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Warum ist die Erde eine Kugel und
warum hat Galilei damit nichts zu tun?
von Pierre Leich
U m es gleich vorneweg zu sagen, diese Sendung Legende liefert aber doch den wichtigen Hinweis, dass
ist gar nicht von Galileo Galilei. Ich glaube auch
nicht, dass er daran mitgearbeitet hat oder, dass seine
es bei der Auseinandersetzung mit der römischen
Kurie – zumindest vorgeblich – um die Bewegung der
wesentlichen Ergebnisse Eingang in die redaktionelle Erde ging und nicht um ihre Gestalt.
Arbeit von „Galileo“ gefunden hätten. Die Idee zum heliozentrischen Planetensystems
Auf Hinweis von Matthias Gräter habe ich am stammt natürlich nicht von Galilei. Ursprünglich von
8. August 2001 eine Passage auf der In- Aristarch von Samos aufgestellt, war sie mathematisch
ternetpräsentation analysiert. Es heißt da: von Copernicus verbessert worden, sie konnte aber vor
der Newton'schen Gravitationslehre nicht bewiesen
werden. Beweise sind die Entdeckung der Aberration
Warum ist die Erde eine Kugel?
von James Bradley (1728), die experimentelle
Im italienischen Rom vor knapp 400 Jahren: Dem Bestätigung der Erdabplattung durch zwei Ex-
Mathematiker und Philosophen Galileo Galilei wird peditionen in Lappland (1736/7) und den Anden
der Prozeß gemacht. Er hat behauptet: Die Erde ist (1735), die Entdeckung der Fixsternparallaxe durch
eine Kugel – keine Scheibe, wovon die Menschheit bis Friedrich Wilhelm Bessel (1838) und die Bestätigung
dahin ausgegangen war. Und er hatte Recht! raumstarrer Pendelebenen durch Foucault (1851).
Dennoch wurde Galilei damals vom Papst ver- Belege liefern auch die Drehimpulserhaltung mit ihren
urteilt, zu lebenslänglichem Hausarrest. Nur weil er diversen Effekten der Corioliskraft, parallaktische
sagte: Die Erde muß eine Kugel sein! Was Galileo Bewegung und Dopplerverschiebung.
damals aber noch nicht wissen konnte: Warum ist die
Erde eigentlich eine Kugel?
http://www.pro7.de/galileo/thema/tag/ (so in der Sen-
dung behandelt worden!)
Zunächst die Positivliste: Rom liegt tatsächlich in
Italien. Auch der Prozess mit seiner zeitlichen Einord-
nung entspricht den historischen Tatsachen: Am
22. Februar 1632 erscheint das erste Exemplar des
Dialogo ... sopra i due Massimi Sistemi del Mondo,
Tolemaico, e Copernicano. Am 23. September ordnete
der Papst die Vorladung an, die Galilei am 1. Oktober
quittierte. Erstmals verhört wurde er am 12. April 1633
und das Urteil erging am 22. Juni 1633 am Sitz des
Inquisitionstribunals, im Dominikanerkloster Santa
Maria sopra Minerva. Danach soll er mit dem Fuß auf-
gestampft und gemeint haben: „Eppur si muove“, was
soviel heißt wie „Und sie bewegt sich doch“.
Das ist natürlich nur eine Geschichte, denn wer
wäre so blöde, unmittelbar nach einer förmlich aus-
gesprochenen Gefängnisstrafe die Chance auf Mil-
derung in Hausarrest aufs Spiel zu setzen. Diese Galileo Galilei
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Die Kugelgestalt der Erde ist demgegenüber eine Gezeitentheorie daneben lag, darf man annehmen,
Annahme, die im fünften Jh. v. Chr. durch Pythagoras dass ihm die Kugelgestalt der Erde wohl bekannt war.
und Parmenides aufkam und durch Eratosthenes (etwa Dieses Wissen wird seit Aristoteles (dort in „Vom
285–210) eindrucksvoll bestätigt wurde. Er lieferte Himmel“ bequem nachzulesen) in allen maßgeblichen
auch gleich den fast richtigen Umfangswert, der al- antiken Werken vorausgesetzt und wurde auch im
lerdings durch eine unglückliche Verwechslung Mittelalter nicht vergessen – wie eine weitere beliebte
deutlich zu klein bei Columbus ankam, worauf dieser Legende glauben machen will. Sehr schön lässt sich
den Abstand von den Kanaren bis Japan unterschätzte. dies an der Reichsinsignie „Reichsapfel“ erkennen, die
Während Galilei mit seinen astronomischen Ent- seit dem 9. Jahrhundert auch von christlichen Königen
deckungen (Sternanzahl, Mondoberfläche, und Kaisern benutzt wurde. Er müsste andernfalls
Jupitermonde, Saturngestalt, Venusphasen, Sonnenfle- „Reichspfannenkuchen“ heißen.
cken) nur schöne Analogie-Argumente vorweisen Galilei hätte sich über „Galileo“ sicher köstlich
konnte und mit seiner Kometendeutung sowie seiner amüsiert.
Um den multimedialen Anspruch der kritischen Rubrik des RB unter Beweis zu stellen, hat die Redaktion das Pro
7-Magazin "Galileo" unter die Lupe genommen. Unser Galilei-Spezialist Pierre Leich hat sich für diese Aufgabe ge-
opfert und brachte von seiner Abenteuer-Reise diesen Bericht mit. -Die Red.
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