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DER BETRIEB Nr. 45 07.11.2014 2591
Arbeitsrecht Aufsätzewww.der-betrieb.de
Dr. André Zimmermann, LL.M. ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeits-
recht und Counsel im Frankfurter Büro von King & Wood Mallesons LLP.
Kontakt: autor@der-betrieb.de
Das Thema Zeitarbeit ist gerade in der aktuellen Legislatur-
periode immer wieder Thema der politischen Diskussion.
Während dort vor allem die gesetzliche Regulierung der Zeit-
arbeitsbranche im Vordergrund steht, bieten sich auch weitere
Nebenschauplätze. So durften jahrelang Leiharbeitnehmer
zwar beim Entleiher unter den Voraussetzungen des § 7 Satz 2
BetrVG den Betriebsrat mitwählen, allerdings wurden sie dort
bei betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten grund-
sätzlich nicht berücksichtigt. Seit einigen Jahren jedoch hat
sich dies geändert. Mit Blick auf die Entwicklung der Rechtspre-
chung für praktisch besonders relevante Schwellenwerte lässt
sich eine senatsübergreifende Tendenz des Bundesarbeits-
gerichts erkennen, dass Leiharbeitnehmer im Einsatzbetrieb
bei Schwellenwerten der Betriebsverfassung zu berücksichti-
gen sind, wenn sie regelmäßig eingesetzt werden.
I. Einleitung
Seit Ende 2011 befindet sich die Rspr. zur Berücksichtigung
von Leiharbeitnehmern bei arbeitsrechtlichen Schwellen-
werten im Wandel. Ihren (vorläufigen) Höhepunkt fand diese
Entwicklung im März 2013: Das BAG gab seine Rspr. zu § 9
BetrVG – „Wählen, nicht zählen“ – auf. Die Berücksichtigung
von Leiharbeitnehmern bei den betriebsverfassungsrecht-
lichen Schwellenwerten soll laut Koalitionsvertrag nun gesetz-
lich geregelt werden.1
Der Beitrag skizziert die Entwicklung der
Rspr. für die praktisch besonders relevanten Schwellenwerte
des BetrVG.
II. Zahl der Betriebsratsmitglieder (§ 9 BetrVG)
1. Überblick zur Entwicklung der Rechtsprechung
Bis zum Frühjahr 2013 entsprach es gefestigter Rspr., Leih-
arbeitnehmer bei den Schwellenwerten in § 9 BetrVG für
die Größe des Betriebsrats nicht zu berücksichtigen.2
Nur
betriebsangehörige Arbeitnehmer wurden gezählt. Da
Betriebsangehörigkeit nach der „Zwei-Komponenten-Lehre“
neben der Eingliederung in die Betriebsorganisation ein
Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber voraussetzte, waren
Leiharbeitnehmer keine betriebsangehörigen Arbeitnehmer.
Mit Beschluss vom 13.03.20133
hat der Siebte Senat diese Rspr.
aufgegeben. In der Regel beschäftigte Leiharbeitnehmer seien
mitzuzählen. Entscheidend für eine Berücksichtigung spreche
Sinn und Zweck der Schwellenwerte. Durch die Staffelung solle
1 Vgl. Bauer, DB 2014 S. 60; Schiefer/Pöttering, DB 2013 S. 2928 (2930).
2 BAG vom 16.04.2003 – 7 ABR 53/02, DB 2003 S. 2128; vom 10.03.2004 – 7 ABR 49/03, DB 2004
S. 1836.
3 BAG vom 13.03.2013 – 7 ABR 69/11, DB 2013 S. 1613.
sichergestellt werden, dass die Zahl der Betriebsratsmitglie-
der in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der betrieb-
sangehörigen Arbeitnehmer stehe, deren Interessen der Be-
triebsrat vertrete. Die Abhängigkeit der Betriebsratsgröße von
der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer trage
dem Umstand Rechnung, dass hiervon der Arbeitsaufwand
des Betriebsrats maßgeblich bestimmt werde. Der Umfang der
Betriebsratsarbeit werde durch regelmäßig tätige Leiharbeit-
nehmer erheblich beeinflusst.
2. Anwendung in der Unternehmens- und Beratungspraxis
In der Regel beschäftigte Leiharbeitnehmer sind damit für die
Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder zu berücksich-
tigen. Auf den ersten drei Stufen des § 9 Satz 1 BetrVG, also in
Betrieben mit bis zu 100 Arbeitnehmern, müssen Leiharbeit-
nehmer zusätzlich wahlberechtigt sein (vgl. dazu unten VI. 2.).
a) Bestimmung der Zahl der in der Regel beschäftigten
Leiharbeitnehmer
Zur Frage, wann Leiharbeitnehmer in der Regel beschäftigt
werden, verweist der Senat auf seine Rspr. zu Aushilfskräften.4
In der Regel beschäftigt sind danach die Arbeitnehmer, die
normalerweise während des größten Teils des Jahres im
Betrieb beschäftigt werden.5
Maßgebend ist die normale
Beschäftigtenzahl, also die Personalstärke, die für den Betrieb
im Allgemeinen kennzeichnend ist.6
Der Wahlvorstand hat
nicht nur den Personalbestand in der Vergangenheit zugrunde
zu legen, sondern auch die künftige, aufgrund konkreter Ent-
scheidungen des Arbeitgebers zum Zeitpunkt des Erlasses des
Wahlausschreibens zu erwartende Entwicklung.7
Leiharbeitnehmer sind damit bei den Schwellenwerten des § 9
BetrVG zu berücksichtigen, wenn sie bei Erlass des Wahlaus-
schreibens bereits länger als sechs Monate eingesetzt wurden
oder aufgrund konkreter Entscheidungen des Entleihers zu
erwarten ist, dass sie länger als sechs Monate eingesetzt wer-
den. Wurden oder werden sie voraussichtlich nur für einen
kürzeren Zeitraum eingesetzt, etwa zur Bewältigung von Auf-
tragsspitzen, zählen sie nicht mit. Zum Zeitpunkt des Erlasses
des Wahlausschreibens vorhersehbare Veränderungen sind
vom Wahlvorstand zu berücksichtigen, wenn das Einsatz-
unternehmen bereits konkrete Entscheidungen getroffen
hat.8
Hier wird vor allem die Kündigung von Überlassungs-
verträgen und/oder individuellen Einsatzverträgen relevant:
Leiharbeitnehmer, deren Einsatz wegen der Kündigung den
4 BAG vom 07.05.2008 – 7 ABR 17/07, DB0294917 = NZA 2008 S. 1142.
5 BAG vom 07.05.2008, a.a.O. (Fn. 4), NZA 2008 S. 1142 (1143).
6 BAG vom 07.05.2008, a.a.O. (Fn. 4), NZA 2008 S. 1142 (1144).
7 BAG vom 16.04.2003, a.a.O. (Fn. 2), DB 2003 S. 2128 (2129); vom 07.05.2008, a.a.O. (Fn. 4),
NZA  2008 S. 1142 (1144).
8 Vgl. BAG vom 25.11.1992 – 7 ABR 7/92, DB 1993 S. 2084.
Betriebsverfassungsrecht »DB0681751
RA/FAArbR Dr. André Zimmermann, LL.M., Frankfurt/M.
Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern
bei Schwellenwerten der Betriebsverfassung –
der Status quo
2592 DER BETRIEB Nr. 45 07.11.2014
Arbeitsrecht Aufsätze www.der-betrieb.de
Zeitraum von sechs Monaten nicht überschreiten wird, sind
nicht zu berücksichtigen.9
Es spricht viel dafür, dass die Gerichte bei der Prüfung der
regelmäßigen Beschäftigung nicht auf den einzelnen Leih-
arbeitnehmer abstellen werden, sondern darauf, ob ein
Arbeitsplatz länger als sechs Monate von einem Leiharbeit-
nehmer besetzt wird. Die Auswechslung der Leiharbeitnehmer
auf solchen Arbeitsplätzen wird daher nicht dazu führen, dass
keine regelmäßige Beschäftigung von Leiharbeitnehmern vor-
liegt.10
Auch bei Aushilfen kommt es nicht darauf an, ob ders.
ArbeitnehmereinenArbeitsplatzlängeralssechsMonatebesetzt
hat.11
In seiner aktuellen Rspr. zu § 111 Satz 1 BetrVG (vgl. dazu
unten VI. 1.) und § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG12
stellt das BAG eben-
falls darauf ab, ob ein sechs Monate überdauernder Beschäfti-
gungsbedarf besteht, der mit Leiharbeitnehmern gedeckt wird.
b) Handlungsmöglichkeiten und Rechtsschutz
Es liegt im unmittelbaren Interesse des Einsatzunternehmens,
dass die Zahl der zu berücksichtigenden Leiharbeitnehmer
korrekt bestimmt wird. Andernfalls droht z.B. eine Wahl-
anfechtung und eine Neuwahl mit entsprechenden Kosten.
Unternehmen und Berater sollten daher möglichst schon im
Vorfeld der Wahl klären, wie viele Arbeitsplätze im Zeitpunkt
des Erlasses des Wahlausschreibens bereits seit sechs Mona-
ten mit Leiharbeitnehmern besetzt waren bzw. voraussicht-
lich sein werden. Die entsprechenden Angaben über die (beab-
sichtigte) Dauer des Einsatzes sollten dem Wahlvorstand mit
den Personallisten zur Verfügung gestellt werden und auf eine
entsprechende Berücksichtigung im Wahlausschreiben hinge-
wirkt werden. Hat der Wahlvorstand Leiharbeitnehmer falsch
gezählt und die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder
im Wahlausschreiben fehlerhaft festgelegt, kann der Arbeit-
geber ein Beschlussverfahren nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2,
80  ff. ArbGG einleiten.13
Nach Einleitung der Wahl kann ein Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung, gerichtet auf Abbruch der Wahl und
Erlass eines neuen Wahlausschreibens oder Korrektur des
Wahlausschreibens, erwogen werden.14
Die Rechtsschutz-
ziele Abbruch bzw. Korrektur können im Wege von Haupt-
und Hilfsanträgen gestellt werden, wobei die Korrektur als
milderes Mittel vorrangig ist.15
Inhalt der zu beantragenden
Verfügung kann etwa sein, dem Wahlvorstand aufzugeben,
bestimmte Leiharbeitnehmer bei der Festlegung der Betriebs-
ratsgröße im Wahlausschreiben nicht zu berücksichtigen.16
Allerdings ist das BAG der Auffassung, dass die bloße Anfecht-
barkeit der Wahl nicht genügt für den Erlass einer einstweili-
gen Verfügung; es verlangt Nichtigkeit der Wahl.17
Nichtig ist
die Wahl aber nur, wenn in grober und offensichtlicher Weise
gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen wurde. Die Ver-
stöße müssen so offensichtlich und so schwerwiegend sein,
dass nicht einmal mehr der Anschein einer dem Gesetz ent-
sprechenden Wahl vorliegt.18
Die fehlerhafte Festlegung der
9 Vgl. Dzida, ArbRB 2013 S. 338 (340).
10 Vgl. Linsenmaier/Kiel, RdA 2014 S. 135 (145).
11 LAG Düsseldorf vom 26.09.1990 – 12TaBV 74/90, DB 1991 S. 238.
12 BAG vom 24.01.2013 – 2 AZR 140/12, DB 2013 S. 1494.
13 Vgl. Fitting, BetrVG, 27. Aufl. 2014, § 9 Rdn. 57.
14 Vgl. z.B. LAG Schleswig-Holstein vom 07.04.2011 – 4TaBV Ga 1/11, BeckRS 2011, 73471.
15 Vgl. ArbG Berlin vom 27.03.2006 – 75 BVGa 5915/06.
16 Vgl. Maschmann, DB 2001 S. 2446 (2449);Veit/Wichert, DB 2006 S. 390 (392).
17 BAG vom 27.07.2011 – 7 ABR 61/10, DB0464873 = NZA 2012 S. 345.
18 BAG vom 22.03.2000 – 7 ABR 34/98, DB 2000 S. 2330.
Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder ist i.d.R. kein
solch grober und offensichtlicher Verstoß.19
Ein Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf Abbruch
der Betriebsratswahl, wird nach der neueren Rspr. des BAG da-
her kaum Aussicht auf Erfolg haben, wenn der Wahlvorstand
Leiharbeitnehmer unzutreffend berücksichtigt hat.20
Eine Ausnahme wird gelten, wenn vom Wahlvorstand gezählte
Leiharbeitnehmer offensichtlich nicht regelmäßig beschäf-
tigt werden, etwa weil sie nur als Aushilfen für kurze Zeit tätig
waren.21
Entsprechendes wird für den Fall gelten, dass der Ent-
leiherdieÜberlassungs-und/oderEinsatzverträgemitdemVer-
leiher gekündigt hat, dies dem Wahlvorstand mitgeteilt hat und
infolge der Kündigungen die erforderliche Einsatzzeit von mehr
als sechs Monaten nicht erreicht wird. Der Wahlvorstand muss
diese konkreten Entscheidungen bei der Festlegung der Zahl
der zu wählenden Betriebsratsmitglieder berücksichtigen.22
In
Zweifelsfällen, wenn der Verstoß des Wahlvorstands gegen die
vom BAG aufgestellten Grundsätze über die Berücksichtigung
von Leiharbeitnehmern also nicht offensichtlich ist, besteht nur
die Möglichkeit der Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG.
III. Freistellung von Betriebsräten (§ 38 BetrVG)
1. Überblick zur Entwicklung der Rechtsprechung
Der Siebte Senat hatte 2003 entschieden, dass Leiharbeitneh-
mer – ebenso wie bei § 9 BetrVG – im Einsatzbetrieb für die
Zahl der Freistellungen nicht zu berücksichtigen sind.23
Ob-
wohl der Siebte Senat in seinem Beschluss vom 13.03.201324
hierzu nicht Stellung genommen hat, wird überwiegend davon
ausgegangen, dass die bisherige Rspr. zu § 38 BetrVG überholt
ist. Auch hier werden künftig regelmäßig beschäftigte Leihar-
beitnehmer zu berücksichtigen sein.25
Entscheidend spricht hierfür die schutzzweckorientierte
Auslegung der Schwellenwerte, die das BAG vornimmt. Die
Schwellenwerte in §§ 9 und 38 BetrVG verfolgen nach der Rspr.
denselben Zweck: Die Anpassung der Zahl der Betriebsrats-
mitglieder bzw. der Zahl der Freistellungen an den Arbeitsauf-
wand. Letzteren sieht der Siebte Senat in seiner neuen Rspr. zu
§ 9 BetrVG durch Leiharbeitnehmer in gleichem Maße verur-
sacht wie durch Stammarbeitnehmer. Nichts anderes wird für
§ 38 BetrVG gelten.
2. Anwendung in der Unternehmens- und Beratungspraxis
Die Gerichte werden die neue Rspr. des BAG zu § 9 BetrVG da-
her wahrscheinlich auf § 38 Abs. 1 BetrVG übertragen. Regel-
mäßig beschäftigte Leiharbeitnehmer werden zu berücksich-
tigen sein.
a) Besonderheiten gegenüber § 9 BetrVG
Folgende Besonderheiten gelten für § 38 BetrVG:
Auf die Wahlberechtigung der Leiharbeitnehmer (§ 7 Satz 2
BetrVG) kommt es nicht an, weil § 38 BetrVG – anders als die
ersten drei Schwellenwerte in § 9 Satz 1 BetrVG – sie nicht
verlangt.26
19 BAG vom 10.03.2004, a.a.O. (Fn. 2).
20 Vgl. Dzida, ArbRB 2013 S. 338 (340).
21 Vgl. Dzida, ArbRB 2013 S. 338 (340).
22 Vgl. LAG Hamburg vom 26.04.2006 – 6TaBV 6/06, NZA-RR 2006 S. 413 (414 f.).
23 BAG vom 22.10.2003 – 7 ABR 3/03, DB 2004 S. 939.
24 BAG vom 13.03.2013, a.a.O. (Fn. 3).
25 Vgl.LAGHessenvom12.08.2013–16TaBV25/13,BeckRS2013,74895;Bissels,BB2013S. 2047;
Hamann, jurisPR-ArbR 32/2013 Anm. 2; Linsenmaier/Kiel, RdA 2014 S. 135 (146).
26 Vgl. Fitting, a.a.O. (Fn. 13), § 38 Rdn. 9.
DER BETRIEB Nr. 45 07.11.2014 2593
Arbeitsrecht Aufsätzewww.der-betrieb.de
Abweichend von § 9 BetrVG ist maßgeblicher Zeitpunkt zur
Feststellung der Zahl der zu berücksichtigenden Leiharbeit-
nehmer der Zeitpunkt der Freistellungswahl. Ändert sich nach
der Freistellungswahl die Zahl der in der Regel beschäftig-
ten Leiharbeitnehmer nicht nur vorübergehend, so kann der
Arbeitgeber Anpassung der Freistellungen verlangen.27
Das ist
praktisch bedeutsam, weil von Personalanpassungen oft als
erstes die Leiharbeitnehmer betroffen sind.
b) Handlungsmöglichkeiten und Rechtsschutz
Regelmäßig wird die Frage der Freistellungen unmittelbar nach
der Betriebsratswahl aufkommen. Oder der Betriebsrat ist der
Auffassung – etwa wegen der geänderten Rspr. zu § 9 BetrVG –,
die Zahl der zu berücksichtigenden Arbeitnehmer habe sich seit
der letzten Freistellungswahl geändert und die Zahl der Frei-
stellungen müsse entsprechend angepasst werden.
§ 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sieht vor, dass die Freistellungs-
wahl erst nach Beratung mit dem Arbeitgeber stattfindet.
Der Arbeitgeber sollte bereits im Rahmen dieser Beratung auf
eine abweichende Auffassung zur Zahl der Freistellungen hin-
weisen. Hier ist zugleich Gelegenheit, über eine anderweitige
Regelung über die Freistellung nach § 38 Abs. 1 Satz 5 BetrVG
zu diskutieren.28
Anders als § 9 BetrVG lässt § 38 BetrVG von
den gesetzlichen Regelungen abweichende Vereinbarungen zu.
Insb. kann durch Betriebsvereinbarung die Zahl der Freistel-
lungen reduziert werden.29
Ein vollständiger Ausschluss von
Freistellungen ist jedoch nicht möglich.30
Kommt es zu keiner abweichenden Regelung und bleibt es
beim Streit über den Umfang der Freistellungen, kann der
Arbeitgeber das Beschlussverfahren nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 1,
Abs. 2, 80 ff. ArbGG einleiten. Er kann sich insb. gegen einen
Beschluss des Betriebsrats wenden, in dem die Zahl der Frei-
stellungen fehlerhaft festgelegt worden ist. Das Verfahren vor
der Einigungsstelle nach § 38 Abs. 2 Satz 4 BetrVG ist inso-
weit nicht vorrangig. Es gilt nur für die personelle Auswahl-
entscheidung.31
Ist der Freistellungswahl unmittelbar die Betriebsratswahl
vorangegangen, wird der Arbeitgeber regelmäßig die Betriebs-
ratswahl anfechten und nicht nur isoliert gegen die Freistellun-
gen vorgehen, wenn er meint, dass die zugrunde gelegte Zahl
der Arbeitnehmer nicht zutreffend war. Betriebsratsinterne
Wahlen sind daneben analog § 19 BetrVG anfechtbar.32
IV. Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen
(§ 99 BetrVG)
1. Überblick
Soweit ersichtlich gibt es keine Rspr. zu der Frage, ob Leih-
arbeitnehmer für den Schwellenwert in § 99 Abs. 1 Satz 1
BetrVG zu berücksichtigen sind. Allerdings existiert Rspr. zum
Gemeinschaftsbetrieb, die aufgrund der strukturellen Ähn-
lichkeit herangezogen werden kann. In seinem Urteil vom
24.01.201333
zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern
beim Schwellenwert in § 23 Abs. 1 KSchG argumentiert das
BAG selbst mit einer Parallele zum Gemeinschaftsbetrieb.
27 BAG vom 26.07.1989 – 7 ABR 64/88, DB 1990 S. 1290.
28 Vgl. Linsenmaier/Kiel, RdA 2014 S. 135 (146).
29 BAG vom 11.06.1997 – 7 ABR 5/96, NZA 1997 S. 1301 (1302).
30 Thüsing, in: Richardi, BetrVG, 14. Aufl. 2014, § 38 Rdn. 21.
31 Koch, in: ErfK, 14. Aufl. 2014, § 38 BetrVG Rdn. 7.
32 BAG vom 20.04.2005 – 7 ABR 44/04, DB 2005 S. 2416.
33 BAG vom 24.01.2013, a.a.O. ( Fn. 12).
Für einen Gemeinschaftsbetrieb, in dem insgesamt mehr als
zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden,
bejaht das BAG eine analoge Anwendung des § 99 BetrVG auf
Versetzungen.34
Sinn und Zweck geböten eine entsprechende
Anwendung. Mit der Beschränkung des Mitbestimmungs-
rechts bei personellen Einzelmaßnahmen auf Einheiten mit
mehr als zwanzig Arbeitnehmern sollte nach der Gesetzes-
begründung der besonderen Interessenlage der Arbeitgeber
in kleineren Einheiten Rechnung getragen werden. Dort sei
i.d.R. noch von einer engen persönlichen Zusammenarbeit zwi-
schen Arbeitgeber und Arbeitnehmern auszugehen und eine
Beteiligung des Betriebsrats nicht notwendig. An einer solchen
engen persönlichen Zusammenarbeit fehle es auch in größeren
Gemeinschaftsbetrieben. Eine Differenzierung danach, ob ein
Betrieb mit mehr als zwanzig Arbeitnehmern rechtlich einem
einzigen Unternehmen oder mehreren Unternehmen mit jew.
weniger als zwanzig Mitarbeitern zuzuordnen sei, sei für die
persönliche Nähe ohne Bedeutung.
2. Anwendung in der Unternehmens- und Beratungspraxis
Es spricht einiges dafür, dass das BAG künftig auch für den
Schwellenwert in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG Leiharbeitnehmer
berücksichtigen wird.35
Es begründet die Berücksichtigung
von Leiharbeitnehmern bei §§ 9, 111 Satz 1 BetrVG und § 23
Abs. 1 KSchG mit Sinn und Zweck der Schwellenwerte. Bei
der Frage der analogen Anwendung des § 99 Abs. 1 Satz 1
BetrVG in einem Gemeinschaftsbetrieb, der durch Addition
der Arbeitnehmer der an dem Gemeinschaftsbetrieb betei-
ligten Unternehmen den Schwellenwert erreicht, die betei-
ligten Unternehmen jedoch nicht, argumentiert das Gericht
ebenfalls mit Sinn und Zweck. Es ist daher davon auszu-
gehen, dass das BAG fragen wird, ob Sinn und Zweck des
Schwellenwerts eine Einbeziehung von Leiharbeitnehmern
gebieten.
Der Grad der persönlichen Zusammenarbeit hängt nach dem
Urteil des BAG vom 24.01.201336
zu § 23 Abs. 1 KSchG aber
nicht davon ab, ob der Arbeitgeber eigene Arbeitnehmer ein-
setzt oder Leiharbeitnehmer. Entsprechend hat der Erste Senat
für den Gemeinschaftsbetrieb entschieden, dass es für die per-
sönliche Nähe zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht
darauf ankommt, mit wem die Arbeitnehmer vertraglich ver-
bunden sind.37
Da damit Sinn und Zweck einer Einbeziehung von Leiharbeit-
nehmern nicht entgegenstehen, werden die Gerichte mit eini-
ger Wahrscheinlichkeit künftig auch für den Schwellenwert
des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG regelmäßig beschäftigte Leih-
arbeitnehmer berücksichtigen.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der Zahl der
Arbeitnehmer ist der Zeitpunkt, zu dem die personelle Maß-
nahme durchgeführt werden soll.38
Verkennt der Betriebsrat
die Voraussetzungen, unter denen Leiharbeitnehmer für den
Schwellenwert in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu berücksichti-
gen sind, kann der Arbeitgeber ein Beschlussverfahren (§§ 2a
Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 80 ff. ArbGG) einleiten.
34 BAG vom 29.09.2004 – 1 ABR 39/03, DB 2005 S. 951.
35 Ebenso Boemke, in: Boemke/Lembke, AÜG, 3. Aufl. 2014, §  14 AÜG Rdn.  60; Haas/Hoppe,
NZA  2013 S. 294 (298); Linsenmaier/Kiel, RdA 2014 S. 135 (147 f.).
36 BAG vom 24.01.2013, a.a.O. (Fn. 12).
37 BAG vom 29.09.2004, a.a.O. (Fn. 34).
38 Thüsing, a.a.O. (Fn. 30), § 99 Rdn. 14.
2594 DER BETRIEB Nr. 45 07.11.2014
Arbeitsrecht Aufsätze www.der-betrieb.de
V. Wirtschaftsausschuss (§ 106 BetrVG)
1. Überblick
Zur Frage der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei
§ 106 BetrVG ist nur eine Entscheidung des LAG Berlin veröf-
fentlicht.39
Der Arbeitgeber beschäftigte seiner Behauptung
nach insg. 25 Meister und Lehrer sowie 176 Auszubildende. Im
Rahmen von Berufserprobungsmaßnahmen waren weitere ca.
100 Personen tätig, die im Rahmen von Arbeitsbeschaffungs-
maßnahmen für ein Jahr minus einen Tag eingestellt wurden.
Das LAG Berlin hielt die Voraussetzung, dass in der Regel mehr
als 100 ständig beschäftigte Arbeitnehmer tätig sind, für erfüllt.
Der Begriff „ständig“ beziehe sich auf die Arbeitsaufgabe, nicht
auf den Arbeitnehmer. Es müsse sich um einen Arbeitsplatz
handeln, der auf Dauer für einen Arbeitnehmer eingerichtet sei.
Nicht ständig beschäftigt seien daher grds. Arbeitnehmer, die
zur Aushilfe oder nur vorübergehend beschäftigt würden, weil
ihre Arbeitsaufgabe, und damit ihr Arbeitsplatz, eben in der
Regel nicht auf Dauer bestehe. Ausnahmsweise könnten auch
befristet beschäftigte Arbeitnehmer dann ständig beschäftigt
sein, wenn die Arbeitsaufgabe und der Arbeitsplatz auf Dauer
bestehe. Deshalb könnten ständig beschäftigte Arbeitnehmer
auch vorübergehend eingesetzte Leiharbeitnehmer oder befris-
tet eingestellte Arbeitnehmer sein, die auf einem ständig vor-
handenen Arbeitsplatz tätig seien.
Auch hier bietet sich ein Blick auf die Rspr. zum Gemein-
schaftsbetrieb an: Für einen Gemeinschaftsbetrieb mit in
der Regel mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern,
wobei jedoch keines der beteiligten Unternehmen für sich
allein den Schwellenwert erreicht, bejaht das BAG eine analoge
Anwendung des § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.40
Sinn und Zweck
geböten in einem solchen Fall die Errichtung eines Wirt-
schaftsausschusses. Der Wirtschaftsausschuss sei Hilfsorgan
des Betriebsrats. Seine Tätigkeit diene letztlich nur der Erfül-
lung von Betriebsratsaufgaben. Mit dieser gesetzgeberischen
Konzeption sei es unvereinbar, dem Betriebsrat eines schon
für sich allein den Schwellenwert erreichenden Betriebs die
Unterstützung durch einen Wirtschaftsausschuss allein des-
halb zu versagen, weil die unternehmerseitige Organisation
der Rechtsträgerschaft des Betriebs gesellschaftsrechtlich in
einer Weise ausgestaltet sei, dass mehrere rechtlich selbst-
ständige Rechtsträger jew. nur eine geringe Zahl von Arbeit-
nehmern beschäftigen.
2. Anwendung in der Unternehmens- und Beratungspraxis
Die neue Rspr. des BAG zu §§ 9 und 111 Abs. 1 Satz 1 BetrVG
sowie § 23 Abs. 1 KSchG kann schon aufgrund des unter-
schiedlichen Wortlauts – „in der Regel“ vs. „ständig beschäf-
tigte Arbeitnehmer“ – nicht ohne Weiteres auf § 106 Abs. 1
Satz 1 BetrVG übertragen werden.41
Selbst wenn das BAG seiner Linie zur Berücksichtigung von
Leiharbeitnehmern auch hier folgt, steht einer richterrecht-
lichen Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern Art. 7 Abs. 2
der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG entgegen. Danach kön-
nen die Mitgliedstaaten unter den von ihnen festgelegten
Bedingungen vorsehen, dass Leiharbeitnehmer im entleihen-
den Unternehmen bei der Berechnung des Schwellenwerts für
die Einrichtung der nach Gemeinschaftsrecht und nationalem
39 LAG Berlin vom 06.12.1989 – 2TaBV 6/89, DB 1990 S. 538.
40 BAG vom 01.08.1990 – 7 ABR 91/88, DB 1991 S. 1782.
41 Vgl. Hamann, jurisPR-ArbR 10/2012 Anm. 1; Koch/Milenk, in: BeckOK ArbR, Stand: 01.06.2014,
Ed. 32, § 14 AÜG Rdn. 28.
Recht oder in den Tarifverträgen vorgesehenen Arbeitnehmer-
vertretungen im gleichen Maße berücksichtigt werden wie
Arbeitnehmer, die das entleihende Unternehmen für die glei-
che Dauer unmittelbar beschäftigen würde. Die Leiharbeits-
richtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten damit keine Gleich-
behandlung von Leiharbeitnehmern bei Schwellenwerten im
Einsatzunternehmen.42
Sie räumt ihnen nur die Option ein,
Leiharbeitnehmer im entleihenden Unternehmen bei Schwel-
lenwerten zu zählen.43
Zur Ausübung dieser Option durch einen
Mitgliedstaat reicht Richterrecht aber nicht aus. Es bedarf
einer Umsetzung durch Gesetz.44
Eine gesetzliche Regelung zur
Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern im Entleiherbetrieb
bei Schwellenwerten fehlt aber de lege lata sowohl im BetrVG
als auch im AÜG. Letzteres obwohl die AÜG-Reform 2011 expli-
zit der Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie diente.45
Hat der Betriebsrat zu Unrecht Leiharbeitnehmer für den
Schwellenwert des § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gezählt und
einen Wirtschaftsausschuss gebildet, kann der Arbeitgeber
dies im Beschlussverfahren (§§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 80 ff.
ArbGG) angreifen.
VI. Betriebsänderungen (§ 111 Satz 1 BetrVG)
1. Überblick zur Entwicklung der Rechtsprechung
Hatte das BAG zu §§ 9 und 38 BetrVG schon 2003 und 2004 Stel-
lung genommen, führte erst ein Urteil des ArbG Hagen Ende
200946
zu ersten Aussagen zum Schwellenwert in § 111 Satz 1
BetrVG. Der Kläger verlangte Nachteilsausgleich wegen unter-
lassenen Versuchs eines Interessenausgleichs (§ 113 BetrVG).
Der Schwellenwert des § 111 Satz 1 BetrVG sei erreicht  – wegen
einer eingesetzten Leiharbeitnehmerin. Während das ArbG
die Leiharbeitnehmerin mitzählen wollte, lehnte das LAG das
unter Hinweis auf die alte Rspr. des BAG zu §§ 9 und 38 BetrVG
ab.47
Ende 2011 entschied das BAG im Sinne des Klägers.48
Bei der
Ermittlung des Schwellenwerts des § 111 Satz 1 BetrVG seien
Leiharbeitnehmer mitzuzählen, die länger als drei Monate im
Unternehmen eingesetzt seien, wenn sie zu den in der Regel
Beschäftigten gehörten. Sinn und Zweck des § 111 Satz 1
BetrVG sei, kleinere Unternehmen vor einer finanziellen Über-
forderung durch Sozialpläne zu schützen. Mit ihm solle der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens Rech-
nung getragen werden. Das habe der Gesetzgeber pauschalie-
rend nach der Zahl der im Unternehmen beschäftigten wahl-
berechtigten Arbeitnehmer bemessen. Bei einer am Schutz vor
finanzieller Überforderung kleinerer Unternehmen orientier-
ten Auslegung sei zu berücksichtigen, dass Leiharbeitnehmer
wie betriebsangehörige Arbeitnehmer Arbeitsplätze besetzten
und dem Weisungsrecht des Entleihers unterlägen. Der Entlei-
her zahle den Leiharbeitnehmern zwar keine Vergütung, habe
jedoch dem Verleiher das vereinbarte Entgelt für die Über-
lassung zu zahlen. Auch hier entstünden dem Unternehmen
daher personenbezogene Personalkosten. Für die Bestimmung
der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens
42 Wank, in: ErfK, a.a.O. (Fn. 31), Einl. AÜG Rdn. 35c.
43 So auch Rieble, NZA 2012 S. 485 (486 f.);Wank, a.a.O. (Fn. 42).
44 Rieble, NZA 2012 S. 485 (487).
45 Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des AÜG – Verhinderung von Missbrauch der
Arbeitnehmerüberlassung vom 31.12.2010, BR-Drucks. 847/10 S. 1 f., 5 f., 12.
46 ArbG Hagen vom 06.10.2009 – 1 Ca 1545/09, BeckRS 2011, 77511.
47 LAG Hamm vom 31.03.2010 – 3 Sa 1439/09.
48 BAG vom 18.10.2011 – 1 AZR 335/10, DB 2012 S. 408.
DER BETRIEB Nr. 45 07.11.2014 2595
Arbeitsrecht Aufsätzewww.der-betrieb.de
mache es deshalb keinen Unterschied, ob die Arbeitsplätze mit
eigenen Arbeitnehmern oder Leiharbeitnehmern besetzt sei-
en. Maßgeblich sei allein die Kopfzahl der als Arbeitnehmer
beschäftigten Personen.
2. Anwendung in der Unternehmens- und Beratungspraxis
Die Praxis hat von der Rspr. des BAG auszugehen. Es gibt
zwei Voraussetzungen für den Schwellenwert in § 111 Satz 1
BetrVG: Die zu berücksichtigenden Arbeitnehmer müssen
wahlberechtigt sein nach § 7 Satz 2 BetrVG und zu den „in der
Regel“ Beschäftigten gehören.
Die erste Hürde der Wahlberechtigung ist nicht hoch. Wahl-
berechtigt sind Leiharbeitnehmer nämlich schon vom ersten
Tag ihres Einsatzes an, wenn sie auf Grundlage einer Prognose
voraussichtlich länger als drei Monate eingesetzt werden.49
Das
kann etwa anhand des Überlassungsvertrags bestimmt wer-
den.50
Ausgehend von den statistischen Erhebungen der Agen-
tur für Arbeit wird rund die Hälfte aller Leiharbeitnehmer die
Voraussetzung der voraussichtlich drei Monate überschreiten-
den Einsatzdauer erfüllen.51
Aber auch die zweite Hürde ist nicht so hoch. Das BAG konkre-
tisiert die regelmäßige Beschäftigung von Leiharbeitnehmern
dahingehend, dass es darauf ankomme, ob sie normalerweise
während des größten Teils eines Jahres, d.h. länger als sechs
Monate beschäftigt werden. Der Erste Senat des BAG fragt
damit – wie der Siebte Senat bei § 9 BetrVG und der Zweite
Senat bei § 23 KSchG – abstrakt nach der Personalstärke, die
für das Unternehmen im Allgemeinen kennzeichnend ist und
der Kopfzahl, der in der Regel als Arbeitnehmer beschäftigten
Personen. Anhand eines Rückblicks und einer Prognose ist zu
prüfen, ob und, wenn ja, wie viele Arbeitsplätze bestehen, auf
denen länger als sechs Monate im Jahr Leiharbeitnehmer ein-
gesetzt werden. Es werden nicht die Leiharbeitnehmer gezählt,
die die Schwelle von sechs Monaten überschritten haben. Der
Senat stellt vielmehr darauf ab, wie viele Arbeitsplätze nach
Rückschau und Prognose in der Regel länger als sechs Monate
im Jahr von Leiharbeitnehmern besetzt werden unabhän-
gig von der individuellen Einsatzdauer.52
Es sind damit alle
Arbeitsplätze mitzuzählen, die zum Zeitpunkt der unterneh-
merischen Entscheidung, die zu der Betriebsänderung führt,
nach Rückschau und Prognose länger als sechs Monate von
Leiharbeitnehmern besetzt waren bzw. sein werden. Auf Per-
sonenidentität kommt es auch hier nicht an.
Es wird daher zur Verhinderung einer regelmäßigen Beschäf-
tigung nicht helfen, Leiharbeitnehmer vor Erreichen einer Ein-
satzdauer von sechs Monaten „auszutauschen“.53
Da es dar-
auf ankommt, wie viel Beschäftigungsbedarf insgesamt mit
Leiharbeitnehmern über welchen Zeitraum aufgefangen wird,
sollten Unternehmen, die knapp unterhalb der Schwelle des
§ 111 Satz 1 BetrVG liegen, vermeiden, Rahmenverträge mit
Verleihern zu schließen, die eine bestimmte Abnahmepflicht
vorsehen und gleichzeitig eine Mindestlaufzeit von mehr als
sechs Monaten haben. Solch starre Regelungen dokumen-
tieren einen regelmäßig bestehenden Beschäftigungsbedarf.
49 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Reform des BetrVG (BetrVerf-Reformgesetz) vom 02.04.2001,
BT-Drucks. 14/5741 S. 36; ganz h.M., z.B.Thüsing, a.a.O. (Fn. 30), § 7 Rdn. 10.
50 Koch, a.a.O. (Fn. 31), § 7 BetrVG Rdn. 6.
51 Vgl. Zwölfter Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen bei der Anwendung des AÜG
vom 26.02.2014, BT-Drucks. 18/673 S. 29 ff.
52 Vgl. Lipinski, BB 2012 S. 2431 (2432).
53 Vgl. Haas/Hoppe, NZA 2013 S. 294 (295).
Die Rahmenverträge sollten vielmehr flexible Regelungen zur
Laufzeit des Vertrags und zur Zahl der Leiharbeitnehmer (z.B.
Einzelabruf durch individuelle Einsatzverträge) enthalten.
Bei einem regelmäßig bestehenden Beschäftigungsbedarf
kann einer Überschreitung des Schwellenwerts dadurch vor-
gebeugt werden, dass das Einsatzunternehmen den Eintritt
der Wahlberechtigung nach § 7 Satz 2 BetrVG verhindert.
Die Wahlberechtigung ist nämlich personengebunden.54
Hier
kommt es – anders als bei der Frage der regelmäßigen Be-
schäftigung – zu einer individuellen, arbeitnehmerbezogenen
Betrachtung. Auch wenn Arbeitsplätze ständig mit Leihar-
beitnehmern besetzt werden, sind Einsatzzeiten nicht zusam-
menzurechnen. Wird etwa ein Leiharbeitnehmer drei Monate
eingesetzt und anschließend durch einen anderen Leiharbeit-
nehmer ersetzt, der ebenfalls drei Monate eingesetzt wird, ist
keiner von ihnen wahlberechtigt. Die Einsatzzeit des Vorgän-
gers wird nicht angerechnet.55
Beide Leiharbeitnehmer zählen
damit mangels Wahlberechtigung nicht für den Schwellen-
wert in § 111 Satz 1 BetrVG. Wird derselbe Leiharbeitnehmer
mehrfach mit Unterbrechungen überlassen und ergibt erst
die Zusammenrechnung der Einsatzzeiten eine Gesamtein-
satzzeit von mehr als drei Monaten, ist der Leiharbeitnehmer
grds. nicht wahlberechtigt und zählt daher nicht mit. § 7 Satz 2
BetrVG will dem Leiharbeitnehmer nur bei einer kontinuier-
lichen Tätigkeit im Einsatzbetrieb und einer entsprechenden
Verbundenheit das Wahlrecht geben.56
Eine Ausnahme wird
man machen müssen, wenn derselbe Leiharbeitnehmer mit
nur ganz geringfügigen Unterbrechungen immer wieder für
maximal drei Monate eingesetzt wird. Hier dürften die Grund-
sätze Anwendung finden, die die Rspr. zu § 1 Abs. 1 KSchG ent-
wickelt hat.57
Durch den ständigen Austausch der Leiharbeitnehmer bei jew.
maximal dreimonatigem Einsatz kann aber verhindert wer-
den, dass Leiharbeitnehmer für den Schwellenwert in § 111
Satz 1 BetrVG zählen.58
Das gilt auch dann, wenn es sich um
Arbeitsplätze handelt, die ständig mit Leiharbeitnehmern
besetzt sind.59
Freilich hat diese Gestaltung zwei Nachteile: Alle drei Monate
muss ein neuer Leiharbeitnehmer eingearbeitet werden.60
Ein
ständiger Austausch von Leiharbeitnehmern kommt daher
realistisch nur bei einfachen Tätigkeiten in Betracht.61
Und
vor jedem Einsatz ist das Einstellungsverfahren nach § 99
BetrVG zu durchlaufen.62
Da dem Betriebsrat ein Zustim-
mungsverweigerungsrecht nach § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG i.V.m.
§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zusteht, wenn Leiharbeitnehmer
nicht nur vorübergehend i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG einge-
setzt werden,63
kann der Betriebsrat im Einsatzbetrieb versu-
chen, diese Gestaltung zu unterbinden. Das BAG hat aber bis-
lang nur entschieden, dass ein Einsatz ohne jegliche zeitliche
Beschränkung, bei der der Leiharbeitnehmer anstelle eines
Stammarbeitnehmers eingesetzt werden soll, nicht mehr
54 Fitting, a.a.O. (Fn. 13), § 7 Rdn. 6; Kreutz/Raab, in: GK-BetrVG, 10. Aufl. 2014, § 7 Rdn. 72.
55 Fitting, a.a.O. (Fn. 13), § 7 Rdn. 61, 68; Kreutz/Raab, a.a.O. (Fn. 54).
56 Thüsing, a.a.O. (Fn. 30), § 7 Rdn. 10.
57 Fitting, a.a.O. (Fn. 13), § 7 Rdn. 65; einen im Wesentlichen ununterbrochenen Einsatz fordert
Thüsing, a.a.O. (Fn. 30), § 7 Rdn. 10.
58 Fandel/Zanotti, BB 2012 S. 969 (971); Fitting, a.a.O. (Fn. 13), § 7 Rdn. 68.
59 Kreutz/Raab, a.a.O. (Fn. 54), § 7 Rdn. 72.
60 Vgl. Fitting, a.a.O. (Fn. 13), § 7 Rdn. 68.
61 Fandel/Zanotti, BB 2012 S. 969 (971).
62 Fitting, a.a.O. (Fn. 13), § 7 Rdn. 68.
63 BAG vom 10.07.2013 – 7 ABR 91/11, DB 2013 S. 2629.
2596 DER BETRIEB Nr. 45 07.11.2014
Arbeitsrecht Kurz kommentiert www.der-betrieb.de
vorübergehend ist und in diesem Fall ein Zustimmungsver-
weigerungsrecht besteht.64
Bei Gestaltung der Überlassungs- bzw. Einsatzverträge für
einzelne Leiharbeitnehmer empfiehlt sich im Hinblick auf die
Wahlberechtigung die Aufnahme einer maximalen Einsatzzeit
von drei Monaten.65
Der Betriebsrat wird sich bei der Prognose-
entscheidung nämlich an der im Überlassungs- bzw. Einsatz-
vertrag vereinbarten Überlassungsdauer orientieren.66
Bei länge-
rer Einsatzzeit sollte jedenfalls ein großzügiges Austauschrecht
über den Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit hin-
aus zugunsten des Einsatzunternehmens vereinbart werden, um
ggf. einen Einsatz vor Erreichen der Grenze von drei Monaten ab-
brechen zu können. Zum Teil wird schon die bloße Vereinbarung
64 BAG vom 10.07.2013, a.a.O. (Fn. 63).
65 Fandel/Zanotti, BB 2012 S. 969 (971).
66 Koch, a.a.O. (Fn. 31), § 7 BetrVG Rdn. 6; Kreutz/Raab, a.a.O. (Fn. 54), § 7 Rdn. 73.
einesAustauschrechtsfürausreichendgehalten,umdiePrognose
eines über drei Monate dauernden Einsatzes auszuschließen.67
VII. Zusammenfassung
In der jüngeren Rspr. des BAG ist die senatsübergreifende
Tendenz erkennbar, Leiharbeitnehmer im Einsatzbetrieb bei
Schwellenwerten der Betriebsverfassung zu berücksichtigen,
wenn sie in der Regel eingesetzt werden. Für die Schwellen-
werte in §§ 9 und 111 Satz 1 BetrVG ist das bereits entschie-
den. Es spricht viel dafür, dass diese Rspr. auf die Schwellen-
werte in §§ 38 Abs. 1 und 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG übertragen
wird. Einer Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei § 106
Abs. 1 Satz 1 BetrVG steht entgegen, dass es derzeit an der
erforderlichen gesetzlichen Grundlage fehlt.
67 Thüsing, a.a.O. (Fn. 30), § 7 Rdn. 10.
Betriebsverfassungsrecht »DB0681723
Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen
Arbeitgeber und Betriebsrat ist bei Bedarf eine Einigungs-
stelle zu bilden. Wenn eine Betriebspartei die Einigungs-
stelle anruft und einen Vorsitzenden vorschlägt, kann die
Gegenseite den vorgeschlagenen Vorsitzenden ablehnen.
Diese Ablehnung kann ohne Begründung erfolgen. Das
daraufhin zur Einsetzung der Einigungsstelle angerufene
Arbeitsgericht hat in diesem Fall eine andere Person als
Vorsitzenden der Einigungsstelle zu bestimmen. Dies hat
nun das LAG Düsseldorf mit Beschluss vom 25.08.2014
(9  TaBV 39/14) entschieden.
RA/FAArbR Dr. Felix Hebert, Buse Heberer Fromm, Frankfurt/M.
Kontakt: autor@der-betrieb.de
I. Die Entscheidung
Hintergrund der Entscheidung war im konkreten Fall ein
Streit der Betriebsparteien über den Umfang der Freistellung
des Betriebsratsvorsitzenden. Der neu gewählte Betriebsrat
beschloss die Freistellung des Betriebsratsvorsitzenden sowie
weiterer zwei Mitglieder. Die Arbeitgeberin hielt die Frei-
stellung des Betriebsratsvorsitzenden aus sachlichen Grün-
den nicht für vertretbar und rief die Einigungsstelle an. Der
Betriebsrat teilte dem ArbG mit, dass mit dem vorgeschla-
genen Vorsitzenden kein Einverständnis besteht, ohne dies
näher zu begründen.
Gem. § 76 Abs. 2 BetrVG besteht die Einigungsstelle aus
einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber
und Betriebsrat bestellt werden und einem unparteiischen
Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen
müssen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so bestellt ihn
das ArbG auf Antrag einer der beiden Betriebsparteien. Gegen
eine solche Entscheidung des ArbG findet die Beschwerde an
das LAG statt.
Die Besetzung von Einigungsstellen:„Windhund-
rennen“ bei der Bestimmung des Vorsitzenden?
Das LAG Düsseldorf hat entschieden, dass das LAG bei der Ein-
setzung einer Einigungsstelle im Rahmen des Beschwerde-
verfahrens keine eigene Ermessensentscheidung hinsichtlich
der Person des Vorsitzenden der Einigungsstelle trifft, da die
Beschwerde lediglich der Überprüfung der erstinstanzlichen
Entscheidung und nicht deren Ersetzung dient. Nur dann,
wenn das Ermessen der erstinstanzlichen Entscheidung un-
zutreffend ausgeübt worden ist, kann das LAG eine eigene
Ermessensentscheidung treffen.
Des Weiteren hat das LAG Düsseldorf entschieden, dass auch
ein schlichtes „Nein“ der Gegenseite zu dem vorgeschlagenen
Kandidaten dazu führen kann, dass das ArbG eine andere Per-
son als Vorsitzenden einsetzt. Zur Begründung hat das LAG
Düsseldorf ausgeführt, dass es für die Bestimmung des Vor-
sitzenden der Einigungsstelle entscheidend darauf ankomme,
dass dieser die Gewähr für eine neutrale Verhandlungsführung
und Entscheidung biete. Der Vorsitzende der Einigungsstelle
müsseimHinblickaufdieUnparteilichkeitdasVertrauenbeider
Betriebspartner genießen, welches eben auch dann fehle, wenn
dieser von einer Seite abgelehnt werde – und zwar unabhän-
gig davon, ob konkrete Einwendungen gegen den Kandidaten
der jeweiligen Gegenseite vorgebracht werden oder nicht. Nach
dem LAG Düsseldorf spricht für diese Auffassung auch, dass
anderenfalls – insb. dann, wenn eine Begründung für die Ab-
lehnung nicht für ausreichend gehalten würde – diese Begrün-
dung die späteren Verhandlungen mit dem jeweiligen Vorsit-
zendenganzerheblichbelastenkönnte.Schließlichhat das LAG
Düsseldorf auch darauf abgestellt, dass die gegenteilige Sicht-
weise ein „Windhundrennen“ begünstigen würde, da derjenige,
der zuerst den Antrag auf Einsetzung der Einigungsstelle stellt,
einen entscheidenden strategischen Vorteil für die Besetzung
der wichtigen Position des Vorsitzenden erhalten würde, wenn
die Gegenseite den vorgeschlagenen Kandidaten nur mit einer
stichhaltigen Begründung wirksam ablehnen könnte.
II. Uneinheitliche Rechtsprechung zur Frage der
Begründungspflicht
Nach überwiegender Meinung ist das ArbG bei der Auswahl der
zu bestellenden Person nicht an die Vorschläge der Beteiligten

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Juris pr arbr-45_2014
 

Berück­sich­ti­gung von Leih­ar­beit­neh­mern bei Schwel­len­wer­ten der Be­triebs­ver­fas­sung - der Sta­tus quo

  • 1. DER BETRIEB Nr. 45 07.11.2014 2591 Arbeitsrecht Aufsätzewww.der-betrieb.de Dr. André Zimmermann, LL.M. ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeits- recht und Counsel im Frankfurter Büro von King & Wood Mallesons LLP. Kontakt: autor@der-betrieb.de Das Thema Zeitarbeit ist gerade in der aktuellen Legislatur- periode immer wieder Thema der politischen Diskussion. Während dort vor allem die gesetzliche Regulierung der Zeit- arbeitsbranche im Vordergrund steht, bieten sich auch weitere Nebenschauplätze. So durften jahrelang Leiharbeitnehmer zwar beim Entleiher unter den Voraussetzungen des § 7 Satz 2 BetrVG den Betriebsrat mitwählen, allerdings wurden sie dort bei betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten grund- sätzlich nicht berücksichtigt. Seit einigen Jahren jedoch hat sich dies geändert. Mit Blick auf die Entwicklung der Rechtspre- chung für praktisch besonders relevante Schwellenwerte lässt sich eine senatsübergreifende Tendenz des Bundesarbeits- gerichts erkennen, dass Leiharbeitnehmer im Einsatzbetrieb bei Schwellenwerten der Betriebsverfassung zu berücksichti- gen sind, wenn sie regelmäßig eingesetzt werden. I. Einleitung Seit Ende 2011 befindet sich die Rspr. zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei arbeitsrechtlichen Schwellen- werten im Wandel. Ihren (vorläufigen) Höhepunkt fand diese Entwicklung im März 2013: Das BAG gab seine Rspr. zu § 9 BetrVG – „Wählen, nicht zählen“ – auf. Die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei den betriebsverfassungsrecht- lichen Schwellenwerten soll laut Koalitionsvertrag nun gesetz- lich geregelt werden.1 Der Beitrag skizziert die Entwicklung der Rspr. für die praktisch besonders relevanten Schwellenwerte des BetrVG. II. Zahl der Betriebsratsmitglieder (§ 9 BetrVG) 1. Überblick zur Entwicklung der Rechtsprechung Bis zum Frühjahr 2013 entsprach es gefestigter Rspr., Leih- arbeitnehmer bei den Schwellenwerten in § 9 BetrVG für die Größe des Betriebsrats nicht zu berücksichtigen.2 Nur betriebsangehörige Arbeitnehmer wurden gezählt. Da Betriebsangehörigkeit nach der „Zwei-Komponenten-Lehre“ neben der Eingliederung in die Betriebsorganisation ein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber voraussetzte, waren Leiharbeitnehmer keine betriebsangehörigen Arbeitnehmer. Mit Beschluss vom 13.03.20133 hat der Siebte Senat diese Rspr. aufgegeben. In der Regel beschäftigte Leiharbeitnehmer seien mitzuzählen. Entscheidend für eine Berücksichtigung spreche Sinn und Zweck der Schwellenwerte. Durch die Staffelung solle 1 Vgl. Bauer, DB 2014 S. 60; Schiefer/Pöttering, DB 2013 S. 2928 (2930). 2 BAG vom 16.04.2003 – 7 ABR 53/02, DB 2003 S. 2128; vom 10.03.2004 – 7 ABR 49/03, DB 2004 S. 1836. 3 BAG vom 13.03.2013 – 7 ABR 69/11, DB 2013 S. 1613. sichergestellt werden, dass die Zahl der Betriebsratsmitglie- der in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der betrieb- sangehörigen Arbeitnehmer stehe, deren Interessen der Be- triebsrat vertrete. Die Abhängigkeit der Betriebsratsgröße von der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer trage dem Umstand Rechnung, dass hiervon der Arbeitsaufwand des Betriebsrats maßgeblich bestimmt werde. Der Umfang der Betriebsratsarbeit werde durch regelmäßig tätige Leiharbeit- nehmer erheblich beeinflusst. 2. Anwendung in der Unternehmens- und Beratungspraxis In der Regel beschäftigte Leiharbeitnehmer sind damit für die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder zu berücksich- tigen. Auf den ersten drei Stufen des § 9 Satz 1 BetrVG, also in Betrieben mit bis zu 100 Arbeitnehmern, müssen Leiharbeit- nehmer zusätzlich wahlberechtigt sein (vgl. dazu unten VI. 2.). a) Bestimmung der Zahl der in der Regel beschäftigten Leiharbeitnehmer Zur Frage, wann Leiharbeitnehmer in der Regel beschäftigt werden, verweist der Senat auf seine Rspr. zu Aushilfskräften.4 In der Regel beschäftigt sind danach die Arbeitnehmer, die normalerweise während des größten Teils des Jahres im Betrieb beschäftigt werden.5 Maßgebend ist die normale Beschäftigtenzahl, also die Personalstärke, die für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend ist.6 Der Wahlvorstand hat nicht nur den Personalbestand in der Vergangenheit zugrunde zu legen, sondern auch die künftige, aufgrund konkreter Ent- scheidungen des Arbeitgebers zum Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens zu erwartende Entwicklung.7 Leiharbeitnehmer sind damit bei den Schwellenwerten des § 9 BetrVG zu berücksichtigen, wenn sie bei Erlass des Wahlaus- schreibens bereits länger als sechs Monate eingesetzt wurden oder aufgrund konkreter Entscheidungen des Entleihers zu erwarten ist, dass sie länger als sechs Monate eingesetzt wer- den. Wurden oder werden sie voraussichtlich nur für einen kürzeren Zeitraum eingesetzt, etwa zur Bewältigung von Auf- tragsspitzen, zählen sie nicht mit. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens vorhersehbare Veränderungen sind vom Wahlvorstand zu berücksichtigen, wenn das Einsatz- unternehmen bereits konkrete Entscheidungen getroffen hat.8 Hier wird vor allem die Kündigung von Überlassungs- verträgen und/oder individuellen Einsatzverträgen relevant: Leiharbeitnehmer, deren Einsatz wegen der Kündigung den 4 BAG vom 07.05.2008 – 7 ABR 17/07, DB0294917 = NZA 2008 S. 1142. 5 BAG vom 07.05.2008, a.a.O. (Fn. 4), NZA 2008 S. 1142 (1143). 6 BAG vom 07.05.2008, a.a.O. (Fn. 4), NZA 2008 S. 1142 (1144). 7 BAG vom 16.04.2003, a.a.O. (Fn. 2), DB 2003 S. 2128 (2129); vom 07.05.2008, a.a.O. (Fn. 4), NZA  2008 S. 1142 (1144). 8 Vgl. BAG vom 25.11.1992 – 7 ABR 7/92, DB 1993 S. 2084. Betriebsverfassungsrecht »DB0681751 RA/FAArbR Dr. André Zimmermann, LL.M., Frankfurt/M. Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei Schwellenwerten der Betriebsverfassung – der Status quo
  • 2. 2592 DER BETRIEB Nr. 45 07.11.2014 Arbeitsrecht Aufsätze www.der-betrieb.de Zeitraum von sechs Monaten nicht überschreiten wird, sind nicht zu berücksichtigen.9 Es spricht viel dafür, dass die Gerichte bei der Prüfung der regelmäßigen Beschäftigung nicht auf den einzelnen Leih- arbeitnehmer abstellen werden, sondern darauf, ob ein Arbeitsplatz länger als sechs Monate von einem Leiharbeit- nehmer besetzt wird. Die Auswechslung der Leiharbeitnehmer auf solchen Arbeitsplätzen wird daher nicht dazu führen, dass keine regelmäßige Beschäftigung von Leiharbeitnehmern vor- liegt.10 Auch bei Aushilfen kommt es nicht darauf an, ob ders. ArbeitnehmereinenArbeitsplatzlängeralssechsMonatebesetzt hat.11 In seiner aktuellen Rspr. zu § 111 Satz 1 BetrVG (vgl. dazu unten VI. 1.) und § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG12 stellt das BAG eben- falls darauf ab, ob ein sechs Monate überdauernder Beschäfti- gungsbedarf besteht, der mit Leiharbeitnehmern gedeckt wird. b) Handlungsmöglichkeiten und Rechtsschutz Es liegt im unmittelbaren Interesse des Einsatzunternehmens, dass die Zahl der zu berücksichtigenden Leiharbeitnehmer korrekt bestimmt wird. Andernfalls droht z.B. eine Wahl- anfechtung und eine Neuwahl mit entsprechenden Kosten. Unternehmen und Berater sollten daher möglichst schon im Vorfeld der Wahl klären, wie viele Arbeitsplätze im Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens bereits seit sechs Mona- ten mit Leiharbeitnehmern besetzt waren bzw. voraussicht- lich sein werden. Die entsprechenden Angaben über die (beab- sichtigte) Dauer des Einsatzes sollten dem Wahlvorstand mit den Personallisten zur Verfügung gestellt werden und auf eine entsprechende Berücksichtigung im Wahlausschreiben hinge- wirkt werden. Hat der Wahlvorstand Leiharbeitnehmer falsch gezählt und die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder im Wahlausschreiben fehlerhaft festgelegt, kann der Arbeit- geber ein Beschlussverfahren nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 80  ff. ArbGG einleiten.13 Nach Einleitung der Wahl kann ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf Abbruch der Wahl und Erlass eines neuen Wahlausschreibens oder Korrektur des Wahlausschreibens, erwogen werden.14 Die Rechtsschutz- ziele Abbruch bzw. Korrektur können im Wege von Haupt- und Hilfsanträgen gestellt werden, wobei die Korrektur als milderes Mittel vorrangig ist.15 Inhalt der zu beantragenden Verfügung kann etwa sein, dem Wahlvorstand aufzugeben, bestimmte Leiharbeitnehmer bei der Festlegung der Betriebs- ratsgröße im Wahlausschreiben nicht zu berücksichtigen.16 Allerdings ist das BAG der Auffassung, dass die bloße Anfecht- barkeit der Wahl nicht genügt für den Erlass einer einstweili- gen Verfügung; es verlangt Nichtigkeit der Wahl.17 Nichtig ist die Wahl aber nur, wenn in grober und offensichtlicher Weise gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen wurde. Die Ver- stöße müssen so offensichtlich und so schwerwiegend sein, dass nicht einmal mehr der Anschein einer dem Gesetz ent- sprechenden Wahl vorliegt.18 Die fehlerhafte Festlegung der 9 Vgl. Dzida, ArbRB 2013 S. 338 (340). 10 Vgl. Linsenmaier/Kiel, RdA 2014 S. 135 (145). 11 LAG Düsseldorf vom 26.09.1990 – 12TaBV 74/90, DB 1991 S. 238. 12 BAG vom 24.01.2013 – 2 AZR 140/12, DB 2013 S. 1494. 13 Vgl. Fitting, BetrVG, 27. Aufl. 2014, § 9 Rdn. 57. 14 Vgl. z.B. LAG Schleswig-Holstein vom 07.04.2011 – 4TaBV Ga 1/11, BeckRS 2011, 73471. 15 Vgl. ArbG Berlin vom 27.03.2006 – 75 BVGa 5915/06. 16 Vgl. Maschmann, DB 2001 S. 2446 (2449);Veit/Wichert, DB 2006 S. 390 (392). 17 BAG vom 27.07.2011 – 7 ABR 61/10, DB0464873 = NZA 2012 S. 345. 18 BAG vom 22.03.2000 – 7 ABR 34/98, DB 2000 S. 2330. Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder ist i.d.R. kein solch grober und offensichtlicher Verstoß.19 Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf Abbruch der Betriebsratswahl, wird nach der neueren Rspr. des BAG da- her kaum Aussicht auf Erfolg haben, wenn der Wahlvorstand Leiharbeitnehmer unzutreffend berücksichtigt hat.20 Eine Ausnahme wird gelten, wenn vom Wahlvorstand gezählte Leiharbeitnehmer offensichtlich nicht regelmäßig beschäf- tigt werden, etwa weil sie nur als Aushilfen für kurze Zeit tätig waren.21 Entsprechendes wird für den Fall gelten, dass der Ent- leiherdieÜberlassungs-und/oderEinsatzverträgemitdemVer- leiher gekündigt hat, dies dem Wahlvorstand mitgeteilt hat und infolge der Kündigungen die erforderliche Einsatzzeit von mehr als sechs Monaten nicht erreicht wird. Der Wahlvorstand muss diese konkreten Entscheidungen bei der Festlegung der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder berücksichtigen.22 In Zweifelsfällen, wenn der Verstoß des Wahlvorstands gegen die vom BAG aufgestellten Grundsätze über die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern also nicht offensichtlich ist, besteht nur die Möglichkeit der Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG. III. Freistellung von Betriebsräten (§ 38 BetrVG) 1. Überblick zur Entwicklung der Rechtsprechung Der Siebte Senat hatte 2003 entschieden, dass Leiharbeitneh- mer – ebenso wie bei § 9 BetrVG – im Einsatzbetrieb für die Zahl der Freistellungen nicht zu berücksichtigen sind.23 Ob- wohl der Siebte Senat in seinem Beschluss vom 13.03.201324 hierzu nicht Stellung genommen hat, wird überwiegend davon ausgegangen, dass die bisherige Rspr. zu § 38 BetrVG überholt ist. Auch hier werden künftig regelmäßig beschäftigte Leihar- beitnehmer zu berücksichtigen sein.25 Entscheidend spricht hierfür die schutzzweckorientierte Auslegung der Schwellenwerte, die das BAG vornimmt. Die Schwellenwerte in §§ 9 und 38 BetrVG verfolgen nach der Rspr. denselben Zweck: Die Anpassung der Zahl der Betriebsrats- mitglieder bzw. der Zahl der Freistellungen an den Arbeitsauf- wand. Letzteren sieht der Siebte Senat in seiner neuen Rspr. zu § 9 BetrVG durch Leiharbeitnehmer in gleichem Maße verur- sacht wie durch Stammarbeitnehmer. Nichts anderes wird für § 38 BetrVG gelten. 2. Anwendung in der Unternehmens- und Beratungspraxis Die Gerichte werden die neue Rspr. des BAG zu § 9 BetrVG da- her wahrscheinlich auf § 38 Abs. 1 BetrVG übertragen. Regel- mäßig beschäftigte Leiharbeitnehmer werden zu berücksich- tigen sein. a) Besonderheiten gegenüber § 9 BetrVG Folgende Besonderheiten gelten für § 38 BetrVG: Auf die Wahlberechtigung der Leiharbeitnehmer (§ 7 Satz 2 BetrVG) kommt es nicht an, weil § 38 BetrVG – anders als die ersten drei Schwellenwerte in § 9 Satz 1 BetrVG – sie nicht verlangt.26 19 BAG vom 10.03.2004, a.a.O. (Fn. 2). 20 Vgl. Dzida, ArbRB 2013 S. 338 (340). 21 Vgl. Dzida, ArbRB 2013 S. 338 (340). 22 Vgl. LAG Hamburg vom 26.04.2006 – 6TaBV 6/06, NZA-RR 2006 S. 413 (414 f.). 23 BAG vom 22.10.2003 – 7 ABR 3/03, DB 2004 S. 939. 24 BAG vom 13.03.2013, a.a.O. (Fn. 3). 25 Vgl.LAGHessenvom12.08.2013–16TaBV25/13,BeckRS2013,74895;Bissels,BB2013S. 2047; Hamann, jurisPR-ArbR 32/2013 Anm. 2; Linsenmaier/Kiel, RdA 2014 S. 135 (146). 26 Vgl. Fitting, a.a.O. (Fn. 13), § 38 Rdn. 9.
  • 3. DER BETRIEB Nr. 45 07.11.2014 2593 Arbeitsrecht Aufsätzewww.der-betrieb.de Abweichend von § 9 BetrVG ist maßgeblicher Zeitpunkt zur Feststellung der Zahl der zu berücksichtigenden Leiharbeit- nehmer der Zeitpunkt der Freistellungswahl. Ändert sich nach der Freistellungswahl die Zahl der in der Regel beschäftig- ten Leiharbeitnehmer nicht nur vorübergehend, so kann der Arbeitgeber Anpassung der Freistellungen verlangen.27 Das ist praktisch bedeutsam, weil von Personalanpassungen oft als erstes die Leiharbeitnehmer betroffen sind. b) Handlungsmöglichkeiten und Rechtsschutz Regelmäßig wird die Frage der Freistellungen unmittelbar nach der Betriebsratswahl aufkommen. Oder der Betriebsrat ist der Auffassung – etwa wegen der geänderten Rspr. zu § 9 BetrVG –, die Zahl der zu berücksichtigenden Arbeitnehmer habe sich seit der letzten Freistellungswahl geändert und die Zahl der Frei- stellungen müsse entsprechend angepasst werden. § 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sieht vor, dass die Freistellungs- wahl erst nach Beratung mit dem Arbeitgeber stattfindet. Der Arbeitgeber sollte bereits im Rahmen dieser Beratung auf eine abweichende Auffassung zur Zahl der Freistellungen hin- weisen. Hier ist zugleich Gelegenheit, über eine anderweitige Regelung über die Freistellung nach § 38 Abs. 1 Satz 5 BetrVG zu diskutieren.28 Anders als § 9 BetrVG lässt § 38 BetrVG von den gesetzlichen Regelungen abweichende Vereinbarungen zu. Insb. kann durch Betriebsvereinbarung die Zahl der Freistel- lungen reduziert werden.29 Ein vollständiger Ausschluss von Freistellungen ist jedoch nicht möglich.30 Kommt es zu keiner abweichenden Regelung und bleibt es beim Streit über den Umfang der Freistellungen, kann der Arbeitgeber das Beschlussverfahren nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 80 ff. ArbGG einleiten. Er kann sich insb. gegen einen Beschluss des Betriebsrats wenden, in dem die Zahl der Frei- stellungen fehlerhaft festgelegt worden ist. Das Verfahren vor der Einigungsstelle nach § 38 Abs. 2 Satz 4 BetrVG ist inso- weit nicht vorrangig. Es gilt nur für die personelle Auswahl- entscheidung.31 Ist der Freistellungswahl unmittelbar die Betriebsratswahl vorangegangen, wird der Arbeitgeber regelmäßig die Betriebs- ratswahl anfechten und nicht nur isoliert gegen die Freistellun- gen vorgehen, wenn er meint, dass die zugrunde gelegte Zahl der Arbeitnehmer nicht zutreffend war. Betriebsratsinterne Wahlen sind daneben analog § 19 BetrVG anfechtbar.32 IV. Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen (§ 99 BetrVG) 1. Überblick Soweit ersichtlich gibt es keine Rspr. zu der Frage, ob Leih- arbeitnehmer für den Schwellenwert in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu berücksichtigen sind. Allerdings existiert Rspr. zum Gemeinschaftsbetrieb, die aufgrund der strukturellen Ähn- lichkeit herangezogen werden kann. In seinem Urteil vom 24.01.201333 zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern beim Schwellenwert in § 23 Abs. 1 KSchG argumentiert das BAG selbst mit einer Parallele zum Gemeinschaftsbetrieb. 27 BAG vom 26.07.1989 – 7 ABR 64/88, DB 1990 S. 1290. 28 Vgl. Linsenmaier/Kiel, RdA 2014 S. 135 (146). 29 BAG vom 11.06.1997 – 7 ABR 5/96, NZA 1997 S. 1301 (1302). 30 Thüsing, in: Richardi, BetrVG, 14. Aufl. 2014, § 38 Rdn. 21. 31 Koch, in: ErfK, 14. Aufl. 2014, § 38 BetrVG Rdn. 7. 32 BAG vom 20.04.2005 – 7 ABR 44/04, DB 2005 S. 2416. 33 BAG vom 24.01.2013, a.a.O. ( Fn. 12). Für einen Gemeinschaftsbetrieb, in dem insgesamt mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden, bejaht das BAG eine analoge Anwendung des § 99 BetrVG auf Versetzungen.34 Sinn und Zweck geböten eine entsprechende Anwendung. Mit der Beschränkung des Mitbestimmungs- rechts bei personellen Einzelmaßnahmen auf Einheiten mit mehr als zwanzig Arbeitnehmern sollte nach der Gesetzes- begründung der besonderen Interessenlage der Arbeitgeber in kleineren Einheiten Rechnung getragen werden. Dort sei i.d.R. noch von einer engen persönlichen Zusammenarbeit zwi- schen Arbeitgeber und Arbeitnehmern auszugehen und eine Beteiligung des Betriebsrats nicht notwendig. An einer solchen engen persönlichen Zusammenarbeit fehle es auch in größeren Gemeinschaftsbetrieben. Eine Differenzierung danach, ob ein Betrieb mit mehr als zwanzig Arbeitnehmern rechtlich einem einzigen Unternehmen oder mehreren Unternehmen mit jew. weniger als zwanzig Mitarbeitern zuzuordnen sei, sei für die persönliche Nähe ohne Bedeutung. 2. Anwendung in der Unternehmens- und Beratungspraxis Es spricht einiges dafür, dass das BAG künftig auch für den Schwellenwert in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG Leiharbeitnehmer berücksichtigen wird.35 Es begründet die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei §§ 9, 111 Satz 1 BetrVG und § 23 Abs. 1 KSchG mit Sinn und Zweck der Schwellenwerte. Bei der Frage der analogen Anwendung des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in einem Gemeinschaftsbetrieb, der durch Addition der Arbeitnehmer der an dem Gemeinschaftsbetrieb betei- ligten Unternehmen den Schwellenwert erreicht, die betei- ligten Unternehmen jedoch nicht, argumentiert das Gericht ebenfalls mit Sinn und Zweck. Es ist daher davon auszu- gehen, dass das BAG fragen wird, ob Sinn und Zweck des Schwellenwerts eine Einbeziehung von Leiharbeitnehmern gebieten. Der Grad der persönlichen Zusammenarbeit hängt nach dem Urteil des BAG vom 24.01.201336 zu § 23 Abs. 1 KSchG aber nicht davon ab, ob der Arbeitgeber eigene Arbeitnehmer ein- setzt oder Leiharbeitnehmer. Entsprechend hat der Erste Senat für den Gemeinschaftsbetrieb entschieden, dass es für die per- sönliche Nähe zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht darauf ankommt, mit wem die Arbeitnehmer vertraglich ver- bunden sind.37 Da damit Sinn und Zweck einer Einbeziehung von Leiharbeit- nehmern nicht entgegenstehen, werden die Gerichte mit eini- ger Wahrscheinlichkeit künftig auch für den Schwellenwert des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG regelmäßig beschäftigte Leih- arbeitnehmer berücksichtigen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der Zahl der Arbeitnehmer ist der Zeitpunkt, zu dem die personelle Maß- nahme durchgeführt werden soll.38 Verkennt der Betriebsrat die Voraussetzungen, unter denen Leiharbeitnehmer für den Schwellenwert in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu berücksichti- gen sind, kann der Arbeitgeber ein Beschlussverfahren (§§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 80 ff. ArbGG) einleiten. 34 BAG vom 29.09.2004 – 1 ABR 39/03, DB 2005 S. 951. 35 Ebenso Boemke, in: Boemke/Lembke, AÜG, 3. Aufl. 2014, §  14 AÜG Rdn.  60; Haas/Hoppe, NZA  2013 S. 294 (298); Linsenmaier/Kiel, RdA 2014 S. 135 (147 f.). 36 BAG vom 24.01.2013, a.a.O. (Fn. 12). 37 BAG vom 29.09.2004, a.a.O. (Fn. 34). 38 Thüsing, a.a.O. (Fn. 30), § 99 Rdn. 14.
  • 4. 2594 DER BETRIEB Nr. 45 07.11.2014 Arbeitsrecht Aufsätze www.der-betrieb.de V. Wirtschaftsausschuss (§ 106 BetrVG) 1. Überblick Zur Frage der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei § 106 BetrVG ist nur eine Entscheidung des LAG Berlin veröf- fentlicht.39 Der Arbeitgeber beschäftigte seiner Behauptung nach insg. 25 Meister und Lehrer sowie 176 Auszubildende. Im Rahmen von Berufserprobungsmaßnahmen waren weitere ca. 100 Personen tätig, die im Rahmen von Arbeitsbeschaffungs- maßnahmen für ein Jahr minus einen Tag eingestellt wurden. Das LAG Berlin hielt die Voraussetzung, dass in der Regel mehr als 100 ständig beschäftigte Arbeitnehmer tätig sind, für erfüllt. Der Begriff „ständig“ beziehe sich auf die Arbeitsaufgabe, nicht auf den Arbeitnehmer. Es müsse sich um einen Arbeitsplatz handeln, der auf Dauer für einen Arbeitnehmer eingerichtet sei. Nicht ständig beschäftigt seien daher grds. Arbeitnehmer, die zur Aushilfe oder nur vorübergehend beschäftigt würden, weil ihre Arbeitsaufgabe, und damit ihr Arbeitsplatz, eben in der Regel nicht auf Dauer bestehe. Ausnahmsweise könnten auch befristet beschäftigte Arbeitnehmer dann ständig beschäftigt sein, wenn die Arbeitsaufgabe und der Arbeitsplatz auf Dauer bestehe. Deshalb könnten ständig beschäftigte Arbeitnehmer auch vorübergehend eingesetzte Leiharbeitnehmer oder befris- tet eingestellte Arbeitnehmer sein, die auf einem ständig vor- handenen Arbeitsplatz tätig seien. Auch hier bietet sich ein Blick auf die Rspr. zum Gemein- schaftsbetrieb an: Für einen Gemeinschaftsbetrieb mit in der Regel mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern, wobei jedoch keines der beteiligten Unternehmen für sich allein den Schwellenwert erreicht, bejaht das BAG eine analoge Anwendung des § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.40 Sinn und Zweck geböten in einem solchen Fall die Errichtung eines Wirt- schaftsausschusses. Der Wirtschaftsausschuss sei Hilfsorgan des Betriebsrats. Seine Tätigkeit diene letztlich nur der Erfül- lung von Betriebsratsaufgaben. Mit dieser gesetzgeberischen Konzeption sei es unvereinbar, dem Betriebsrat eines schon für sich allein den Schwellenwert erreichenden Betriebs die Unterstützung durch einen Wirtschaftsausschuss allein des- halb zu versagen, weil die unternehmerseitige Organisation der Rechtsträgerschaft des Betriebs gesellschaftsrechtlich in einer Weise ausgestaltet sei, dass mehrere rechtlich selbst- ständige Rechtsträger jew. nur eine geringe Zahl von Arbeit- nehmern beschäftigen. 2. Anwendung in der Unternehmens- und Beratungspraxis Die neue Rspr. des BAG zu §§ 9 und 111 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sowie § 23 Abs. 1 KSchG kann schon aufgrund des unter- schiedlichen Wortlauts – „in der Regel“ vs. „ständig beschäf- tigte Arbeitnehmer“ – nicht ohne Weiteres auf § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG übertragen werden.41 Selbst wenn das BAG seiner Linie zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern auch hier folgt, steht einer richterrecht- lichen Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern Art. 7 Abs. 2 der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG entgegen. Danach kön- nen die Mitgliedstaaten unter den von ihnen festgelegten Bedingungen vorsehen, dass Leiharbeitnehmer im entleihen- den Unternehmen bei der Berechnung des Schwellenwerts für die Einrichtung der nach Gemeinschaftsrecht und nationalem 39 LAG Berlin vom 06.12.1989 – 2TaBV 6/89, DB 1990 S. 538. 40 BAG vom 01.08.1990 – 7 ABR 91/88, DB 1991 S. 1782. 41 Vgl. Hamann, jurisPR-ArbR 10/2012 Anm. 1; Koch/Milenk, in: BeckOK ArbR, Stand: 01.06.2014, Ed. 32, § 14 AÜG Rdn. 28. Recht oder in den Tarifverträgen vorgesehenen Arbeitnehmer- vertretungen im gleichen Maße berücksichtigt werden wie Arbeitnehmer, die das entleihende Unternehmen für die glei- che Dauer unmittelbar beschäftigen würde. Die Leiharbeits- richtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten damit keine Gleich- behandlung von Leiharbeitnehmern bei Schwellenwerten im Einsatzunternehmen.42 Sie räumt ihnen nur die Option ein, Leiharbeitnehmer im entleihenden Unternehmen bei Schwel- lenwerten zu zählen.43 Zur Ausübung dieser Option durch einen Mitgliedstaat reicht Richterrecht aber nicht aus. Es bedarf einer Umsetzung durch Gesetz.44 Eine gesetzliche Regelung zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern im Entleiherbetrieb bei Schwellenwerten fehlt aber de lege lata sowohl im BetrVG als auch im AÜG. Letzteres obwohl die AÜG-Reform 2011 expli- zit der Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie diente.45 Hat der Betriebsrat zu Unrecht Leiharbeitnehmer für den Schwellenwert des § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gezählt und einen Wirtschaftsausschuss gebildet, kann der Arbeitgeber dies im Beschlussverfahren (§§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 80 ff. ArbGG) angreifen. VI. Betriebsänderungen (§ 111 Satz 1 BetrVG) 1. Überblick zur Entwicklung der Rechtsprechung Hatte das BAG zu §§ 9 und 38 BetrVG schon 2003 und 2004 Stel- lung genommen, führte erst ein Urteil des ArbG Hagen Ende 200946 zu ersten Aussagen zum Schwellenwert in § 111 Satz 1 BetrVG. Der Kläger verlangte Nachteilsausgleich wegen unter- lassenen Versuchs eines Interessenausgleichs (§ 113 BetrVG). Der Schwellenwert des § 111 Satz 1 BetrVG sei erreicht  – wegen einer eingesetzten Leiharbeitnehmerin. Während das ArbG die Leiharbeitnehmerin mitzählen wollte, lehnte das LAG das unter Hinweis auf die alte Rspr. des BAG zu §§ 9 und 38 BetrVG ab.47 Ende 2011 entschied das BAG im Sinne des Klägers.48 Bei der Ermittlung des Schwellenwerts des § 111 Satz 1 BetrVG seien Leiharbeitnehmer mitzuzählen, die länger als drei Monate im Unternehmen eingesetzt seien, wenn sie zu den in der Regel Beschäftigten gehörten. Sinn und Zweck des § 111 Satz 1 BetrVG sei, kleinere Unternehmen vor einer finanziellen Über- forderung durch Sozialpläne zu schützen. Mit ihm solle der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens Rech- nung getragen werden. Das habe der Gesetzgeber pauschalie- rend nach der Zahl der im Unternehmen beschäftigten wahl- berechtigten Arbeitnehmer bemessen. Bei einer am Schutz vor finanzieller Überforderung kleinerer Unternehmen orientier- ten Auslegung sei zu berücksichtigen, dass Leiharbeitnehmer wie betriebsangehörige Arbeitnehmer Arbeitsplätze besetzten und dem Weisungsrecht des Entleihers unterlägen. Der Entlei- her zahle den Leiharbeitnehmern zwar keine Vergütung, habe jedoch dem Verleiher das vereinbarte Entgelt für die Über- lassung zu zahlen. Auch hier entstünden dem Unternehmen daher personenbezogene Personalkosten. Für die Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens 42 Wank, in: ErfK, a.a.O. (Fn. 31), Einl. AÜG Rdn. 35c. 43 So auch Rieble, NZA 2012 S. 485 (486 f.);Wank, a.a.O. (Fn. 42). 44 Rieble, NZA 2012 S. 485 (487). 45 Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des AÜG – Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung vom 31.12.2010, BR-Drucks. 847/10 S. 1 f., 5 f., 12. 46 ArbG Hagen vom 06.10.2009 – 1 Ca 1545/09, BeckRS 2011, 77511. 47 LAG Hamm vom 31.03.2010 – 3 Sa 1439/09. 48 BAG vom 18.10.2011 – 1 AZR 335/10, DB 2012 S. 408.
  • 5. DER BETRIEB Nr. 45 07.11.2014 2595 Arbeitsrecht Aufsätzewww.der-betrieb.de mache es deshalb keinen Unterschied, ob die Arbeitsplätze mit eigenen Arbeitnehmern oder Leiharbeitnehmern besetzt sei- en. Maßgeblich sei allein die Kopfzahl der als Arbeitnehmer beschäftigten Personen. 2. Anwendung in der Unternehmens- und Beratungspraxis Die Praxis hat von der Rspr. des BAG auszugehen. Es gibt zwei Voraussetzungen für den Schwellenwert in § 111 Satz 1 BetrVG: Die zu berücksichtigenden Arbeitnehmer müssen wahlberechtigt sein nach § 7 Satz 2 BetrVG und zu den „in der Regel“ Beschäftigten gehören. Die erste Hürde der Wahlberechtigung ist nicht hoch. Wahl- berechtigt sind Leiharbeitnehmer nämlich schon vom ersten Tag ihres Einsatzes an, wenn sie auf Grundlage einer Prognose voraussichtlich länger als drei Monate eingesetzt werden.49 Das kann etwa anhand des Überlassungsvertrags bestimmt wer- den.50 Ausgehend von den statistischen Erhebungen der Agen- tur für Arbeit wird rund die Hälfte aller Leiharbeitnehmer die Voraussetzung der voraussichtlich drei Monate überschreiten- den Einsatzdauer erfüllen.51 Aber auch die zweite Hürde ist nicht so hoch. Das BAG konkre- tisiert die regelmäßige Beschäftigung von Leiharbeitnehmern dahingehend, dass es darauf ankomme, ob sie normalerweise während des größten Teils eines Jahres, d.h. länger als sechs Monate beschäftigt werden. Der Erste Senat des BAG fragt damit – wie der Siebte Senat bei § 9 BetrVG und der Zweite Senat bei § 23 KSchG – abstrakt nach der Personalstärke, die für das Unternehmen im Allgemeinen kennzeichnend ist und der Kopfzahl, der in der Regel als Arbeitnehmer beschäftigten Personen. Anhand eines Rückblicks und einer Prognose ist zu prüfen, ob und, wenn ja, wie viele Arbeitsplätze bestehen, auf denen länger als sechs Monate im Jahr Leiharbeitnehmer ein- gesetzt werden. Es werden nicht die Leiharbeitnehmer gezählt, die die Schwelle von sechs Monaten überschritten haben. Der Senat stellt vielmehr darauf ab, wie viele Arbeitsplätze nach Rückschau und Prognose in der Regel länger als sechs Monate im Jahr von Leiharbeitnehmern besetzt werden unabhän- gig von der individuellen Einsatzdauer.52 Es sind damit alle Arbeitsplätze mitzuzählen, die zum Zeitpunkt der unterneh- merischen Entscheidung, die zu der Betriebsänderung führt, nach Rückschau und Prognose länger als sechs Monate von Leiharbeitnehmern besetzt waren bzw. sein werden. Auf Per- sonenidentität kommt es auch hier nicht an. Es wird daher zur Verhinderung einer regelmäßigen Beschäf- tigung nicht helfen, Leiharbeitnehmer vor Erreichen einer Ein- satzdauer von sechs Monaten „auszutauschen“.53 Da es dar- auf ankommt, wie viel Beschäftigungsbedarf insgesamt mit Leiharbeitnehmern über welchen Zeitraum aufgefangen wird, sollten Unternehmen, die knapp unterhalb der Schwelle des § 111 Satz 1 BetrVG liegen, vermeiden, Rahmenverträge mit Verleihern zu schließen, die eine bestimmte Abnahmepflicht vorsehen und gleichzeitig eine Mindestlaufzeit von mehr als sechs Monaten haben. Solch starre Regelungen dokumen- tieren einen regelmäßig bestehenden Beschäftigungsbedarf. 49 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Reform des BetrVG (BetrVerf-Reformgesetz) vom 02.04.2001, BT-Drucks. 14/5741 S. 36; ganz h.M., z.B.Thüsing, a.a.O. (Fn. 30), § 7 Rdn. 10. 50 Koch, a.a.O. (Fn. 31), § 7 BetrVG Rdn. 6. 51 Vgl. Zwölfter Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen bei der Anwendung des AÜG vom 26.02.2014, BT-Drucks. 18/673 S. 29 ff. 52 Vgl. Lipinski, BB 2012 S. 2431 (2432). 53 Vgl. Haas/Hoppe, NZA 2013 S. 294 (295). Die Rahmenverträge sollten vielmehr flexible Regelungen zur Laufzeit des Vertrags und zur Zahl der Leiharbeitnehmer (z.B. Einzelabruf durch individuelle Einsatzverträge) enthalten. Bei einem regelmäßig bestehenden Beschäftigungsbedarf kann einer Überschreitung des Schwellenwerts dadurch vor- gebeugt werden, dass das Einsatzunternehmen den Eintritt der Wahlberechtigung nach § 7 Satz 2 BetrVG verhindert. Die Wahlberechtigung ist nämlich personengebunden.54 Hier kommt es – anders als bei der Frage der regelmäßigen Be- schäftigung – zu einer individuellen, arbeitnehmerbezogenen Betrachtung. Auch wenn Arbeitsplätze ständig mit Leihar- beitnehmern besetzt werden, sind Einsatzzeiten nicht zusam- menzurechnen. Wird etwa ein Leiharbeitnehmer drei Monate eingesetzt und anschließend durch einen anderen Leiharbeit- nehmer ersetzt, der ebenfalls drei Monate eingesetzt wird, ist keiner von ihnen wahlberechtigt. Die Einsatzzeit des Vorgän- gers wird nicht angerechnet.55 Beide Leiharbeitnehmer zählen damit mangels Wahlberechtigung nicht für den Schwellen- wert in § 111 Satz 1 BetrVG. Wird derselbe Leiharbeitnehmer mehrfach mit Unterbrechungen überlassen und ergibt erst die Zusammenrechnung der Einsatzzeiten eine Gesamtein- satzzeit von mehr als drei Monaten, ist der Leiharbeitnehmer grds. nicht wahlberechtigt und zählt daher nicht mit. § 7 Satz 2 BetrVG will dem Leiharbeitnehmer nur bei einer kontinuier- lichen Tätigkeit im Einsatzbetrieb und einer entsprechenden Verbundenheit das Wahlrecht geben.56 Eine Ausnahme wird man machen müssen, wenn derselbe Leiharbeitnehmer mit nur ganz geringfügigen Unterbrechungen immer wieder für maximal drei Monate eingesetzt wird. Hier dürften die Grund- sätze Anwendung finden, die die Rspr. zu § 1 Abs. 1 KSchG ent- wickelt hat.57 Durch den ständigen Austausch der Leiharbeitnehmer bei jew. maximal dreimonatigem Einsatz kann aber verhindert wer- den, dass Leiharbeitnehmer für den Schwellenwert in § 111 Satz 1 BetrVG zählen.58 Das gilt auch dann, wenn es sich um Arbeitsplätze handelt, die ständig mit Leiharbeitnehmern besetzt sind.59 Freilich hat diese Gestaltung zwei Nachteile: Alle drei Monate muss ein neuer Leiharbeitnehmer eingearbeitet werden.60 Ein ständiger Austausch von Leiharbeitnehmern kommt daher realistisch nur bei einfachen Tätigkeiten in Betracht.61 Und vor jedem Einsatz ist das Einstellungsverfahren nach § 99 BetrVG zu durchlaufen.62 Da dem Betriebsrat ein Zustim- mungsverweigerungsrecht nach § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG i.V.m. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zusteht, wenn Leiharbeitnehmer nicht nur vorübergehend i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG einge- setzt werden,63 kann der Betriebsrat im Einsatzbetrieb versu- chen, diese Gestaltung zu unterbinden. Das BAG hat aber bis- lang nur entschieden, dass ein Einsatz ohne jegliche zeitliche Beschränkung, bei der der Leiharbeitnehmer anstelle eines Stammarbeitnehmers eingesetzt werden soll, nicht mehr 54 Fitting, a.a.O. (Fn. 13), § 7 Rdn. 6; Kreutz/Raab, in: GK-BetrVG, 10. Aufl. 2014, § 7 Rdn. 72. 55 Fitting, a.a.O. (Fn. 13), § 7 Rdn. 61, 68; Kreutz/Raab, a.a.O. (Fn. 54). 56 Thüsing, a.a.O. (Fn. 30), § 7 Rdn. 10. 57 Fitting, a.a.O. (Fn. 13), § 7 Rdn. 65; einen im Wesentlichen ununterbrochenen Einsatz fordert Thüsing, a.a.O. (Fn. 30), § 7 Rdn. 10. 58 Fandel/Zanotti, BB 2012 S. 969 (971); Fitting, a.a.O. (Fn. 13), § 7 Rdn. 68. 59 Kreutz/Raab, a.a.O. (Fn. 54), § 7 Rdn. 72. 60 Vgl. Fitting, a.a.O. (Fn. 13), § 7 Rdn. 68. 61 Fandel/Zanotti, BB 2012 S. 969 (971). 62 Fitting, a.a.O. (Fn. 13), § 7 Rdn. 68. 63 BAG vom 10.07.2013 – 7 ABR 91/11, DB 2013 S. 2629.
  • 6. 2596 DER BETRIEB Nr. 45 07.11.2014 Arbeitsrecht Kurz kommentiert www.der-betrieb.de vorübergehend ist und in diesem Fall ein Zustimmungsver- weigerungsrecht besteht.64 Bei Gestaltung der Überlassungs- bzw. Einsatzverträge für einzelne Leiharbeitnehmer empfiehlt sich im Hinblick auf die Wahlberechtigung die Aufnahme einer maximalen Einsatzzeit von drei Monaten.65 Der Betriebsrat wird sich bei der Prognose- entscheidung nämlich an der im Überlassungs- bzw. Einsatz- vertrag vereinbarten Überlassungsdauer orientieren.66 Bei länge- rer Einsatzzeit sollte jedenfalls ein großzügiges Austauschrecht über den Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit hin- aus zugunsten des Einsatzunternehmens vereinbart werden, um ggf. einen Einsatz vor Erreichen der Grenze von drei Monaten ab- brechen zu können. Zum Teil wird schon die bloße Vereinbarung 64 BAG vom 10.07.2013, a.a.O. (Fn. 63). 65 Fandel/Zanotti, BB 2012 S. 969 (971). 66 Koch, a.a.O. (Fn. 31), § 7 BetrVG Rdn. 6; Kreutz/Raab, a.a.O. (Fn. 54), § 7 Rdn. 73. einesAustauschrechtsfürausreichendgehalten,umdiePrognose eines über drei Monate dauernden Einsatzes auszuschließen.67 VII. Zusammenfassung In der jüngeren Rspr. des BAG ist die senatsübergreifende Tendenz erkennbar, Leiharbeitnehmer im Einsatzbetrieb bei Schwellenwerten der Betriebsverfassung zu berücksichtigen, wenn sie in der Regel eingesetzt werden. Für die Schwellen- werte in §§ 9 und 111 Satz 1 BetrVG ist das bereits entschie- den. Es spricht viel dafür, dass diese Rspr. auf die Schwellen- werte in §§ 38 Abs. 1 und 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG übertragen wird. Einer Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG steht entgegen, dass es derzeit an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage fehlt. 67 Thüsing, a.a.O. (Fn. 30), § 7 Rdn. 10. Betriebsverfassungsrecht »DB0681723 Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ist bei Bedarf eine Einigungs- stelle zu bilden. Wenn eine Betriebspartei die Einigungs- stelle anruft und einen Vorsitzenden vorschlägt, kann die Gegenseite den vorgeschlagenen Vorsitzenden ablehnen. Diese Ablehnung kann ohne Begründung erfolgen. Das daraufhin zur Einsetzung der Einigungsstelle angerufene Arbeitsgericht hat in diesem Fall eine andere Person als Vorsitzenden der Einigungsstelle zu bestimmen. Dies hat nun das LAG Düsseldorf mit Beschluss vom 25.08.2014 (9  TaBV 39/14) entschieden. RA/FAArbR Dr. Felix Hebert, Buse Heberer Fromm, Frankfurt/M. Kontakt: autor@der-betrieb.de I. Die Entscheidung Hintergrund der Entscheidung war im konkreten Fall ein Streit der Betriebsparteien über den Umfang der Freistellung des Betriebsratsvorsitzenden. Der neu gewählte Betriebsrat beschloss die Freistellung des Betriebsratsvorsitzenden sowie weiterer zwei Mitglieder. Die Arbeitgeberin hielt die Frei- stellung des Betriebsratsvorsitzenden aus sachlichen Grün- den nicht für vertretbar und rief die Einigungsstelle an. Der Betriebsrat teilte dem ArbG mit, dass mit dem vorgeschla- genen Vorsitzenden kein Einverständnis besteht, ohne dies näher zu begründen. Gem. § 76 Abs. 2 BetrVG besteht die Einigungsstelle aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so bestellt ihn das ArbG auf Antrag einer der beiden Betriebsparteien. Gegen eine solche Entscheidung des ArbG findet die Beschwerde an das LAG statt. Die Besetzung von Einigungsstellen:„Windhund- rennen“ bei der Bestimmung des Vorsitzenden? Das LAG Düsseldorf hat entschieden, dass das LAG bei der Ein- setzung einer Einigungsstelle im Rahmen des Beschwerde- verfahrens keine eigene Ermessensentscheidung hinsichtlich der Person des Vorsitzenden der Einigungsstelle trifft, da die Beschwerde lediglich der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung und nicht deren Ersetzung dient. Nur dann, wenn das Ermessen der erstinstanzlichen Entscheidung un- zutreffend ausgeübt worden ist, kann das LAG eine eigene Ermessensentscheidung treffen. Des Weiteren hat das LAG Düsseldorf entschieden, dass auch ein schlichtes „Nein“ der Gegenseite zu dem vorgeschlagenen Kandidaten dazu führen kann, dass das ArbG eine andere Per- son als Vorsitzenden einsetzt. Zur Begründung hat das LAG Düsseldorf ausgeführt, dass es für die Bestimmung des Vor- sitzenden der Einigungsstelle entscheidend darauf ankomme, dass dieser die Gewähr für eine neutrale Verhandlungsführung und Entscheidung biete. Der Vorsitzende der Einigungsstelle müsseimHinblickaufdieUnparteilichkeitdasVertrauenbeider Betriebspartner genießen, welches eben auch dann fehle, wenn dieser von einer Seite abgelehnt werde – und zwar unabhän- gig davon, ob konkrete Einwendungen gegen den Kandidaten der jeweiligen Gegenseite vorgebracht werden oder nicht. Nach dem LAG Düsseldorf spricht für diese Auffassung auch, dass anderenfalls – insb. dann, wenn eine Begründung für die Ab- lehnung nicht für ausreichend gehalten würde – diese Begrün- dung die späteren Verhandlungen mit dem jeweiligen Vorsit- zendenganzerheblichbelastenkönnte.Schließlichhat das LAG Düsseldorf auch darauf abgestellt, dass die gegenteilige Sicht- weise ein „Windhundrennen“ begünstigen würde, da derjenige, der zuerst den Antrag auf Einsetzung der Einigungsstelle stellt, einen entscheidenden strategischen Vorteil für die Besetzung der wichtigen Position des Vorsitzenden erhalten würde, wenn die Gegenseite den vorgeschlagenen Kandidaten nur mit einer stichhaltigen Begründung wirksam ablehnen könnte. II. Uneinheitliche Rechtsprechung zur Frage der Begründungspflicht Nach überwiegender Meinung ist das ArbG bei der Auswahl der zu bestellenden Person nicht an die Vorschläge der Beteiligten