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Wissenschaftliches Institut
                                                                     der AOK
                                                      HAUSANSCHRIFT Rosenthaler Str. 31 ·
Pressemitteilung                                                    10178 Berlin
                                                      POSTANSCHRIFT Postfach 11 02 46
                                                                    10832 Berlin
                                                            TELEFON +49 30 34646-2393
                                                                FAX +49 30 34646-2144
                                                           INTERNET www.wido.de
Berlin, 23. März 2012                                        E-MAIL wido@wido.bv.aok.de




Arzneimitteltherapie im Alter


Ältere Frauen erhalten besonders häufig ungeeignete Arzneimittel


Berlin. Patienten über 65 Jahren schlucken durchschnittlich fast fünf Mal so viele
Medikamente wie jüngere Menschen. Dabei sind sie anfälliger für unerwünschte
Nebenwirkungen. Die Priscus-Liste enthält 83 Wirkstoffe, auf die im Alter möglichst
verzichtet werden sollte. Trotzdem erhält etwa jeder vierte Patient mindestens eines
der potenziell gefährlichen Arzneimittel. Vor allem Frauen sind davon betroffen.

Im Alter reagiert der Körper anders auf Arzneimittel: Nieren und Leber funktionieren nur noch
eingeschränkt. Das Immunsystem ist gestört und die Muskelmasse geringer als bei jungen
Menschen. Das führt dazu, dass ältere Menschen die chemischen Substanzen der Arznei-
mittel langsamer abbauen. Viele Senioren sind gleich mehrfach erkrankt und benötigen eine
umfangreiche Medikation, deren Wechselwirkungen für den behandelnden Arzt kaum zu
überschauen sind. Das stellt Ärzte in der Praxis häufig vor das Dilemma, ältere und multi-
morbide Patienten angemessen zu versorgen, ohne ihnen mit den Medikamenten zusätzlich
zu schaden. Konkrete Hilfe bietet die Priscus-Liste, die 83 Wirkstoffe aufführt, für die das
Nutzen-Risiko-Verhältnis bei älteren Menschen als ungünstig bewertet wird.

„Frauen nehmen besonders häufig Wirkstoffe ein, die für ältere Menschen ungeeignet sind“,
sagt Jürgen Klauber, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). „Es
ist egal, welche Altersgruppe der über 65-Jährigen man betrachtet. Von den weiblichen Pati-
enten erhalten rund fünf bis sieben Prozentpunkte mehr als bei den Männern einen Wirkstoff
aus der Priscus -Liste.“

Unter den 20 am häufigsten verordneten Wirkstoffen der Priscus-Liste befanden sich bereits
in früheren Auswertungen vor allem psychogene Substanzen wie Schmerzmittel und Antide-
pressiva sowie Mittel zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese Verteilung hat
sich auch 2011 nicht verändert (siehe Abbildung 2). Der mit mehr als 22 Millionen Tagesdo-




                                                                                  Seite 1 von 7
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sen am häufigsten an AOK-Patienten über 65 Jahren verordnete Wirkstoff war im vergange-
nen Jahr das Bluthochdruckmittel Doxazosin. Knapp 20 Millionen Tagesdosen wurden von
Amitriptylin verordnet. Dieser Wirkstoff gehört zur Gruppe der Antidepressiva, die auf der
Priscus-Liste besonders stark vertreten sind. Weiblichen Patienten wird Amitriptylin etwa drei
Mal so häufig wie Männern verschrieben. Auf Platz drei der am meisten verordneten Priscus-
Wirkstoffe steht Etoricoxib, von dem über 13,4 Millionen Tagesdosen abgegeben wurden.
Auch dieses Rheumamittel wird deutlich häufiger an Frauen verschrieben – sie nehmen
mehr als doppelt so viel Etoricoxib wie die Männer ein.

Die hohe Konzentration der Priscus-Wirkstoffe auf bestimmte Indikationsbereiche erklärt,
warum vor allem Hausärzte, Internisten und Nervenärzte die potenziell gefährlichen Wirkstof-
fe verordnen. Doch auch Urologen verordnen sehr häufig Priscus-Wirkstoffe. Dabei stammen
nur vier Wirkstoffe aus der Urologie. Nervenärzte verschreiben etwa jedem zweiten ihrer Pa-
tienten (49 Prozent) über 65 Jahren einen der betroffenen Wirkstoffe. Bei den Hausärzten
waren es nur 29 Prozent. Darüber hinaus verordnen Nervenärzte deutlich mehr Tagesdosen
pro Patient als ihre Kollegen aus anderen Fachbereichen. Während ein Allgemeinarzt im
Jahr 2010 durchschnittlich 17,3 Tagesdosen pro Patient verordnet hat, waren es bei den
Nervenärzten etwa 40,4 Tagesdosen.

„Auch das Alter eines Arztes hängt eng damit zusammen, wie oft er einen der Priscus-
Wirkstoffe verschreibt“, sagt Gisbert W. Selke, Arzneimittelexperte beim WIdO. „Je älter ein
Arzt ist, desto häufiger verordnet er Wirkstoffe, die für ältere Patienten gefährlich werden
können. Darüber hinaus verordnen männliche Ärzte häufiger Priscus-Wirkstoffe als ihre
weiblichen Kolleginnen. Warum das so ist, lässt sich nur vermuten.“ So sind jüngere Ärzte
vielleicht besser über die aktuellen Erkenntnisse über Besonderheiten von Arzneimitteln in-
formiert.

Das WIdO ist bei seinen Analysen auf einen weiteren Zusammenhang gestoßen, der sich
kaum rational erklären lässt. „Im Vergleich der Bundesländer erhalten Patienten in den alten
Bundesländern deutlich häufiger Wirkstoffe, die auf der Priscus-Liste stehen“, so Gisbert W.
Selke (siehe Abbildung 4). Die höchsten Patientenanteile gibt es in Rheinland-Pfalz (27,4
Prozent) und dem Saarland (27,1 Prozent). Nur Bremen liegt mit 21,6 Prozent auf dem Ni-
veau der neuen Bundesländer. Hier erhält nur etwa jeder fünfte Patient mindestens einen der
potenziell gefährlichen Wirkstoffe. Ansonsten verordnen die Ärzte in den neuen Bundeslän-
dern deutlich zurückhaltender Wirkstoffe der Priscus-Liste. Mit Ausnahme von Mecklenburg-
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Vorpommern liegt der Anteil der AOK-Patienten über 65 Jahren, die noch mindestens einen
Wirkstoff aus der Priscus-Liste erhalten, bei etwa 20,7 Prozent.

Die Priscus-Liste wurde von einem Forschungsverbund aus mehreren Hochschulen in
Deutschland, Österreich sowie der Schweiz entwickelt und 2010 zum ersten Mal veröffent-
licht. Sie führt zu jedem als ungünstig bewerteten Wirkstoff Alternativen auf, die Wirkstoff-
substitutionen ebenso wie nicht-medikamentöse Therapien umfassen. Dabei haben die Wis-
senschaftler berücksichtigt, dass sich selbst kontraindizierte Arzneimittel nicht immer ver-
meiden lassen. Für diesen Fall führt die Liste begleitende Maßnahmen auf, die das Risiko
des Patienten für unerwünschte Nebenwirkungen verringern sollen. Inwieweit die Liste zu-
nehmend in den Praxisalltag integriert wird, ist Gegenstand aktuell laufender Untersuchun-
gen. Damit werden die Analysen fortgeführt, die erstmals im Versorgungs-Report 2012 des
WIdO präsentiert wurden.

Die aktive Ansprache der Ärzte ist besonders wichtig, um auf das Problem der Medikation
von älteren Patienten aufmerksam zu machen. Zur Zeit schreibt die Gesundheitskasse des-
halb in einer Initiative gezielt Ärzte an, die stärker als ihre Fachkollegen zu Priscus-
Arzneimitteln greifen, und möchte sie für das Problem sensibilisieren. Zudem bietet die AOK
vielerorts pharmakotherapeutische Beratungen an. Das Verordnungsspektrum eines interes-
sierten Arztes wird dafür zunächst mit Hilfe der im WIdO entwickelten Software pharmPRO
analysiert. Daraus leitet ein spezialisierter Apotheker der AOK Vorschläge für Verbesserun-
gen der Arzneimitteltherapie ab und erläutert diese in einem ausführlichen Beratungsge-
spräch.


Die Priscus-Liste zum Download gibt es auf www.priscus.net.

Günster/Klose/Schmacke (Hrsg.): Versorgungs-Report 2012. Schwerpunkt: Gesundheit im Alter.
Schattauer (Stuttgart); 440 Seiten; 84 Abb.; 64 Tab., kart.; mit Online-Zugang; ISBN-13: 978-3-7945-
2850-9. (http://www.wido.de/vsr_2012.html)



Pressekontakt:
Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO)
Gisbert W. Selke
Tel.: 030-34646-2393
Fax: 030-34646-2144
gisbert.selke@wido.bv.aok.de
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Mehr als ein Viertel der älteren Menschen erhalten Arzneimittel, die für
sie potenziell ungeeignet sind. Frauen sind stärker betroffen als Männer.

Abbildung 1: Anteil Priscus-Patienten bei Männern/Frauen, in Prozent

                                                                     Gesamt      Männer     Frauen
 35 %


                                                28,2 %              28,6 %     28,2 %     28,4 %
 30 %

                               24,8 %
 25 %
              20,9 %                                                                      25,4 %
                                                                               24,7 %
                                                                    23,7 %
 20 %                                           21,7 %

                               18,5 %
 15 %
              15,4 %

 10 %


   5%


   0%
              65 bis           70 bis            75 bis              80 bis     85 bis       90
             unter 70         unter 74          unter 80            unter 85   unter 90   und älter
                                                Altersgruppen in Jahren
Datenbasis: AOK-Daten 2011
                                                                                             © WIdO 2012
W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O )                                  Seite 5 von 7

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Der Schwerpunkt der Priscus-Verordnungen liegt bei Frauen im Bereich
Psychopharmaka, bei Männern bei den Mitteln gegen Herz-Kreislauf-
Erkrankungen.

Abbildung 2: Anteile von Männern und Frauen an den 20 meistverordneten Wirkstoffen
                                                                    Gesamt      Männer        Frauen

                          Doxazosin

                        Amitriptylin

                          Etoricoxib

                         Solifenacin

                            Zopiclon

                      Acetyldigoxin

                            Doxepin

                              Sotalol

                           Zolpidem

                       Trimipramin

                          Piracetam

                          Diazepam

                      Bromazepam

                            Clonidin

                    Lormetazepam

                           Terazosin

                         Meloxicam

          Reserpin und Diuretika

                        Tetrazepam

                         Oxybutynin

                                        0            5              10       15          20              25
                                                                     Mio. DDD
Datenbasis: AOK-Daten 2011
                                                                                                       © WIdO 2012
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Die Priscus-Liste nennt 83 Wirkstoffe aus 18 Indikationsbereichen. Den
größten Anteil haben psychogene Substanzen wie Antidepressiva und
Schmerzmittel.

Abbildung 3: Priscus-Anteile in den einzelnen therapeutischen Gruppen
                                                                                  Priscus    Andere

                                     Psycholeptika

                                 Psychoanaleptika

                                   Antihypertonika

             Antiphlogistika und Antirheumatika

                                          Urologika

                                      Herztherapie

               Beta-Adrenozeptor-Antagonisten

                                Muskelrelaxanzien

                       Periphere Vasodilatatoren

      Antibiotika zur systemischen Anwendung

                                                      0       50    100     150      200    250       600

                                                                          Mio. DDD

Datenbasis: AOK-Daten 2011
                                                                                                  © WIdO 2012
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Der Patientenanteil an Pricus-Verordnungen ist in den alten Bundeslän-
dern deutlich höher. Durchschnittlich erhält jeder vierte Patient mindes-
tens einen Priscus-Wirkstoff. In den neuen Bundesländern ist es nur je-
der Fünfte.

Abbildung 4: Priscus-Patienten-Anteile nach Bundesländern, in Prozent
                                                            Schleswig-Holstein


                           Hamburg
                           22,5 %                   23,5 %
                                                                          Mecklenburg-
                 Bremen
                                                                          Vorpommern
                  21,6 %                                            24,8 %


                                                                               Brandenburg
                                            Niedersachsen
                                                                                                Berlin
                                                   25,1 %
                                                                                                21,3 %
                                                                     Sachsen-         20,6 %
                                                                      Anhalt
                           Nordrhein-Westfalen
                                                                      20,7 %
                                 24,6%                                             Sachsen
                                                             Thüringen             20,8 %
                                            Hessen           20,8 %
                                          22,9 %
                           Rheinland-                                                    West 24,4 %
                             Pfalz                                                       Ost: 21,2 %
                                 27,4 %                                                  Gesamt: 23,6 %
          Saarland
           27,1 %

                                            Baden-                      Bayern
                                          Württemberg
                                                                         24,2 %
                                             24,7 %




Datenbasis: AOK-Daten 2011
                                                                                                    © WIdO 2012

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  • 1. Wissenschaftliches Institut der AOK HAUSANSCHRIFT Rosenthaler Str. 31 · Pressemitteilung 10178 Berlin POSTANSCHRIFT Postfach 11 02 46 10832 Berlin TELEFON +49 30 34646-2393 FAX +49 30 34646-2144 INTERNET www.wido.de Berlin, 23. März 2012 E-MAIL wido@wido.bv.aok.de Arzneimitteltherapie im Alter Ältere Frauen erhalten besonders häufig ungeeignete Arzneimittel Berlin. Patienten über 65 Jahren schlucken durchschnittlich fast fünf Mal so viele Medikamente wie jüngere Menschen. Dabei sind sie anfälliger für unerwünschte Nebenwirkungen. Die Priscus-Liste enthält 83 Wirkstoffe, auf die im Alter möglichst verzichtet werden sollte. Trotzdem erhält etwa jeder vierte Patient mindestens eines der potenziell gefährlichen Arzneimittel. Vor allem Frauen sind davon betroffen. Im Alter reagiert der Körper anders auf Arzneimittel: Nieren und Leber funktionieren nur noch eingeschränkt. Das Immunsystem ist gestört und die Muskelmasse geringer als bei jungen Menschen. Das führt dazu, dass ältere Menschen die chemischen Substanzen der Arznei- mittel langsamer abbauen. Viele Senioren sind gleich mehrfach erkrankt und benötigen eine umfangreiche Medikation, deren Wechselwirkungen für den behandelnden Arzt kaum zu überschauen sind. Das stellt Ärzte in der Praxis häufig vor das Dilemma, ältere und multi- morbide Patienten angemessen zu versorgen, ohne ihnen mit den Medikamenten zusätzlich zu schaden. Konkrete Hilfe bietet die Priscus-Liste, die 83 Wirkstoffe aufführt, für die das Nutzen-Risiko-Verhältnis bei älteren Menschen als ungünstig bewertet wird. „Frauen nehmen besonders häufig Wirkstoffe ein, die für ältere Menschen ungeeignet sind“, sagt Jürgen Klauber, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). „Es ist egal, welche Altersgruppe der über 65-Jährigen man betrachtet. Von den weiblichen Pati- enten erhalten rund fünf bis sieben Prozentpunkte mehr als bei den Männern einen Wirkstoff aus der Priscus -Liste.“ Unter den 20 am häufigsten verordneten Wirkstoffen der Priscus-Liste befanden sich bereits in früheren Auswertungen vor allem psychogene Substanzen wie Schmerzmittel und Antide- pressiva sowie Mittel zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese Verteilung hat sich auch 2011 nicht verändert (siehe Abbildung 2). Der mit mehr als 22 Millionen Tagesdo- Seite 1 von 7
  • 2. W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 2 von 7 P re s se mit t e ilu n g v o m 23 . M ärz 20 1 2 sen am häufigsten an AOK-Patienten über 65 Jahren verordnete Wirkstoff war im vergange- nen Jahr das Bluthochdruckmittel Doxazosin. Knapp 20 Millionen Tagesdosen wurden von Amitriptylin verordnet. Dieser Wirkstoff gehört zur Gruppe der Antidepressiva, die auf der Priscus-Liste besonders stark vertreten sind. Weiblichen Patienten wird Amitriptylin etwa drei Mal so häufig wie Männern verschrieben. Auf Platz drei der am meisten verordneten Priscus- Wirkstoffe steht Etoricoxib, von dem über 13,4 Millionen Tagesdosen abgegeben wurden. Auch dieses Rheumamittel wird deutlich häufiger an Frauen verschrieben – sie nehmen mehr als doppelt so viel Etoricoxib wie die Männer ein. Die hohe Konzentration der Priscus-Wirkstoffe auf bestimmte Indikationsbereiche erklärt, warum vor allem Hausärzte, Internisten und Nervenärzte die potenziell gefährlichen Wirkstof- fe verordnen. Doch auch Urologen verordnen sehr häufig Priscus-Wirkstoffe. Dabei stammen nur vier Wirkstoffe aus der Urologie. Nervenärzte verschreiben etwa jedem zweiten ihrer Pa- tienten (49 Prozent) über 65 Jahren einen der betroffenen Wirkstoffe. Bei den Hausärzten waren es nur 29 Prozent. Darüber hinaus verordnen Nervenärzte deutlich mehr Tagesdosen pro Patient als ihre Kollegen aus anderen Fachbereichen. Während ein Allgemeinarzt im Jahr 2010 durchschnittlich 17,3 Tagesdosen pro Patient verordnet hat, waren es bei den Nervenärzten etwa 40,4 Tagesdosen. „Auch das Alter eines Arztes hängt eng damit zusammen, wie oft er einen der Priscus- Wirkstoffe verschreibt“, sagt Gisbert W. Selke, Arzneimittelexperte beim WIdO. „Je älter ein Arzt ist, desto häufiger verordnet er Wirkstoffe, die für ältere Patienten gefährlich werden können. Darüber hinaus verordnen männliche Ärzte häufiger Priscus-Wirkstoffe als ihre weiblichen Kolleginnen. Warum das so ist, lässt sich nur vermuten.“ So sind jüngere Ärzte vielleicht besser über die aktuellen Erkenntnisse über Besonderheiten von Arzneimitteln in- formiert. Das WIdO ist bei seinen Analysen auf einen weiteren Zusammenhang gestoßen, der sich kaum rational erklären lässt. „Im Vergleich der Bundesländer erhalten Patienten in den alten Bundesländern deutlich häufiger Wirkstoffe, die auf der Priscus-Liste stehen“, so Gisbert W. Selke (siehe Abbildung 4). Die höchsten Patientenanteile gibt es in Rheinland-Pfalz (27,4 Prozent) und dem Saarland (27,1 Prozent). Nur Bremen liegt mit 21,6 Prozent auf dem Ni- veau der neuen Bundesländer. Hier erhält nur etwa jeder fünfte Patient mindestens einen der potenziell gefährlichen Wirkstoffe. Ansonsten verordnen die Ärzte in den neuen Bundeslän- dern deutlich zurückhaltender Wirkstoffe der Priscus-Liste. Mit Ausnahme von Mecklenburg-
  • 3. W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 3 von 7 P re s se mit t e ilu n g v o m 23 . M ärz 20 1 2 Vorpommern liegt der Anteil der AOK-Patienten über 65 Jahren, die noch mindestens einen Wirkstoff aus der Priscus-Liste erhalten, bei etwa 20,7 Prozent. Die Priscus-Liste wurde von einem Forschungsverbund aus mehreren Hochschulen in Deutschland, Österreich sowie der Schweiz entwickelt und 2010 zum ersten Mal veröffent- licht. Sie führt zu jedem als ungünstig bewerteten Wirkstoff Alternativen auf, die Wirkstoff- substitutionen ebenso wie nicht-medikamentöse Therapien umfassen. Dabei haben die Wis- senschaftler berücksichtigt, dass sich selbst kontraindizierte Arzneimittel nicht immer ver- meiden lassen. Für diesen Fall führt die Liste begleitende Maßnahmen auf, die das Risiko des Patienten für unerwünschte Nebenwirkungen verringern sollen. Inwieweit die Liste zu- nehmend in den Praxisalltag integriert wird, ist Gegenstand aktuell laufender Untersuchun- gen. Damit werden die Analysen fortgeführt, die erstmals im Versorgungs-Report 2012 des WIdO präsentiert wurden. Die aktive Ansprache der Ärzte ist besonders wichtig, um auf das Problem der Medikation von älteren Patienten aufmerksam zu machen. Zur Zeit schreibt die Gesundheitskasse des- halb in einer Initiative gezielt Ärzte an, die stärker als ihre Fachkollegen zu Priscus- Arzneimitteln greifen, und möchte sie für das Problem sensibilisieren. Zudem bietet die AOK vielerorts pharmakotherapeutische Beratungen an. Das Verordnungsspektrum eines interes- sierten Arztes wird dafür zunächst mit Hilfe der im WIdO entwickelten Software pharmPRO analysiert. Daraus leitet ein spezialisierter Apotheker der AOK Vorschläge für Verbesserun- gen der Arzneimitteltherapie ab und erläutert diese in einem ausführlichen Beratungsge- spräch. Die Priscus-Liste zum Download gibt es auf www.priscus.net. Günster/Klose/Schmacke (Hrsg.): Versorgungs-Report 2012. Schwerpunkt: Gesundheit im Alter. Schattauer (Stuttgart); 440 Seiten; 84 Abb.; 64 Tab., kart.; mit Online-Zugang; ISBN-13: 978-3-7945- 2850-9. (http://www.wido.de/vsr_2012.html) Pressekontakt: Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO) Gisbert W. Selke Tel.: 030-34646-2393 Fax: 030-34646-2144 gisbert.selke@wido.bv.aok.de
  • 4. W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 4 von 7 P re s se mit t e ilu n g v o m 23 . M ärz 20 1 2 Mehr als ein Viertel der älteren Menschen erhalten Arzneimittel, die für sie potenziell ungeeignet sind. Frauen sind stärker betroffen als Männer. Abbildung 1: Anteil Priscus-Patienten bei Männern/Frauen, in Prozent Gesamt Männer Frauen 35 % 28,2 % 28,6 % 28,2 % 28,4 % 30 % 24,8 % 25 % 20,9 % 25,4 % 24,7 % 23,7 % 20 % 21,7 % 18,5 % 15 % 15,4 % 10 % 5% 0% 65 bis 70 bis 75 bis 80 bis 85 bis 90 unter 70 unter 74 unter 80 unter 85 unter 90 und älter Altersgruppen in Jahren Datenbasis: AOK-Daten 2011 © WIdO 2012
  • 5. W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 5 von 7 P re s se mit t e ilu n g v o m 23 . M ärz 20 1 2 Der Schwerpunkt der Priscus-Verordnungen liegt bei Frauen im Bereich Psychopharmaka, bei Männern bei den Mitteln gegen Herz-Kreislauf- Erkrankungen. Abbildung 2: Anteile von Männern und Frauen an den 20 meistverordneten Wirkstoffen Gesamt Männer Frauen Doxazosin Amitriptylin Etoricoxib Solifenacin Zopiclon Acetyldigoxin Doxepin Sotalol Zolpidem Trimipramin Piracetam Diazepam Bromazepam Clonidin Lormetazepam Terazosin Meloxicam Reserpin und Diuretika Tetrazepam Oxybutynin 0 5 10 15 20 25 Mio. DDD Datenbasis: AOK-Daten 2011 © WIdO 2012
  • 6. W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 6 von 7 P re s se mit t e ilu n g v o m 23 . M ärz 20 1 2 Die Priscus-Liste nennt 83 Wirkstoffe aus 18 Indikationsbereichen. Den größten Anteil haben psychogene Substanzen wie Antidepressiva und Schmerzmittel. Abbildung 3: Priscus-Anteile in den einzelnen therapeutischen Gruppen Priscus Andere Psycholeptika Psychoanaleptika Antihypertonika Antiphlogistika und Antirheumatika Urologika Herztherapie Beta-Adrenozeptor-Antagonisten Muskelrelaxanzien Periphere Vasodilatatoren Antibiotika zur systemischen Anwendung 0 50 100 150 200 250 600 Mio. DDD Datenbasis: AOK-Daten 2011 © WIdO 2012
  • 7. W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 7 von 7 P re s se mit t e ilu n g v o m 23 . M ärz 20 1 2 Der Patientenanteil an Pricus-Verordnungen ist in den alten Bundeslän- dern deutlich höher. Durchschnittlich erhält jeder vierte Patient mindes- tens einen Priscus-Wirkstoff. In den neuen Bundesländern ist es nur je- der Fünfte. Abbildung 4: Priscus-Patienten-Anteile nach Bundesländern, in Prozent Schleswig-Holstein Hamburg 22,5 % 23,5 % Mecklenburg- Bremen Vorpommern 21,6 % 24,8 % Brandenburg Niedersachsen Berlin 25,1 % 21,3 % Sachsen- 20,6 % Anhalt Nordrhein-Westfalen 20,7 % 24,6% Sachsen Thüringen 20,8 % Hessen 20,8 % 22,9 % Rheinland- West 24,4 % Pfalz Ost: 21,2 % 27,4 % Gesamt: 23,6 % Saarland 27,1 % Baden- Bayern Württemberg 24,2 % 24,7 % Datenbasis: AOK-Daten 2011 © WIdO 2012