Hand auf's Herz: Wusstest Du, dass Taylor die Work-Life-Balance erfunden hat?
Vermutlich nicht. Da ist im Laufe der Geschichte ein bisschen was schief gelaufen und verloren gegangen.
Damit das so nicht nochmal passiert, stelle ich die Frage: Was können Agilisten vom Taylorismus über New Work lernen?
Auf jeden Fall, wie eine eigentlich gute Idee, die aus moralisch integeren Motiven heraus sinnvolle und praktikable Konzepte beschreibt, kaputt geht. Denn vieles, was den Taylorismus zu dem hat werden lassen, das wir heute wieder aus der Arbeitswelt entfernen möchten, passiert genau jetzt auf die gleiche Weise wieder mit Bergmanns Ideen.
Dieser Vortrag ist mitnichten ein Plädoyer für eine Rückkehr zum Taylorismus, ebensowenig eines für Bergmanns New-Work-Ideen. Ich werde aber aus den Büchern beider vorlesen und zeigen, dass sie mit ihrem Bild von Arbeit gar nicht weit voneinander entfernt sind. Und warum das Verstehen um die Evolution des Taylorismus umso wichtiger ist, wenn New Work Realität werden soll.
3. “It’s like putting the team members on the
second floor, removing the ladder, and telling
them to jump or else. I believe creativity is born
by pushing people against the wall and
pressuring them almost to the extreme.”
5. “It’s like putting the team members on the
second floor, removing the ladder, and telling
them to jump or else. I believe creativity is born
by pushing people against the wall and
pressuring them almost to the extreme.”
“The New New Product Development Game”
by Hirotaka Takeuchi and Ikujiro Nonaka
Harvard Business Review 1986
7. Wir sehen, wie die Wälder dahinschwinden, die
Wasserkräfte vergeudet, der Boden und seine
Schätze in das Meer gewaschen werden; die
Erschöpfung der Kohlen- und Eisenerzlager ist
nur noch eine Frage der Zeit.
8. Wir sehen, wie die Wälder dahinschwinden, die
Wasserkräfte vergeudet, der Boden und seine
Schätze in das Meer gewaschen werden; die
Erschöpfung der Kohlen- und Eisenerzlager ist
nur noch eine Frage der Zeit.
Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung
Frederick W. Taylor
Verlag von R. Oldenbourg 1913
10. Taylor betrachten
• Was waren das für Zeiten?
• Wie sah die Welt für die Menschen aus?
• Was waren ihre Probleme?
• Was wussten Menschen damals über die Welt?
• Wie benutzten die Menschen Sprache?
• Wie sollte ich diesen Text sinnvollerweise interpretieren?
11. Viertens: Arbeit und Verantwortung verteilen
sich fast gleichmäßig auf Leitung und Arbeiter.
Die Leitung nimmt alle Arbeit, für die sie sich
besser eignet als der Arbeiter auf ihre Schulter,
während bisher fast die ganze Arbeit und […]
Verantwortung auf die Arbeiter gewälzt wurde.
Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung
Frederick W. Taylor
Verlag von R. Oldenbourg 1913
Seite 35
12. Aber es soll ausdrücklich darauf hingewiesen
werden, dass der Arbeiter keinesfalls zu einer
Schnellarbeit angehalten werden darf, die seiner
Gesundheit schaden könnte.
Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung
Frederick W. Taylor
Verlag von R. Oldenbourg 1913
Seite 36
13. …nicht herausfinden, welches Maximalquantum
an Arbeit ein Arbeiter während einer kurzen Zeit
zu leisten imstande ist, sondern […]; was man
jahraus, jahrein täglich von einem Arbeiter
erwarten kann, ohne dass er dabei körperlichen
oder seelischen Schaden erleidet.
Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung
Frederick W. Taylor
Verlag von R. Oldenbourg 1913
Seite 45
14. Diese Massenbehandlung sollte aufgegeben
werden und jeder einzelne Arbeiter individuell
behandelt werden. Wenn dieser sein Pensum
nicht zuwege brachte, sollte ein geeigneter
Lehrer zu ihm geschickt werden […] [der] ihn
ermutigen, ihm helfen [soll] […]
Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung
Frederick W. Taylor
Verlag von R. Oldenbourg 1913
Seite 52
15. Den ganzen Tag über arbeitet der Vorgesetzte
mit den Maurern sozusagen Seite an Seite, hilft
ihnen, ermutigt sie, ebnet ihnen den Weg,
während er früher abseits stand, nur selten half,
dafür aber Verantwortung für Methode […] auf
die Arbeiter abwälzte.
Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung
Frederick W. Taylor
Verlag von R. Oldenbourg 1913
Seite 61
16. … besteht die Gefahr, dass, wenn der Lohn von
der Quantität der Leistung abhängig gemacht
wird, die Qualität leidet unter dem Bestreben,
die Quantität zu erhöhen.
Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung
Frederick W. Taylor
Verlag von R. Oldenbourg 1913
Seite 63
17. Wer es unternimmt, die Schritte anzugeben, die
gemacht werden müssen, um vom alten zum
neuen System überzugehen […], muss
persönliche Erfahrungen in der Überwindung
der speziellen Schwierigkeiten haben, denen
man immer wieder begegnet.
Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung
Frederick W. Taylor
Verlag von R. Oldenbourg 1913
Seite 89
19. Der äußere Verwaltungsmechanismus darf nicht
mit dem Wesentlichen des Systems, mit der ihm
zugrundeliegenden Philosophie, verwechselt
werden.
Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung
Frederick W. Taylor
Verlag von R. Oldenbourg 1913
Seite 87
21. Bergmann beschreibt ein Gesellschaftsmodell
mit zwei unterschiedlichen Arten von Arbeit:
Lohnarbeit und
Arbeit, die wir wirklich, wirklich wollen.
22. Bergmanns Kontext ist der Niedergang der
Autoindustrie, der Niedergang der Ford‘schen
Fabrikation.
23. Bergmanns Leistung ist das Nicht-
Gegeneinanderstellen von Arbeitenden und
Nicht-Arbeitenden.
Das funktioniert aber nur, wenn die Lohnarbeit
praktisch ohne Transaktionskosten übergeben
und damit aufgeteilt werden kann.
Das ist brillant umgesetzter Strukturwandel!
24. Aber: Bergmanns Konzept funktioniert nur sehr
eingeschränkt für Wissensarbeit.
Die Transaktionskosten der Arbeitstransfers
sind zu hoch.
25. Die Gefahr besteht darin, die Lohnarbeit zu
verklären und mit der Arbeit, die wir wirklich,
wirklich wollen, zu vermischen und zu
verwechseln.
26. Damit Bergmanns Ideen in der Welt der Agilität
funktionieren können, müssen wir
herausfinden, wie die Lohnarbeit leichter
verteilt werden kann.
Wir dürfen sie nicht verkleiden.
Das Resultat wäre Taylorismus 2.0
27.
28. Literaturempfehlungen
• Taylor, Frederick W.: Die Grundsätze Wissenschaftlicher
Betriebsführung. Verlag von R. Oldenbourg, 1913
• Bergmann, Frithjof: Neue Arbeit, Neue Kultur. Arbor Verlag, 2004
• Dornauer, Sabine: Faktor Freude: Wie die Wirtschaft Arbeitsgefühle
erzeugt. Edition Körber, 2015
• Koch, Axel: Change mich am Arsch: Wie Unternehmen ihre Mitarbeiter
und sich selbst kaputtverändern. Econ Verlag, 2018
• Meckel, Miriam: Mein Kopf gehört mir: Eine Reise durch die schöne
neue Welt des Brainhacking. Piper, 2018
• Illouz, Eva & Cabanas, Edgar: Das Glücksdiktat und wie es unser Leben
beherrscht. Suhrkamp Verlag, 2019
• Purser, Ronald: McMindfulness: How Mindfulness Became the New
Capitalist Spirituality. Watkins Media, 2019
29. Viel Spaß noch
auf der Agile World 2020!
Follow: @gerritbeine
Mail: gerrit.beine@darcblue.com