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Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10


                                     Dr. Bernd Schulte
                                     Max-Planck-Institut für ausländisches und
                                     internationales Sozialrecht
                                     Amalienstr. 33, D-80799 München
                                     Tel.: (+49)089-38602-426
                                     Fax: (+49)089-38602-490
                                     E-Mail: schulte@mpisoc.mpg.de




Aktuelle Judikatur des Europäischen Gerichts-
hofs zum Europäischen koordinierenden
Sozialrecht




                                           München, den 25. Juni 2010


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Rechtssache von Chamier-Glisczinski
Das Urteil in der Rechtssache C-208/07 (von Chamier-Glisczinski)1 ist in Deutschland mit
großer Erleichterung aufgenommen worden, ließen doch die Schlussanträge des
Generalanwalts Mengozzi2 „Schlimmes befürchten“. Wäre der Gerichtshof ihnen gefolgt, so
hätte dies an den Grundfesten des Koordinierungsrechts gerüttelt. (….) Insbesondere hätte
das Urteil den Auftakt einer Kette von Entscheidungen sein können, die im Ergebnis zu
massiven Leistungsausweitungen hätten führen können.3 (Dieser Stoßseufzer der
Erleichterung stammt von Arno Bokeloh, dem ehemals für das Europäische koordinierende
Sozialrecht im deutschen Bundesministerium für Arbeit und Soziales Verantwortlichen und
als langjähriger deutscher Vertreter in der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit
auch hierzulande kein Unbekannter.)

Die Rechtssache von Chamier-Glisczinski st einmal mehr ein deutsch-österreichischer Beitrag
zum „Fallrecht“ des Europäischen Gerichtshof zum Europäischen Recht der sozialen
Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (wenn man die nach der Judikatur des
Europäischen Gerichtshofs auf Pflegeleistungen anwendbaren Vorschriften der Verordnungen
über die soziale Sicherheit und die Vorschrift des Art. 34 VO 883/2004, die sie nunmehr in
der Grundverordnung partiell in Gestalt einer Antikumulierungsvorschrift regelt und sie somit
ausweist, mit diesem Etikett versehen kann.)
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, eine deutsche Staatsangehörige, wohnhaft in München,
erhielt aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit von der Pflegekasse, bei der sie über ihren
Ehemann familienversichert war, sog. Kombinationsleistungen von Sach- und Geldleistungen
gemäß § 38 SGB XI nach der Pflegestufe III. Im Jahre 2001 beantragte die nach wie vor in
Deutschland über ihren Ehemann familienversicherte, ihr die Sachleistungen, auf die sie nach
deutschem Recht Anspruch hatte, in einem österreichischen Pflegeheim erbringen zu lassen.
Dies wurde von dem zuständigen Träger mit der Begründung abgelehnt, dass das
österreichische Recht keine Sachleistung vorsehe und die Anspruchstellerin deshalb lediglich
Zahlung deutschen Pflegegeldes nach Österreich beanspruchen könne. Pflegegeld wurde ihr
gemäß § 37 SGB XI auch nach Österreich gezahlt. Das deutsche Pflegegeld bleibt allerdings
erheblich hinter der entsprechenden Pflegesachleistung zurück: gegenwärtig- im Jahre 2010 –
jeweils 665 bzw. 1.510 Euro.
1
         EuGH, Urt. v. 6. 7. 2009, Rs. C-208/07 (Von Chamier-Glisczinski ./. Deutsche Angestellten
    Krankenkasse (DAK)) – in Slg. noch uv.
    vgl. dazu bereits EuGH, C-160/96 (Molenaar), Slg. 1998, I-43 Rn. 23; Rs. C-215/99 (Jauch), Slg. 2001, I-
    1901 Rn. 28; Rs. C-502/01 (Gaumain-Cerri u. Barth), Slg. 2003, I-6483; Rs. C-286/03 (Hosse), Slg. 2006,
    I-1771 Rn. 38; dazu Schulte, B., Pflege in Europa – Teil 2, Sozialrecht in Deutschland und Europa
    (ZFSH/SGB) 2009, S. 15 f.; Rs. C-212/06 (Regierung der Französischen Gemeinschaft und Wallonische
    Regierung ./. Flämische Regierung) – in Slg. noch uv.; Informationsdienst zum Europäischen Arbeits- und
    Sozialrecht (= EuroAS 2008, S. 77 ff.)
2
         Schlussanträge des v. 11. 9. 2008 in der Rechtssache C-208/07 – in Slg. noch uv. (zur Quelle
    unveröffentlichter Entscheidungen und Schlussanträge generell: http://curia.europa.eu/juris.cpi-bin-gettext-
    pl?where-lang-&)
3
         So Bokeloh, A., Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 16. Juli 2009 und seine Bedeutung für
    die deutsche Pflegeversicherung, Kompass 2009, H. 11/12, S. 9 ff., 9

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Auf Vorabentscheidungsersuchen des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) München, hat
der EuGH zunächst einmal bekräftigt, dass Leistungen bei Pflegebedürftigkeit in den
sachlichen Geltungsbereich 1408/71 fallen ( und entsprechendes gilt auch für die neuen
Verordnungen (EG) Nr. 883/04 und 9897/09, in denen die Pflegebedürftigkeit als soziales
Risiko – in Art. 34 VO 883/04 – ausdrücklich erwähnt wird und in Gestalt einer
Antikumulierungsvorschrift, wie schon erwähnt eine erste Regelung erhalten hat).
In der vorliegenden Rechtssache hat der EuGH entschieden, dass Art. 19 Buchst. a VO
1408/71 einem Arbeitnehmer oder Selbstständigen, der in einem anderen als dem zuständigen
Mitgliedstaat (hier: Österreich) wohnt, gegenüber dem Träger seines Wohnorts keinen
Anspruch auf Sachleistungen für Rechnung des zuständigen Trägers (hier: der deutschen
Pflegekasse) einräumt, wenn es im Wohnstaat keine Sachleistungen zur Absicherung des
Pflegerisikos gibt.
Allerdings steht das Europäische Recht der Gewährung solcher Leistungen in Form der
Kostenerstattung durch den zuständigen Träger nach dem für ihn geltenden nationalen Recht
auch nicht entgegen.

Anzumerken ist, dass der EuGH die Erstattung in einem anderen Mitgliedstaat entstandener
Kosten für die Inanspruchnahme stationärer Pflegeleistungen als Sachleistung qualifiziert hat.
Die Weigerung des zuständigen (hier: deutschen) Trägers, Kosten für einen Aufenthalt in
einem Pflegeheim eines anderen Mitgliedstaats (hier: Österreich) in der Höhe zu übernehmen,
die dem zuständigen Mitgliedstaat gewährt worden wäre, ist auch mit der Vorschrift des Art.
18 EG – heute 20 AEU – über die Unionsbürgerschaft vereinbar.
Nach ständiger Rechtsprechung hat ein Unionsbürger in allen Mitgliedstaaten Anspruch auf
die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen dieses Staates, die sich in der gleichen Situation
befinden, und ist deshalb ist eine ungünstigere Behandlung unzulässig.4 Diese
Rechtsprechung lässt sich nach Auffassung des EuGH allerdings nicht auf eine Situation
übertragen, in der ein Pflegeversicherter Erstattung der ihm aus Anlass des Aufenthalts in
einer Einrichtung eines anderen Mitgliedstaats entstandenen Kosten in der Höhe verlangt, wie
sie in seinem Heimatstaat entstanden wären. Mithin sind deutsche Pflegesachleistungen nicht
in einem anderen Mitgliedstaat zu erbringen, wenn dieser derartige Leistungen seinerseits
nicht kennt. Der Umstand, dass – bei aller gebotenene Wahrung des Anwendungsvorrangs des
Europäischen Rechts – die Mitgliedstaaten grundsätzlich nach wie vor für die Ausgestaltung
ihrer sozialen Sicherungssysteme allein zuständig sind, kann also durchaus dazu führen, dass


4
        Vgl. EuGH, Rs. C-520/04 (Turpeinen) Slg. 2006, I-10685 Rn. 20; Rs. C-224/98 (D’Hoop), Slg. 2002, I-
    6191 Rn. 30; Rs. C-224/02 (Pusa), Slg. 2004, I-5763 Rn. 18

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die Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat zu einer Verschlechterung der
sozialen Absicherung führt.

Das Ergebnis führt zu einer – nicht zuletzt auch sozialpolitisch erwünschten –
Gleichbehandlung von Zuwanderern aus anderen EU-Staaten mit den Versicherten des
Wohnstaates und schließt damit eine Besserstellung im Vergleich zu einheimischen
Versicherten aus.
Ferner enthebt diese Rechtslage die zuständigen Stellen des aushelfenden Wohnstaates (hier:
Österreich) auch der Verpflichtung, ggf. Sachleistungen nach dem System eines anderen
Mitgliedstaats (hier: Deutschland) erbringen zu müssen, ohne mit den Modalitäten der
Leistungserbringung hinreichend vertraut zu sein. Im aushelfenden „Betreuungsstaat“ wenden
die dort zuständigen Stellen lediglich ihre eigenes Recht an.

Die Entscheidung fiel entgegen dem Votum von Generalanwalt Mengozzi (auch Beleg dafür,
dass der Gerichtshof keineswegs „in der Regel“, wie es in der Öffentlichkeit so häufig heißt,
den Schlussanträgen von Generalanwälten und Generalanwältinnen folgt). Der Generalanwalt
hat sich offensichtlich an der Rechtsprechung des EuGH zur grenzüberschreitenden
Inanspruchnahme medizinischer Behandlungsleistungen orientierte,5 (was den aus der
Sachnähe von Gesundheitsleistungen und Pflegeleistungen abgeleiteten und deshalb zu weiten
Teilen einander entsprechenden Regelungen der beiden Problemkreise sowohl im
Europäischen Koordinierungsrecht als auch im Rahmen der offenen Methode der
Koordinierung (OMK) Gesundheitswesen und Langzeitpflege entsprochen hätte).

Im Ergebnis hat der Gerichtshof demgegenüber wohl doch zurecht davon abgesehen, unter
Berufung auf das Primärrecht über die Unionsbürgerschaft das koordinationsrechtliche
Sekundärrecht „auszuhebeln“ und damit Konsequenzen nicht nur für das
Pflegeversicherungsrecht, sondern auch für das Krankenversicherungsrecht
heraufzubeschwören, für das man konsequenterweise zu einem entsprechenden Ergebnis
kommen müsste.

Ergänzend sei angemerkt, dass der Gerichtshof wohl auch zurecht verneint hat, dass sich die
Klägerin des Ausgangsverfahrens auf die Dienstleistungsfreiheit berufen konnte, war sie doch
nach Österreich verzogen, um dort auf Dauer ihren Wohnsitz zu nehmen, und hatte sie somit
nicht nur vorübergehend – wie für die Dienstleistungsfreiheit erforderlich – Leistungen in
Anspruch nehmen wollen.
Einmal mehr zeigt sich im Übrigen, dass die Nähe von Deutschland, Österreich und die

5
       Vgl. dazu Fn. 18

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Häufigkeit grenzüberschreitender Tatbestände zu einer Fülle von koordinationsrechtlichen
Problemen führt. (Auch einige der zu diesem Seminar vorab eingereichten Fragen aus dem
Teilnehmerkreis berühren ja diese beiden Länder.)




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Rechtssache Leymann
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war von 1971 – 2003 in Belgien als Arbeitnehmerin
beschäftigt. Seit 1999 wohnt sie in Luxemburg und seit 2003 war sie dem dortigen
Sozialversicherungssystem angeschlossen. Im Jahre 2005 wurde sie von den zuständigen
belgischen Behörden als bis zum Zeitpunkt ihrer Versetzung in den Ruhestand arbeitsunfähig
erklärt. Aufgrund ihrer in Luxemburg zurückgelegten Versicherungszeiten erhielt sie eine
Invaliditätsentschädigung. In Belgien wurde ihr eine Invaliditätsrente hingegen erst von 2006
an gewährt, weil nach belgischem Recht erst nach Ablauf eines Jahres eine Invaliditätsrente
zuerkannt wird. (In Belgien erhält ein Arbeitnehmer, der arbeitsunfähig wird, im ersten Jahr
der Arbeitsunfähigkeit lediglich eine sog. Entschädigung wegen primärer Arbeitsunfähigkeit
und erst im Anschluss daran bei Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit eine
Invaliditätsentschädigung.)
Im Belgischen Rechte ist die Invaliditätsrente von der Dauer der Versicherungszeit
unabhängig.

Im Luxemburgischen Recht besteht der Anspruch auf eine Invaliditätsrente ab dem 1. Tag der
Beendigung der beruflichen Tätigkeit, sofern die Arbeitsunfähigkeit als endgültig und
dauerhaft anerkannt worden ist. Die Höhe der Invaliditätsrente richtet sich nach der Dauer
der Versicherungszeit.

Das Abkommen zwischen Belgien und Luxemburg über die soziale Sicherheit der
Grenzgänger und das abschlussprotokoll sehen für Wanderarbeitnehmer die Zahlung einer
belgischen Invaldititätsentschädigung vor Ablauf der sog. primären Arbeitsunfähigkeit vor.




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Art. 40 Abs. 3 VO 1408/716 regelt den Fall, dass ein Arbeitnehmer, der in einem Mitgliedstaat
den Rechtsvorschriften des Typs A unterlag, nach denen die Gewährung von Leistungen bei
Invalidität davon abhängig ist, dass die betreffende Person während eines bestimmten
Zeitraums Geldleistungen bei Krankheit erhalten hat oder arbeitsunfähig gewesen ist, im
Anschluss an eine Arbeitsunfähigkeit zu einer Zeit Invalide wird, in der er den
Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats des „Typs B“ unterliegt. In diesem
Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Verordnung Nr. 1408/71 zur Koordinierung
der Invaliditätssicherungssysteme der Mitgliedstaaten danach unterscheidet, ob eine Person
ausschließlich Rechtsvorschriften unterlag, bei denen die Höhe der Leistungen von der Dauer
der Versicherungszeiten unabhängig ist (sog. Rechtsvorschriften des „Typs A“) - z. B.
Belgien oder ob er entweder ausschließlich Rechtsvorschriften unterlag, nach denen die Höhe
der Leistungen von dieser Dauer abhängt (sog. Rechtsvorschriften des „Typs B“) oder
Rechtsvorschriften dieser beiden Typen – z. B. Luxemburg. Auf diesen Fall bezieht sich Art.
40.

Die Koordinierung gebietet dann zum einen, alle Zeiten zu berücksichtigen, in denen der
Arbeitnehmer nach dem Recht des zweiten Mitgliedstaats entweder Geldleistungen bei
Krankheit oder eine Lohnfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit oder Leistungen wegen der
im Anschluss an diese Arbeitsunfähigkeit eingetreten Invalidität erhalte hat, als handele es
sich um einen Zeitraum, in dem ihm entweder nach dem Recht des ersten Mitgliedstaats
6
       Die Bestimmung lautet:
(3)     (a) Für die Feststellung des Leistungsanspruchs nach den in Anhang IV Teil A
      aufgeführten Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die die Gewährung vonLeistungen bei Invalidität
      davon abhängig machen, dass die betreffende Person während eines bestimmten Zeitraums Geldleistungen
      bei Krankheit erhalten hat oder arbeitsunfähig war, wird bei einem Arbeitnehmer oder Selbstständigen, für
      den diese Rechtsvorschriften galten oder der im Anschluss an eine Arbeitsunfähigkeit in einer Zeit Invalide
      wird, in der die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats für ihn gelten, unbeschadet des Artikels 37
      Absatz 1 jeder Zeitraum für den er i) wegen dieser Arbeitsunfähigkeit nach den Rechten des zweiten
      Mitgliedstaats Geldleistungen bei Krankheit oder weiter lohn erhalten hat, ii) wegen der auf diese
      Arbeitsunfähigkeit folgende Invalidität nach den Rechtsvorschriften des Zweiten Mitgliedstaats Leistungen
      im Sinne des vorliegenden Kapitels II und III erhalten hat.so berücksichtigt, als ob es sich um einen
      Zeitraum handelte, in dem er nach den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats Geldleistungen bei
      Krankheit erhalten hat oder nach diesen Rechtsvorschriften arbeitsunfähig war.b) Der Anspruch auf
      Leistungen bei Invalidität entsteht nach den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats entweder bei
      Ablauf des in diesen Rechtsvorschriften geforderten voraufgehenden Zeitraums des Bezugs von
      Geldleistungen bei Krankheit oder der Lohnfortzahlung oder bei Ablauf des in diesen Rechtsvorschriften
      geforderten                 voraufgehenden                Zeitraums                 der             Arbeits-
      unfähigkeit, frühestens jedoch i) zum Zeitpunkt der Begründung des Anspruchs auf Leistungen gemäß
      Buchst. a) Ziff. ii) nach den Rechtsvorschriften des zweiten Mitgliedstaats oder ii) am Tag nach dem letzten
      Tag, an dem der Betroffene nach den Rechtsvorschriften des zweiten Mitgliedstaats Anspruch auf
      Geldleistungen bei Krankheit hat“.)
      In den in Bezug genommenen Anhang IV Teil A der VO 1408/71 wird die belgische allgemeine
      Identitätsregelung als eine der geltenden Rechtsvorschriften des Typs erwähnt, auf den sich Art. 37 Abs. 1
      der Verordnung bezieht, nicht jedoch die luxemburgische Regelung.
      In Anhang V VO 1408/71 wird die Übereinstimmung zwischen der belgischen allgemeinen
      Invaliditätsregelung und der Invalditätsregelung für Arbeiter und Angestellte des Großherzogtums
      Luxemburg im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale der Invalidität anerkannt.

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Geldleistungen bei Krankheit gewährt wurden oder in dem er arbeitsfähig im Sinne dieser
Rechtsvorschriften war (Buchst. a); zum anderen ist vorgesehen, dass der Leistungsanspruch
nach dem Recht des ersten Mitgliedstaats entweder bei Ablauf des voraufgehenden Zeitraums
des Bezugs von Geldleistungen bei Krankheit oder bei Ablauf des in diesen
Rechtsvorschriften geforderten früheren Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit eingetretenen
Invalidität oder am Tag nach dem letzten Tag, an dem der Betreffende nach den
Rechtsvorschriften des zweiten Mitgliedstaats Anspruch auf Geldleistungen bei Krankheit
hat.
Es handelt sich also um zwei verschiedene Arten von Koordinierungsregeln: Einmal werden
mit der Regel nach Art. 40 Abs. 3 Buchst. a die Ereignisse zusammengefasst, die in den nach
den Rechtsvorschriften des zweiten Mitgliedstaats zurückgelegten Zeiten eingetreten sind, um
zu prüfen, ob die nach den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats für den Erwerb eines
Anspruchs auf Leistungen bei Invalidität erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, und
zum zweiten sieht die in Buchst. b festgelegte Regel für den Erwerb eines Anspruchs auf
Leistungen bei Invalidität im ersten Mitgliedstaat eine zeitliche Grenze vor, indem sie diesem
insbesondere die Möglichkeit einräumt, die Gewährung dieser Leistungen vom Ablauf eines
vorherigen Zeitraums abhängig zu machen, in dem der Betroffene entweder arbeitsunfähig
war oder in dem ihm Geldleistungen bei Krankheit gewährt wurden.

Aus Art. 39 EG/45 AEU folgt allerdings nach Auffassung des Gerichtshofs, dass es den
zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats verwehrt ist, nationale Rechtsvorschriften
anzuwenden, die im Einklang mit Art. 40 Abs. 3 Buchst. b den Anspruch auf
Invaliditätsleistungen vom Ablauf eines einjährigen Zeitraums primärer Arbeitsunfähigkeit
abhängig machen, wenn dies dazu führt, dass ein Wanderarbeitnehmer an das System der
sozialen Sicherheit dieses Mitgliedstaats Beitragsleistungen ohne Anspruch auf
Gegenleistungen erbringt und auf diese Weise gegenüber einem „sesshaften“, d.h. nicht
„wandernden“ Arbeitnehmer benachteiligt wird.7
Die Entscheidung der luxemburgischen Behörden über die Invalidität der Klägerin nach
Maßgabe des Art. 40 Abs. 4 i. V. m. Anhang V VO 1408/71 war im Übrigen für die
belgischen Träger verbindlich, da in Anhang V VO 1408/71 die Übereinstimmung der
Tatbestandsmerkmale der Invalidität zwischen der belgischen und der luxemburgischen
Regelung anerkannt ist (eine Regelung, für die es in Deutschland und Österreich keine
Entsprechung gibt).

7
        EuGH, Urt. v. 1. 10. 2009 (Leymann) – in Slg. noch uv. (= EuroAS 2009, S. 147 f.); Leymann ./. Institut
    National d’assurance maladie-invalidité (INAMS), Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal du Travail
    Nivelles (Belgien)

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Schließlich sei angemerkt, dass der Gerichtshof auf den Art. 10 EG niedergelegten Grundsatz
der loyalen Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten
verwiesen hat, um die Verpflichtung zu begründen, alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel
einzusetzen, um den Zweck des Art. 39 EG zu erreichen.8 Das neue Koordinierungsrecht der
VO’en 883/04 und 987/09 hat diese Verpflichtung zur Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten
noch unterstrichen. (i. S. einer Art „Prinzip der Zusammenarbeit“ als tragendes Element des
Koordinierungsrechts).
In verfahrensmäßiger Hinsicht ist nachzutragen, dass die Vorlagefragen sich auf die
Vereinbarkeit der sekundärrechtlichen Regelung des Art. 40 Abs. 3 Buchst. b VO 1408/71 i.
V. mit dem zur Anwendbarkeit gelangenden Vorschriften des nationalen Rechts auf die
Vereinbarkeit mit Art. 18 EG/20 AEU bezogen. Der Gerichtshof hat jedoch die Vorrangigkeit
der Art. 39 EG/45 AEU und 42 EG/48 AEU) festgestellt und deshalb die Vereinbarkeit mit
diesen Rechtsvorschriften geprüft. Die Freizügigkeit der Unionsbürger wird für Arbeitnehmer
gegenüber Art. 18 EG/20 AEU in der Vorschrift des Art. 39 EG/45 AEU konkretisiert. 9




8
        EuGH, Rs. C-165/91 (van Munster), Slg. 1994, I-4661, Rn. 18
9
        EuGH, Rs. C-392/05 (Alevizios), Slg. 2007, I-3505 Rn. 66; Rs. C-287/05 (Hendrix), Slg. 2007, I-6909
    Rn. 61

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Rechtssache Slanina
Im Ausgangsverfahren der Rechtssache Slanina10 ging es um ein
Vorabentscheidungsersuchen im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einer geschiedenen
Österreicherin, die ihren Wohnsitz nach Griechenland verlegt hatte, und der zuständigen
österreichischen Familienbeihilfestelle. In ihrem neuen Wohnstaat war die Klägerin des
Ausgangsverfahrens weder beschäftigt noch arbeitslos gemeldet.

Gemäß Art. 73 VO 1408/71 hat ein Arbeitnehmer oder Selbstständiger, der den
Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, für seine Familienangehörigen, die im
Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen in dem für ihn
zuständigen Mitgliedstaat, als ob diese Familienangehörigen auch dort wohnten.
Die Ratio dieser Vorschrift besteht darin sicherzustellen, dass den Angehörigen eines
Familienleistungsberechtigten, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gleichwohl die im
zuständigen Staat vorgesehenen Familienleistungen gewährt werden.11

Sofern, als das Kind der Klägerin nach dem diesbezüglich maßgebenden nationalen (hier:
österreichischen) Recht als „Familienangehöriger“ i. S. d. Art. 1 Buchst. f Ziff. VO 1408/71
anzusehen war, stand der geschiedenen Ehefrau, die von dem zuständigen Träger ihres
früheren Beschäftigungs- und Wohnstaates (Österreich) bisher bereits Familienbeihilfe
erhalten hatte, diese Leistung auch weiterhin zu, obwohl sie sich in einem anderen
Mitgliedstaat niedergelassen hatte, auch wenn der frühere Ehegatte die betreffende Leistung
in seinem Wohnmitgliedstaat beziehen hätte können.

Der Umstand, dass die Ehefrau in ihrem neuen Wohnmitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit
aufnähme, würde allerdings ein Ruhen des Anspruchs auf diese Leistung in dem Umfang
auslösen, in welchem sie aufgrund ihrer Beschäftigung in ihrem Wohnstaat gleichfalls einen
Anspruch auf Familienleistungen hätte – dies nach Maßgabe der „Antikumulierungs-Regel“
des Art. 76 VO 1408/71




10
          EuGH, Urt. v. 26.11.2009, Rs. C-363/08 (Slanina ./. Unabhängiger Finanzsenat, Außenstelle Wien) – in
     Slg. noch uv.
11
          EuGH, verb. Rs. C-45/94 u. C-312/94 (Hoever u . Zachow), Slg. 1996, I-4895 Rn. 32; Rs. C-255/90
     (Humer), Slg. 2002, I-1205 Rn. 39

                                                      10
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Rechtssache Vatsouras/Koupatantze
In den verbundenen Rechtssachen Vatsouras u. Koupatantze12 hat der Europäische
Gerichtshof seine bisherige Judikatur bekräftigt, wonach der primärrechtliche
Arbeitnehmerbegriff des Art. 39 EG/42 AEU weit auszulegen ist und auch kurzzeitige und
nicht existenzsichernde Beschäftigungen umfasst (im Ausgangsverfahren des Klägers
Koupatantze eine Beschäftigung von lediglich 7 ½ Wochen).13

Er hat auch betont, dass der primärrechtliche Diskriminierungsschutz zugunsten von
Arbeitnehmern auch finanzielle Leistungen erfasst, die den Zugang zum Arbeitsmarkt
erleichtern sollen.14
Gleichwohl bleibt die Frage, ob der Arbeitnehmerbegriff des Art. 39 EG/42 AEU auch
arbeitsuchende Personen umfasst, letztlich sich noch unbeantwortet, da der Gerichtshof in der
Begründung des Anspruchs auf Gleichbehandlung auf die Vorschriften über die
Unionsbürgerschaft (Art. 12 u. 18 EG/18 u. 20 AEU) verweist und nicht auf die
Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 39 EG/42 AEU) abstellt.15
Wesentliches Merkmal eines Arbeitsverhältnisses ist, dass jemand während einer bestimmten
Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistung erbringt und dafür als Gegenleistung
eine Vergütung erhält. Weder die begrenzte Höhe der Vergütung noch die Herkunft der Mittel
für diese Vergütung haben irgendeine Auswirkung auf die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne
des EU-Rechts.

Art. 24 Abs. 2 RL 2004/3816 enthält demgegenüber insofern eine Abweichung vom
Gleichbehandlungsgrundsatz, auf den sich andere Unionsbürger als Arbeitnehmer oder
Selbstständige berufen können, als danach der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet ist,
Arbeitsuchenden während des Zeitraums, währenddessen sie ein Aufenthaltsrecht haben,
einen Anspruch auf Sozialhilfe einzuräumen. Lediglich Unionsbürger, die in den
Anwendungsbereich von Art. 39 EG/42 AEU fallen, haben Anspruch auf Gleichbehandlung.17
12
          EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009, verb. Rs. C-22/08 u. C-23/08 (Vatsouras u. Koupatantze) – in Slg. noch uv. (=
     Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl. 2009 S. 972 ff.; Informationsdienst Ausländerrecht (InfAUsLR) 2009, S.
     265 ff.; Informationen zum Arbeitslosen- und Sozialhilferecht (Info also) 2009, S. 216 ff.); dazu Schreiber,
     F., Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf dem gemeinschaftsrechtlichen Prüfstand. Die
     Fortentwicklung der EuGH-Rechtsprechung zur teilhaberechtlichen Dimension von Arbeitnehmer-
     freizügigkeit und Unionsbürgerschaft durch „Vatsouras Koupatantze“ – EuGH, Urteil vom 4. Juli 2009, C-
     22/08, Rs. C-23/08, in Slg. uv. (=info also) 2009, S. 195 ff.
13
          Vgl. auch EuGH, Rs. 53/81 (Levin), Slg. 1982, S. 1035, Rn. 15 u. 16; auch Rs. C-413/01 (Miniorasche),
     Slg. 2003, I-13187 Rn. 25
14
          Vgl. beispielsweise auch EuGH, Rs. C-138/02 (Collins), Slg. 2004, I-2703
15
          Vgl. in diesem Sinne auch Schreiber, aaO (Fn. 12), S. 196
16
          Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer
     Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ABl. EU
     Nr. L 158, S. 77 (in der jeweils geltenden Fassung)
17
          EuGH, Rs. C-258/04 (Ioannidis), Slg. 2005, I-8275 Rn. 21

                                                       11
Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10

Nach Einführung der Unionsbürgerschaft ist es im Lichte der Judikatur des Gerichtshofs ist es
somit nicht mehr möglich, vom Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 2 EG eine finanzielle
Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern
soll. Allerdings darf ein Mitgliedstaat die Gewährung einer solchen Beihilfe davon abhängig
machen, dass eine tatsächliche Verbindung des Arbeitsuchenden mit dem Arbeitsmarkt des
betreffenden Staates festgestellt worden ist.18

Die Entscheidung gehört zu den wenigen Urteilen des Europäischen Gerichthofs, die sich mit
den Problemen der Arbeitsförderung befassen, die doch im Zentrum der sozialpolitischen
Auseinandersetzungen in den Mitgliedstaaten steht, und wird aus diesem Grunde hier
angeführt.19




18
         EuGH, Rs. C-224/98 (D’Hoop), Slg. 2002, I-6191 Rn. 38; Rs. C-258/04 (Ioannidis), Slg. 2005, I-8275
     Rn. 30; auch Rs. C-158/07 (Förster), in Slg. noch uv.
19
         Zu einem Überblick über die Judikatur des EuGH insgesamt vgl. Schulte, B., Das Sozialrecht in der
     Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, in: Udsching, P./Rolfs, Ch. (Hg.), Jahrbuch des
     Sozialrechts, Bde. 1 (1976) – 31 (i. Vorb.)

                                                    12
Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10


Exkurs: Rolf Schuler, Rechtsprechung deutscher Gerichte zum
Europäischen Sozialrecht
                       – Fälle, die Österreich betreffen –

Auf dem deutschen TRESS-Seminar vom 28. Mai 2010 im Bundesministerium für
Gesundheit in Berlin hat u. a. der Vorsitzende Richter am Hessischen Landessozialgericht Dr.
Rolf Schuler über die Rechtsprechung deutscher Gerichte zum Europäischen Koordinierenden
Sozialrecht referiert. Aus diesen Entscheidungen werden im Folgenden diejenigen angeführt,
die auch Österreich betreffen.


Europarechtskonforme Reduzierung der Versorgungsbezüge durch zeitlich
begrenzte Berücksichtigung von Studienzeiten in Österreich

Inländische Pensionsleistungen eines ehemaligen Studiendirektors, dem auch Ansprüche auf
eine inländische Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine
Alterspension nach österreichischem Recht zustanden, wurden in der Weise auf den
Höchstbetrag des § 55 BeamtVG gekürzt, dass die in Österreich zurückgelegten
Ausbildungszeiten nicht mit der Mindeststudienzeit von vier Jahren und 183 Tagen, sondern
lediglich mit zwei Jahren und 123 Tagen als ruhegehaltsfähige Dienstzeit i. S. v. § 12 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 BeamtVG berücksichtigt wurden.
Mit Urteil vom 9.10.2008 (Az.: 3 BV 07.3490) hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof
(VGH) dieses Vorgehen bestätigt und darin auch keinen Verstoß gegen europäisches
Koordinierungsrecht erblickt.



Kurzarbeitergeld auch bei Auslandstätigkeit entsandter Mitarbeiter

Mit Beschluss vom 1.7.2009 (AZ: L 9 AL 109/09 B ER) hat das Bayerische
Landessozialgericht (LSG) in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einem
Unternehmen das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für den Ansprüche auf
Kurzarbeitergeld ihrer in Passau angestellten und in Österreich als Entsendekräfte tätigen
Arbeitnehmer bestätigt.




                                              13
Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10


Keine Betreuungsleistungen durch deutsche Krankenkasse im Auftrag
einer österreichischen Gebietskrankenkasse für beihilfeberechtigten
Pensionär mit Wohnsitz im Inland


Der 1934 geborene und in Deutschland wohnende Kläger bezieht neben einer deutschen auch
eine österreichische Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine deutsche
Beamtenpension. Er hatte die Aufnahme bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in
Graz beantrag, sich jedoch auch bei der Beklagten AOK Bayern freiwillig krankenversichert.
Aufgrund einer von der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse ausgestellten Bescheinigung E
121 begehrte der Kläger von der AOK Bayern die Erbringung von Sozialleistungen bei
Krankheit durch die Beklagte (AOK Bayern) als Betreuungsleistungen im Auftrag der
Steiermärkischen Gebietskrankenkasse.
Mit Urteil vom 10.06.2009 (Az.: L 4 KR 285/07) verneinte das Bayerische
Landessozialgericht (LSG) einen solchen Anspruch unter Hinweise auf Anhang VI Teil D
(Deutschland) Nr. 22 der Änderungs-VO 1606/98, wonach Art. 27 VO 1408/71 auf Personen
anwendbar ist, die sowohl auf ein Ruhegehalt nach dem Beamtenversorgungsrecht als auch
auf eine Renten nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates Anspruch haben.


Doppelt belegte Monate im Rahmen der rentensteigernden
Berücksichtigung fremdmitgliedstaatlicher Minizeiten

Der Träger eines Mitgliedstaats ist nach Art. 48 Abs. 1 VO 1408/71 abweichend von Art. 46
Abs. 2 VO 1408/71 nicht verpflichtet, Leistungen aus Zeiten zu gewähren, die nach den von
ihm angewendeten Rechtsvorschriften zurückgelegt wurden und im Zeitpunkt des
Versicherungsfalles zu berücksichtigen sind, wenn die Dauer dieser Zeiten weniger als ein
Jahr beträgt und aufgrund allein dieser Zeiten kein Leistungsanspruch nach diesen
Rechtsvorschriften erworben worden ist. Diese sog. Minizeiten werden vielmehr von dem
zuständigen Träger jedes anderen Mitgliedstaates auch rentensteigernd berücksichtigt (Art. 48
Abs. 2 VO 1408/71).
Mit Beschluss vom 23. 07. 2009 (Az.: L 14 R 480/08) hat das Bayerische LSG in einem
solchen Fall berücksichtigungspflichtiger österreichischer Minizeiten entschieden, dass für
den Kalendermonat, in welchem eine in einem anderen Mitgliedstaat (Österreich)
zurückgelegte Pflichtbeitragszeit mit einer in Deutschland zurückgelegten Pflichtbeitragszeit
zusammentrifft, die Entgeltpunkte für beide Pflichtbeitragszeiten zu ermitteln und

                                              14
Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10

berücksichtigen sind. Die österreichische Pflichtbeitragszeit werde nicht durch die deutsche
Pflichtbeitragszeit verdrängt.
Diesem Ergebnis stehe nicht ein allgemeiner Grundsatz entgegen, dass sich
Versicherungszeiten nicht überschneiden dürften; einen solchen allgemeinen Grundsatz gebe
es in diesem Zusammenhang nicht und lasse sich auch weder aus den Vorschriften der VO
1408/71 bzw. VO 574/72 ableiten, und auch Art. 15 Abs. 1 Buchst. a) VO 574/72 sei insoweit
nicht einschlägig.


Auch ein österreichischer Grenzgänger muss unter seiner Wohnanschrift
gemäß § 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB 3 i. V. m. § 1 Erreichbarkeitsanordnung
postalisch erreichbar sein

Bayerisches LSG, Urteil vom 29. 10. 2009 (Az.: L 9 AL 403/06): Wer im Antrag auf
Arbeitslosengeld einen Wohnort angibt, an dem er nie gewohnt hat, ist im Sinne der
Erreichbarkeitsordnung postalisch nicht erreichbar. Die Einrichtung eines Postfachs in
Deutschland, das dem deutschen Träger der Arbeitslosenversicherung nicht mitgeteilt worden
ist und auch sonst wie nicht bekannt geworden ist, ändert hieran nichts.
Auch in dem Abkommen zwischen Deutschland und Österreich über die
Arbeitslosenversicherung wurde von dieser Voraussetzung keine Befreiung für in Österreich
wohnende österreichische Versicherte vereinbart.




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2010 - Détermination de la législation applicable sous les Règlements 883/200...
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2010 - Aktuelle Judikatur des Europäischen Gerichtshofs zum Europäischen koordinierenden Sozialrecht

  • 1. Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10 Dr. Bernd Schulte Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht Amalienstr. 33, D-80799 München Tel.: (+49)089-38602-426 Fax: (+49)089-38602-490 E-Mail: schulte@mpisoc.mpg.de Aktuelle Judikatur des Europäischen Gerichts- hofs zum Europäischen koordinierenden Sozialrecht München, den 25. Juni 2010 1
  • 2. Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10 Rechtssache von Chamier-Glisczinski Das Urteil in der Rechtssache C-208/07 (von Chamier-Glisczinski)1 ist in Deutschland mit großer Erleichterung aufgenommen worden, ließen doch die Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi2 „Schlimmes befürchten“. Wäre der Gerichtshof ihnen gefolgt, so hätte dies an den Grundfesten des Koordinierungsrechts gerüttelt. (….) Insbesondere hätte das Urteil den Auftakt einer Kette von Entscheidungen sein können, die im Ergebnis zu massiven Leistungsausweitungen hätten führen können.3 (Dieser Stoßseufzer der Erleichterung stammt von Arno Bokeloh, dem ehemals für das Europäische koordinierende Sozialrecht im deutschen Bundesministerium für Arbeit und Soziales Verantwortlichen und als langjähriger deutscher Vertreter in der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit auch hierzulande kein Unbekannter.) Die Rechtssache von Chamier-Glisczinski st einmal mehr ein deutsch-österreichischer Beitrag zum „Fallrecht“ des Europäischen Gerichtshof zum Europäischen Recht der sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (wenn man die nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs auf Pflegeleistungen anwendbaren Vorschriften der Verordnungen über die soziale Sicherheit und die Vorschrift des Art. 34 VO 883/2004, die sie nunmehr in der Grundverordnung partiell in Gestalt einer Antikumulierungsvorschrift regelt und sie somit ausweist, mit diesem Etikett versehen kann.) Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, eine deutsche Staatsangehörige, wohnhaft in München, erhielt aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit von der Pflegekasse, bei der sie über ihren Ehemann familienversichert war, sog. Kombinationsleistungen von Sach- und Geldleistungen gemäß § 38 SGB XI nach der Pflegestufe III. Im Jahre 2001 beantragte die nach wie vor in Deutschland über ihren Ehemann familienversicherte, ihr die Sachleistungen, auf die sie nach deutschem Recht Anspruch hatte, in einem österreichischen Pflegeheim erbringen zu lassen. Dies wurde von dem zuständigen Träger mit der Begründung abgelehnt, dass das österreichische Recht keine Sachleistung vorsehe und die Anspruchstellerin deshalb lediglich Zahlung deutschen Pflegegeldes nach Österreich beanspruchen könne. Pflegegeld wurde ihr gemäß § 37 SGB XI auch nach Österreich gezahlt. Das deutsche Pflegegeld bleibt allerdings erheblich hinter der entsprechenden Pflegesachleistung zurück: gegenwärtig- im Jahre 2010 – jeweils 665 bzw. 1.510 Euro. 1 EuGH, Urt. v. 6. 7. 2009, Rs. C-208/07 (Von Chamier-Glisczinski ./. Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK)) – in Slg. noch uv. vgl. dazu bereits EuGH, C-160/96 (Molenaar), Slg. 1998, I-43 Rn. 23; Rs. C-215/99 (Jauch), Slg. 2001, I- 1901 Rn. 28; Rs. C-502/01 (Gaumain-Cerri u. Barth), Slg. 2003, I-6483; Rs. C-286/03 (Hosse), Slg. 2006, I-1771 Rn. 38; dazu Schulte, B., Pflege in Europa – Teil 2, Sozialrecht in Deutschland und Europa (ZFSH/SGB) 2009, S. 15 f.; Rs. C-212/06 (Regierung der Französischen Gemeinschaft und Wallonische Regierung ./. Flämische Regierung) – in Slg. noch uv.; Informationsdienst zum Europäischen Arbeits- und Sozialrecht (= EuroAS 2008, S. 77 ff.) 2 Schlussanträge des v. 11. 9. 2008 in der Rechtssache C-208/07 – in Slg. noch uv. (zur Quelle unveröffentlichter Entscheidungen und Schlussanträge generell: http://curia.europa.eu/juris.cpi-bin-gettext- pl?where-lang-&) 3 So Bokeloh, A., Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 16. Juli 2009 und seine Bedeutung für die deutsche Pflegeversicherung, Kompass 2009, H. 11/12, S. 9 ff., 9 2
  • 3. Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10 Auf Vorabentscheidungsersuchen des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) München, hat der EuGH zunächst einmal bekräftigt, dass Leistungen bei Pflegebedürftigkeit in den sachlichen Geltungsbereich 1408/71 fallen ( und entsprechendes gilt auch für die neuen Verordnungen (EG) Nr. 883/04 und 9897/09, in denen die Pflegebedürftigkeit als soziales Risiko – in Art. 34 VO 883/04 – ausdrücklich erwähnt wird und in Gestalt einer Antikumulierungsvorschrift, wie schon erwähnt eine erste Regelung erhalten hat). In der vorliegenden Rechtssache hat der EuGH entschieden, dass Art. 19 Buchst. a VO 1408/71 einem Arbeitnehmer oder Selbstständigen, der in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat (hier: Österreich) wohnt, gegenüber dem Träger seines Wohnorts keinen Anspruch auf Sachleistungen für Rechnung des zuständigen Trägers (hier: der deutschen Pflegekasse) einräumt, wenn es im Wohnstaat keine Sachleistungen zur Absicherung des Pflegerisikos gibt. Allerdings steht das Europäische Recht der Gewährung solcher Leistungen in Form der Kostenerstattung durch den zuständigen Träger nach dem für ihn geltenden nationalen Recht auch nicht entgegen. Anzumerken ist, dass der EuGH die Erstattung in einem anderen Mitgliedstaat entstandener Kosten für die Inanspruchnahme stationärer Pflegeleistungen als Sachleistung qualifiziert hat. Die Weigerung des zuständigen (hier: deutschen) Trägers, Kosten für einen Aufenthalt in einem Pflegeheim eines anderen Mitgliedstaats (hier: Österreich) in der Höhe zu übernehmen, die dem zuständigen Mitgliedstaat gewährt worden wäre, ist auch mit der Vorschrift des Art. 18 EG – heute 20 AEU – über die Unionsbürgerschaft vereinbar. Nach ständiger Rechtsprechung hat ein Unionsbürger in allen Mitgliedstaaten Anspruch auf die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen dieses Staates, die sich in der gleichen Situation befinden, und ist deshalb ist eine ungünstigere Behandlung unzulässig.4 Diese Rechtsprechung lässt sich nach Auffassung des EuGH allerdings nicht auf eine Situation übertragen, in der ein Pflegeversicherter Erstattung der ihm aus Anlass des Aufenthalts in einer Einrichtung eines anderen Mitgliedstaats entstandenen Kosten in der Höhe verlangt, wie sie in seinem Heimatstaat entstanden wären. Mithin sind deutsche Pflegesachleistungen nicht in einem anderen Mitgliedstaat zu erbringen, wenn dieser derartige Leistungen seinerseits nicht kennt. Der Umstand, dass – bei aller gebotenene Wahrung des Anwendungsvorrangs des Europäischen Rechts – die Mitgliedstaaten grundsätzlich nach wie vor für die Ausgestaltung ihrer sozialen Sicherungssysteme allein zuständig sind, kann also durchaus dazu führen, dass 4 Vgl. EuGH, Rs. C-520/04 (Turpeinen) Slg. 2006, I-10685 Rn. 20; Rs. C-224/98 (D’Hoop), Slg. 2002, I- 6191 Rn. 30; Rs. C-224/02 (Pusa), Slg. 2004, I-5763 Rn. 18 3
  • 4. Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10 die Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat zu einer Verschlechterung der sozialen Absicherung führt. Das Ergebnis führt zu einer – nicht zuletzt auch sozialpolitisch erwünschten – Gleichbehandlung von Zuwanderern aus anderen EU-Staaten mit den Versicherten des Wohnstaates und schließt damit eine Besserstellung im Vergleich zu einheimischen Versicherten aus. Ferner enthebt diese Rechtslage die zuständigen Stellen des aushelfenden Wohnstaates (hier: Österreich) auch der Verpflichtung, ggf. Sachleistungen nach dem System eines anderen Mitgliedstaats (hier: Deutschland) erbringen zu müssen, ohne mit den Modalitäten der Leistungserbringung hinreichend vertraut zu sein. Im aushelfenden „Betreuungsstaat“ wenden die dort zuständigen Stellen lediglich ihre eigenes Recht an. Die Entscheidung fiel entgegen dem Votum von Generalanwalt Mengozzi (auch Beleg dafür, dass der Gerichtshof keineswegs „in der Regel“, wie es in der Öffentlichkeit so häufig heißt, den Schlussanträgen von Generalanwälten und Generalanwältinnen folgt). Der Generalanwalt hat sich offensichtlich an der Rechtsprechung des EuGH zur grenzüberschreitenden Inanspruchnahme medizinischer Behandlungsleistungen orientierte,5 (was den aus der Sachnähe von Gesundheitsleistungen und Pflegeleistungen abgeleiteten und deshalb zu weiten Teilen einander entsprechenden Regelungen der beiden Problemkreise sowohl im Europäischen Koordinierungsrecht als auch im Rahmen der offenen Methode der Koordinierung (OMK) Gesundheitswesen und Langzeitpflege entsprochen hätte). Im Ergebnis hat der Gerichtshof demgegenüber wohl doch zurecht davon abgesehen, unter Berufung auf das Primärrecht über die Unionsbürgerschaft das koordinationsrechtliche Sekundärrecht „auszuhebeln“ und damit Konsequenzen nicht nur für das Pflegeversicherungsrecht, sondern auch für das Krankenversicherungsrecht heraufzubeschwören, für das man konsequenterweise zu einem entsprechenden Ergebnis kommen müsste. Ergänzend sei angemerkt, dass der Gerichtshof wohl auch zurecht verneint hat, dass sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens auf die Dienstleistungsfreiheit berufen konnte, war sie doch nach Österreich verzogen, um dort auf Dauer ihren Wohnsitz zu nehmen, und hatte sie somit nicht nur vorübergehend – wie für die Dienstleistungsfreiheit erforderlich – Leistungen in Anspruch nehmen wollen. Einmal mehr zeigt sich im Übrigen, dass die Nähe von Deutschland, Österreich und die 5 Vgl. dazu Fn. 18 4
  • 5. Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10 Häufigkeit grenzüberschreitender Tatbestände zu einer Fülle von koordinationsrechtlichen Problemen führt. (Auch einige der zu diesem Seminar vorab eingereichten Fragen aus dem Teilnehmerkreis berühren ja diese beiden Länder.) 5
  • 6. Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10 Rechtssache Leymann Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war von 1971 – 2003 in Belgien als Arbeitnehmerin beschäftigt. Seit 1999 wohnt sie in Luxemburg und seit 2003 war sie dem dortigen Sozialversicherungssystem angeschlossen. Im Jahre 2005 wurde sie von den zuständigen belgischen Behörden als bis zum Zeitpunkt ihrer Versetzung in den Ruhestand arbeitsunfähig erklärt. Aufgrund ihrer in Luxemburg zurückgelegten Versicherungszeiten erhielt sie eine Invaliditätsentschädigung. In Belgien wurde ihr eine Invaliditätsrente hingegen erst von 2006 an gewährt, weil nach belgischem Recht erst nach Ablauf eines Jahres eine Invaliditätsrente zuerkannt wird. (In Belgien erhält ein Arbeitnehmer, der arbeitsunfähig wird, im ersten Jahr der Arbeitsunfähigkeit lediglich eine sog. Entschädigung wegen primärer Arbeitsunfähigkeit und erst im Anschluss daran bei Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit eine Invaliditätsentschädigung.) Im Belgischen Rechte ist die Invaliditätsrente von der Dauer der Versicherungszeit unabhängig. Im Luxemburgischen Recht besteht der Anspruch auf eine Invaliditätsrente ab dem 1. Tag der Beendigung der beruflichen Tätigkeit, sofern die Arbeitsunfähigkeit als endgültig und dauerhaft anerkannt worden ist. Die Höhe der Invaliditätsrente richtet sich nach der Dauer der Versicherungszeit. Das Abkommen zwischen Belgien und Luxemburg über die soziale Sicherheit der Grenzgänger und das abschlussprotokoll sehen für Wanderarbeitnehmer die Zahlung einer belgischen Invaldititätsentschädigung vor Ablauf der sog. primären Arbeitsunfähigkeit vor. 6
  • 7. Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10 Art. 40 Abs. 3 VO 1408/716 regelt den Fall, dass ein Arbeitnehmer, der in einem Mitgliedstaat den Rechtsvorschriften des Typs A unterlag, nach denen die Gewährung von Leistungen bei Invalidität davon abhängig ist, dass die betreffende Person während eines bestimmten Zeitraums Geldleistungen bei Krankheit erhalten hat oder arbeitsunfähig gewesen ist, im Anschluss an eine Arbeitsunfähigkeit zu einer Zeit Invalide wird, in der er den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats des „Typs B“ unterliegt. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Verordnung Nr. 1408/71 zur Koordinierung der Invaliditätssicherungssysteme der Mitgliedstaaten danach unterscheidet, ob eine Person ausschließlich Rechtsvorschriften unterlag, bei denen die Höhe der Leistungen von der Dauer der Versicherungszeiten unabhängig ist (sog. Rechtsvorschriften des „Typs A“) - z. B. Belgien oder ob er entweder ausschließlich Rechtsvorschriften unterlag, nach denen die Höhe der Leistungen von dieser Dauer abhängt (sog. Rechtsvorschriften des „Typs B“) oder Rechtsvorschriften dieser beiden Typen – z. B. Luxemburg. Auf diesen Fall bezieht sich Art. 40. Die Koordinierung gebietet dann zum einen, alle Zeiten zu berücksichtigen, in denen der Arbeitnehmer nach dem Recht des zweiten Mitgliedstaats entweder Geldleistungen bei Krankheit oder eine Lohnfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit oder Leistungen wegen der im Anschluss an diese Arbeitsunfähigkeit eingetreten Invalidität erhalte hat, als handele es sich um einen Zeitraum, in dem ihm entweder nach dem Recht des ersten Mitgliedstaats 6 Die Bestimmung lautet: (3) (a) Für die Feststellung des Leistungsanspruchs nach den in Anhang IV Teil A aufgeführten Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die die Gewährung vonLeistungen bei Invalidität davon abhängig machen, dass die betreffende Person während eines bestimmten Zeitraums Geldleistungen bei Krankheit erhalten hat oder arbeitsunfähig war, wird bei einem Arbeitnehmer oder Selbstständigen, für den diese Rechtsvorschriften galten oder der im Anschluss an eine Arbeitsunfähigkeit in einer Zeit Invalide wird, in der die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats für ihn gelten, unbeschadet des Artikels 37 Absatz 1 jeder Zeitraum für den er i) wegen dieser Arbeitsunfähigkeit nach den Rechten des zweiten Mitgliedstaats Geldleistungen bei Krankheit oder weiter lohn erhalten hat, ii) wegen der auf diese Arbeitsunfähigkeit folgende Invalidität nach den Rechtsvorschriften des Zweiten Mitgliedstaats Leistungen im Sinne des vorliegenden Kapitels II und III erhalten hat.so berücksichtigt, als ob es sich um einen Zeitraum handelte, in dem er nach den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats Geldleistungen bei Krankheit erhalten hat oder nach diesen Rechtsvorschriften arbeitsunfähig war.b) Der Anspruch auf Leistungen bei Invalidität entsteht nach den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats entweder bei Ablauf des in diesen Rechtsvorschriften geforderten voraufgehenden Zeitraums des Bezugs von Geldleistungen bei Krankheit oder der Lohnfortzahlung oder bei Ablauf des in diesen Rechtsvorschriften geforderten voraufgehenden Zeitraums der Arbeits- unfähigkeit, frühestens jedoch i) zum Zeitpunkt der Begründung des Anspruchs auf Leistungen gemäß Buchst. a) Ziff. ii) nach den Rechtsvorschriften des zweiten Mitgliedstaats oder ii) am Tag nach dem letzten Tag, an dem der Betroffene nach den Rechtsvorschriften des zweiten Mitgliedstaats Anspruch auf Geldleistungen bei Krankheit hat“.) In den in Bezug genommenen Anhang IV Teil A der VO 1408/71 wird die belgische allgemeine Identitätsregelung als eine der geltenden Rechtsvorschriften des Typs erwähnt, auf den sich Art. 37 Abs. 1 der Verordnung bezieht, nicht jedoch die luxemburgische Regelung. In Anhang V VO 1408/71 wird die Übereinstimmung zwischen der belgischen allgemeinen Invaliditätsregelung und der Invalditätsregelung für Arbeiter und Angestellte des Großherzogtums Luxemburg im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale der Invalidität anerkannt. 7
  • 8. Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10 Geldleistungen bei Krankheit gewährt wurden oder in dem er arbeitsfähig im Sinne dieser Rechtsvorschriften war (Buchst. a); zum anderen ist vorgesehen, dass der Leistungsanspruch nach dem Recht des ersten Mitgliedstaats entweder bei Ablauf des voraufgehenden Zeitraums des Bezugs von Geldleistungen bei Krankheit oder bei Ablauf des in diesen Rechtsvorschriften geforderten früheren Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit eingetretenen Invalidität oder am Tag nach dem letzten Tag, an dem der Betreffende nach den Rechtsvorschriften des zweiten Mitgliedstaats Anspruch auf Geldleistungen bei Krankheit hat. Es handelt sich also um zwei verschiedene Arten von Koordinierungsregeln: Einmal werden mit der Regel nach Art. 40 Abs. 3 Buchst. a die Ereignisse zusammengefasst, die in den nach den Rechtsvorschriften des zweiten Mitgliedstaats zurückgelegten Zeiten eingetreten sind, um zu prüfen, ob die nach den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats für den Erwerb eines Anspruchs auf Leistungen bei Invalidität erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, und zum zweiten sieht die in Buchst. b festgelegte Regel für den Erwerb eines Anspruchs auf Leistungen bei Invalidität im ersten Mitgliedstaat eine zeitliche Grenze vor, indem sie diesem insbesondere die Möglichkeit einräumt, die Gewährung dieser Leistungen vom Ablauf eines vorherigen Zeitraums abhängig zu machen, in dem der Betroffene entweder arbeitsunfähig war oder in dem ihm Geldleistungen bei Krankheit gewährt wurden. Aus Art. 39 EG/45 AEU folgt allerdings nach Auffassung des Gerichtshofs, dass es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats verwehrt ist, nationale Rechtsvorschriften anzuwenden, die im Einklang mit Art. 40 Abs. 3 Buchst. b den Anspruch auf Invaliditätsleistungen vom Ablauf eines einjährigen Zeitraums primärer Arbeitsunfähigkeit abhängig machen, wenn dies dazu führt, dass ein Wanderarbeitnehmer an das System der sozialen Sicherheit dieses Mitgliedstaats Beitragsleistungen ohne Anspruch auf Gegenleistungen erbringt und auf diese Weise gegenüber einem „sesshaften“, d.h. nicht „wandernden“ Arbeitnehmer benachteiligt wird.7 Die Entscheidung der luxemburgischen Behörden über die Invalidität der Klägerin nach Maßgabe des Art. 40 Abs. 4 i. V. m. Anhang V VO 1408/71 war im Übrigen für die belgischen Träger verbindlich, da in Anhang V VO 1408/71 die Übereinstimmung der Tatbestandsmerkmale der Invalidität zwischen der belgischen und der luxemburgischen Regelung anerkannt ist (eine Regelung, für die es in Deutschland und Österreich keine Entsprechung gibt). 7 EuGH, Urt. v. 1. 10. 2009 (Leymann) – in Slg. noch uv. (= EuroAS 2009, S. 147 f.); Leymann ./. Institut National d’assurance maladie-invalidité (INAMS), Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal du Travail Nivelles (Belgien) 8
  • 9. Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10 Schließlich sei angemerkt, dass der Gerichtshof auf den Art. 10 EG niedergelegten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten verwiesen hat, um die Verpflichtung zu begründen, alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um den Zweck des Art. 39 EG zu erreichen.8 Das neue Koordinierungsrecht der VO’en 883/04 und 987/09 hat diese Verpflichtung zur Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten noch unterstrichen. (i. S. einer Art „Prinzip der Zusammenarbeit“ als tragendes Element des Koordinierungsrechts). In verfahrensmäßiger Hinsicht ist nachzutragen, dass die Vorlagefragen sich auf die Vereinbarkeit der sekundärrechtlichen Regelung des Art. 40 Abs. 3 Buchst. b VO 1408/71 i. V. mit dem zur Anwendbarkeit gelangenden Vorschriften des nationalen Rechts auf die Vereinbarkeit mit Art. 18 EG/20 AEU bezogen. Der Gerichtshof hat jedoch die Vorrangigkeit der Art. 39 EG/45 AEU und 42 EG/48 AEU) festgestellt und deshalb die Vereinbarkeit mit diesen Rechtsvorschriften geprüft. Die Freizügigkeit der Unionsbürger wird für Arbeitnehmer gegenüber Art. 18 EG/20 AEU in der Vorschrift des Art. 39 EG/45 AEU konkretisiert. 9 8 EuGH, Rs. C-165/91 (van Munster), Slg. 1994, I-4661, Rn. 18 9 EuGH, Rs. C-392/05 (Alevizios), Slg. 2007, I-3505 Rn. 66; Rs. C-287/05 (Hendrix), Slg. 2007, I-6909 Rn. 61 9
  • 10. Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10 Rechtssache Slanina Im Ausgangsverfahren der Rechtssache Slanina10 ging es um ein Vorabentscheidungsersuchen im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einer geschiedenen Österreicherin, die ihren Wohnsitz nach Griechenland verlegt hatte, und der zuständigen österreichischen Familienbeihilfestelle. In ihrem neuen Wohnstaat war die Klägerin des Ausgangsverfahrens weder beschäftigt noch arbeitslos gemeldet. Gemäß Art. 73 VO 1408/71 hat ein Arbeitnehmer oder Selbstständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen in dem für ihn zuständigen Mitgliedstaat, als ob diese Familienangehörigen auch dort wohnten. Die Ratio dieser Vorschrift besteht darin sicherzustellen, dass den Angehörigen eines Familienleistungsberechtigten, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gleichwohl die im zuständigen Staat vorgesehenen Familienleistungen gewährt werden.11 Sofern, als das Kind der Klägerin nach dem diesbezüglich maßgebenden nationalen (hier: österreichischen) Recht als „Familienangehöriger“ i. S. d. Art. 1 Buchst. f Ziff. VO 1408/71 anzusehen war, stand der geschiedenen Ehefrau, die von dem zuständigen Träger ihres früheren Beschäftigungs- und Wohnstaates (Österreich) bisher bereits Familienbeihilfe erhalten hatte, diese Leistung auch weiterhin zu, obwohl sie sich in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen hatte, auch wenn der frühere Ehegatte die betreffende Leistung in seinem Wohnmitgliedstaat beziehen hätte können. Der Umstand, dass die Ehefrau in ihrem neuen Wohnmitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit aufnähme, würde allerdings ein Ruhen des Anspruchs auf diese Leistung in dem Umfang auslösen, in welchem sie aufgrund ihrer Beschäftigung in ihrem Wohnstaat gleichfalls einen Anspruch auf Familienleistungen hätte – dies nach Maßgabe der „Antikumulierungs-Regel“ des Art. 76 VO 1408/71 10 EuGH, Urt. v. 26.11.2009, Rs. C-363/08 (Slanina ./. Unabhängiger Finanzsenat, Außenstelle Wien) – in Slg. noch uv. 11 EuGH, verb. Rs. C-45/94 u. C-312/94 (Hoever u . Zachow), Slg. 1996, I-4895 Rn. 32; Rs. C-255/90 (Humer), Slg. 2002, I-1205 Rn. 39 10
  • 11. Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10 Rechtssache Vatsouras/Koupatantze In den verbundenen Rechtssachen Vatsouras u. Koupatantze12 hat der Europäische Gerichtshof seine bisherige Judikatur bekräftigt, wonach der primärrechtliche Arbeitnehmerbegriff des Art. 39 EG/42 AEU weit auszulegen ist und auch kurzzeitige und nicht existenzsichernde Beschäftigungen umfasst (im Ausgangsverfahren des Klägers Koupatantze eine Beschäftigung von lediglich 7 ½ Wochen).13 Er hat auch betont, dass der primärrechtliche Diskriminierungsschutz zugunsten von Arbeitnehmern auch finanzielle Leistungen erfasst, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen.14 Gleichwohl bleibt die Frage, ob der Arbeitnehmerbegriff des Art. 39 EG/42 AEU auch arbeitsuchende Personen umfasst, letztlich sich noch unbeantwortet, da der Gerichtshof in der Begründung des Anspruchs auf Gleichbehandlung auf die Vorschriften über die Unionsbürgerschaft (Art. 12 u. 18 EG/18 u. 20 AEU) verweist und nicht auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 39 EG/42 AEU) abstellt.15 Wesentliches Merkmal eines Arbeitsverhältnisses ist, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistung erbringt und dafür als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Weder die begrenzte Höhe der Vergütung noch die Herkunft der Mittel für diese Vergütung haben irgendeine Auswirkung auf die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des EU-Rechts. Art. 24 Abs. 2 RL 2004/3816 enthält demgegenüber insofern eine Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz, auf den sich andere Unionsbürger als Arbeitnehmer oder Selbstständige berufen können, als danach der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet ist, Arbeitsuchenden während des Zeitraums, währenddessen sie ein Aufenthaltsrecht haben, einen Anspruch auf Sozialhilfe einzuräumen. Lediglich Unionsbürger, die in den Anwendungsbereich von Art. 39 EG/42 AEU fallen, haben Anspruch auf Gleichbehandlung.17 12 EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009, verb. Rs. C-22/08 u. C-23/08 (Vatsouras u. Koupatantze) – in Slg. noch uv. (= Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl. 2009 S. 972 ff.; Informationsdienst Ausländerrecht (InfAUsLR) 2009, S. 265 ff.; Informationen zum Arbeitslosen- und Sozialhilferecht (Info also) 2009, S. 216 ff.); dazu Schreiber, F., Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf dem gemeinschaftsrechtlichen Prüfstand. Die Fortentwicklung der EuGH-Rechtsprechung zur teilhaberechtlichen Dimension von Arbeitnehmer- freizügigkeit und Unionsbürgerschaft durch „Vatsouras Koupatantze“ – EuGH, Urteil vom 4. Juli 2009, C- 22/08, Rs. C-23/08, in Slg. uv. (=info also) 2009, S. 195 ff. 13 Vgl. auch EuGH, Rs. 53/81 (Levin), Slg. 1982, S. 1035, Rn. 15 u. 16; auch Rs. C-413/01 (Miniorasche), Slg. 2003, I-13187 Rn. 25 14 Vgl. beispielsweise auch EuGH, Rs. C-138/02 (Collins), Slg. 2004, I-2703 15 Vgl. in diesem Sinne auch Schreiber, aaO (Fn. 12), S. 196 16 Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ABl. EU Nr. L 158, S. 77 (in der jeweils geltenden Fassung) 17 EuGH, Rs. C-258/04 (Ioannidis), Slg. 2005, I-8275 Rn. 21 11
  • 12. Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10 Nach Einführung der Unionsbürgerschaft ist es im Lichte der Judikatur des Gerichtshofs ist es somit nicht mehr möglich, vom Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 2 EG eine finanzielle Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern soll. Allerdings darf ein Mitgliedstaat die Gewährung einer solchen Beihilfe davon abhängig machen, dass eine tatsächliche Verbindung des Arbeitsuchenden mit dem Arbeitsmarkt des betreffenden Staates festgestellt worden ist.18 Die Entscheidung gehört zu den wenigen Urteilen des Europäischen Gerichthofs, die sich mit den Problemen der Arbeitsförderung befassen, die doch im Zentrum der sozialpolitischen Auseinandersetzungen in den Mitgliedstaaten steht, und wird aus diesem Grunde hier angeführt.19 18 EuGH, Rs. C-224/98 (D’Hoop), Slg. 2002, I-6191 Rn. 38; Rs. C-258/04 (Ioannidis), Slg. 2005, I-8275 Rn. 30; auch Rs. C-158/07 (Förster), in Slg. noch uv. 19 Zu einem Überblick über die Judikatur des EuGH insgesamt vgl. Schulte, B., Das Sozialrecht in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, in: Udsching, P./Rolfs, Ch. (Hg.), Jahrbuch des Sozialrechts, Bde. 1 (1976) – 31 (i. Vorb.) 12
  • 13. Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10 Exkurs: Rolf Schuler, Rechtsprechung deutscher Gerichte zum Europäischen Sozialrecht – Fälle, die Österreich betreffen – Auf dem deutschen TRESS-Seminar vom 28. Mai 2010 im Bundesministerium für Gesundheit in Berlin hat u. a. der Vorsitzende Richter am Hessischen Landessozialgericht Dr. Rolf Schuler über die Rechtsprechung deutscher Gerichte zum Europäischen Koordinierenden Sozialrecht referiert. Aus diesen Entscheidungen werden im Folgenden diejenigen angeführt, die auch Österreich betreffen. Europarechtskonforme Reduzierung der Versorgungsbezüge durch zeitlich begrenzte Berücksichtigung von Studienzeiten in Österreich Inländische Pensionsleistungen eines ehemaligen Studiendirektors, dem auch Ansprüche auf eine inländische Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine Alterspension nach österreichischem Recht zustanden, wurden in der Weise auf den Höchstbetrag des § 55 BeamtVG gekürzt, dass die in Österreich zurückgelegten Ausbildungszeiten nicht mit der Mindeststudienzeit von vier Jahren und 183 Tagen, sondern lediglich mit zwei Jahren und 123 Tagen als ruhegehaltsfähige Dienstzeit i. S. v. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG berücksichtigt wurden. Mit Urteil vom 9.10.2008 (Az.: 3 BV 07.3490) hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) dieses Vorgehen bestätigt und darin auch keinen Verstoß gegen europäisches Koordinierungsrecht erblickt. Kurzarbeitergeld auch bei Auslandstätigkeit entsandter Mitarbeiter Mit Beschluss vom 1.7.2009 (AZ: L 9 AL 109/09 B ER) hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einem Unternehmen das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für den Ansprüche auf Kurzarbeitergeld ihrer in Passau angestellten und in Österreich als Entsendekräfte tätigen Arbeitnehmer bestätigt. 13
  • 14. Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10 Keine Betreuungsleistungen durch deutsche Krankenkasse im Auftrag einer österreichischen Gebietskrankenkasse für beihilfeberechtigten Pensionär mit Wohnsitz im Inland Der 1934 geborene und in Deutschland wohnende Kläger bezieht neben einer deutschen auch eine österreichische Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine deutsche Beamtenpension. Er hatte die Aufnahme bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in Graz beantrag, sich jedoch auch bei der Beklagten AOK Bayern freiwillig krankenversichert. Aufgrund einer von der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse ausgestellten Bescheinigung E 121 begehrte der Kläger von der AOK Bayern die Erbringung von Sozialleistungen bei Krankheit durch die Beklagte (AOK Bayern) als Betreuungsleistungen im Auftrag der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse. Mit Urteil vom 10.06.2009 (Az.: L 4 KR 285/07) verneinte das Bayerische Landessozialgericht (LSG) einen solchen Anspruch unter Hinweise auf Anhang VI Teil D (Deutschland) Nr. 22 der Änderungs-VO 1606/98, wonach Art. 27 VO 1408/71 auf Personen anwendbar ist, die sowohl auf ein Ruhegehalt nach dem Beamtenversorgungsrecht als auch auf eine Renten nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates Anspruch haben. Doppelt belegte Monate im Rahmen der rentensteigernden Berücksichtigung fremdmitgliedstaatlicher Minizeiten Der Träger eines Mitgliedstaats ist nach Art. 48 Abs. 1 VO 1408/71 abweichend von Art. 46 Abs. 2 VO 1408/71 nicht verpflichtet, Leistungen aus Zeiten zu gewähren, die nach den von ihm angewendeten Rechtsvorschriften zurückgelegt wurden und im Zeitpunkt des Versicherungsfalles zu berücksichtigen sind, wenn die Dauer dieser Zeiten weniger als ein Jahr beträgt und aufgrund allein dieser Zeiten kein Leistungsanspruch nach diesen Rechtsvorschriften erworben worden ist. Diese sog. Minizeiten werden vielmehr von dem zuständigen Träger jedes anderen Mitgliedstaates auch rentensteigernd berücksichtigt (Art. 48 Abs. 2 VO 1408/71). Mit Beschluss vom 23. 07. 2009 (Az.: L 14 R 480/08) hat das Bayerische LSG in einem solchen Fall berücksichtigungspflichtiger österreichischer Minizeiten entschieden, dass für den Kalendermonat, in welchem eine in einem anderen Mitgliedstaat (Österreich) zurückgelegte Pflichtbeitragszeit mit einer in Deutschland zurückgelegten Pflichtbeitragszeit zusammentrifft, die Entgeltpunkte für beide Pflichtbeitragszeiten zu ermitteln und 14
  • 15. Bswu4589/18.6./22.6./24.6./25.6.10 berücksichtigen sind. Die österreichische Pflichtbeitragszeit werde nicht durch die deutsche Pflichtbeitragszeit verdrängt. Diesem Ergebnis stehe nicht ein allgemeiner Grundsatz entgegen, dass sich Versicherungszeiten nicht überschneiden dürften; einen solchen allgemeinen Grundsatz gebe es in diesem Zusammenhang nicht und lasse sich auch weder aus den Vorschriften der VO 1408/71 bzw. VO 574/72 ableiten, und auch Art. 15 Abs. 1 Buchst. a) VO 574/72 sei insoweit nicht einschlägig. Auch ein österreichischer Grenzgänger muss unter seiner Wohnanschrift gemäß § 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB 3 i. V. m. § 1 Erreichbarkeitsanordnung postalisch erreichbar sein Bayerisches LSG, Urteil vom 29. 10. 2009 (Az.: L 9 AL 403/06): Wer im Antrag auf Arbeitslosengeld einen Wohnort angibt, an dem er nie gewohnt hat, ist im Sinne der Erreichbarkeitsordnung postalisch nicht erreichbar. Die Einrichtung eines Postfachs in Deutschland, das dem deutschen Träger der Arbeitslosenversicherung nicht mitgeteilt worden ist und auch sonst wie nicht bekannt geworden ist, ändert hieran nichts. Auch in dem Abkommen zwischen Deutschland und Österreich über die Arbeitslosenversicherung wurde von dieser Voraussetzung keine Befreiung für in Österreich wohnende österreichische Versicherte vereinbart. 15