Mit dem Aufbau eines E-Commerce-Projektes oder konkret
eines Online-Shops ist es wie mit dem Bau eines Hauses:
Ein guter Plan vorab hilft Überraschungen vermeiden.
Warum der Chief Digital Officer sich selber abschafft
eCommerce Projekte richtig umsetzen
1. I
CARAN D'ACHE
Farbstifte
in allen Varianten
Das Genfer KMU beherrscht nicht
nur den Produktionsprozess,
sondern auch das Marketing.
Das unabhängige Schweizer
Wirtschaftsmagazin
Ausgabe 3 / 2015
CHF 6.80
www.blickpunktkmu.ch
AN DIE GESCHÄFTSLEITUNG
zur Zirkulation an:
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2. Expertenwissen 30
D
ie Analogie zum E-Commerce
kommt nicht von ungefähr: Oft
starten Webseiten-Betreiber
ins Abenteuer E-Commerce
wie ein Bauherr ohne Archi-
tekt. Das Resultat: Projekte verschleppen
sich, werden sehr teuer und die angestrebte
Rendite wird nicht erreicht. Nachfolgender
Artikel mit Checklisten soll helfen, Frust-
rationen zu vermeiden. Er basiert auf den
eigenen Erfahrungen in über einem Dutzend
E-Commerce-Projekte. Eines ist vorab zu
schicken: Ein E-Commerce-Projekt und ein
damit verbundener Onlineshop oder Markt-
platz ist leider nie ganz fertig. Ähnlich wie bei
einem Haus muss ab und zu an der Fassade
gearbeitet werden. Man muss die Besucher
neu abholen, Zahlungs- und Logistikpro-
zesse anpassen und ist dabei einem stetigen
Wandel durch neue, oft mobile Technolo-
gien unterworfen. Damit einher geht ein
von Anfang an strukturierter Prozess, der
sich konzeptionell mit der strategischen und
operativen Umsetzung auseinandersetzt.
Dabei muss sich ein Unternehmen fragen,
welchen Stellenwert der E-Commerce ein-
Mit dem Aufbau eines E-Commerce-Projektes oder konkret
eines Online-Shops ist es wie mit dem Bau eines Hauses:
Ein guter Plan vorab hilft Überraschungen vermeiden.
AUTOR ROGER BASLER
E-COMMERCE
Online-Projekte richtig umsetzen
«Der Kunde denkt
nicht in Kanälen, nur
in Firmen, Marken
und Produkten.»
3. 31
nimmt? Ist die Plattform mein Hauptab-
satzkanal oder einer von vielen? Es gilt: Der
Kunde denkt nicht in Kanälen, nur in Fir-
men, Marken, Produkten – woher er diese
bezieht, ist für ihn sekundär, gar intuitiv.
Darum muss ein Shop zwingend integrierter
Bestandteil einer umfassenden Onlinestra-
tegie sein. Diese Strategiefragen umfassen:
Fragen zur Strategie
des E-Commerce-Projektes
Wer leitet das Projekt? Ist diese Person
mit genügend Fach-Knowhow ausgestat-
tet (und wenn nein, wer kann die E-Com-
merce-Kompetenz ergänzen?)
Welche vorhandenen Geschäftsprozesse
und –Bereiche (damit verbunden auch
immer Personen) sind involviert?
Welches Portfolio an Waren und Dienst-
leistungen wird angeboten?
Welche Kunden bzw. Zielgruppen werden
adressiert und wie wird vorgegangen (z.B.
B2B, B2C) und welchen Einfluss hat dies
auf Sprache, Layout und Prozesse?
Soll der Shop national oder auch grenzüber-
schreitend (crossboarder) ausgerichtet sein?
Welche Funktionen soll der Shop bein-
halten (z.B. Detailansicht bei Produkten,
Warenkorb mit Wunschzettelfunktion,
Gutscheincodes, registrierter Bereich für
B2B Kunden)?
Welche Massnahmen sollen zur Verkaufs-
förderung eingesetzt werden?
Wie ist die Lagerhaltung organisiert (z.B.
zentral oder dezentral)?
Sind Versand- und Retourenerfahrungen
bereits vorhanden?
Welche Zahlungsmitteln sollen verwendet
werden?
Wird ein (erweitertes) Risiko und Inkasso-
management nötig sein?
Wie messen wir Erfolg? (z.B. Umsatz, Kon-
versionsrate, Neukundengewinnung)
Welche Meilensteine müssen wir erreichen?
Gibt es einen point-of-no-return? Können
und müssen wir das Projekt unter Umstän-
denabbrechen,bevoresausdemRuderläuft?
Die Software ist nur Werkzeug
Leider wird in der Praxis gerne die Wahl
der Software der Konzepterstellung vorge-
zogen. Eine Frage, welche man immer hört:
Welche Software ist am besten? Welche
bietet das beste Preis-Leistungs-Verhältnis?
Wir geben jedoch zu bedenken: Eine Soft-
ware ist immer nur ein Mittel zum Zweck.
In den seltensten Fällen werden alle Anfor-
derungen zu 100 Prozent von einer Stan-
dardsoftware abgedeckt. Dementsprechend
ist es wichtig, sich für eine Lösung zu ent-
scheiden, die so flexibel und erweiterbar
ist. Es empfiehlt sich darum, aufgrund der
gängig verwendeten Systeme einen Abgleich
zu treffen:
Wollen und können wir die Software selbst
hosten oder ist sie eine SAAS-Lösung?
Ist es eine Open-Source-Software oder fal-
len (selbst indirekt) Lizenzkosten an?
Welche Anforderungen aus unserer Strate-
gie werden abgedeckt?
Ist die Lösung problemlos erweiterbar und
gibt es ausreichend Dienstleister für die
Erweiterung oder Anpassung der Lösung?
Roger Basler ist Unternehmens-Architekt
und Geschäftsführer der Swiss
E-Commerce-Academy, welche die erste
Praktikerausbildung im E-Commerce
für KMU lanciert hat:
www.swiss-ecommerce-academy.ch
FOTOS:ZVG/ILLUSTRATIONEN:FOTOLIA.
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4. Expertenwissen 32
BLICKPUNKT KMU
Existieren Schnittstellen zu benötigten
Systemen wie zum Beispiel Payment- oder
Versanddienstleister?
Integration von Schnittstellen
Auch wenn viele Quellen das Kanalden-
ken immer noch fördern: Online ist kein
weiterer Kanal, sondern gehört in den
Gesamtmix von Kommunikations- und
Absatzmitteln. Es ist darum wichtig, das
sich alle Geschäftsprozesse konsequent
auf den Onlinekanal und vor allem des-
sen Integration ausrichten. Dazu gehört
auch die Synchronisierung von nachge-
lagerten Systemen, wie Customer Relati-
onship Management (CRM), Paymentmo-
dule (Postfinance, PayPal), sowie Logistik
und Enterprise Resource Planning Tools
(ERP). Vorab festzustellen sind also deren
Standards und Schnittstellen für eine rei-
bungslose (technische) Prozessintegration.
Im Hinblick auf mobile Endgeräte müssen
auch diese Anforderungen definiert werden
und allenfalls in einer App integriert wer-
den. Zu guter Letzt braucht es auch immer
eine entsprechende Trackingsoftware, um
zeitnah und fundiert Optimierungen vor-
nehmen zu können.
Definition von Anforderungen an Perfor-
mance, Erreichbarkeit und Skalierbarkeit
Einbindung vor- und nachgelagerter Sys-
teme (z. B. CRM, Payment, Logistik).
Hier nach Möglichkeit Verwendung stan-
dardisierter Schnittstellen
Sicherstellung der Darstellung für gän-
gige Browservarianten und unbedingt
Zugriff über mobile Endgeräte optimiert
Alternativ: App (nur wenn Mehrwert
gegeben)
Analysesoftware, integriert oder via
Anbindung
Vom Kick-off-Workshop
zur Umsetzung
Sind alle Punkte definiert und ist man sich
über Ziele, Komponenten, Schnittstellen
und ergänzende Module und Integratio-
nen im Klaren, geht es darum, die Anfor-
derungen niederzuschreiben und daraus
ableitend Pflichtenhefte und Projektpläne
zu schreiben. Dabei ist es wichtig, dass
man klare Projektziele definiert, welche
an messbare Meilensteine gebunden sind.
Eine Kostenplanung und Ressourcen-
Zuteilung sind für ein speditives Gelingen
absolut notwendig.
Aufgabenverteilung durch einen Projekt-
verantwortlichen
Definition der Ansprechpartner intern,
sowie externer Fachpersonen oder Agen-
turen
Festlegung von Meilensteinen
Zeitplanung und Überwachung einzelner
Projektabschnitte
Definition von wichtigen operativen Pro-
zessen (z. B. Zahlungsstörung, Retouren,
Reklamationsmanagement, Kundenkom-
munikationen, etc.)
Was kostet nun ein Online-Shop?
Die abschliessende Frage mag erlaubt sein,
obschon sie nur schwer zu beantworten ist.
Will ein Unternehmen oder eine Person
den Schritt in den elektronischen Handel
wagen, sind Investitionskosten und lau-
fende Kosten von grosser Wichtigkeit –
schliesslich soll bewiesen werden, dass das
E-Commerce-Projekt auch einen Return on
Investment garantiert. Diese Kosten sind
erst dann zu beziffern, wenn alle Anfor-
derungen definiert sind. In Analogie zum
Haus: Je nach Grösse, Ausstattung und
Nutzung kann ein Haus eher kostengünstig
oder eher teuer werden. Aufgrund eigener
Erfahrung jedoch kann man sich (grob) an
nachfolgenden Werten orientieren:
Konzeption und Planung: 20 Prozent
Design (auch Designvorschläge): 20 Pro-
zent
Installation und technische Umsetzung:
50 Prozent
Projektmanagement: 10 Prozent
Dabei nicht inklusive sind: das CI/CD,
das Abfüllen des gesamten Shops inklusive
Fotografie und Beschreibung, sowie die
externen Kosten für Schnittstellen zu Zah-
lungssoftware und Modulen. Auch können
einzelne Punkte je nach Projektziel schwan-
ken. So ist ein B2B-Portal unter Umständen
im Design nicht so anspruchsvoll, jedoch
die technische Umsetzung von Kunden-
konditionen, Rechtemanagement und Pro-
zessabläufe sehr komplex. Auch bei einem
Privatprojekt muss mit einem Minimalauf-
5. BLICKPUNKT KMU
33
«E-Commerce ist
so vielschichtig
wie der eigene
Businessplans.»
Xxxxxxxxxx:
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wand von 5 bis 8 Arbeitstagen gerechnet
werden – auch wenn die Software kosten-
los verfügbar ist und man auf Software-as-
a-Service-Anbieter (SAAS) zurückgreifen
kann, so sind der Setup und das Abfüllen
immer noch zu tätigen. Der Aufwand für
einen eher kleinen Shop, der über den pri-
vaten Gebrauch hinaus geht, hat einen Auf-
wand von rund 20 bis 30 Tagen.
In Bezug auf die Kosten heisst das: Der
Stundensatz bei E-Commerce-Projekten
liegt aktuell bei zirka 120 Franken. Einige
Agenturen sind unter Umständen güns-
tiger, andere kalkulieren mit bis zu 200
Franken. Für ein privates, kleines E-Com-
merce-Projekt ist daher mit knapp 5000,
bei einem KMU mit zirka 20 000 Franken
zu rechnen – dies kann aber schnell bis
50 000 Franken betragen, wenn man den
eigenen Aufwand unterschätzt.
Mit dem Setup des Online-Shops ist es
jedoch noch nicht getan. Es braucht ein
Budget für Betrieb und Wartung, für Sup-
port und Backup sowie Marketing. Betrieb
und Wartung können 400 bis 600 Franken
pro Monat kosten, der Support ist Stun-
denabhängig und beim Marketing sollte
man zusätzlich monatlich mit einer mitt-
leren bis hohen dreistellige Summe für die
Investition in AdWords, Bannerwerbung
(Displaymarketing) und Referral-Plattfor-
men planen. Später kann dies zwischen
10 bis 25 Prozent des Umsatzes betragen.
Damit kommen wir auf Initialkosten von
bis zu 20 000 Franken sowie laufenden
Jahreskosten von 5000 Franken. Wer sich
dieser Kosten nicht bewusst ist und diese
auch nicht finanzieren kann, sollte sich die
Initialisierung gut überlegen.
Vor dem Projekt ist nach dem Projekt
Eine stringente, fundierte und umfangreiche
Planung im Vorfeld, die Wahl der richtigen
Lösung und des passenden Partners und das
Verständnis dafür, dass ein eCommerce-
Projekt stetigen Wandels unterliegt, kann
helfen Frustrationen zu vermeiden. Auch
ist ein E-Commerce so vielschichtig wie der
eigene Businessplans. Genau deshalb soll-
ten angehende Shop-Inhaber sich im Vor-
feld gut informieren und viel Wissen, Best-
Practice und ein gutes Netzwerk aneignen.
Hierzu gibt es zahlreiche Ausbildungen und
Veranstaltungen in der Schweiz. Kundinnen
und Kunden haben sich an einen Service-,
und Kommunikationsstandard gewöhnt,
hier kann man glänzen oder verlieren und
die Erfahrung ist der einzige Gradmesser:
Man lernt nie aus. ●