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Grundlagen und Bildungsziele
 der Informatik in der Schule
        Rüdeger Baumann
Allgemein
• Informatik wird im Zuge der industriellen Revolution
  zum regulären Schulfach – Pflichtfach
   – ein anerkannter und unerlässlicher Beitrag zur
     Allgemeinbildung
   – Technikwissenschaft
   – Rechnerbasierte Arbeitsmethode
   – Teil der Grundausstattung einer jeden
     Wissenschaft
1. Das Legitimationsproblem
• Frage nach der Berechtigung eines Schulfachs
• Legitimation – ständige Aufgabe einer jeden Fachdidaktik
  „Ausgangspunkt der Legitimation eines jeden Unterrichtsfaches in der Schule sind
  Anwendungsbezüge der diesem Unterrichtsfach zugrunde liegenden Wissenschaft sowie der
  gesellschaftliche Stellenwert dieser Anwendungsbezüge. Je bedeutender die Erkenntnisse
  und die Anwendungen einer Wissenschaft für das Bestehen einer Gesellschaft sind, desto
  dringlicher wird die Integration dieser Inhalte in den Bildungsbereich.“

• 3 Teilprobleme
   – Das erarbeiten eines konsensfähigen Bildungskonzepts
   – Die obersten fachspezifischen Ziele sind zu eruieren (die
     fundamentalen Ideen, das Wesen oder der Bildungskern des Faches)
   – Nachweis, dass das Fach mit diesen Zielen einen unerlässlichen und
     spezifischen, d.h. von keinem anderen Fach leistbaren Beitrag zur
     Allgemeinbildung erbringt.
1.1 Bildungskonzept
• Bildung muss in allen Grunddimensionen menschlicher
  Interessen und Fähigkeiten präsent sein
    1.   In der Entwicklung kognitiver Möglichkeiten
    2.   Der handwerklich-technischen Produktivität
    3.   Der zwischenmenschlichen Beziehungsmöglichkeiten
    4.   Der ästhetischen Wahrnehmungs- und Gestaltungsfähigkeit sowie
    5.   Der moralischen Urteils- und der politischen Handlungsfähigkeit

•   Ziele
    –    Bewältigung zukünftiger Lebenssituationen
    –    Aneignung tradierter Kulturgüter
    –    Aufbau eines Weltbilds
    –    Kritischer Vernunftgebrauch
    –    Entwicklung von Phantasie und Kreativität
    –    Verantwortungsbereitschaft
1.2 Fundamentale Ideen der Informatik
• Was macht das Wesen der Informatik aus?
• Die Idee der Formalisierung
     – Nachbilden durch schematisches Operieren mit Zeichen (Umformungsregeln)
• Die Idee der Automatisierung
     – Automaten (Geräte, die selbsttätig arbeiten), Programmsteuerung
• Die Idee der Vernetzung
     – Computer als Teil eines Netzes (Automatennetze), Parallelisierung

1.3 Informatik als Technikwissenschaft
 • Was konstituiert die Informatik als Wissenschaft?
      •    Formal-operationale Wissenschaft oder Ingenieurswissenschaft oder Sozial-
           bzw. Arbeitslehre oder gar eine „Wissenschaft vom Menschen“?
 •   „Informatik ist die Wissenschaft vom Entwurf und der Gestaltung
     wissenstechnischer Systeme. Systeme, die Wissen unterschiedlicher Art und
     Herkunft repräsentieren, diese Wissensrepräsentationen in Gestalt und Daten und
     Programmen verarbeiten und den Benutzern in geeigneter Form zur Verfügung
     stellen.
2. Didaktische Ansätze
• Vorgeschichte – Die Fragestellung ist logisch-kybernetisch und
  interdisziplinär angelegt, als Lehrgeräte werden
  Digitalbausteine verwendet.
• Hardwareorientierter Ansatz – Logischen Grundlagen der
  Datenverarbeitung, Bau digitaler Schaltnetze und
  Schaltwerke sowie das Programmieren.
• Softwareorientierte Ansätze – Algorithmenorientierung und
  Anwendungs- und Projektorientierung
• Benutzerorientierung – Umgang mit Anwendungsprogrammen
• Systemorientierung – Synthese der bisherige Ansätze
   – Dialog-, Gedächtnis- und Verarbeitungskomponente
   – Perspektive des Benutzers
3. Bildungsziele
• Drei didaktische Leitfragen:
   – Wie können durch Entwicklung, Gestaltung und Anwendung von
     Informatiksystemen Probleme der Lebenswelt gelöst werden?
   – Wie sind Informatiksysteme aufgebaut, welches sind die Prinzipien des
     Zusammenwirkens ihrer Komponenten und wie ordnen sie sich in
     größere Systemzusammenhänge ein?
   – Welches sind die Grundlagen und wo liegen die Grenzen formaler bzw.
     technischer Wissensverarbeitung, und wie kann die kognitive
     Autonomie menschlicher Subjekte gewahrt werden?
• Richtziele des Informatikunterrichts
   – Problemlösen als methodischer Entwurf von Informatiksystemen
   – Struktur und Funktion von Informatiksystemen im soziotechnischen
     Kontext
   – Prinzipielle Grenzen technischer Informationsverarbeitung sowie
     grundlegende Konzepte von Information und Kommunikation

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Grundlagen Und Bildungsziele Der Informatik In Der Schule

  • 1. Grundlagen und Bildungsziele der Informatik in der Schule Rüdeger Baumann
  • 2. Allgemein • Informatik wird im Zuge der industriellen Revolution zum regulären Schulfach – Pflichtfach – ein anerkannter und unerlässlicher Beitrag zur Allgemeinbildung – Technikwissenschaft – Rechnerbasierte Arbeitsmethode – Teil der Grundausstattung einer jeden Wissenschaft
  • 3. 1. Das Legitimationsproblem • Frage nach der Berechtigung eines Schulfachs • Legitimation – ständige Aufgabe einer jeden Fachdidaktik „Ausgangspunkt der Legitimation eines jeden Unterrichtsfaches in der Schule sind Anwendungsbezüge der diesem Unterrichtsfach zugrunde liegenden Wissenschaft sowie der gesellschaftliche Stellenwert dieser Anwendungsbezüge. Je bedeutender die Erkenntnisse und die Anwendungen einer Wissenschaft für das Bestehen einer Gesellschaft sind, desto dringlicher wird die Integration dieser Inhalte in den Bildungsbereich.“ • 3 Teilprobleme – Das erarbeiten eines konsensfähigen Bildungskonzepts – Die obersten fachspezifischen Ziele sind zu eruieren (die fundamentalen Ideen, das Wesen oder der Bildungskern des Faches) – Nachweis, dass das Fach mit diesen Zielen einen unerlässlichen und spezifischen, d.h. von keinem anderen Fach leistbaren Beitrag zur Allgemeinbildung erbringt.
  • 4. 1.1 Bildungskonzept • Bildung muss in allen Grunddimensionen menschlicher Interessen und Fähigkeiten präsent sein 1. In der Entwicklung kognitiver Möglichkeiten 2. Der handwerklich-technischen Produktivität 3. Der zwischenmenschlichen Beziehungsmöglichkeiten 4. Der ästhetischen Wahrnehmungs- und Gestaltungsfähigkeit sowie 5. Der moralischen Urteils- und der politischen Handlungsfähigkeit • Ziele – Bewältigung zukünftiger Lebenssituationen – Aneignung tradierter Kulturgüter – Aufbau eines Weltbilds – Kritischer Vernunftgebrauch – Entwicklung von Phantasie und Kreativität – Verantwortungsbereitschaft
  • 5. 1.2 Fundamentale Ideen der Informatik • Was macht das Wesen der Informatik aus? • Die Idee der Formalisierung – Nachbilden durch schematisches Operieren mit Zeichen (Umformungsregeln) • Die Idee der Automatisierung – Automaten (Geräte, die selbsttätig arbeiten), Programmsteuerung • Die Idee der Vernetzung – Computer als Teil eines Netzes (Automatennetze), Parallelisierung 1.3 Informatik als Technikwissenschaft • Was konstituiert die Informatik als Wissenschaft? • Formal-operationale Wissenschaft oder Ingenieurswissenschaft oder Sozial- bzw. Arbeitslehre oder gar eine „Wissenschaft vom Menschen“? • „Informatik ist die Wissenschaft vom Entwurf und der Gestaltung wissenstechnischer Systeme. Systeme, die Wissen unterschiedlicher Art und Herkunft repräsentieren, diese Wissensrepräsentationen in Gestalt und Daten und Programmen verarbeiten und den Benutzern in geeigneter Form zur Verfügung stellen.
  • 6. 2. Didaktische Ansätze • Vorgeschichte – Die Fragestellung ist logisch-kybernetisch und interdisziplinär angelegt, als Lehrgeräte werden Digitalbausteine verwendet. • Hardwareorientierter Ansatz – Logischen Grundlagen der Datenverarbeitung, Bau digitaler Schaltnetze und Schaltwerke sowie das Programmieren. • Softwareorientierte Ansätze – Algorithmenorientierung und Anwendungs- und Projektorientierung • Benutzerorientierung – Umgang mit Anwendungsprogrammen • Systemorientierung – Synthese der bisherige Ansätze – Dialog-, Gedächtnis- und Verarbeitungskomponente – Perspektive des Benutzers
  • 7. 3. Bildungsziele • Drei didaktische Leitfragen: – Wie können durch Entwicklung, Gestaltung und Anwendung von Informatiksystemen Probleme der Lebenswelt gelöst werden? – Wie sind Informatiksysteme aufgebaut, welches sind die Prinzipien des Zusammenwirkens ihrer Komponenten und wie ordnen sie sich in größere Systemzusammenhänge ein? – Welches sind die Grundlagen und wo liegen die Grenzen formaler bzw. technischer Wissensverarbeitung, und wie kann die kognitive Autonomie menschlicher Subjekte gewahrt werden? • Richtziele des Informatikunterrichts – Problemlösen als methodischer Entwurf von Informatiksystemen – Struktur und Funktion von Informatiksystemen im soziotechnischen Kontext – Prinzipielle Grenzen technischer Informationsverarbeitung sowie grundlegende Konzepte von Information und Kommunikation