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Paten für Kinder in Esmeraldas/San Lorenzo e.V.
Mönchstr. 43, 33790 Halle IBAN: DE97 4805 1580 0000 0396 85
Tel.: 05201-9892 Swift-BIC: WELADED1HAW
e-mail: Paten-fuer-Kinder@web.de GläubigerIdent.-Nr.:
DE33ZZZ00000073580
Links:
https://www.slideshare.net/EcoClub-San-Lorenzo http://vimeo.com/86573541
www.facebook.com/EcoClub.SanLorenzo https://www.bildungsspender.de/ecoclub
I – 2018
Früher als sonst schicken wir aus aktuellem Anlass den ersten Rundbrief.
Leider hat sich die Lage in und um San Lorenzo deutlich verschlechtert. Noch im letzten Sommer
hatten uns alle versichert, dass es in San Lorenzo ruhiger und sicherer geworden ist, so dass ich
ohne Probleme in der Cabaña übernachtet hatte.
Wie im Jahresbericht erwähnt, explodierte dann am 27. Januar vor dem Polizeipräsidium eine Au-
tobombe, eine bis dahin im Land unbekannte Form der organisierten Gewalt. Den Berichten zufolge
kam nur deshalb beim Attentat niemand zu Tode, weil man die Bewohner der benachbarten Häuser
gewarnt hatte, das Haus lieber zu verlassen. So blieb es bei circa 30 Verletzten und hohen Sach-
schäden, unter anderem 14 völlig zerstörten und mehr als 50 beschädigten Häusern, so dass mehr
als 100 Personen nach erster Zuflucht in den Kirchen nun entweder um die Reparatur Ihrer Häuser
kämpfen, oder nach Esmeraldas bzw. zu Verwandten in der Region ziehen mussten.
Es wurde der Ausnahmezustand verhängt und die Ermittlungen konzentrierten sich schnell auf ein
bereits bekanntes Mitglied der FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia = Revolutio-
näre Streitkräfte Kolumbiens), das nach dem Friedensabkommen in Kolumbien zwischen Regierung
und FARC Guerilla nicht die Waffen niedergelegt hat, sondern mit einer Gruppe von geschätzten
100 weiteren bewaffneten Dissidenten das Grenzgebiet im Süden Kolumbiens und Norden Ecua-
dors kontrolliert. Die kolumbianische Regierung benennt diese Dissidenten auch als BACRIM (ban-
das criminales emergentes = auftauchende oder aufstrebende kriminelle Banden) bzw. GAO (gru-
pos armados organizados = bewaffnete organisierte Gruppierungen). In Ecuador handelt es sich
insbesondere um den Ecuadorianer Walter Patricio Arizala Vernaza, der sich Guacho nennt. Es gibt
bisher wenige Daten über ihn.
Es folgten weitere Anschläge. Beim schwersten in Mataje, ca. 16 km vor San Lorenzo, wurden drei
Soldaten getötet und elf verletzt. Mataje war bereits 2003 (und davor), als Anne in San Lorenzo
lebte, eine wahrhaftige „no-go“ Zone. Brutale Banden- und Lynchmorde gehörten ebenso zum All-
tag, wie gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen kolumbianischen Paramilitärs und Mitglie-
dern der FARC Guerrilla.
Erhöhte Präsenz von Militär und Polizei, Straßen- und Ausgangssperren konnten aber nicht verhin-
dern, dass am 26. März ein Journalist, ein Fotograf und deren Fahrer der Tageszeitung El Comer-
cio aus Quito in der Nähe von Mataje entführt wurden. Am 3. April wurde einem kolumbianischen
Fernsehsender ein Video zugespielt, in dem die drei Entführten die Forderungen der Entführer vor-
trugen: die Freilassung drei Inhaftierter in Ecuador als Austausch und die Aufkündigung des recht
frisch unterzeichneten Vertrages zur Zusammenarbeit zwischen Ecuador und Kolumbien zur Be-
kämpfung von Drogen und Terrorismus.
Am 13. April musste Präsident Moreno bestätigen, dass die Entführten tot sind.
Eine wirklich dramatische Zäsur. Konnte man sich vorher noch relativ gut damit beruhigen, dass es
sich um Bandenkriege und Machtstrukturen zwischen Drogenmafia und Polizei/Militär handelt und
man als (hellhäutiger) Zivilist einigermaßen sicher ist, greift das nun nicht mehr. Inzwischen gibt es
aber leider – das ist wirklich erschreckend - auch schon einen neuen Entführungsfall von einem
jungen Paar aus Santo Domingo, das nach San Lorenzo unterwegs war.
10.000 ecuadorianische Soldaten und Polizisten sollen jetzt die Situation in der Grenzregion unter
Kontrolle bringen und öffentliche und strategische Einrichtungen wie Krankenhäuser schützen. Die
Bevölkerung von San Lorenzo und den umliegenden Dörfern glaubt nicht an einen Erfolg dieser
Herangehensweise - auch nicht unser Projektmitbegründer Luis Valencia, dessen ältester Sohn vor
vielen Jahren selbst Opfer eines brutalen Bandenmordes wurde. Luis und weitere Anwohner der
Region, aber auch Überregionale sagen, dass das Problem allein mit Militärpräsenz nicht zu lösen
sein wird. Ohne die seit Jahrzehnten komplett im Stich gelassene Bevölkerung, ohne die Betroffe-
nen und die Zivilgesellschaft wird es keine nachhaltige Lösung geben.
Vor fast 20 Jahren startete der Plan Colombia, ein Programm der kolumbianischen Regierung, das
der Armee weitreichende Befugnisse erteilt und auf den Kampf gegen Drogen ausgerichtet ist. Oh-
ne vorherige Absprache wurden dabei auch ecuadorianische Gebiete zur Drogenbekämpfung mit
großen Mengen an Herbiziden, u.a. Glyphosat, besprüht. Über Fehlgeburten, schwerwiegende Er-
krankungen und Todesfälle berichtete Anne schon damals. Im März 2008 reichte Ecuador dann
Klage gegen Kolumbien beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen ebendiesem Einsatz
von Glyphosat ein. Das Problem an sich ist also ganz und gar kein neues Problem. Drogenmafia,
Holzmafia, Waffenmafia, um nur einige zu nennen, bekriegen sich seit Jahrzehnten in dem Gebiet.
Ungesehen von der Öffentlichkeit, ignoriert vom Staat, den Behörden und auch dem Ausland, das
in großem Maße z.B. an den Palmölplantagen und der Abholzung des Regenwaldes beteiligt ist
(u.a. durch EU Subventionen, Großunternehmen aus Frankreich, Kanada, uvm.)
Als 2008 Kolumbien ein Lager der Guerilla auf ecuadorianischem Boden angriff, ohne vorher die
Regierung in Ecuador zu informieren, führte das zu einer diplomatischen Krise. Seit 2010 arbeitet
man mit der Regierung von Juan Manuel Santos in Kolumbien nun am Übergang von gegenseiti-
gem Misstrauen zur Zusammenarbeit. Aber die 10.000 Soldaten, die beide Regierungen bekräftigen
an die Grenze entsandt zu haben, haben nicht wesentlich dazu beigetragen die Probleme zu lösen.
Seit Jahren weigert sich Ecuador gemeinsame Militäroperationen durchzuführen. Dort, wo eine gute
Koordination fehlt, ergibt sich Raum für kriminelle Aktivitäten.
Es geht also um mehr als nur einen lokalen Konflikt. So beschreibt es auch die Tageszeitung der
ermordeten Journalisten „El Comercio“ (nachstehend zusammengefasst, bei Interesse am komplet-
ten Artikel bitte gerne melden):
Das brutale Verbrechen am Zeitungsteam enthüllt eine unangenehme Wahrheit, vor der Analysten
bereits gewarnt hatten: Zwischen Ecuador und Kolumbien operiert ein Verbrechersyndikat, das mit
Macht und Geld aus Drogengeschäften beide Länder herausfordert. Ohne dass bis jetzt die Leichen
lokalisiert werden konnten suchen die Regierungen nach einem überzeugenden Schlag, um ihre
Autorität in dieser Region wiederherzustellen.
Seit fünf Jahrzehnten kämpft Kolumbien gegen Guerilla und Paramilitärs, die sich durch Drogenge-
schäfte finanzieren. Ecuador glaubte, dass es sich raushalten könnte, trotz einer mehr als 700km
langen Grenze mit Dschungel und Flüssen, die durch verarmte Gebiete führt.
Diese historische Vernachlässigung, die fehlende offizielle Kontrolle auf beiden Seiten und die zahl-
losen illegalen Pfade haben die Arbeit von Banden begünstigt, die vom Handel mit Drogen, Waffen
und Treibstoff leben, sowie vom illegalen Bergbau und Holzeinschlag.
„Das Gebiet ist strategisch wichtig für den Versand von Drogen über den Pazifik in die USA, dem
größten Kokainempfänger weltweit, und es ist Drehscheibe für internationale Verbrechen unter gro-
ßer Einflussnahme der Kartelle in Mexiko.“ sagt der kolumbianische General Mauricio Zabala, der
für die Soldaten in der Grenzregion verantwortlich ist.
Die Anschläge, die in den letzten Monaten Schrecken verbreitet haben, sind auf ein kleines Grenz-
gebiet am Pazifik mit vielen kleinen Inseln und Mangrovenwäldern konzentriert, die den Drogen-
transport per Boot ermöglichen.
Im Gebiet um die kolumbianische Stadt Tumaco mit 200.000 Einwohnern werden weltweit die meis-
ten Drogen pro Fläche angebaut und es hat genau wie der Kanton San Lorenzo mit 58.000 Ein-
wohnern Probleme mit Armut und Kriminalität.
„Dennoch kann ein ausschließlich militärisches Vorgehen extreme Gewalt entfesseln, wie es in
Mexico unter der Regierung von Felipe Calderón (2006-2012) der Fall war.“ sagt der ecuadoriani-
sche Analyst Fernando Carrión. Die im Höchstmaß und seit Jahrzehnten betroffene Zivilgesellschaft
muss einfach eingebunden werden.
„In daniederliegenden Zonen wie dieser braucht man eine Wirtschaftspolitik, um den Drogenanbau
zu ersetzen, damit die Einnahmen der Einwohner nicht von den Drogenhändlern kommen.“ betont
der Experte.
In Ecuador hat der Glaube, dass alles die Schuld der FARC Dissidenten ist, den Blick für das ei-
gentliche Problem verdeckt: Den Drogenhandel, der Hand in Hand geht mit der Holzmafia und dem
Waffenhandel in der Grenzregion und die strukturelle Vernachlässigung der afro-ecuadorianischen
Bevölkerung im Nordwesten Ecuadors. Auch gilt es zu erinnern, dass im kolumbianischen Drogen-
konflikt 80-90% der getöteten Menschen nicht etwa der FARC, sondern den kolumbianischen Pa-
ramilitärs zuzuweisen sind.
Seit dem 26. Februar sind in San Lorenzo Ferien. Eigentlich sollte die Schule am 23. April wieder
beginnen, aber es sieht nicht so aus, als ob alle Schulen zu dem Termin mit dem regulären Unter-
richt beginnen werden. Auch bei den Eltern scheint es momentan unterschiedliche Meinungen zu
geben, ob sie ihre Kinder zur Schule schicken werden oder nicht.
Somit werden auch unsere beiden Betreuerinnen vor Ort, Sofia und Veronica, die nächsten Tage
abwarten, wie sich die Lage entwickelt und dann entscheiden, ob und wann der EcoClub anlaufen
kann.
In diesem Kontext ist es absolut verständlich, dass unsere Mitarbeiterin Daniela Peña in den letzten
Monaten nicht nach San Lorenzo gereist ist.
Der Ausnahmezustand gilt nach wie vor und beinhaltet auch das Verbot von Versammlungen, so
dass bereits Treffen mit den Müttern zum Schuljahresanfang nicht unproblematisch sind. Die Ver-
unsicherung ist momentan sehr groß.
Zur Zeit gehen wir aber davon aus, dass wir unseren Projektbetrieb mit etwas Verspätung wieder
aufnehmen können.
Soweit erst einmal die Nachrichten aus San Lorenzo.
Wir hoffen auf positive Nachrichten für den nächsten Rundbrief!
Viele Grüße
Marion Weeke

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  • 1. Paten für Kinder in Esmeraldas/San Lorenzo e.V. Mönchstr. 43, 33790 Halle IBAN: DE97 4805 1580 0000 0396 85 Tel.: 05201-9892 Swift-BIC: WELADED1HAW e-mail: Paten-fuer-Kinder@web.de GläubigerIdent.-Nr.: DE33ZZZ00000073580 Links: https://www.slideshare.net/EcoClub-San-Lorenzo http://vimeo.com/86573541 www.facebook.com/EcoClub.SanLorenzo https://www.bildungsspender.de/ecoclub I – 2018 Früher als sonst schicken wir aus aktuellem Anlass den ersten Rundbrief. Leider hat sich die Lage in und um San Lorenzo deutlich verschlechtert. Noch im letzten Sommer hatten uns alle versichert, dass es in San Lorenzo ruhiger und sicherer geworden ist, so dass ich ohne Probleme in der Cabaña übernachtet hatte. Wie im Jahresbericht erwähnt, explodierte dann am 27. Januar vor dem Polizeipräsidium eine Au- tobombe, eine bis dahin im Land unbekannte Form der organisierten Gewalt. Den Berichten zufolge kam nur deshalb beim Attentat niemand zu Tode, weil man die Bewohner der benachbarten Häuser gewarnt hatte, das Haus lieber zu verlassen. So blieb es bei circa 30 Verletzten und hohen Sach- schäden, unter anderem 14 völlig zerstörten und mehr als 50 beschädigten Häusern, so dass mehr als 100 Personen nach erster Zuflucht in den Kirchen nun entweder um die Reparatur Ihrer Häuser kämpfen, oder nach Esmeraldas bzw. zu Verwandten in der Region ziehen mussten. Es wurde der Ausnahmezustand verhängt und die Ermittlungen konzentrierten sich schnell auf ein bereits bekanntes Mitglied der FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia = Revolutio- näre Streitkräfte Kolumbiens), das nach dem Friedensabkommen in Kolumbien zwischen Regierung und FARC Guerilla nicht die Waffen niedergelegt hat, sondern mit einer Gruppe von geschätzten 100 weiteren bewaffneten Dissidenten das Grenzgebiet im Süden Kolumbiens und Norden Ecua- dors kontrolliert. Die kolumbianische Regierung benennt diese Dissidenten auch als BACRIM (ban- das criminales emergentes = auftauchende oder aufstrebende kriminelle Banden) bzw. GAO (gru- pos armados organizados = bewaffnete organisierte Gruppierungen). In Ecuador handelt es sich insbesondere um den Ecuadorianer Walter Patricio Arizala Vernaza, der sich Guacho nennt. Es gibt bisher wenige Daten über ihn. Es folgten weitere Anschläge. Beim schwersten in Mataje, ca. 16 km vor San Lorenzo, wurden drei Soldaten getötet und elf verletzt. Mataje war bereits 2003 (und davor), als Anne in San Lorenzo lebte, eine wahrhaftige „no-go“ Zone. Brutale Banden- und Lynchmorde gehörten ebenso zum All- tag, wie gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen kolumbianischen Paramilitärs und Mitglie- dern der FARC Guerrilla. Erhöhte Präsenz von Militär und Polizei, Straßen- und Ausgangssperren konnten aber nicht verhin- dern, dass am 26. März ein Journalist, ein Fotograf und deren Fahrer der Tageszeitung El Comer- cio aus Quito in der Nähe von Mataje entführt wurden. Am 3. April wurde einem kolumbianischen Fernsehsender ein Video zugespielt, in dem die drei Entführten die Forderungen der Entführer vor- trugen: die Freilassung drei Inhaftierter in Ecuador als Austausch und die Aufkündigung des recht frisch unterzeichneten Vertrages zur Zusammenarbeit zwischen Ecuador und Kolumbien zur Be- kämpfung von Drogen und Terrorismus.
  • 2. Am 13. April musste Präsident Moreno bestätigen, dass die Entführten tot sind. Eine wirklich dramatische Zäsur. Konnte man sich vorher noch relativ gut damit beruhigen, dass es sich um Bandenkriege und Machtstrukturen zwischen Drogenmafia und Polizei/Militär handelt und man als (hellhäutiger) Zivilist einigermaßen sicher ist, greift das nun nicht mehr. Inzwischen gibt es aber leider – das ist wirklich erschreckend - auch schon einen neuen Entführungsfall von einem jungen Paar aus Santo Domingo, das nach San Lorenzo unterwegs war. 10.000 ecuadorianische Soldaten und Polizisten sollen jetzt die Situation in der Grenzregion unter Kontrolle bringen und öffentliche und strategische Einrichtungen wie Krankenhäuser schützen. Die Bevölkerung von San Lorenzo und den umliegenden Dörfern glaubt nicht an einen Erfolg dieser Herangehensweise - auch nicht unser Projektmitbegründer Luis Valencia, dessen ältester Sohn vor vielen Jahren selbst Opfer eines brutalen Bandenmordes wurde. Luis und weitere Anwohner der Region, aber auch Überregionale sagen, dass das Problem allein mit Militärpräsenz nicht zu lösen sein wird. Ohne die seit Jahrzehnten komplett im Stich gelassene Bevölkerung, ohne die Betroffe- nen und die Zivilgesellschaft wird es keine nachhaltige Lösung geben. Vor fast 20 Jahren startete der Plan Colombia, ein Programm der kolumbianischen Regierung, das der Armee weitreichende Befugnisse erteilt und auf den Kampf gegen Drogen ausgerichtet ist. Oh- ne vorherige Absprache wurden dabei auch ecuadorianische Gebiete zur Drogenbekämpfung mit großen Mengen an Herbiziden, u.a. Glyphosat, besprüht. Über Fehlgeburten, schwerwiegende Er- krankungen und Todesfälle berichtete Anne schon damals. Im März 2008 reichte Ecuador dann Klage gegen Kolumbien beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen ebendiesem Einsatz von Glyphosat ein. Das Problem an sich ist also ganz und gar kein neues Problem. Drogenmafia, Holzmafia, Waffenmafia, um nur einige zu nennen, bekriegen sich seit Jahrzehnten in dem Gebiet. Ungesehen von der Öffentlichkeit, ignoriert vom Staat, den Behörden und auch dem Ausland, das in großem Maße z.B. an den Palmölplantagen und der Abholzung des Regenwaldes beteiligt ist (u.a. durch EU Subventionen, Großunternehmen aus Frankreich, Kanada, uvm.) Als 2008 Kolumbien ein Lager der Guerilla auf ecuadorianischem Boden angriff, ohne vorher die Regierung in Ecuador zu informieren, führte das zu einer diplomatischen Krise. Seit 2010 arbeitet man mit der Regierung von Juan Manuel Santos in Kolumbien nun am Übergang von gegenseiti- gem Misstrauen zur Zusammenarbeit. Aber die 10.000 Soldaten, die beide Regierungen bekräftigen an die Grenze entsandt zu haben, haben nicht wesentlich dazu beigetragen die Probleme zu lösen. Seit Jahren weigert sich Ecuador gemeinsame Militäroperationen durchzuführen. Dort, wo eine gute Koordination fehlt, ergibt sich Raum für kriminelle Aktivitäten. Es geht also um mehr als nur einen lokalen Konflikt. So beschreibt es auch die Tageszeitung der ermordeten Journalisten „El Comercio“ (nachstehend zusammengefasst, bei Interesse am komplet- ten Artikel bitte gerne melden): Das brutale Verbrechen am Zeitungsteam enthüllt eine unangenehme Wahrheit, vor der Analysten bereits gewarnt hatten: Zwischen Ecuador und Kolumbien operiert ein Verbrechersyndikat, das mit Macht und Geld aus Drogengeschäften beide Länder herausfordert. Ohne dass bis jetzt die Leichen lokalisiert werden konnten suchen die Regierungen nach einem überzeugenden Schlag, um ihre Autorität in dieser Region wiederherzustellen. Seit fünf Jahrzehnten kämpft Kolumbien gegen Guerilla und Paramilitärs, die sich durch Drogenge- schäfte finanzieren. Ecuador glaubte, dass es sich raushalten könnte, trotz einer mehr als 700km langen Grenze mit Dschungel und Flüssen, die durch verarmte Gebiete führt. Diese historische Vernachlässigung, die fehlende offizielle Kontrolle auf beiden Seiten und die zahl- losen illegalen Pfade haben die Arbeit von Banden begünstigt, die vom Handel mit Drogen, Waffen und Treibstoff leben, sowie vom illegalen Bergbau und Holzeinschlag. „Das Gebiet ist strategisch wichtig für den Versand von Drogen über den Pazifik in die USA, dem größten Kokainempfänger weltweit, und es ist Drehscheibe für internationale Verbrechen unter gro- ßer Einflussnahme der Kartelle in Mexiko.“ sagt der kolumbianische General Mauricio Zabala, der für die Soldaten in der Grenzregion verantwortlich ist.
  • 3. Die Anschläge, die in den letzten Monaten Schrecken verbreitet haben, sind auf ein kleines Grenz- gebiet am Pazifik mit vielen kleinen Inseln und Mangrovenwäldern konzentriert, die den Drogen- transport per Boot ermöglichen. Im Gebiet um die kolumbianische Stadt Tumaco mit 200.000 Einwohnern werden weltweit die meis- ten Drogen pro Fläche angebaut und es hat genau wie der Kanton San Lorenzo mit 58.000 Ein- wohnern Probleme mit Armut und Kriminalität. „Dennoch kann ein ausschließlich militärisches Vorgehen extreme Gewalt entfesseln, wie es in Mexico unter der Regierung von Felipe Calderón (2006-2012) der Fall war.“ sagt der ecuadoriani- sche Analyst Fernando Carrión. Die im Höchstmaß und seit Jahrzehnten betroffene Zivilgesellschaft muss einfach eingebunden werden. „In daniederliegenden Zonen wie dieser braucht man eine Wirtschaftspolitik, um den Drogenanbau zu ersetzen, damit die Einnahmen der Einwohner nicht von den Drogenhändlern kommen.“ betont der Experte. In Ecuador hat der Glaube, dass alles die Schuld der FARC Dissidenten ist, den Blick für das ei- gentliche Problem verdeckt: Den Drogenhandel, der Hand in Hand geht mit der Holzmafia und dem Waffenhandel in der Grenzregion und die strukturelle Vernachlässigung der afro-ecuadorianischen Bevölkerung im Nordwesten Ecuadors. Auch gilt es zu erinnern, dass im kolumbianischen Drogen- konflikt 80-90% der getöteten Menschen nicht etwa der FARC, sondern den kolumbianischen Pa- ramilitärs zuzuweisen sind. Seit dem 26. Februar sind in San Lorenzo Ferien. Eigentlich sollte die Schule am 23. April wieder beginnen, aber es sieht nicht so aus, als ob alle Schulen zu dem Termin mit dem regulären Unter- richt beginnen werden. Auch bei den Eltern scheint es momentan unterschiedliche Meinungen zu geben, ob sie ihre Kinder zur Schule schicken werden oder nicht. Somit werden auch unsere beiden Betreuerinnen vor Ort, Sofia und Veronica, die nächsten Tage abwarten, wie sich die Lage entwickelt und dann entscheiden, ob und wann der EcoClub anlaufen kann. In diesem Kontext ist es absolut verständlich, dass unsere Mitarbeiterin Daniela Peña in den letzten Monaten nicht nach San Lorenzo gereist ist. Der Ausnahmezustand gilt nach wie vor und beinhaltet auch das Verbot von Versammlungen, so dass bereits Treffen mit den Müttern zum Schuljahresanfang nicht unproblematisch sind. Die Ver- unsicherung ist momentan sehr groß. Zur Zeit gehen wir aber davon aus, dass wir unseren Projektbetrieb mit etwas Verspätung wieder aufnehmen können. Soweit erst einmal die Nachrichten aus San Lorenzo. Wir hoffen auf positive Nachrichten für den nächsten Rundbrief! Viele Grüße Marion Weeke