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20130102-USAaktuelll.pdf
- 1. Helaba Volkswirtschaft/Research
USA AKTUELL 2. Januar 2013
Fiskalisches Kliff: Absturz verhindert…und nun?
AUTOR
Patrick Franke Auf den letzten Drücker haben die Verantwortlichen in Washington einen Sturz vom „fiscal cliff“
Telefon: 0 69/91 32-47 38
verhindert. Die Kompromisslösung verhindert, dass die Fiskalpolitik massiv gestrafft wird, was
research@helaba.de
zu einer Rezession hätte führen können. Allerdings dürfte der Verhandlungsmarathon die Unsi-
REDAKTION cherheit erhöht und das Wirtschaftsvertrauen belastet haben. Weitere politische Schritte sind in
Dr. Gertrud R. Traud
den kommenden Wochen erforderlich, um zu verhindern, dass die US-Regierung an die Schul-
HERAUSGEBER denobergrenze stößt bzw. automatische Ausgabenkürzungen Anfang März greifen. Auch die
Landesbank
mittel- bis langfristige Defizit- und Schuldenproblematik ist mit dieser Entscheidung nicht aus
Hessen-Thüringen der Welt.
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Telefax: 0 69/91 32-22 44 Das Jahr 2013 beginnt also nicht mit einem vermeidbaren Politikunfall. Buchstäblich am Rande
des Abgrunds haben Republikaner und Demokraten doch noch eine (Teil-)Lösung für das selbst-
gebastelte Problem „Fiskalisches Kliff“ gefunden. Am Neujahrstag stimmte das von den Republi-
kanern kontrollierte Repräsentantenhaus einer vorher vom mehrheitlich demokratischen Senat
verabschiedeten Gesetzesvorlage zu. Präsident Obama kündigte an, das Gesetz zu unterzeichnen
und flog dann wieder nach Hawaii zurück, wo er wegen den Verhandlungen über das „fiskalische
Kliff“ seinen Weihnachtsurlaub unterbrochen hatte.
Damit ist zwar das unmittelbare Problem erst einmal vom Tisch. Aber der neue Kongress, der am
3. Januar seine Arbeit aufnimmt, wird sich schon auf kurze Sicht wieder mit dem Thema Fiskalpoli-
tik beschäftigen müssen, denn nicht alle drängenden Fragen sind beantwortet.
Was sieht der Kompromiss im Einzelnen vor?
Einkommensteuer: Die unter George Bush 2001 und 2003 verabschiedeten Steuersen-
kungen, die in den vergangenen Jahren mehrfach verlängert wurden, werden nun dauer-
haft festgeschrieben. Allerdings wird bei Haushalten mit einem zu versteuernden Ein-
kommen von mehr als $450.000 in Zukunft ein höherer Spitzensteuersatz von 39,6 %
(bisher: 35 %) fällig. Auch werden für Haushalte mit hohen Einkommen die Möglichkeiten
eingeschränkt, steuermindernde Tatbestände geltend zu machen. Bei diesen Haushalten
werden Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne zudem ab sofort mit 20 % statt wie bis-
Die Publikation ist mit größter
her mit 15 % besteuert. Die jährliche Anpassung der Alternative Minimum Tax (AMT) ent-
Sorgfalt bearbeitet worden. fällt in Zukunft, da sie inflationsindexiert wird.
Sie enthält jedoch lediglich
unverbindliche Analysen und
Prognosen zu den gegen- Erbschaftssteuer: Der Steuersatz für große Vermögen steigt von 35 % auf 40 %.
wärtigen und zukünftigen
Marktverhältnissen. Die An-
gaben beruhen auf Quellen, Automatische Kürzung der diskretionären Staatsausgaben: Zunächst verschoben
die wir für zuverlässig halten,
für deren Richtigkeit, Voll- von Anfang Januar auf Anfang März 2013.
ständigkeit oder Aktualität wir
aber keine Gewähr überneh-
men können. Sämtliche in Verlängerte Anspruchsdauer auf Arbeitslosenunterstützung: Läuft nicht wie geplant
dieser Publikation getroffe-
nen Angaben dienen der In-
schon Ende 2012 aus, sondern erst Ende 2013.
formation. Sie dürfen nicht
als Angebot oder Empfeh-
lung für Anlageentscheidun- Hinzu kommen Verlängerungen von Steuernachlässen für Unternehmen, eine Entlastung für Emp-
gen verstanden werden. fänger der staatlichen Medicare-Leistungen (Krankenversicherung für Rentner) und Steuersubven-
tionen im Energiesektor.
Insgesamt erhöht das Paket das Defizit im laufenden Fiskaljahr verglichen mit der Basisprojektion
HELABA VOLKSWIRTSCHAFT/RESEARCH · 2. JANUAR 2013 · © HELABA 1
- 2. USA AKTUELL
des Congressional Budget Office (CBO) um rund 330 Mrd. Dollar (2 % am Bruttoinlandsprodukt).
In den kommenden zehn Jahren fallen die Defizite um fast 4 Billionen Dollar höher aus. Die Basis-
projektion beruhte auf der Annahme, dass alle temporären Maßnahmen wie geplant zum Jahres-
wechsel ausgelaufen wären und dass die eigentlich gesetzlich vorgesehenen automatischen Aus-
gabenkürzungen auch gegriffen hätten.
Nächste Baustelle: Schuldenobergrenze
Ausgeklammert aus diesem Paket wurde das Thema Schuldenobergrenze. Die Verschuldung der
Bundesregierung hat bereits im Dezember die nominal fixierte Obergrenze erreicht, was den Fi-
nanzminister zu buchhalterischen Tricks zwingt. In einigen Wochen wird der durch diese Maßnah-
men eröffnete Spielraum aber ausgeschöpft sein, die Schuldengrenze wird bindend. Um eine Zah-
lungsunfähigkeit der US-Regierung zu vermeiden, muss der Kongress die Grenze bis dahin an-
passen. Eine Zustimmung zu einem solchen Schritt werden die Republikaner aber wohl von Zuge-
ständnissen der Demokraten hinsichtlich Einschnitten bei den sozialen Sicherungssystemen ab-
hängig machen.
Sollte im Rahmen einer solchen Anpassung der Schuldenobergrenze nicht auch das Thema „au-
tomatische Ausgabenkürzung“ geklärt werden, so sind die nun für Anfang März vorgesehenen
linearen Einschnitte bei den Ausgaben eine weitere Baustelle, die es in den kommenden Wochen
dringend zu bearbeiten gilt. Kaum jemand im Kongress will diese Kürzungen, die insbesondere
beim Verteidigungshaushalt, der einen erheblichen Anteil der „diskretionären“ Ausgaben aus-
macht, drastisch ausfallen würden.
Konjunkturelle Wirkung: Etwas weniger dämpfend
Das nun verabschiedete Paket unterscheidet sich von unseren Annahmen primär in zwei Punkten:
Erstens nimmt die steuerliche Belastung für die reichsten Haushalte mehr zu als unterstellt. Zwei-
tens erhalten Arbeitslose mehr Transfers. Die Einkommensteuerbelastung für die Bezieher hoher
Einkommen steigt unter dem Kompromiss etwas mehr als wir angenommen hatten. Dies dürfte
jedoch aufgrund der hohen Sparneigung dieser Haushalte nur einen geringen Einfluss auf den
privaten Konsum haben. Hinzu kommt, dass die Steuerzahler die Auswirkungen zum Teil erst bei
der Steuererklärung für 2013, d.h. Anfang 2014, spüren werden. Der Effekt im Kalenderjahr 2013
dürfte tatsächlich durch die zusätzlichen Transfers bei der Arbeitslosenversicherung (laut CBO im
laufenden Jahr rund 30 Mrd. Dollar oder 0,2 % der verfügbaren Einkommen) mehr als ausgegli-
chen werden. Per Saldo ist die konjunkturelle Wirkung des Pakets relativ zu unserer Prognose also
tendenziell positiver.
Keine größere Der temporär abgesenkte Beitrag zur Rentenversicherung steigt – wie von uns erwartet – ab Ja-
Abweichung nuar 2013 wieder auf sein normales Niveau. Dies kostet die Haushalte aufs Jahr hochgerechnet
rund 90 Mrd. Dollar (0,7 % der verfügbaren Einkommen) und dürfte den privaten Konsum im ers-
ten Quartal dämpfen.
Da die Zukunft der automatischen Ausgabenkürzungen nach dem 1. März offen ist, bleibt hier
Spielraum für Überraschungen. Sollten die Einschnitte bei den Ausgaben ganz oder weitgehend
ausbleiben, wäre unsere Prognose für die Ausgaben des Bundes 2013 zu konservativ. Wir rech-
nen bisher mit einem realen Anstieg um weniger als 1 %. Kommen die Kürzungen, die eigentlich
für den Januar geplant waren, aber nun in vollem Umfang Anfang März, wäre im zweiten Quartal
mit einer spürbar schwächeren Staatsnachfrage zu rechnen, als wir in unserer Prognose unterstellt
haben. Entsprechend könnte sich die Gesamtnachfrage unter diesem Gesichtspunkt besser oder
schlechter entwickeln als von uns prognostiziert. Aus politischen Gründen ist aber davon auszuge-
hen, dass die Ausgabenkürzungen eher gestreckt oder abgemildert werden.
Schließlich dürfte die anhaltende Debatte über die zunächst ausgeklammerten Themen – Schul-
dengrenze und Ausgabenkürzungen – in den kommenden Wochen noch zu anhaltend erhöhter
HELABA VOLKSWIRTSCHAFT/RESEARCH · 2. JANUAR 2013 · © HELABA 2
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Unsicherheit führen, was die wirtschaftliche Aktivität tendenziell dämpft. Per Saldo sehen wir je-
doch derzeit keinen Anlass, unsere Wachstumsprognose von 2 % bis 2½ % für das Jahr 2013 zu
ändern.
Defizite und Schuldenstand: Auf mittlere Sicht nicht genug
Der nun erreichte Kompromiss lässt – verglichen mit unserem Basisszenario – ein in geringem
Umfang höheres Defizit für das laufende Jahr erwarten (Schaubild). Dies setzt jedoch voraus, dass
die Ausgabenkürzungen im März in vollem Umfang greifen – denn das hat das CBO bei seiner
Analyse unterstellt. Sollte dies abgemildert werden, würde das Defizit für 2013 noch etwas höher
ausfallen. Verglichen mit dem CBO-Basisszenario und dem Alternativszenario „Alles wird verlän-
gert“ liegt der Kompromiss etwa in der Mitte. Eine mittel- bis langfristige Tragfähigkeit ist damit
nicht erreicht, denn der Schuldenstand der Bundesregierung würde weiter deutlich zunehmen, statt
– zumindest relativ zum Bruttoinlandsprodukt – zu sinken.
Kompromiss der Mitte: Immer noch zu hohe Defizite
Haushaltsdefizit des Bundes, Mrd. Dollar (Fiskaljahre)
0 0
-200 CBO-Basisszenario -200
-400 -400
-600 -600
CBO-Schätzung zum
-800 Helaba Kompromiss -800
-1000 -1000
CBO-Alternative
"Alles wird verlängert"
-1200 -1200
-1400 -1400
2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022
Quellen: CBO, Helaba Volkswirtschaft/Research
Steigende Schuldenlast Der Schuldenstand der öffentlichen Hand liegt – einschließlich der untergeordneten Gebietskör-
perschaften – bereits bei über 100 % der jährlichen Wirtschaftsleistung. Verbindlichkeiten der Bun-
desregierung machen den Löwenanteil dieser Schulden aus, wobei die Behandlung der Agencies
(Fannie Mae und Freddie Mac) und der von der staatlichen Rentenversicherung gehaltenen
Staatsanleihen ausschlaggebend für die genaue Zahl ist. Die von der Öffentlichkeit gehaltenen
Schuldtitel des Bunds erreichten Ende September 2012 ein Volumen von gut 70 % des Bruttoin-
landsproduktes.
Vor diesem Hintergrund bleibt offen, wie die Rating Agenturen den Kompromiss bewerten werden
und ob er als ausreichend angesehen wird, um einen potenziellen Downgrade der Kreditwürdigkeit
zu vermeiden. Zwar hat die politische Führung zunächst Handlungsfähigkeit bewiesen. Die Eini-
gung erst im letzten Moment, die ausgeklammerten Sachfragen und die ungelöste Problematik der
langfristigen Schuldentragfähigkeit sprechen jedoch dafür, dass der Druck auf die US-Regierung
aufrechterhalten bleibt. Hinsichtlich Fragen wie den nötigen Reformen in den sozialen Sicherungs-
systemen und einer Erhöhung der – noch immer – strukturell zu niedrigen Steuereinnahmen blei-
ben die Politiker in Washington die Antworten nach wie vor schuldig.%
HELABA VOLKSWIRTSCHAFT/RESEARCH · 2. JANUAR 2013 · © HELABA 3