1. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Dr. Dipl.-Psych. David Althaus, DachauDr. Dipl.-Psych. David Althaus, Dachau
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und
Eheberatung e.V.
Jahrestagung 2009
Saalfeld, 22.05.2009
Depression – Krankheit des 21. Jahrhunderts
2. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
1. Epidemiologie und gesundheitspolitische Bedeutung
2. Depression in der Theorie: Symptome, Verlauf,
Diagnostik
3. Depression in der Praxis: Ein Irrgarten?
4. Ursachen depressiver Erkrankungen
5. Die Behandlung der Depression: die Theorie
6. Die Behandlung der Depression: die Praxis
7. Suizidalität
8. Die Situation der Angehörigen
4. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Belastung durch Krankheiten in den
entwickelten Ländern - 2001
Belastung durch Krankheiten in den
entwickelten Ländern - 2001
Lopez A. et al., 2006
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
MitBeeinträchtigunggelebte
Lebensjahre(inMio.),YLD
D
epression,unipolar
H
örschw
äche
Alkoholm
issbrauchO
steoarthritis
Zerebrovaskuläre
Erkrankungen
C
hron.O
bstr.Pulm
on.Erkrankungen
D
iabetes
M
ellitus
Endokrine
Erkrankungen
Sehschw
ächen
altersbedingt
D
em
enzerkrankung
(Alzheim
eretc.)
8,39
3,46
2,86
2,25
1,68 1,53
3,773,77
5,39
6,33
5. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Epidemiologie in DeutschlandEpidemiologie in Deutschland
• Rund 5% der Bevölkerung leiden
gegenwärtig unter einer
depressiven Erkrankung
• Frauen doppelt so häufig betroffen
wie Männer
• Erkrankung betrifft alle
Gesellschafts- und Altersgruppen
Ca. jede 4. Frau und jeder 8. Mann erkranken im Laufe des
Lebens an einer Depression.
ca.
5%
6. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Der Großteil der Erkrankten bleibt ohne
ausreichende Behandlung
Der Großteil der Erkrankten bleibt ohne
ausreichende Behandlung
Depression bleibt oft unerkannt:
Viele Betroffene erkennen die eigene Depression nicht
Körperliche Symptomatik überdeckt häufig die Depression
7. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
69%
körperliche
Beschwerden
31%
andere
69% der Patienten mit Depression
suchen ihren Hausarzt ausschließ-
lich aufgrund von körperlichen
Beschwerden im Rahmen der
Depression auf
Beklemmungen in der Brust
Abdominelle Beschwerden
Erschöpfung
Herzklopfen
Rückenschmerz
Kopfschmerz
Nackenverspannungen
Magenbeschwerden
Schwindel
Simon et al. (1999): Studie an 1146 Patienten
Beschwerdeprofil von Depressionspatienten
in der Hausarztpraxis
Beschwerdeprofil von Depressionspatienten
in der Hausarztpraxis
8. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Der Grossteil der Erkrankten bleibt ohne
ausreichende Behandlung
Der Grossteil der Erkrankten bleibt ohne
ausreichende Behandlung
Depression wird unzureichend behandelt
Viele Betroffene haben Angst, sich in psychiatrische Behandlung
zu begeben (vor allem Vorbehalte gegen Psychopharmaka)
Auch bei Durchführung einer Behandlung viele Anwendungsfehler:
Z.B. unzureichende Aufklärung
Depression bleibt oft unerkannt
Viele Betroffene erkennen die eigene Depression nicht
Körperliche Symptomatik überdeckt häufig die Depression
18. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Beschreibung: Arten und VerlaufBeschreibung: Arten und Verlauf
Einzelne depressive Episode (knapp die Hälfte der
Betroffenen erlebt nur eine einzelne depressive Phase)
ZeitZeit
dauerhaft beschwerdefrei
Verschiedene Erscheinungsbilder möglich:
z.b. gehemmt, agitiert, somatisiert oder wahnhaft
20. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Beschreibung: Arten und VerlaufBeschreibung: Arten und Verlauf
Manisch Depressive Erkrankung (Bipolare affektive Störung):
Neben depressiven Phasen treten Zustände von übermäßiger
Aktivität, gehobener Stimmung und allgemeiner Angetriebenheit,
manchmal auch Gereiztheit auf.
Bipolare Störungen erfordern DRINGEND medikamentöse Behandlung.
27. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
In der Praxis hohe KomorbiditätIn der Praxis hohe Komorbidität
• Häufig Somatisierungsstörungen (z.B. chronischer Schmerz)
• Häufig ähnliche Symptome wie bei Angsterkrankungen (vor allem
GAS)
• Unscharfe Abgrenzung zwischen den verschiedenen Subgruppen
• Depressive Symptome auch im Rahmen von
Persönlichkeitsstörungen
• Depressive Syndrome auch bei Schizophrenien und anderen
psychotischen Störungen
• Beispiel: 31 jähriger Patient mit depressiver Störung (mittelgradige
Episode), Somatisierungsstörung und dependenter
Persönlichkeitsstörung: was steckt dahinter?
30. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
dichotomes Schema „krank-gesund“ entspricht nicht der
Lebenswirklichkeit
„Krankheit“ als Problem des Einzelnen ohne Berücksichtigung
sozialer und systemischer Aspekte
Reine Defizitorientierung ohne Einbeziehung von Ressourcen
Erzeugung einer Scheinwirklichkeit (Krankheiten als nosologische
Entitäten ähnlich wie die Beschreibung von Tiergattungen)
ICD 10 als rein deskriptives Klassifikationsmodell unter Verzicht auf
die Einbeziehung ätiologischer Aspekte kann zu Pathologisierung
normaler Reaktionen führen (z.B. Trauer nach Verlust)
Kritik an der ICD DiagnostikKritik an der ICD Diagnostik
31. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Bei Frau M. (50 Jahre) zeigen sich seit dem tragischen Unfalltod ihres
Mannes vor 3 Monaten folgende Veränderungen:
sie fühlt sich niedergeschlagen und traurig
sie schläft schlecht und wenig
sie kann sich ein Leben ohne den Mann einfach nicht vorstellen
das „normale Leben“ (Fernsehen, Zeitungen, Tratsch) interessiert
sie nicht mehr
oft wäre sie einfach auch gerne tot und wünscht sich nicht mehr
aufzuwachen
In ihre Arbeit (Grundschullehrerin) geht es ihr vergleichsweise gut;
Hat Frau M. eine Depression?
Trauer oder Depression?Trauer oder Depression?
Was müsste man noch erfragen?
Wie kann man ihr helfen?
32. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Depression ist nicht einfach TrauerDepression ist nicht einfach Trauer
Die Veränderungen sind nicht nur eine nachvollziehbare
vorübergehende Reaktion auf eine äußere Belastung (z.B.
Verlustsituation)
Die Beschwerden bestehen über Wochen und Monate, ohne
dass es zu einer „Anpassung“ an die Situation kommt
Der äußere Anlass allein erklärt nicht die depressive
Symptomatik (häufig reichen „kleine“ Auslöser und es
finden sich keine traumatische Ereignisse)
33. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Affektstarre und mangelnde Schwingungsfähigkeit (meist
spürbar im direkten Kontakt)
Gefühl der Gefühllosigkeit
Trauer steht nicht in Vordergrund
Schuldgefühle und Ausmaß an Hoffnungslosigkeit
keine Ablenkbarkeit
Suizidalität
Wahnsymptomatik (Versündigung, Verarmung)
Verlauf (gab es bereits früher depressive Episoden?)
Für die depressive Erkrankung spricht:
Tod kann auch Auslöser einer Depression seinTod kann auch Auslöser einer Depression sein
Sichere Diagnosestellung nur durch Fachkraft möglich (PsychiaterIn
oder PsychologIn)!
34. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Notwendigkeit der DiagnostikNotwendigkeit der Diagnostik
Diagnostik ist „Mensch gemacht“ und damit nie eine überdauernder
objektiver Maßstab
Die Vorstellung, allein die genaue Klassifikakation der Symptomatik
führe zu einer guten Behandlung ist irrig
Dennoch: in Diagnostische Modelle fließt klinisches
Erfahrungswissen und wissenschaftliche Evidenz
Diagnostik für intra- und interdisziplinäre Verständigung dringend
notwendig
Wir können nicht bei jedem Patienten die Behandlung bei „null“
beginnen
Klassifikation als hilfreiche Krücke, um das Phänomen zu
beschreiben und erprobte Wege der Behandlung einzuschlagen
35. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Beispiel: Depression beim Mann
Herbert Grönemeyer - Männer
Männer haben Muskeln,
Männer sind furchtbar stark,
Männer können alles,
Männer kriegen 'nen Herzinfakt,
ohh Männer sind einsame Streiter
müssen durch jede Wand, müssen immer weiter.
Refrain:
Männer habens schwer, nehmens leicht
außen hart und innen ganz weich
werden als Kind schon auf Mann geeicht.
Wann ist ein Mann ein Mann?
Wann ist ein Mann ein Mann?
Wann ist ein Mann ein Mann???
36. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Charakteristika der Depression beim Mann
• Reizbarkeit und Verstimmung
• Niedrige Impulskontrolle (schnelles Aufbrausen)
• Wutanfälle, unbändiger Ärger
• Neigung zu Vorwürfen und nachtragendem Verhalten
• Geringe Stresstoleranz
• Hohe Risikobereitschaft
• Sozial unangepasstes Verhalten
• Höhere Bereitschaft, eine Straftat zu begehen
• Höherer Gebrauch von Suchtmitteln (Alkohol und Nikotin)
• Generelle Unzufriedenheit mit sich selbst und anderen
• Erhöhtes Suizidrisiko
37. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Charakteristika der Depression beim Mann
• Wer um diese spezifische Ausprägung männlicher Depression
weiß, erkennt leichter, dass hinter der reizbaren Fassade des
Gegenübers etwas ganz anderes steckt.
• Der depressive Mann lädt ein zu bagatellisieren. Wissen um
männliche Depression kann helfen, wachsam zu sein
• Bei männlicher Depression können Scham und Kränkung eine
zentrale Bedeutung haben
• Die Möglichkeit gerade diese Themen behutsam anzugehen,
kann ein wesentlicher Entlastungsfaktor für den Pat. sein
39. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
depressive Sympto-
matik im Erleben und
Verhalten
Depressiver
Zustand
akute Belastungen,
Verluste Stress,
Beförderung,
Beziehungskrisen
Auslöser
z. B. negative Lebens-
erfahrungen, Kindheit,
Persönlichkeit
Vulnerabilität
Psychosoziale Aspekte
z. B. Dysfunktionen der Neurotransmitter
Serotonin / Noradrenalin
z. B. Überaktivität der
Stresshormonachse
genetische Faktoren
(Hinweise durch Zwillings-
und Adoptionsstudien)
Neurobiologische Aspekte
Psychische und biologische Ursachen: Bei jedem
Patienten gibt es 2 Seiten „EINER Medaille“
Psychische und biologische Ursachen: Bei jedem
Patienten gibt es 2 Seiten „EINER Medaille“
40. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Genetische Faktoren von DepressionGenetische Faktoren von Depression
Erkrankungsrisiko um das Dreifache erhöht, wenn ein Elternteil
oder Geschwister depressiv erkrankt ist.
Zwillingsuntersuchungen:
Eineiige Zwillinge: Konkordanz = 35-42%
Zweieiige Zwillinge: Konkordanz = 15-20%
bipolare Störung zeigt eine noch größere Heredität
Kein einzelnes Hauptgen für Depression verantwortlich
Die Genetik ist allerdings nicht das einzige entscheidende
Kriterium (auch bei eineiigen Zwillingen erkrankt nur in 58-65%
der Fälle nur einer der beiden)
44. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Die Behandlung der DepressionDie Behandlung der Depression
Zentrale Behandlungssäulen:
• Eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung
• Medikamentöse Behandlung (v.a. Antidepressiva)
• Psychotherapie
• Psychoedukation und Einbindung Angehöriger
Weitere Behandlungsverfahren (im Einzelfall indiziert)
• Lichttherapie Wirkung nur bei saisonaler Depression belegt
• Wachtherapie meist nur im Rahmen stationärer Therapie mögl.
• EKT bei schwerer therapieresistenter Depression
• Soziotherapie z.B. bei Wiedereingliederungsmaßnahmen
• Eheberatung Wenn Paarkonflikt wichtig für Depression
• Sport kann für einen Teil der Patienten hilfreich sein
45. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Die Behandlung der DepressionDie Behandlung der Depression
Mit Hilfe von Medikamenten, Psychotherapie kann
man heute den allermeisten depressiv erkrankten
Menschen gut helfen.
wichtig ist:
a) die Ängste vor der Behandlung zu nehmen
b) Behandlungsfehler zu vermeiden
48. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Die Behandlung der DepressionDie Behandlung der Depression
• Jede Depression hört irgendwann auf (aber wann?)
• Die Behandlung ist oft mühsam und anstrengend; Menschen in
Depression sind anstrengend!
• Der durchschnittliche Wirkungsgrad der Medikamente ist leider nur
mittelmäßig
• welches Medikament im Einzelfall hilft, weiß man vorher nicht
• Psychotherapie kann helfen, aber leider nicht immer
• Einige Patienten sind gar nicht in der Lage in einer PT aktiv
mitzuarbeiten
• ERGO: für einen erheblichen Teil der Pat. gibt es noch immer nicht
den einen goldenen Weg aus der Depression
49. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Die Behandlung der DepressionDie Behandlung der Depression
• Rund 50% der Patienten kann man mit Medikamenten und
Psychotherapie relativ schnell und effizient helfen
• Innerhalb von 2-4 Monaten wird eine Vollremission erreicht
(vollständiges Abklingen der depressiven Symptome)
• Bei einem weiteren Anteil von 20-30% erreicht man relativ rasch
eine Teilremission
• Dem Pat. geht es besser, aber einige depressive Symptome
persitieren
• Bei 10-20% der Erkrankten erreicht man auch nach monatelanger
Behandlung so gut wie keine Besserung (Therapieresistenz)
• Gerade hier ist besondere Geduld von Seiten der Behandler
notwendig
50. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
dass Antidepressiva abhängig machen80%
Vorurteile und Ängste
bezüglich Antidepressiva
Vorurteile und Ängste
bezüglich Antidepressiva
Bei einer repräsentativen Befragung von 1426 Personen glaubten
69% dass Antidepressiva die Persönlichkeit verändern
Zudem: Obwohl Antidepressiva in den meisten Fällen gut
verträglich sind, glauben 71% der Befragten, sie hätten
starke Nebenwirkungen!!
Befragte verwechseln Antidepressiva, Beruhigungsmittel
und Neuroleptika!
51. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
1. Beruhigungsmittel / Tranquilizer:
wirken sehr schnell / wichtig für akute Krisen
dämpfen und machen schläfrig
Gewöhnungseffekt und bei längerer Anwendung Suchtgefahr
bei Depression höchstens kurzfristig sinnvoll
Wichtigste Medikamente in der PsychiatrieWichtigste Medikamente in der Psychiatrie
2. Neuroleptika:
Bei Psychosen unverzichtbar!
ältere Präparate haben unangenehme Nebenwirkungen
zur Depressionsbehandlung meist nicht notwendig
Neuere Substanzen bei vielen Psychiatern z.Z. sehr „en vogue“
3. Antidepressiva:
keine Veränderung der Persönlichkeit
leichte bis mittlere Nebenwirkungen
keine Dosissteigerung notwendig / keine Suchtgefahr
52. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Tri- und tetrazyklische Antidepressiva (TZA): z.B.
Amitriptylin (Saroten), Clomipramin (Anafranil), Doxepin
(Aponal)
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI):
z.B. Paroxetin, Sertraline, Citalopram, Fluoxetin
Neue Substanzen (z.B. NARI; SSNRI): z.B. Reboxitin,
Venlavaxin (Trevilor), Duloxetin
MAO-Hemmer
Johanniskrautpräparate (wirksam nur als hochdosierte
Extrakte
Phasenprophylaktika: (z.B. Lithium und Antiepileptika)
AntidepressivaAntidepressiva
53. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Nebenwirkungen der am häufigsten
eingesetzte Antidepressiva
Nebenwirkungen der am häufigsten
eingesetzte Antidepressiva
TZA (Tri- und tetrazyklische Antidepressiva)
mögl. z.B. Nebenwirkungen: Blasenentleerungsstörungen,
Mundtrockenheit, kognitive Störungen, sexuelle
Funktionsstörungen
häufigere Nebenwirkungen zu Beginn der Behandlung, mit der
Zeit jedoch abnehmend; bei anhaltenden Beschwerden
Umstellung auf verträglicheres Medikament üblich
SSRI (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer)
mögl. z.B. Nebenwirkungen: Übelkeit, innere Unruhe,
Schlafstörungen, Kopfschmerzen, sexuelle Funktionsstörungen
Nebenwirkungen seltener und schwächer als bei TZA;
Medikamente jedoch wesentlich teurer
55. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
4-6 Monate
Erhaltungstherapie
Monate – Jahre
Langzeittherapie
4-8 Wochen
Akuttherapie
unbehandelt
RemissionEinsetzen der
Medikation
Ansprechen
Remission
KrankheitGesundheit
Rückfall
1
32
Wiedererkrankung
Genaue Aufklärung des Patienten über die Medikation und die
einzelnen Therapiephasen ist Voraussetzung für erfolgreiche
Behandlung!
Drei kritische Zeitpunkte für TherapieabbrücheDrei kritische Zeitpunkte für Therapieabbrüche
56. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Richtlinienpsychotherapie (von Krankenkasse erstattet):
Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologisch fundierte Therapie,
Psychoanalyse
Systemische Therapie konnte ihre Effizienz wissenschaftlich
nachweisen und wird voraussichtlich zukünftig ebenfalls zu den
Richtlinienverfahren gehören
Für alle anderen Psychotherapieverfahren liegt derzeit noch
nicht ausreichend „Evidenz“ der Wirksamkeit vor
Viele Verfahren werden dennoch inoffiziell „über Kasse“
praktiziert, z.B. weil Behandler formal zwar richtlinientherapie
durchführt, praktisch jedoch andere Verfahren integriert (z.B.
Hypnotherapie)
PsychotherapiePsychotherapie
57. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Als wirksamstes und am besten validiertes
Psychotherapieverfahren bei der Behandlung von
Depression gilt die kognitive Verhaltenstherapie
Kognitive VerhaltenstherapieKognitive Verhaltenstherapie
Vorgehen innerhalb der kognitiven Verhaltenstherapie:
Aufbau angenehmer Aktivitäten
Abbau von Belastungen
Tagesstrukturierung
Korrektur fehlerhafter Überzeugungen
Verbesserung des Sozial- und Kommunikationsverhaltens
Problemlösetraining
58. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Indikation:
Patienten in
• aktuellen Konflikten mit anderen Personen
• veränderten Lebenssituationen oder Rollen
Zielbereiche:
Bearbeitung von Konflikten in interpersonellen Beziehungen, v.a.:
• Trennung, Trauer
• interpersonelle Auseinandersetzungen
• soziale Rollenkonflikte und –veränderungen
• interpersonelle Defizite
Interpersonelle PsychotherapieInterpersonelle Psychotherapie
59. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Indikation:
Patienten mit
• chronischen Selbstwert- und Sinnproblemen
• einer Kindheitsgeschichte mit Missbrauch, Verlusten und
Trennungen
Zielbereiche:
• Bearbeitung intrapsychischer Konflikte, die durch
gegenwärtige Auslöser reaktiviert wurden
• Aufdeckung und Bewältigung des unbewussten Konfliktes
• Bearbeitung von Übertragungs- und Gegenübertragungs-
Mechanismen im Rahmen der therapeutischen Beziehung
Tiefenpsychologisch fundierte
Kurzzeittherapie
Tiefenpsychologisch fundierte
Kurzzeittherapie
60. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Cognitive-Behavioral Analysis System of
Psychotherapy: CBASP (McCullough)
Cognitive-Behavioral Analysis System of
Psychotherapy: CBASP (McCullough)
• Hypothese: Chronische Depression als Entwicklungsstörung im
interpersonalen Bereich. Denken, Sprechen und Verhalten der P.
wie bei 4 –6-jährige Kindern
• Zustand der Inkohärenz (keine Verbindung/Kontakt mit der
Außenwelt). P. auf Stufe des „Präoperationalen Denkens“.
Gefangen in seiner Weltsicht
• Chronisch depressive Menschen fühlen sich somit oft als
einflussloses Opfer
• Therapie zielt darauf ab, dem P. zu vermitteln, wie er sein eigenes
Leiden selbst immer wieder erzeugt (spezifische Folgen eigenen
Verhaltens erkennen)
• Immer wieder sehr präzise Situationsanalysen mit dem Patienten
und deutliches interpersonelles Feedback
• Entwicklung und Training erfolgreicher und angemessener
Verhaltensweisen
62. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Depression und SuizidalitätDepression und Suizidalität
10-15 % mit rezidivierender Depression versterben durch Suizid
20-60 % weisen einen Suizidversuch auf
40-70 % leiden an Suizidideen
bei 90 % der Suizidenten psychiatrische Erkrankung im
Vorfeld, am häufigsten Depression (40-70 %)
Wenn eine Depression vorliegt, dann sollte die Suizidalität
immer aktiv erfragt werden!
63. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Quelle: Todesursachenstatistik, Statistisches Bundesamt
0
10
20
30
40
50
60
70
80
<
1
Ja
hr
1
-5
J
ah
re
5
-1
0
Ja
h
re
1
0-1
5
Ja
hre
1
5-2
0
Ja
h
re
2
0
-2
5
Ja
h
re
2
5
-3
0
Ja
hre
3
0-3
5
Ja
hre
3
5-4
0
Ja
hre
4
0
-4
5
Ja
h
re
4
5-5
0
Ja
h
re
5
0
-5
5
Ja
h
re
5
5
-6
0
Ja
hre
6
0-6
5
Ja
hre
6
5-7
0
Ja
hre
7
0
-7
5
Ja
h
re
7
5
-8
0
Ja
h
re
8
0
-8
5
Ja
h
re
8
5
-9
0
Ja
hre
9
0
Ja
h
re
+
AnzahlderSuizidepro100.000
Männlich
Weiblich
Suizidraten in Deutschland 2007Suizidraten in Deutschland 2007
64. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Akute Suizidalität: RisikogruppenAkute Suizidalität: Risikogruppen
• für Suizid: ältere Männer
• für Suizidversuch: junge Frauen (14-24 Jahre)
• Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen (Depression
Suchterkrankungen, Psychosen)
• akute krisenhafte Ereignisse (z.B. Arbeitslosigkeit, Schulden,
Scheidung, Inhaftierung, Verlusterlebnisse, Traumatisierung)
• Mangelnde Unterstützung durch Angehörige oder Freunde. Keine
Einbindung in feste Strukturen, soziale Isolierung
• Zeit nach der Entlassung aus stationär psychiatrischer Behandlung
• Chronische körperliche Erkrankungen
• Suizidversuche in der Vorgeschichte oder in der Familiegeschichte
• Hohe narzisstische Kränkbarkeit
• starke Verleugnungstendenz und mangelndes Hilfesuchverhalten („mir
geht es gut; ich brauche keine Hilfe..“)
65. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Indikatoren für akute SuizidgefahrIndikatoren für akute Suizidgefahr
Drängende Suizidgedanken
Große Hoffnungslosigkeit und starke Schuldgefühle
Starker Handlungsdruck („ich halte das nicht länger aus!“)
Massive narzistische Kränkung
starke Impulsivität (erhöhte Gefahr bei Drogen- oder Alkoholkonsum)
Zunehmender sozialer Rückzug
Verabschiedung von Menschen, Verschenken von Wertgegenständen
Regelung letzter Dinge (Testament, Versicherungen, Papiere)
Offene und verdeckte Ankündigung von Suizid („es wird aufhören, so
oder so...“)
Patient reagiert gereizt, aggressiv oder ist agitiert
Konkrete Suizidpläne oder Vorbereitung suizidaler Handlungen
67. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Abklärung von Suizidalität: FormulierungshilfenAbklärung von Suizidalität: Formulierungshilfen
„Gibt es in ihrer derzeitigen schwierigen Situation auch Gedanken
an den Tod?“
„Was genau meinen Sie damit, dass Todsein besser wäre?“
„Denken Sie dabei auch an Suizid?“
„An was denken Sie genau, wenn Sie sagen, sie könnten sich
umbringen?“
„Haben Sie sich die ... (z.B. Medikamente) schon besorgt?“
„Wie oft und wie lange kommen die Gedanken an Suizid?“
„Haben Sie darüber schon mit jemandem gesprochen?“
„Haben Sie schon einmal versucht sich das Leben zu nehmen?“
„Gibt es denn auch Dinge, die Sie noch am Leben halten?“
68. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Mögliche Schritte bei akuter SuizidalitätMögliche Schritte bei akuter Suizidalität
Suizidalität offen ansprechen, keine Wertung vornehmen
Beziehung herstellen, Suizidalität als Ausdruck der Krise
akzeptieren
Sich viel zeit nehmen, um Zeit zu gewinnen
Antisuizidpakt schließen (können Sie dem Pat. glauben)
Notfallplan erarbeiten bei weiterer Verschlechterung
Hilfe hinzuziehen (Facharzt, Klinik, Angehörige…)
hinzuziehen
Bei erheblicher Suizidgefahr und mangelnder Kooperation:
notfalls Polizei verständigen (Einweisung gegen den Willen
des Pat.)
Verantwortlichkeit liegt nun bei der Polizei und bei den
Klinikärzten
70. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Die Situation der Angehörigen: lange Tradition
falscher Schuldzuschreibungen
• Angehörige werden in der Gesellschaft, aber auch innerhalb der
Medizin noch immer als maßgebliche Verursacher psychischer
Krankheit gesehen
• „….wenn die ihr Kind besser erzogen hätten, ………“
• „….schau Dir die Eltern an, dann wird Dir klar, …….…“
• „… wenn sie meine Frau wäre,………………...“
• Historisch besonders prominentes Beispiel:
die „schizophrenogene Mutter“
71. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Die Angehörigen fühlen sich oft schlecht
behandelt
• Aussage von Angehörigen: „Wir kennen unser Kind und wollten es
immer so gut wie möglich unterstützen…“
• Eigene Erfahrungen:
– „Niemand hat mit uns gesprochen…“
– „Wir haben keine präzisen Informationen erhalten…“
– „Uns wurde immer das Gefühl vermittelt, lästig zu sein…“
– „Keiner hat nach unseren Beobachtungen oder Ansichten
gefragt…“
– „Niemand hat die Behandlung mit uns abgesprochen…“
– „Nach der Entlassung haben wir ihn dann einfach
zurückbekommen und den Ärzten war es doch scheißegal, wie
wir mit der Situation zurechtkommen…“
72. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Die vielfältigen Rollen der Angehörigen
• Unterstützer der Behandlung
– Wichtige Informationsquelle (externe Anamnese)
– Cotherapeuten in der Behandlung: Helfen bei Aktivierung,
Strukturierung, achten auf Medikamenteneinnahme
• „Gegenspieler“
– die „Mitverursacher“ einer Störung
– wesentlicher Faktor für Aufrechterhaltung der Störung
– Gegenspieler und Saboteure der Behandlung
• Selbst Betroffene
– Oft selbst erheblicher Leidensdruck
– manchmal selbst hilfebedürftig
73. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Argumente für die Einbeziehung von
Angehörigen
• Psychische Krankheit immer multikausal determiniert
• Neben biologischen Faktoren spielen persönlichkeits-
spezifische und systemische Faktoren eine bedeutsame Rolle
• Je nach Erkrankung sind Interventionen auf unterschiedlichen
Ebenen notwendig (z.B. medikamentöse Behandlung +
Psychotherapie + Familientherapie)
• Je nach Erkrankung und Einzelfall sind familiäre Faktoren
unterschiedlich bedeutsam
• Die Einbeziehung der Angehörigen ist oftmals notwendig, um
den Stellenwert der Familie für das Krankheitsgeschehen
überhaupt einschätzen zu können
74. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Zusammenfassung
• Depressive Erkrankungen sind sehr häufig und haben
schwerwiegende Folgen für die Betroffenen und die Gesellschaft
• Depressionen müssen zunächst erkannt werden, damit
überhaupt eine zielführende Therapie eingeleitet werden kann
• Depressionen sind i.d.R. gut behandelbar. Die Therapie erfordert
allerdings viel Kraft und Geduld
• Suizidalität ist ein häufiger Begleiter der Depression. Es gilt,
immer wieder aktiv nach Todeswünschen nachzufragen, um
gegebenenfalls weitere Hilfe hinzuziehen zu können
• Die Angehörigen leiden mit! Sie nicht in die Behandlung
einzubeziehen ist in vielen Fällen falsch. Damit wird eine
wesentliche Ressource für Therapieerfolg vertan.
75. Copyright:BündnisgegenDepressione.V.
Literatur:Literatur:
Hegerl U., Althaus D., Reiners H. (2005) Das Rätsel Depression – Eine
Krankheit wird entschlüsselt. Beck Verlag, München
Wolfersdorf M. (2000). Der suizidale Patient in Klinik und Praxis. Suizidalität
und Suizidprävention. WVG: Stuttgart.
Möller H.-J. et al (2000). Psychopharmakotherapie: Ein Leitfaden für Klinik und
Praxis. Kohlhammer Stuttgart
Für Betroffene:.
Althaus, Hegerl, Reiners (2006) Depressiv? Die 111 wichtigsten Fragen und
Antworten zu Depression. Köselverlag München
Solomon A. (2001). Saturns Schatten. Die dunklen Welten der Depression.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main
Homepage des Bündnisses geg. Depression: www.buendnis-depression.de
Für Angehörige:
Rosen L.E., Amador X.F. (2002). Wenn der Mensch, den du liebst, depressiv
ist. Wie man Angehörigen oder Freunden hilft. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek.
Hinweis der Redaktion
Bei dieser Studie, die von der WHO und der Weltbank in Auftrag gegeben wurde, sind unterschiedliche psychische und somatische Erkrankungen entsprechend verschiedener Kriterien miteinander verglichen worden. Der hier dargestellte Parameter ist ein Schätzmaß, in dem die Dauer der Beeinträchtigung und der Schweregrad berücksichtigt wurden (years lived with disability).
Das überraschende Ergebnis war hier, dass die Depression vor allen anderen Erkrankungen lag. Dies unterstreicht den hohen Stellenwert von Depressionen.
Die Häufigkeit depressiver Erkrankungen, die in den letzten Jahrzehnten nach Expertenmeinung zugenommen hat, ist einer der wichtigen Gründe, warum Depression in den Industrieländern verstärkt eine große Bedeutung zukommt.
Im Bundes-Gesundheitssurvey wurde die Häufigkeit der Erkrankung ermittelt (epidemiologische Querschnittsstudie einer repräsentativen Stichprobe der Wohnbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland). Mit dem Modul &quot;Psychische Störungen&quot; sollten Inzidenzen und Prävalenzen der psychischen Morbidität und Komorbidität in der Bevölkerung ermittelt werden. Alle Teilnehmer des Surveys im Alter von 18 bis 65 Jahren erhielten validierte Filterfragen, die als Screening dienten. Für die screeningpositiven Probanden erfolgte ein vertieftes psychiatrisches Interview (Wittchen, Müller, Storz 1998). Es zeigte sich für Depression eine 4-Wochen-Prävalenz von 6,3%
Über die Ursachen der ungleichen Verteilung von Männern und Frauen besteht keine wissenschaftliche Klarheit. Vermutet werden sowohl biologische wie soziale Ursachen. Ein Grund, warum Depression bei Frauen häufiger diagnostiziert wird, dürfte nicht zuletzt auch in einem aktiveren Hilfesuchverhalten liegen. Frauen sind offensichtlich eher bereit, persönliche Probleme anderen mitzuteilen. Männer tendieren dagegen dazu, sich verstärkt zurückzuziehen und Probleme mit sich allein auszumachen.
Die Hausärzte erkennen bereits heute in rund 50% der Fälle die zugrundeliegende depressive Störung. Vor dem Hintergrund, dass viele Patienten vor allem körperliche Beschwerden schildern und in Anbetracht der knappen Zeit, die dem Arzt pro Patient zur Verfügung steht, ist das bereits eine recht gute Erkennungsrate. Oft wird auch eine sinnvolle Behandlung mit antidepressiver Medikation begonnen. Dennoch gibt es in der Primärversorgung noch viele Verbesserungsmöglichkeiten in punkto Diagnose und Therapie, auf die im Laufe dieser Fortbildung näher eingegangen werden soll.
Der Anteil der somatisierten Depressionen ist in der Hausarztpraxis erhöht:
Ein Großteil der Patienten berichtet in erster Linie körperliche Symptome wie Energieverlust, Schlafstörungen oder Schmerzen. „Typische Symptome“ wie depressive Niedergeschlagenheit oder Verlust an Interesse und Freude werden weit seltener spontan berichtet.
Die Hausärzte erkennen bereits heute in rund 50% der Fälle die zugrundeliegende depressive Störung. Vor dem Hintergrund, dass viele Patienten vor allem körperliche Beschwerden schildern und in Anbetracht der knappen Zeit, die dem Arzt pro Patient zur Verfügung steht, ist das bereits eine recht gute Erkennungsrate. Oft wird auch eine sinnvolle Behandlung mit antidepressiver Medikation begonnen. Dennoch gibt es in der Primärversorgung noch viele Verbesserungsmöglichkeiten in punkto Diagnose und Therapie, auf die im Laufe dieser Fortbildung näher eingegangen werden soll.
Diese Zahlen dokumentieren die hohe Relevanz psychischer Erkrankungen für das Gesundheitswesen. Jede dritte Frühberentung geht auf das Konto eines psychischen Leidens. In Deutschland liegen die Kosten in Folge depressionsbedingter Frühberentungen bei ca. 1,5 Milliarden Euro jährlich.
Quellen:
Robert Koch-Institut (2006): Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Gesundheit in Deutschland. Berlin
Bundesministerium für Bildung und Forschung (2007): „Es ist als ob die Seele unwohl wäre…“. Depression – Wege aus der Schwermut. Forscher bringen Licht in die Lebensfinsternis. Berlin
Die Bedeutung psychischer Störungen beim Krankenstand ist belegt. Obwohl sich der Rückgang des Krankenstandes fortsetzt, steigt das Ausmaß der Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen. Die Diagnose depressive Episode belegt bei den AU-Fällen zwar einen hinteren Platz, aber bei der Dauer der jeweiligen Krankschreibungen belegt die Depression den ersten Platz. Die Depression ist demzufolge eine Krankheit mit besonders langer Krankheitsdauer im Vergleich zu anderen Erkrankungen, wie die Abbildung der Techniker Krankenkasse verdeutlicht. Für die Diagnosegruppe „Psychische und Verhaltensstörungen betrugen die Kosten aufgrund von Produktionsausfall wegen krankheits- bzw. unfallbedingte Abwesenheitstage im Jahr 2005 4 Mrd. Euro.
Quellen:
Ulich, E. (2008): Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz. In: Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Psychologie Gesellschaft. Politik.: Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz in Deutschland. Berlin
Lademann, J. / Mertesacker, H. / Gebhardt, B. (2006): Psychische Erkrankungen im Fokus der Gesundheitsreporte der Krankenkassen. In: Psychotherapeutenjournal 2
Obwohl mehr Menschen durch Suizid versterben als durch Drogen, Verkehr, Mord und Aids zusammen, wird die Suizidprävention gesundheitspolitisch bisher eher stiefmütterlich behandelt. Mit dem Kompetenznetz „Depression, Suizidalität“ wurde erstmals in der Bundesrepublik ein großes Forschungsprojekt von staatlicher Seite ins Leben gerufen, das sich diesem wichtigen Bereich widmet.
Tendenzen: Suizid: konstant; Drogen: fallend; Verkehr: fallend; Mord: leicht fallend; AIDS; leicht fallend
Suizid: laut Statistik sind 70 der 10733 Suizide durch absichtlich verursachten Kraftfahrzeugunfall. Dunkelziffer in Verkehrstote wahrscheinlich hoch.
Suizidmethoden Häufigkeit (einzeln):
Erhängen, Strangulieren, Ersticken
Sturz in die Tiefe
Selbstvergiftung
Sich legen oder werfen vor ein bewegendes Objekt
Nicht näher bezeichnete Feuerwaffe
Suizidmethoden Häufigkeit (Gruppen):
Erhängen, Strangulieren, Ersticken
Vergiftungen (mit unterschiedlichen Substanzen)
Sturz in die Tiefe
Selbstbeschädigung durch Feuerwaffe
Sich legen oder werfen vor ein bewegendes Objekt
Wichtig ist die Verdeutlichung, dass eine kritische Situation oder Krise allein keine ausreichende Bedingung für einen Suizid ist. Es ist vielmehr das Zusammentreffen von Situation und Disposition welches eine besondere Gefahr bergen kann. Der genetische Faktor von Suizid wird von Laien häufig überschätzt. Zwillings- und Adoptionsstudien legen einen nur kleinen bis moderaten Zusammenhang nahe.
Menschen, die sich das Leben nehmen, tun dies im Allgemeinen unter schwerstem Leidensdruck und bei subjektiv erlebtem Verlust jeglicher Wahlmöglichkeiten. Die Vorstellung eine Freitods oder eines Bilanzsuizids auf der Basis rationaler Entscheidung ist in den meisten Fällen unhaltbar.
Phänomenologisch können die Symptome einer Depression auf unterschiedlichen Ebenen betrachtet werden. Vor allem die Tatsache, dass bei einer Depression auch körperliche Symptome eine große Rolle spielen und Depression somit in gewisser Weise also auch eine somatische Erkrankung ist, wissen die meisten Laien nicht.
Wir raten Ihnen, diese Abbildungen zu den Symptomen anhand eines Fallbeispiels zu erarbeiten (siehe Kasuistik). Die Abbildungen dienen dann anschließend lediglich dazu, die vielen Symptome nochmals in der Zusammenschau zu zeigen.
Die durchschnittliche natürliche Phasendauer einer unbehandelten Depression liegt bei 3 bis 6 Monaten. Die beschwerdefreie Phase zwischen den depressiven Episoden beträgt durchschnittlich mehrere Jahre. Im Einzelfall können Phasendauer und Zykluslänge jedoch sehr unterschiedlich sein.
Die durchschnittliche natürliche Phasendauer einer unbehandelten Depression liegt bei 3 bis 6 Monaten. Die beschwerdefreie Phase zwischen den depressiven Episoden beträgt durchschnittlich mehrere Jahre. Im Einzelfall können Phasendauer und Zykluslänge jedoch sehr unterschiedlich sein.
Viele Patienten mit Depression erleben nach dem Ende der Depression eine Phase von gesteigerter Aktivität und gehobener Stimmung (hypomane Nachschwankung). Echte Manien mit Euphorie, Größenphantasien, ideenflüchtigem Denken, Reizbarkeit, leichtsinnigem Verhalten, stark reduziertem Schlafbedürfnis usw. sind jedoch relativ selten und betreffen nur rund 10-20% der Erkrankten.
Für alle Altersklassen wird die depressive Episode als eine mit gedrückter Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit und Antriebsminderung einhergehende, aktivitätshemmende, psychische Störung definiert (ICD-10, Dilling et al., 1991).
Bei einer Depression bestehen meist auch körperliche Symptome. Bei älteren Menschen erfolgt eine Akzentverschiebung der Symptomatik in Richtung verstärkter Agitiertheit, Hypochondrie, Misstrauen. Durch die häufigen körperlichen Begleiterkrankungen wird oft verstärkt über körperliche Beschwerden geklagt (somatisierte Depression).
Hier werden sehr knapp nochmals die erforderlichen Kriterien für die einzelnen Depressionsdiagnosen zusammengefasst.
Die Vorstellung, dass Körpersäfte und deren Ungleichgewicht die Ursache für die Melancholie sind, geht auf das 5. vorchristliche Jahrhundert zurück (Hippokratische Schriften). Auch der mysteriöse Stich von Dürer (1514) beschäftigt sich mit Dysthymatik.
Dieser Fall spaltet meist in zwei Lager: Die einen glauben, dass es sich einfach „nur“ um eine Trauerreaktion handelt, die anderen dagegen sehen die formalen Kriterien einer Depression erfüllt. Bei der Diskussion über diesen Fall bietet sich daher vor allem an danach zu fragen, welche zusätzlichen Informationen wir nun noch bräuchten, um den Fall besser einschätzen zu können.
Wichtiger als die Entscheidung, ob eine Depression vorliegt oder nicht, ist die Frage, wie Frau Meyer optimal geholfen werden kann.
Eventuell starten mit dem Sammeln unterschiedlicher Therapieoptionen vor dem Hintergrund der belegten Effektivität und der Anwendungsbreite der verschiedenen Verfahren.
Diese Abbildung kann helfen, ein plausibles Erklärungsmodell der Depression für ihre Patienten bereit zu haben. Da viele Laien ein monokausales, implizites Erklärungsmodell der Depression haben, das in der Regel der Erkrankung nicht gerecht wird, scheint dies wichtig. Vor allem äußere Umstände (Stress bei der Arbeit, Eheprobleme...) werden von den meisten dabei in das Zentrum der Ursachen gerückt und die biologischen Faktoren werden allzu leicht übersehen..
Die Abbildung verdeutlicht: Depressionen werden nicht entweder körperlich oder psychisch verursacht, sondern die neurobiologische und psychische Seite sind komplementäre Sichtweisen, ähnlich wie die zwei Seiten einer Medaille. Auf beiden Seiten kann nach Erklärungen und Therapieansätzen gesucht werden. Daher kann auch eine rein medikamentöse Behandlung der Depression Sinn machen.
Beispiel: Medikamente lösen nicht Beziehungsprobleme oder berufliche Überforderung. Sie können jedoch den Menschen in die Lage versetzen, dass er sich seinen Problemen wieder stellen kann und aktiv nach Lösungen sucht. Viele Betroffene können das nicht, solange sie im Zustand der Depression sind.
Als eindeutig nachgewiesen kann gelten, dass die genetische Belastung einen entscheidenden ätiologischen Aspekt darstellt. Durch Zwillingsstudien ist allerdings auch klar, dass lediglich die Vulnerabilität vererbt wird, die im Zusammenspiel mit Auslösefaktoren das Auftreten der affektiven Erkrankung bedingt. Als Auslöser kommen sowohl somatische Faktoren wie hormonelle Umstellungen oder eine körperliche Erkrankung in Frage als auch psychosoziale Faktoren wie Verluste, Trennungen, berufliche Enttäuschungen, Überforderung, Ehekrisen etc.
Störungen im serotonergen und noradrenergen Neurotransmittersystem spielen bei der Genese der Depression eine wichtige Rolle. Die Zellkörper der serotonergen wie auch der noradrenergen Neuronen liegen im Hirnstamm. Sie besitzen extrem lange und hochverzweigte Axone und innervieren so gut wie das gesamte ZNS.
Ängste und Vorurteile gegenüber Antidepressiva sind sehr weit verbreitet.
Antidepressiva verändern aber nicht die Persönlichkeit!. Es ist vielmehr die Depression, die in vielen Fällen die Persönlichkeit der Betroffenen verändern kann. Auch wird man von Antidepressiva definitiv nicht süchtig. Viele Menschen haben auch unrealistische Vorstellungen bezüglich der Nebenwirkungen von Antidepressiva.
Diese Vorurteile sind oft Ursache dafür, dass viele Menschen eine pharmakologische Behandlung der Depression von vorherigen ablehnen.
Diese „kleine Medikamentenkunde“ dient zu einer vereinfachten Abgrenzung der verschiedenen Medikamentengruppen, die alle für ihren jeweiligen Indikationsbereich wichtig und sinnvoll sind. Bei der pharmakologischen Depressionsbehandlung stehen die Antidepressiva im Zentrum.
Der Hausarzt muss sich nicht genau mit allen Wirkstoffen und Präparaten auskennen. Stattdessen sollte er sich auf 2-3 Medikamente beschränken und mit diesen Erfahrungen sammeln. Wichtiger als die Wahl des Medikaments ist die korrekte Anwendung.
Thema Johanniskraut:
In der hausärztlichen Praxis spielten in Deutschland die Johanniskrautpräparate bisher eine übergeordnete Rolle und sind die dort am häufigsten verschriebenen antidepressiven Medikamente. In der Regel geschieht dies, weil diese Medikamente relativ nebenwirkungsarm sind und Patienten eher bereit sind, diese zu nehmen als synthetische Antidepressiva. Laut KBV (Dr. Eva Susanne Dietrich, 20.08.2004) sind seit 2004 nur noch bei der Diagnose „mittelschwere Depression“ Johanniskraut-Präparate zu Lasten der GKV verordnungsfähig. Sie müssen mindestens 300 mg pro Applikationsform enthalten und außerdem für die Indikation „mittelschwere Depression“ oder „depressive Verstimmungszustände“ zugelassen sein. Allerdings empfiehlt sich unter klinischen Gesichtspunkten bei einer mittelschweren Depression meist eher die Verschreibung eines synthetischen Antidepressivums. Auf die möglichen Interaktionen mit anderen Arzneimitteln sollte hingewiesen werden.
Die Akutphase ist der Zeitraum bis zur Remission des Patienten. In der Regel ist dies bei einer erfolgreichen Therapie nach 4 Wochen der Fall. Wenn allerdings kein Ansprechen auf das Medikament festzustellen ist und auf ein Antidepressivum anderer Wirkklasse umgestellt wird, kann sich die Akuttherapie deutlich verlängern.
Wichtig ist in der Phase der Erhaltungstherapie das Medikament in der vollen Dosis über weitere sechs Monate einzunehmen, um Rückfälle zu vermeiden.
Achtung: Unterdosierung ist einer der Gründe für erfolglose Pharmakotherapien
Die folgenden Ergänzungsfolien können Hinweise für die Auswahl eines Medikaments geben. Wir empfehlen einzelne Wirkstoffe nur bei direkter Nachfrage genauer zu besprechen.
Anhand der Kupferkurve kann man den Patienten besonders gut demonstrieren, wann und weshalb es in der Depressionsbehandlung besonders häufig zu Rückfällen kommen kann:
Absetzung der Medikation innerhalb der Wirklatenzphase (2
Wochen)
2) Abbruch nach Wirkungseintritt während der
Erhaltungstherapie.
3) Bei rezidivierenden Depressionen ist das
Wiedererkrankungsrisiko ohne Phasenprophylaxe deutlich
erhöht
Hauptgrund des Scheiterns medikamentöser Behandlung ist die mangelnde Aufklärung der Patienten. Hierfür bietet das vom Kompetenznetz „Depression“ erstellte Video „Wege aus der Depression“ gute Unterstützung. Es unterscheidet die hier erläuterten verschiedenen Therapiephasen und vermittelt dem Patienten ein Modell, das für ihn nachvollziehbar macht, wie der gesamte Behandlungsprozess aussehen wird.
In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um leichtere und mittlere Formen der Depression, die grundsätzlich auch erfolgreich mit Psychotherapie behandelbar sind. Bei schweren Depressionen scheint eine zusätzliche Pharmakotherapie meist unerlässlich.
Der Aufbau angenehmer Aktivitäten, Abbau von Belastungen und die Tagesstrukturierung sind „antidepressive“ Bausteine, die auch von den verschiedenen Multiplikatorengruppen (z.B. Pfarrern) gefördert werden können.
In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um leichtere und mittlere Formen der Depression, die grundsätzlich auch erfolgreich mit Psychotherapie behandelbar sind. Bei schweren Depressionen scheint eine zusätzliche Pharmakotherapie meist unerlässlich.
Der Aufbau angenehmer Aktivitäten, Abbau von Belastungen und die Tagesstrukturierung sind „antidepressive“ Bausteine, die auch von den verschiedenen Multiplikatorengruppen (z.B. Pfarrern) gefördert werden können.
Depression und Suizidalität sind zwei sich überlappende Phänomene. Auch der depressive Patient in der hausärztlichen Praxis ist davon betroffen. Studien zeigen, dass fast die Hälfte späterer Suizidenten in den vier Wochen vor dem Suizid noch in hausärztlicher Behandlung war (meist ohne dass es dabei zur Thematisierung der Suizidalität gekommen wäre).
Das Risiko, durch einen Suizid zu versterben, ist für Männer rund dreimal so hoch wie für Frauen. Vor allem mit dem Alter steigt die Gefahr einer Selbsttötung deutlich an. Suizide bei Kindern sind dagegen sehr selten. Erst ab dem 14. Lebensjahr nehmen Selbsttötungen deutlich zu.
In Deutschland ist es in den letzten 20 Jahren zu einem kontinuierlichen Rückgang der Suizidraten gekommen von rund 20 Suiziden/Jahr/100.000 Menschen auf 15 Suizide. Die Ursachen hierfür sind nicht geklärt. Ein möglicher Grund könnte eine bessere medikamentöse und therapeutische Versorgung psychisch kranker Menschen sein, die die Hauptrisikogruppe für Suizid bilden.
Suizidversuche sind rund 10 mal häufiger als Suizide. Hauptrisikogruppe sind hierbei vor allem junge Frauen.
Die Unterteilung in Erwägungsphase, Ambivalenzphase und Entschlussphase stammt von Pöldinger. Diese Folie soll helfen, zwischen verschiedenen Formen der Akuizität von Suizidalität zu unterscheiden. Die Gefährdung der einzelnen fluktuiert zu verschiedenen Zeitpunkten stark. Für die Prävention ist vor allem die Phase der Erwägung und der Ambivalenz von Bedeutung. In der Entschlussphase wird keine Hilfe mehr gesucht; kommt es zu einer suizidalen Handlung, dann geschieht dies meist innerhalb von 6-12 Stunden nach dem definitiven Entschluss; damit sind hier die Interventionsmöglichkeiten stark eingeschränkt.
Wichtig: Nicht jeder Suizident durchläuft zwangsläufig all diese Phasen. Oft kann auch sehr plötzlich eine hohe Suizidgefahr eintreten, ohne dass zuvor über einen längeren Zeitraum die anderen Phasen durchlaufen wurden.
Es bietet sich hier an, eine Demonstration zur Exploration von Suizidalität durchzuführen.
Es hat sich dabei bewährt, dass der Referent die Rolle des Suizidenten übernimmt und ein Teilnehmer die Rolle des Helfers. Damit sind die Teilnehmer in Ihrer natürlichen Rolle und das Rollenspiel wird authentischer.
Ziel der Übung besteht darin auf der Basis einer wertschätzenden, akzeptierenden Haltung sehr genau den Grad aktueller Suizidalität herauszuarbeiten. Der Gesprächspartner soll: 1) Zuhören 2) Aushalten 3) Nachfragen
Vorsicht vor vorschnellen Interventionen! Der Gesprächspartner soll keine voreiligen Lösungen anbieten. In diesem Rollenspiel besteht seine Hilfe aus Zuhören.
Läuft ein Rollenspiel schlecht, dann schnell abbrechen oder unterbrechen, klären und neu beginnen bzw. fortsetzen.
Im Anschluss an Rollenspiel: Diskussion im Plenum, was nun weiter geschehen müsste.
Die Therapie der Suizidalität kann in aller Regel nicht Aufgabe des Hausarztes sein und hier sollte immer eine zeitnahe Überweisung an einen Spezialisten stattfinden. Die Hauptaufgabe des Hausarztes bei der Thematik „Suizidalität“ besteht also vor allem darin, eine mögliche Gefahr rechtzeitig zu erkennen und den Patienten an geeignete Stellen weiterzuleiten.