, die        spektive anfühlen mag. Wie er wohl
  nicht in der Lage waren zu erklären,          weiterleben wird. Wie er langsam ver-
  wieso sie demonstrierten? „Es ist ... na      steht, dass er, 52 Jahre alt, womöglich
  ja ... ick weeß ooch nich … eine Schan-       nie wieder arbeiten und nicht mal mehr
  de eben“, so redeten sie, und nicht zum       ein Buch schreiben kann, das irgendwer
  ersten Mal in den Monaten der Wulff-          lesen wollte. Und wer Gelegenheit zur
  Affäre schämte man sich nicht mehr für        Recherche hat, wer Wulffs Vertraute fra-
  Wulff. Denn was will ein Kommentator          gen kann, der hört: Sie sorgen sich um
                                                                                                MICHAEL KAPPELER / DAPD




  wie Hans-Ulrich Jörges vom „Stern“            Wulff. Es gehe ihm nicht gut.
  wirklich sagen, der Wulff wochenlang          Jede Gemeinschaft und darum auch
  verteidigte und dann, als deutlich wur-       jede Gesellschaft sollte eine tolerante
  de, dass Wulff gehen musste, die Mei-         Gemeinschaft sein wollen. Eine, die
  nung wechselte und immer noch und             nicht vergisst, was Empathie ist.
                                                                                                                          Plenarsaal vor Bundesversammlung




               GRÜNE
                                              mit persönlichen Kandidaturen ver-              enquote unterstreiche. Der NRW-Lan-
                                              knüpfen.“ Eveline Lemke, grüne Wirt-            desvorsitzende Sven Lehmann bemän-
                                              schaftsministerin von Rheinland-Pfalz,          gelt „mangelndes Teamwork“ in der
 „Weitgehend wurscht“                         begrüßt Roths Vorstoß dagegen als
                                              „richtige Botschaft in die Parteifami-
                                                                                              Grünen-Führung – die Mitglieder soll-
                                                                                              ten per Urabstimmung die Spitzenkan-
Nach der Kandidatur der Parteivorsit-         lie“, weil sie die Bedeutung der Frau-          didaten bestimmen: „Wenn vier sich
zenden Claudia Roth für eine führen-                                                          streiten, freut sich die Basis.“ Der hes-
de Position im Bundestagswahlkampf                                                            sische Partei- und Fraktionschef Tarek
ist bei den Grünen heftiger Zank aus-                                                         Al-Wazir dagegen hält eine Basisbefra-
gebrochen. Roth hatte eine männliche                                                          gung für ein „Zeichen von Schwäche“
Einzelspitze unter Hinweis auf die                                                            und sagt: „Wir sind hier nicht bei einer
Frauenquote abgelehnt und zugleich                                                            Casting-Show.“ Der schleswig-holstei-
ihre Kandidatur angemeldet. Ekin De-                                                          nische Fraktionschef Robert Habeck
ligöz, stellvertretende Vorsitzende der                                                       wiederum zeigt sich von der Debatte
Bundestagsfraktion, kritisiert die Par-                                                       genervt: Den Wählern der Grünen sei
teichefin: „Die Quote verteidigen wir                                                         es „weitgehend wurscht, wer an der
Frauen besser nicht damit, dass wir sie       Roth auf Plakat der Grünen                      Spitze der Partei steht“.
                                                   D E R   S P I E G E L   1 1 / 2 0 1 2                                                                     17
Deutschland                                                                                                                     Panorama
                                                            SPIEGEL: Welche Folgen hat der Krach?               empfiehlt etwa in der Nacht Grenz-
                                                            Flasbarth: Lärm ist das am stärksten un-            werte von 40 Dezibel, in Deutschland
                                                            terschätzte Umweltproblem in                        gelten deutlich höhere Werte.
                                                            Deutschland. Wir wissen durch eine                  SPIEGEL: Das Meeresrauschen im Ur-
                                                            Reihe von Studien definitiv, dass er –              laub stört nicht, aber wenn zu Hause
                                                            gerade wenn er nachts auftritt – die                in gleicher Lautstärke Autos vorbeirau-
                                                            Gesundheit schädigt.                                schen, steigt der Blutdruck?
                                                            SPIEGEL: Wer an der Schnellstraße oder              Flasbarth: Lärm ist eben mehr als nur
                                                            in der Einflugschneise lebt, stirbt eher?           Geräusch. Der Mensch bewertet Ge-




                                          MARC DARCHINGER
                                                            Flasbarth: Er hat ein höheres Risiko.               räusche unterschiedlich. Wenn er den
                                                            Hinzu kommt auch ein ökonomischer                   Eindruck hat, diese wären vermeidbar
                             Flasbarth                      Aspekt: Auf europäischer Ebene rech-                oder werden sogar absichtlich erzeugt,
                                                            net man mit Kosten durch Verkehrs-                  stören sie ihn viel mehr als Geräusche,
                                                            lärm in Höhe von 40 Milliarden Euro                 die er als neutral einstuft.
              U M W E LT
                                                            pro Jahr, unter anderem durch Ge-                   SPIEGEL: Das Bundesverwaltungs-
                                                            sundheitsschäden. Allein im Raum                    gericht verhandelt in dieser Woche
                                                            Frankfurt werden nach unseren Schät-                über ein Flugverbot in Frankfurt
       „Höheres Risiko“                                     zungen in den nächsten zehn Jahren
                                                            durch Fluglärm zusätzliche Kosten von
                                                                                                                nachts zwischen 23 und 5 Uhr. Reicht
                                                                                                                ein solches Verbot aus?
Der Präsident des Umweltbundesamts,                         etwa 400 Millionen Euro nur für die                 Flasbarth: Erwachsene brauchen nach
Jochen Flasbarth, 49, über den Krach                        Behandlung von Herz-Kreislauf-Pa-                   Empfehlungen der WHO 7,5 bis 8
durch Autos, Flugzeuge und Züge                             tienten entstehen.                                  Stunden Schlaf, Kinder deutlich mehr.
                                                            SPIEGEL: Es gibt gesetzliche Grenzwer-              Deshalb halten wir für stadtnahe Flug-
SPIEGEL: In Frankfurt am Main de-                           te gegen unzumutbare Belastungen.                   häfen Nachtflugverbote in der Zeit
monstrieren jede Woche Tausende ge-                         Flasbarth: Die Werte reichen nicht aus,             von 22 bis 6 Uhr für notwendig.
gen Fluglärm, andernorts protestieren                       die Belastung ist deutlich zu hoch. Die             SPIEGEL: Das sei völlig unrealistisch,
die Bürger gegen Güterzüge oder neue                        Weltgesundheitsorganisation (WHO)                   meint die Luftverkehrswirtschaft.
Umgehungsstraßen. Ist die Belastung                                                                             Flasbarth: Eine führende Wirtschafts-
durch Verkehrslärm in Deutschland                                                                               nation wie Deutschland wird wohl
gestiegen – oder sind die Menschen                          Lästiger Lärm                                       nicht ganz ohne Nachtflüge auskom-
empfindlicher geworden?                                     Wodurch sich die Deutschen                          men. Die Frage ist aber, ob die überall
Flasbarth: Beides. Trotz technischer                        am meisten gestört fühlen                           stattfinden müssen. Deshalb brauchen
Verbesserungen an Autos, Zügen und                                                                              wir dringend eine nationale Flugver-
Flugzeugen wächst der Lärm allein                              Straßenverkehr                             55%   kehrsplanung. Derzeit wird ein unseli-
durch die Zunahme des Verkehrs.                                                                                 ger Standortwettbewerb zwischen den
Gleichzeitig nimmt das Umwelt- und                               Nachbarschaft                    37 %          Flughäfen auf dem Rücken der Bevöl-
Gesundheitsbewusstsein der Men-                                      Flugverkehr             29 %               kerung ausgetragen. Viel vernünftiger
schen zu. Nach unseren Umfragen füh-                                                                            wäre es doch, wenn sich alle Beteilig-
len sich 55 Prozent der Deutschen                                       Industrie            28 %               ten einigen, dass Verkehr, der unver-
durch Straßenlärm belästigt. Bei Flug-                                                                          meidlich ist, nur noch dort abgewi-
                                                               Schienenverkehr             22 %
lärm ist es jeder Dritte, bei Schienen-                                                                         ckelt wird, wo er am wenigsten Proble-
lärm jeder Fünfte.                                          Quelle: Umweltbundesamt 2010                        me bereitet.




          AT O M E N E R G I E
                                                            Der Rückbau der Anlagen könnte sich                 produzieren, weil die Genehmigung
                                                            auch deswegen verzögern, weil Behäl-                fehlt, wie die Firma bestätigte. Die Zu-
                                                            ter für nicht mehr benötigten Kern-                 lassung wird nicht vor Ende 2013 er-
Rückbau verzögert sich                                      brennstoff fehlen. So kann die Firma
                                                            GNS derzeit keine Castoren für Brenn-
                                                                                                                wartet. Für die Lagerung nicht voll-
                                                                                                                ständig abgebrannter oder beschädig-
Ein Jahr nach dem endgültigen Aus                           elemente aus Siedewasserreaktoren                   ter Brennelemente gibt es nicht einmal
für acht Atomreaktoren in Deutsch-                                                                                     ein Genehmigungsverfahren.
land ist unklar, wann und wie die An-                                                                                  Schon heute führt der Castor-
lagen abgebaut werden sollen. Derzeit                                                                                  Engpass zu Problemen: Im still-
liegt noch keiner Aufsichtsbehörde ei-                                                                                 gelegten Kraftwerk Brunsbüttel
nes Bundeslands ein Antrag auf Still-                                                                                  in Schleswig-Holstein können
legung nach dem Atomgesetz vor. Das                                                                                    abgekühlte Brennelemente
ergibt sich aus einer Umfrage der                                                                                      nicht in einem sicheren Zwi-
atompolitischen Sprecherin der Grü-                                                                                    schenlager untergebracht wer-
nen im Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl,                                                                                  den. Die alten Brennstäbe müs-
unter den betroffenen Ländern. Exper-                                                                                  sen vorübergehend im Reaktor-
ten vermuten, dass die Betreiber keine                                                                                 druckbehälter lagern. Vorige
Fakten schaffen wollen, bevor über                                                                                     Woche sorgte das Atomkraft-
                                                                                                                    PATRICK LUX




ihre Schadensersatzforderungen ent-                                                                                    werk für Schlagzeilen, weil in
schieden ist, die sie wegen des Atom-                                                                                  einer Kaverne ein Atommüll-
ausstiegs gegen den Bund erheben.                           Kraftwerk Brunsbüttel                                      fass völlig verrostet war.
18                                                                  D E R    S P I E G E L    1 1 / 2 0 1 2
Deutschland


                                AU S S E N P O L I T I K




               Spiel auf Zeit
 Die Europäer haben eine Schlüsselrolle im Konflikt
mit Iran: Sie sollen Teheran vom Atomkurs abbringen,
 um einen Krieg zu verhindern. Die bislang glücklose
EU-Außenbeauftragte Ashton leitet die Verhandlungen.


A
         ls Catherine Margaret Ashton, Ba-   Westen keinen Misserfolg erlauben. Ein
        roness of Upholland, vor zwei Jah-   Scheitern bedeutet wohl Krieg.
        ren zur europäischen Außenminis-        Der israelische Ministerpräsident Ben-
terin ernannt wurde, registrierte selbst     jamin Netanjahu hat in der vergangenen
ihr Ehemann die Skepsis. Das Volk habe       Woche bei seinem Besuch in Washington
bei der Nominierung seiner Frau „nicht       keinen Zweifel daran gelassen, dass er
gerade auf den Straßen getanzt“, räumte      Iran mit allen Mitteln am Bau einer Atom-
Peter Kellner, der Chef des bekannten        bombe hindern will. Auch mit militäri-
Umfrageinstituts YouGov, ein. Nach ei-       scher Gewalt.
nem wenig verheißungsvollen Start be-           Obama setzt wie die Europäer darauf,
wegte sich Ashtons Reputation weiter in      dass Verhandlungen und Sanktionen Te-
eine Richtung: nach unten.                   heran möglicherweise doch zum Umden-
   Nach anderthalb Jahren war die Bilanz     ken bewegen. Er hat aber zugleich klar-
der ersten Hohen Vertreterin für die Au-     gemacht, dass er Israel unterstützen wer-
ßen- und Sicherheitspolitik der EU so        de, wenn eine iranische Atombombe sich
dürftig, dass offen über ihre Ablösung       nur durch einen Angriff verhindern lässt.
nachgedacht wurde. „Langsam läuft die        „Ich mache keine Eindämmungspolitik“,
Zeit ab“, warnte Elmar Brok, der außen-      sagt Obama.
politische Experte der CDU im Europa-           Damit liegt es jetzt an den Europäern,
parlament. Der liberale Fraktionschef        einen Krieg in einer Region zu verhin-
Guy Verhofstadt nannte Ashtons Politik       dern, deren Ölvorräte der Treibstoff der
schlicht „lächerlich“.                       Weltwirtschaft sind. In der „internatio-
   Die Britin mit dem „Charisma eines        nalen Kontaktgruppe“ sind zwar neben
Campingplatzes auf der Insel Sheppey“        Deutschen, Briten, Franzosen und Ame-
(der britische Journalist Rod Liddle) er-    rikanern auch Russen und Chinesen ver-
trug die Vorwürfe klaglos. Wenn sie kri-     treten. Die Regie liegt aber bei Ashton,
tisiert wurde, machte sie brav Notizen.      weil Peking und Moskau bremsen und Außenpolitikerin Ashton, Bundeskanzlerin Merkel,
Gern las sie vorbereitete Statements ab.     Obama wegen der bevorstehenden Prä-
Ihre Stärke sei die Arbeit hinter den Ku-    sidentschaftswahl nicht frei handeln
lissen, behauptete sie. „Ich bin kein wan-   kann.
delndes Ego, aber verhandeln kann ich.“         Die Europäer sind in einem Punkt ka-
   In den kommenden Monaten kann             tegorisch: Sie lehnen eine militärische Lö-
Ashton beweisen, ob das stimmt. Die          sung ab. Ein Krieg könnte die ganze Re-
Außenbeauftragte hat das derzeit schwie-     gion ins Chaos stürzen, fürchten sie. Zu-
rigste Mandat in der internationalen         dem würden Militärschläge den Bau einer
Politik inne. Sie soll mit Iran über das     Bombe allenfalls verzögern, aber nicht
umstrittene Atomprogramm verhandeln.         verhindern, heißt es im Berliner Auswär-
   Im Westen zweifelt kaum jemand dar-       tigen Amt. Aber was ist, wenn Iran wie
an, dass die Führung in Teheran zumin-       so oft in der Vergangenheit, nur auf Zeit
dest die Fähigkeit zum Bau einer Bombe       spielt, um sein Nuklearprogramm unge-
erwerben will. Das würde die Machtba-        stört vorantreiben zu können?
lance in einer der explosivsten Regionen        Die Frau, die für die Kontaktgruppe
der Welt verändern und vermutlich ein        die Gespräche vorbereiten soll, ist eine
atomares Wettrüsten auslösen. Ashton         Deutsche. Helga Schmid, 51, frühere Bü-
muss Poker mit einem hohen Einsatz spie-     roleiterin des damaligen Außenministers
len. Gibt es eine Chance, Iran noch von      Joschka Fischer und seit über einem Jahr
seinen Atomplänen abzubringen?               stellvertretende Generalsekretärin des
   Es gab schon vorher Verhandlungen,        Auswärtigen Dienstes der EU. Die Diplo-
die alle am Unwillen Irans scheiterten.      matin genießt nicht nur das Vertrauen
Das Land wollte an seinem Atompro-           Ashtons. Auch die Bundeskanzlerin un-
gramm festhalten. Diesmal kann sich der      terstützt sie.
20                                                  D E R   S P I E G E L   1 1 / 2 0 1 2
Bereits in dieser Woche könnte sich
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                                                                                                                          tenden Verhandlungsführer Teherans,
                                                                                                                          treffen. Das hat sie dem Iraner angeboten.
                                                                                                                          Schmid und Bagheri haben in den ver-
                                                                                                                          gangenen Wochen regelmäßig miteinan-
                                                                                                                          der telefoniert. Es wäre der erste offizielle
                                                                                                                          Kontakt seit dem Scheitern der letzten
                                                                                                                          Verhandlungen im Januar 2011. Ein Tref-
                                                                                                                          fen soll in Genf oder Wien stattfinden.
                                                                                                                             Die Verantwortlichen in Berlin und
                                                                                                                          Brüssel spielen auf Zeit. Die Bundesre-
                                                                                                                          gierung hat nach Gesprächen mit israeli-
                                                                                                                          schen Regierungsvertretern in der ver-
                                                                                                                          gangenen Woche den Eindruck gewon-
                                                                                                                          nen, dass Netanjahu nach den Zusiche-
                                                                                                                          rungen Obamas keinen schnellen Angriff
                                                                                                                          plant. Nach israelischen Medienberichten
                                                                                                                          hat der US-Präsident den Israelis zuge-
                                                                                                                          sagt, bunkerbrechende Munition zu lie-
                                                                                                                          fern, wenn Israel in diesem Jahr nicht an-
                                                                                                                          greift. Israel könnte iranische Anlagen
                                                                                                                          damit selbst dann attackieren, wenn sie
                                                                                                                          in tiefere Bunker verlegt werden sollten.
                                                                                                                          Die Israelis dementieren den Deal aller-
                                                                                                                          dings.
                                                                                                                             Aus Sicht von Deutschen, Briten und
                                                                                                                          Franzosen wäre ein solches Abkommen
                                                                                                                          gut, denn damit wäre etwas Zeit gewon-
                                                                                                                          nen. Und Zeit ist in Krisen ein wertvolles
                                                                                                                          Gut. Deshalb soll es, so die Planung, eine
                                                                                                                          Serie von Gesprächen zwischen Ashton
                                                                                                                          und dem iranischen Chefunterhändler
                                                                                                                          Said Dschalili geben, die sich über meh-
                                                                                                                          rere Monate hinziehen könnten.
                                                                                                                             Offiziell fordert Ashton die iranische
                                                                                                                          Führung auf, ernsthaft zu verhandeln.
                                                                                                                          „Wir wollen keine Gespräche um der Ge-
                                                                                                                          spräche willen“, sagte sie dem SPIEGEL.
                                                                                                                          „Wir brauchen greifbare Fortschritte.“
                                                                                                                             Doch in Wahrheit hoffen die Europäer
                                                                                                                          darauf, bis über die amerikanische Präsi-
                                                                                              REUTERS




                                                                                                                          dentschaftswahl im November hinaus zu
                                                                                                                          verhandeln. Würde Obama wiederge-
Irans Präsident Ahmadinedschad: Angst vor Chaos in der Region                                                             wählt, müsste er weniger Rücksicht auf
                                                                                                                          seine republikanischen Gegner und die
                                                                                                                          einflussreiche Israel-Lobby nehmen. Der
                                                                                                                          US-Präsident, der ebenfalls keinen An-
                                                                                                                          griff auf Iran will, könnte dann mehr
                                                                                                                          Druck auf Netanjahu ausüben.
                                                                                                                             Neben der Strategie für die Gespräche
                                                                                                                          hat man in den europäischen Hauptstäd-
                                                                                                                          ten auch erste inhaltliche Punkte verein-
                                                                                                                          bart, die den Iranern einen Deal schmack-
                                                                                                                          haft machen sollen. Bislang hat Teheran
                                                                                                                          alle Avancen zurückgewiesen.
                                                                                                                             Dabei geht es ausgerechnet um das
                                                                                                                          Atomkraftwerk von Buschehr. Die Anla-
                                                                                                                          ge ist technisch nicht auf dem neuesten
                                                                                                                          Stand, die Anfänge stammen noch aus
                                                                                                                          der Zeit vor der Islamischen Revolution.
                                                                                                                          Nach der Atomkatastrophe von Fukushi-
                                                                                                                          ma wachsen die Sorgen der Golfanrainer,
                                                                                              ABEDIN TAHERKENAREH / DPA




                                                                                                                          aber auch der Iraner, dass das Kraftwerk
                                                                                                                          nicht sicher sei. Die Europäer wollen Iran
                                                                                                                          daher in den Verhandlungen anbieten,
                                                                                                                          den Reaktor technisch aufzurüsten.
                                                                                                                             Außerdem will der Westen Teheran
                                                                                                                          versprechen, Iran politisch und wirtschaft-
                                                      D E R   S P I E G E L   1 1 / 2 0 1 2                                                                         21
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  • 3. Hausmitteilung 12. März 2012 Betr.: Hollande, Gauck, Identität, SPIEGEL-Bücher D as Gespräch mit dem französischen Präsidentschaftskandidaten François Hol- lande, 57, war schon seit langem vereinbart. Da sorgte, in der vorigen Woche, eine SPIEGEL-Meldung für Aufregung im Wahlkampf: Kanzlerin Angela Merkel, 57, habe mit wichtigen EU-Regierungschefs vereinbart, Hollande nicht zu empfan- gen – weil der eine Neuverhandlung des europäischen Fiskalpaktes verlangt hatte. Im Pariser SPIEGEL-Büro bestürmten französische Kollegen den Korrespondenten Mathieu von Rohr, 34, mit der Bitte um Auskunft. Gemeinsam mit seinem Kollegen Romain Leick, 62, traf er Hollande am Mittwoch zum SPIEGEL-Gespräch in dessen Wahlkampfzentrale in Paris. Was der Sozialist sagte, wird die Kanzlerin sorgen: Gewinne er die Wahl, so Hollande, werde Frankreich auch in der Europapolitik „einen anderen Weg“ einschlagen (Seite 90). S eit Joachim Gauck, 72, für die Bundespräsi- dentenwahl an diesem Sonntag nominiert wurde, verweigert er sich den Medien: keine Pressekonferenzen, keine Interviews, keine Hintergrundgespräche. SPIEGEL-Autor Markus Feldenkirchen, 36, der Gauck bereits bei dessen erster Kandidatur vor zwei Jahren begleitet hat- te, reiste ihm dennoch hinterher. „Was machen Sie denn hier?“, fragte Gauck seinen Verfolger, CHRISTIAN THIEL / DER SPIEGEL als er ihn in einer Hotellobby im polnischen LódŹ entdeckte. Am nächsten Abend sprachen die beiden an der Bar über Gaucks Zukunft. „Er steht vor der Erfüllung seines Lebenstraums“, sagt Feldenkirchen, „aber ein bisschen mulmig Feldenkirchen, Gauck in LÓdŹ ist ihm auch“ (Seite 30). W ie fühlt sich ein Mann, der im Alter von 70 Jahren erfährt, dass er um seine Identität betrogen wurde? Dass die Frau, die ihn großzog und sich als seine Mutter ausgab, ein Leben lang gelogen hat? George Jaunzemis waren schon vor Jahrzehnten Ungereimtheiten in seiner Biografie aufgefallen. Doch erst im Renten- alter kam sich der Mann auf die Spur. Er war in Neuseeland aufgewachsen, hatte dort auch sein Berufsleben verbracht; seine Mutter hatte ihm verschwiegen, dass er Deutscher ist und aus Magdeburg stammt. Als SPIEGEL-Redakteurin Barbara Hardinghaus, 36, ihn fragte, wo er seine Wurzeln orte, war er ratlos: „Von der Ernährung her fifty-fifty, halb Bratwurst, halb Fish & Chips“, antwortete Jaunzemis, „tatsächlich aber habe ich keine Heimat, ich bin eine Summe“ (Seite 52). B iosprit tanken, Müll sortieren oder Vegetarier werden – es gibt vermeintlich viele Möglichkeiten, die Umwelt zu schützen. SPIEGEL-Redakteur Alexander Neubacher, 43, selbst Biokisten-Käufer, hat einiges auf den Prüfstand gestellt und berichtet darüber in dieser Ausgabe (Seite 60) und in seinem Buch „Ökofimmel. Wie wir versuchen, die Welt zu retten – und was wir damit anrich- ten“. 33 Phänomene, die selbst Wissenschaftler rätseln lassen, beschreibt SPIEGEL-ONLINE- Redakteur Axel Bojanowski, 40, im ebenfalls neuen SPIEGEL-Buch „Nach zwei Tagen Regen folgt Montag“. Im Internet: www.spiegel.de D E R S P I E G E L 1 1 / 2 0 1 2 3
  • 4. In diesem Heft Titel Die Selbstheilungskraft des Herzens – neue Strategien im Kampf gegen den Infarkt ........ 118 Deutschland Panorama: Schäuble fordert Steuer auf Finanztransaktionen / Linke-Mitglieder zahlen am meisten / Fluglärm macht krank ............... 15 Außenpolitik: Die Europäer spielen im Iran-Konflikt eine Schlüsselrolle .................... 20 Europa: Im SPIEGEL-Gespräch kritisiert EU-Kommissar Günther Oettinger die deutsche Energiewende ............................ 24 Regierung: Unionsfrauen meutern gegen das Nein der FDP zur Quote .......................... 27 CSU: Parteichef Horst Seehofer ärgert sich über den geringen Einfluss seiner Hauptstadttruppe ................... 28 Karrieren: Der künftige Bundespräsident Joachim Gauck will den Deutschen ihre Ängste nehmen ..................... 30 Internet: Autoscout24 bringt Werkstätten gegen sich auf ................................................ 35 Wahlkampf: Wie die Piraten im Saarland Das Präsidenten-Experiment Seite 30 Mit seinen Begriffen aus Psychologie und Seelsorge wird Joachim Gauck TORSTEN SILZ / DAPD und in Schleswig-Holstein ihre Basis erweitern wollen ............................ 36 als Bundespräsident viele Bürger verwundern. Seine Botschaften Aktivisten: Was wird nach dem FBI-Schlag dürften manche verstören, die ihn noch für „ihren“ Kandidaten halten. aus der Hacker-Bewegung Anonymous? ........ 38 Koalition: Unionspolitiker werfen der Bundesjustizministerin vor, sie habe eine Studie zur Vorratsdatenspeicherung frisieren lassen ... 42 Erziehung: SPIEGEL-Gespräch mit dem dänischen Familientherapeuten Jesper Juul über die Fehler von Eltern und Pädagogen .... 44 Wintersport: Liftbetreiber wollen Skiwanderer von den Pisten verbannen .............................. 47 Bei Scheitern Krieg Seite 20 Die Verhandlungen der Kontaktgruppe mit Iran sind die wohl letzte Chance, Gesellschaft eine militärische Auseinandersetzung in der Region zu verhindern. Die Szene: Abendmahl mit Nackten / Erfolgreiche Verantwortung für einen Erfolg der Gespräche liegt jetzt bei den Europäern. Honecker-Memoiren ...................................... 48 Ein Video und seine Geschichte – warum ein Kalifornier im Flughörnchen-Outfit sein Leben riskiert ........ 50 Identität: Ein 70-Jähriger erforscht seine Biografie und entdeckt ein Verbrechen .......... 52 Schlecker von unten Seite 66 Ortstermin: Die Berliner Unterstützer der Diese Woche wird entschieden, welche der 6000 Filialen des Drogerie- syrischen Revolution ...................................... 57 riesen schließen und welchen 13 000 der insgesamt rund 30 000 Beschäftigten gekündigt wird. Drei Betroffene erzählen, wie sie die Pleite erleben. Wirtschaft Trends: DGB macht gegen Datenschutzgesetz mobil / Vitaminsäfte enthalten zu viel Folsäure / Interview mit Peter Hintze über die jüngsten deutsch-französischen Kämpfe um EADS ...... 58 Nachhaltigkeit: Unsere große Öko-Illusion im täglichen Leben ......................................... 60 Eine Frage der Übernahmen: Porsche wird die Gerichte noch lange beschäftigen ................................. 64 Macht Handel: Drei Schlecker-Mitarbeiterinnen – drei Meinungen über den Pleitekonzern ........ 66 Seiten 27, 145 Benzin: Taugt das westaustralische Preismodell Kanzlerin Angela Merkel für deutsche Tankstellen? ............................... 68 will sich mit dem Nein der Affären: Ein krisengeschüttelter Ferrostaal- Manager darf noch mal ran ............................ 69 Liberalen zur Frauenquote Banken: Neue Milliardenlücken bei nicht abfinden. Notfalls will MICHAEL HÜBNER / ACTION PRESS der Hypo Real Estate ...................................... 72 sie mit dem Thema in den Bundestagswahlkampf 2013 Serie ziehen. SPIEGEL-Redakteu- Die Reichen (Teil III): Ein Finanzmanager, ein rin Elke Schmitter plädiert Konzernchef und ein Internetmilliardär erzählen für die Quote. Sie sei lästig von ihrem Verhältnis zum Geld ..................... 74 Familienministerin Schröder und undemokratisch, aber Wie ein Elite-Internat versucht, eine ganz leider notwendig. normale Schule zu sein .................................. 79 4 D E R S P I E G E L 1 1 / 2 0 1 2
  • 5. Medien Trends: RTL baut Aufsichtsrat um / Gottschalk wünscht sich eine Sparringspartnerin ............. 81 Debatte: Weshalb der Begriff „Raubkopie“ das Elend der Urheberrechtsdiskussion illustriert .... 82 Handel: Amazon-Partner bieten indizierte Filme an ......................................................... 84 Ausland Panorama: Machtgerangel im Hause Assad / US-Autor Tim Weiner über die Rechtsbrüche des FBI / Europarat kritisiert Ungarns neue Nationale Justizbehörde ................................. 87 Frankreich: SPIEGEL-Gespräch mit Präsident- schaftskandidat Hollande über Kanzlerin Merkels Weigerung, ihn zu empfangen ............. 90 USA: Obamas Kriegsdoktrin ........................... 94 Polen: Geplante Atomkraftwerke provozieren die Deutschen ............................................... 98 Russland: Die Opposition will die Macht in der Hauptstadt .......................................... 100 Golfstaaten: Katars unverzichtbarer Emir .... 102 Obamas Drohnen-Krieg Seite 94 Global Village: Eine Auswanderermesse in Dublin kapituliert vor dem Besucheransturm ........... 108 Im Kampf gegen den Terrorismus übernimmt Barack Obama die zweifel- haften Rechtsgrundsätze seines Vorgängers George W. Bush. Gezielte Sport Tötungen durch Fernlenkwaffen sind heute offizielle Militärdoktrin. Szene: Wasserspringer Patrick Hausding REUTERS über rigide Regeln für Athleten bei Olympia in London / Brauchen Deutschlands Fußball-Manager Ausbildungsstandards? ...... 111 Fußball: SPIEGEL-Gespräch mit dem Dortmunder Trainer Jürgen Klopp über sein Leben im Rampenlicht .......................... 112 Boxen: Wie Weltmeisterin Rola El-Halabi Jungbrunnen fürs Herz Seite 118 das Attentat bewältigt, das ihr Stiefvater auf sie verübte .................. 115 Mediziner entdecken die Selbstheilungskraft kranker Herzen. So führt körperliche Aktivität dazu, dass neue Blutgefäße wachsen. Forscher suchen Wissenschaft · Technik nach Wirkstoffen, um die Bildung solcher natürlichen Bypässe zu fördern. Prisma: Nachtfahren gefährlicher als gedacht / Weniger Ausgrabungen in Griechenland ...... 116 Automobile: Die englische Traditionsmarke Morgan wagt die Wiedergeburt des dreirädrigen Sportwagens ....................... 128 Hirnforschung: Warum können sich manche Wie viel Kultur braucht das Land? Seite 136 Menschen an fast jedes Gesicht erinnern? .... 129 Geschichte: Der Absturz einer Das deutsche Subventionssystem steht vor einem Kollaps. Das behaupten Militärmaschine wurde zur Geburtsstunde vier Experten und fordern einen radikalen Umbau: Die Hälfte aller Theater, der alpinen Luftrettung ................................ 132 Museen und Bibliotheken sollte geschlossen werden. Kultur Szene: Eine beeindruckende Ausstellung von Kriegsfotografien aus Libyen / Historiker Paul Nolte über den Wandel der Demokratie ......... 134 Kulturpolitik: Vier Experten fordern den Mit Vollgas Umbau des deutschen Subventionssystems ... 136 Bestseller ..................................................... 140 durchs Leben Kunst: SPIEGEL-Gespräch mit den Fotografen Andreas Gursky und Thomas Ruff über die Wahrhaftigkeit von Bildern ............. 142 Seite 112 Gleichberechtigung: Warum die Frauenquote Sein Talent zum Wortführer undemokratisch, aber notwendig ist ............. 145 Autoren: Das Meisterwerk „Parallelgeschichten“ habe sich früh abgezeichnet, des Ungarn Péter Nádas ............................... 146 sagt der Dortmunder Trainer Verlage: Piper-Chef Marcel Hartges und seine Jürgen Klopp im SPIEGEL- Strategie im E-Book-Geschäft ...................... 148 Gespräch: „Ich war schon im- Literaturkritik: Die Dramatikerin Dea Loher mer laut.“ Die Unbedingtheit, debütiert eindrucksvoll als Romanautorin mit mit der Klopp seine Ziele „Bugatti taucht auf“ ..................................... 151 FIRO SPORTPHOTO beim BVB verfolgt, verlangt Briefe ............................................................... 6 er auch von seinen Profis. Impressum, Leserservice .............................. 152 „Wir sind hier, um alles raus- Klopp Register ........................................................ 154 zuhauen. Also: Vollgas.“ Personalien ................................................... 156 Hohlspiegel / Rückspiegel ............................. 158 D E R S P I E G E L 1 1 / 2 0 1 2 5
  • 6. Briefe Was, wenn Israel die Schlagkraft der Iraner unterschätzt und erhebliche Opfer hinneh- „Eine Analyse, wie sie derzeit in men muss? Dann wird es wohl kaum bei deutschen Medien nur selten zu finden einem Luftschlag gegen iranische Atom- anlagen bleiben, sondern es wird Krieg ist. Nicht vergessen sollte man aber: mit unbekannter Dynamik geben. Zu glau- Israel verfügt bereits über ein ben, es werde nur die Region destabilisiert, ist entschieden zu kurz gedacht. beträchtliches Kernwaffenarsenal, BERNHARD LANGLOTZ, HAMBURG während das bei Iran selbst nach Der Zuwachs an Destabilisierung in der Einschätzungen westlicher Region durch eine iranische Atombombe Geheimdienste nicht der Fall ist. resultiert aus der Tatsache, dass es dann drei Atommächte in der Region gäbe, und SPIEGEL-Titel 10/2012 DR. HUBERT THIELICKE, AHRENSFELDE (BRANDENB.) nicht etwa daraus, dass einzelne Entschei- dungsträger irrational handeln könnten. HELMUT SUTTOR, FRANKFURT AM MAIN Nr. 10/2012, Krieg um die Bombe? – Irans Vielleicht sollte man nicht vergessen, wer geheimes Atom-Programm 2002 von wem auf der Achse des Bösen Sind denn israelische und US-Politiker von verortet wurde und die Nahost-Region jeglicher Vernunft verlassen, dass sie durch Zurück an den Tisch! um Iran mit Krieg überzogen hat. Dass bei solchen Nachbarschaftsverhältnissen Provokation, Propaganda und Lügen einen Krieg entfachen? Ist es denn nur die irani- Die Signale, die sowohl die israelische als ein Land nach Kernwaffen strebt, braucht sche Seite, die nicht die Wahrheit sagt? auch die iranische Regierung aussenden, heute keinen Diplomaten mehr zu ver- MARIE-LUISE KHAN, HAMBURG sind wohl eher an die eigene Bevölkerung wundern. Vertrauen muss wiederherge- gerichtet: als Demonstration von Stärke stellt werden, beispielsweise über gemein- Das Titelbild suggeriert eine von Iran aus- und Führungsanspruch in der Region. gehende Kriegsgefahr. Tatsächlich ist es Denn sollte Iran die Atombombe eines Israel beziehungsweise die Netanjahu- Tages haben, wäre das Risiko, sie gegen Clique, die den Frieden gefährdet. Also Israel einzusetzen, viel zu hoch. Nicht gehört eigentlich Netanjahus Konterfei nur wegen eventueller Reaktionen, son- auf das Titelblatt. dern auch, weil die Gefahr bestünde, dass ZIV KOREN / POLARIS / STUDIO X KARL WUESTER, KRAILLING (BAYERN) eine Rakete aufgrund unvorhersehbarer technischer Schwierigkeiten nicht Tel Eine der Lehren der Geschichte ist doch: Aviv, sondern Ostjerusalem treffen, in Wenn Antisemiten einen Massenmord an- jedem Fall aber Tausende oder Zigtau- kündigen, dann werden sie alles unter- sende Palästinenser töten oder verstrah- nehmen, ihr Ziel in die Tat umzusetzen. len würde. Das wäre das Ende aller irani- Unbegreiflich bleibt daher die in der Bun- schen Träume. Israelischer Kampfpilot desrepublik vorherrschende Blindheit, CHRISTOPH MÜLLER-LUCKWALD, BINGEN welche die existentielle Bedrohung Israels same Interessen in Afghanistan oder bei nicht wahrhaben will und die Israelis als Die Wahrnehmung, wer wen bedroht und der Pirateriebekämpfung im Persischen die eigentlichen Aggressoren darstellt. schon angegriffen hat, ist in Palästina und Golf und am Horn von Afrika. Daher: zu- THORSTEN WILLMANN, LEIPZIG Iran eine ganz unterschiedliche. rück an den Verhandlungstisch! FRIEDEMANN UNGERER, WAHLENDOW CHRISTOPH LEISERING, BERLIN Weshalb sind israelische Atomwaffen ein (MECKL.-VORP.) Segen für die Welt, vermeintliche irani- Eine hervorragende, aber auch erschre- sche Nuklearwaffen aber eine Bedro- Atomwaffen in der Hand Irans sind gleich- ckende Analyse. Ein Angriff Israels auf hung? Geht denn von Pakistan, das seit zeitig Waffen gegen sich selbst. Die Sor- die iranischen Atomanlagen und die zu 1998 die Atombombe besitzt und nach- gen Israels sind verständlich, aber sind erwartende Reaktion Irans ist eine Hor- weislich die Taliban mit Waffen versorgt, sie wirklich realistisch? Kein iranisches rorvorstellung. Warum wird der IAEA keine Bedrohung aus? Bedroht von diesen Regime kann es auf ein Hiroshima in Te- der Zugang zu den Anlagen verwehrt, Atommächten und umzingelt von US-Mi- heran ankommen lassen. Denn dies wäre wenn sie doch ausschließlich zivilen und litärbasen, haben Rattenfänger wie Ah- die unweigerliche Folge eines Angriffs friedlichen Zwecken dienen und es daher madinedschad es leicht, die Mehrheit der auf Israel. gar nichts zu verheimlichen gäbe? Iraner hinter sich zu bringen. WILFRIED WIEGAND, NEUBIBERG (BAYERN) DR. REINHARD TILL, BACKNANG (BAD.-WÜRTT.) RAHIM BARADARI, BERLIN Ein fundamentalistischer Gottesstaat, der den Holocaust leugnet und Israel mit der Vernichtung droht, darf niemals die Diskutieren Sie im Internet Atombombe in die Hände bekommen! www.spiegel.de/forum und www.facebook.com/DerSpiegel Gewiss, ein israelischer Angriff mag un- ‣ Titel Wie lassen sich Herzprobleme vermeiden? kalkulierbare Folgen haben. Aber was ist die Alternative? Die Mullahs wollen die ‣ Umweltschutz Energiesparbirnen, Dosenpfand, Bombe um jeden Preis. Selbst wenn sich Gelber Sack – was ist sinnvoll, was nicht? die Führung in Teheran am Ende rational verhalten sollte, kann Israel sich dieses ‣ Kultur Leistet sich Deutschland zu viele Theater Risiko nicht leisten. und Museen? CHRISTOFER GRASS, FREIBURG IM BREISGAU 6 D E R S P I E G E L 1 1 / 2 0 1 2
  • 7.
  • 8.
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  • 10. Briefe Nr. 9/2012, Deutschland, deine Reichen: Die Anzahl der Spitzenpromotionen im Wer sind sie – und warum so viele? Fach Mathematik an der TU Berlin mag auf den ersten Blick sehr befremdlich wir- Fiktive Werte ken, aber die TU ist sowohl Sprecher- hochschule der „Berlin Mathematical Manche Zeitgenossen mögen es als Ehre School“, einer im Rahmen der Exzellenz- empfinden, auf einem SPIEGEL-Titel das initiative geförderten Graduiertenschule, Thema „Reichtum in Deutschland“ mit- als auch Sprecherhochschule des DFG- illustrieren zu dürfen. Ich fühle mich dort Forschungszentrums „Matheon – Mathe- reichlich deplatziert, denn ich halte mich matik für Schlüsseltechnologien“. Die mitnichten für reich. Die Verantwortung hohe Berufungsquote von Nachwuchswis- und Schulden für den Wiederaufbau und senschaftlern der beiden Einrichtungen die Erweiterung des neuen Schlosses El- auf Professuren bestätigt die besondere mau sind eine ganz reale Größe, die dort Qualität der beiden Einrichtungen und geschaffenen Werte heute allenfalls fiktiv. zeigt, dass Ihre These – jedenfalls was die Von den genannten Millionären und Mil- Qualität der Mathematik an der TU Ber- liardären bin ich in vielerlei Hinsicht weit lin angeht – falsch ist. entfernt. Schloss Elmau ist weder ein PROF. DR. DR. H. C. KURT KUTZLER, BERLIN Reich der Reichen, noch sind meine sechs Kinder in einem Bewusstsein von Armut oder Luxus groß geworden. Reichtum ist Nr. 9/2012, Die Shopping-Reise der CSU- keine Frage des Geldes, sondern eine der Bundestagsabgeordneten Dagmar Wöhrl Ideen und des Vertrauens. DIETMAR MÜLLER-ELMAU, ELMAU (BAYERN) Entschuldigung, Burma Nr. 9/2012, Die Universitäten drohen im Kampf gegen abgekupferte Doktor- arbeiten zu scheitern Erheblicher Schaden Es geht letztendlich um mehr als um Tür- schilder, weil solche „Plagiats-Doktoren“ THOMAS IMO als Politiker und Ministerialbeamte durchaus einen erheblichen Schaden an- richten können, indem sie ihre Vorstel- Abgeordnete Wöhrl lung von „Forschung“ bei ihrer Arbeit anwenden. Können Plagiatsjäger die Wis- Dagmar Wöhrl, Juristin und Mitglied ei- senschaft retten? Das Zitieren ist ja nicht ner Christlichen Union, offenbart mit ih- das Problem. Bei einer Dissertation müss- rem peinlichen Auftreten einen Charak- te es eigentlich um das Darstellen von ter, der keine Verwendung in öffentlichen Forschungsergebnissen gehen. Etwas Ämtern zulässt. Wenn so ein Verhalten Neues muss erarbeitet, gut begründet und auch noch von Dirk Niebel geduldet oder belegt werden. Der Doktorvater soll die unterstützt wird, sollte das Ministerium Arbeit betreuen, nicht nur lesen. auf den Prüfstand gestellt werden. JIRI SOBOTA, KRONBERG (HESSEN) HARTMUT KAMIN, NEUENKIRCHEN (MECKL.-VORP.) Im Kampf gegen Plagiate im Wissen- Als Vorsitzende des Entwicklungsaus- schaftsbetrieb werden die Universitäten schusses ist Wöhrl wohl fehl am Platz. Ihr signifikante Erfolge erzielen, wenn die Auftreten in Rangun spottet jeder Be- Professoren die Betreuung ihrer Dokto- schreibung. Es ist eine Unverschämtheit randen und damit die zwischen ihnen be- von ihr, wenn sie sagt, dass die Opposi- stehende Forschungsbeziehung deutlich tionsführerin Aung San Suu Kyi jahrelang intensivieren. keinen Stress hatte. Die CSU-Abgeordne- HOLGER PILLAU, BERLIN te hat keine Ahnung, wie es San Suu Kyi ergangen ist, als diese 15 Jahre lang den Hausarrest hat ertragen müssen. MATTHIAS SCHWARZ, SULZBACH-ROSENBERG PETER ENDIG / PICTURE ALLIANCE / DPA Ich entschuldige mich beim burmesischen Volk für den Auftritt von Frau Wöhrl und lege ihr nahe, von ihren Ämtern zurück- zutreten. Weiterhin sollte Bundestagsprä- sident Lammert ihre Eignung als Volks- vertreterin überprüfen und nach diesem Vorfall von ihr eine Entschuldigung beim burmesischen Botschafter verlangen. Hochschulabsolventen in Leipzig 2011 HELMUT SCHWARZ, KANDERN (BAD.-WÜRTT.) 10 D E R S P I E G E L 1 1 / 2 0 1 2
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  • 12. Briefe Nr. 10/2012, SPIEGEL-Gespräch mit dem viele Sympathien. Mit dem gefassten Ent- Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi und schluss, seine „eigene Kunst“ zu machen, dessen Frau Helene hat Herr Beltracchi sich auf eine lange Reise begeben. Mal sehen, wohin sie Klammheimliche Freude führt. Seine Frau stellt im Interview etwas naiv die Frage: „Sind Pinsel Waffen?“ Ja, Ihr Interview mit den Beltracchis bescher- Pinsel können Waffen sein. te mir einen angenehmen Zustand be- CHRISTIAN HÜBNER, MÜNCHEN schwingter Heiterkeit, der mehrere Tage anhielt. Lange nicht mehr so gelacht – ganz famos! Wie sagte Frank Zappa doch so schön: „Art is making something out of nothing and selling it“ (Kunst ist, aus nichts etwas zu machen und es zu ver- kaufen –Red.). THOMAS BUSCH, HEINSBERG (NRW) Mon dieu, wer möchte beim Lesen nicht gern mit Beltracchis Leben tauschen? Dem bigotten Kunstmarkt eine Nase dre- hen, auf einem Amsterdamer Hausboot leben oder im Wohnmobil durch Asien abhängen oder eben auch am Millionen- pool in Freiburg liegen und den französi- schen Wein von der eigenen Propriété vi- ticole dekantieren. Nur in den Knast ge- hen – das ist dann doch ein bisschen zu viel. Andererseits beweist es: In seinen Handlungen war Beltracchi ein Fälscher, in seinem Innersten ist er aber absolut MANFRED ESSER authentisch – eben ein echter Beltracchi! DR. UWE GRANZOW, FREIBURG I. B. Ihre bisherige Berichterstattung über die Beltracchi-Kunstwerk „14 Fälschungen“ Beltracchi-Bande hat uns beeindruckt. Umso befremdlicher ist es, dass W. Bel- Chapeau, Herr Beltracchi! Wenn in dieser tracchi nun die Gelegenheit erhält, seine Gesellschaft, die meist nach Schein und Selbstgefälligkeit in so epischer Breite Preis, nicht nach Wert (be)handelt und darzustellen. Widersprechen müssen wir dadurch in Mediokrität versinkt, viel- dem Artikel, wenn Beltracchi als unser leicht das Prädikat „genial“ zu vergeben Geschäftspartner dargestellt wird. Wir wäre, dann gebührte es ohne Abstrich Ih- kennen Beltracchi nur aus den Medien nen. Sie werden noch deutliche Marken und dem Gerichtssaal, zu keiner Zeit be- in der Malerei setzen. stand Kontakt zu ihm. Die Schwestern H. STEPHAN MEHLE, WARTHAUSEN Beltracchi und J. Spurzem hatten die Exis- (BAD.-WÜRTT.) tenz eines (malenden) Ehemannes wohl- weislich verschwiegen. Es ist falsch, wenn Der Kunstmarkt ist entsetzt, und ich emp- der Fälscher behauptet, vor der Auktion finde so etwas wie klammheimliche Freu- eine Expertise bestellt zu haben. Wir ha- de. Sieger ist wieder einmal die Gier, ben natürlich vor der Aufnahme des Ge- nicht die Kunst. mäldes in den Katalog externen Exper- HARTMUT NEUMANN, AACHEN tenrat eingeholt und den Sohn von Hein- rich Campendonk konsultiert; dieser war Dank medialer Sensationsgier ist es der von der Echtheit des Bildes überzeugt. betrogenen und blamierten Kunstwelt ge- Nach der Auktion hat die Werkverzeich- lungen, nicht als totaler Verlierer dazu- nisbearbeiterin in Kenntnis eines Mate- stehen: Ein „echter“ Wolfgang Beltracchi rialgutachtens ihre Expertise erstellt. dürfte sich mittlerweile gut verkaufen HENRIK HANSTEIN, KÖLN lassen. Schade nur, dass Bilder auch wei- KUNSTHAUS LEMPERTZ terhin nicht um ihrer Schönheit willen ge- liebt werden! Die Mechanismen des Kunstmarkts sind ROCHUS LAYRITZ sehr zutreffend beschrieben. Kaufent- NEUMARKT-ST. VEIT (BAYERN) scheidungen werden häufig getrieben durch Sehnsucht nach Status – die Unsi- Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe – bitte mit Anschrift und Telefonnummer – gekürzt und auch elek- cherheit, eine eigene Entscheidung zu tronisch zu veröffentlichen. Die E-Mail-Anschrift lautet: treffen, ist groß. Insofern hat das Ehepaar leserbriefe@spiegel.de Beltracchi durchaus in künstlerischer Wei- se dem Markt einen Spiegel vorgehalten In der Gesamtauflage befindet sich im Mittelbund ein und findet wahrscheinlich deswegen auch vierseitiger Beihefter der Firma Dt. Telekom, Bonn. 12 D E R S P I E G E L 1 1 / 2 0 1 2
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  • 15. Panorama Deutschland Handelssaal der Frankfurter Börse ULRICH BAUMGARTEN / VARIO IMAGES TRANSAKTIONSTEUER stände zu überwinden“. Schäuble lässt sein Ministerium des- halb einen eigenen Vorschlag für eine Finanztransaktionsteuer Große Lösung ausarbeiten. Seine Steuerabteilung wies er an, eine große Lö- sung anzustreben. Die neue Abgabe soll nach Schäubles Vor- gabe alle Umsätze auf Finanzgeschäfte belasten, Aktien- und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und acht Anleiheverkäufe, Währungsgeschäfte sowie sämtliche Deri- seiner europäischen Kollegen forcieren eine Steuer auf Fi- vate darauf. Gleichzeitig sollen die Vorschläge einfacher und nanzprodukte. „Wir sind davon überzeugt, dass eine Finanz- praktikabler sein als die Überlegungen der EU-Kommission, transaktionsteuer auf europäischer Ebene eingeführt werden die vergangenes Jahr ein Konzept vorlegte. Unterdessen sollte“, schreiben sie in einem Brief an die dä- wächst der parteiinterne Druck auf die SPD- nische Finanzministerin Margrethe Vestager. Spitze, dem geplanten EU-Fiskalpakt nur zu- Dänemark hat derzeit die EU-Ratspräsident- zustimmen, wenn sich die Bundesregierung schaft inne. Um eine rasche Entscheidung zu auf eine Finanztransaktionsteuer festlege. Die erreichen, „würden wir es begrüßen, wenn die Jusos fordern den SPD-Vorstand auf, beide Fra- Präsidentschaft den Verhandlungsprozess be- gen miteinander zu verknüpfen. „Solange die schleunigt“, drängen die Unterzeichner, neben Finanztransaktionsteuer blockiert wird, kann Schäuble unter anderem Frankreichs Finanz- die SPD einem Fiskalpakt nicht zustimmen“, minister François Baroin und Italiens Minis- heißt es in einem Beschluss des Juso-Bundes- POLARIS / LAIF terpräsident Mario Monti, der zugleich Finanz- vorstands. „Impulse für Wachstum und Be- minister ist. Bis Mitte des Jahres sollte der Pro- schäftigung können aus einer Spekulationsteu- zess abgeschlossen und Kompromissvorschlä- er finanziert werden“, sagt etwa Ralf Stegner, ge sollten erörtert werden, „um alle Wider- Schäuble SPD-Fraktionschef in Schleswig-Holstein. RÜSTUNG nach will die Luftwaffe im nächsten Luftwaffe nicht plant, den „Euro- Jahrzehnt den Fliegerhorst Büchel in fighter“ für Nuklearwaffeneinsätze zu- Abzug der Atomwaffen Rheinland-Pfalz aufgeben, auf dem die Atombomben derzeit lagern; von den zulassen, zöge sich die Bundesrepublik aus der praktischen Umsetzung der so- Die Bundesregierung rechnet offenbar dort stationierten deutschen „Tornado“- genannten nuklearen Teilhabe in der mit einem Abzug der amerikanischen Kampfflugzeugen sollen die Bomben Nato zurück. „Die Bundesregierung Atomwaffen aus Deutschland. Dies im Kriegsfall getragen werden. Das richtet ihre Planung endlich darauf aus, geht nach Angaben des Verteidigungs- Bücheler „Tornado“-Geschwader soll dass der sogenannte Sonderwaffenein- experten der SPD, Hans-Peter Bartels, durch ein „Eurofighter“-Geschwader er- satz in Zukunft nicht mehr zu den Auf- aus Bundeswehr-Unterlagen über die setzt werden, das im niedersächsischen gaben der Bundeswehr gehört“, sagt neue Luftwaffenstruktur hervor. Dem- Wittmund stationiert wird. Weil die Bartels. D E R S P I E G E L 1 1 / 2 0 1 2 15
  • 16. Panorama PA R T E I E N Teure Linke Die Mitgliedschaft bei der Linken ist eine kostspielige Angelegenheit: Wäh- rend die Mitglieder ihrer Partei im Schnitt 135,58 Euro im Jahr überwei- sen, zahlen jene von CDU und vor al- lem CSU deutlich niedrigere Beiträge. Das geht aus den neuen Rechen- schaftsberichten der sechs Bundestags- parteien für das Jahr 2010 hervor. Teilt man die Summe der Beiträge durch die Mitgliederzahl, bilden die Christ- sozialen mit 59,58 Euro pro Mitglied das Schlusslicht (siehe Grafik). Mit- glieder der Linken unterstützen ihre Partei durchschnittlich mit mehr als der doppelten Summe. Beitragszahlungen WOLFGANG KUMM / DPA Jahresdurchschnitt je Parteimitglied in Euro Quelle: Rechenschaftsberichte 2010 der Parteien 150 Seehofer, Wulff, de Maizière, Generalinspekteur Wieker bei Großem Zapfenstreich Die Linke120 135,58 Grüne90 124,38 BUNDESPRÄSIDENT 60 FDP 116,89 SPD 30 0 91,07 Begrenzter Luxus CDU 80,99 Die Union will Ex-Bundespräsident Christian Wulff ein Büro nur zeitlich begrenzt auf Staatskosten zugestehen. „Die Amtsausstattung sollte dann enden, wenn Wulff CSU 59,58 wieder eine entgeltliche Tätigkeit aufnimmt“, sagt der für den Etat des Bundes- präsidialamts zuständige Haushaltspolitiker Herbert Frankenhauser (CSU). Diese Einschränkung solle für alle künftigen Präsidenten gleichermaßen gelten. Die Op- position will Wulff erst gar kein Büro samt Sekretärin und Fahrer zugestehen. Er ZAHL DER WOCHE habe dem höchsten Amt im Staat schweren Schaden zugefügt, sagt der SPD-Chef- haushälter Carsten Schneider, „eine Gleichbehandlung mit seinen Amtsvorgängern halte ich nicht für akzeptabel“. Das Bundespräsidialamt, das im Haushaltsausschuss Nur 42 % die Ausstattung beantragen muss, versucht derweil, die Kosten niedrig zu halten – und Wulffs künftiges Büro in einer bundeseigenen Liegenschaft unterzubringen, um Miete zu sparen. der Summe, die Union und FDP im Bundeshaushalt 2011 einsparen woll- ten, wurden tatsächlich nicht ausge- geben. Wie aus Berechnungen des In- stituts der deutschen Wirtschaft her- ENTFÜHRUNGEN nem Bekunden gehören die Kidnapper vorgeht, kamen lediglich 4,7 der 11,2 zum Stamm der Afar und hatten die Deutschen im Januar in der Danakil- Milliarden Euro zusammen, die im so- genannten Sparpaket veranschlagt waren. Auch für 2012 liegt die Regie- Druck statt Geld Wüste verschleppt. Eine Delegation äthiopischer Stammesältester bewegte rung hinter ihrem Plan zurück: Von Die beiden deutschen Geiseln, die in die Afar nun zur Freilassung der Gei- den ursprünglich vorgesehenen Ein- Äthiopien entführt waren, sind offen- seln. Den beiden Deutschen geht es sparungen in Höhe von 19,1 Milliar- bar durch diplomatische Bemühungen den Umständen entsprechend gut. Zu- den Euro ist nicht einmal die Hälfte der Bundesregierung freigekommen – gespitzt hat sich dagegen die Lage ei- umgesetzt. Für das kommende Jahr und anders als bei vielen Entführun- nes entführten deutschen Ingenieurs in decken die konkreten Maßnahmen, gen ohne Lösegeldzahlung. Der Kri- Nordnigeria. Bei einer missglückten die bisher beschlossen wurden, so- senstab im Auswärtigen Amt hatte pa- Befreiungsaktion nigerianischer und gar nur ein Drittel des avisierten rallel mit dem Diktator Eritreas, Isayas britischer Spezialkräfte am vergange- Sparvolumens ab. Die Eckwerte für Afewerki, sowie äthiopischen Stam- nen Donnerstag kamen in dem Land den Haushalt 2013 will das Kabinett mesältesten verhandelt, die jeweils zwei Geiseln ums Leben. Von dem noch im März verabschieden. versprochen hatten, Emissäre zu den Deutschen, der in Kano auf der Straße Entführern zu entsenden. Nach eige- entführt worden war, fehlt jede Spur. 16 D E R S P I E G E L 1 1 / 2 0 1 2
  • 17. Deutschland Fremdschämen BUNDESVERSAMM LUNG KOMMENTAR: Von Klaus Brinkbäumer NPD ohne Platz Ein Mensch, der einem Wankenden in immer härter nachtritt? „Der Unersättli- Die Bundestagsparteien streiten den Rücken sticht, einen Fallenden che“, so heißt es nun, und natürlich: darüber, wo die Vertreter der schubst, auf einen Liegenden tritt, ein „Das Volk … hat recht.“ rechtsextremen NPD in der Bun- solcher Mensch ist uns allen zuwider. Man kann jeden Text über Wulff mit desversammlung Platz finden sol- Doch was, wenn sich eine Gesellschaft Worten wie „ja, aber“ doppelbödig aus- len. Bei der letzten Präsidenten- oder der hörbare Teil einer Gesellschaft statten, mit Anmerkungen über Gier wahl hatten die NPD-Vertreter hin- so verhält? Was also sagen die Wochen und Ehrensold oder dem Fazit „selber ter den Grünen gesessen. Eine sol- seit dem Rücktritt Christian Wulffs über schuld“, weil es richtig bleibt: Medien che Platzierung der drei NPD- das Land aus? haben Wulff nicht gejagt, sondern eine Wahlmänner wollen die Grünen Es ist ein Unterschied, ob investigative Affäre recherchiert; Wulff ist nicht ele- diesmal nicht akzeptieren, weil sie Journalisten den Lügen eines amtieren- gant zurückgetreten; und das Militaristi- eine Angehörige eines Opfers der den Politikers und diversen Indizien sche dieses Zapfenstreichs wirkte nord- rechten Terrorzelle „Nationalso- nachgehen und dann, begründet, den koreanisch. zialistischer Untergrund“ unter ih- Charakter dieses Politikers hinterfragen Doch geht es darum noch? ren Wahlleuten haben. Auch CDU – oder ob eine Meute über einen Zu- Man muss auch nicht biblisch werden und CSU wollen Nähe zur NPD rückgetretenen herfällt mit Worten, mit und vom ersten Stein reden, doch wie vermeiden. Unter ihren Wahlleu- Lärm, mit Lust und Hass. Es ist schon viele der wütenden Gnadenlosen wür- ten befindet sich Mevlüde Genç, deshalb ein Unterschied, weil ein Politi- den eigentlich auf Dinge verzichten, die die 1993 beim fremdenfeindlichen ker, der im Amt ist, eine gewisse Härte ihnen juristisch zustehen, mag auch das Brandanschlag in Solingen mehre- verdient, da sich mit seinem Amt Privi- Gesetz, das ihnen ihr Recht gibt, gro- re Angehörige verloren hatte. Auf legien und Ansprüche verbinden. Ein tesk sein? eine Vorstellung der Kandidaten ehemaliger Politiker, der am Boden Für jene, die keine Möglichkeit haben, zu Beginn der Wahl solle verzich- liegt, verdient Milde. Und manchmal selbst zu recherchieren, sollte es genü- tet werden, so eine Überlegung im Mitleid. gen, sich den zurückgetretenen Wulff in Ältestenrat, damit sich der NPD- Was also bedeuten die Vuvuzelas wäh- seinem Haus in Großburgwedel vorzu- Kandidat, der Historiker Olaf rend des Zapfenstreichs, und was bedeu- stellen. Wie sich das alles aus seiner Per- Rose, nicht präsentieren könne. tet diese Wut jener Demonstranten, die spektive anfühlen mag. Wie er wohl nicht in der Lage waren zu erklären, weiterleben wird. Wie er langsam ver- wieso sie demonstrierten? „Es ist ... na steht, dass er, 52 Jahre alt, womöglich ja ... ick weeß ooch nich … eine Schan- nie wieder arbeiten und nicht mal mehr de eben“, so redeten sie, und nicht zum ein Buch schreiben kann, das irgendwer ersten Mal in den Monaten der Wulff- lesen wollte. Und wer Gelegenheit zur Affäre schämte man sich nicht mehr für Recherche hat, wer Wulffs Vertraute fra- Wulff. Denn was will ein Kommentator gen kann, der hört: Sie sorgen sich um MICHAEL KAPPELER / DAPD wie Hans-Ulrich Jörges vom „Stern“ Wulff. Es gehe ihm nicht gut. wirklich sagen, der Wulff wochenlang Jede Gemeinschaft und darum auch verteidigte und dann, als deutlich wur- jede Gesellschaft sollte eine tolerante de, dass Wulff gehen musste, die Mei- Gemeinschaft sein wollen. Eine, die nung wechselte und immer noch und nicht vergisst, was Empathie ist. Plenarsaal vor Bundesversammlung GRÜNE mit persönlichen Kandidaturen ver- enquote unterstreiche. Der NRW-Lan- knüpfen.“ Eveline Lemke, grüne Wirt- desvorsitzende Sven Lehmann bemän- schaftsministerin von Rheinland-Pfalz, gelt „mangelndes Teamwork“ in der „Weitgehend wurscht“ begrüßt Roths Vorstoß dagegen als „richtige Botschaft in die Parteifami- Grünen-Führung – die Mitglieder soll- ten per Urabstimmung die Spitzenkan- Nach der Kandidatur der Parteivorsit- lie“, weil sie die Bedeutung der Frau- didaten bestimmen: „Wenn vier sich zenden Claudia Roth für eine führen- streiten, freut sich die Basis.“ Der hes- de Position im Bundestagswahlkampf sische Partei- und Fraktionschef Tarek ist bei den Grünen heftiger Zank aus- Al-Wazir dagegen hält eine Basisbefra- gebrochen. Roth hatte eine männliche gung für ein „Zeichen von Schwäche“ Einzelspitze unter Hinweis auf die und sagt: „Wir sind hier nicht bei einer Frauenquote abgelehnt und zugleich Casting-Show.“ Der schleswig-holstei- ihre Kandidatur angemeldet. Ekin De- nische Fraktionschef Robert Habeck ligöz, stellvertretende Vorsitzende der wiederum zeigt sich von der Debatte Bundestagsfraktion, kritisiert die Par- genervt: Den Wählern der Grünen sei teichefin: „Die Quote verteidigen wir es „weitgehend wurscht, wer an der Frauen besser nicht damit, dass wir sie Roth auf Plakat der Grünen Spitze der Partei steht“. D E R S P I E G E L 1 1 / 2 0 1 2 17
  • 18. Deutschland Panorama SPIEGEL: Welche Folgen hat der Krach? empfiehlt etwa in der Nacht Grenz- Flasbarth: Lärm ist das am stärksten un- werte von 40 Dezibel, in Deutschland terschätzte Umweltproblem in gelten deutlich höhere Werte. Deutschland. Wir wissen durch eine SPIEGEL: Das Meeresrauschen im Ur- Reihe von Studien definitiv, dass er – laub stört nicht, aber wenn zu Hause gerade wenn er nachts auftritt – die in gleicher Lautstärke Autos vorbeirau- Gesundheit schädigt. schen, steigt der Blutdruck? SPIEGEL: Wer an der Schnellstraße oder Flasbarth: Lärm ist eben mehr als nur in der Einflugschneise lebt, stirbt eher? Geräusch. Der Mensch bewertet Ge- MARC DARCHINGER Flasbarth: Er hat ein höheres Risiko. räusche unterschiedlich. Wenn er den Hinzu kommt auch ein ökonomischer Eindruck hat, diese wären vermeidbar Flasbarth Aspekt: Auf europäischer Ebene rech- oder werden sogar absichtlich erzeugt, net man mit Kosten durch Verkehrs- stören sie ihn viel mehr als Geräusche, lärm in Höhe von 40 Milliarden Euro die er als neutral einstuft. U M W E LT pro Jahr, unter anderem durch Ge- SPIEGEL: Das Bundesverwaltungs- sundheitsschäden. Allein im Raum gericht verhandelt in dieser Woche Frankfurt werden nach unseren Schät- über ein Flugverbot in Frankfurt „Höheres Risiko“ zungen in den nächsten zehn Jahren durch Fluglärm zusätzliche Kosten von nachts zwischen 23 und 5 Uhr. Reicht ein solches Verbot aus? Der Präsident des Umweltbundesamts, etwa 400 Millionen Euro nur für die Flasbarth: Erwachsene brauchen nach Jochen Flasbarth, 49, über den Krach Behandlung von Herz-Kreislauf-Pa- Empfehlungen der WHO 7,5 bis 8 durch Autos, Flugzeuge und Züge tienten entstehen. Stunden Schlaf, Kinder deutlich mehr. SPIEGEL: Es gibt gesetzliche Grenzwer- Deshalb halten wir für stadtnahe Flug- SPIEGEL: In Frankfurt am Main de- te gegen unzumutbare Belastungen. häfen Nachtflugverbote in der Zeit monstrieren jede Woche Tausende ge- Flasbarth: Die Werte reichen nicht aus, von 22 bis 6 Uhr für notwendig. gen Fluglärm, andernorts protestieren die Belastung ist deutlich zu hoch. Die SPIEGEL: Das sei völlig unrealistisch, die Bürger gegen Güterzüge oder neue Weltgesundheitsorganisation (WHO) meint die Luftverkehrswirtschaft. Umgehungsstraßen. Ist die Belastung Flasbarth: Eine führende Wirtschafts- durch Verkehrslärm in Deutschland nation wie Deutschland wird wohl gestiegen – oder sind die Menschen Lästiger Lärm nicht ganz ohne Nachtflüge auskom- empfindlicher geworden? Wodurch sich die Deutschen men. Die Frage ist aber, ob die überall Flasbarth: Beides. Trotz technischer am meisten gestört fühlen stattfinden müssen. Deshalb brauchen Verbesserungen an Autos, Zügen und wir dringend eine nationale Flugver- Flugzeugen wächst der Lärm allein Straßenverkehr 55% kehrsplanung. Derzeit wird ein unseli- durch die Zunahme des Verkehrs. ger Standortwettbewerb zwischen den Gleichzeitig nimmt das Umwelt- und Nachbarschaft 37 % Flughäfen auf dem Rücken der Bevöl- Gesundheitsbewusstsein der Men- Flugverkehr 29 % kerung ausgetragen. Viel vernünftiger schen zu. Nach unseren Umfragen füh- wäre es doch, wenn sich alle Beteilig- len sich 55 Prozent der Deutschen Industrie 28 % ten einigen, dass Verkehr, der unver- durch Straßenlärm belästigt. Bei Flug- meidlich ist, nur noch dort abgewi- Schienenverkehr 22 % lärm ist es jeder Dritte, bei Schienen- ckelt wird, wo er am wenigsten Proble- lärm jeder Fünfte. Quelle: Umweltbundesamt 2010 me bereitet. AT O M E N E R G I E Der Rückbau der Anlagen könnte sich produzieren, weil die Genehmigung auch deswegen verzögern, weil Behäl- fehlt, wie die Firma bestätigte. Die Zu- ter für nicht mehr benötigten Kern- lassung wird nicht vor Ende 2013 er- Rückbau verzögert sich brennstoff fehlen. So kann die Firma GNS derzeit keine Castoren für Brenn- wartet. Für die Lagerung nicht voll- ständig abgebrannter oder beschädig- Ein Jahr nach dem endgültigen Aus elemente aus Siedewasserreaktoren ter Brennelemente gibt es nicht einmal für acht Atomreaktoren in Deutsch- ein Genehmigungsverfahren. land ist unklar, wann und wie die An- Schon heute führt der Castor- lagen abgebaut werden sollen. Derzeit Engpass zu Problemen: Im still- liegt noch keiner Aufsichtsbehörde ei- gelegten Kraftwerk Brunsbüttel nes Bundeslands ein Antrag auf Still- in Schleswig-Holstein können legung nach dem Atomgesetz vor. Das abgekühlte Brennelemente ergibt sich aus einer Umfrage der nicht in einem sicheren Zwi- atompolitischen Sprecherin der Grü- schenlager untergebracht wer- nen im Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl, den. Die alten Brennstäbe müs- unter den betroffenen Ländern. Exper- sen vorübergehend im Reaktor- ten vermuten, dass die Betreiber keine druckbehälter lagern. Vorige Fakten schaffen wollen, bevor über Woche sorgte das Atomkraft- PATRICK LUX ihre Schadensersatzforderungen ent- werk für Schlagzeilen, weil in schieden ist, die sie wegen des Atom- einer Kaverne ein Atommüll- ausstiegs gegen den Bund erheben. Kraftwerk Brunsbüttel fass völlig verrostet war. 18 D E R S P I E G E L 1 1 / 2 0 1 2
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  • 20. Deutschland AU S S E N P O L I T I K Spiel auf Zeit Die Europäer haben eine Schlüsselrolle im Konflikt mit Iran: Sie sollen Teheran vom Atomkurs abbringen, um einen Krieg zu verhindern. Die bislang glücklose EU-Außenbeauftragte Ashton leitet die Verhandlungen. A ls Catherine Margaret Ashton, Ba- Westen keinen Misserfolg erlauben. Ein roness of Upholland, vor zwei Jah- Scheitern bedeutet wohl Krieg. ren zur europäischen Außenminis- Der israelische Ministerpräsident Ben- terin ernannt wurde, registrierte selbst jamin Netanjahu hat in der vergangenen ihr Ehemann die Skepsis. Das Volk habe Woche bei seinem Besuch in Washington bei der Nominierung seiner Frau „nicht keinen Zweifel daran gelassen, dass er gerade auf den Straßen getanzt“, räumte Iran mit allen Mitteln am Bau einer Atom- Peter Kellner, der Chef des bekannten bombe hindern will. Auch mit militäri- Umfrageinstituts YouGov, ein. Nach ei- scher Gewalt. nem wenig verheißungsvollen Start be- Obama setzt wie die Europäer darauf, wegte sich Ashtons Reputation weiter in dass Verhandlungen und Sanktionen Te- eine Richtung: nach unten. heran möglicherweise doch zum Umden- Nach anderthalb Jahren war die Bilanz ken bewegen. Er hat aber zugleich klar- der ersten Hohen Vertreterin für die Au- gemacht, dass er Israel unterstützen wer- ßen- und Sicherheitspolitik der EU so de, wenn eine iranische Atombombe sich dürftig, dass offen über ihre Ablösung nur durch einen Angriff verhindern lässt. nachgedacht wurde. „Langsam läuft die „Ich mache keine Eindämmungspolitik“, Zeit ab“, warnte Elmar Brok, der außen- sagt Obama. politische Experte der CDU im Europa- Damit liegt es jetzt an den Europäern, parlament. Der liberale Fraktionschef einen Krieg in einer Region zu verhin- Guy Verhofstadt nannte Ashtons Politik dern, deren Ölvorräte der Treibstoff der schlicht „lächerlich“. Weltwirtschaft sind. In der „internatio- Die Britin mit dem „Charisma eines nalen Kontaktgruppe“ sind zwar neben Campingplatzes auf der Insel Sheppey“ Deutschen, Briten, Franzosen und Ame- (der britische Journalist Rod Liddle) er- rikanern auch Russen und Chinesen ver- trug die Vorwürfe klaglos. Wenn sie kri- treten. Die Regie liegt aber bei Ashton, tisiert wurde, machte sie brav Notizen. weil Peking und Moskau bremsen und Außenpolitikerin Ashton, Bundeskanzlerin Merkel, Gern las sie vorbereitete Statements ab. Obama wegen der bevorstehenden Prä- Ihre Stärke sei die Arbeit hinter den Ku- sidentschaftswahl nicht frei handeln lissen, behauptete sie. „Ich bin kein wan- kann. delndes Ego, aber verhandeln kann ich.“ Die Europäer sind in einem Punkt ka- In den kommenden Monaten kann tegorisch: Sie lehnen eine militärische Lö- Ashton beweisen, ob das stimmt. Die sung ab. Ein Krieg könnte die ganze Re- Außenbeauftragte hat das derzeit schwie- gion ins Chaos stürzen, fürchten sie. Zu- rigste Mandat in der internationalen dem würden Militärschläge den Bau einer Politik inne. Sie soll mit Iran über das Bombe allenfalls verzögern, aber nicht umstrittene Atomprogramm verhandeln. verhindern, heißt es im Berliner Auswär- Im Westen zweifelt kaum jemand dar- tigen Amt. Aber was ist, wenn Iran wie an, dass die Führung in Teheran zumin- so oft in der Vergangenheit, nur auf Zeit dest die Fähigkeit zum Bau einer Bombe spielt, um sein Nuklearprogramm unge- erwerben will. Das würde die Machtba- stört vorantreiben zu können? lance in einer der explosivsten Regionen Die Frau, die für die Kontaktgruppe der Welt verändern und vermutlich ein die Gespräche vorbereiten soll, ist eine atomares Wettrüsten auslösen. Ashton Deutsche. Helga Schmid, 51, frühere Bü- muss Poker mit einem hohen Einsatz spie- roleiterin des damaligen Außenministers len. Gibt es eine Chance, Iran noch von Joschka Fischer und seit über einem Jahr seinen Atomplänen abzubringen? stellvertretende Generalsekretärin des Es gab schon vorher Verhandlungen, Auswärtigen Dienstes der EU. Die Diplo- die alle am Unwillen Irans scheiterten. matin genießt nicht nur das Vertrauen Das Land wollte an seinem Atompro- Ashtons. Auch die Bundeskanzlerin un- gramm festhalten. Diesmal kann sich der terstützt sie. 20 D E R S P I E G E L 1 1 / 2 0 1 2
  • 21. Bereits in dieser Woche könnte sich Schmid mit Ali Bagheri, dem stellvertre- tenden Verhandlungsführer Teherans, treffen. Das hat sie dem Iraner angeboten. Schmid und Bagheri haben in den ver- gangenen Wochen regelmäßig miteinan- der telefoniert. Es wäre der erste offizielle Kontakt seit dem Scheitern der letzten Verhandlungen im Januar 2011. Ein Tref- fen soll in Genf oder Wien stattfinden. Die Verantwortlichen in Berlin und Brüssel spielen auf Zeit. Die Bundesre- gierung hat nach Gesprächen mit israeli- schen Regierungsvertretern in der ver- gangenen Woche den Eindruck gewon- nen, dass Netanjahu nach den Zusiche- rungen Obamas keinen schnellen Angriff plant. Nach israelischen Medienberichten hat der US-Präsident den Israelis zuge- sagt, bunkerbrechende Munition zu lie- fern, wenn Israel in diesem Jahr nicht an- greift. Israel könnte iranische Anlagen damit selbst dann attackieren, wenn sie in tiefere Bunker verlegt werden sollten. Die Israelis dementieren den Deal aller- dings. Aus Sicht von Deutschen, Briten und Franzosen wäre ein solches Abkommen gut, denn damit wäre etwas Zeit gewon- nen. Und Zeit ist in Krisen ein wertvolles Gut. Deshalb soll es, so die Planung, eine Serie von Gesprächen zwischen Ashton und dem iranischen Chefunterhändler Said Dschalili geben, die sich über meh- rere Monate hinziehen könnten. Offiziell fordert Ashton die iranische Führung auf, ernsthaft zu verhandeln. „Wir wollen keine Gespräche um der Ge- spräche willen“, sagte sie dem SPIEGEL. „Wir brauchen greifbare Fortschritte.“ Doch in Wahrheit hoffen die Europäer darauf, bis über die amerikanische Präsi- REUTERS dentschaftswahl im November hinaus zu verhandeln. Würde Obama wiederge- Irans Präsident Ahmadinedschad: Angst vor Chaos in der Region wählt, müsste er weniger Rücksicht auf seine republikanischen Gegner und die einflussreiche Israel-Lobby nehmen. Der US-Präsident, der ebenfalls keinen An- griff auf Iran will, könnte dann mehr Druck auf Netanjahu ausüben. Neben der Strategie für die Gespräche hat man in den europäischen Hauptstäd- ten auch erste inhaltliche Punkte verein- bart, die den Iranern einen Deal schmack- haft machen sollen. Bislang hat Teheran alle Avancen zurückgewiesen. Dabei geht es ausgerechnet um das Atomkraftwerk von Buschehr. Die Anla- ge ist technisch nicht auf dem neuesten Stand, die Anfänge stammen noch aus der Zeit vor der Islamischen Revolution. Nach der Atomkatastrophe von Fukushi- ma wachsen die Sorgen der Golfanrainer, ABEDIN TAHERKENAREH / DPA aber auch der Iraner, dass das Kraftwerk nicht sicher sei. Die Europäer wollen Iran daher in den Verhandlungen anbieten, den Reaktor technisch aufzurüsten. Außerdem will der Westen Teheran versprechen, Iran politisch und wirtschaft- D E R S P I E G E L 1 1 / 2 0 1 2 21