Fachartikel in der Zeitschrift "NET" zum Thema "Wie sieht das perfekte Contact Center aus?". Durch die Kommunikationsveränderungen gibt es viele neue Herausforderungen - in prozessualer wie inhaltlicher Ebene. Damit beschäftigt sich dieser Artikel.
Fachartikel Contact Center der Zukunft , Zeitschrift "NET", 2011
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Peu à peu ins Web 2.0
Wie sieht das perfekte Contact-Center 2011 aus?
Anja Bonelli Unsere Kommunikation hat sich in- Mehr Szenarien gefällig? Die wird es
nerhalb sehr kurzer Zeit durch einen geben, denn die Technologie und Be-
technischen, aber auch soziologischen geisterung sind noch lange nicht auf
Die Veränderungen, die derzeit der Sprung dramatisch verändert: 65 Mio. ihrem Höhepunkt, und die Play-Phase
Menschen nutzen allein in Deutsch- der derzeit erlebten Entwicklung hält
Kommunikationsbereich durchmacht, land das Internet (International Tele- auch nach Prognose des Trend- und
communication Union, 2010). Über Zukunftsforschers Matthias Horx noch
gehen an Contact-Centern natürlich 14 Mio. davon haben einen Face- einige Jahre an.
nicht vorbei. Sie stehen vor großen book-Account (Facebook, 2011). Da-
rüber hinaus wurden im vergangenen
Herausforderungen – auf Jahr über das Internet in Deutschland
17 Mrd. € ausgegeben, 400 Mio. da-
prozessualer wie inhaltlicher Ebene. von über mobile Geräte wie iPhones
Auf der einen Seite gibt es die und Smartphones (Managementbera-
tung Mücke, Sturm & Company,
technischen Umbrüche und den 2010). Und so viel ist sicher, das ist
Wandel hin zur schnellen und mobilen erst der Anfang!
Fasst man diese Fakten zusammen, so Der Agent switcht bei unterschiedli-
Kommunikation, verbunden mit ergibt sich nicht nur ein Potenzial, chen Anfragen nicht zwischen zusam-
sondern sogar die absolute Notwen- mengewürfelten Applikationen hin
einem grundlegenden Wandel in der digkeit, die Möglichkeiten dieses Kun- und her, um die einzelnen Kunden-
Kundenansprache. Die denzugangs zu erschließen. Ganz un- kanäle zu befriedigen, sondern hat im
abhängig davon, dass alle nationalen besten Falle genau eine gut struktu-
Kommunikation zwischen Contact- und internationalen Wirtschaftsbera- rierte und einheitliche Maske, mit der
ter hier bereits eines der wichtigsten er all die unterschiedlichen Aufgaben
Center und Endkunde ist daher längst Themen der nächsten Jahre ausge- dirigieren kann. Einfache Anfragen
keine Einbahnstraße mehr, und ein macht haben. oder Wissensthemen werden dem
Endkunden vermehrt automatisiert
konvergenter Support in Echtzeit wird Kommunikationsänderung im zur Verfügung gestellt, so dass der
zur Pflicht. Auf der anderen Seite ist Contact-Center Agent mehr Spezialist und weniger
Anrufbeantworter ist. Er telefoniert
unsere Gesellschaft stark überaltert. Das ganzheitliche Customer-Interac- deutlich weniger und schreibt mehr –
tion-Center übernimmt wesentlich über die unterschiedlichen Kanäle,
Contact-Center haben es demnach mit umfangreichere Aufgaben im Kun- teilweise auch im Netzjargon. In Ei-
sehr unterschiedlichen Zielgruppen denservice, und die Agenten sind mit genregie löst er mehr Kundenanfra-
divergenten Zielgruppen über ver- gen selbst und holt sich – wenn
und extrem verschiedenen schiedenste Kommunikationskanäle benötigt – autark Unterstützung bei
in Kontakt: Die Anfrage an die Face- Experten. Dies ist auch möglich, weil
Kommunikationsgewohnheiten zu tun. book-Fanseite des Unternehmens er über die jeweilige Kundenhistorie,
wird binnen zwei Stunden beantwor- ausstehende Aufträge, Anfragen oder
tet, per Videochat wird in Echtzeit ge- auch vergangene und aktuelle Pro-
sprochen, und die Antwort des Servi- blemfälle informiert und sein mögli-
ces auf Twitter ist – das ist klar – nicht cher Handlungsrahmen klar bestimmt
länger als 140 Zeichen. Und wer nach ist.
wie vor anruft, landet nach einer intel- All die innovativen Techniken werden
ligenten Routing-Lösung mit automa- intelligent in die bestehenden Service-
tischer Anrufverteilung bei „seinem“ prozesse eingebunden. Durch die Re-
Anja Bonelli ist in der Funktion Business Deve-
Berater und muss diesem nicht mehr duzierung von Schnittstellen und Me-
lopment Executive in der Telenet GmbH Kom- erzählen, wo genau ihn der Schuh dienbrüchen haben Unternehmen ge-
munikationssysteme in München tätig drückt. zielt und nachhaltig ihre Produktivität
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und Qualität im Kundenservice gestei- gehen die Befragten von weniger Rei- ßerst relevant. Bisher gibt es zwar nur
gert und trotz der höheren Ausbil- setätigkeit (43 %), Kosteneinsparun- wenige praktische Beispiele für er-
dungskosten ihres Personals kräftig gen allgemein (35 %) und technologi- folgreiches Cloud Computing, doch
gespart. Von all den Einnahmen durch schem Fortschritt (35 %) aus. sind inzwischen genügend funktio-
die neuen Kunden und Kanäle einmal Für den Contact-Center-Leiter bedeu- nierende Installationen auf dem
ganz abgesehen. tet das konkret: Eine sinnvolle UCC- Markt. Auch die Akzeptanz der An-
Doch am deutlichsten wahrnehmbar Strategie verhindert, dass ein Agent wender ist mittlerweile vorhanden.
sind die Veränderungen beim Kun- beim Ausbau der Infrastruktur mit Der große Vorteil der virtuellen Re-
den: Diese erwarten von Unterneh- vielen verschiedenen Tools überlas- chenzentren: Sie sind dynamisch an-
men, dass diese genau wissen, wer sie tet und damit letztendlich seine Pro- passbar, und eine nutzungsabhängige
sind, was sie erworben haben, welche Abrechnung ist möglich.
Dienstleistungen sie nutzen und wo-
rüber sie sprechen möchten – ohne Und wo bleibt die IVR?
dass sie all das mehr als einmal er-
zählen müssen. Und es ist genau das, Über die Zukunft der IVR-Systeme (In-
was sie im Customer-Interaction-Cen- teractive Voice Response) wird regel-
ter der Zukunft bekommen. mäßig diskutiert, angesichts der sin-
kenden Zahl der Telefonnutzer wird
Die Grundlage: Unified Commu- gar an der weiteren Notwendigkeit
nications & Collaboration von Sprachdialoganwendungen ge-
zweifelt. Doch wer sollte denn in ei-
Die Fähigkeit zur Integration moderner Kom-
Die technologische Grundlage bildet nem Customer-Interaction-Center der
munikationstechniken und -kanäle in ihre Ab-
Unified Communications & Collabora- läufe ist für Contact-Center überlebenswichtig Zukunft die von den weiterhin telefo-
tion (UCC), d.h. die Konzentration (Bilderquelle: Fotolia) nierenden Kunden eingehenden An-
mehrerer Kommunikationstechnolo- fragen auffangen? Vor allem, wenn
gien in einer Lösung. Dadurch kön- duktivität negativ beeinflusst wird. sie aufgrund ihrer Einfachheit schnell
nen bislang getrennte Systeme und Für das Unternehmen der Garant, und unkompliziert durch einen
Dienste in einem effizienten Paket für auch wirklich Geld einsparen zu kön- Sprachcomputer beantwortet werden
die Text-, Sprach- und Videokommu- nen und nicht nur investieren zu müs- können? Denn vergessen wir nicht:
nikation zusammengefasst werden. sen. Auch wenn die Zahl der reinen
Der Zugriff ist praktisch von überall – Entgegen den vielleicht oft geäußer- Sprachanrufe sinkt, das Gesamtvolu-
egal ob vom klassischen PC, Smart- ten Vermutungen ist es bei der Ent- men aller über alle Kanäle zum Kun-
phone, iPad oder anderen Geräten – scheidung für UCC gar nicht notwen- den eingehenden Anfragen wird mas-
möglich. dig, die alte Technik komplett abzu- siv steigen. Zudem sind Sprachservices
Zu den verwendeten Technologien schreiben. Eine Erweiterung der be- kostengünstig und werden nach wie
gehören E-Mail, SMS, Instant Messa- reits vorhandenen ITK-Infrastruktur vor vom Kunden als positiv und nutz-
ging und Gruppenchat, Sprach- und um neue Funktionen reicht meist völ- bringend eingeschätzt.
Videoanruf, Web- und Videoconfe- lig aus. Das eigentliche Problem, das Die Frage sollte demnach lauten: Wo
rencing, Präsenzdienste, One-Num- sich beim Thema Unified Communica- ist der Einsatz automatisierter Sprach-
ber-Services, Verzeichnisse, Kalender tions & Collaboration stellt, sind die portale richtig und wichtig und wo
und Aufgaben sowie verschiedene sehr vielen unterschiedlichen Konzep- nicht? Mit dem richtigen Technikpart-
Zusammenstellungen dieser Funktio- te und Lösungsarchitekturen sowie ner lassen sich schnell und kosteneffi-
nen in aufgabenspezifischen Anwen- die sehr heterogene und umfangrei- zient bedarfsorientierte Lösungen fin-
dungen wie beispielsweise in Mobi- che Anbieterlandschaft. Individuelle den – egal ob es sich um eine einfa-
litätsanwendungen oder in teamori- Beratung auf der Suche nach der rich- che Kontostandsansage oder um
entierten Arbeitsbereichen. tigen Lösung ist hier unerlässlich. komplexere Lösungen wie beispiels-
Die Wurzeln von UCC liegen bereits in weise intelligente Vorqualifizierungen
der Zeit, als ein Fax über den Compu- Die Sache mit der Cloud oder große Serviceportale handelt.
ter empfangen werden konnte. Nach
und nach wurden weitere Technolo- Ein Customer-Interaction-Center wie Wie kommt der Kundenservice
gien sinnvoll zusammengefügt, und das oben skizzierte wartet mit einer ins Social Web?
so entstand aus vielen Puzzleteilen ein Menge ITK-Infrastruktur auf. Darüber
komplexes Bild. hinaus müssen Massen an Daten ver- Social-Media-Dienste wandeln sich
Nach einer aktuellen Studie der arbeitet und gegebenenfalls gespei- peu à peu von einem Marketingkanal
Marktberater von Frost & Sullivan er- chert werden. Aus Kosten- und Prak- zu einem integralen Bestandteil der
warten 65 % aller Unternehmen tikabilitätsgründen wird deshalb das Kundenkommunikation. Und das ist
durch UCC eine starke Produktivitäts- Thema Cloud Computing auch für verständlich: Jeder kann nahezu über-
steigerung (um 46 %). Darüber hinaus das Contact-Center der Zukunft äu- all mit jedem und jederzeit in Bild,
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3. Text und Ton kommunizieren. Insbe- bestehende Contact-Center-Systeme
sondere bei jungen Erwachsenen er- eingespeist werden können. Die Infor-
setzen bereits heute Facebook und mationen werden dann automatisch
Myspace im Gespräch mit Freunden den entsprechenden Geschäftspro-
die klassische E-Mail. zessen zugeordnet, beispielsweise
Aber auch auf Unternehmensseite dem technischen Kundendienst, der
steht das Thema Social Media ganz Abteilung für Rechnungswesen, dem
oben auf der Agenda: Nach einer von Versand, dem Marketing usw. Mitar-
Regus initiierten Studie unter 75.000 beiter können nun über die bereits
Personen aus Unternehmen in 75 verwendeten Systeme auf die Anfra-
Ländern planen derzeit 84 % aller Un- gen reagieren, die Social-Network-Lö-
ternehmen in diesem Jahr Social-Me- sung von Telenet sorgt für den Rück-
dia-Aktivitäten. 73 % der B2B-Unter- kanal ins jeweilige Netz. So kann das
nehmen haben bereits eine Facebook- Unternehmen nicht nur allgemeine
Seite und Accounts auf Twitter und Tendenzen in den geäußerten Kun-
LinkedIn, 95 % der Entscheider und denmeinungen im Internet verfolgen,
Beeinflusser sind in Social Media un- sondern auch eine wechselseitige
terwegs, 70 % der IT-Fachleute nut- Kommunikation aufnehmen und dem
zen Social Media für geschäftliche Kunden – in seinem bevorzugten Me-
Zwecke. Siemens Enterprise Commu- dium – antworten.
nications ermittelte ähnliche Werte
für Deutschland (siehe auch Seite 20). Und jetzt? Ein Dämpfer und
Und die Unternehmen gehen sogar eine charmante Lösung
noch einen Schritt weiter: Sie integrie-
ren Social Media in die bestehenden Solange all diese verschiedenen Kon-
Geschäftsprozesse, etwa in den Berei- taktkanäle, Medien und Endgeräte je-
chen Support, Human Resources, Ver- doch unzureichend in ein schlüssiges
trieb, aber auch Marktforschung und Gesamtkonzept integriert sind, bleibt
Marketing. Um diesen Schritt sinnvoll ein solches beschriebenes Customer-
möglich zu machen, ist eine Automa- Interaction-Center eine Zukunftsvisi-
tisierung notwendig. Oder wie sonst on. Synergien für eine verbesserte Zu-
sollen wöchentlich miteinander geteil- sammenarbeit werden sich nicht im
te fünf Milliarden Inhalte wie Links, erwünschten und möglichen Maße
News, Blogs und Fotos sinnvoll durch- realisieren lassen.
sucht und bearbeitet werden? Diverse Studien bestätigen, dass der
Bei den herkömmlichen Kommunika- Markt in all seinen Angeboten und
tionskanälen wie Telefon und E-Mail Begrifflichkeiten recht unübersichtlich
gibt es im Contact-Center bereits eta- ist. Die meisten Unternehmen nutzen
blierte Herangehensweisen und Syste- mehr als einen Anbieter, und ein be-
me, um eingehende Anfragen den trächtlicher Anteil von über 40 %
Vorfallmanagementsystemen zu über- (Frost & Sullivan, 2010) nutzt mindes-
geben und sie so mit den internen tens vier Anbieter. Darüber hinaus
Geschäftsprozessen zu verknüpfen. sind viele Produkte und Lösungen
Diese Vorfallmanagementsysteme noch sehr jung, so dass es hier noch
können aber auch dafür genutzt wer- viel Bewegung geben wird.
den, das Contact-Center an die Kom- Doch führt letztlich kein Weg vorbei
munikation in sozialen Netzen anzu- am Customer-Interaction-Center der
binden. So wurde von Telenet in ei- Zukunft, obwohl er steinig sein wird:
nem durch das Bundesministerium für Telenet unterstützt Unternehmen bei
Wirtschaft geförderten Gemein- der Lösung dieser vielfältigen Aufga-
schaftsprojekt mit dem Centrum für ben – angefangen von der Suche nach
Informations- und Sprachverarbei- der geeigneten UCC-Lösung über ei-
tung (CIS) der Ludwig-Maximilians- ne effiziente Organisation der ITK-In-
Universität München eine Lösung ent- frastruktur per Cloud Computing und
wickelt, mit deren Hilfe direkt oder in- den sinnvollen Einsatz von Sprachpor-
direkt an Unternehmen adressierte talen und Voice Self Services bis hin
Meldungen, Nachrichten oder Kom- zur Integration sozialer Netze in die
mentare erfasst, klassifiziert und in Kundenkommunikation. (bk)
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