Warum werden mittelalterliche und frühneuzeitliche Rechnungsbücher eigentlich nicht digital ediert?
1. Warum werden mittelalterliche und
frühneuzeitliche Rechnungsbücher
eigentlich nicht digital ediert?
Georg Vogeler
<georg.vogeler@uni-graz.at>
Institut für Dokumentologie und Editorik e.V.
Zentrum für Informationsmodellierung
Austrian Centre for Digital Humanities
DHd 2014 – Passau, 27.3.2014
7. Rechnungen als Spur
Z.B. Protokoll der
Rechnungs-
legungsvorgangs
z.B. Rechnungen als
Protokoll von
Geschäftsvorfällen
Z.B. Beschriftungsprozeß:
• Korrekturen
• Nachträge
• Buch->Register-
>Rechnung
Steiermärkisches
Marchfutterurbar 1414/26
8. Die mittelalterlichen Schuld- und
Rechnungsbücher des Deutschen Ordens
um 1400
bearb. v. Jürgen Sarnowsky, Christina Link u.a.
<http://www.schuredo.uni-hamburg.de/content/below/index.xml>
12. Warum gibt es so wenige inhaltsorientierte
digitale Rechnungseditionen?
1. Digitale Edition ist als Edition komplexer
Überlieferungsverhältnisse begonnen worden.
2. Dominantes Verständnis von Edition als
philologische Aufgabe
14. Warum gibt es so wenige inhaltsorientierte
digitale Rechnungseditionen?
1. Digitale Edition ist als Edition komplexer
Überlieferungsverhältnisse begonnen worden.
2. Dominantes Verständnis von Edition als
philologische Aufgabe
3. Der de-facto-Standard (Regelwerk der TEI) für
die Erstellung digitalen Edition ist ungünstig für
"Rechnen".
15. "De-facto Standard" TEI:
• Explizites Element nur tei:measure
• Preise? (Gut, Einheit, Wert in Geld)
• Buchungen und Gegenbuchung?
(Buchungsdatum, Buchungskategorie,
Buchungsbetrag)
=> Ergänzungsvorschläge Syd Baumann und
Kathryn Tomasek 2012/13
17. Proof of Concept
• Transkription in TEI
• Integration einer auf XBRL-GL basierenden
Taxonomie als analysis/interpretation (@ana)
• Algorithmische Umwandlung, z.B.
– Tabellarische Darstellung
– Berechnungen
– RDF-Repräsentation
– …
http://gams.uni-graz.at/rem
18. Proof of Concept
• BayHStA
Staatsverwaltung 1378:
Rechnung des Vitztums
von Straubing Peter von
Eck, 1335
(ed. Vogeler 1999)
• Weitere Experimente:
Stadtrechnungen Basel,
Stiftsrechnung Aggsbach, …
http://gams.uni-graz.at/rem
26. Digitale Geisteswissenschaften …
• … Digitalisierung von
Kulturerbe
• … Textkodierung
• … linguistische und
literaturwissenschaftliche
Analyse
• … Repräsentation von Inhalten
des Kulturerbes als Daten
Traditioneller
Schwerpunkt von
digitaler Edition
Sozioökonomische
Daten: Historische
Sozialwissenschaft
27. Text als Spur - Text als Sprache
Text als BedeutungText als Bild
Objekt
Inhaltsorientierte digitale Edition
URI
talks about
(cidoc-crm:P67i
is referred to by)
is read as
(cidoc-crm:P138i
has representation)
is read as
(cidoc-crm:P138i
has representation)
is about
(cidoc-crm:P67i
is referred to by)
transcription
looks
(cidoc-crm:P138i
has representation)
markup
scan ontology
is about
(cidoc-crm:P67i
is referred to by)
28. Die Digitale Edition von Rechnungen
ist eine Brücke zwischen digitalen
Geisteswissenschaften und
computergestützt arbeitenden historischen
Sozialwissenschaften.
29. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Georg Vogeler
<georg.vogeler@uni-graz.at>
30. Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative
Commons Namensnennung 4.0 International
Lizenz.
A
Alle darin zitierten Werke anderer Urheber
dienen wissenschaftlichen Zwecken.
Hinweis der Redaktion
1. Editionsprobleme von Wirtschafts- und Rechnungsbüchern
2. Schwächen der mir bislang bekannten digitalen Edition/des etablierten Modells der digitalen Edition
3. Lösungsvorschlag GV
Gedruckte Rechnungseditionen:
Ausgleichsversuch zwischen Text als Sprache (philologische Edition: Wörter & Zeichen) und Text als Bedeutung (historische Edition: Strukturen & Werte):
Edition: Text als Sprache vs: Text als Bedeutung: Zahlenwerk; Ausdrucksmöglichkeiten des Buchdrucks.
Bizjak, Die mittelalterlichen Abrechnungen des Hochstifts Freising 1: Abrechnungen der Herrschaften Škofja Loka und Klevevž 1395 – 1401
Hier der „hilflose“ Versuch, mit der Druckform einen Kompromiss zu finden.
Klare Frage: Würde eine Computeredition die Bedeutung nicht eigentlich viel besser darstellen können?
Bestandsaufnahme digitale Editionen:
Das hier *ist* eine elektronische Edition (BLO): „Steampunk“ (Bertrand)/ „Rückspiegeldenken“ (McLuhan)
Digitale Rechnungseditionen: Reine Bilder
z.B. hier (BLO) <http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/abrechnung>
Bethlehem Accounts<http://bdhp.moravian.edu/community_records/business/ledgers/ledger.html>
castellanie.net
1960er bis 1980er Jahre: Schwerpunkt auf Sozialgeschichte
Datenbanken von Personen, Cliometrics
=> Rechnungsbücher als Datenbasis
Manfred Thaller und die quellenorientierte Datenerfassung
<http://www.gesis.org/histat/de/project/details/541814651D3F839BF9125A86BDA71805>
"Damit die Daten einem großen Nutzerkreis für verschiedene Forschungsaufgaben zur Verfügung stehen können, wurden sie so quellennah wie möglich belassen. (Es wurden keine Schätzungen für fehlende Werte vorgenommen."
Les comptes de châtellenie savoyards, bearb. v. Christian Guilleré, Jean-Louis Gaulin u.a.
Ein jüngerer Zweig der digitalen Aufbereitung von Rechnungen ist textorientiert und …
… Beschriftungsprozeßorientiert
(Ordensfoliant 153a von 13 99, Rechnungen der Marienburger Großschäfferei : http://www.schuredo.uni-hamburg.de/receive/SchuReDo_buch_00000011: Synopsen; Umfangreiches Schlagwort- (Klassifikation), Personen- und Ortsregister
Einzige mir bekannte zahlenorientierte digitale Rechnungseditionen!
HALBZEIT!!!!!!
=> Selten.
Dabei liegt doch "Zahlenorientierte Edition" nahe?
Ad 1.: Varianz, genetic edition, Text-Bild-Bezug => Rechnungen sind Einzelstücke ohne Kopiale Überlieferung => Rechnung wäre dann documentary editing: => viele Präsentationen rein als Bilder, oder eben Paradigma philologische Edition wie
ad. 2.:
1. Bild als schnellster und billigster Zugangsweg zu unikalen/seltenen Textquellen („Digitalisierung“ als Synonym für „Scan“)
2. Diskussion der 80er Jahre (DB vs Thallers quellennahe Datenverarbeitung, der die Interpretationsschichten hinzugefügt werden) => Historical Railroad Employees Database Search: Payrolls in Datenbank<http://railroads.unl.edu/> ist dann keine Edition
3. Arbeitsmodell: vollständiges Sammeln der Textzeugen im stillen Kämmerlein => alle Anforderungen befriedigende Transkription/Texterstellung => Historiker, die den Text auswerten
Traditionelle Edition: Textzeugensammlung -> Transkription -> Kollation/Stemma -> Anfügen von Sachanmerkungen; Bei Rechungen: Riesige Überlieferung, repetitive Informationen: Schreckt Vollständigkeitsanspruch ab; Lassen wir den Transkriptionsschritt einfach aus?
HALBZEIT!!!!!!
=> Selten.
Dabei liegt doch "Zahlenorientierte Edition" nahe?
Ad 1.: Varianz, genetic edition, Text-Bild-Bezug => Rechnungen sind Einzelstücke ohne Kopiale Überlieferung => Rechnung wäre dann documentary editing: => viele Präsentationen rein als Bilder, oder eben Paradigma philologische Edition wie
ad. 2.:
1. Bild als schnellster und billigster Zugangsweg zu unikalen/seltenen Textquellen („Digitalisierung“ als Synonym für „Scan“)
2. Diskussion der 80er Jahre (DB vs Thallers quellennahe Datenverarbeitung, der die Interpretationsschichten hinzugefügt werden) => Historical Railroad Employees Database Search: Payrolls in Datenbank<http://railroads.unl.edu/> ist dann keine Edition
3. Arbeitsmodell: vollständiges Sammeln der Textzeugen im stillen Kämmerlein => alle Anforderungen befriedigende Transkription/Texterstellung => Historiker, die den Text auswerten
Ein weiterer Grund für die Behinderung ist eine „wissenschaftspolitische“: die TEI hat sich als de facto Standard entwickelt. Ist ein Modellierungsvorschlag, der zunächst stark linguistisch und literaturwissenschaftlich geprägt war, sich dann der quellennahen Dokumentation gewidmet hat –
Und ganz konkrete Probleme mit der Repräsentation von essentiellen Rechnungsfakten hat:
Transact:quantity/reason könnten ausführlich beschrieben werden, z.B. mit einer verschachtelten reason/price(price(ware, Betrag, default), ware, Betrag)
Syd Baumann.odd erwähnen
Preis: gl-bus:measurable><gl-bus:measurableDescription contextRef="now">MK II Widgets with improved spatulas</gl-bus:measurableDescription><gl-bus:measurableQuantity contextRef="now" decimals="2" unitRef="NotUsed">10</gl-bus:measurableQuantity><gl-bus:measurableUnitOfMeasure contextRef="now">EACH</gl-bus:measurableUnitOfMeasure><gl-bus:measurableCostPerUnit contextRef="now" decimals="2" unitRef="AUD">22</gl-bus:measurableCostPerUnit></gl-bus:measurable>
URL: Mehrere Testfälle: Ältere Editionen und meine Umsetzung: zw. 1 Tag und 1 Woche für die Skriptgesteuerte Umsetzung. Basel ist ein Prototyp, wo Susanna Burghartz mit einem Team daran arbeitet, die Basler Stadtrechnungen der frühen Neuzeit gleich als TEI zu erfassen (mit einem ODD nach meinem Modell).
Ich habe also eine TEI-Datei, die in etwa so aussieht:
Die Notation kann ich verkürzen, vgl. basel.odd, und sogar mit automatischen Umrechnungen der römischen Zahlen versehen
Das ist das, was die Mitarbeiter von Frau Burghartz in Basel erfassen müssen.
Ich möchte das zum Abschluß noch verallgemeinern:
Warum werden Rechnungsbücher eigentlich nicht digital ediert?
Die Digitalen Geisteswissenschaften haben eine ihrer Wurzeln verloren. Heute stehen im Mittelpunkt: Digitalisierung, Textkodierung, linguistische und sprachwissenschaftliche Analyse. Digitale Edition als Forschungsgebiet hat hier ihren Schwerpunkt. Die Tradition, mit Hilfe des Computers sozioökonomische Daten statistisch auswerten zu wollen, lebt weiter hin – aber sie heißt nicht „Digitale Geisteswissenschaften“ sondern „Historische Sozialwissenschaft“. Sie fokussierte schon immer die Inhalte von Quellen und behandelte diese Inhalte als Daten entsprechend modernen sozioökonomischen Grunddaten. Warum gibt es also keine Digitale Edition von Rechnungen?
Weil das dominierende Modell der Edition eines ist, daß Inhalte ausblended. Ich möchte deshalb als eine Art Midlevel-Ontology von Digitaler Edition folgendes Modell vorschlagen: ###
Das ist realisierbar mit TEI->fs, expliziter SemWeb/RDF-Erweiterung der TEI
Objekt => URI
-> Scan -> Koordinaten
-> Transkription <- Koordinaten
-> Ontologie <- Wörter, Koordinaten, Metadaten
-> Metadaten <- Transkription, Scan
Und im Ontologie-Bereich haben die Digital Humanities noch am meisten Nachholbedarf
Als Prototyp der inhaltsorientierten digitalen Edition kann Digitale Edition eine Brücke werden ….
Ich bin am Ende meines Referats und ich hoffe, daß die Digitalen Editionen von Rechnungsbüchern nicht so enden, wie die Kerbhölzer der Englischen Finanzverwaltung 1834.