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Auf dem Weg zu einer Service Science
PersPektiven, Forschungsthemen und handlungsemPFehlungen
aus der sicht einer interdisziPlinären arbeitsgruPPe




                                 empfehlungen
                                 An die TASkforce dienSTleiSTungen
                                 im rAhmen der forSchungSunion
                                 WirTSchAfT – WiSSenSchAfT
Der	vorliegende	Bericht	wurde	als	gemeinsames	Arbeitsergebnis	der	Expertenrunde	–		
unter	Leitung	von	Gerhard	Satzger	(Karlsruhe	Service	Research	Institute	(KSRI)/IBM	Deutschland	GmbH)	und		
Walter	Ganz	(Fraunhofer-Institut	für	Arbeitswirtschaft	und	Organisation,	Stuttgart)	–		
von	den	nachfolgend	genannten	Mitwirkenden	erstellt:

Prof.	Dr.	Roman	Beck,	Goethe-Universität	Frankfurt	
Prof.	Dr.	Martin	Benkenstein,	Universität	Rostock	
Prof.	Dr.	Martin	Bichler,	Technische	Universität	München	
Prof.	Dr.	Tilo	Böhmann,	International	Business	School	of	Service	Management	(ISS),	Hamburg	
Dr.	Wolfgang	Dunkel,	Institut	für	Sozialwissenschaftliche	Forschung	(ISF),	München	
Prof.	Dr.	Klaus-Peter	Fähnrich,	Universität	Leipzig	
Walter	Ganz / Bernd	Bienzeisler,	Fraunhofer-Institut	für	Arbeitswirtschaft	und	Organisation	(IAO),	Stuttgart	
Prof.	Dr.	Hans	Georg	Gemünden / Prof.	Dr.	Carsten	Schultz,	Technische	Universität	Berlin	
Prof.	Dr.	Matthias	Gouthier,	European	Business	School	(EBS),	Oestrich-Winkel	
Prof.	Dr.	Helmut	Krcmar,	Technische	Universität	München	
Anja	Kremer,	IBM	Deutschland	GmbH,	Stuttgart	
Prof.	Dr.	Kathrin	Möslein / Dr.	Marcus	Kölling,	Universität	Erlangen-Nürnberg	&	Handelshochschule	Leipzig	(HHL)	
Prof.	Dr.	Gerhard	Satzger / Axel	Kieninger,	IBM	Deutschland	GmbH/Karlsruher	Institut	für	Technologie	(KIT)
Prof.	Dr.	Bernd	Stauss,	Katholische	Universität	Eichstätt-Ingolstadt	
Prof.	Dr.	Volker	Stich / Dr.	Gerhard	Gudergan,	Rheinisch-Westfälische	Technische	Hochschule	(RWTH)	Aachen	
Prof.	Dr.	Christof	Weinhardt,	Karlsruher	Institut	für	Technologie	(KIT)

4	   Arbeitsgruppe	„Evaluation	Service	Science“	der	Taskforce	Dienstleistungen
Auf dem Weg zu einer Service Science
PERSPEKTIVEN,	FORSCHUNGSTHEMEN	UND	HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN	
AUS	DER	SICHT	EINER	INTERDISzIPLINäREN	ARBEITSGRUPPE




                                 empfehlungen
                                 An die TASkforce dienSTleiSTungen
                                 im rAhmen der forSchungSunion
                                 WirTSchAfT-WiSSenSchAfT

                                                                     1
Inhalt




zuSAmmenfASSung                                                                                                                                                                   4              BeSTAndSAufnAhme
	              	...........................................................................................................................................................   4                  	.......................................................................................................................................................   13

1              einleiTung                                                                                                                                                         4.1	 Aktivitäten	im	Forschungsumfeld
               	...........................................................................................................................................................   6   	    	....................................................................................................................................................... 13


                                                                                                                                                                                  4.2	 Aktivitäten	im	Bereich	der	akademischen	Aus-		
2              viSion                                                                                                                                                             	    und	Weiterbildung	
               	...........................................................................................................................................................   8   	    	....................................................................................................................................................... 14


3              perSpekTivWechSel                                                                                                                                                  4.3	 Wissenschaftliche	Konferenzen	und	Fachzeitschriften	
               	.......................................................................................................................................................   10      	    	....................................................................................................................................................... 15

                                                                                                                                                                                  4.4	 Wirtschaftliche	und	wissenschaftliche	Initiativen		
3.1	 Wertschöpfung	als	interaktiver	Prozess	–		
                                                                                                                                                                                  	    sowie	Netzwerke
	    „value-in-use“                                                                                                                                                               	    	....................................................................................................................................................... 16
	    	........................................................................................................................................................11

                                                                                                                                                                                  4.5	 Öffentliche	Forschungsförderung
3.2	 Gestaltung	und	Management	digitaler,		                                                                                                                                       	    	........................................................................................................................................................17
	    vernetzter	Servicesysteme
	    	....................................................................................................................................................... 12
                                                                                                                                                                                  5              zur BegriffSklärung von Service Science
3.3	 Implikationen	für	die	Dienstleistungsforschung                                                                                                                                              	.......................................................................................................................................................   18
	    	....................................................................................................................................................... 12
                                                                                                                                                                                  5.1	           „Science“	versus	„Wissenschaft“:		
                                                                                                                                                                                  	              Unterschiedliche	Bedeutungshorizonte	
                                                                                                                                                                                  	              	.......................................................................................................................................................   18
                                                                                                                                                                                  5.2	 Möglichkeiten	der	Erweiterung	des	Science-Begriffs	
                                                                                                                                                                                  	    	....................................................................................................................................................... 19


                                                                                                                                                                                  6              AnWendungSBeiSpiele	
                                                                                                                                                                                  	              	.......................................................................................................................................................   21

                                                                                                                                                                                  6.1	           Interaktive	Arbeit	–	an	der	Schnittstelle	zwischen		
                                                                                                                                                                                  	              Entscheidungstheorie,	Psychologie,	Soziologie	und	
                                                                                                                                                                                  	              Dienstleistungsmanagement	
                                                                                                                                                                                  	              	.......................................................................................................................................................   21
                                                                                                                                                                                  6.2	 Kollaborative	Wertschöpfung	–	an	der	Schnittstelle		
                                                                                                                                                                                  	    zwischen	Informationstechnologie,	Ökonomie,		
                                                                                                                                                                                  	    Organisationsforschung	und	Soziologie	
                                                                                                                                                                                  	    	....................................................................................................................................................... 21




2	       Arbeitsgruppe	„Evaluation	Service	Science“	der	Taskforce	Dienstleistungen
6.3	            Kooperatives	Health	Care	Management	–	an	der		                                                                                                                  7.4		 Modellierung	und	Simulation	von	Dienstleistungen	
	               Schnittstelle	zwischen	Informationstechnologie,		                                                                                                               	               	.......................................................................................................................................................   27
	               Gesundheitsökonomie,	Medizin	und	interaktiver		                                                                                                                 7.5		 Sozio-technische	Systemgestaltung	
	               Dienstleistungsarbeit		                                                                                                                                         	               	.......................................................................................................................................................   28
	               	.......................................................................................................................................................   22
                                                                                                                                                                                7.6		 Integration	von	Dienstleistungen		
6.4	 Market	Engineering	–	an	der	Schnittstelle	zwischen		                                                                                                                       	     und	neuer	Technologie	
	    Mikroökonomie,	IT	und	Sozialwissenschaften	                                                                                                                                	               	.......................................................................................................................................................   28
	               	.......................................................................................................................................................   23
                                                                                                                                                                                7.7		 Service	Management		
6.5	 Product-Service-Systems	–	an	der	Schnittstelle		                                                                                                                           	     	....................................................................................................................................................... 29

	    zwischen	Maschinenbau,	Betriebswirtschaftslehre		
                                                                                                                                                                                7.8		 Service	Marketing	
	    und	Informatik	                                                                                                                                                            	     	....................................................................................................................................................... 29
	               	.......................................................................................................................................................   23
6.6	 Revenue	Management	–	an	der	Schnittstelle		                                                                                                                                8               Auf dem Weg zu einer Service Science: mASS -
	    zwischen	Marketing,	Operations	und	IT	                                                                                                                                                     nAhmen und hAndlungSempfehlungen
	               	.......................................................................................................................................................   23                   	....................................................................................................................................................... 30


6.7		 Recommender	Systems	–	an	der	Schnittstelle		                                                                                                                              8.1		 Kommunikation	der	Vision	einer	Service	Science		
	     zwischen	Informatik,	Marketing	und		                                                                                                                                      	     und	Vernetzung	von	Akteuren	
                                                                                                                                                                                	               	.......................................................................................................................................................   31
	     Sozialwissenschaften	
	               	.......................................................................................................................................................   24   8.2		 Gründung	und	Förderung	von	Programmen		
6.8		 Workforce	Scheduling	–	an	der	Schnittstelle		                                                                                                                             	     und	Institutionen	
                                                                                                                                                                                	     	....................................................................................................................................................... 34
	     zwischen	Operations	Management,	Personalwesen		
	     und	Informatik	                                                                                                                                                           8.3	 Institutionalisierung	der	Vision	einer	Service	Science		
	               	.......................................................................................................................................................   24   	    an	der	Schnittstelle	zwischen	Wissenschaft	und		
                                                                                                                                                                                	    Wirtschaft	
7               poTenzielle forSchungSThemen                                                                                                                                    	               	.......................................................................................................................................................   37
                einer Service Science
                	.......................................................................................................................................................   26   9               liTerATur
                                                                                                                                                                                                	.......................................................................................................................................................   38
7.1		 Service	Innovation	
	               	.......................................................................................................................................................   26
7.2		 Service	Systeme / Wertschöpfungsnetzwerke		
	     (Service	Value	Networks)	
	               	.......................................................................................................................................................   26
7.3		 Service	Engineering	
	     	....................................................................................................................................................... 27




                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            3
Zusammenfassung



Dienstleistungen	bestimmen	mehr	und	mehr	die	Leistungsstärke	                    In	der	zukunft	droht	sich	diese	Diskrepanz	noch	weiter	zu	ver-
von	Volkswirtschaften	–	in	entwickelten	Nationen	machen	sie	                     schärfen.	Befördert	durch	moderne	Informations-	und	Kommuni-
bereits	rund	70%	der	Bruttowertschöpfung	aus.	Allerdings	tragen	                 kationstechnologie	(IKT)	nehmen	die	Möglichkeiten	rapide	zu,	
die	Investitionen	in	Forschung	und	Entwicklung	der	Dynamik		                     Leistungen	interaktiv	mit	und	individuell	für	den	Kunden	zu	er	-
und	der	wachsenden	wirtschaftlichen	Bedeutung	von	Dienstleis-                    stellen.	Projektähnliche,	„kollaborative“	Wertschöpfung	zwischen	
tungen	bereits	heute	nicht	annähernd	Rechnung.                                   Anbietern	und	Kunden	wird	dadurch	in	den	Vordergrund	rücken	–	
                                                                                 an	Stelle	einer	Fokussierung	auf	die	„einseitige“	Lieferung	einer	
                                                                                 standardisierten	Leistung.	Dadurch	entstehen	vermehrt	kom-
                                                                                 plexe	Dienstleistungssysteme,	die	Menschen	und	Technik	glei-
                                                                                 chermaßen	einbeziehen.	Dies	wird	die	Ausgestaltung	von	wirt-
                                                                                 schaftlichen	Transaktionen	und	Geschäftsmodellen	wesentlich	
                                                                                 verändern	–	ebenso	wie	die	Anforderungen	an	die	Qualifikatio-
                                                                                 nen	der	beteiligten	Menschen	und	deren	Arbeitsumfeld.	Die	ziel-
                                                                                 gerichtete	Gestaltung	dieser	Dienstleistungssysteme	muss	aus	
                                                                                 einer	übergeordneten	Sicht	erfolgen	und	bringt	dadurch	neue	
                                                                                 Herausforderungen	hervor,	die	nur	durch	zusammenarbeit	über	
                                                                                 die	Schnittstellen	von	technischen,	wirtschaftlichen	und	sozialen	
                                                                                 Fachdomänen	hinweg	gemeistert	werden	können.

                                                                                 In	einer	derart	dienstleistungsorientierten	und	zudem	global		
                                                                                 vernetzten	Welt	werden	nur	diejenigen	Unternehmen	und	Volks-
                                                                                 wirtschaften	bestehen	können,	die	willens	und	in	der	Lage	sind,	
                                                                                 die	sich	daraus	bietenden	Chancen	schnell	und	entschlossen	zu	
                                                                                 nutzen.	Eine	wichtige	Basis	für	Innovation	könnte	eine	neu	for-
                                                                                 mierte	„Service	Science“	bilden,	die	Erkenntnisse	verschiedener	
                                                                                 Wissensgebiete	integriert	und	eigenständig	geeignete	Theorien,	
                                                                                 Konzepte,	Methoden	und	Werkzeuge	entwickelt	und	vermittelt.	
                                                                                 Dadurch	könnten	Menschen	in	Wirtschaft,	Verwaltung	und		
                                                                                 Wissenschaft	optimal	auf	die	Wachstumschancen	durch	dienst-
                                                                                 leistungsorientierte	Wertschöpfung	vorbereitet	werden.	




4	   Arbeitsgruppe	„Evaluation	Service	Science“	der	Taskforce	Dienstleistungen
Zusammenfassung




Das	vorliegende	Konzeptpapier	zeigt	Handlungsempfehlungen	
auf,	die	den	Weg	hin	zu	einer	dergestaltigen	„Service	Science“	
ebnen.	Angesichts	der	rapiden	Entwicklungen	auf	dem	Gebiet	
der	Dienstleistungsforschung,	ist	die	konsequente	und	ent-
schlossene	Umsetzung	dieser	Empfehlungen	ein	Muss.	Sie	sollte	
dazu	führen,	der	deutschen	Forschung	auch	weiterhin	einen	
internationalen	Spitzenplatz	zu	sichern,	die	Grundlage	für	wirt-
schaftliche	Innovationen	und	nachhaltige	Wettbewerbsfähigkeit	
für	deutsche	Unternehmen	zu	festigen	und	Lösungen	für	gesell-
schaftlich	relevante	(Dienstleistungs-)Systeme,	wie	z.B.	Gesund-
heits-,	Verkehrs-	oder	Energiesysteme,	zu	schaffen.	Nur	durch	
Investition	in	den	Aufbau	von	Kompetenzen	kann	die	globale		
Führung	in	der	Dienstleistungsgesellschaft	von	morgen	erreicht	
werden.




                                                                         5
1	 einleitung



Dienstleistungen	machen	–	sektoral	betrachtet	–	in	vielen	ent-                   •	lösung	statt	Produkt:	zunehmend	werden	Produkte	durch	
wickelten	Volkswirtschaften	bereits	rund	70%	der	gesamten	                         begleitende	Dienstleistungen	differenziert	und	innovative	
Bruttowertschöpfung	aus.	Ihre	Gewichtung	in	der	akademischen	                      Lösungen	als	individualisierte,	auf	den	Kunden	zugeschnittene	
Forschung	und	in	den	F&E-Investitionsvolumina	der	Unterneh-                        „hybride“	Leistungsformen	realisiert.	Nutzungsbasierte	Kon-
men	trägt	dieser	wirtschaftlichen	Bedeutung	bislang	jedoch	in	                     zepte	(wie	z.B.	Betreibermodelle)	ersetzen	vermehrt	produkto-
keiner	Weise	Rechnung.	Die	wachsende	Bedeutung	von	Dienst-                         rientierte	Strukturen	durch	Dienstleistungsbeziehungen.
leistungen	insgesamt,	die	zunehmende	Relevanz	und	Verbreitung	                   •	globaler	Wettbewerb	statt	lokaler	markt:	Die	rasante	Ent-
komplexer	Dienstleistungssysteme	und	-netze	in	Wirtschaft	und	                     wicklung	der	IKT	treibt	die	Bedeutung	von	Information	als	
Gesellschaft	sowie	die	rasanten	Fortschritte	moderner	Techno-                      Bestandteil	von	Lösungen	–	und	damit	auch	die	Möglichkeit	
logien,	insbesondere	der	Informations-	und	Kommunikations-                         der	räumlichen	Entkopplung	von	Dienstleistungen	von	ihrer	
technologie	(IKT),	erfordern	ein	rasches	Handeln	seitens	der	                      Produktionsstätte.	So	sind	z.B.	digitale	Dienstleistungen	von	
Wissenschaft,	der	Wirtschaft	und	der	Politik,	um	aktuelle	Wett-                    zentraler	Stelle	aus	weltweit	vermarktbar.	
bewerbspositionen	erhalten	und	noch	weiter	ausbauen	zu	kön-                      •	systemdenken	statt	fokus	auf	einzelleistungen:	Anstelle		
nen.	Damit	einher	geht	die	Notwendigkeit	einer	stärker	multi-	                     der	„Lieferung“	eines	Produktes	oder	einer	Dienstleistung	
und	inter	 is	 iplinär	ausgerichteten	Forschung,	die	Dienstleistun-
          d z                                                                      rückt	zunehmend	die	projektähnliche,	gemeinschaftliche	Wert-
gen	und	dienstleistungsorientierte	Wertschöpfungsformen	in		                       schöpfung	von	Akteuren	in	den	Blickpunkt.	Die	Gestaltung	des	
das	zentrum	wissenschaftlicher	Betrachtung	stellt.	Deren	prak-                     gesamten	Systems	dieser	Akteure	bietet	enormes	Potential,	
tische	Bedeutung	wird	durch	folgende	Trends	illustriert:                           erfordert	aber	auch	neue	Herangehensweisen.	So	vernetzen	
                                                                                   z.B.	Gesundheits-,	Verkehrs-	und	Energieversorgungssysteme	
                                                                                   eine	Vielzahl	von	Akteuren	über	Dienstleistungen	miteinander	
                                                                                   –	eine	zielgerichtete	wissenschaftliche	Fundierung	bzw.	deren	
                                                                                   Anwendung	zur	Verbesserung	der	Effektivität	dieser	Dienst-
                                                                                   leistungssysteme	ist	aber	noch	kaum	vorhanden.		




6	   Arbeitsgruppe	„Evaluation	Service	Science“	der	Taskforce	Dienstleistungen
einleitung




Der	vorliegende	Beitrag	der	Expertengruppe	„Service	Science“	        Eine	konsequente	und	entschlossene	Umsetzung	dieser	Empfeh-
im	Auftrag	der	Forschungsunion	Wirtschaft-Wissenschaft	widmet	       lungen	sollte	dazu	führen,	der	deutschen	Forschung	auch	weiter-
sich	der	Analyse	der	gegenwärtigen	und	zukünftigen	Forschungs-       hin	einen	internationalen	Spitzenplatz	zu	sichern,	die	Grundlage	
ausrichtung	der	Dienstleistungsforschung.	Kernpunkt	ist	ein		        für	wirtschaftliche	Innovationen	und	nachhaltige	Wettbewerbs-
notwendiger	Perspektivwechsel	auf	die	gemeinsame,	interaktive	       fähigkeit	für	deutsche	Unternehmen	zu	festigen	und	Lösungsan-
Wertschöpfung	von	Partnern,	die	sich	zu	einfachen	oder	komple-       sätze	für	gesellschaftlich	relevante	(Service-)Systeme,	wie	z.B.	
xeren	Dienstleistungssystemen	zusammenfügen.	Dieser	„kolla-          Gesundheits-,	Verkehrs-	oder	Energiesysteme	zu	schaffen.
borative“	Wertschöpfungsansatz	macht	es	unabdingbar,	bislang	
isolierte	Wissenschaftsdisziplinen	zusammenzuführen	und	prob-
lemadäquate,	interdisziplinäre	Theorien,	Methoden	und	Instru-
mente	zu	entwickeln.	

Der	Beitrag	formuliert	zunächst	in	Kapitel	2	die	Vision	einer	
zukünftigen	Service	Science,	die	nach	vielen	fruchtbaren	Diskus-
sionen	zwischen	den	beteiligten	Autoren	aus	unterschiedlichen	
Wissenschaftsdisziplinen	als	gemeinsamer	Konsens	hervorge-
gangen	ist,	bevor	in	Kapitel	3	der	erwähnte	Perspektivwechsel	
näher	erläutert	wird.	Eine	Bestandsaufnahme	des	nationalen	und	
internationalen	„status	quo“	in	Bezug	auf	Forschungsinstitutio-
nen,	Lehrangebote	und	„Communities“	erfolgt	in	Kapitel	4,	bevor	
in	Kapitel	5	die	gemeinsame	Terminologie	für	das	weitere	Vor-
gehen	begründet	wird.	Kapitel	6	skizziert	Anwendungsszenarien,	
die	die	Notwendigkeit	einer	integrierten	„Service	Science“	deut-
lich	machen	und	illustrieren,	bevor	Kapitel	7	zukünftig	relevante	
Forschungsthemen	identifiziert.	Das	abschließende	Kapitel	8	
stellt	einen	Katalog	von	Handlungsempfehlungen	zusammen,	die	
zur	Etablierung	und	Förderung	einer	„Service	Science“	notwen-
dig	erscheinen.




                                                                                                                                     7
2	 Vision



                                                                                 Komplexe,	sozio-technische	Dienstleistungssysteme	durch-	
                                                                                 dringen	zunehmend	die	Arbeits-	und	Lebenswelten	und	werden	
           »…every business must become                                          zu	einer	wesentlichen	Voraussetzung	für	Innovation,	Wachstum	
           a service business,                                                   und	Beschäftigung.	Massiv	beschleunigt	wird	diese	Entwicklung	
                                                                                 durch	den	Einsatz	sich	rasant	innovierender	Technologien,	ins-
           or it will fail to be competitive
                                                                                 besondere	der	Informations-	und	Kommunikationstechnologie	
           against competition that does«                                        (IKT):	Diese	treibt	einerseits	die	wirtschaftliche	Bedeutung	digital	
                                                        (Rust	&	Miu	2006)        erbringbarer	Dienstleistungen	und	ermöglicht	andererseits	eine	
                                                                                 zunehmend	globale	Vernetzung	von	Partnern.	Sie	ändert	tradi-
                                                                                 tionelle	Rollenverteilungen	von	Leistungsgebern	und	-nehmern.	
                                                                                 Dies	bewirkt	eine	Veränderung	der	Art	und	Weise,	wie	Werte	
                                                                                 geschaffen	und	konsumiert	werden	und	ermöglicht	sowohl	die	
                                                                                 Individualisierung	von	Leistungen	als	auch	deren	zielgerichtete	
                                                                                 industrielle	Entwicklung.

                                                                                 Die	heute	noch	vielfach	in	individuellen	Disziplinen	erarbeiteten	
                                                                                 Erkenntnisse	lassen	sich	in	großen	Teilen	dem	Gebiet	der	Dienst-
                                                                                 leistungsforschung	zuordnen.	Diese	beschäftigt	sich	mit	der	
                                                                                 Beschreibung,	Erklärung	und	Gestaltung	sozio-technischer	Sys-
                                                                                 teme,	in	denen	mehrere	Partner	durch	Leistungsbeziehungen	
                                                                                 verbunden	sind	und	in	gegenseitiger	Abstimmung	durch	den	Ein-
                                                                                 satz	der	bei	allen	Partnern	vorhandenen	Ressourcen	gemeinsam	
                                                                                 Wert	für	die	jeweiligen	Partner	und/oder	das	gesamte	System	
                                                                                 schöpfen.	Die	Dienstleistungsforschung	abstrahiert	in	Abwei-
                                                                                 chung	von	traditionellen	Sichten	von	einer	Trennung	zwischen	
                                                                                 Produkt	und	Dienstleistung	im	Sinne	der	ausgetauschten	Leistun-
                                                                                 gen	(„value	in	exchange“).	Stattdessen	fokussiert	sie	auf	den	
                                                                                 durch	die	Leistungsbeziehung	insgesamt	geschaffenen	Mehrwert	
                                                                                 („value	in	use“)	für	die	beteiligten	Partner.	Die	Dienstleistungs-
                                                                                 forschung	bündelt	und	integriert	die	unter	diesem	Paradigma	
                                                                                 getätigte	Lehre	und	Forschung	in	den	beteiligten	Disziplinen	und	
                                                                                 macht	diese	nach	außen	sichtbar.


8	   Arbeitsgruppe	„Evaluation	Service	Science“	der	Taskforce	Dienstleistungen
Vision




Aufbauend	auf	der	Dienstleistungsforschung	wird	sich	bei	ent-
sprechender	Schwerpunktsetzung	in	der	akademischen	Welt	
eine	„Service	Science“	herausbilden,	die	eigenständig	geeignete	
Theorien,	Konzepte,	Methoden	und	Werkzeuge	entwickelt	und	
vermittelt.	Sie	greift	dabei	gezielt	auch	auf	Inhalte	etablierter	
Wissenschaften	zurück	-	so	z.B.	der	Betriebswirtschaft,	der	Infor-
matik,	der	Ingenieurwissenschaften,	der	Sozialwissenschaften	
und	der	Wirtschaftsinformatik	-,	inte	 riert	jedoch	deren	Ergeb-
                                       g
nisse	in	interdisziplinäre	und	praxis	 erechte	Ansätze,	so	dass	
                                      g
damit	auch	vermehrt	komplexe	und	mehrdimensionale	System-
effekte	ins	Betrachtungsfeld	gerückt	werden.




                                                                         9
3	 PersPektiVWechsel



Das	Spektrum	von	Dienstleistungen	bewegt	sich	zwischen	ein-                       tungsentwicklung	und	der	Wertschöpfung	mit	Dienstleistungen	
fachen	personenbezogenen	Diensten	bis	hin	zu	komplexen	                           entlarvt3,	die	Notwendigkeit	eines	systematischen	und	metho-
unternehmensbezogenen	Dienstleistungen.	Bestimmte	Typen	                          dengestützten	Entwicklungsvorgehens	im	Sinne	eines	„Service	
von	Dienstleistungen	werden	immer	häufiger	in	Form	von	Dienst-                    Engineering“	herausgearbeitet4	und	die	Chancen	einer	Bünde-
leistungssystemen	organisiert.	Gerade	das	Segment	der	kom-                        lung	von	Produkt-	und	Servicekomponenten	zu	Produkt-Service-
plexen	unternehmensbezogenen	Dienstleistungen	weist	eine	                         Systemen	im	Sinne	hybrider	Wertschöpfung	identifiziert5.	Dies	
besondere	Dynamik	auf	und	stellt	schon	heute	in	entwickelten	                     geschah	sicherlich	unter	dem	Eindruck,	dass	im	weltweit	erfolg-
Volkswirtschaften	über	30%	der	Wirtschaftsleistung	dar.	Bei-                      reichen	Maschinen-	und	Anlagenbau	oder	auch	in	der	IT-Branche	
spiele	dafür	finden	sich	im	Verkehrswesen,	im	Gesundheits-                        schon	früh	Leistungsbündel	aus	Sach-	und	Dienstleistungen	
wesen	oder	in	der	Softwarebranche.	                                               gebildet	wurden,	um	die	Kundenbedürfnisse	umfassender	ab	   -
                                                                                  decken	zu	können	als	durch	reine	Sachleistungen.	
Die	Dynamik	und	die	wachsende	wirtschaftliche	Bedeutung	von	
Dienstleistungen	–	welche	häufig	durch	die	große	Heterogenität	                   Die	Unzulänglichkeit	der	klassischen	Trennung	und	separaten	
innerhalb	des	tertiären	Sektors	verdeckt	werden	–	erfordern	                      Charakterisierung	von	Dienstleistungen	und	Sachleistungen	ist	
eine	neue	Ausrichtung	der	Dienstleistungsforschung.	Die	Be	  -                    also	seit	langem	bekannt.	Der	notwendige	Wandel	in	den	Köpfen	
trachtung	von	Dienstleistungen	als	Wirtschaftsgüter	stellte	lange	                hat	aber	noch	immer	nicht	stattgefunden.	zu	tief	ist	die	klassi-
zeit	den	Kern	der	Dienstleistungsforschung	dar.	Dienstleistungen	                 sche	Dichotomie	in	erprobten	Denkmodellen	und	eingeschliffe-
wurden	durch	konstituierende	Merkmale	von	Sachgütern	abge-                        nen	Handlungsroutinen	verankert.	Um	diesen	notwendigen	Wan-
grenzt,	wodurch	eigenständige	Forschungsfragen	aufge	 orfen	
                                                        w                         del	im	Denken	und	Handeln	zu	bewerkstelligen,	ist	ein	grundle-
werden	konnten.1	Die	Dienstleistungsforschung	hat	sich	dement-                    gender	Perspektivwechsel	erforderlich	–	ein	Perspektivwechsel,	
sprechend	mit	Gütern	auseinandergesetzt,	die	immateriellen	                       der	neue	Wege	in	Richtung	Innovation	und	kollaborativer	Wert-
Charakter	besitzen,	die	in	der	Erstellung	die	Einbindung	oder	                    schöpfung	mit	Dienstleistungen	ermöglicht.	
Mitwirkung	des	Kunden	erfordern	und	die	aufgrund	ihrer	Nicht-
lagerfähigkeit	besondere	Anforderungen	an	die	Planung	und	
Steuerung	der	Leistungserbringung	stellen.	In	der	Folge	wurden	
zunächst	Ansätze	der	Entwicklung,	Produktion	und	Vermarktung	
von	Sachgütern	für	den	Dienstleistungsbereich	unter	Berück-
sichtigung	dieser	konstituierenden	Merkmale	adaptiert.

Allerdings	wurde	–	gerade	in	der	deutschen	Betriebswirtschafts-                   1
                                                                                   	Kleinaltenkamp	2001
lehre	–	recht	früh	bestritten,	dass	sich	eine	harte	Trennlinie		                  2
                                                                                   	Engelhardt	u.	a.	1993
                                                                                  3	 Reichwald	&	Möslein	1995
zwischen	Sach-	und	Dienstleistungen	ziehen	lässt.2		Klassische	                   4	Fähnrich	u.	a.	1999;	Luczak	u.	a.	2004;	Bullinger	&	Scheer	(Hrsg.)	2006

Denkmuster	wurden	als	Innovationsbarrieren	der	Dienstleis-                        5	Böhmann	&	Krcmar	2007




10	   Arbeitsgruppe	„Evaluation	Service	Science“	der	Taskforce	Dienstleistungen
PersPektiVWechsel




3.1 Wertschöpfung als interaktiver prozess –                       aufgelöst.	Gleichzeitig	wird	damit	die	Erwartung	formuliert,	dass	
    „value-in-use“                                                 Kunden	mehr	als	nur	unterstützende	oder	passive	externe	Fakto-
                                                                   ren	der	Leistungserstellung	sind.	Daher	bedingt	das	gemeinsame	
Dieser	Perspektivwechsel	wird	derzeit	–	besonders	pointiert	von	   Schaffen	von	Werten	ein	Denken	in	Wertschöpfungsnetzen	oder	
Vertretern	des	Marketings	–postuliert.	Wertschöpfung	wird	in	      -systemen.10
diesem	zusammenhang	als	prozessorientiert,	interaktiv	und	ver-
netzt	verstanden.6	Wertschöpfung	wird	somit	konsequent	als	        In	einem	derart	prozessorientierten	Wertschöpfungsverständnis	
interaktiver	Prozess	innerhalb	von	Dienstleistungssystemen	be-     gewinnen	zudem	zeit	und	Ort	einer	Wertschöpfung	an	Bedeu-
trachtet.	Dies	bedeutet	zunächst,	dass	die	Wertschöpfung	nicht	    tung.	Der	Nutzen	für	die	beteiligten	Akteure	resultiert	dabei	auch	
in	der	Produktion	einer	Leistung	gipfelt,	sondern	–	im	Sinne	      aus	dem	Leistungserlebnis	des	Nutzers,	welches	nur	abhängig	
„interaktiver	Wertschöpfung“	–	in	der	kontinuierlichen	Sicher-     vom	Umfeld	und	der	Historie	der	Akteursbeziehungen	erklärt	
stellung	des	Nutzens	für	den	Kunden	in	der	Nutzungsphase	der	      werden	kann.	Durch	die	Ausrichtung	auf	die	Interaktion	zwischen	
Leistung	(value-in-use).	Beispiele	für	prozessorientierte	Wert-    Anbieter	und	Nutzer	ändert	der	Perspektivwechsel	das	Verständ-
schöpfung	finden	sich	schon	heute	im	Bereich	der	Konsumelek-       nis	der	Wertschöpfung:	Es	zeigen	sich	neue	Bedingungen	für		
tronik,	der	Telekommunikation	oder	auch	der	Automobilindustrie.	   die	Gewährleistung	des	Wertschöpfungsversprechens	in	der	Nut-
Das	Anbieten	stets	aktueller	Dienste	für	den	Kunden	–	wie	z.B.	    zung.	Dynamische	Kompetenzen,	wie	die	Interaktionskompetenz	
für	Unterhaltungsmedien	–	in	der	Verwendungsphase	von	Pro-         der	Akteure,	werden	für	die	Wertschöpfung	immer	wichtiger.		
dukten	stellt	heute	einen	wichtigen	Wettbewerbsvorteil	und	        zugleich	tritt	die	Fähigkeit	eines	Unternehmens	zur	Innovation		
Wachstumsmarkt	in	diesen	Branchen	dar.	Gleichermaßen	diffe-        der	Wertschöpfungssysteme	selbst	in	den	Blickpunkt.	Dabei	
renzieren	sich	beispielsweise	Innovationsführer	im	Maschinen-	     gewinnen	immaterielle	Ressourcen,	wie	spezialisiertes	Wissen	
und	Anlagenbau	durch	die	zusicherung	von	Verfügbarkeiten	und	      und	Informationen	für	die	Erzielung	von	Wettbewerbsvorteilen,	
Produktivitätsverbesserungen	in	den	Produktionsprozessen	der	      eine	zentrale	Bedeutung.	
Kunden.	Darüber	hinaus	gehen	die	Trends	zur	verstärkt	inter-
aktiven	und	hybriden	Wertschöpfung	Hand	in	Hand	und	fördern	
die	Herausbildung	von	Leistungsbündeln	auch	über	klassische	
Branchengrenzen	hinweg.7	

Diese	Integration	in	die	Wertschöpfung	des	Kunden	lässt	sich		
nur	dann	erreichen,	wenn	es	zu	einem	Prozess	der	kooperativen	     6	 Karmarkar	2004;	Vargo	&	Lusch	2004;	Vargo	&	Lusch	2008;		
(und	freiwilligen)	zusammenarbeit	zwischen	Anbieter	und	Nutzer	    	 Wise	&	Baumgartner	1999
kommt8	und	die	Wertschöpfung	im	Nutzungsprozess	gemessen	          7	 Möslein	&	Kölling	2007
                                                                   8	 Reichwald	&	Piller	2006
wird9.	Mit	dem	geforderten	Perspektivwechsel	wird	zugleich	die	    9	 Vargo	&	Lusch	2004

Dichotomie	von	Werten	zwischen	Produzenten	und	Konsumenten	        10	Blau	u.	a.	2009




                                                                                                                                   11
3.2 gestaltung und management digitaler,                                          3.3 implikationen für die dienstleistungs -
    vernetzter Servicesysteme                                                         forschung

Die	effiziente	Umsetzung	interaktiver	Wertschöpfungsprozesse	                     Der	skizzierte	Perspektivwechsel	bietet	die	Chance,	die	Dienst-
unter	Einbeziehung	des	Kunden	setzt	zunehmend	die	Bereit	 tel-
                                                            s                     leistungsforschung	anschlussfähiger	zu	machen.	Hierzu	muss	
lung	und	Verwertung	von	Informationen	entlang	des	Wertschöp-                      dieser	jedoch	Widerhall	in	den	einzelnen	Disziplinen	finden	und	
fungsprozesses	voraus.	Die	Digitalisierung	von	Produkten	und	                     Verbindungen	zwischen	diesen	schaffen.	Damit	entsteht	die	
Prozessen	wird	damit	zu	einem	zentralen	Treiber	der	Verände-                      Basis	für	die	Entwicklung	von	Dienstleistungskompetenz	in	der	
rung	hin	zu	serviceorientierten	Formen	der	Wertschöpfung.11		                     Breite,	die	der	zunehmenden	Durchdringung	von	Wirtschafts-	
Entscheidende	Faktoren	für	diese	Entwicklung	sind	die	zuneh-                      und	Lebenswelten	mit	Dienstleistungen	entspricht.	Gleichzeitig	
mende	Vernetzung	von	Sachgütern,	die	steigende	Durchlässig-                       wird	aber	eine	selbständige	Dienstleistungsforschung	benötigt,	
keit	von	technischen	und	betriebswirtschaftlichen	Informations-                   um	Dienstleistungen	als	dynamischen	Forschungsgegenstand	
systemen12	sowie	die	einfachere	Integration	und	Adaption	von	                     analytisch	zu	durchdringen	und	Dienstleistungsinnovationen		
Geschäftsprozessen	–	z.B.	durch	serviceorientierte	Architekturen	                 ge	 ielt	zu	fördern.	Dabei	ist	es	Aufgabe	der	Dienstleistungsfor-
                                                                                     z
(SOA)	und / oder	ein	„Internet	der	Dienste“13.	Daraus	entstehen	                  schung,	das	erforderliche	Grundlagenwissen	sowie	neue	Metho-
entscheidende	Impulse	für	die	Entwicklung,	Erbringung	und		                       den	zur	Gestaltung	und	zum	Management	innovativer	Dienst-
Vermarktung	nutzen-	und	nutzungsabhängiger	Wertschöpfungs-                        leistungssysteme	in	Wirtschaft	und	Verwaltung	zu	erarbeiten.	
formen,	die	wesentlich	zur	Produktivitätssteigerung	beitragen.	                   Nur	durch	die	Etablierung	einer	spezialisierten	Dienstleistungs-
                                                                                  forschung,	bei	gleichzeitiger	Integration	der	Erkenntnisse	
Interaktive	Wertschöpfungsprozesse	erfordern	demnach	die	                         angrenzender	Wissensgebiete,	können	Menschen	in	Unterneh-
Fähigkeit,	komplexe	sozio-technische	Systeme	zu	gestalten,	zu	                    men,	Verwaltung	und	Hochschulen	optimal	auf	die	Wachstums-
betreiben	und	zu	verbessern.	Sie	werden	damit	zu	einem	Treiber	                   chancen	durch	dienstleistungsorientierte	Wertschöpfung	vor-
für	technologische	Innovationen	und	erfordern	gleichzeitig	eine	                  bereitet	werden.	
enge	Vernetzung	von	Produkt-	und	Dienstleistungsinnovation.

Die	Integration	von	Sach-	und	Dienstleistungen	zu	hybriden		
Wertschöpfungsformen	trägt	zum	Wachstum	von	Unternehmen	
bei.14		Sie	birgt	aber	auch	Risiken	und	erreicht	bislang	oft	nicht	
das	Ergebnis-	und	das	Produktivitätsniveau	traditioneller,	pro-
duktzentrierter	Wertschöpfungsformen.15		Dies	verdeutlicht	den	                   11		Karmarkar	2004;	Satzger	2008
hohen	Forschungsbedarf	bei	der	Entwicklung	von	Instrumenten	                      12
                                                                                    		Fleisch	&	Dierkes	2003
                                                                                  13		Barros	&	Dumas	2006;	Riedl	u.	a.	2009;	Fano	&	Gershman	2002
zur	Planung,	Steuerung	und	Optimierung	integrierter,	internatio-                  14		Spath	&	Ganz	2008

naler	und	interorganisationaler	Produkt-Service-Systeme.                          15		Neely	2008




12	   Arbeitsgruppe	„Evaluation	Service	Science“	der	Taskforce	Dienstleistungen
4	 Bestandsaufnahme



Im	zuge	der	Diskussion	um	die	Etablierung	einer	neuen	Wissen-       4.1 Aktivitäten im forschungsumfeld
schaftsdisziplin	„Service	Science“	fand	in	den	vergangenen	drei	
Jahren	eine	rasante	Entwicklung	auf	nationaler	und	insbesondere	    In	der	deutschen	Hochschullandschaft	gibt	es	zunehmend	Lehr-
auf	internationaler	Ebene	statt.	Hierzulande	wurden	erstmals		      stühle,	die	sich	explizit	mit	dem	Themenfeld	„Dienstleistungen“	
zu	Beginn	des	Jahres	2006	im	Rahmen	der	Initiative	„Partner	für		   beschäftigen.	Dies	zeigt	sich	aktuell	vor	allem	in	betriebswirt-
Innovation“	die	Potentiale	einer	Service	Science	diskutiert.16		    schaftlich	ausgerichteten	Fachrichtungen.	Hatten	vor	wenigen	
Damals	konnten	die	diesbezüglichen	Aktivitäten	noch	als	über-       Jahren	nur	eine	Handvoll	deutscher	Universitäten	einen	auf	das	
schaubar	bezeichnet	werden.	Seitdem	sind	in	Deutschland	je-         Forschungsfeld	des	Dienstleistungsmanagements	spezialisierten	
doch	ein	zunehmendes	Interesse	an	der	Thematik	und	ein	expo-        Lehrstuhl	(wie	die	Katholische	Universität	Eichstätt-Ingolstadt,	
nentielles	Anwachsen	entsprechender	Aktivitäten	zu	verzeich-        die	Universität	Bayreuth,	die	Fern-Universität	Hagen,	die	Univer-
nen.	Weltweit	sind	die	derzeitigen	Entwicklungen	vor	allem	durch	   sität	Leipzig	und	die	Universität	Duisburg-Essen),	so	hat	sich	bis	
den	Aufbau	systematischer	Netzwerke	mit	dem	ziel	des	Wissens-       heute	die	Anzahl	mehr	als	verdreifacht.	So	finden	bzw.	etablieren	
transfers	gekennzeichnet.                                           sich	spezialisierte	Lehrstühle	z.B.	an	der	European	Business	
                                                                    School	EBS,	der	Frankfurt	School	of	Finance	and	Management,	
Im	Rahmen	der	folgenden	Bestandsaufnahme	wird	versucht,		           der	Goethe-Universität	Frankfurt	am	Main,	der	Universität	Dort-
einen	groben	Überblick	über	die	nationalen	und	internationalen	     mund,	der	Universität	Hohenheim,	der	Universität	Mannheim,		
Aktivitäten	im	Bereich	einer	Service	Science	zu	geben.	Aufgrund	    der	Universität	Passau,	der	Universität	Rostock	und	der	Univer-
der	Vielfalt	und	der	Dynamik	der	derzeit	laufenden	Initiativen,	    sität	Wuppertal.	zudem	widmen	sich	gerade	auch	an	Fachhoch-
vermag	diese	Bestandsaufnahme	indes	nur	einen	groben	Über-          schulen	und	Berufsakademien	Fachvertreter	vermehrt	dem		
blick	zu	geben,	ohne	den	Anspruch	einer	allumfassenden	             Themenfeld	des	Dienstleistungsmanagements.
Beschreibung	zu	erheben.
                                                                    Neben	den	oben	genannten	betriebswirtschaftlich	orientierten	
                                                                    Lehrstühlen	finden	sich	auch	in	angrenzenden	Fachdisziplinen	
                                                                    zunehmend	Einrichtungen,	die	Dienstleistungen	als	eigenstän-
                                                                    diges	Wissenschafts-	und	Forschungsfeld	begreifen.	So	wurde	
                                                                    z.B.	im	Januar	2008,	als	eine	Kooperation	zwischen	IBM	und		
                                                                    der	Universität	Karlsruhe	(dem	heutigen	Karlsruher	Institut	für	
                                                                    Techno	ogie),	das	„Karlsruhe	Service	Research	Institute“	(KSRI)	
                                                                            l
                                                                    ge	 ründet,	das	es	als	seine	Aufgabe	versteht,	eine	interdiszipli-
                                                                       g
                                                                    när	orientierte	Dienstleistungsforschung	voranzutreiben.	Ein		
                                                                    weiteres	Beispiel	stellt	das	E-Finance	Lab	an	der	Goethe-Univer-
                                                                    sität	dar,	das	seit	2003	–	als	öffentlich-privates	Joint	Venture	–	
 	Stauss	u.	a.	2008
16
                                                                    wissens	ntensive	und	IT-basierte	Dienstleistungen	im	Finanz-
                                                                              i

                                                                                                                                      13
dienstleistungssektor	in	interdisziplinären	Kooperationen	                        4.2 Aktivitäten im Bereich der akademischen
er	orscht.	Vonseiten	der	anwendungsorientierten	Forschung		
   f                                                                                  Aus- und Weiterbildung
werden	dienstleistungsspezifische	Themen	weiterhin	stark	vom	
Fraunhofer-Institut	für	Arbeitswirtschaft	und	Organisation	(IAO)	                 Während	es	bis	vor	kurzem	geringe	Anstrengungen	in	Deutsch-
in	Stuttgart	und	vom	Forschungsinstitut	für	Rationalisierung	(FIR)	               land	gab,	Dienstleistungsthemen	in	spezialisierte	primäre	und	
an	der	RWTH	Aachen	sowie	dem	Center	for	Leading	Innovation	&	                     weiterführende	Lehrangebote	einzubinden	bzw.	solche	neu	zu	
Cooperation	(CLIC)	an	der	Handelshochschule	Leipzig	fokussiert.                   entwickeln,	hat	sich	dies	mittlerweile	grundlegend	geändert.	So	
                                                                                  gewinnen	etwa	auf	das	Dienstleistungsmanagement	fokussierte	
Auf	internationaler	Ebene	haben	sich	bereits	vor	einigen	Jahren	                  Lehrmodule	im	Rahmen	von	Masterprogrammen	zunehmend	an	
spezielle	Dienstleistungs-Forschungseinrichtungen	etabliert,		                    Bedeutung,	wie	z.B.	an	der	Katholischen	Universität	Eichstätt-	
die	an	renommierten	Business	Schools	institutionalisiert	sind.		                  Ingolstadt,	der	Universität	Hohenheim,	dem	Karlsruher	Institut	
zu	ihnen	zählen	das	Service	Research	Center	der	Universität	                      für	Technologie	(KIT)	und	der	Universität	Rostock.
Karlstad,	das	Center	for	Excellence	in	Service	der	University	of	
Maryland,	das	Center	for	Services	Leadership	am	College	for	                      Auch	im	Bereich	der	Postgraduierten-Studiengänge	hat	sich	das	
Business	an	der	Arizona	State	University,	das	Maastricht	Acade-                   Angebot	in	Deutschland	im	Bereich	Dienstleistungsmanagement	
mic	Center	for	Research	in	Services	(MAXX),	das	Center	for		                      weiterentwickelt.	So	bieten	z.B.	die	private	Hochschule	Interna-
Services	Management	an	der	Cranfield	School	of	Management,	                       tional	Business	School	of	Service	Management	(ISS)	MBA-	und	
das	Centre	for	Service	Research	(CServ)	der	University	of	Exeter	                 Bachelor-Studiengänge	mit	der	Spezialisierung	„Service	Manage-
Business	School	oder	das	Advanced	Institute	of	Management	                        ment“	und	die	Hector	School	des	KIT	einen	neuen	Studiengang	
Research	(AIM)	mit	den	Gruppen	“AIM	Service	Fellows”	und	                         „Service	Management	and	Engineering“	an.	Daneben	werden	
“Public	Service	Fellows”.	Als	weitere	Forschungseinrichtungen	                    spezifische	zertifikatslehrgänge	zu	Themen	wie	„Industrielles	
können	das	Complex	Services	Innovation	Research	Network	                          Dienstleistungsmanagement“	vom	Forschungsinstitut	für	Ratio-
(CSIRN)	der	University	of	Glasgow,	das	Institute	of	International	                nalisierung	(FIR)	und	„Service	Excellence“	an	der	European		
Services	Innovation	des	University	College	Dublin	und	das	Multi-                  Business	School	EBS	angeboten.
disciplinary	Center	for	Services	Science,	Quality,	and	Innovation	
des	Virginia	Tech	Pamplin	College	of	Business	genannt	werden.                     Spezifische	Fachrichtungen	und	Vertiefungsfächer	–	etwa	Unter-
                                                                                  nehmensberatung,	IT-Consulting	und	IT-Service-Management	–	
Darüber	hinaus	ist	im	internationalen	Umfeld	die	Gründung	von	                    finden	sich	zudem	an	diversen	deutschen	Fachhochschulen	und	
speziellen	„Service	Science“	Instituten	zu	beobachten	(z.B.	des	                  Berufsakademien.
Centre	for	Service	Research	an	der	Universität	Manchester	oder	
des	Swiss	Institute	of	Service	Science),	bei	denen	es	sich	zu-                    In	diesem	zusammenhang	kann	ferner	eine	fächerübergreifende	
meist	um	den	zunächst	virtuellen	zusammenschluss	unterschied-                     Ausrichtung	neuer	Studiengänge	wahrgenommen	werden.	Im	
licher	Lehrstühle	handelt.	                                                       europäischen	Raum	lässt	sich	diese	Entwicklung	durch	einge-

14	   Arbeitsgruppe	„Evaluation	Service	Science“	der	Taskforce	Dienstleistungen
Bestandsaufnahme




führte	Master	Studiengänge	im	Bereich	„Services	Science“	(z.B.	     „Business	Services“.	Die	vierzigste	Jahrestagung	der	Gesellschaft	
an	der	University	of	Exeter),	„Business	Process	Management“	        für	Informatik	(GI)	wurde	in	Leipzig	2010	unter	dem	General-
(z.B.	an	der	Universidad	Pontificia	de	Salamanca),	„Business	       thema	„Service	Science“	ausgerichtet	werden.
Engineering“	(z.B.	an	der	Universität	Regensburg)	und	„Business	
Informatics“	(z.B.	an	der	Universität	Rostock)	verdeutlichen.	      Auf	internationaler	Ebene	existiert	dagegen	seit	langem	eine		
Folglich	kann	festgehalten	werden,	dass	einzelne	Disziplinen		      vergleichsweise	breite	Palette	an	dienstleistungsspezifischen	
vermehrt	zu	inter-	bzw.	transdisziplinären	Forschungs-	und	Lehr-    Konferenzen,	deren	Angebot	sich	in	den	letzten	Jahren	stetig		
feldern	verknüpft	werden.                                           vergrößert	hat.	Besonders	renommiert	sind	nach	wie	vor	die	
                                                                    AMA	Frontiers	in	Services	Conference,	die	SERVSIG	Research	
                                                                    Conference	und	die	Quality	in	Services	Conference	(QUIS)	sowie	
4.3 Wissenschaftliche konferenzen und                               die	RESER	Conference.	Auch	hier	ist	zu	beobachten,	dass	viele	
    fachzeitschriften                                               dieser	Veranstaltungen,	die	ursprünglich	rein	auf	Service-Marke-
                                                                    ting-Themen	spezialisiert	waren,	sich	in	jüngster	zeit	neuen	The-
Für	die	Präsentation	von	Forschungsergebnissen	stehen	der	          men	–	insbesondere	dem	zusammenspiel	von	Dienstleistungen	
dienstleistungsbezogenen	Wissenschaft	im	deutschen	Sprach-          und	Technologien	–	öffnen.	Darüber	hinaus	haben	sich	in	den	
raum	seit	längerem	verschiedene	spezialisierte	Konferenzen	und	     vergangenen	Jahren	auf	internationaler	Ebene	neue	Konferenzen	
Workshops	zur	Verfügung.	Dazu	zählen	z.B.	die	Dienstleistungs-      und	Veranstaltungen	im	Umfeld	der	Dienstleistungsforschung	
tagung	des	Bundesministeriums	für	Bildung	und	Forschung	            etabliert,	die	in	vielen	Fällen	gemeinsam	von	Wirtschaft	und		
(BMBF),	der	Workshop	zum	Dienstleistungsmarketing	(veran-           Forschung	ausgerichtet	werden.	Dazu	zählen	u.a.	die	INFORMS	
staltet	durch	einen	ausgewählten	Kreis	von	BWL-Professoren	im	      International	Conference	on	Services	Science,	die	ICSS	Interna-
deutschsprachigen	Raum)	und	das	Aachener	Dienstleistungs-           tional	Conference	on	Service	Science,	die	EMS	International	
forum	des	FIR	Aachen.	zu	beobachten	ist	jedoch,	dass	in	jüngs-      Conference	on	Engineering	Management	and	Services	Science	
ter	zeit	nicht	nur	neue	Veranstaltungsreihen	auf	den	Plan	treten	   sowie	die	Art	&	Science	of	Service	Conference.
(z.B.	die	Erste	Rostocker	Dienstleistungstagung),	sondern	dass	
auch	zunehmend	Veranstaltungen	in	Deutschland	organisiert	          Eine	auf	die	Dienstleistungsforschung	spezialisierte	Fachzeit-
werden,	welche	Dienstleistungsthemen	explizit	aus	einer	inter-      schrift	gibt	es	im	deutschsprachigen	Raum	jedoch	nicht.	Im	
disziplinären	Forschungsperspektive	betrachten	und	internatio-      internationalen	Bereich	existieren	zahlreiche	Journale	für	dienst-
nal	ausgerichtet	sind	(z.B.	First	Service	Science	Conference	       leistungsspezifische	Themen.	zu	nennen	sind	insbesondere		
Ingolstadt,	First / Second	Karlsruhe	Service	Summit	des	KSRI,	      das	Journal	of	Service	Research	(JSR),	das	Journal	of	Service	
International	Symposium	on	Services	Science	Leipzig,	RESER	         Management	(JOSM),	das	Journal	of	Services	Marketing	(JSM),	
2008	in	Stuttgart,	QUIS	2009	in	Wolfsburg).	zudem	widmen		          das	Service	Industries	Journal	(SIJ),	Managing	Service	Quality	
sich	etablierte	Konferenzen	einschlägigen	Service-Themen,	wie	      (MSQ)	und	das	International	Journal	of	Services	and	Operations	
beispielsweise	die	Wirtschaftsinformatik-Tagung	2009	in	Wien	       Management	(IJSOM).	Des	Weiteren	werden	Dienstleistungs-

                                                                                                                                     15
management-Fragestellungen	auch	im	International	Journal		                        Auf	internationaler	Ebene	finden	sich	diverse	Forschungsnetz-
of	Services	Technology	and	Management	sowie	in	der	Fach-                          werke,	die	es	sich	zum	ziel	gesetzt	haben,	internationale	For-
zeitschrift	Manufacturing	and	Service	Operations	Management		                     schungskooperationen	und	den	Wissensaustausch	im	Bereich	
behandelt.	Daneben	finden	sich	regelmäßig	servicebezogene	                        Dienstleistungsmanagement	zu	fördern.	Hierzu	zählen	beispiels-
Beiträge	in	renommierten	handelsgerichteten	Fachzeitschriften,		                  weise	die	International	Academy	of	Services	Research	and	Edu-
wie	insbesondere	dem	Journal	of	Retailing	(JR),	dem	International	                cation	(IASRE)	und	die	International	Service	Quality	Association	
Journal	of	Retailing	(IJR),	dem	Journal	of	Retailing	and	Consumer	                (ISQA).	Auch	Verbände	wie	BITKOM,	VDMA	oder	KVD	widmen	
Services	sowie	dem	International	Journal	of	Retail	and	Distribu-                  sich	seit	geraumer	zeit	diesem	Thema.	
tion	Management.	In	anderen	Wissenschaftsdisziplinen	erschei-
nen	sporadisch	spezielle	Themenhefte	zur	Dienstleistungsfor-                      Hervorzuheben	ist,	dass	sich	in	den	vergangenen	drei	Jahren	auf	
schung	(z.B.	das	International	Journal	on	Production	Research).                   internationaler	Ebene	neue	zusammenschlüsse	und	Netzwerk-
                                                                                  strukturen	etabliert	haben,	die	erst	durch	gemeinsame	Initiativen	
Daneben	gibt	es	seit	2008	auch	auf	Service	Science	speziali-                      von	Unternehmen	und	einzelnen	Forschungseinrichtungen	zu	
sierte	Fachzeitschriften.	Dazu	gehören	Service	Science,	Journal	                  Stande	kamen.	Dazu	zählen	vor	allem	die	von	IBM	im	Jahre	2004	
of	Service	Science,	Journal	of	Service	Science	and	Management	                    ins	Leben	gerufene	Initiative	zum	Thema	Service	Science,	Mana-
und	das	International	Journal	of	Service	Science,	Management,	                    gement	and	Engineering	(SSME)	sowie	die	Service	Research	&	
Engineering,	and	Technology	(IJSSMET).                                            Innovation	Initiative	(SRII).	2005	wurde	zudem	die	Networked	
                                                                                  European	Software	and	Services	Initiative	(NESSI)	aus	der	Taufe	
                                                                                  gehoben,	die	einen	zusammenschluss	der	Kommunikations-
4.4 Wirtschaftliche und wissenschaftliche                                         technologieindustrie	darstellt	und	eine	Arbeitsgruppe	Services		
    initiativen sowie netzwerke                                                   Science	gegründet	hat.	Im	selben	Jahr	wurde	darüber	hinaus		
                                                                                  das	HP	Centre	for	Systems	and	Services	Science	gegründet,		
In	Deutschland	existieren	seit	längerem	wissenschaftliche	Initia-                 das	von	den	HP	Laboratories	in	Bristol	(England)	und	diversen	
tiven	und	Netzwerke	im	Umfeld	der	Dienstleistungsforschung.	                      europäischen	Universitäten	und	Dienstleistungsgesellschaften	
Dazu	zählt	insbesondere	die	Online-Plattform	DL2100	(www.                         initiiert	wurde.
dl2100.de).	Daneben	existieren	weitere	Communities,	die	praxis-
orientierter	sind,	etwa	diejenigen	des	Vereins	Deutscher	Dienst-
leistungsingenieure	e.V.	(www.vdli.de),	das	IT	Service	Manage-
ment	Forum	(www.itsmf.de)	und	die	Association	for	Services	
Management	International	als	die	Berufsvereinigung	von	Service	
Executives	(www.afsmi.de).	Weiterhin	zu	nennen	ist	die	CLIC-	
Initiative	(Center	for	Leading	Innovation	and	Cooperation)	der	
Handelshochschule	Leipzig.	

16	   Arbeitsgruppe	„Evaluation	Service	Science“	der	Taskforce	Dienstleistungen
Bestandsaufnahme




4.5 Öffentliche forschungsförderung

Die	öffentliche	Förderung	der	Dienstleistungsforschung	war	in	
Deutschland,	gerade	im	internationalen	Vergleich,	bereits	sehr	
früh	gegeben	und	hat	unstrittig	weiter	an	Relevanz	gewonnen.	So	
verfügt	Deutschland	im	internationalen	Vergleich	als	eines	der	
wenigen	Länder	überhaupt	über	ein	eigenständiges	Förderpro-
gramm	für	die	Dienstleistungsforschung.	Der	Bereich	der	Dienst-
leistungen	wurde	zu	einem	der	17	Strategiefelder	im	Rahmen	der	
Hightech-Strategie	(2006-2009)	erklärt.	zudem	hat	die	Bundes-
regierung	den	Aktionsplan	„Dienstleistungen	2020“	veranlasst,	
der	vorsieht,	die	Dienstleistungsforschung	strukturell	in	die	tech-
nologiespezifische	Forschungsförderung	zu	integrieren.

In	jüngerer	zeit	sind	in	zahlreichen	europäischen	Ländern	ver-
stärkte	forschungspolitische	Aktivitäten	zu	beobachten,	die	dar-
auf	abzielen,	eine	eigenständige	Dienstleistungsforschung	bzw.	
dienstleistungsspezifische	Forschungs-	und	Entwicklungspro-
gramme	aufzubauen	(z.B.	in	den	Niederlanden,	in	Irland	und	in	
Finnland).	Viele	dieser	Aktivitäten	zielen	von	Beginn	an	auf	eine	
stärker	interdisziplinäre	bzw.	integrierte	Ausrichtung	der	Dienst-
leistungsforschung	ab.	So	hat	bspw.	Finnland	die	Dienstleis-
tungsforschung	ins	zentrum	aller	Programme	für	angewandte	
Forschung	gestellt.	




                                                                            17
5	 Zur	Begriffsklärung	Von	serVice	science



Die	Etablierung	einer	kohärenten	„Service	Science“	(bisweilen	                      5.1 „Science“ versus „Wissenschaft“:
national	auch	als	„Dienstleistungswissenschaft“	bezeichnet)	in	                         unterschiedliche Bedeutungshorizonte
Deutschland	wird	nur	gelingen	können,	wenn	sie	sich	in	einen	
internationalen	wissenschaftlichen	Kontext	stellt.	Insofern	ist		                   Anhand	der	Begriffsgeschichte	der	Wissenschaft	lassen	sich	
es	naheliegend,	an	eine	angloamerikanische	Terminologie	anzu-                       Wandlungen	in	deren	Selbstverständnis	verfolgen.	So	wurde	mit	
knüpfen,	wie	sie	sich	in	jüngerer	zeit	herausgebildet	hat.	Aller-                   Beginn	der	Neuzeit	die	Logik	als	dominante	Form	der	Erkenntnis	
dings	wirft	eine	solche	Vorgehensweise	auch	Probleme	auf	–	so	                      abgelöst	durch	die	empirische	Naturbeobachtung.	Ein	neues	
werden	mit	den	Begriffen	„Science“	und	„Wissenschaft“	in	ihren	                     Paradigma	methodisch	abgesicherter	Erkenntnis	trat	an	die	
jeweiligen	kulturellen	und	sprachlichen	Kontexten	unterschied-                      Stelle	humanistischer	Bildungsideale	und	logisch	zu	gewinnender	
liche	Bedeutungshorizonte	adressiert.	Hinzu	kommt,	dass	meh-                        Erkenntnisse.	Während	jedoch	im	deutschen	Sprachraum	der	
rere	Termini	im	englischen	Sprachraum	existieren,	an	denen	sich	                    Begriff	der	Wissenschaft	bis	heute	Formalwissenschaften	(wie	
die	neue	Wissenschaft	in	Deutschland	anschließen	ließe.	Eine	                       die	Mathematik,	Geisteswissenschaften,	Naturwissenschaften	
gemeinsame	Sprachregelung	tut	dennoch	Not,	sollte	allerdings	                       und	Sozialwissenschaften)	gleichermaßen	umfasst,	ist	der	Sci-
nur	nach	solider	Reflektion	und	Abwägung	verschiedener	                             ence-Begriff	mit	einem	spezifischen	Wissenschaftsverständnis	
Aspekte	erfolgen.                                                                   verbunden,	das	auf	Objektivität,	Gesetzmäßigkeiten	und	quantifi-
                                                                                    zierende	Messmethoden	baut	und	im	Wesentlichen	in	den	Natur-
Im	Folgenden	sollen	daher	die	sich	nur	teilweise	deckenden	                         wissenschaften	realisiert	wird.	Dementsprechend	wird	Science	
Bedeutungen	von	Science	und	Wissenschaft	kurz	skizziert	wer-                        lexikalisch	definiert	als	„any	system	of	knowledge	that	is	concer-
den.	Anschließend	werden	einige	alternative	Begrifflichkeiten		                     ned	with	the	physical	world	and	its	phenomena	and	that	entails	
für	die	Benennung	der	angestrebten	Wissenschaft	der	Dienstleis-                     unbiased	observations	and	systematic	experimentation.	In	gene-
tungen	vorgestellt	und	hinsichtlich	ihrer	Eignung	bewertet.	Dabei	                  ral,	a	science	involves	a	pursuit	of	knowledge	covering	general	
zeigt	sich,	dass	es	den	idealen	Begriff,	der	gleichzeitig	umfas-                    truths	or	the	operations	of	fundamental	laws“.17
send,	international	einheitlich	und	präzise	zum	Ausdruck	bringt	
was	das	Wesen	einer	neuartigen	Wissenschaft	der	Dienstleistun-                      Die	Konnotation	des	Science-Begriffs	mit	den	Naturwissenschaf-
gen	ausmacht,	nicht	gibt,	die	Expertenrunde	aber	„Service	Sci-                      ten	schlägt	sich	auch	in	der	Differenzierung	akademischer	Titel	
ence“	als	den	am	besten	geeigneten	Begriff	empfiehlt.	Die	Über-                     nieder:	Während	der	Master	of	Science	(M.Sc.)	üblicherweise	in	
legungen,	die	zu	dieser	Entscheidung	führen,	sind	nachfolgend	                      Mathematik,	Informatik	und	den	Naturwissenschaften	(sowie	je	
dargestellt.                                                                        nach	inhaltlicher	Ausrichtung	des	Studiengangs	auch	in	den	Wirt-
                                                                                    schafts-	und	Ingenieurwissenschaften)	vergeben	wird,	schließen	
                                                                                    Studierende	in	den	Geistes-	und	Sozialwissenschaften	(sowie		
                                                                                    je	nach	inhaltlicher	Ausrichtung	auch	in	den	Wirtschaftswissen-
                                                                                    schaften)	mit	dem	Master	of	Arts	(M.A.)	ab.
17
     			Britannica	Online	Encyclopedia	2009


18	     Arbeitsgruppe	„Evaluation	Service	Science“	der	Taskforce	Dienstleistungen
Zur	Begriffsklärung	Von	serVice	science




Wenn	die	betreffende	Wissenschaft	inter-	oder	transdisziplinär	        In	der	Debatte	zur	Etablierung	einer	Wissenschaft	der	Dienst-
angelegt	sein	soll,	muss	sie	jedoch	in	der	Lage	sein,	Science-         leistungen	kursieren	verschiedene	Angebote,	wie	dieses	neue	
Disziplinen	wie	Arts-Disziplinen	zusammenzuführen.	Damit	stellt	       akademische	Feld	zu	benennen	wäre.	Denkbar	sind	aber	auch	
sich	die	Frage,	ob	der	Schirm	einer	Service	Science	weit	genug	        Neuschöpfungen,	die	bislang	noch	nicht	in	diese	Diskussion		
aufgespannt	ist,	um	eine	solche	Aufgabe	erfüllen	zu	können.            eingebracht	worden	sind.

                                                                       •	service	studies:	Die	Vorteile	dieser	begrifflichen	Neuschöp-
5.2 möglichkeiten der erweiterung                                        fung	liegen	darin,	dass	der	Studies-Begriff	problemlos	mit	Dis-
    des Science-Begriffs                                                 ziplinen	aus	den	Feldern	der	Science	und	der	Arts	kompatibel	
                                                                         ist	und	ebenso	problemlos	an	bereits	bestehende	Inhalte	und	
Wenn	man	Überlegungen	dazu	anstellt,	unter	welcher	Bezeich-              Strukturen	der	Dienstleistungsforschung	und	-lehre	anschlie-
nung	ein	neues	Feld	akademischer	Forschung	und	Lehre	zu	be	       -      ßen	könnte.	Außerdem	gibt	es	bereits	Beispiele	für	die	Entste-
gründen	sei,	wird	man	Kriterien	benennen	müssen,	mit	deren	              hung	von	Forschungsfeldern,	die	mit	dem	Begriff	der	Studies	
Hilfe	die	Tauglichkeit	der	verschiedenen	Bezeichnungen	bewertet	         operieren	(z.	B.	gender	studies	oder	disability	studies).	Als	
werden	kann.	Wir	schlagen	für	dieses	Unterfangen	folgende		              Nachteil	könnte	gesehen	werden,	dass	mit	einer	solchen	Be-	
Kriterien	vor:                                                           zeichnung	nicht	der	Anspruch	erhoben	wird,	eine	neue	Diszip-
•	anschlussfähigkeit:	Der	Begriff	sollte	die	Möglichkeit	bieten,	        lin	zu	begründen,	sondern	ein	Oberbegriff	für	ein	weitgehend	
  an	bereits	bestehende	Strukturen	und	Inhalte	von	Forschung	            heterogenes	Feld	geschaffen	wird.	Ein	weiterer	Nachteil	be	    -
  und	Lehre	anzuknüpfen,	um	so	das	vorhandene	wissenschaft-              steht	darin,	dass	der	Begriff	bislang	nicht	gebräuchlich	ist	und	
  liche	Potential	nutzbar	zu	machen	sowie	eine	passende	Posi-            erheblicher	Aufwand	betrieben	werden	müsste,	um	ihn	in	die	
  tionierung	in	der	akademischen	Landschaft	zu	ermöglichen.	             Debatte	einzuführen.
•	Praktikabilität:	Der	Begriff	sollte	gut	verständlich	sein	und	die	   •	dienstleistungswissenschaft:	Die	Vorteile	liegen	hier	in	der	
  erwünschten	Konnotationen	hervorrufen.	Er	sollte	weitgehend	           Möglichkeit,	die	interdisziplinäre	Ausrichtung	zu	betonen	und	
  konfliktfrei	kommunizierbar	sein	sowie	ansprechende	Abkür-             in	der	klaren	Botschaft,	eine	neue	Disziplin	in	Forschung	und	
  zungen	möglich	machen.                                                 Lehre	etablieren	zu	wollen.	Ein	großer	Nachteil	besteht	darin,	
•	Interdisziplinarität:	Der	Begriff	sollte	nicht	den	Anschein	er	
                                                                -        dass	ein	deutschsprachiger	Begriff	sich	auf	internationaler	
  wecken,	dass	er	nur	bestimmte	Disziplinen	adressiert,	sondern	         Ebene	nicht	wird	etablieren	lassen.
  so	breit	angelegt	sein,	dass	sich	verschieden-disziplinäre	zu	  -    •	service	management	science	(sms):	Diese	Bezeichnung	wird	
  gänge	zusammenfinden	können.                                           als	Option	vorgeschlagen,	mit	der	hervorgehoben	wird,	dass	es	
•	Bekanntheitsgrad:	Der	Begriff	sollte	nach	Möglichkeit	bereits	         einen	Kern	geben	sollte,	der	als	Alleinstellungsmerkmal	einer	
  eingeführt	sein	und	einen	gewissen	Bekanntheitsgrad	erreicht	          neuen	Wissenschaft	dienen	könnte:	das	Management	intangib-
  haben.	Auf	diese	Weise	kann	auf	bereits	erfolgte	Öffentlich-           ler	und	interaktiv	hervorgebrachter	Güter.	Damit	wird	insbe-
  keitsarbeit	aufgebaut	werden.                                          sondere	an	die	Tradition	des	Dienstleistungsmanagements	

                                                                                                                                       19
angeschlossen.	Allerdings	ist	hiermit	wiederum	das	Problem	                     nahelegt.	Allerdings	ist	es	notwendig,	die	Engführungen	des		
  verbunden,	dass	die	Bezeichnung	zu	eng	sein	könnte.	Ein		                       Science-Begriffs	durch	eine	nähere	inhaltliche	Bestimmung	aus-
  weiteres	Problem	besteht	darin,	dass	der	Begriff	international	                 zugleichen:	es	ist	hervorzuheben,	dass	auch	unter	der	Über-
  bislang	nicht	etabliert	ist.                                                    schrift	„Science“	verschiedene	Wissenschaftsverständnisse	und	
•	service	science,	management,	and	engineering	(ssme):	                           damit	die	Beteiligung	einer	breiten	Palette	von	Disziplinen,	die	
  Diese	Bezeichnung	wurde	in	den	zurückliegenden	Jahren	durch	                    sich	mit	Dienstleistungen	beschäftigen,	möglich	ist.
  IBM	in	die	Debatte	eingebracht.	Weitere	Disziplinen	(Manage-
  ment	und	Engineering)	wurden	additiv	hinzugenommen.		
  Aufgrund	der	starken	internationalen	Aktivitäten	von	IBM	hat	
  SSME	einen	gewissen	Bekanntheitsgrad	erreicht;	die	enge		
  Verquickung	mit	einem	Unternehmen	könnte	aber	hinderlich	
  sein,	um	auf	der	Grundlage	dieser	Bezeichnung	ein	akademi-
  sches	Feld	zu	besetzen.	
•	service(s)	science:	Dieser	Begriff	ist	mit	Sicherheit	derjenige,	
  der	bereits	am	besten	eingeführt	ist.	Ein	Nachteil	besteht	
  darin,	dass	Teile	der	für	diese	Wissenschaft	relevanten	Diszip-
  linen	sich	–	aufgrund	der	oben	kurz	umrissenen	Fokussierung	
  des	Science-Begriffs	auf	ein	bestimmtes	Wissenschaftsver-
  ständnis	–	ausgeschlossen	fühlen	könnten.	Ein	Problem	der	
  Praktikabilität	besteht	(wie	bei	der	Bezeichnung	Service	Stu-
  dies	auch)	darin,	dass	das	naheliegende	Akronym	„SS“	durch	
  die	deutsche	Geschichte	anderweitig	und	sehr	negativ	belegt	
  ist.	Starke	Vorteile	hingegen	könnten	darin	gesehen	werden,	
  dass	mit	diesem	Begriff	die	Etablierung	einer	neuen	Disziplin	
  signalisiert	wird.

Keine	der	Bezeichnungen,	die	bislang	in	die	Debatte	eingeführt	
worden	sind,	ist	ohne	Nachteile.	Es	bietet	sich	deshalb	an,	eine	
pragmatische	Entscheidung	zu	treffen.	Diese	besteht	darin,	an	
dem	bislang	am	besten	eingeführten	Terminus,	dem	der	„Service	
Science“,	festzuhalten,	wobei	der	Singular	„Service“	den	vorher	
genannten	Perspektivwechsel	u.E.	besser	widerspiegelt	als	der	
Plural,	der	ein	eher	outputorientiertes	Dienstleistungsverständnis	

20	   Arbeitsgruppe	„Evaluation	Service	Science“	der	Taskforce	Dienstleistungen
6	 anWendungsBeisPiele



In	zahlreichen	Fällen	hat	die	wissenschaftliche	Auseinander-        aktionsarbeit)	an.	Interaktive	Arbeit	modelliert	die	„front	stage“	
setzung	mit	Dienstleistungen	wesentliche	Innovationen	hervor-       als	Interaktionsprozess	sozialer	Akteure,	deren	Handlungserfolg	
gebracht,	wie	sie	z.B.	Maglio	et	al.	(2006)	für	Erziehungswissen-   jeweils	vom	Handeln	ihrer	Kooperationspartner	abhängt.	In		
schaften	oder	IT	Service	Management	beschreiben.	Um	zu	ver-         solchen	Analysen	werden	entscheidungs-	und	spieltheoretische	
deutlichen,	was	gerade	eine	interdisziplinär	ausgerichtete	Ser-     zugänge	mit	qualitativen	Methoden	empirischer	Sozialfor-
vice	Science	zusätzlich	leisten	könnte,	ist	die	Beschreibung	kon-   schung19	oder	Forschungen,	die	an	bounded	rationality20	an		   -
kreter	Problemfelder	von	zentraler	Bedeutung,	die	erst	mit	Hilfe	   schließen,	mit	psychologischen	Untersuchungen	zur	Emotions-
der	Theorien,	Konzepte,	Methoden	und	Werkzeuge	einer	Service	       arbeit21	verbunden.	So	lassen	sich	systematisch	anfallende	Ent-
Science	erfolgversprechend	bearbeitet	und	gelöst	werden	kön-        scheidungsprobleme	und	deren	Bearbeitungsversuche	in	der	
nen.	zu	diesem	zweck	werden	im	Folgenden	einige	Anwendungs-         Dienstleistungsbeziehung	bestimmen	und	daraus	Innovations-
bereiche	skizziert,	die	zwei	wesentliche	Kriterien	erfüllen:		      potentiale	für	die	Kundenschnittstelle	entwickeln.	zudem	lassen	
erstens	sind	die	beteiligten	Forschungsanstrengungen	nicht	klar	    sich	Auswirkungen	der	„back	stage“	auf	die	interaktive	Arbeit	
einer	bestimmten	Disziplin	zuzuordnen;	zweitens	ist	es	in	diesen	   analysieren.	Beispielsweise	hängt	der	Verkaufserfolg	von	Bank-
Anwendungsfeldern	gelungen,	neue	Modelle	und	Methoden	zu	           beratern	auf	der	einen	Seite	davon	ab,	wie	gut	sie	bei	der	Kun-
entwickeln,	die	jenseits	des	bisher	akkumulierten	Wissens	in	den	   denberatung	durch	die	IT	der	Bank	unterstützt	werden,	zum	
einzelnen	beteiligten	Disziplinen	liegen.	Es	handelt	sich	somit	    anderen	davon,	inwieweit	ihre	Kunden	gewillt	sind,	entsprechend	
nicht	nur	um	innovative	Anwendungen	bestehender	Theorien,	          mitzuspielen.	
Modelle	und	Methoden	auf	Dienstleistungen.	In	diesen	Anwen-
dungsfeldern	wird	insbesondere	der	Ansatz	deutlich,	Dienstleis-
tung	als	interaktiven	Wertschöpfungsprozess	zu	verstehen,	zu	       6.2 kollaborative Wertschöpfung –
untersuchen	und	zu	gestalten	–	als	Konsequenz	des	eingangs	             an der Schnittstelle zwischen informations-
beschriebenen	Perspektivwechsels.                                       technologie, Ökonomie, organisations-
                                                                        forschung und Soziologie

6.1 interaktive Arbeit –                                            Durch	die	zunehmende	Vernetzung	und	kostengünstige	Verfüg-
    an der Schnittstelle zwischen entscheidungs-                    barkeit	von	Informationstechnologie	haben	sich	in	den	letzten	
    theorie, psychologie, Soziologie und dienst-                    Jahren	zunehmend	innovative	Geschäftsmodelle	im	Bereich	infor-
    leistungsmanagement                                             mationsbasierter	Dienstleistungen	herausgebildet,	bei	denen	der	
                                                                    Kunde	nicht	nur	passiver	„Abnehmer“	von	Diensten	ist,	sondern	
Um	den	Dienstleistungsprozess	von	der	„back	stage“18	über	die	
„front	stage“		bis	hin	zur	Kundenperspektive	erfassen	zu	können,	   18
                                                                      	Teboul	2006
                                                                    19
                                                                      	Weihrich	&	Dunkel	2003
bietet	sich	als	wichtiger	Baustein	das	vor	allem	soziologisch	      20	Simon	1996

geprägte	Konzept	der	interaktiven	Arbeit	(oder	auch:	Inter-         21	Böhle	&	Glaser	2006




                                                                                                                                     21
diese	in	Kollaboration	mit	dem	Anbieter	gestaltet.22	Hierbei	stellt	              eine	Herausforderung	dar,	die	für	keine	der	bestehenden	Diszip-
der	Beitrag	des	Kunden	einen	elementaren	Bestandteil	des	                         linen	alleine	lösbar	erscheint	und	die	daher	nach	einer	interdis-
Dienstes	dar,	der	ohne	diese	Mitwirkung	erst	gar	nicht	zu	Stande	                 ziplinären	Anstrengung	verlangt.
käme.23

Neben	der	rein	auf	Spendenbasis	(in	Form	von	Geld	und	Auf-                        6.3 kooperatives health care management –
merksamkeit)	operierenden	Wikipedia	gibt	es	eine	Reihe	von		                          an der Schnittstelle zwischen informations-
Beispielen	für	Dienste,	die	eine	solche	kollaborative	Wertschöp-                      technologie, gesundheitsökonomie, medizin
fung24	bis	hin	zur	Gewinnbeteiligung	ihrer	„Prosumenten“25	im	                        und interaktiver dienstleistungsarbeit
Rahmen	ihres	Geschäftsmodells	unterstützen	(z.B.	Sourceforge,	
Skype,	YouTube	oder	zOPA).	Diese	Plattformen	für	informations-                    Kooperatives	Health	Care	Management	verweist	auf	neue	Wege,	
basierte	Wertschöpfung	stellen	typischerweise	Koordinations-	                     wie	Gesundheitsdienstleistungen	organisiert	und	gesteuert		
und	Kollaborationsmechanismen	bereit,	die	es	verschiedenen	                       werden.	Im	Vordergrund	steht	die	Vernetzung	von	Informationen	
Teilnehmern	ohne	zentrale	Steuerung	oder	externe	Anreizsys-                       und	Akteuren	entlang	der	gesamten	„Wertschöpfungskette“	des	
teme	ermöglichen,	Informationsprodukte	und	-dienste	zu	ent-                       Gesundheitswesens.	Unter	dem	Stichwort	„Digitales	Kranken-
wickeln,	zu	erstellen	und	zu	vermarkten.	Diese	neuen	Möglich-                     haus“	laufen	bereits	Pilotprojekte,	die	darauf	abzielen,	durch	
keiten	der	Koordination	von	Wertschöpfung	werden	als	„Peer	                       einen	verstärkten	Einsatz	von	Informationstechnologie	die	Ab	   -
Production“	bzw.	„Social	Production“26		oder	„Crowdsourcing“27	                   läufe	im	Gesundheitswesen	zu	optimieren.29	Neben	enormen	
bezeichnet.                                                                       Rationalisierungs-	und	Einspareffekten,	die	mit	kooperativem	
                                                                                  Health	Care	Management	verbunden	sind,	kommt	es	dabei	zu	
Derartige	innovative	Dienste	und	ihre	Geschäftsmodelle	können	                    tiefgreifenden	Veränderungen	in	der	Interaktion	zwischen	Arzt	
von	einer	einzelnen	Disziplin	nicht	adäquat	untersucht	werden:	                   und	Patient.	zum	einen	ermöglichen	neue	Technologien	einen	
Sie	werden	IT-gestützt	erbracht,	nutzen	IT	jedoch	vorwiegend		                    kontinuierlichen	Informationsaustausch	zwischen	Arzt	und		
als	Mittel	zur	änderung	von	Organisationsformen	und	Prozessen.	                   Patient	(z.B.	über	Remote-Services),	zum	anderen	eröffnen	sich	
Sie	erzeugen	einen	Mehrwert	für	die	Nutzer,	jedoch	oft	durch	                     Spielräume	für	einen	ganzheitlichen	Beratungsansatz,	indem	
Anreize,	die	klassischen	Annahmen	der	Ökonomie	widerspre-                         Standardprozesse	bis	hin	zur	Erstellung	von	Differentialdiagno-
chen,	aber	trotzdem	funktionieren.28	Sie	funktionieren	mithilfe	                  sen	teilautomatisiert	werden,	so	dass	mehr	zeit	für	Therapie		
sozialer	Normen	und	der	Bildung	sozialer	Gruppen	–	aber	die		                     und	Prophylaxe	bleibt.	
traditionelle	Sozialforschung	und	die	sozio-technischen	System-                   22
                                                                                    	von	Hippel	2007                        27
                                                                                                                              	Surowiecki	2004
ansätze	sind	alleine	nicht	ausreichend.                                           23
                                                                                    	vgl.	auch	den	„arbeitenden	Kunden“		   28
                                                                                                                              	vgl.	z.B.	das	Problem	Öffentlicher		 	
                                                                                  	 in	(Voss	&	Rieder	2005)                 	 Güter	und	Netzgüter	bei	Open		        	
                                                                                  24	Satzger	&	Neus	2009
                                                                                                                            	 Source/Content	(Beck	u.	a.	2006;			
Die	Motivationsfaktoren	zu	verstehen	sowie	das	Potential	dieser	                  25	Toffler	1981
                                                                                                                            	 Ledyard	1995;	Raymond	1999)
neuen	Arten	gemeinsamer	Wertschöpfung	zu	untersuchen,	stellt	                     26	Benkler	2006                           29	 ottwald	u.	a.	2005
                                                                                                                               G


22	   Arbeitsgruppe	„Evaluation	Service	Science“	der	Taskforce	Dienstleistungen
anWendungsBeisPiele




6.4 market engineering –                                              das	strategische	Management,	das	Marketing	und	die	betrieb-
    an der Schnittstelle zwischen mikro-                              liche	Informationslogistik.	Insbesondere	der	Einsatz	von	Techno-
    ökonomie, iT und Sozialwissenschaften                             logien	(z.B.	IKT,	Mikrosystemtechnik)	erweitert	stark	die	Möglich-
	                                                                     keiten	für	neuartige	PSS,	z.B.	durch	vereinfachte	Fernüberwa-
Market	Engineering	beschreibt	das	systematische	Vorgehen	bei	         chung	und	-steuerung.	Besonders	vielversprechend	ist	hier	die	
Entwurf	und	Entwicklung	von	elektronischen	Märkten.30	Ein	ziel	       Vernetzung	verschiedener	Disziplinen	bei	der	Entwicklung	von	
ist	die	Analyse	von	Einflussfaktoren,	die	zu	stabilen	und	effizien-   Theorien,	Methoden	und	Werkzeugen	für	das	Management	und	
ten	Märkten	führen.	Neben	grundlegenden	Methoden	aus	der	             die	Entwicklung	von	PSS.
Spiel-	und	Implementierungstheorie	spielen	hier	auch	die	Ansätze	
aus	der	Wirtschaftsinformatik,	dem	Operations	Research	und		
der	Finanzwirtschaft	eine	Rolle,	ebenso	wie	verhaltenswissen-         6.6 revenue management –
schaftliche	und	neurophysiologische	Ansätze.	zu	möglichen	An	     -       an der Schnittstelle zwischen marketing,
wendungsgebieten	gehört	die	Entwicklung	von	Energiemärkten	               operations und iT
eben	 o	wie	die	marktbasierte	Ressourcenallokation	für	verteilte	
      s
Rechnerarchitekturen	(Grid-Marktplätze).                              Ertragsmanagement	(engl.	revenue	management)	entstand	in	
                                                                      den	1980er-Jahren	und	wurde	ursprünglich	vor	allem	bei	Flug-
                                                                      linien	und	Hotels	eingesetzt.	Heute	verbirgt	sich	dahinter	eine	
6.5 product-Service-Systems –                                         Vielzahl	von	Methoden,	die	mithilfe	von	Produkt-	und	Preisdiffe-
    an der Schnittstelle zwischen maschinenbau,                       renzierung	einen	ertragsmaximierenden	Einsatz	von	knappen	
    Betriebswirtschaftslehre und informatik                           Produktionsressourcen	ermöglichen.	Unter	zuhilfenahme	von	
                                                                      Prognoseverfahren	und	mathematischer	Optimierung	wurden	
Die	Entwicklung	und	der	Betrieb	integrierter	Product-Service-         völlig	neue	Methoden	entwickelt,	die	nicht	nur	die	Transport-
Systems	(PSS)	gelten	in	gesättigten	Produktmärkten	als	wichtige	      branche,	sondern	mittlerweile	auch	zahlreiche	andere	Dienst-
Chance	zur	Differenzierung	im	Wettbewerb.	PSS	verknüpfen	             leistungsindustrien	(Hotel,	Theater,	Kino,	Autoverleih,	etc.)	stark	
Hard-	und	Softwareprodukte	mit	Dienstleistungen	zu	abgestimm-         beeinflusst	haben.	zentrale	Beiträge	erschienen	in	Journalen	des	
ten,	oft	auch	kundenspezifischen	Problemlösungen	und	stellen	         Operations	Management31,	allerdings	gibt	es	zahlreiche	Quer-
damit	eine	besondere	Form	hybrider	Wertschöpfung	dar,	die	            bezüge	zu	IT	und	zum	Marketing32.	Wichtige	zukünftige	Frage-
Sachgüter	und	Dienstleistungen	kombiniert.	Beispiele	für	PSS	         stellungen	betreffen	die	Analyse	von	Kundenverhalten,	aber	auch	
finden	sich	sowohl	in	Konsumentenmärkten	(z.B.	Automobilindu-         die	Markt-	und	Preisentwicklung	in	Dienstleistungsindustrien,		
strie	und	Telekommunikation)	als	auch	in	vielen	Industriegüter-
märkten	(z.B.	Maschinen-	und	Anlagenbau	sowie	Informations-
                                                                      30
                                                                        	Weinhardt	u.	a.	2006
technik).	Dies	wirft	nicht	nur	neue	Fragen	für	die	Gestaltung	von	    31
                                                                        	McGill	&	Van	Ryzin	1999
Innovations-	und	Entwicklungsprozessen	auf,	sondern	auch	für	         32	Wangenheim	&	Bayon	2007




                                                                                                                                       23
in	denen	verbreitet	Revenue	Management-Konzepte	eingesetzt	                         6.8 Workforce Scheduling –
werden.	Informationstechnologie	stellt	eine	elementare	Grund-                           an der Schnittstelle zwischen operations
lage	für	das	Revenue	Management	dar.                                                    management, personalwesen und informatik
                                                                                    	
                                                                                    Projekt-	und	Personalplanung	gehören	zu	den	zentralen	Auf-
6.7 recommender Systems –                                                           gaben	großer	Dienstleistungsorganisationen.	Dazu	zählt	die	Pla-
    an der Schnittstelle zwischen informatik,                                       nung	einer	großen	Anzahl	von	Mitarbeitern	mit	unterschiedlichen	
    marketing und Sozialwissenschaften                                              Fähigkeiten,	die	in	Teams	in	einer	Vielzahl	von	Projekten	zum	Ein-
                                                                                    satz	kommen.	Die	Modellierung	von	Anforderungen,	Fähigkeiten	
Empfehlungssysteme	(engl.	recommender	systems)	machen	                              und	Lerneffekten	bei	Mitarbeitern,	von	zeitlichen	Reihenfolge-
aktiven	Kunden	auf	Basis	ihres	eigenen	Verhaltens	und	dem	                          abhängigkeiten	und	von	Unsicherheit	bei	der	Projektgewinnung		
anderer	Käufer	Empfehlungen	über	Produkte	oder	Dienstleistun-                       führen	zu	Herausforderungen	in	der	Planung	und	der	algorith-
gen,	die	für	sie	mit	hoher	Wahrscheinlichkeit	von	Interesse	sind.	                  mischen	Lösung.34	Durch	zentral	verfügbare	und	tagesaktuelle	
zur	Berechnung	der	passenden	Empfehlungen	bzw.	Wahrschein-                          Daten	über	die	Verfügbarkeit	von	Mitarbeitern	und	fortgeschrit-
lichkeiten	wurden	zahlreiche	neue	Datenanalysemethoden	entwi-                       tene	algorithmische	Ansätze	lassen	sich	heute	Entscheidungs-
ckelt.	ähnlich	wie	im	Ertragsmanagement	führt	das	zusammen-                         unterstützungssysteme	bereitstellen,	welche	zentrale	Planungs-
spiel	aus	Kundenverhalten	und	Empfehlungslogik	zu	spannenden	                       aufgaben	in	Dienstleistungsunternehmen	wirksam	unterstützen	
Fragestellungen	an	der	Schnittstelle	zwischen	Marketing	und	                        und	die	Produktionseffizienz	dieser	Organisationen	deutlich		
Informatik.33	Die	Auswirkung	solcher	Systeme	auf	die	Meinungs-                      steigern	können.
bildung	einzelner	Kunden	oder	ganzer	Gruppen	ist	bisher	noch	
sehr	wenig	erforscht.	Empfehlungssysteme,	digitale	soziale	Netz-                    Aus	einigen	der	genannten	Beispiele	geht	eine	starke	Verwandt-
werke	oder	Online-Reputationssysteme	stellen	komplexe	sozio-                        schaft	einer	Service	Science	zu	der	in	Gibbons	u.	a.	(1994)	be		-
technische	Systeme	dar,	die	durch	Informationstechnologie	                          schriebenen	Mode-2-Forschung	hervor.	Nach	rein	disziplinärer	
ermöglicht	werden,	deren	Auswirkungen	aber	bislang	noch	wenig	                      Mode-1-Forschung	stehen	bei	dieser	Art	von	Forschung	reale	
bekannt	sind.	Ein	stärkerer	Dialog	mit	den	Sozialwissenschaften	                    Problemstellungen	von	gesellschaftlicher	und	wirtschaftlicher	
ist	hier	nicht	nur	wünschenswert,	sondern	dringend	erforderlich.	                   Bedeutung	im	Mittelpunkt,	die	dann	durch	Ansätze	aus	verschie-
All	diese	Systeme	sind	hervorragende	Beispiele	für	„value-in-                       denen	Forschungsdisziplinen	umfassend	untersucht	werden.		
use“,	bei	denen	der	Mehrwert	eines	Systems	durch	die	aktive	                        In	Deutschland	hat	diese	Vorgehensweise	bereits	eine	lange		
Beteiligung	von	Anbietern	und	Kunden	entsteht.                                      Tradition	und	konnte	ihre	besonderen	Stärken	demonstrieren:	
                                                                                    einerseits	wird	seit	vielen	Jahren	das	Instrument	der	Verbund-
                                                                                    forschung	erfolgreich	eingesetzt;	andererseits	existieren	seit		
33
     	Resnick	&	Varian	1997                                                         langem	erfolgreiche	Studiengänge,	die	Studierende	gezielt	dafür	
34
     	Naveh	u.	a.	2007                                                              ausbilden,	interdisziplinäre	Problemstellungen	zu	bearbeiten		

24	     Arbeitsgruppe	„Evaluation	Service	Science“	der	Taskforce	Dienstleistungen
anWendungsBeisPiele




(wie	z.B.	Wirtschaftsinformatik	oder	Wirtschaftsingenieurwesen).	
In	dieser	Hinsicht	dürfte	der	Bereich	in	Deutschland	bereits	deut-
lich	weiter	etabliert	sein	als	in	vielen	anderen	Ländern.




                                                                            25
Konzeptpapier 'Auf dem Weg zu einer Service Science' für die Taskforce Dienstleistungen - 2010_10
Konzeptpapier 'Auf dem Weg zu einer Service Science' für die Taskforce Dienstleistungen - 2010_10
Konzeptpapier 'Auf dem Weg zu einer Service Science' für die Taskforce Dienstleistungen - 2010_10
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Konzeptpapier 'Auf dem Weg zu einer Service Science' für die Taskforce Dienstleistungen - 2010_10

  • 1. Auf dem Weg zu einer Service Science PersPektiven, Forschungsthemen und handlungsemPFehlungen aus der sicht einer interdisziPlinären arbeitsgruPPe empfehlungen An die TASkforce dienSTleiSTungen im rAhmen der forSchungSunion WirTSchAfT – WiSSenSchAfT
  • 2. Der vorliegende Bericht wurde als gemeinsames Arbeitsergebnis der Expertenrunde – unter Leitung von Gerhard Satzger (Karlsruhe Service Research Institute (KSRI)/IBM Deutschland GmbH) und Walter Ganz (Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, Stuttgart) – von den nachfolgend genannten Mitwirkenden erstellt: Prof. Dr. Roman Beck, Goethe-Universität Frankfurt Prof. Dr. Martin Benkenstein, Universität Rostock Prof. Dr. Martin Bichler, Technische Universität München Prof. Dr. Tilo Böhmann, International Business School of Service Management (ISS), Hamburg Dr. Wolfgang Dunkel, Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF), München Prof. Dr. Klaus-Peter Fähnrich, Universität Leipzig Walter Ganz / Bernd Bienzeisler, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), Stuttgart Prof. Dr. Hans Georg Gemünden / Prof. Dr. Carsten Schultz, Technische Universität Berlin Prof. Dr. Matthias Gouthier, European Business School (EBS), Oestrich-Winkel Prof. Dr. Helmut Krcmar, Technische Universität München Anja Kremer, IBM Deutschland GmbH, Stuttgart Prof. Dr. Kathrin Möslein / Dr. Marcus Kölling, Universität Erlangen-Nürnberg & Handelshochschule Leipzig (HHL) Prof. Dr. Gerhard Satzger / Axel Kieninger, IBM Deutschland GmbH/Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Prof. Dr. Bernd Stauss, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt Prof. Dr. Volker Stich / Dr. Gerhard Gudergan, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen Prof. Dr. Christof Weinhardt, Karlsruher Institut für Technologie (KIT) 4 Arbeitsgruppe „Evaluation Service Science“ der Taskforce Dienstleistungen
  • 3. Auf dem Weg zu einer Service Science PERSPEKTIVEN, FORSCHUNGSTHEMEN UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN AUS DER SICHT EINER INTERDISzIPLINäREN ARBEITSGRUPPE empfehlungen An die TASkforce dienSTleiSTungen im rAhmen der forSchungSunion WirTSchAfT-WiSSenSchAfT 1
  • 4. Inhalt zuSAmmenfASSung 4 BeSTAndSAufnAhme ........................................................................................................................................................... 4 ....................................................................................................................................................... 13 1 einleiTung 4.1 Aktivitäten im Forschungsumfeld ........................................................................................................................................................... 6 ....................................................................................................................................................... 13 4.2 Aktivitäten im Bereich der akademischen Aus- 2 viSion und Weiterbildung ........................................................................................................................................................... 8 ....................................................................................................................................................... 14 3 perSpekTivWechSel 4.3 Wissenschaftliche Konferenzen und Fachzeitschriften ....................................................................................................................................................... 10 ....................................................................................................................................................... 15 4.4 Wirtschaftliche und wissenschaftliche Initiativen 3.1 Wertschöpfung als interaktiver Prozess – sowie Netzwerke „value-in-use“ ....................................................................................................................................................... 16 ........................................................................................................................................................11 4.5 Öffentliche Forschungsförderung 3.2 Gestaltung und Management digitaler, ........................................................................................................................................................17 vernetzter Servicesysteme ....................................................................................................................................................... 12 5 zur BegriffSklärung von Service Science 3.3 Implikationen für die Dienstleistungsforschung ....................................................................................................................................................... 18 ....................................................................................................................................................... 12 5.1 „Science“ versus „Wissenschaft“: Unterschiedliche Bedeutungshorizonte ....................................................................................................................................................... 18 5.2 Möglichkeiten der Erweiterung des Science-Begriffs ....................................................................................................................................................... 19 6 AnWendungSBeiSpiele ....................................................................................................................................................... 21 6.1 Interaktive Arbeit – an der Schnittstelle zwischen Entscheidungstheorie, Psychologie, Soziologie und Dienstleistungsmanagement ....................................................................................................................................................... 21 6.2 Kollaborative Wertschöpfung – an der Schnittstelle zwischen Informationstechnologie, Ökonomie, Organisationsforschung und Soziologie ....................................................................................................................................................... 21 2 Arbeitsgruppe „Evaluation Service Science“ der Taskforce Dienstleistungen
  • 5. 6.3 Kooperatives Health Care Management – an der 7.4 Modellierung und Simulation von Dienstleistungen Schnittstelle zwischen Informationstechnologie, ....................................................................................................................................................... 27 Gesundheitsökonomie, Medizin und interaktiver 7.5 Sozio-technische Systemgestaltung Dienstleistungsarbeit ....................................................................................................................................................... 28 ....................................................................................................................................................... 22 7.6 Integration von Dienstleistungen 6.4 Market Engineering – an der Schnittstelle zwischen und neuer Technologie Mikroökonomie, IT und Sozialwissenschaften ....................................................................................................................................................... 28 ....................................................................................................................................................... 23 7.7 Service Management 6.5 Product-Service-Systems – an der Schnittstelle ....................................................................................................................................................... 29 zwischen Maschinenbau, Betriebswirtschaftslehre 7.8 Service Marketing und Informatik ....................................................................................................................................................... 29 ....................................................................................................................................................... 23 6.6 Revenue Management – an der Schnittstelle 8 Auf dem Weg zu einer Service Science: mASS - zwischen Marketing, Operations und IT nAhmen und hAndlungSempfehlungen ....................................................................................................................................................... 23 ....................................................................................................................................................... 30 6.7 Recommender Systems – an der Schnittstelle 8.1 Kommunikation der Vision einer Service Science zwischen Informatik, Marketing und und Vernetzung von Akteuren ....................................................................................................................................................... 31 Sozialwissenschaften ....................................................................................................................................................... 24 8.2 Gründung und Förderung von Programmen 6.8 Workforce Scheduling – an der Schnittstelle und Institutionen ....................................................................................................................................................... 34 zwischen Operations Management, Personalwesen und Informatik 8.3 Institutionalisierung der Vision einer Service Science ....................................................................................................................................................... 24 an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft 7 poTenzielle forSchungSThemen ....................................................................................................................................................... 37 einer Service Science ....................................................................................................................................................... 26 9 liTerATur ....................................................................................................................................................... 38 7.1 Service Innovation ....................................................................................................................................................... 26 7.2 Service Systeme / Wertschöpfungsnetzwerke (Service Value Networks) ....................................................................................................................................................... 26 7.3 Service Engineering ....................................................................................................................................................... 27 3
  • 6. Zusammenfassung Dienstleistungen bestimmen mehr und mehr die Leistungsstärke In der zukunft droht sich diese Diskrepanz noch weiter zu ver- von Volkswirtschaften – in entwickelten Nationen machen sie schärfen. Befördert durch moderne Informations- und Kommuni- bereits rund 70% der Bruttowertschöpfung aus. Allerdings tragen kationstechnologie (IKT) nehmen die Möglichkeiten rapide zu, die Investitionen in Forschung und Entwicklung der Dynamik Leistungen interaktiv mit und individuell für den Kunden zu er - und der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung von Dienstleis- stellen. Projektähnliche, „kollaborative“ Wertschöpfung zwischen tungen bereits heute nicht annähernd Rechnung. Anbietern und Kunden wird dadurch in den Vordergrund rücken – an Stelle einer Fokussierung auf die „einseitige“ Lieferung einer standardisierten Leistung. Dadurch entstehen vermehrt kom- plexe Dienstleistungssysteme, die Menschen und Technik glei- chermaßen einbeziehen. Dies wird die Ausgestaltung von wirt- schaftlichen Transaktionen und Geschäftsmodellen wesentlich verändern – ebenso wie die Anforderungen an die Qualifikatio- nen der beteiligten Menschen und deren Arbeitsumfeld. Die ziel- gerichtete Gestaltung dieser Dienstleistungssysteme muss aus einer übergeordneten Sicht erfolgen und bringt dadurch neue Herausforderungen hervor, die nur durch zusammenarbeit über die Schnittstellen von technischen, wirtschaftlichen und sozialen Fachdomänen hinweg gemeistert werden können. In einer derart dienstleistungsorientierten und zudem global vernetzten Welt werden nur diejenigen Unternehmen und Volks- wirtschaften bestehen können, die willens und in der Lage sind, die sich daraus bietenden Chancen schnell und entschlossen zu nutzen. Eine wichtige Basis für Innovation könnte eine neu for- mierte „Service Science“ bilden, die Erkenntnisse verschiedener Wissensgebiete integriert und eigenständig geeignete Theorien, Konzepte, Methoden und Werkzeuge entwickelt und vermittelt. Dadurch könnten Menschen in Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft optimal auf die Wachstumschancen durch dienst- leistungsorientierte Wertschöpfung vorbereitet werden. 4 Arbeitsgruppe „Evaluation Service Science“ der Taskforce Dienstleistungen
  • 7. Zusammenfassung Das vorliegende Konzeptpapier zeigt Handlungsempfehlungen auf, die den Weg hin zu einer dergestaltigen „Service Science“ ebnen. Angesichts der rapiden Entwicklungen auf dem Gebiet der Dienstleistungsforschung, ist die konsequente und ent- schlossene Umsetzung dieser Empfehlungen ein Muss. Sie sollte dazu führen, der deutschen Forschung auch weiterhin einen internationalen Spitzenplatz zu sichern, die Grundlage für wirt- schaftliche Innovationen und nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit für deutsche Unternehmen zu festigen und Lösungen für gesell- schaftlich relevante (Dienstleistungs-)Systeme, wie z.B. Gesund- heits-, Verkehrs- oder Energiesysteme, zu schaffen. Nur durch Investition in den Aufbau von Kompetenzen kann die globale Führung in der Dienstleistungsgesellschaft von morgen erreicht werden. 5
  • 8. 1 einleitung Dienstleistungen machen – sektoral betrachtet – in vielen ent- • lösung statt Produkt: zunehmend werden Produkte durch wickelten Volkswirtschaften bereits rund 70% der gesamten begleitende Dienstleistungen differenziert und innovative Bruttowertschöpfung aus. Ihre Gewichtung in der akademischen Lösungen als individualisierte, auf den Kunden zugeschnittene Forschung und in den F&E-Investitionsvolumina der Unterneh- „hybride“ Leistungsformen realisiert. Nutzungsbasierte Kon- men trägt dieser wirtschaftlichen Bedeutung bislang jedoch in zepte (wie z.B. Betreibermodelle) ersetzen vermehrt produkto- keiner Weise Rechnung. Die wachsende Bedeutung von Dienst- rientierte Strukturen durch Dienstleistungsbeziehungen. leistungen insgesamt, die zunehmende Relevanz und Verbreitung • globaler Wettbewerb statt lokaler markt: Die rasante Ent- komplexer Dienstleistungssysteme und -netze in Wirtschaft und wicklung der IKT treibt die Bedeutung von Information als Gesellschaft sowie die rasanten Fortschritte moderner Techno- Bestandteil von Lösungen – und damit auch die Möglichkeit logien, insbesondere der Informations- und Kommunikations- der räumlichen Entkopplung von Dienstleistungen von ihrer technologie (IKT), erfordern ein rasches Handeln seitens der Produktionsstätte. So sind z.B. digitale Dienstleistungen von Wissenschaft, der Wirtschaft und der Politik, um aktuelle Wett- zentraler Stelle aus weltweit vermarktbar. bewerbspositionen erhalten und noch weiter ausbauen zu kön- • systemdenken statt fokus auf einzelleistungen: Anstelle nen. Damit einher geht die Notwendigkeit einer stärker multi- der „Lieferung“ eines Produktes oder einer Dienstleistung und inter is iplinär ausgerichteten Forschung, die Dienstleistun- d z rückt zunehmend die projektähnliche, gemeinschaftliche Wert- gen und dienstleistungsorientierte Wertschöpfungsformen in schöpfung von Akteuren in den Blickpunkt. Die Gestaltung des das zentrum wissenschaftlicher Betrachtung stellt. Deren prak- gesamten Systems dieser Akteure bietet enormes Potential, tische Bedeutung wird durch folgende Trends illustriert: erfordert aber auch neue Herangehensweisen. So vernetzen z.B. Gesundheits-, Verkehrs- und Energieversorgungssysteme eine Vielzahl von Akteuren über Dienstleistungen miteinander – eine zielgerichtete wissenschaftliche Fundierung bzw. deren Anwendung zur Verbesserung der Effektivität dieser Dienst- leistungssysteme ist aber noch kaum vorhanden. 6 Arbeitsgruppe „Evaluation Service Science“ der Taskforce Dienstleistungen
  • 9. einleitung Der vorliegende Beitrag der Expertengruppe „Service Science“ Eine konsequente und entschlossene Umsetzung dieser Empfeh- im Auftrag der Forschungsunion Wirtschaft-Wissenschaft widmet lungen sollte dazu führen, der deutschen Forschung auch weiter- sich der Analyse der gegenwärtigen und zukünftigen Forschungs- hin einen internationalen Spitzenplatz zu sichern, die Grundlage ausrichtung der Dienstleistungsforschung. Kernpunkt ist ein für wirtschaftliche Innovationen und nachhaltige Wettbewerbs- notwendiger Perspektivwechsel auf die gemeinsame, interaktive fähigkeit für deutsche Unternehmen zu festigen und Lösungsan- Wertschöpfung von Partnern, die sich zu einfachen oder komple- sätze für gesellschaftlich relevante (Service-)Systeme, wie z.B. xeren Dienstleistungssystemen zusammenfügen. Dieser „kolla- Gesundheits-, Verkehrs- oder Energiesysteme zu schaffen. borative“ Wertschöpfungsansatz macht es unabdingbar, bislang isolierte Wissenschaftsdisziplinen zusammenzuführen und prob- lemadäquate, interdisziplinäre Theorien, Methoden und Instru- mente zu entwickeln. Der Beitrag formuliert zunächst in Kapitel 2 die Vision einer zukünftigen Service Science, die nach vielen fruchtbaren Diskus- sionen zwischen den beteiligten Autoren aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen als gemeinsamer Konsens hervorge- gangen ist, bevor in Kapitel 3 der erwähnte Perspektivwechsel näher erläutert wird. Eine Bestandsaufnahme des nationalen und internationalen „status quo“ in Bezug auf Forschungsinstitutio- nen, Lehrangebote und „Communities“ erfolgt in Kapitel 4, bevor in Kapitel 5 die gemeinsame Terminologie für das weitere Vor- gehen begründet wird. Kapitel 6 skizziert Anwendungsszenarien, die die Notwendigkeit einer integrierten „Service Science“ deut- lich machen und illustrieren, bevor Kapitel 7 zukünftig relevante Forschungsthemen identifiziert. Das abschließende Kapitel 8 stellt einen Katalog von Handlungsempfehlungen zusammen, die zur Etablierung und Förderung einer „Service Science“ notwen- dig erscheinen. 7
  • 10. 2 Vision Komplexe, sozio-technische Dienstleistungssysteme durch- dringen zunehmend die Arbeits- und Lebenswelten und werden »…every business must become zu einer wesentlichen Voraussetzung für Innovation, Wachstum a service business, und Beschäftigung. Massiv beschleunigt wird diese Entwicklung durch den Einsatz sich rasant innovierender Technologien, ins- or it will fail to be competitive besondere der Informations- und Kommunikationstechnologie against competition that does« (IKT): Diese treibt einerseits die wirtschaftliche Bedeutung digital (Rust & Miu 2006) erbringbarer Dienstleistungen und ermöglicht andererseits eine zunehmend globale Vernetzung von Partnern. Sie ändert tradi- tionelle Rollenverteilungen von Leistungsgebern und -nehmern. Dies bewirkt eine Veränderung der Art und Weise, wie Werte geschaffen und konsumiert werden und ermöglicht sowohl die Individualisierung von Leistungen als auch deren zielgerichtete industrielle Entwicklung. Die heute noch vielfach in individuellen Disziplinen erarbeiteten Erkenntnisse lassen sich in großen Teilen dem Gebiet der Dienst- leistungsforschung zuordnen. Diese beschäftigt sich mit der Beschreibung, Erklärung und Gestaltung sozio-technischer Sys- teme, in denen mehrere Partner durch Leistungsbeziehungen verbunden sind und in gegenseitiger Abstimmung durch den Ein- satz der bei allen Partnern vorhandenen Ressourcen gemeinsam Wert für die jeweiligen Partner und/oder das gesamte System schöpfen. Die Dienstleistungsforschung abstrahiert in Abwei- chung von traditionellen Sichten von einer Trennung zwischen Produkt und Dienstleistung im Sinne der ausgetauschten Leistun- gen („value in exchange“). Stattdessen fokussiert sie auf den durch die Leistungsbeziehung insgesamt geschaffenen Mehrwert („value in use“) für die beteiligten Partner. Die Dienstleistungs- forschung bündelt und integriert die unter diesem Paradigma getätigte Lehre und Forschung in den beteiligten Disziplinen und macht diese nach außen sichtbar. 8 Arbeitsgruppe „Evaluation Service Science“ der Taskforce Dienstleistungen
  • 12. 3 PersPektiVWechsel Das Spektrum von Dienstleistungen bewegt sich zwischen ein- tungsentwicklung und der Wertschöpfung mit Dienstleistungen fachen personenbezogenen Diensten bis hin zu komplexen entlarvt3, die Notwendigkeit eines systematischen und metho- unternehmensbezogenen Dienstleistungen. Bestimmte Typen dengestützten Entwicklungsvorgehens im Sinne eines „Service von Dienstleistungen werden immer häufiger in Form von Dienst- Engineering“ herausgearbeitet4 und die Chancen einer Bünde- leistungssystemen organisiert. Gerade das Segment der kom- lung von Produkt- und Servicekomponenten zu Produkt-Service- plexen unternehmensbezogenen Dienstleistungen weist eine Systemen im Sinne hybrider Wertschöpfung identifiziert5. Dies besondere Dynamik auf und stellt schon heute in entwickelten geschah sicherlich unter dem Eindruck, dass im weltweit erfolg- Volkswirtschaften über 30% der Wirtschaftsleistung dar. Bei- reichen Maschinen- und Anlagenbau oder auch in der IT-Branche spiele dafür finden sich im Verkehrswesen, im Gesundheits- schon früh Leistungsbündel aus Sach- und Dienstleistungen wesen oder in der Softwarebranche. gebildet wurden, um die Kundenbedürfnisse umfassender ab - decken zu können als durch reine Sachleistungen. Die Dynamik und die wachsende wirtschaftliche Bedeutung von Dienstleistungen – welche häufig durch die große Heterogenität Die Unzulänglichkeit der klassischen Trennung und separaten innerhalb des tertiären Sektors verdeckt werden – erfordern Charakterisierung von Dienstleistungen und Sachleistungen ist eine neue Ausrichtung der Dienstleistungsforschung. Die Be - also seit langem bekannt. Der notwendige Wandel in den Köpfen trachtung von Dienstleistungen als Wirtschaftsgüter stellte lange hat aber noch immer nicht stattgefunden. zu tief ist die klassi- zeit den Kern der Dienstleistungsforschung dar. Dienstleistungen sche Dichotomie in erprobten Denkmodellen und eingeschliffe- wurden durch konstituierende Merkmale von Sachgütern abge- nen Handlungsroutinen verankert. Um diesen notwendigen Wan- grenzt, wodurch eigenständige Forschungsfragen aufge orfen w del im Denken und Handeln zu bewerkstelligen, ist ein grundle- werden konnten.1 Die Dienstleistungsforschung hat sich dement- gender Perspektivwechsel erforderlich – ein Perspektivwechsel, sprechend mit Gütern auseinandergesetzt, die immateriellen der neue Wege in Richtung Innovation und kollaborativer Wert- Charakter besitzen, die in der Erstellung die Einbindung oder schöpfung mit Dienstleistungen ermöglicht. Mitwirkung des Kunden erfordern und die aufgrund ihrer Nicht- lagerfähigkeit besondere Anforderungen an die Planung und Steuerung der Leistungserbringung stellen. In der Folge wurden zunächst Ansätze der Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Sachgütern für den Dienstleistungsbereich unter Berück- sichtigung dieser konstituierenden Merkmale adaptiert. Allerdings wurde – gerade in der deutschen Betriebswirtschafts- 1 Kleinaltenkamp 2001 lehre – recht früh bestritten, dass sich eine harte Trennlinie 2 Engelhardt u. a. 1993 3 Reichwald & Möslein 1995 zwischen Sach- und Dienstleistungen ziehen lässt.2 Klassische 4 Fähnrich u. a. 1999; Luczak u. a. 2004; Bullinger & Scheer (Hrsg.) 2006 Denkmuster wurden als Innovationsbarrieren der Dienstleis- 5 Böhmann & Krcmar 2007 10 Arbeitsgruppe „Evaluation Service Science“ der Taskforce Dienstleistungen
  • 13. PersPektiVWechsel 3.1 Wertschöpfung als interaktiver prozess – aufgelöst. Gleichzeitig wird damit die Erwartung formuliert, dass „value-in-use“ Kunden mehr als nur unterstützende oder passive externe Fakto- ren der Leistungserstellung sind. Daher bedingt das gemeinsame Dieser Perspektivwechsel wird derzeit – besonders pointiert von Schaffen von Werten ein Denken in Wertschöpfungsnetzen oder Vertretern des Marketings –postuliert. Wertschöpfung wird in -systemen.10 diesem zusammenhang als prozessorientiert, interaktiv und ver- netzt verstanden.6 Wertschöpfung wird somit konsequent als In einem derart prozessorientierten Wertschöpfungsverständnis interaktiver Prozess innerhalb von Dienstleistungssystemen be- gewinnen zudem zeit und Ort einer Wertschöpfung an Bedeu- trachtet. Dies bedeutet zunächst, dass die Wertschöpfung nicht tung. Der Nutzen für die beteiligten Akteure resultiert dabei auch in der Produktion einer Leistung gipfelt, sondern – im Sinne aus dem Leistungserlebnis des Nutzers, welches nur abhängig „interaktiver Wertschöpfung“ – in der kontinuierlichen Sicher- vom Umfeld und der Historie der Akteursbeziehungen erklärt stellung des Nutzens für den Kunden in der Nutzungsphase der werden kann. Durch die Ausrichtung auf die Interaktion zwischen Leistung (value-in-use). Beispiele für prozessorientierte Wert- Anbieter und Nutzer ändert der Perspektivwechsel das Verständ- schöpfung finden sich schon heute im Bereich der Konsumelek- nis der Wertschöpfung: Es zeigen sich neue Bedingungen für tronik, der Telekommunikation oder auch der Automobilindustrie. die Gewährleistung des Wertschöpfungsversprechens in der Nut- Das Anbieten stets aktueller Dienste für den Kunden – wie z.B. zung. Dynamische Kompetenzen, wie die Interaktionskompetenz für Unterhaltungsmedien – in der Verwendungsphase von Pro- der Akteure, werden für die Wertschöpfung immer wichtiger. dukten stellt heute einen wichtigen Wettbewerbsvorteil und zugleich tritt die Fähigkeit eines Unternehmens zur Innovation Wachstumsmarkt in diesen Branchen dar. Gleichermaßen diffe- der Wertschöpfungssysteme selbst in den Blickpunkt. Dabei renzieren sich beispielsweise Innovationsführer im Maschinen- gewinnen immaterielle Ressourcen, wie spezialisiertes Wissen und Anlagenbau durch die zusicherung von Verfügbarkeiten und und Informationen für die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen, Produktivitätsverbesserungen in den Produktionsprozessen der eine zentrale Bedeutung. Kunden. Darüber hinaus gehen die Trends zur verstärkt inter- aktiven und hybriden Wertschöpfung Hand in Hand und fördern die Herausbildung von Leistungsbündeln auch über klassische Branchengrenzen hinweg.7 Diese Integration in die Wertschöpfung des Kunden lässt sich nur dann erreichen, wenn es zu einem Prozess der kooperativen 6 Karmarkar 2004; Vargo & Lusch 2004; Vargo & Lusch 2008; (und freiwilligen) zusammenarbeit zwischen Anbieter und Nutzer Wise & Baumgartner 1999 kommt8 und die Wertschöpfung im Nutzungsprozess gemessen 7 Möslein & Kölling 2007 8 Reichwald & Piller 2006 wird9. Mit dem geforderten Perspektivwechsel wird zugleich die 9 Vargo & Lusch 2004 Dichotomie von Werten zwischen Produzenten und Konsumenten 10 Blau u. a. 2009 11
  • 14. 3.2 gestaltung und management digitaler, 3.3 implikationen für die dienstleistungs - vernetzter Servicesysteme forschung Die effiziente Umsetzung interaktiver Wertschöpfungsprozesse Der skizzierte Perspektivwechsel bietet die Chance, die Dienst- unter Einbeziehung des Kunden setzt zunehmend die Bereit tel- s leistungsforschung anschlussfähiger zu machen. Hierzu muss lung und Verwertung von Informationen entlang des Wertschöp- dieser jedoch Widerhall in den einzelnen Disziplinen finden und fungsprozesses voraus. Die Digitalisierung von Produkten und Verbindungen zwischen diesen schaffen. Damit entsteht die Prozessen wird damit zu einem zentralen Treiber der Verände- Basis für die Entwicklung von Dienstleistungskompetenz in der rung hin zu serviceorientierten Formen der Wertschöpfung.11 Breite, die der zunehmenden Durchdringung von Wirtschafts- Entscheidende Faktoren für diese Entwicklung sind die zuneh- und Lebenswelten mit Dienstleistungen entspricht. Gleichzeitig mende Vernetzung von Sachgütern, die steigende Durchlässig- wird aber eine selbständige Dienstleistungsforschung benötigt, keit von technischen und betriebswirtschaftlichen Informations- um Dienstleistungen als dynamischen Forschungsgegenstand systemen12 sowie die einfachere Integration und Adaption von analytisch zu durchdringen und Dienstleistungsinnovationen Geschäftsprozessen – z.B. durch serviceorientierte Architekturen ge ielt zu fördern. Dabei ist es Aufgabe der Dienstleistungsfor- z (SOA) und / oder ein „Internet der Dienste“13. Daraus entstehen schung, das erforderliche Grundlagenwissen sowie neue Metho- entscheidende Impulse für die Entwicklung, Erbringung und den zur Gestaltung und zum Management innovativer Dienst- Vermarktung nutzen- und nutzungsabhängiger Wertschöpfungs- leistungssysteme in Wirtschaft und Verwaltung zu erarbeiten. formen, die wesentlich zur Produktivitätssteigerung beitragen. Nur durch die Etablierung einer spezialisierten Dienstleistungs- forschung, bei gleichzeitiger Integration der Erkenntnisse Interaktive Wertschöpfungsprozesse erfordern demnach die angrenzender Wissensgebiete, können Menschen in Unterneh- Fähigkeit, komplexe sozio-technische Systeme zu gestalten, zu men, Verwaltung und Hochschulen optimal auf die Wachstums- betreiben und zu verbessern. Sie werden damit zu einem Treiber chancen durch dienstleistungsorientierte Wertschöpfung vor- für technologische Innovationen und erfordern gleichzeitig eine bereitet werden. enge Vernetzung von Produkt- und Dienstleistungsinnovation. Die Integration von Sach- und Dienstleistungen zu hybriden Wertschöpfungsformen trägt zum Wachstum von Unternehmen bei.14 Sie birgt aber auch Risiken und erreicht bislang oft nicht das Ergebnis- und das Produktivitätsniveau traditioneller, pro- duktzentrierter Wertschöpfungsformen.15 Dies verdeutlicht den 11 Karmarkar 2004; Satzger 2008 hohen Forschungsbedarf bei der Entwicklung von Instrumenten 12 Fleisch & Dierkes 2003 13 Barros & Dumas 2006; Riedl u. a. 2009; Fano & Gershman 2002 zur Planung, Steuerung und Optimierung integrierter, internatio- 14 Spath & Ganz 2008 naler und interorganisationaler Produkt-Service-Systeme. 15 Neely 2008 12 Arbeitsgruppe „Evaluation Service Science“ der Taskforce Dienstleistungen
  • 15. 4 Bestandsaufnahme Im zuge der Diskussion um die Etablierung einer neuen Wissen- 4.1 Aktivitäten im forschungsumfeld schaftsdisziplin „Service Science“ fand in den vergangenen drei Jahren eine rasante Entwicklung auf nationaler und insbesondere In der deutschen Hochschullandschaft gibt es zunehmend Lehr- auf internationaler Ebene statt. Hierzulande wurden erstmals stühle, die sich explizit mit dem Themenfeld „Dienstleistungen“ zu Beginn des Jahres 2006 im Rahmen der Initiative „Partner für beschäftigen. Dies zeigt sich aktuell vor allem in betriebswirt- Innovation“ die Potentiale einer Service Science diskutiert.16 schaftlich ausgerichteten Fachrichtungen. Hatten vor wenigen Damals konnten die diesbezüglichen Aktivitäten noch als über- Jahren nur eine Handvoll deutscher Universitäten einen auf das schaubar bezeichnet werden. Seitdem sind in Deutschland je- Forschungsfeld des Dienstleistungsmanagements spezialisierten doch ein zunehmendes Interesse an der Thematik und ein expo- Lehrstuhl (wie die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, nentielles Anwachsen entsprechender Aktivitäten zu verzeich- die Universität Bayreuth, die Fern-Universität Hagen, die Univer- nen. Weltweit sind die derzeitigen Entwicklungen vor allem durch sität Leipzig und die Universität Duisburg-Essen), so hat sich bis den Aufbau systematischer Netzwerke mit dem ziel des Wissens- heute die Anzahl mehr als verdreifacht. So finden bzw. etablieren transfers gekennzeichnet. sich spezialisierte Lehrstühle z.B. an der European Business School EBS, der Frankfurt School of Finance and Management, Im Rahmen der folgenden Bestandsaufnahme wird versucht, der Goethe-Universität Frankfurt am Main, der Universität Dort- einen groben Überblick über die nationalen und internationalen mund, der Universität Hohenheim, der Universität Mannheim, Aktivitäten im Bereich einer Service Science zu geben. Aufgrund der Universität Passau, der Universität Rostock und der Univer- der Vielfalt und der Dynamik der derzeit laufenden Initiativen, sität Wuppertal. zudem widmen sich gerade auch an Fachhoch- vermag diese Bestandsaufnahme indes nur einen groben Über- schulen und Berufsakademien Fachvertreter vermehrt dem blick zu geben, ohne den Anspruch einer allumfassenden Themenfeld des Dienstleistungsmanagements. Beschreibung zu erheben. Neben den oben genannten betriebswirtschaftlich orientierten Lehrstühlen finden sich auch in angrenzenden Fachdisziplinen zunehmend Einrichtungen, die Dienstleistungen als eigenstän- diges Wissenschafts- und Forschungsfeld begreifen. So wurde z.B. im Januar 2008, als eine Kooperation zwischen IBM und der Universität Karlsruhe (dem heutigen Karlsruher Institut für Techno ogie), das „Karlsruhe Service Research Institute“ (KSRI) l ge ründet, das es als seine Aufgabe versteht, eine interdiszipli- g när orientierte Dienstleistungsforschung voranzutreiben. Ein weiteres Beispiel stellt das E-Finance Lab an der Goethe-Univer- sität dar, das seit 2003 – als öffentlich-privates Joint Venture – Stauss u. a. 2008 16 wissens ntensive und IT-basierte Dienstleistungen im Finanz- i 13
  • 16. dienstleistungssektor in interdisziplinären Kooperationen 4.2 Aktivitäten im Bereich der akademischen er orscht. Vonseiten der anwendungsorientierten Forschung f Aus- und Weiterbildung werden dienstleistungsspezifische Themen weiterhin stark vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) Während es bis vor kurzem geringe Anstrengungen in Deutsch- in Stuttgart und vom Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) land gab, Dienstleistungsthemen in spezialisierte primäre und an der RWTH Aachen sowie dem Center for Leading Innovation & weiterführende Lehrangebote einzubinden bzw. solche neu zu Cooperation (CLIC) an der Handelshochschule Leipzig fokussiert. entwickeln, hat sich dies mittlerweile grundlegend geändert. So gewinnen etwa auf das Dienstleistungsmanagement fokussierte Auf internationaler Ebene haben sich bereits vor einigen Jahren Lehrmodule im Rahmen von Masterprogrammen zunehmend an spezielle Dienstleistungs-Forschungseinrichtungen etabliert, Bedeutung, wie z.B. an der Katholischen Universität Eichstätt- die an renommierten Business Schools institutionalisiert sind. Ingolstadt, der Universität Hohenheim, dem Karlsruher Institut zu ihnen zählen das Service Research Center der Universität für Technologie (KIT) und der Universität Rostock. Karlstad, das Center for Excellence in Service der University of Maryland, das Center for Services Leadership am College for Auch im Bereich der Postgraduierten-Studiengänge hat sich das Business an der Arizona State University, das Maastricht Acade- Angebot in Deutschland im Bereich Dienstleistungsmanagement mic Center for Research in Services (MAXX), das Center for weiterentwickelt. So bieten z.B. die private Hochschule Interna- Services Management an der Cranfield School of Management, tional Business School of Service Management (ISS) MBA- und das Centre for Service Research (CServ) der University of Exeter Bachelor-Studiengänge mit der Spezialisierung „Service Manage- Business School oder das Advanced Institute of Management ment“ und die Hector School des KIT einen neuen Studiengang Research (AIM) mit den Gruppen “AIM Service Fellows” und „Service Management and Engineering“ an. Daneben werden “Public Service Fellows”. Als weitere Forschungseinrichtungen spezifische zertifikatslehrgänge zu Themen wie „Industrielles können das Complex Services Innovation Research Network Dienstleistungsmanagement“ vom Forschungsinstitut für Ratio- (CSIRN) der University of Glasgow, das Institute of International nalisierung (FIR) und „Service Excellence“ an der European Services Innovation des University College Dublin und das Multi- Business School EBS angeboten. disciplinary Center for Services Science, Quality, and Innovation des Virginia Tech Pamplin College of Business genannt werden. Spezifische Fachrichtungen und Vertiefungsfächer – etwa Unter- nehmensberatung, IT-Consulting und IT-Service-Management – Darüber hinaus ist im internationalen Umfeld die Gründung von finden sich zudem an diversen deutschen Fachhochschulen und speziellen „Service Science“ Instituten zu beobachten (z.B. des Berufsakademien. Centre for Service Research an der Universität Manchester oder des Swiss Institute of Service Science), bei denen es sich zu- In diesem zusammenhang kann ferner eine fächerübergreifende meist um den zunächst virtuellen zusammenschluss unterschied- Ausrichtung neuer Studiengänge wahrgenommen werden. Im licher Lehrstühle handelt. europäischen Raum lässt sich diese Entwicklung durch einge- 14 Arbeitsgruppe „Evaluation Service Science“ der Taskforce Dienstleistungen
  • 17. Bestandsaufnahme führte Master Studiengänge im Bereich „Services Science“ (z.B. „Business Services“. Die vierzigste Jahrestagung der Gesellschaft an der University of Exeter), „Business Process Management“ für Informatik (GI) wurde in Leipzig 2010 unter dem General- (z.B. an der Universidad Pontificia de Salamanca), „Business thema „Service Science“ ausgerichtet werden. Engineering“ (z.B. an der Universität Regensburg) und „Business Informatics“ (z.B. an der Universität Rostock) verdeutlichen. Auf internationaler Ebene existiert dagegen seit langem eine Folglich kann festgehalten werden, dass einzelne Disziplinen vergleichsweise breite Palette an dienstleistungsspezifischen vermehrt zu inter- bzw. transdisziplinären Forschungs- und Lehr- Konferenzen, deren Angebot sich in den letzten Jahren stetig feldern verknüpft werden. vergrößert hat. Besonders renommiert sind nach wie vor die AMA Frontiers in Services Conference, die SERVSIG Research Conference und die Quality in Services Conference (QUIS) sowie 4.3 Wissenschaftliche konferenzen und die RESER Conference. Auch hier ist zu beobachten, dass viele fachzeitschriften dieser Veranstaltungen, die ursprünglich rein auf Service-Marke- ting-Themen spezialisiert waren, sich in jüngster zeit neuen The- Für die Präsentation von Forschungsergebnissen stehen der men – insbesondere dem zusammenspiel von Dienstleistungen dienstleistungsbezogenen Wissenschaft im deutschen Sprach- und Technologien – öffnen. Darüber hinaus haben sich in den raum seit längerem verschiedene spezialisierte Konferenzen und vergangenen Jahren auf internationaler Ebene neue Konferenzen Workshops zur Verfügung. Dazu zählen z.B. die Dienstleistungs- und Veranstaltungen im Umfeld der Dienstleistungsforschung tagung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung etabliert, die in vielen Fällen gemeinsam von Wirtschaft und (BMBF), der Workshop zum Dienstleistungsmarketing (veran- Forschung ausgerichtet werden. Dazu zählen u.a. die INFORMS staltet durch einen ausgewählten Kreis von BWL-Professoren im International Conference on Services Science, die ICSS Interna- deutschsprachigen Raum) und das Aachener Dienstleistungs- tional Conference on Service Science, die EMS International forum des FIR Aachen. zu beobachten ist jedoch, dass in jüngs- Conference on Engineering Management and Services Science ter zeit nicht nur neue Veranstaltungsreihen auf den Plan treten sowie die Art & Science of Service Conference. (z.B. die Erste Rostocker Dienstleistungstagung), sondern dass auch zunehmend Veranstaltungen in Deutschland organisiert Eine auf die Dienstleistungsforschung spezialisierte Fachzeit- werden, welche Dienstleistungsthemen explizit aus einer inter- schrift gibt es im deutschsprachigen Raum jedoch nicht. Im disziplinären Forschungsperspektive betrachten und internatio- internationalen Bereich existieren zahlreiche Journale für dienst- nal ausgerichtet sind (z.B. First Service Science Conference leistungsspezifische Themen. zu nennen sind insbesondere Ingolstadt, First / Second Karlsruhe Service Summit des KSRI, das Journal of Service Research (JSR), das Journal of Service International Symposium on Services Science Leipzig, RESER Management (JOSM), das Journal of Services Marketing (JSM), 2008 in Stuttgart, QUIS 2009 in Wolfsburg). zudem widmen das Service Industries Journal (SIJ), Managing Service Quality sich etablierte Konferenzen einschlägigen Service-Themen, wie (MSQ) und das International Journal of Services and Operations beispielsweise die Wirtschaftsinformatik-Tagung 2009 in Wien Management (IJSOM). Des Weiteren werden Dienstleistungs- 15
  • 18. management-Fragestellungen auch im International Journal Auf internationaler Ebene finden sich diverse Forschungsnetz- of Services Technology and Management sowie in der Fach- werke, die es sich zum ziel gesetzt haben, internationale For- zeitschrift Manufacturing and Service Operations Management schungskooperationen und den Wissensaustausch im Bereich behandelt. Daneben finden sich regelmäßig servicebezogene Dienstleistungsmanagement zu fördern. Hierzu zählen beispiels- Beiträge in renommierten handelsgerichteten Fachzeitschriften, weise die International Academy of Services Research and Edu- wie insbesondere dem Journal of Retailing (JR), dem International cation (IASRE) und die International Service Quality Association Journal of Retailing (IJR), dem Journal of Retailing and Consumer (ISQA). Auch Verbände wie BITKOM, VDMA oder KVD widmen Services sowie dem International Journal of Retail and Distribu- sich seit geraumer zeit diesem Thema. tion Management. In anderen Wissenschaftsdisziplinen erschei- nen sporadisch spezielle Themenhefte zur Dienstleistungsfor- Hervorzuheben ist, dass sich in den vergangenen drei Jahren auf schung (z.B. das International Journal on Production Research). internationaler Ebene neue zusammenschlüsse und Netzwerk- strukturen etabliert haben, die erst durch gemeinsame Initiativen Daneben gibt es seit 2008 auch auf Service Science speziali- von Unternehmen und einzelnen Forschungseinrichtungen zu sierte Fachzeitschriften. Dazu gehören Service Science, Journal Stande kamen. Dazu zählen vor allem die von IBM im Jahre 2004 of Service Science, Journal of Service Science and Management ins Leben gerufene Initiative zum Thema Service Science, Mana- und das International Journal of Service Science, Management, gement and Engineering (SSME) sowie die Service Research & Engineering, and Technology (IJSSMET). Innovation Initiative (SRII). 2005 wurde zudem die Networked European Software and Services Initiative (NESSI) aus der Taufe gehoben, die einen zusammenschluss der Kommunikations- 4.4 Wirtschaftliche und wissenschaftliche technologieindustrie darstellt und eine Arbeitsgruppe Services initiativen sowie netzwerke Science gegründet hat. Im selben Jahr wurde darüber hinaus das HP Centre for Systems and Services Science gegründet, In Deutschland existieren seit längerem wissenschaftliche Initia- das von den HP Laboratories in Bristol (England) und diversen tiven und Netzwerke im Umfeld der Dienstleistungsforschung. europäischen Universitäten und Dienstleistungsgesellschaften Dazu zählt insbesondere die Online-Plattform DL2100 (www. initiiert wurde. dl2100.de). Daneben existieren weitere Communities, die praxis- orientierter sind, etwa diejenigen des Vereins Deutscher Dienst- leistungsingenieure e.V. (www.vdli.de), das IT Service Manage- ment Forum (www.itsmf.de) und die Association for Services Management International als die Berufsvereinigung von Service Executives (www.afsmi.de). Weiterhin zu nennen ist die CLIC- Initiative (Center for Leading Innovation and Cooperation) der Handelshochschule Leipzig. 16 Arbeitsgruppe „Evaluation Service Science“ der Taskforce Dienstleistungen
  • 19. Bestandsaufnahme 4.5 Öffentliche forschungsförderung Die öffentliche Förderung der Dienstleistungsforschung war in Deutschland, gerade im internationalen Vergleich, bereits sehr früh gegeben und hat unstrittig weiter an Relevanz gewonnen. So verfügt Deutschland im internationalen Vergleich als eines der wenigen Länder überhaupt über ein eigenständiges Förderpro- gramm für die Dienstleistungsforschung. Der Bereich der Dienst- leistungen wurde zu einem der 17 Strategiefelder im Rahmen der Hightech-Strategie (2006-2009) erklärt. zudem hat die Bundes- regierung den Aktionsplan „Dienstleistungen 2020“ veranlasst, der vorsieht, die Dienstleistungsforschung strukturell in die tech- nologiespezifische Forschungsförderung zu integrieren. In jüngerer zeit sind in zahlreichen europäischen Ländern ver- stärkte forschungspolitische Aktivitäten zu beobachten, die dar- auf abzielen, eine eigenständige Dienstleistungsforschung bzw. dienstleistungsspezifische Forschungs- und Entwicklungspro- gramme aufzubauen (z.B. in den Niederlanden, in Irland und in Finnland). Viele dieser Aktivitäten zielen von Beginn an auf eine stärker interdisziplinäre bzw. integrierte Ausrichtung der Dienst- leistungsforschung ab. So hat bspw. Finnland die Dienstleis- tungsforschung ins zentrum aller Programme für angewandte Forschung gestellt. 17
  • 20. 5 Zur Begriffsklärung Von serVice science Die Etablierung einer kohärenten „Service Science“ (bisweilen 5.1 „Science“ versus „Wissenschaft“: national auch als „Dienstleistungswissenschaft“ bezeichnet) in unterschiedliche Bedeutungshorizonte Deutschland wird nur gelingen können, wenn sie sich in einen internationalen wissenschaftlichen Kontext stellt. Insofern ist Anhand der Begriffsgeschichte der Wissenschaft lassen sich es naheliegend, an eine angloamerikanische Terminologie anzu- Wandlungen in deren Selbstverständnis verfolgen. So wurde mit knüpfen, wie sie sich in jüngerer zeit herausgebildet hat. Aller- Beginn der Neuzeit die Logik als dominante Form der Erkenntnis dings wirft eine solche Vorgehensweise auch Probleme auf – so abgelöst durch die empirische Naturbeobachtung. Ein neues werden mit den Begriffen „Science“ und „Wissenschaft“ in ihren Paradigma methodisch abgesicherter Erkenntnis trat an die jeweiligen kulturellen und sprachlichen Kontexten unterschied- Stelle humanistischer Bildungsideale und logisch zu gewinnender liche Bedeutungshorizonte adressiert. Hinzu kommt, dass meh- Erkenntnisse. Während jedoch im deutschen Sprachraum der rere Termini im englischen Sprachraum existieren, an denen sich Begriff der Wissenschaft bis heute Formalwissenschaften (wie die neue Wissenschaft in Deutschland anschließen ließe. Eine die Mathematik, Geisteswissenschaften, Naturwissenschaften gemeinsame Sprachregelung tut dennoch Not, sollte allerdings und Sozialwissenschaften) gleichermaßen umfasst, ist der Sci- nur nach solider Reflektion und Abwägung verschiedener ence-Begriff mit einem spezifischen Wissenschaftsverständnis Aspekte erfolgen. verbunden, das auf Objektivität, Gesetzmäßigkeiten und quantifi- zierende Messmethoden baut und im Wesentlichen in den Natur- Im Folgenden sollen daher die sich nur teilweise deckenden wissenschaften realisiert wird. Dementsprechend wird Science Bedeutungen von Science und Wissenschaft kurz skizziert wer- lexikalisch definiert als „any system of knowledge that is concer- den. Anschließend werden einige alternative Begrifflichkeiten ned with the physical world and its phenomena and that entails für die Benennung der angestrebten Wissenschaft der Dienstleis- unbiased observations and systematic experimentation. In gene- tungen vorgestellt und hinsichtlich ihrer Eignung bewertet. Dabei ral, a science involves a pursuit of knowledge covering general zeigt sich, dass es den idealen Begriff, der gleichzeitig umfas- truths or the operations of fundamental laws“.17 send, international einheitlich und präzise zum Ausdruck bringt was das Wesen einer neuartigen Wissenschaft der Dienstleistun- Die Konnotation des Science-Begriffs mit den Naturwissenschaf- gen ausmacht, nicht gibt, die Expertenrunde aber „Service Sci- ten schlägt sich auch in der Differenzierung akademischer Titel ence“ als den am besten geeigneten Begriff empfiehlt. Die Über- nieder: Während der Master of Science (M.Sc.) üblicherweise in legungen, die zu dieser Entscheidung führen, sind nachfolgend Mathematik, Informatik und den Naturwissenschaften (sowie je dargestellt. nach inhaltlicher Ausrichtung des Studiengangs auch in den Wirt- schafts- und Ingenieurwissenschaften) vergeben wird, schließen Studierende in den Geistes- und Sozialwissenschaften (sowie je nach inhaltlicher Ausrichtung auch in den Wirtschaftswissen- schaften) mit dem Master of Arts (M.A.) ab. 17 Britannica Online Encyclopedia 2009 18 Arbeitsgruppe „Evaluation Service Science“ der Taskforce Dienstleistungen
  • 21. Zur Begriffsklärung Von serVice science Wenn die betreffende Wissenschaft inter- oder transdisziplinär In der Debatte zur Etablierung einer Wissenschaft der Dienst- angelegt sein soll, muss sie jedoch in der Lage sein, Science- leistungen kursieren verschiedene Angebote, wie dieses neue Disziplinen wie Arts-Disziplinen zusammenzuführen. Damit stellt akademische Feld zu benennen wäre. Denkbar sind aber auch sich die Frage, ob der Schirm einer Service Science weit genug Neuschöpfungen, die bislang noch nicht in diese Diskussion aufgespannt ist, um eine solche Aufgabe erfüllen zu können. eingebracht worden sind. • service studies: Die Vorteile dieser begrifflichen Neuschöp- 5.2 möglichkeiten der erweiterung fung liegen darin, dass der Studies-Begriff problemlos mit Dis- des Science-Begriffs ziplinen aus den Feldern der Science und der Arts kompatibel ist und ebenso problemlos an bereits bestehende Inhalte und Wenn man Überlegungen dazu anstellt, unter welcher Bezeich- Strukturen der Dienstleistungsforschung und -lehre anschlie- nung ein neues Feld akademischer Forschung und Lehre zu be - ßen könnte. Außerdem gibt es bereits Beispiele für die Entste- gründen sei, wird man Kriterien benennen müssen, mit deren hung von Forschungsfeldern, die mit dem Begriff der Studies Hilfe die Tauglichkeit der verschiedenen Bezeichnungen bewertet operieren (z. B. gender studies oder disability studies). Als werden kann. Wir schlagen für dieses Unterfangen folgende Nachteil könnte gesehen werden, dass mit einer solchen Be- Kriterien vor: zeichnung nicht der Anspruch erhoben wird, eine neue Diszip- • anschlussfähigkeit: Der Begriff sollte die Möglichkeit bieten, lin zu begründen, sondern ein Oberbegriff für ein weitgehend an bereits bestehende Strukturen und Inhalte von Forschung heterogenes Feld geschaffen wird. Ein weiterer Nachteil be - und Lehre anzuknüpfen, um so das vorhandene wissenschaft- steht darin, dass der Begriff bislang nicht gebräuchlich ist und liche Potential nutzbar zu machen sowie eine passende Posi- erheblicher Aufwand betrieben werden müsste, um ihn in die tionierung in der akademischen Landschaft zu ermöglichen. Debatte einzuführen. • Praktikabilität: Der Begriff sollte gut verständlich sein und die • dienstleistungswissenschaft: Die Vorteile liegen hier in der erwünschten Konnotationen hervorrufen. Er sollte weitgehend Möglichkeit, die interdisziplinäre Ausrichtung zu betonen und konfliktfrei kommunizierbar sein sowie ansprechende Abkür- in der klaren Botschaft, eine neue Disziplin in Forschung und zungen möglich machen. Lehre etablieren zu wollen. Ein großer Nachteil besteht darin, • Interdisziplinarität: Der Begriff sollte nicht den Anschein er - dass ein deutschsprachiger Begriff sich auf internationaler wecken, dass er nur bestimmte Disziplinen adressiert, sondern Ebene nicht wird etablieren lassen. so breit angelegt sein, dass sich verschieden-disziplinäre zu - • service management science (sms): Diese Bezeichnung wird gänge zusammenfinden können. als Option vorgeschlagen, mit der hervorgehoben wird, dass es • Bekanntheitsgrad: Der Begriff sollte nach Möglichkeit bereits einen Kern geben sollte, der als Alleinstellungsmerkmal einer eingeführt sein und einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht neuen Wissenschaft dienen könnte: das Management intangib- haben. Auf diese Weise kann auf bereits erfolgte Öffentlich- ler und interaktiv hervorgebrachter Güter. Damit wird insbe- keitsarbeit aufgebaut werden. sondere an die Tradition des Dienstleistungsmanagements 19
  • 22. angeschlossen. Allerdings ist hiermit wiederum das Problem nahelegt. Allerdings ist es notwendig, die Engführungen des verbunden, dass die Bezeichnung zu eng sein könnte. Ein Science-Begriffs durch eine nähere inhaltliche Bestimmung aus- weiteres Problem besteht darin, dass der Begriff international zugleichen: es ist hervorzuheben, dass auch unter der Über- bislang nicht etabliert ist. schrift „Science“ verschiedene Wissenschaftsverständnisse und • service science, management, and engineering (ssme): damit die Beteiligung einer breiten Palette von Disziplinen, die Diese Bezeichnung wurde in den zurückliegenden Jahren durch sich mit Dienstleistungen beschäftigen, möglich ist. IBM in die Debatte eingebracht. Weitere Disziplinen (Manage- ment und Engineering) wurden additiv hinzugenommen. Aufgrund der starken internationalen Aktivitäten von IBM hat SSME einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht; die enge Verquickung mit einem Unternehmen könnte aber hinderlich sein, um auf der Grundlage dieser Bezeichnung ein akademi- sches Feld zu besetzen. • service(s) science: Dieser Begriff ist mit Sicherheit derjenige, der bereits am besten eingeführt ist. Ein Nachteil besteht darin, dass Teile der für diese Wissenschaft relevanten Diszip- linen sich – aufgrund der oben kurz umrissenen Fokussierung des Science-Begriffs auf ein bestimmtes Wissenschaftsver- ständnis – ausgeschlossen fühlen könnten. Ein Problem der Praktikabilität besteht (wie bei der Bezeichnung Service Stu- dies auch) darin, dass das naheliegende Akronym „SS“ durch die deutsche Geschichte anderweitig und sehr negativ belegt ist. Starke Vorteile hingegen könnten darin gesehen werden, dass mit diesem Begriff die Etablierung einer neuen Disziplin signalisiert wird. Keine der Bezeichnungen, die bislang in die Debatte eingeführt worden sind, ist ohne Nachteile. Es bietet sich deshalb an, eine pragmatische Entscheidung zu treffen. Diese besteht darin, an dem bislang am besten eingeführten Terminus, dem der „Service Science“, festzuhalten, wobei der Singular „Service“ den vorher genannten Perspektivwechsel u.E. besser widerspiegelt als der Plural, der ein eher outputorientiertes Dienstleistungsverständnis 20 Arbeitsgruppe „Evaluation Service Science“ der Taskforce Dienstleistungen
  • 23. 6 anWendungsBeisPiele In zahlreichen Fällen hat die wissenschaftliche Auseinander- aktionsarbeit) an. Interaktive Arbeit modelliert die „front stage“ setzung mit Dienstleistungen wesentliche Innovationen hervor- als Interaktionsprozess sozialer Akteure, deren Handlungserfolg gebracht, wie sie z.B. Maglio et al. (2006) für Erziehungswissen- jeweils vom Handeln ihrer Kooperationspartner abhängt. In schaften oder IT Service Management beschreiben. Um zu ver- solchen Analysen werden entscheidungs- und spieltheoretische deutlichen, was gerade eine interdisziplinär ausgerichtete Ser- zugänge mit qualitativen Methoden empirischer Sozialfor- vice Science zusätzlich leisten könnte, ist die Beschreibung kon- schung19 oder Forschungen, die an bounded rationality20 an - kreter Problemfelder von zentraler Bedeutung, die erst mit Hilfe schließen, mit psychologischen Untersuchungen zur Emotions- der Theorien, Konzepte, Methoden und Werkzeuge einer Service arbeit21 verbunden. So lassen sich systematisch anfallende Ent- Science erfolgversprechend bearbeitet und gelöst werden kön- scheidungsprobleme und deren Bearbeitungsversuche in der nen. zu diesem zweck werden im Folgenden einige Anwendungs- Dienstleistungsbeziehung bestimmen und daraus Innovations- bereiche skizziert, die zwei wesentliche Kriterien erfüllen: potentiale für die Kundenschnittstelle entwickeln. zudem lassen erstens sind die beteiligten Forschungsanstrengungen nicht klar sich Auswirkungen der „back stage“ auf die interaktive Arbeit einer bestimmten Disziplin zuzuordnen; zweitens ist es in diesen analysieren. Beispielsweise hängt der Verkaufserfolg von Bank- Anwendungsfeldern gelungen, neue Modelle und Methoden zu beratern auf der einen Seite davon ab, wie gut sie bei der Kun- entwickeln, die jenseits des bisher akkumulierten Wissens in den denberatung durch die IT der Bank unterstützt werden, zum einzelnen beteiligten Disziplinen liegen. Es handelt sich somit anderen davon, inwieweit ihre Kunden gewillt sind, entsprechend nicht nur um innovative Anwendungen bestehender Theorien, mitzuspielen. Modelle und Methoden auf Dienstleistungen. In diesen Anwen- dungsfeldern wird insbesondere der Ansatz deutlich, Dienstleis- tung als interaktiven Wertschöpfungsprozess zu verstehen, zu 6.2 kollaborative Wertschöpfung – untersuchen und zu gestalten – als Konsequenz des eingangs an der Schnittstelle zwischen informations- beschriebenen Perspektivwechsels. technologie, Ökonomie, organisations- forschung und Soziologie 6.1 interaktive Arbeit – Durch die zunehmende Vernetzung und kostengünstige Verfüg- an der Schnittstelle zwischen entscheidungs- barkeit von Informationstechnologie haben sich in den letzten theorie, psychologie, Soziologie und dienst- Jahren zunehmend innovative Geschäftsmodelle im Bereich infor- leistungsmanagement mationsbasierter Dienstleistungen herausgebildet, bei denen der Kunde nicht nur passiver „Abnehmer“ von Diensten ist, sondern Um den Dienstleistungsprozess von der „back stage“18 über die „front stage“ bis hin zur Kundenperspektive erfassen zu können, 18 Teboul 2006 19 Weihrich & Dunkel 2003 bietet sich als wichtiger Baustein das vor allem soziologisch 20 Simon 1996 geprägte Konzept der interaktiven Arbeit (oder auch: Inter- 21 Böhle & Glaser 2006 21
  • 24. diese in Kollaboration mit dem Anbieter gestaltet.22 Hierbei stellt eine Herausforderung dar, die für keine der bestehenden Diszip- der Beitrag des Kunden einen elementaren Bestandteil des linen alleine lösbar erscheint und die daher nach einer interdis- Dienstes dar, der ohne diese Mitwirkung erst gar nicht zu Stande ziplinären Anstrengung verlangt. käme.23 Neben der rein auf Spendenbasis (in Form von Geld und Auf- 6.3 kooperatives health care management – merksamkeit) operierenden Wikipedia gibt es eine Reihe von an der Schnittstelle zwischen informations- Beispielen für Dienste, die eine solche kollaborative Wertschöp- technologie, gesundheitsökonomie, medizin fung24 bis hin zur Gewinnbeteiligung ihrer „Prosumenten“25 im und interaktiver dienstleistungsarbeit Rahmen ihres Geschäftsmodells unterstützen (z.B. Sourceforge, Skype, YouTube oder zOPA). Diese Plattformen für informations- Kooperatives Health Care Management verweist auf neue Wege, basierte Wertschöpfung stellen typischerweise Koordinations- wie Gesundheitsdienstleistungen organisiert und gesteuert und Kollaborationsmechanismen bereit, die es verschiedenen werden. Im Vordergrund steht die Vernetzung von Informationen Teilnehmern ohne zentrale Steuerung oder externe Anreizsys- und Akteuren entlang der gesamten „Wertschöpfungskette“ des teme ermöglichen, Informationsprodukte und -dienste zu ent- Gesundheitswesens. Unter dem Stichwort „Digitales Kranken- wickeln, zu erstellen und zu vermarkten. Diese neuen Möglich- haus“ laufen bereits Pilotprojekte, die darauf abzielen, durch keiten der Koordination von Wertschöpfung werden als „Peer einen verstärkten Einsatz von Informationstechnologie die Ab - Production“ bzw. „Social Production“26 oder „Crowdsourcing“27 läufe im Gesundheitswesen zu optimieren.29 Neben enormen bezeichnet. Rationalisierungs- und Einspareffekten, die mit kooperativem Health Care Management verbunden sind, kommt es dabei zu Derartige innovative Dienste und ihre Geschäftsmodelle können tiefgreifenden Veränderungen in der Interaktion zwischen Arzt von einer einzelnen Disziplin nicht adäquat untersucht werden: und Patient. zum einen ermöglichen neue Technologien einen Sie werden IT-gestützt erbracht, nutzen IT jedoch vorwiegend kontinuierlichen Informationsaustausch zwischen Arzt und als Mittel zur änderung von Organisationsformen und Prozessen. Patient (z.B. über Remote-Services), zum anderen eröffnen sich Sie erzeugen einen Mehrwert für die Nutzer, jedoch oft durch Spielräume für einen ganzheitlichen Beratungsansatz, indem Anreize, die klassischen Annahmen der Ökonomie widerspre- Standardprozesse bis hin zur Erstellung von Differentialdiagno- chen, aber trotzdem funktionieren.28 Sie funktionieren mithilfe sen teilautomatisiert werden, so dass mehr zeit für Therapie sozialer Normen und der Bildung sozialer Gruppen – aber die und Prophylaxe bleibt. traditionelle Sozialforschung und die sozio-technischen System- 22 von Hippel 2007 27 Surowiecki 2004 ansätze sind alleine nicht ausreichend. 23 vgl. auch den „arbeitenden Kunden“ 28 vgl. z.B. das Problem Öffentlicher in (Voss & Rieder 2005) Güter und Netzgüter bei Open 24 Satzger & Neus 2009 Source/Content (Beck u. a. 2006; Die Motivationsfaktoren zu verstehen sowie das Potential dieser 25 Toffler 1981 Ledyard 1995; Raymond 1999) neuen Arten gemeinsamer Wertschöpfung zu untersuchen, stellt 26 Benkler 2006 29 ottwald u. a. 2005 G 22 Arbeitsgruppe „Evaluation Service Science“ der Taskforce Dienstleistungen
  • 25. anWendungsBeisPiele 6.4 market engineering – das strategische Management, das Marketing und die betrieb- an der Schnittstelle zwischen mikro- liche Informationslogistik. Insbesondere der Einsatz von Techno- ökonomie, iT und Sozialwissenschaften logien (z.B. IKT, Mikrosystemtechnik) erweitert stark die Möglich- keiten für neuartige PSS, z.B. durch vereinfachte Fernüberwa- Market Engineering beschreibt das systematische Vorgehen bei chung und -steuerung. Besonders vielversprechend ist hier die Entwurf und Entwicklung von elektronischen Märkten.30 Ein ziel Vernetzung verschiedener Disziplinen bei der Entwicklung von ist die Analyse von Einflussfaktoren, die zu stabilen und effizien- Theorien, Methoden und Werkzeugen für das Management und ten Märkten führen. Neben grundlegenden Methoden aus der die Entwicklung von PSS. Spiel- und Implementierungstheorie spielen hier auch die Ansätze aus der Wirtschaftsinformatik, dem Operations Research und der Finanzwirtschaft eine Rolle, ebenso wie verhaltenswissen- 6.6 revenue management – schaftliche und neurophysiologische Ansätze. zu möglichen An - an der Schnittstelle zwischen marketing, wendungsgebieten gehört die Entwicklung von Energiemärkten operations und iT eben o wie die marktbasierte Ressourcenallokation für verteilte s Rechnerarchitekturen (Grid-Marktplätze). Ertragsmanagement (engl. revenue management) entstand in den 1980er-Jahren und wurde ursprünglich vor allem bei Flug- linien und Hotels eingesetzt. Heute verbirgt sich dahinter eine 6.5 product-Service-Systems – Vielzahl von Methoden, die mithilfe von Produkt- und Preisdiffe- an der Schnittstelle zwischen maschinenbau, renzierung einen ertragsmaximierenden Einsatz von knappen Betriebswirtschaftslehre und informatik Produktionsressourcen ermöglichen. Unter zuhilfenahme von Prognoseverfahren und mathematischer Optimierung wurden Die Entwicklung und der Betrieb integrierter Product-Service- völlig neue Methoden entwickelt, die nicht nur die Transport- Systems (PSS) gelten in gesättigten Produktmärkten als wichtige branche, sondern mittlerweile auch zahlreiche andere Dienst- Chance zur Differenzierung im Wettbewerb. PSS verknüpfen leistungsindustrien (Hotel, Theater, Kino, Autoverleih, etc.) stark Hard- und Softwareprodukte mit Dienstleistungen zu abgestimm- beeinflusst haben. zentrale Beiträge erschienen in Journalen des ten, oft auch kundenspezifischen Problemlösungen und stellen Operations Management31, allerdings gibt es zahlreiche Quer- damit eine besondere Form hybrider Wertschöpfung dar, die bezüge zu IT und zum Marketing32. Wichtige zukünftige Frage- Sachgüter und Dienstleistungen kombiniert. Beispiele für PSS stellungen betreffen die Analyse von Kundenverhalten, aber auch finden sich sowohl in Konsumentenmärkten (z.B. Automobilindu- die Markt- und Preisentwicklung in Dienstleistungsindustrien, strie und Telekommunikation) als auch in vielen Industriegüter- märkten (z.B. Maschinen- und Anlagenbau sowie Informations- 30 Weinhardt u. a. 2006 technik). Dies wirft nicht nur neue Fragen für die Gestaltung von 31 McGill & Van Ryzin 1999 Innovations- und Entwicklungsprozessen auf, sondern auch für 32 Wangenheim & Bayon 2007 23
  • 26. in denen verbreitet Revenue Management-Konzepte eingesetzt 6.8 Workforce Scheduling – werden. Informationstechnologie stellt eine elementare Grund- an der Schnittstelle zwischen operations lage für das Revenue Management dar. management, personalwesen und informatik Projekt- und Personalplanung gehören zu den zentralen Auf- 6.7 recommender Systems – gaben großer Dienstleistungsorganisationen. Dazu zählt die Pla- an der Schnittstelle zwischen informatik, nung einer großen Anzahl von Mitarbeitern mit unterschiedlichen marketing und Sozialwissenschaften Fähigkeiten, die in Teams in einer Vielzahl von Projekten zum Ein- satz kommen. Die Modellierung von Anforderungen, Fähigkeiten Empfehlungssysteme (engl. recommender systems) machen und Lerneffekten bei Mitarbeitern, von zeitlichen Reihenfolge- aktiven Kunden auf Basis ihres eigenen Verhaltens und dem abhängigkeiten und von Unsicherheit bei der Projektgewinnung anderer Käufer Empfehlungen über Produkte oder Dienstleistun- führen zu Herausforderungen in der Planung und der algorith- gen, die für sie mit hoher Wahrscheinlichkeit von Interesse sind. mischen Lösung.34 Durch zentral verfügbare und tagesaktuelle zur Berechnung der passenden Empfehlungen bzw. Wahrschein- Daten über die Verfügbarkeit von Mitarbeitern und fortgeschrit- lichkeiten wurden zahlreiche neue Datenanalysemethoden entwi- tene algorithmische Ansätze lassen sich heute Entscheidungs- ckelt. ähnlich wie im Ertragsmanagement führt das zusammen- unterstützungssysteme bereitstellen, welche zentrale Planungs- spiel aus Kundenverhalten und Empfehlungslogik zu spannenden aufgaben in Dienstleistungsunternehmen wirksam unterstützen Fragestellungen an der Schnittstelle zwischen Marketing und und die Produktionseffizienz dieser Organisationen deutlich Informatik.33 Die Auswirkung solcher Systeme auf die Meinungs- steigern können. bildung einzelner Kunden oder ganzer Gruppen ist bisher noch sehr wenig erforscht. Empfehlungssysteme, digitale soziale Netz- Aus einigen der genannten Beispiele geht eine starke Verwandt- werke oder Online-Reputationssysteme stellen komplexe sozio- schaft einer Service Science zu der in Gibbons u. a. (1994) be - technische Systeme dar, die durch Informationstechnologie schriebenen Mode-2-Forschung hervor. Nach rein disziplinärer ermöglicht werden, deren Auswirkungen aber bislang noch wenig Mode-1-Forschung stehen bei dieser Art von Forschung reale bekannt sind. Ein stärkerer Dialog mit den Sozialwissenschaften Problemstellungen von gesellschaftlicher und wirtschaftlicher ist hier nicht nur wünschenswert, sondern dringend erforderlich. Bedeutung im Mittelpunkt, die dann durch Ansätze aus verschie- All diese Systeme sind hervorragende Beispiele für „value-in- denen Forschungsdisziplinen umfassend untersucht werden. use“, bei denen der Mehrwert eines Systems durch die aktive In Deutschland hat diese Vorgehensweise bereits eine lange Beteiligung von Anbietern und Kunden entsteht. Tradition und konnte ihre besonderen Stärken demonstrieren: einerseits wird seit vielen Jahren das Instrument der Verbund- forschung erfolgreich eingesetzt; andererseits existieren seit 33 Resnick & Varian 1997 langem erfolgreiche Studiengänge, die Studierende gezielt dafür 34 Naveh u. a. 2007 ausbilden, interdisziplinäre Problemstellungen zu bearbeiten 24 Arbeitsgruppe „Evaluation Service Science“ der Taskforce Dienstleistungen