2. VORWORT 3 WWF CHEFREDAKTEUR WWF INTERNATIONAL
Der World Wide Fund For Nature Chris Hails Avenue du Mont-Blanc
ist eine der größten und erfahren- CH-1196 Gland
EINFÜHRUNG 4 sten unabhängigen Naturschutz- REDAKTION Schweiz
Biodiversität, Funktionen von Ökosystemen, organisationen der Welt. Er wird Sarah Humphrey www.panda.org
von fast fünf Millionen Förderern Jonathan Loh
Fußabdruck des Menschen 6 unterstützt und verfügt über ein Steven Goldfinger WWF DEUTSCHLAND
weltweites Netzwerk in mehr Rebstöcker Straße 55
als 100 Ländern. Der WWF will MITWIRKENDE 60326 Frankfurt
DATENLAGE 8 WWF Deutschland
der weltweiten Naturzerstörung
Living Planet Index Global 8 Einhalt gebieten und eine Zukunft Sarah Humphrey www.wwf.de
Ashok Chapagain
Systeme und Biome 10 gestalten, in der Menschen und
Natur in Harmonie leben. Greg Bourne WWF ÖSTERREICH
Biogeografische Regionen 12 Richard Mott Ottakringer Straße 114-116
Taxa 14 Judy Oglethorpe 1160 Wien
Aimee Gonzales Österreich
Der Ökologische Fußabdruck der Nationen 16 ZOOLOGICAL SOCIETY
Martin Atkin www.wwf.at
OF LONDON
Biokapazität 18 Die 1826 gegründete Zoological
ZSL WWF SCHWEIZ
Der Wasser-Fußabdruck des Konsums 20 Society of London ist eine
Jonathan Loh Hohlstraße 110
internationale Organisation
Der Wasser-Fußabdruck der Produktion 22 Ben Collen 8010 Zürich
mit wissenschaftlichen, päda-
Louise McRae Schweiz
gogischen und Naturschutzzielen.
Tharsila T. Carranza www.wwf.ch
RICHTUNGSWECHSEL 24 Sie setzt sich für den Schutz von
Fiona A. Pamplin
Tieren und ihren Lebensräumen
Hin zu Nachhaltigkeit 24 Rajan Amin
ein. Sie betreibt die ZSL Zoos in INSTITUTE OF ZOOLOGY
Jonathan E.M. Baillie
Das Energieproblem 26 London und Whipsnade, führt Zoological Society of London
wissenschaftliche Forschungen
Bevölkerung und Verbrauch 28 GFN Regent’s Park
durch und engagiert sich aktiv Steven Goldfinger London NW1 4RY
Weltweiter Handel 30 beim Schutz von natürlichen Großbritannien
Mathis Wackernagel
Biokapazität nutzen: Ein ökosystemarer Ansatz 32 Lebensräumen in aller Welt. Meredith Stechbart www.zoo.cam.ac.uk
Sarah Rizk
GLOBAL FOOTPRINT Anders Reed GLOBAL FOOTPRINT NETWORK
DATEN UND TABELLEN 34 NETWORK Justin Kitzes 312 Clay Street, Suite 300
Das Global Footprint Network Audrey Peller Oakland, California 94607
Der Ökologische Fußabdruck, Biokapazität und
fördert durch die Bekannt- Shiva Niazi USA
Wasser-Fußabdruck 34 machung des Ökologischen Brad Ewing www.footprintnetwork.org
Living Planet Index, Ökologischer Fußabdruck, Fußabdrucks eine nachhaltige Alessandro Galli
Wirtschaftsweise. Dieses Yoshihiko Wada TWENTE WATER CENTRE
Biokapazität und Wasser-Fußabdruck im Wandel 42 Instrument dient als Maß für die University of Twente
Dan Moran
Living Planet Index: Artenzahlen 42 Nachhaltigkeit menschlicher Robert Williams 7500 AE Enschede
Aktivitäten. Mit seinen Partnern Willy De Backer Niederlande
Living Planet Index: Technische Anmerkungen 43
koordiniert das Netzwerk www.water.utwente.nl
Ökologischer Fußabdruck: Häufig gestellte Fragen 44 Forschungen und macht für TWENTE
Entscheidungsträger auf der Arjen Y. Hoekstra
ganzen Welt die ökologische Mesfin Mekonnen
Literaturnachweise und weitere Informationen 46 Begrenztheit unseres Planeten
Danksagungen 47 besser sichtbar.
3. VORWORT
D
er gegenwärtige Abschwung der Weltwirtschaft erin- reichten 2008 Rekordhöhen, was größtenteils aus der verstärkten deutlich zu senken. Wie sie angegangen werden kann, erklärt
nert uns nachdrücklich daran, welche Konsequenzen Nachfrage nach Nahrungs- und Futtermitteln sowie Biokraft- das WWF Climate Solutions Model. Dieses Modell betont, dass
es hat, dass wir über unsere Verhältnisse leben. Doch stoffen und in manchen Gebieten aus versiegenden Wasser- sofortige Maßnahmen unverzichtbar sind, um dem gefährlichen
die Gefahr einer wirtschaftlichen Rezession verblasst im Ver- quellen resultierte. Zum ersten Mal seit Menschengedenken war Klimawandel Einhalt zu gebieten.
gleich zu der drohenden Kreditkrise in ökologischer Hinsicht. in diesem Sommer die arktische Eiskappe von offenem Wasser
umgeben – sie verschwand buchstäblich unter dem Einfluss un- Wenn wir tätig werden, um unseren Fußabdruck – also unse-
Ob wir am Waldrand oder mitten in einer Stadt leben: Unsere seres Kohlendioxid-Fußabdrucks. ren Einfluss auf die Ressourcen unserer Erde – zu verkleinern,
Lebensgrundlage und sogar unser Leben hängt von der Ver- müssen wir auch den Umgang mit den Ökosystemen, die diese
sorgung durch die Ökosysteme der Erde ab. Der Living Planet Die ökologische Kreditkrise ist eine globale Herausforderung. Ressourcen bereitstellen, optimieren. Um Erfolge zu erzielen,
Report 2008 stellt fest, dass wir die Ressourcen für diese Ver- Im Living Planet Report 2008 erfahren wir, dass mehr als müssen wir dabei die von der Natur vorgegebenen Bedingun-
sorgung viel zu schnell aufbrauchen – schneller, als sie erneuert drei Viertel der Menschheit in Ländern leben, die ökologische gen und Maßstäbe berücksichtigen. Das bedeutet, dass in jedem
werden können. Genau wie unbedachte Ausgaben zur Rezes- Schuldner sind – der nationale Konsum übersteigt die Bioka- Bereich (wie der Landwirtschaft oder der Fischerei) Entschei-
sion führen, so führt unbedachter Konsum zur Erschöpfung des pazität ihres Landes. Die meisten von uns nutzen also für ihren dungen mit Blick auf weitreichende ökologische Konsequenzen
natürlichen Kapitals der Erde und letztendlich zur Gefährdung gegenwärtigen Lebensstil und für wirtschaftliches Wachstum gefällt werden müssen. Es heißt auch, dass wir über Eigentums-
unseres zukünftigen Wohlstands. Der Living Planet Index zeigt, das ökologische Kapital anderer Teile der Welt. und politische Grenzen hinweg Wege finden müssen, um für
dass wir allein in den letzten 35 Jahren fast ein Drittel des ökolo- das Ökosystem als Ganzes zu sorgen.
gischen Kapitals der Erde verloren haben. Die gute Nachricht ist, dass wir die ökologische Kreditkrise
umdrehen können – es ist nicht zu spät, um den Beginn einer Fast vierzig Jahre ist es her, dass die Apollo-8-Astronauten den
Doch unsere Ansprüche steigen weiter, angetrieben vom unbe- unabänderlichen ökologischen Rezession zu verhindern. Die- berühmten „Erdaufgang“ fotografiert haben und damit das erste
grenzten Wachstum der menschlichen Bevölkerung und des in- ser Bericht identifiziert die wichtigsten Gebiete, auf denen wir Bild der Erde lieferten. Während der zwei folgenden Genera-
dividuellen Konsums. Unser Fußabdruck übersteigt die Fähig- unseren Lebensstil und unsere Wirtschaftssysteme verändern tionen hat sich die Welt von einem ökologischen Guthaben zu
keit der Erde zur Regeneration nun um rund 30 Prozent. Wenn müssen, um einen Weg der Nachhaltigkeit einzuschlagen. einem ökologischen Defizit bewegt. Die menschliche Spezies
unsere Ansprüche an den Planeten weiter mit der gleichen Ge- verfügt über bemerkenswerten Einfallsreichtum und Problem-
schwindigkeit zunehmen, werden wir in den 2030er Jahren den Die Größe der Herausforderung wirkt zeitweise erdrückend, lösungsfähigkeit. Der gleiche Geist, der sie zum Mond gebracht
Gegenwert von zwei Planeten brauchen, um unseren Lebensstil weshalb wir das Konzept der „Maßnahmenpakete für Nach- hat, muss nun genutzt werden, um zukünftige Generationen vor
aufrechtzuerhalten. Der Bericht befasst sich in diesem Jahr erst- haltigkeit“ („Sustainability wedges“ ) eingeführt haben, um lähmenden ökologischen Schulden zu bewahren.
mals mit den Auswirkungen unseres Konsums auf die Was- die Überschreitung ökologischer Grenzen zu verdeutlichen, die
servorräte unserer Erde und mit unserer Verwundbarkeit durch in verschiedenen Bereichen und als Folge diverser Ursachen
Wassermangel in vielen Gebieten. auftritt. Diese Analyse ermöglicht es, die unterschiedlichen
Faktoren aufzuschlüsseln und jeweils passende Lösungen vor-
Diese Entwicklungen haben konkrete Folgen, die wir in diesem zuschlagen. Die größte Herausforderung besteht darin, 2050
Jahr den täglichen Schlagzeilen entnehmen konnten. Die glo- die vorausgesagte erhöhte Nachfrage nach Energie zu erfüllen James P. Leape
balen Preise für zahlreiche pflanzliche Agrarerzeugnisse er- und gleichzeitig den weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen Generaldirektor WWF International
LIVING PLANET REPORT 2008 3
4. EINLEITUNG
Wir haben nur eine Erde. Ihre Kapazität Der Living Planet Index der weltweiten ökologischer Grenzen nimmt zu. Als Folge sowohl in zeitlicher als auch geografischer
zur Versorgung der Vielfalt an Lebewesen, Biodiversität wird an den Beständen von werden Ökosysteme zerstört, und Schad- Hinsicht. Rund 50 Länder sind derzeit in
darunter der Mensch, ist groß, aber nicht 1.686 Wirbeltierarten in aller Welt gemessen stoffe sammeln sich in der Luft, an Land unterschiedlichem Maß mit Wassermangel
unbegrenzt. Wenn die Nachfrage der Men- und hat allein während der letzten 35 Jahre und im Wasser. Dies führt zu Entwaldung, konfrontiert. Aller Voraussicht nach wird die
schen nach dieser Kapazität die vorhandenen um fast 30 Prozent abgenommen (Abbil- Wassermangel, abnehmender Biodiversität, Anzahl der Menschen, denen das ganze Jahr
Möglichkeiten übersteigt, wir uns also über dung 1). Während die Abnahme in man- verstärkt den Klimawandel und stellt eine über oder zu bestimmten Jahreszeiten nicht
ökologische Grenzen hinwegsetzen, unter- chen gemäßigten Zonen ein Ende gefunden wachsende Gefahr für das Wohlergehen und ausreichend Wasser zur Verfügung steht, in
graben wir die Stabilität von Lebensräumen. hat, zeigt der gesamte Living Planet Index die Entwicklung aller Nationen dar. Folge des Klimawandels zunehmen. Dies
Letztendlich gefährdet dies das menschliche weiterhin einen Rückgang. Es erscheint Wasserknappheit gibt in vielen Ländern hat tiefgreifende Auswirkungen auf Ökosys-
Wohlergehen. immer unwahrscheinlicher, dass auch nur und Regionen zunehmend Anlass zur teme, Gesundheit, Nahrungsmittelproduk-
Der vorliegende Bericht setzt zwei das bescheidene Ziel des Übereinkommens Besorgnis. Daher beinhaltet der vorliegende tion und menschliches Wohlergehen.
sich ergänzende Kennzahlen ein, um die über die biologische Vielfalt erreicht wird: Bericht eine dritte Messgröße, den Wasser- Die Inanspruchnahme des Planeten durch
Veränderungen der weltweiten Biodiversität den Rückgang der Biodiversität bis 2010 zu Fußabdruck. Er beschreibt den Bedarf an die Menschheit hat sich in den letzten 45
und des menschlichen Konsums zu unter- verlangsamen. nationalen, regionalen und weltweiten Jahren mit dem Bevölkerungswachstum und
suchen. Der Living Planet Index spiegelt den Die Nachfrage der Menschheit nach den Wasserressourcen, den der Konsum eines steigendem individuellen Konsum mehr als
Zustand der Ökosysteme unserer Erde wider, Ressourcen des Planeten, ihr Ökologischer Produkts oder einer Dienstleistung erzeugt. verdoppelt. Im Jahr 1961 verfügten fast alle
während der Ökologische Fußabdruck den Fußabdruck, übersteigt die regenerativen Auch wenn Wasser weltweit nicht als Länder der Welt über mehr als ausreichende
Umfang und die Art der Beanspruchung Kapazitäten nun um rund 30 Prozent (Ab- knappe Ressource gilt, sind doch seine Kapazitäten, um ihren eigenen Bedarf zu
dieser Systeme durch den Menschen anzeigt. bildung 2). Diese weltweite Übertretung Verteilung und Verfügbarkeit sehr ungleich, stillen; 2005 stellte sich die Situation voll-
Abb. 1: LIVING PLANET INDEX, 1970–2005 Abb. 2: ÖKOLOGISCHER FUSSABDRUCK DER MENSCHHEIT, 1961-2005
1.8 1.8
1.6 1.6
1.4 1.4
1.2 1.2
Index (1970=1.0)
Anzahl Planeten
Biokapazität der Erde
1.0 1.0
0.8 0.8
0.6 0.6
0.4 0.4
0.2 0.2
0 0
1960 1970 1980 1990 2000 05 1960 1970 1980 1990 2000 05
4 LIVING PLANET REPORT 2008
5. kommen anders dar: Zahlreiche Länder vorliegende Bericht zeigt beispielsweise, menschliche Inanspruchnahme der Natur Abb. 1: Living Planet Index. Der Gesamtin-
konnten ihren Bedarf nur durch den Import wie ein Maßnahmenpaket aus sauberer abbildet, sowie der Living Planet Index zur dex zeigt, dass die Bestände von Wirbeltier-
EINLEITUNG
von Ressourcen anderer Nationen und durch Energiegewinnung und effizienter Nutzung Messung des weltweiten Zustands der Natur arten von 1970 bis 2005 um fast 30 Prozent
die Nutzung der Atmosphäre als Abfallhalde heutiger Technologien es uns ermöglichen fungieren als klare und deutliche Wegweiser abgenommen haben.
für Kohlendioxid und andere Treibhausgase können, den für 2050 prognostizierten für die erforderlichen Maßnahmen. Wenn
decken (Abbildung 3). Energiebedarf zu decken und gleichzeitig die Menschheit den notwendigen Willen Abb. 2: Der Ökologische Fußabdruck der
Wenn wir weitermachen wie bisher, die Kohlendioxid-Emissionen stark zu redu- aufbringt, kann sie innerhalb der Kapazitäten Menschheit. Die Inanspruchnahme der
werden wir Anfang der 2030er Jahre zwei zieren. des Planeten leben und dabei die Ökosys- Biosphäre durch den Menschen hat sich von
Planeten brauchen, um mit der menschlichen Technologietransfer und technologische teme und ihr davon abhängendes Wohlerge- 1961 bis 2005 mehr als verdoppelt.
Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen Unterstützung bei lokalen Innovationen hen sichern.
Schritt zu halten. Doch es gibt zahlreiche können Schwellenländern helfen, ihre Abb. 3: Ökologische Geber- und Schuldner-
effiziente Wege für einen Kurswechsel. Lebensbedingungen zu verbessern und dabei länder. Der Ökologische Fußabdruck von
Technologische Weiterentwicklungen ressourcenintensive Phasen der Industriali- ökologischen Schuldnern ist größer als ihre
werden weiterhin eine wichtige Rolle dabei sierung zu überspringen. Die Stärkung der eigene Biokapazität; Länder mit ökologischem
spielen, den Anforderungen des nach- Rolle von Frauen, Bildung und der Zugang Guthaben haben einen Ökologischen Fußab-
haltigen Wirtschaftens gerecht zu werden. zu freiwilligen Instrumenten der Familien- druck, der kleiner ist als ihre Biokapazität.
Doch ein großer Teil dessen, was zu tun planung können das Bevölkerungswachstum
ist, ist bereits bekannt, und viele Lösungen verlangsamen oder sogar stoppen.
stehen heute schon zur Verfügung. Der Der Ökologische Fußabdruck, der die
Abb. 3: ÖKOLOGISCHE SCHULDNER- UND Öko-Schulden: Fußabdruck relativ zur Biokapazität über 150% größer 100-150% größer 50-100% größer 0-50%größer
Daten ungenügend
GEBERLÄNDER, 1961 und 2005 Öko-Guthaben: Biokapazität relativ zum Fußabdruck 0-50%größer 50-100% größer 100-150% größer über 150% größer
1961 2005
(Grenzen
wie 2005)
LIVING PLANET REPORT 2008 5
6. BIODIVERSITÄT, FUNKTIONEN VON ÖKOSYSTEMEN, FUSSABDRUCK
Der Living Planet Index zeigt, dass Arten Tieren für die Herstellung von Nahrungsmit- der Manschen nach Nahrungsmitteln, Wasser, auf Klima und Gewässer, die Reinigung
und natürliche Ökosysteme in allen Biomen teln, Werkstoffen oder Medikamenten über Energie und Werkstoffen. Diese äußert sich von Wasser, die Bestäubung von Pflanzen
und Regionen der Welt unter Belastung ste- die Reproduktionsfähigkeit des jeweiligen konkret in der Produktion und im Konsum sowie die Eindämmung von Schädlingen
hen. Die direkte, vom Menschen verursachte Bestands hinaus ist Raubbau an den Arten. von Agrarerzeugnissen, Fleisch- und Mol- I kulturelle Funktionen in ästhetischer, spiri-
Bedrohung der Biodiversität wird häufig in So hat beispielsweise die Überfischung kereiprodukten, Fisch und Meeresfrüchten, tueller und pädagogischer Hinsicht sowie
fünf Bereiche eingeteilt: zahlreiche Fischbestände mit wirtschaftli- Nutzholz und Papier, Wasser, Energie sowie Erholungsfunktion
I Verlust oder Veränderung von Lebens- cher Bedeutung vernichtet. Und der maßlose von Ressourcen für Verkehr und Flächen für
raum, besonders durch Landwirtschaft Einschlag von Nutz- und Feuerholz hat zum Städte und Infrastruktur. Mit dem Wachstum Jede dieser Funktionen wird letztlich von
I Übernutzung einer Art, besonders durch Verlust von Wäldern und den dort beheima- der Weltbevölkerung und der Wirtschaft lebenden Organismen bereitgestellt. Es ist
Fischerei und Jagd teten Pflanzen- und Tierarten geführt. nimmt auch der Druck auf die Biodiversität jedoch nicht die Biodiversität per se, die das
I Verschmutzung Invasive Arten, die mit oder ohne Absicht zu. Durch verbesserte Technologien und Funktionieren eines Ökosystems ermöglicht,
I Ausbreitung invasiver Arten oder Gene von einem Teil der Welt in einen anderen die effizientere Nutzung von Ressourcen sondern die Häufigkeit von bestimmten
I Klimawandel gebracht wurden und die sich als Konkur- könnte dieser Druck gemindert werden. Der Arten, die für die Erhaltung eines Lebens-
renten, Jäger oder Parasiten heimischer Arten Ökologische Fußabdruck ist eine komplexe raums und für die Bereitstellung dieser
Diese fünf Bedrohungen sind Folge der erwiesen haben, tragen Schuld am Rückgang Messgröße für die Inanspruchnahme von Funktionen entscheidend sind. Der lokale
menschlichen Inanspruchnahme der Biosphäre zahlreicher einheimischer Bestände. Ökosystemen und Arten durch den Verbrauch Rückgang einer entscheidenden Art hat
– also der Verarbeitung und dem Konsum Eine weitere wichtige Ursache für den von Ressourcen. Die Interaktionen zwischen negative Auswirkungen auf die Funktionen
natürlicher Ressourcen für die Herstellung Verlust von Biodiversität ist Verschmutzung, der Biodiversität, den Ursachen für den Ver- eines Ökosystems, auch wenn diese Art
von Lebensmitteln, Getränken, Energie oder gerade in Süßwasser-Ökosystemen. Die lust der Biodiversität und dem Fußabdruck der nicht weltweit bedroht ist.
Werkstoffen sowie den damit verbundenen übermäßige Anreicherung mit Nährstoffen Menschheit zu verstehen, ist unumgänglich, Mit den meisten unterstützenden, reguli-
Abfällen – oder aus der Verdrängung natür- in Folge des zunehmenden Einsatzes von um den andauernden Rückgang von Ökosys- erenden und kulturellen Ökosystemfunktio-
licher Ökosysteme durch Städte und Infras- Stickstoff- und Phosphorverbindungen in temen und Tier- und Pflanzenarten zu verlang- nen wird kein Handel getrieben, sie haben
truktur (vgl. Abbildung 4). Zudem führt der Düngemitteln führt zu Eutrophierung und samen, anzuhalten und umzukehren. also keinen Marktwert. Ihr Rückgang hat
starke Güter- und Personenverkehr rund um Sauerstoffmangel. Pestizide aus der Land- und keine aufsehenerregenden Auswirkungen
den Globus zu einer Verbreitung von gebiets- Wasserwirtschaft sowie aus Industrie- und FUNKTIONEN VON ÖKOSYSTEMEN auf die lokale oder weltweite Wirtschaft.
fremden Arten und Krankheiten. Bergbauabfällen führen zudem oft zu giftigen Die Menschheit ist auf funktionierende Öko- Auf Märkten werden Entscheidungen zum
Natürliche Lebensräume gehen durch die chemischen Verschmutzungen. systeme angewiesen: Sie unterstützen oder Einsatz von Ressourcen getroffen, die die
Umwandlung in Acker- und Weideland oder Die wahrscheinlich größte Bedrohung für verbessern unsere Lebensqualität, ohne sie Vorteile einzelner Produzenten und Konsu-
Aquakulturen sowie durch industrielle oder die Biodiversität in den nächsten Jahrzehnten wäre die Erde unbewohnbar. Das Millennium menten maximieren, aber oft die Biodiver-
städtische Nutzung verloren, werden verändert ist der Klimawandel. Seine Auswirkungen Ecosystem Assessment (MA) beschreibt vier sität und die Ökosystemfunktionen unter-
oder zerteilt. Flusssysteme werden aufgestaut zeigen sich bereits in polaren ,Berg-, Küsten- Funktionen von Ökosystemen: graben, auf denen Produktion und Konsum
und für Bewässerungszwecke, Stromgewin- und marinen Ökosystemen. Die zukünftigen I unterstützende Funktionen wie der letztendlich beruhen. Die Bedeutung der
nung oder Flussregelung umgestaltet. Sogar Auswirkungen lassen sich auf lokaler Ebene Nährstoffkreislauf, die Bodenbildung und Biodiversität für das menschliche Wohl-
marine Lebensräume, vor allem der Meeres- schwer voraussagen, doch jedes Ökosystem die Primärproduktion ergehen lässt sich zwar nicht leicht monetär
boden, werden durch Schleppnetze, Bauar- kann auf Temperatur- und Klimaveränderun- I versorgende Funktionen wie die Bereit- abbilden. Sie könnte aber den Unterschied
beiten und die Gewinnung von Rohstoffen gen empfindlich reagieren. stellung von Nahrungsmitteln, Süßwasser, zwischen einem Planeten ausmachen, der die
mechanisch beschädigt. All diese Bedrohungen und Belastungen Werkstoffen und Kraftstoffen menschliche Bevölkerung ernähren kann,
Das Ernten von Pflanzen und Töten von haben ihren Ursprung haben in der Nachfrage I regulierende Funktionen wie der Einfluss und einem, der dazu nicht in der Lage ist.
6 LIVING PLANET REPORT 2008
7. DER MENSCHHEIT
Abb. 4: VERLUST DER BIODIVERSITÄT, EINFLUSS DES MENSCHEN UND DER ÖKOLOGISCHE FUSSABDRUCK, Ursachen und Auswirkungen
ÖKOLOGISCHER FUSSABDRUCK/ INDIREKTE BEDROHUNGEN DER DIREKTE BEDROHUNGEN BEDROHUNGEN
EINLEITUNG
KONSUMSEKTOREN BIODIVERSITÄT/MENSCHLICHE AKTIVITÄTEN DER BIODIVERSITÄT und GEFÄHRDUNGEN
Nutzholz, Papier Fasern Holz-, Papier- und Zellstoffproduktion
Zerstörung und Fragmentierung von Wäldern
Feuerholz Sammeln von Brennholz
und Mangroven
Nahrungs- und Ölpflanzen Umwandlung in Ackerland
Zerstörung und Schädigung von Graslandschaften
Fleisch, Fisch und Meeres- Umwandlung in Weideland
Umwandlung in Aquakultur
LEBENSRAUM-
früchte aus Zuchtbestand Zerschneidung und Regulierung von Flüssen
Milchprodukte, Eier VERLUST
Umwandlung in Bauland Zerstörung von Korallenriffen und Küstenhabitaten
Baustoffe, Zement Straßenbau
Bau von Dämmen Zerstörung von Habitaten des Meeresbodens
Bergbau und Metalle
Netzfischerei (inklusive Schleppnetz)
Überfischung
Fleisch, Fisch und Meeres- Langleinenfischerei
Beifang ÜBERNUTZUNG
früchte aus Wildbeständen
Bushmeat
Übernutzung von landlebenden und Süßwasserarten
Handel mit Wildtieren
Eutrophierung und Algenblüten
Stickstoff- und Schwefelausstoß Saurer Regen
Brauchwasser Organische Abfälle VERSCHMUTZUNG
Industrielle Verarbeitung Chemikalien aus der Landwirtschaft Pestizide und giftige Chemikalien
Abraum und Abfall aus dem Bergbau Ölpest
Versauerung der Meere
Invasive Meeresarten
Transport
Verkehr
Handel Invasive Süßwasserarten INVASIVE ARTEN
Absichtliche oder versehentiche
Tourismus Einfuhr gebietsfremder Arten Invasive landlebende Arten, vor allem auf Inseln
Schädigung arktischer und alpiner Lebensräume
Rückgang des Packeises
Energieverbrauch
Kohlendioxid, Methan und Ausbleichen und Absterben von Korallenriffen KLIMA-
Verbrennung fossiler
andere Treibhausgasemissionen WANDEL
Brennstoffe Veränderung jahreszeitlicher Kreisläufe
Waldsterben aufgrund von Trockenheit
Verlust temporärer Feuchtgebiete
LIVING PLANET REPORT 2008 7
8. LIVING PLANET INDEX: GLOBAL
Der Living Planet Index ist ein Indikator, erhalten die gleiche Gewichtung. Innerhalb 1970 und 2005 (Abbildung 5). Der Index Abb. 5: Globaler Living Planet Index.
der den Zustand der Biodiversität anzeigt. der Indizes für gemäßigte und tropische für die Tropen fiel um rund 50 Prozent, Er zeigt einen durchschnittlichen Rückgang
Er berücksichtigt Entwicklungen innerhalb Zonen werden die Entwicklungen bei land- während der Index für gemäßigte Zonen für von -28 Prozent bei 4.642 Populationen von
einer großen Anzahl von Arten in einer lebenden, Süßwasser- und marinen Arten den gleichen Zeitraum wenig Veränderung 1.686 Arten im Zeitraum von 1970 bis 2005 *.
sehr ähnlichen Weise, wie ein Börsenindex ebenfalls gleich gewichtet. aufweist (Abbildungen 6 und 7).
den Wert bestimmter Aktien misst oder ein Der tropische Index bezieht sich auf Dieser deutliche Unterschied zwischen Abb 6: Living Planet Index gemäßigter
Preisindex die Kosten eines Warenkorbs. landlebende und Süßwasserbestände in den Populationrn in gemäßigten und tro- Regionen. Der Index zeigt eine durchschnitt-
Der Living Planet Index basiert auf fast der Afrotropis, im Indopazifik und in der pischen Zonen zeigt sich bei landlebenden, liche Entwicklung von +6 Prozent zwischen
5.000 Populationen von 1.686 Arten von Neotropis sowie auf marine Bestände der Süßwasser- und marinen Arten. Daraus 1970 und 2005 bei 3.309 Beständen von
Säugetieren, Vögeln, Reptilien, Amphibien Zone zwischen dem nördlichen und süd- folgt aber nicht zwangsweise, dass sich die 1.235 Arten *
und Fischen in aller Welt. Die Bestands- lichen Wendekreis. tropische Biodiversität in einem schlechte-
veränderungen jeder Art werden gemittelt Der Index für die gemäßigte Zone ren Zustand befindet als die der gemäßigten Abb 7: Living Planet Index tropischer
und im Vergleich zum Bestand von 1970 beinhaltet die Bestände von landlebenden Zonen. Würde der Index Jahrhunderte statt Regionen. Der Index zeigt eine durchschnitt-
angezeigt, dem ein Wert von 1,0 zugeord- und Süßwasserarten der paläarktischen Jahrzehnte zurückreichen, würde er wo- liche Entwicklung von -51 Prozent bei 1.333
net wird. und nearktischen Zone sowie marine Arten möglich einen vergleichbaren oder stärker- Beständen von 585 Arten im Zeitraum von
Der globale Living Planet Index setzt nördlich und südlich der Tropen (vgl. Ab- en Rückgang bei den Arten der gemäßigten 1970 bis 2005 *.
sich aus zwei Indizes zusammen – dem für bildung 8). Zonen anzeigen. In jedem Fall beweist er,
gemäßigte Zonen (einschließlich der Polar- Der globale Index zeigt einen allgemei- dass es einen starken andauernden Rück- * Manche Arten kommen in gemäßigten und tropischen Regionen
regionen) und dem für die Tropen. Beide nen Rückgang um fast 30 Prozent zwischen gang der tropischen Biodiversität gibt. vor.
Abb. 5: GLOBALER LIVING PLANET INDEX, Abb. 6: LIVING PLANET INDEX gemäßigter Regionen, Abb. 7: LIVING PLANET INDEX tropischer Regionen,
1970–2005 1970–2005 1970–2005
1.8 1.8 1.8
1.6 1.6 1.6
1.4 1.4 1.4
1.2 1.2 1.2
Index (1970=1.0)
Index (1970=1.0)
Index (1970=1.0)
1.0 1.0 1.0
0.8 0.8 0.8
0.6 0.6 0.6
Globaler Index Index gemäßigter Regionen Index tropischer Regionen
0.4 0.4 0.4
Konfidenzintervalle Konfidenzintervalle Konfidenzintervalle
0.2 0.2 0.2
0 0 0
1970 1980 1990 2000 05 1970 1980 1990 2000 05 1970 1980 1990 2000 05
8 LIVING PLANET REPORT 2008
9. Paläarktis
Nearktis
nördlicher Wendekreis
Ozeanien
DATENLAGE
Indomalaysia
südlicher Wendekreis
Ozeanien
Neotropis Afrotropis
Australasia
Antarktis
Abb. 8: TERRESTRISCHE BIOGEOGRAPHISCHE REGIONEN UND ÖKOZONEN
Tropische und subtropische feuchte Laubwälder Überflutetes Grasland und Savannen
Tropische und subtropishe trockene Laubwälder Montanes Gras- und Buschland
Tropische und subtropische Nadelwälder Tundra
Temperierte Laub- und Mischwälder Mediterraner Wald und Hartlaubgewächse
Temperierte Nadelwälder Wüsten und Halbwüsten
Borealer Wald/Taiga Mangroven
Tropisches und subtropisches Grasland, Savanne und Buschland Wasserfächen
Temperiertes Grasland, Savanne und Buschland Fels und Eis
LIVING PLANET REPORT 2008 9
10. LIVING PLANET INDEX: SYSTEME UND BIOME
Die Indizes für landlebende, marine und der Holzgewinnung und der Jagd – zu den Temperatur des Oberflächenwassers. Abb. 9: Living Planet Index für landlebende
Süßwasserarten errechnen sich jeweils wichtigsten Ursachen für den Rückgang von Binnengewässer sind die Heimat zahl- Arten. Dieser Index zeigt eine durchschnitt-
als der Durchschnitt zweier Indizes, die die Populationen. reicher Arten und stellen zudem Ressourcen liche Entwicklung von -33 Prozent zwischen
Entwicklungen bei Wirbeltierbeständen der Der Index für marine Arten zeigt einen und ökologische Funktionen bereit, die für 1970 und 2005 bei 2.007 Beständen von 887
tropischen und gemäßigten Zonen einzeln durchschnittlichen Rückgang um 14 Prozent das menschliche Wohlergehen unerlässlich Arten.
messen. zwischen 1970 und 2005 (Abbildung 10). sind. Der Index für Süßwasserarten zeigt,
Der Index für landlebende Arten hat Überfischung ist die Hauptursache dafür. So dass die Bestände in Binnengewässern Abb. 10: Living Planet Index für marine
seit Mitte der 1970er Jahre stetig abgenom- gelten die meisten kommerziellen marinen zwischen 1970 und 2005 durchschnittlich um Arten. Der Index zeigt eine durchschnittliche
men (Abbildung 9) und weist eine durch- Fischgründe weltweit als überfischt. Ozeane 35 Prozent zurückgingen (Abbildung 11). Entwicklung von -14 Prozent bei 1.175 Be-
schnittliche Abnahme von 33 Prozent bei halten lebenswichtige Ressourcen und Öko- Die Flächen mit Feuchtgebieten gingen im ständen von 341 Arten über einen Zeitraum
landlebenden Wirbeltierbeständen zwischen systemfunktionen bereit, auf die jegliches 20. Jahrhundert um geschätzte 50 Prozent von 35 Jahren.
1970 und 2005 auf. Die meisten dieser Leben angewiesen ist. Dennoch machen zurück. Ursachen sind die Zerstörung von
Veränderungen ereigneten sich in den Tro- marine Schutzzonen derzeit weniger als ein Feuchtgebieten durch Überfischung, invasive Abb. 11: Living Planet Index für
pen; in gemäßigten Regionen veränderten Prozent der Meere aus. Kürzlich durchge- Arten, Verschmutzung, die Errichtung von Süßwasserarten. Der Index zeigt eine durch-
sich die Bestände im Allgemeinen wenig. führte Zählungen zeigen auf, dass der Be- Dämmen und die Umleitung von Gewässern. schnittliche Entwicklung von -35 Prozent bei
In den Tropen zählt die Kombination aus standsrückgang nicht nur Wirbeltiere betrifft. 1.463 Beständen von 458 Arten im Zeitraum
Entwaldung und sonstiger Zerstörung von Beispielsweise gibt der Rückgang der Koral- von 1970 bis 2005.
Lebensräumen – verursacht durch land- len in Folge von Bleichen und Krankheiten
wirtschaftliche Nutzung und Raubbau bei Anlass zur Sorge. Auslöser ist die steigende
Abb. 9: LIVING PLANET INDEX landlebender Arten, Abb. 10: LIVING PLANET INDEX mariner Arten, Abb. 11: LIVING PLANET INDEX von Süßwasserarten,
1970–2005 1970–2005 1970–2005
1.8 1.8 1.8
1.6 1.6 1.6
1.4 1.4 1.4
1.2 1.2 1.2
Index (1970=1.0)
Index (1970=1.0)
Index (1970=1.0)
1.0 1.0 1.0
0.8 0.8 0.8
0.6 0.6 0.6
Index landlebender Arten Index mariner Arten Index von Süßwasserarten
0.4 0.4 0.4
Konfidenzintervalle Konfidenzintervalle Konfidenzintervalle
0.2 0.2 0.2
0 0 0
1970 1980 1990 2000 05 1970 1980 1990 2000 05 1970 1980 1990 2000 05
10 LIVING PLANET REPORT 2008
11. Die unten stehenden Indizes machen den Be- aufweist (Abbildung 12). Graslandschaften existieren auf allen Abb. 12: : Living Planet Index für Arten den
standsrückgang in drei Gruppen von Ökozo- Artbestände in Trockengebieten haben Kontinenten mit Ausnahme der Antarktis. Tropenwaldes. Er zeigt eine durchschnittliche
nen, bzw. Zonobiomen deutlich, die starkem seit 1970 um rund 44 Prozent abgenommen Seine Qualität wie auch seine Ausdehnung Entwicklung von -62 Prozent zwischen 1970
lokalem und weltweitem Druck ausgesetzt (Abbildung 13). Trockengebiete stellen mehr haben in den letzten Jahrzehnten abgenom- und 2005 bei 503 Beständen von 186 Arten.
sind. als 40 Prozent der Land-Ökosysteme dar. men, wobei große Teile in landwirtschaft-
Tropenwälder sind die Heimat unzähliger Dazu gehören so unterschiedliche Ökosys- liche Nutzflächen umgewandelt wurden. Der Abb. 13: Living Planet Index für Arten der
Arten. Ihre ökosystemaren Funktionen sind teme wie Wüsten, Savannen und trockene Mensch ist von Grasland abhängig: sowohl Trockengebiete. Er zeigt eine durchschnit-
lokal und weltweit von großer Bedeutung. tropische Waldgebiete. Trockengebiete sind direkt für seine Ernährung als auch indirekt tliche Entwicklung von -44 Prozent bei 476
Dieser Lebensraum und die darin lebenden außerdem Heimat von über zwei Milliarden von Funktionen dieses Ökosystems wie zum Beständen von 149 Arten im Zeitraum von
Arten sind durch legale und illegale Abhol- Menschen, deren Existenz oft direkt auf den Beispiel dem Nährstoffkreislauf. Die Bestände 1970 bis 2005.
zung, Waldbrände und Klimawandel bedroht. Erzeugnissen lokaler Ökosysteme aufbaut. an Wirbeltieren im Grasland haben seit 1970
Die Entwaldung in den Tropen schreitet Die Anlage von Wasserstellen in Trockenge- um 36 Prozent abgenommen (Abbildung Abb. 14: Der Living Planet Index für Arten
voran. Der Regenwald ging zwischen 2000 bieten hat zwar größere Viehbestände für die 14). Grasland unterliegt Ereignissen wie des Graslands. Er zeigt eine durchschnittliche
DATENLAGE
und 2005 mit einer Geschwindigkeit von fast kurzfristige menschliche Nutzung ermög- vom Menschen verursachten und natürlichen Entwicklung von -36 Prozent zwischen 1970
3,5 Millionen Hektar pro Jahr in Brasilien und licht. Dies hat jedoch negative Auswirkungen Bränden, Beweidung, Trockenperioden und und 2005 bei 703 Beständen von 309 Arten.
1,5 Millionen Hektar pro Jahr in Indonesien auf empfindliche Ökosysteme und schadet Regenfällen. So entsteht ein empfindliches
verloren. Dies schlägt sich im Index für den der Biodiversität. Geschätzte 20 Prozent der Gleichgewicht, das leicht gestört werden kann,
Tropenwald nieder, der einen Rückgang von Trockengebiete leiden derzeit unter Boden- wodurch Prozesse wie die Wüstenbildung
mehr als 60 Prozent bei den Tierbeständen degradation. beschleunigt werden können.
Abb. 12: LIVING PLANET INDEX Tropenwald, Abb. 13: LIVING PLANET INDEX Trockengebiete, Abb. 14: LIVING PLANET INDEX Graslandschaften,
1970–2005 1970–2005 1970–2005
1.8 1.8 1.8
1.6 1.6 1.6
1.4 1.4 1.4
1.2 1.2 1.2
Index (1970=1.0)
Index (1970=1.0)
Index (1970=1.0)
1.0 1.0 1.0
0.8 0.8 0.8
0.6 0.6 0.6
Index Tropenwald Index Trockengebiete Index Graslandschaften
0.4 0.4 0.4
Konfidenzintervalle Konfidenzintervalle Konfidenzintervalle
0.2 0.2 0.2
0 0 0
1970 1980 1990 2000 05 1970 1980 1990 2000 05 1970 1980 1990 2000 05
LIVING PLANET REPORT 2008 11
12. LIVING PLANET INDEX: BIOGEOGRAFISCHE REGIONEN
Die Landfläche der Erde kann in biogeo- doch die Menge an verfügbaren Populationen vorhandenen Bestandsdaten stammt aus gegenüberliegende Seite).
graphische Regionen, bzw. Reiche eingeteilt ist im Vergleich zu den anderen biogeogra- Westeuropa, also dem Teil der Welt, der in Der Index für die Afrotropis zeigt einen
werden, die sich durch die unterschiedliche phischen Regionen relativ klein. Daher wirkt den vergangenen 300 Jahren am meisten durchschnittlichen Rückgang um 19 Prozent
Zusammensetzung der Tier- und Pflanzen- sich der katastrophale Rückgang einiger von menschlichen Aktivitäten betroffen war. innerhalb von 35 Jahren (Abbildung 18).
welt auszeichnen (Abbildung 8). Die amphibischer Arten wie der Goldkröte (Bufo Mehr als 50 Prozent der Fläche wurden in Die positive Tendenz dieses Index spiegelt
Entwicklungstendenz bei den Beständen jeder periglenes) aus Costa Rica, die inzwischen landwirtschaftliche Nutzflächen umgewan- womöglich Naturschutzmaßnahmen für Arten
einzelnen Region hängt von den Bedrohun- als ausgestorben gilt, stark auf die Gesamt- delt, so dass sich der Artenrückgang in vielen wie das Breitmaulnashorn (Ceratotherium
gen ab, denen ihre Biodiversität ausgesetzt tendenz aus. Fällen vor 1970 ereignet hat. Die positive simum) wider. Allerdings wurde die nörd-
war und ist. In der Neotropis kommen 40 Prozent aller Entwicklung der paläarktischen Region mag liche Unterart in den ursprünglichen Verbrei-
Zahlreiche Arten der nearktischen Zone Tier- und Pflanzenarten des Planeten vor; sie teilweise die Erfolge des Naturschutzes beim tungsgebieten ausgerottet und steht vor dem
werden ausgiebig untersucht, daher stehen ist damit die Region mit der höchsten Biodi- Schutz von Lebensräumen, bei der Verrin- Aussterben (s. gegenüberliegende Seite). Es
umfangreiche Bestands-Daten zur Verfügung. versität. Die hauptsächliche Bedrohung dieser gerung von Verschmutzung und bei anderen besteht daher weiterhin Bedarf an Natur-
Die Abundanz der Bestände weist zwischen Arten besteht im Verlust ihres Lebensraums. ökologischen Verbesserungen widerspiegeln. schutzmaßnahmen, um den Bestandsrück-
1970 bis 2005 keine allgemeine Veränderung Zum Beispiel betrug der Netto-Waldverlust Tendenzen in der ostpaläarktischen Region gang in der Afrotropis aufzuhalten.
auf (Abbildung 15). zwischen 2000 und 2005 in Südamerika rund lassen sich mit geringerer Sicherheit ein- Der Index für den Indopazifik vereint Be-
Dagegen zeigt der Index der Neotro- 4,3 Millionen Hektar jährlich. schätzen, da es weniger Daten gibt. Eine der standsdaten aus den drei biogeographischen
pis zwischen 1970 und 2004 einen starken In der paläarktischen Zone nahm die bedrohten Arten ist die Saiga-Antilope, deren Regionen Indomalaysia, Australasia und
Rückgang (Abbildung 16). Zwar enthält Abundanz zwischen 1970 und 2005 insge- Bestände durch den Jagddruck in den vergan- Ozeanien. Die Datenlage in diesen Regio-
dieser Index Daten für alle Wirbeltierklassen, samt zu (Abbildung 17). Der Großteil der gen 40 Jahren stark abgenommen haben (s. nen war unzureichend, um daraus einzelne
Abb. 15: LIVING PLANET INDEX Nearktis, Abb. 16: LIVING PLANET INDEX Neotropis, Abb. 17: LIVING PLANET INDEX Paläarktis,
1970–2005 1970–2004 1970–2005
1.8 1.8 1.8
1.6 1.6 1.6
1.4 1.4 1.4
1.2 1.2 1.2
Index (1970=1.0)
Index (1970=1.0)
Index (1970=1.0)
1.0 1.0 1.0
0.8 0.8 0.8
0.6 0.6 0.6
Index Nearktis Index Neotropis Index Paläarktis
0.4 0.4 0.4
Konfidenzintervalle Konfidenzintervalle Konfidenzintervalle
0.2 0.2 0.2
0 0 0
1970 1980 1990 2000 05 1970 1980 1990 2000 05 1970 1980 1990 2000 05
12 LIVING PLANET REPORT 2008
13. Indizes zu berechnen. Der Gesamtindex einen Zeitraum von 34 Jahren.
zeigt einen durchschnittlichen Rückgang um SAIGA-ANTILOPE NÖRDLICHES BREITMAULNASHORN
etwa 35 Prozent zwischen 1970 bis 2005 Abb. 17: Living Planet Index für die Paläark- Die Saiga-Antilope (Saiga tatarica) lebt in Das nördliche Breitmaulnashorn (Ceratoth-
und eine kontinuierliche negative Tendenz tis. Hier zeigt sich eine Gesamttendenz von der Trockensteppe Zentralasiens und wurde erium simum cottoni) war im nördlichen Zen-
seit den späten 1970er Jahren (Abbildung +30 Prozent bei 1.167 Beständen von 363 wegen ihres Fleisches, ihres Horns und ihres tralafrika früher sehr zahlreich. Heutzutage ist
19). Große Teile der ursprünglichen Wälder paläarktischen Arten über einen Zeitraum von Fells jahrhundertelang gejagt. In den letz- nur noch ein Bestand in der Demokratischen
im Indopazifik wurden für Landwirtschaft 35 Jahren. ten Jahren wurde sie vor allem wegen ihres Republik Kongo bekannt, der von 500 Tieren
oder Plantagen gerodet, was sich durch die Horns gejagt, das in der traditionellen chine- auf 4 abgenommen hat. Vor kurzem durch-
internationale Nachfrage nach Produkten wie Abb. 18: Living Planet Index für Arten der sischen Medizin verwendet wird. Obwohl die geführte Zählungen konnten die letzten reg-
Palmöl erklärt. Afrotropis. Hier zeigt sich eine durchschnitt- Jagd nun reguliert und internationaler Handel istrierten Tiere nicht finden. Die Bestände
liche Entwicklung von -19 Prozent bei 552 mit Produkten der Saiga-Antilope verboten ihres nächsten Verwandten, des südlichen
Abb. 15: Der Living Planet Index für neark- Beständen von 201 Arten der Afrotropis über ist, ist Wilderei weit verbreitet. Dies ist die Breitmaulnashorns (Ceratotherium simum
tische Arten. Der Index zeigt keine Änderung einen Zeitraum von 35 Jahren. wahrscheinlichste Erklärung für den starken simum), nehmen dagegen zu, und auch bei
DATENLAGE
über 1.117 Bestände von 588 Arten. und andauernden Rückgang der letzten der Erhaltung des vom Aussterben bedroh-
Abb. 19: Living Planet Index für den Indo- Jahre, die auch durch das große Angebot ten Spitzmaulnashorns (Diceros bicornis)
Abb. 16: Living Planet Index für Arten der pazifik. Er zeigt eine durchschnittliche Ent- an Saiga-Fleisch auf kasachischen Märkten wurden Fortschritte erzielt.
Neotropis. Der Index zeigt eine durchschnitt- wicklung von -35 Prozent bei 441 Beständen untermauert wird.
liche Entwicklung von -76 Prozent bei 202 von 155 Arten über einen Zeitraum von 35
Beständen von 144 Arten der Neotropis über Jahren.
Abb. 18: LIVING PLANET INDEX Afrotropis, Abb. 19: LIVING PLANET INDEX Indopazifik, 1
1970–2005 1970–2005
Anzahl Individuen (Mio.)
1.8 1.8
1.6 1.6
1.4 1.4
1.2 1.2 0
1965 2000
Index (1970=1.0)
Index (1970=1.0)
Saiga-Antilope (Saiga tatarica)
1.0 1.0
5
Anzahl Individuen (Hundert)
0.8 0.8
0.6 0.6
Index Afrotropis Index Indopazifik
0.4 0.4
Konfidenzintervalle Konfidenzintervalle
0.2 0.2
0
1970 2005
0 0
1970 1980 1990 2000 05 1970 1980 1990 2000 05 Nördliches Breitmaulnasnorn (Ceratotherium simum cottoni)
LIVING PLANET REPORT 2008 13
14. L I V I N G P L A N E T I N D E X : TA X A
Zwar geben allgemeine Tendenzen über Mehr als 5.400 Säugetierarten sind Menschheit ist auf gesunde Ökosysteme
Ökosysteme hinweg einen Überblick über bekannt, 20 Prozent stehen auf der Roten und Artenbestände angewiesen, um ihre ENTWICKLUNG VON BEISPIEL-
Bestandsänderungen; allerdings zeigen sie Liste gefährdeter Arten der IUCN. Der weitere Versorgung durch die Funktionen BESTÄNDEN AUSGEWÄHLTER ARTEN
nicht den jeweiligen Einfluss, den der vom Säugetierindex hat im letzten Jahrzehnt um der Ökosysteme sicherzustellen. Die gegenüberliegende Seite zeigt Be-
Menschen verursachte Druck auf einzelne rund 20 Prozent abgenommen (Abbildung standsentwicklungen für zwölf landle-
Arten und taxonomische Gruppen hat. 21), wobei die tropischen Ökozonen die Abb. 20: Living Planet Index für Vögel. Er bende, marine und Süßwasserarten, die
Es gibt fast 10.000 Vogelarten, die höchsten Verluste aufwiesen. Übernutzung zeigt eine durchschnittliche Entwicklung von beispielhaft für die Datengrundlage des
unterschiedlichste Lebensräume bewohnen. ist eine der stärksten Bedrohungen für diese -20 Prozent bei 2.185 Beständen von 895 Living Planet Index stehen. Die gezeigten
Ihre weite Verbreitung und die umfang- Gruppe. Arten im Zeitraum von 1970 bis 2005. Arten Beispiele geben Einsicht in Bestandsent-
reichen vorhandenen Daten ermöglichten Zwar nehmen die Bestände mancher in gemäßigten und tropischen Zonen wer- wicklungen von Tieren aus verschiedenen
die Aufstellung eines verlässlichen Index. Arten stellenweise zu (s. gegenüberliegende den gleich stark gewichtet, um die größere Regionen, ohne aber notwendigerweise
Der Gesamt-Rückgang um 20 Prozent (Ab- Seite), und die Bedrohung durch den wach- Datenmenge für gemäßigte Regionen auszu- die ganze Art abzubilden.
bildung 20) verbirgt einen noch stärkeren senden Fußabdruck der Menschheit betrifft gleichen.
Rückgang um 50 Prozent bei überprüften nicht alle Arten in gleicher Weise. Doch Ein positives Zeichen ist die Stabilität oder
Beständen von tropischen und marinen das Gesamtbild zeigt einen weltweiten Abb. 21: Living Planet Index für Säugetiere. Zunahme mancher Bestände, die für Er-
Vögeln. Zu den größten Bedrohungen Rückgang der Arten. Diese Entwicklung Er zeigt eine durchschnittliche Entwicklung folge bei der Wiederverbreitung stehen,
gehören der Verlust des Lebensraums, der bedeutet nicht nur einen Verlust an Biodi- von -19 Prozent bei 1.161 Beständen von 355 so etwa im Fall der Wiedereinführung des
Einfluss gebietsfremder Arten, Übernut- versität, sondern hat auch Auswirkungen Arten im Zeitraum von 1970 bis 2005. Mauritiusfalken.
zung und Verschmutzung. auf das menschliche Wohlergehen. Die
Leider unterstreicht die Anzahl rückläu-
figer Tendenzen weiteren dringenden
Abb. 20: LIVING PLANET INDEX Vögel, Abb. 21: LIVING PLANET INDEX Säugetiere, Handlungsbedarf. Zu den häufigsten Be-
1970–2005 1970–2005 drohungen gehört die Zerstörung des Le-
1.8 1.8 bensraums, wie der Rückgang des Stelzen-
läufers zeigt. Eine weitere Bedrohung ist
1.6 1.6
die Übernutzung von Arten, entweder
1.4 1.4 direkt – durch aktuelle Jagdpraktiken wie
im Fall des Flusspferds in der demokra-
1.2 1.2
tischen Republik Kongo oder durch his-
Index (1970=1.0)
Index (1970=1.0)
1.0 1.0 torische Praktiken wie bei der Diamant-
schildkröte – oder indirekt als Beifang bei
0.8 0.8
bestimmten Fischereimethoden. Letzteres
0.6 0.6 betrifft unter anderem den Wanderalbatros
Index Vögel Index Säugetiere und die Unechte Karettschildkröte.
0.4 0.4
Konfidenzintervalle Konfidenzintervalle
0.2 0.2
Anmerkung: Die x-Achse in allen Grafiken
markiert den Wert 0.
0 0
1970 1980 1990 2000 05 1970 1980 1990 2000 05
14 LIVING PLANET REPORT 2008