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Abschluss, Umsetzung und die gerichtliche Überprüfung
bilateraler völkerrechtlicher Verträge in der Türkei
und der Bundesrepublik Deutschland
Außenministerium der Türkei, 28. September 2018
Ahmet ​Şefik Kılıçaslan
Gliederungsübersicht
§ 1 Definition​………………………………………………………………………....Seite 2
§ 2 Der Abschluss​…………………………………………………………………...Seite 2
§ 3 Umsetzung in der Türkei ​……………………………………………………...Seite 5
§ 4 Umsetzung in Deutschland ​……………………………………………....…..Seite 6
§ 5 Gerichtliche Überprüfung in der Türkei ​…………………………………....Seite 8
§ 6 Gerichtliche Überprüfung in Deutschland ​………………………………...Seite 8
§ 7 Zusammenfassendes Endergebnis ​………………………………………...Seite 9
§ 8 Verzeichnis der verwendeten Literatur​ ……………………………………Seite 11
§ 9 Anhang​…………………………………………………………………………..Seite 12
§ 1 Definition
Die Legaldefinition völkerrechtlicher Abkommen richtet sich in beiden Staaten nach dem
Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WÜV) vom 23. Mai 1969. Ein1
Vertrag ist demnach eine internationale Vereinbarung, grundsätzlich abgeschlossen in
Schriftform, zwischen zwei oder mehreren Völkerrechtssubjekten, durch welche diese
ihren übereinstimmenden Willen ausdrücken, dem Völkerrecht unterworfene
Verpflichtungen einzuhalten oder auf entsprechende Rechte zu verzichten. Nach2
herrschender Meinung ist hierbei die Formfreiheit ein charakteristisches Merkmal.3
Solche Vereinbarungen können folglich in einer oder mehreren zusammengehörigen
Urkunden enthalten sein und verschiedene Bezeichnungen haben.
Völkerrechtliche Verträge sind zu unterscheiden in bilaterale und multilaterale. Im
Völkerrecht spricht man von einem bilateralen Vertrag, wenn zwei Staaten involviert
sind. Folglich handelt es sich bei völkerrechtlichen Verträgen mit mehreren Parteien um
einen multilateralen Vertrag.
§ 2 Der Abschluss
Der Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen ist ein Verfahren, in denen beide
Vertragsparteien einheitlich involviert sind. Diesen Prozess kann man nach
herrschender Meinung in Vertragsverhandlungen, Paraphierung und Unterzeichnung
untergliedern.
Die Aufnahme der Vertragsverhandlungen ist zugleich der Beginn des
Vertragsschlussverfahrens. In diesem Rahmen tauschen sich die Staaten entweder4
schriftlich mittels niedergelassenen Positionen, mündlich mit Hilfe von mit üblicherweise
von fachlichen Experten ausgestatteten Delegationen oder kurzfristig ​ad hoc
1
Vgl. Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜV) i.V.m BVerfGE 90, 286 (359) u. Gözler, Kemal: Hukuka Giris,
URL: ​http://www.anayasa.gen.tr/andlasma-bilgi.htm​ (Abgerufen am 21. September 2018), Seite 144, Ekin Kitabevi Verlag, 2017
2
Vgl. Art. 2 Abs. 1 WÜV, 23. Mai 1969
3
Vgl. Dahm/ Delbrück/ Wolfrum: Völkerrecht, Seite 546, Walter de Gruyter Verlag Berlin, 2002
4
Ebd. Seite 549
vereinbarten Treffen aus. In diesem Austausch wird die Ausformulierungen von
Themengebieten wie z. B. die Kompatibilität der Rechtssysteme der Länder mit
vertragsspezifischen Normen oder die optimale Form, mit der die Vereinbarung
festgehalten wird (Vertrag,etc.), besprochen. Organisationstechnische Gebiete wie5
beispielsweise der Umsetzungszeitplan werden auch behandelt. Die Berechtigung der
Teilnahme an Vertragsverhandlungen hat in der Türkei das Außenministerium (​Dışişleri
Bakanlığı​), mit der Voraussetzung, dass andere Ministerien, in deren Kompetenzgebiet
die Thematik der Verhandlungen einschlägig ist, gemäß Art. 65 der türkischen
Verfassung miteinbezogen werden und die Hoheitsrechte des Präsidenten unberührt
bleiben. In dem Fall, dass ein anderes Ministerium die Führung der Delegation ausübt,6
wird vorgesehen, dass das Außenministerium den Vertrag auf mögliche Verstöße
gegen die Verfassung oder sonstige Gesetze überprüft und sicherstellt, dass der
jeweilige Vertrag von völkerrechtlicher Bedeutung ist. Hierfür ist die juristische7
Abteilung (türk.: ​Hukuk Musavirligi​) des Außenministeriums verantwortlich. Das
deutsche Grundgesetz sieht gemäß Art. 59 Abs. 1 S. 1 GG vor, dass der
Bundespräsident den Bund in völkerrechtlichen Angelegenheiten vertritt. Bei Verträgen,
die nicht an oberster Priorität stehen (z.B. Regierungsabkommen oder
Verwaltungsabkommen) können aber sachlich zuständige Ministerien mit der
Verantwortung beauftragt werden.
Bei der Paraphierung wird der Vertragstext durch verhandlungsbefugte Organe
vorläufig festgelegt. Dazu gehören die Ausformulierung der Übersetzungen und die8
Festlegung der Initialen. Es könnte nämlich abhängig von dem Recht in anderen
Ländern zu juristischen Konflikten kommen, z.B. ob im Namen des Landes mit oder
ohne den eigenen Namen unterschrieben wird. In der Türkei ist der Präsident für die
Praphierung verantwortlich. Er bevollmächtigt verantwortliche Individuen. Seine
5
Weiss, Edith: “Environmental change and international law: New challenges and dimensions”, URL:
http://archive.unu.edu/unupress/unupbooks/uu25ee/uu25ee09.htm​ (Abgerufen am 19. September 2018), United Nations University
Verlag, 1992
6
Vgl. Art. 1 Abs. 1 Gesetz zur Koordinierung und Durchführung von internationalen Verhandlungen (türk.: Milletlerarası
Münasebetlerin Yürütülmesi Ve Koordinasyonu Hakkında Kanun), 17. Mai 1969
7
T.C. Resmî Gazete (türk. Amtsblatt) Nr. 26882, 21.Mai 2008
8
Universität des Saarlandes: “Völkerrechtliche Verträge: Abschlussverfahren (Art. 9 ff. WKRV)”, URL:
https://www.uni-saarland.de/fileadmin/user_upload/Professoren/fr11_ProfGiegerich/lehre/staatsrechtIII/StaatsRIIIAbschlV%C3%B6l
kerrVertr.pdf​ (Abgerufen am 19. September 2018)
Entscheidung wird nicht im türkischen Amtsblatt veröffentlicht. Das gleiche gilt für
Deutschland mit dem Bundespräsidenten.
Die Unterzeichnung der Verträge ist der finale Akt im Abschlussverfahren. Mit der
Unterzeichnung verkündet ein Staat sein Interesse an dem Vertrag und betont
konkludent seine Absicht Vertragspartei zu werden. Allein die Unterzeichnung ist noch9
nicht bindend. Mit ihr verpflichtet sich jedoch die Vertragspartei, dem Sinn und Zweck
des Vertrags nicht zuwiderzuhandeln (sog. Vereitelungsverbot), solange er nicht
ausdrücklich erklärt hat, doch nicht Vertragspartei werden zu wollen. In der Türkei10
vertritt der Präsident das Land als Oberbefehlshaber. Ausschließlich er besitzt die11
hoheitliche Berechtigung einzelne Individuen für die Unterzeichnung von
völkerrechtlichen Verträgen zu bevollmächtigen (sog. Abschlussvollmacht). Diese12
Bevollmächtigung muss nicht im Amtsblatt, der ​T.C. Resmî Gazete​, veröffentlicht
werden. Oft wird die Vollmacht durch eine Vollmachtsurkunde mit13
Ratifikationsvorbehalt erteilt. Bei völkerrechtlichen Verträgen wird üblicherweise das
Außenministerium bevollmächtigt. In Frage kommende Individuen sind meistens14
gemäß Art. 7 Abs. 2 lit. b des WÜV Botschafter, welche wiederum auch durch den
Präsidenten ernannt werden. Die Verfassung der Türkei selbst sieht keine Bestimmung
zur Bevollmächtigung von bestimmten Personen für bestimmte Verträge vor. Jedoch15
bestraft das Gesetz diejenigen, die ohne eine Bevollmächtigung im Namen des
Präsidenten völkerrechtliche Verträge unterzeichnen. Für die Minister ohne
Bevollmächtigung werden in diesem Rahmen juristische, strafrechtliche und politische
Strafen vorgesehen.16
In Deutschland wird gem. Art. 59 Abs. 1 S. 2 GG der Bundespräsident vorrangig
beauftragt im Namen des Bundes Verträge mit auswärtigen Staaten zu Unterschreiben.
9
Vgl. Art. 18 WÜV, 23. Mai 1969
10
Ebd. lit. a.
11
Art. 104 Abs. 1 Verfassung der Türkei (Anayasa)
12
Art. 1 Abs. 1 S. 1 Gesetz über die Berechtigung des Präsidenten zur Abschließung von völkerrechtlichen Verträgen (türk.:Bazı
Andlaşmaların Yapılması İçin Cumhurbaşkanına Yetki Verilmesi Hakkında Kanun), 31. Juni 1963 i
13
Ebd. S.2
14
Prof. Dr. Armağan, Servet: “1982 Anayasasi’nda Uluslarasi Andlasmalarin Imzalanmasi ve Onaylanmasi”, URL:
http://www.anayasa.gov.tr/files/pdf/anayasa_yargisi/anayargi/armagan.pdf​ (Abgerufen am 20. September 2018), Seite 344
15
Ebd.
16
Ebd. Seite 345
Jedoch auch in Deutschland ist die völkerrechtliche Abschlussbevollmächtigung die
übliche Art und Weise der Unterzeichnung. Üblicherweise dienen Diplomaten oder
sonstige hochrangige Beamten als sog. Unterhändler. Die Abschlussvollmacht wird
nicht im Amtsblatt veröffentlicht.
§ 3 Umsetzung in der Türkei
Der Prozess der Umsetzung völkerrechtlicher Verträge in der Türkei beginnt damit,
dass das Außenministerium den jeweiligen ausformulierten Vertrag dem Präsidenten
weiterleitet. Ohne obligatorische Stellungnahme wird daraufhin das Parlament
benachrichtigt. Im Parlament wird auf Wunsch des Präsidenten ein Hauptausschuss17
(türk.: ​esas komisyon​), üblicherweise der Ausschuss für das Auswärtige, und ein oder
mehreren Fachausschüssen (türk.: ​tali komisyon​), welche den Hauptausschuss
vertragsspezifische fachliche Beratung anbietet, beauftragt ein Gutachten zu erstellen.18
Der Hauptausschuss kann jedoch, falls der Fachausschuss keine Stellungnahme
nimmt, das Gutachten selbstständig verfassen. Vor der Volksabstimmung am 16. April19
2017 und den darauf folgenden Verordnungen nahmen bei den hierbei durchgeführten
Besprechungen auch stellvertretende Staatssekretäre teil. Anschließend erreicht der20
Vertrag mit dem dazugehörigen Gutachten und dem Zustimmungsgesetz das Plenum,
wo die jeweiligen Ausschüsse durch ein oder mehrere Sprecher repräsentiert werden.21
Der Vertrag wird als ganzes besprochen, die Veränderung oder Besprechung einzelner
Teile ist zu unterlassen. Zustimmungsgesetze können entweder mit oder ohne
Bedingungen verabschiedet oder abgelehnt werden. Nach der Verabschiedung des22
17
Art. 6 Abs. 1 Präsidentielle Verordnung über die Ratifizierung völkerrechtlicher Verträge (türk.: Milletlerarasi Andlasmalarin
Onaylanmasina Iliskin Usul ve Esaslar Hakkinda Cumhurbaskanligi Kararnamesi)
18
Vgl. Art. 23 Abs. 1 i.V.m Abs. 2 Geschäftsordnung des Türkischen Parlaments (türk.: Türkiye Büyük Millet Meclisi Ictüzügü)
19
Ebd. Abs. 5
20
Vgl. Kaya, Talat: Uluslararasi Anlasmalarinin Yapimi Ve Uygulamasi, Türkisches FInanzministerium, URL:
https://www.tkgm.gov.tr/sitesi/default/files/icerik/ekleri/uluslararasi_anlasmalarin_yapimi_ve_uygulamasi.ppt​ (Abgerufen am 20.
September 2018), Folie 18, 2015
21
Art. 45 Abs. 1 Geschäftsordnung des Türkischen Parlaments (türk.: Türkiye Büyük Millet Meclisi Ictüzügü)
22
Vgl. Art. 90 Abs. 1 Verfassung der Türkei (türk.:Anayasa)
Zustimmungsgesetzes, wird dies mit dem Vertrag im türkischen Amtsblatt veröffentlicht.
Das Original des Vertrages wird dem Außenministerium anvertraut.
Verträge, welche die Wirtschafts-, Handels- und technischen Beziehungen regeln und
deren Geltungsdauer ein Jahr nicht überschreitet, können durch ihre Verkündung in
Kraft gesetzt werden, wenn sie hinsichtlich der Staatsfinanzen keine Belastungen mit
sich bringen und den Personenstand und , welches durch das Verfassungsgericht
restriktiv ausgelegt wird, die Eigentumsrechte von Türken im Ausland nicht antasten.23 24
In diesem Fall werden diese Verträge innerhalb von zwei Monaten seit ihrer
Verkündung dem Parlament der Türkei zur Kenntnisnahme vorgelegt.25
Durchführungsverträge, welche auf einem völkerrechtlichen Vertrag beruhen, und die
Wirtschafts-, Handels-, technischen und Verwaltungsverträge, welche aufgrund einer
durch Gesetz erteilten Kompetenz abgeschlossen werden, bedürfen auch nicht einer
Zustimmung des Parlaments. Erwähnenswert ist jedoch an dieser Stelle, dass in der26
Realität somit z.B. Verteidigungsverträge, die auch unter den Begriff der
Durchführungsverträge subsumiert werden, ohne Verkündung in Kraft gesetzt werden.27
Hierdurch wird die Zugänglichkeit militärischer Vereinbarungen verhindert. Außerdem28
wurde im Jahr 2003 durch das Gesetz Nr. 4969 die Verkündungspflicht zum
Inkrafttreten einiger Garantie-, Kredit- und Schenkungsverträgen aufgehoben.
§ 4 Umsetzung in Deutschland
Die Umsetzung völkerrechtlicher Verträge in Deutschland erfolgt zunächst mit der
Weiterleitung des Vertrages an den Bundesrat. Anschließend leitet der Bundesrat den
Vertrag mit der dazugehörigen obligatorischen Stellungnahme an den Bundestag. Diese
23
2003/70, K. 2005/14, K. T. 14.3.2005; URL: ​http://tbbdergisi.barobirlik.org.tr/m2005-59-162​ (Abgerufen am 21. September 2018)
24
Ebd. Abs. 2 S. 1
25
Ebd. S. 2
26
Ebd. Abs. 3
27
Soysal, Mümtaz: “100 Soruda Anayasanin Anlami”, Seite 306, Gercek Yayinevi Ankara, 1990
28
Depenheuer/ Dogan/ Can: “Deutsch-Türkisches Forum für Staatsrechtslehre III”, LIT Verlag Münster, 2006, Seite 78
Verträge werden im Anschluss in grundsätzlich zwei, nur auf Beschluss des
Bundestages in drei, Beratungen behandelt.29
Die erste Lesung befasst sich mit der Einteilung eines jeweils dafür zuständigen
Ausschusses. In der Regel wird bei völkerrechtlichen Verträgen der Ausschuss für30
auswärtige Angelegenheiten berufen. Die Ausschüsse können auf Antrag einen31
Unterausschuss einsetzen. Bei umfangreichen Sachkomplexen kann eine32
Enquete-Kommission eingesetzt werden, falls sie nicht auf Antrag eines viertels der
Mitglieder dazu verpflichtet wird.33
In der zweiten Lesung wird an Hand der fachlichen Stellungnahme des Ausschusses
abgestimmt. Änderungsanträge für diese Verträge sind nicht zugelassen. Anträge zur34
Änderung von Zustimmungsgesetzen, welche die innerstaatliche Zustimmung für einen
völkerrechtlichen Vertrag erteilen, sind jedoch gültig. Völkerrechtliche Verträge, die von
der Bundesregierung ausgehandelt werden und politische Beziehungen regeln oder
sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung
oder der Mitwirkung der für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften
sowie eines Gesetzes. Damit sind nach der Rechtsprechung die Fälle gemeint, in35
denen im konkreten Fall ein Vollzugsakt unter Mitwirkung der gesetzgebenden
Körperschaft erforderlich ist. Das ist immer dann der Fall, wenn die entsprechende36
Materie bereits durch Gesetz geregelt ist, Rechte und Pflichten für den Einzelnen
begründet oder Bestimmungen enthält , deren Durchführung die Mitwirkung des37
formellen Bundes- oder Landesgesetzgebers erforderlich macht oder finanzielle
Verpflichtungen – über bloße haushaltsmäßige Auswirkungen hinaus – enthält, die nach
den finanzverfassungsrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes eine gesetzliche
Regelung erfordern (vgl. Artikel 115 GG) oder einen bestehenden Vertrag, der
29
§ 78 Abs. 1 S. 1 GOBT
30
Dr. Eschbach, Anna (Universität Köln): “Die Ratifizierungsprozesse in den EU-Mitgliedstaaten”, URL:
https://stop-ttip.org/wp-content/uploads/2015/09/Stop-TTIP_Ratifizierungsprozesse-in-den-EU-MS.pdf​ (Abgerufen am 19.
September 2018), Seite 12, 2015
31
Vgl. Abs. 1 Art. 45a GG
32
§ 55 Abs. 1 S. 1 GOBT
33
Ebd. § 56 Abs. 1
34
§ 82 Abs. 2 GOBT
35
Art. 59 Abs. 2 GG
36
BVerfGE 1, 372 (388)
37
§ 73 Abs. 3 Satz 1 GGO - RiVeVo
Gegenstand eines Vertragsgesetzes war, ändert oder ergänzt. Ein Zustimmungsgesetz
kann nur dann zustandekommen, wenn Bundesrat und Bundestag sich einig sind.
Gem. Art. 82 I GG wird dann das Zustimmungsgesetz vom Bundespräsidenten
ausgefertigt und mit dem dazugehörigen völkerrechtlichen Vertrag im
Bundesgesetzblatt Teil II verkündet.
§ 5 Gerichtliche Überprüfung von völkerrechtlichen Verträgen
in der Türkei
Art. 90 der TV ist der Grundbaustein der demokratischen Legitimation
vertragsrechtlicher Außenpolitik. Aus Abs. 5 S. 2 Art. 90 TV ergibt sich, dass gegen
völkerrechtliche Verträge das Verfassungsgericht mit der Behauptung der
Verfassungswidrigkeit nicht angerufen werden kann. Dieser Artikel hat zur Folge, dass
das Parlament im Rahmen der Ratifizierung eine sehr bedeutsame Position erlangt und
sowohl konkrete als auch abstrakte Normenkontrollverfahren durch das
Verfassungsgericht ausgeschlossen werden. Zurückzuführen ist diese Entscheidung
zur Verfassung von 1961, wo der Ausschuss der Nationalen Einheit (türk.: ​Milli Birlik
Komites​i) diese Änderung, obwohl die damalige Verfassungskommission ihre Bedenken
äußerte, als Art. 65 der Verfassung festhielt. Dieses Überprüfungsverbot wurde von der
Verfassung von 1982 folglich als Art. 90 Abs. 1 S. 1 TV übernommen.38
§ 6 Gerichtliche Überprüfung von völkerrechtlichen Verträgen
in Deutschland
Dem Überprüfen von völkerrechtliche Verträgen auf ihre verfassungsmäßigkeit in
Deutschland hindern keine gesetzlichen Vorschriften. Das Verfassungsgericht kann
38
Depenheuer/ Dogan/ Can: “Deutsch-Türkisches Forum für Staatsrechtslehre III”, LIT Verlag Münster, 2006, Seite 86
von den beteiligten Staatsorganen, u.U. aber auch von einzelnen Bürgern angerufen
werden. Falls z.B. ein Bundesland sich weigert Vorschriften völkerrechtlicher Verträge
in Landesrecht umzusetzen, können in Bezug auf die Frage der Umsetzungspflicht
mittels des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungsprozessuale Verfahren
eingeleitet werden. Dieses Verfahren, auch Bund-Länder-Streit genannt, richtet sich
nach den Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG und den §§ 13 Nr. 7, 68 ff. BVerfGG. Der Antrag des
Bundeslandes muss sowohl Zulässig als auch Begründet sein, um Aussicht auf Erfolg
zu haben. Hinsichtlich einer spezifischen Norm in einem völkerrechtlichen Vertrag39
besteht die Möglichkeit der abstrakten Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 bzw.
2a GG.40
39
Siehe Anhang 1, Seite 12
40
Siehe Anhang 2, Seite 13
§ 7 Vergleichendes Endergebnis
Der Abschluss von Verträgen in beiden Ländern richtet sich sekundär nach dem WÜV
und primär nach den innerstaatlichen gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der
Berechtigung von Individuen oder Institutionen. Es ist festzuhalten, dass in beiden
Ländern die Staatsoberhäupter von der Verfassung legitimiert sind völkerrechtliche
Verträge sowohl eigenhändig abzuschließen als auch für sämtliche Prozesse im
Abschlussverfahren die benötigte Vollmacht zu erteilen.41
Sowohl Deutschland als auch die Türkei haben eine in der Verfassung verankerte
Zustimmungspflichtigkeit hinsichtlich bestimmter Verträge. Diese
Zustimmungspflichtigkeit gehört zum Konzept der demokratisch-legitimierten,
parlamentarischen Kontrolle der Regierung (sog. Kontrollfunktion) und zur erkennbar
intendierten Einordnung eines Landes als vertragstreuer Akteur im internationalen
Kontext (sog. Vollzugssicherungsfunktion).42
Das Normenkontrollverfahren in beiden Ländern ist zu unterscheiden. In Deutschland
finden sowohl konkrete als auch abstrakte Normenkontrollverfahren Anwendung. In der
Türkei verbietet jedoch der Art. 90 Abs. 5 S. 1 TV die Überprüfung völkerrechtlicher
Verträge auf die Konformität mit der Verfassung.
41
Vgl. Art. 59 Abs. 1 S. 2 GG i.V.m. Art. 104 Abs. 2 lit. b TV
42
Kempen/Schiffbauer: 2Die vorläufige Anwendung völkerrechtlicher Verträge im internationalen Mehrebenensystem”, Seite 106,
Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 2017
Verzeichnis der verwendeten Literatur
- Prof. Dr. Armağan, Servet: “1982 Anayasasi’nda Uluslarasi Andlasmalarin Imzalanmasi ve
Onaylanmasi”, URL: http://www.anayasa.gov.tr/files/pdf/anayasa_yargisi/anayargi/armagan.pdf
(Abgerufen am 20. September 2018), Seite 344
- Dahm/ Delbrück/ Wolfrum: “Völkerrecht”, Seite 546, Walter de Gruyter Verlag Berlin, 2002
- Depenheuer/ Dogan/ Can: “Deutsch-Türkisches Forum für Staatsrechtslehre III”, LIT Verlag
Münster, 2006, Seite 78
- Gözler, Kemal: “Hukuka Giris”, URL: http://www.anayasa.gen.tr/andlasma-bilgi.htm (Abgerufen
am 21. September 2018), Seite 144, Ekin Kitabevi Verlag, 2017
- Kaya, Talat: “Uluslararasi Anlasmalarinin Yapimi Ve Uygulamasi, Türkisches FInanzministerium”,
URL:
https://www.tkgm.gov.tr/sitesi/default/files/icerik/ekleri/uluslararasi_anlasmalarin_yapimi_ve_uygul
amasi.ppt (Abgerufen am 20. September 2018), 2015
- Kempen/Schiffbauer: “Die vorläufige Anwendung völkerrechtlicher Verträge im internationalen
Mehrebenensystem”, Seite 106, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und
Völkerrecht, 2017
- Soysal, Mümtaz: “100 Soruda Anayasanin Anlami”, Seite 306, Gercek Yayinevi Ankara, 1990
- Universität des Saarlandes: “Völkerrechtliche Verträge: Abschlussverfahren (Art. 9 ff. WKRV)”,
URL:
https://www.uni-saarland.de/fileadmin/user_upload/Professoren/fr11_ProfGiegerich/lehre/staatsre
chtIII/StaatsRIIIAbschlV%C3%B6lkerrVertr.pdf (Abgerufen am 19. September 2018)
- Weiss, Edith: “Environmental change and international law: New challenges and dimensions”,
URL: http://archive.unu.edu/unupress/unupbooks/uu25ee/uu25ee09.htm (Abgerufen am 19.
September 2018), United Nations University Verlag, 1992
Anhang 1: Der Bund-Länder-Streit in Deutschland
(Ausformuliertes Schemata zu den wesentlichen Bestandteilen des Antrags)
I. Zulässigkeit
1. Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts​, Art. 93 I Nr. 3 GG, §§ 13 Nr.
7, 68 ff. BVerfGG
2. Beteiligungsfähigkeit​, § 68 BVerfGG (von Antragsteller und Antragsgegner)
3. Tauglicher Antragsgegenstand​, Art. 93 I Nr. 3 GG, §§ 64 I, 69 BVerfGG
4. Antragsbefugnis​, §§ 69 i.V.m. 64 I BVerfGG
5. Frist​, §§ 64 III i.V.m. 69 BVerfGG
6. Form​, §§ 23 I, 64 II i.V.m. 69 BVerfGG
II. Begründetheit
Der Antrag ist begründet, wenn die angegriffene Maßnahme oder Unterlassung gegen
die Bestimmungen des Grundgesetzes verstößt und den Antragsteller in seinen
Rechten verletzt. Der Prüfungsmaßstab ist das Grundgesetz.
1. Formelle Rechtmäßigkeit​, Art. 70 bis 82 GG
a) Zuständigkeit​, Art. 70 ff. GG
b) Verfahren​, Art. 76 ff. GG
c) Form​, Art. 82 I 1 GG
2. Materielle Rechtmäßigkeit
a) Verstoß ​gegen Grundrechte, Art. 1 ff. GG
Anhang 2: Konkrete Normenkontrolle in Deutschland
(Ausformuliertes Schemata zu den wesentlichen Bestandteilen des Antrags)
I. Zulässigkeit
1. Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts​. § 13 Nr. 11 BVerfGG)
2. Vorlageberechtigung​, Art. 100 I 1 GG
3. Prüfungsgegenstand​, Art. 100 I 1 GG
4. Vorlagebefugnis​ bzw. ​Vorlagepflicht​ , Art. 100 I 1 GG
a) Richterliche Überzeugung​, Art. 100 I 1 GG
b) Entscheidungserheblichkeit​, Art. 100 I 1 GG
5. Form​, §§ 23 I, 80 II BVerfGG
II. Begründetheit​, §§ 82 I, 78, 31 II 1 BVerfGG
1. Formelle Rechtmäßigkeit
a) Zuständigkeit
b) Verfahren
c) Form
2. Materielle Rechtmäßigkeit
a) Verstoß ​gegen Grundrechte,​ ​Art. 1 ff. GG
Abschluss, Umsetzung und die gerichtliche Überprüfung  bilateraler völkerrechtlicher Verträge in der Türkei  und der Bundesrepublik Deutschland

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Abschluss, Umsetzung und die gerichtliche Überprüfung bilateraler völkerrechtlicher Verträge in der Türkei und der Bundesrepublik Deutschland

  • 1. Abschluss, Umsetzung und die gerichtliche Überprüfung bilateraler völkerrechtlicher Verträge in der Türkei und der Bundesrepublik Deutschland Außenministerium der Türkei, 28. September 2018 Ahmet ​Şefik Kılıçaslan
  • 2. Gliederungsübersicht § 1 Definition​………………………………………………………………………....Seite 2 § 2 Der Abschluss​…………………………………………………………………...Seite 2 § 3 Umsetzung in der Türkei ​……………………………………………………...Seite 5 § 4 Umsetzung in Deutschland ​……………………………………………....…..Seite 6 § 5 Gerichtliche Überprüfung in der Türkei ​…………………………………....Seite 8 § 6 Gerichtliche Überprüfung in Deutschland ​………………………………...Seite 8 § 7 Zusammenfassendes Endergebnis ​………………………………………...Seite 9 § 8 Verzeichnis der verwendeten Literatur​ ……………………………………Seite 11 § 9 Anhang​…………………………………………………………………………..Seite 12
  • 3. § 1 Definition Die Legaldefinition völkerrechtlicher Abkommen richtet sich in beiden Staaten nach dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WÜV) vom 23. Mai 1969. Ein1 Vertrag ist demnach eine internationale Vereinbarung, grundsätzlich abgeschlossen in Schriftform, zwischen zwei oder mehreren Völkerrechtssubjekten, durch welche diese ihren übereinstimmenden Willen ausdrücken, dem Völkerrecht unterworfene Verpflichtungen einzuhalten oder auf entsprechende Rechte zu verzichten. Nach2 herrschender Meinung ist hierbei die Formfreiheit ein charakteristisches Merkmal.3 Solche Vereinbarungen können folglich in einer oder mehreren zusammengehörigen Urkunden enthalten sein und verschiedene Bezeichnungen haben. Völkerrechtliche Verträge sind zu unterscheiden in bilaterale und multilaterale. Im Völkerrecht spricht man von einem bilateralen Vertrag, wenn zwei Staaten involviert sind. Folglich handelt es sich bei völkerrechtlichen Verträgen mit mehreren Parteien um einen multilateralen Vertrag. § 2 Der Abschluss Der Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen ist ein Verfahren, in denen beide Vertragsparteien einheitlich involviert sind. Diesen Prozess kann man nach herrschender Meinung in Vertragsverhandlungen, Paraphierung und Unterzeichnung untergliedern. Die Aufnahme der Vertragsverhandlungen ist zugleich der Beginn des Vertragsschlussverfahrens. In diesem Rahmen tauschen sich die Staaten entweder4 schriftlich mittels niedergelassenen Positionen, mündlich mit Hilfe von mit üblicherweise von fachlichen Experten ausgestatteten Delegationen oder kurzfristig ​ad hoc 1 Vgl. Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜV) i.V.m BVerfGE 90, 286 (359) u. Gözler, Kemal: Hukuka Giris, URL: ​http://www.anayasa.gen.tr/andlasma-bilgi.htm​ (Abgerufen am 21. September 2018), Seite 144, Ekin Kitabevi Verlag, 2017 2 Vgl. Art. 2 Abs. 1 WÜV, 23. Mai 1969 3 Vgl. Dahm/ Delbrück/ Wolfrum: Völkerrecht, Seite 546, Walter de Gruyter Verlag Berlin, 2002 4 Ebd. Seite 549
  • 4. vereinbarten Treffen aus. In diesem Austausch wird die Ausformulierungen von Themengebieten wie z. B. die Kompatibilität der Rechtssysteme der Länder mit vertragsspezifischen Normen oder die optimale Form, mit der die Vereinbarung festgehalten wird (Vertrag,etc.), besprochen. Organisationstechnische Gebiete wie5 beispielsweise der Umsetzungszeitplan werden auch behandelt. Die Berechtigung der Teilnahme an Vertragsverhandlungen hat in der Türkei das Außenministerium (​Dışişleri Bakanlığı​), mit der Voraussetzung, dass andere Ministerien, in deren Kompetenzgebiet die Thematik der Verhandlungen einschlägig ist, gemäß Art. 65 der türkischen Verfassung miteinbezogen werden und die Hoheitsrechte des Präsidenten unberührt bleiben. In dem Fall, dass ein anderes Ministerium die Führung der Delegation ausübt,6 wird vorgesehen, dass das Außenministerium den Vertrag auf mögliche Verstöße gegen die Verfassung oder sonstige Gesetze überprüft und sicherstellt, dass der jeweilige Vertrag von völkerrechtlicher Bedeutung ist. Hierfür ist die juristische7 Abteilung (türk.: ​Hukuk Musavirligi​) des Außenministeriums verantwortlich. Das deutsche Grundgesetz sieht gemäß Art. 59 Abs. 1 S. 1 GG vor, dass der Bundespräsident den Bund in völkerrechtlichen Angelegenheiten vertritt. Bei Verträgen, die nicht an oberster Priorität stehen (z.B. Regierungsabkommen oder Verwaltungsabkommen) können aber sachlich zuständige Ministerien mit der Verantwortung beauftragt werden. Bei der Paraphierung wird der Vertragstext durch verhandlungsbefugte Organe vorläufig festgelegt. Dazu gehören die Ausformulierung der Übersetzungen und die8 Festlegung der Initialen. Es könnte nämlich abhängig von dem Recht in anderen Ländern zu juristischen Konflikten kommen, z.B. ob im Namen des Landes mit oder ohne den eigenen Namen unterschrieben wird. In der Türkei ist der Präsident für die Praphierung verantwortlich. Er bevollmächtigt verantwortliche Individuen. Seine 5 Weiss, Edith: “Environmental change and international law: New challenges and dimensions”, URL: http://archive.unu.edu/unupress/unupbooks/uu25ee/uu25ee09.htm​ (Abgerufen am 19. September 2018), United Nations University Verlag, 1992 6 Vgl. Art. 1 Abs. 1 Gesetz zur Koordinierung und Durchführung von internationalen Verhandlungen (türk.: Milletlerarası Münasebetlerin Yürütülmesi Ve Koordinasyonu Hakkında Kanun), 17. Mai 1969 7 T.C. Resmî Gazete (türk. Amtsblatt) Nr. 26882, 21.Mai 2008 8 Universität des Saarlandes: “Völkerrechtliche Verträge: Abschlussverfahren (Art. 9 ff. WKRV)”, URL: https://www.uni-saarland.de/fileadmin/user_upload/Professoren/fr11_ProfGiegerich/lehre/staatsrechtIII/StaatsRIIIAbschlV%C3%B6l kerrVertr.pdf​ (Abgerufen am 19. September 2018)
  • 5. Entscheidung wird nicht im türkischen Amtsblatt veröffentlicht. Das gleiche gilt für Deutschland mit dem Bundespräsidenten. Die Unterzeichnung der Verträge ist der finale Akt im Abschlussverfahren. Mit der Unterzeichnung verkündet ein Staat sein Interesse an dem Vertrag und betont konkludent seine Absicht Vertragspartei zu werden. Allein die Unterzeichnung ist noch9 nicht bindend. Mit ihr verpflichtet sich jedoch die Vertragspartei, dem Sinn und Zweck des Vertrags nicht zuwiderzuhandeln (sog. Vereitelungsverbot), solange er nicht ausdrücklich erklärt hat, doch nicht Vertragspartei werden zu wollen. In der Türkei10 vertritt der Präsident das Land als Oberbefehlshaber. Ausschließlich er besitzt die11 hoheitliche Berechtigung einzelne Individuen für die Unterzeichnung von völkerrechtlichen Verträgen zu bevollmächtigen (sog. Abschlussvollmacht). Diese12 Bevollmächtigung muss nicht im Amtsblatt, der ​T.C. Resmî Gazete​, veröffentlicht werden. Oft wird die Vollmacht durch eine Vollmachtsurkunde mit13 Ratifikationsvorbehalt erteilt. Bei völkerrechtlichen Verträgen wird üblicherweise das Außenministerium bevollmächtigt. In Frage kommende Individuen sind meistens14 gemäß Art. 7 Abs. 2 lit. b des WÜV Botschafter, welche wiederum auch durch den Präsidenten ernannt werden. Die Verfassung der Türkei selbst sieht keine Bestimmung zur Bevollmächtigung von bestimmten Personen für bestimmte Verträge vor. Jedoch15 bestraft das Gesetz diejenigen, die ohne eine Bevollmächtigung im Namen des Präsidenten völkerrechtliche Verträge unterzeichnen. Für die Minister ohne Bevollmächtigung werden in diesem Rahmen juristische, strafrechtliche und politische Strafen vorgesehen.16 In Deutschland wird gem. Art. 59 Abs. 1 S. 2 GG der Bundespräsident vorrangig beauftragt im Namen des Bundes Verträge mit auswärtigen Staaten zu Unterschreiben. 9 Vgl. Art. 18 WÜV, 23. Mai 1969 10 Ebd. lit. a. 11 Art. 104 Abs. 1 Verfassung der Türkei (Anayasa) 12 Art. 1 Abs. 1 S. 1 Gesetz über die Berechtigung des Präsidenten zur Abschließung von völkerrechtlichen Verträgen (türk.:Bazı Andlaşmaların Yapılması İçin Cumhurbaşkanına Yetki Verilmesi Hakkında Kanun), 31. Juni 1963 i 13 Ebd. S.2 14 Prof. Dr. Armağan, Servet: “1982 Anayasasi’nda Uluslarasi Andlasmalarin Imzalanmasi ve Onaylanmasi”, URL: http://www.anayasa.gov.tr/files/pdf/anayasa_yargisi/anayargi/armagan.pdf​ (Abgerufen am 20. September 2018), Seite 344 15 Ebd. 16 Ebd. Seite 345
  • 6. Jedoch auch in Deutschland ist die völkerrechtliche Abschlussbevollmächtigung die übliche Art und Weise der Unterzeichnung. Üblicherweise dienen Diplomaten oder sonstige hochrangige Beamten als sog. Unterhändler. Die Abschlussvollmacht wird nicht im Amtsblatt veröffentlicht. § 3 Umsetzung in der Türkei Der Prozess der Umsetzung völkerrechtlicher Verträge in der Türkei beginnt damit, dass das Außenministerium den jeweiligen ausformulierten Vertrag dem Präsidenten weiterleitet. Ohne obligatorische Stellungnahme wird daraufhin das Parlament benachrichtigt. Im Parlament wird auf Wunsch des Präsidenten ein Hauptausschuss17 (türk.: ​esas komisyon​), üblicherweise der Ausschuss für das Auswärtige, und ein oder mehreren Fachausschüssen (türk.: ​tali komisyon​), welche den Hauptausschuss vertragsspezifische fachliche Beratung anbietet, beauftragt ein Gutachten zu erstellen.18 Der Hauptausschuss kann jedoch, falls der Fachausschuss keine Stellungnahme nimmt, das Gutachten selbstständig verfassen. Vor der Volksabstimmung am 16. April19 2017 und den darauf folgenden Verordnungen nahmen bei den hierbei durchgeführten Besprechungen auch stellvertretende Staatssekretäre teil. Anschließend erreicht der20 Vertrag mit dem dazugehörigen Gutachten und dem Zustimmungsgesetz das Plenum, wo die jeweiligen Ausschüsse durch ein oder mehrere Sprecher repräsentiert werden.21 Der Vertrag wird als ganzes besprochen, die Veränderung oder Besprechung einzelner Teile ist zu unterlassen. Zustimmungsgesetze können entweder mit oder ohne Bedingungen verabschiedet oder abgelehnt werden. Nach der Verabschiedung des22 17 Art. 6 Abs. 1 Präsidentielle Verordnung über die Ratifizierung völkerrechtlicher Verträge (türk.: Milletlerarasi Andlasmalarin Onaylanmasina Iliskin Usul ve Esaslar Hakkinda Cumhurbaskanligi Kararnamesi) 18 Vgl. Art. 23 Abs. 1 i.V.m Abs. 2 Geschäftsordnung des Türkischen Parlaments (türk.: Türkiye Büyük Millet Meclisi Ictüzügü) 19 Ebd. Abs. 5 20 Vgl. Kaya, Talat: Uluslararasi Anlasmalarinin Yapimi Ve Uygulamasi, Türkisches FInanzministerium, URL: https://www.tkgm.gov.tr/sitesi/default/files/icerik/ekleri/uluslararasi_anlasmalarin_yapimi_ve_uygulamasi.ppt​ (Abgerufen am 20. September 2018), Folie 18, 2015 21 Art. 45 Abs. 1 Geschäftsordnung des Türkischen Parlaments (türk.: Türkiye Büyük Millet Meclisi Ictüzügü) 22 Vgl. Art. 90 Abs. 1 Verfassung der Türkei (türk.:Anayasa)
  • 7. Zustimmungsgesetzes, wird dies mit dem Vertrag im türkischen Amtsblatt veröffentlicht. Das Original des Vertrages wird dem Außenministerium anvertraut. Verträge, welche die Wirtschafts-, Handels- und technischen Beziehungen regeln und deren Geltungsdauer ein Jahr nicht überschreitet, können durch ihre Verkündung in Kraft gesetzt werden, wenn sie hinsichtlich der Staatsfinanzen keine Belastungen mit sich bringen und den Personenstand und , welches durch das Verfassungsgericht restriktiv ausgelegt wird, die Eigentumsrechte von Türken im Ausland nicht antasten.23 24 In diesem Fall werden diese Verträge innerhalb von zwei Monaten seit ihrer Verkündung dem Parlament der Türkei zur Kenntnisnahme vorgelegt.25 Durchführungsverträge, welche auf einem völkerrechtlichen Vertrag beruhen, und die Wirtschafts-, Handels-, technischen und Verwaltungsverträge, welche aufgrund einer durch Gesetz erteilten Kompetenz abgeschlossen werden, bedürfen auch nicht einer Zustimmung des Parlaments. Erwähnenswert ist jedoch an dieser Stelle, dass in der26 Realität somit z.B. Verteidigungsverträge, die auch unter den Begriff der Durchführungsverträge subsumiert werden, ohne Verkündung in Kraft gesetzt werden.27 Hierdurch wird die Zugänglichkeit militärischer Vereinbarungen verhindert. Außerdem28 wurde im Jahr 2003 durch das Gesetz Nr. 4969 die Verkündungspflicht zum Inkrafttreten einiger Garantie-, Kredit- und Schenkungsverträgen aufgehoben. § 4 Umsetzung in Deutschland Die Umsetzung völkerrechtlicher Verträge in Deutschland erfolgt zunächst mit der Weiterleitung des Vertrages an den Bundesrat. Anschließend leitet der Bundesrat den Vertrag mit der dazugehörigen obligatorischen Stellungnahme an den Bundestag. Diese 23 2003/70, K. 2005/14, K. T. 14.3.2005; URL: ​http://tbbdergisi.barobirlik.org.tr/m2005-59-162​ (Abgerufen am 21. September 2018) 24 Ebd. Abs. 2 S. 1 25 Ebd. S. 2 26 Ebd. Abs. 3 27 Soysal, Mümtaz: “100 Soruda Anayasanin Anlami”, Seite 306, Gercek Yayinevi Ankara, 1990 28 Depenheuer/ Dogan/ Can: “Deutsch-Türkisches Forum für Staatsrechtslehre III”, LIT Verlag Münster, 2006, Seite 78
  • 8. Verträge werden im Anschluss in grundsätzlich zwei, nur auf Beschluss des Bundestages in drei, Beratungen behandelt.29 Die erste Lesung befasst sich mit der Einteilung eines jeweils dafür zuständigen Ausschusses. In der Regel wird bei völkerrechtlichen Verträgen der Ausschuss für30 auswärtige Angelegenheiten berufen. Die Ausschüsse können auf Antrag einen31 Unterausschuss einsetzen. Bei umfangreichen Sachkomplexen kann eine32 Enquete-Kommission eingesetzt werden, falls sie nicht auf Antrag eines viertels der Mitglieder dazu verpflichtet wird.33 In der zweiten Lesung wird an Hand der fachlichen Stellungnahme des Ausschusses abgestimmt. Änderungsanträge für diese Verträge sind nicht zugelassen. Anträge zur34 Änderung von Zustimmungsgesetzen, welche die innerstaatliche Zustimmung für einen völkerrechtlichen Vertrag erteilen, sind jedoch gültig. Völkerrechtliche Verträge, die von der Bundesregierung ausgehandelt werden und politische Beziehungen regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung der für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften sowie eines Gesetzes. Damit sind nach der Rechtsprechung die Fälle gemeint, in35 denen im konkreten Fall ein Vollzugsakt unter Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaft erforderlich ist. Das ist immer dann der Fall, wenn die entsprechende36 Materie bereits durch Gesetz geregelt ist, Rechte und Pflichten für den Einzelnen begründet oder Bestimmungen enthält , deren Durchführung die Mitwirkung des37 formellen Bundes- oder Landesgesetzgebers erforderlich macht oder finanzielle Verpflichtungen – über bloße haushaltsmäßige Auswirkungen hinaus – enthält, die nach den finanzverfassungsrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes eine gesetzliche Regelung erfordern (vgl. Artikel 115 GG) oder einen bestehenden Vertrag, der 29 § 78 Abs. 1 S. 1 GOBT 30 Dr. Eschbach, Anna (Universität Köln): “Die Ratifizierungsprozesse in den EU-Mitgliedstaaten”, URL: https://stop-ttip.org/wp-content/uploads/2015/09/Stop-TTIP_Ratifizierungsprozesse-in-den-EU-MS.pdf​ (Abgerufen am 19. September 2018), Seite 12, 2015 31 Vgl. Abs. 1 Art. 45a GG 32 § 55 Abs. 1 S. 1 GOBT 33 Ebd. § 56 Abs. 1 34 § 82 Abs. 2 GOBT 35 Art. 59 Abs. 2 GG 36 BVerfGE 1, 372 (388) 37 § 73 Abs. 3 Satz 1 GGO - RiVeVo
  • 9. Gegenstand eines Vertragsgesetzes war, ändert oder ergänzt. Ein Zustimmungsgesetz kann nur dann zustandekommen, wenn Bundesrat und Bundestag sich einig sind. Gem. Art. 82 I GG wird dann das Zustimmungsgesetz vom Bundespräsidenten ausgefertigt und mit dem dazugehörigen völkerrechtlichen Vertrag im Bundesgesetzblatt Teil II verkündet. § 5 Gerichtliche Überprüfung von völkerrechtlichen Verträgen in der Türkei Art. 90 der TV ist der Grundbaustein der demokratischen Legitimation vertragsrechtlicher Außenpolitik. Aus Abs. 5 S. 2 Art. 90 TV ergibt sich, dass gegen völkerrechtliche Verträge das Verfassungsgericht mit der Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht angerufen werden kann. Dieser Artikel hat zur Folge, dass das Parlament im Rahmen der Ratifizierung eine sehr bedeutsame Position erlangt und sowohl konkrete als auch abstrakte Normenkontrollverfahren durch das Verfassungsgericht ausgeschlossen werden. Zurückzuführen ist diese Entscheidung zur Verfassung von 1961, wo der Ausschuss der Nationalen Einheit (türk.: ​Milli Birlik Komites​i) diese Änderung, obwohl die damalige Verfassungskommission ihre Bedenken äußerte, als Art. 65 der Verfassung festhielt. Dieses Überprüfungsverbot wurde von der Verfassung von 1982 folglich als Art. 90 Abs. 1 S. 1 TV übernommen.38 § 6 Gerichtliche Überprüfung von völkerrechtlichen Verträgen in Deutschland Dem Überprüfen von völkerrechtliche Verträgen auf ihre verfassungsmäßigkeit in Deutschland hindern keine gesetzlichen Vorschriften. Das Verfassungsgericht kann 38 Depenheuer/ Dogan/ Can: “Deutsch-Türkisches Forum für Staatsrechtslehre III”, LIT Verlag Münster, 2006, Seite 86
  • 10. von den beteiligten Staatsorganen, u.U. aber auch von einzelnen Bürgern angerufen werden. Falls z.B. ein Bundesland sich weigert Vorschriften völkerrechtlicher Verträge in Landesrecht umzusetzen, können in Bezug auf die Frage der Umsetzungspflicht mittels des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungsprozessuale Verfahren eingeleitet werden. Dieses Verfahren, auch Bund-Länder-Streit genannt, richtet sich nach den Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG und den §§ 13 Nr. 7, 68 ff. BVerfGG. Der Antrag des Bundeslandes muss sowohl Zulässig als auch Begründet sein, um Aussicht auf Erfolg zu haben. Hinsichtlich einer spezifischen Norm in einem völkerrechtlichen Vertrag39 besteht die Möglichkeit der abstrakten Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 bzw. 2a GG.40 39 Siehe Anhang 1, Seite 12 40 Siehe Anhang 2, Seite 13
  • 11. § 7 Vergleichendes Endergebnis Der Abschluss von Verträgen in beiden Ländern richtet sich sekundär nach dem WÜV und primär nach den innerstaatlichen gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Berechtigung von Individuen oder Institutionen. Es ist festzuhalten, dass in beiden Ländern die Staatsoberhäupter von der Verfassung legitimiert sind völkerrechtliche Verträge sowohl eigenhändig abzuschließen als auch für sämtliche Prozesse im Abschlussverfahren die benötigte Vollmacht zu erteilen.41 Sowohl Deutschland als auch die Türkei haben eine in der Verfassung verankerte Zustimmungspflichtigkeit hinsichtlich bestimmter Verträge. Diese Zustimmungspflichtigkeit gehört zum Konzept der demokratisch-legitimierten, parlamentarischen Kontrolle der Regierung (sog. Kontrollfunktion) und zur erkennbar intendierten Einordnung eines Landes als vertragstreuer Akteur im internationalen Kontext (sog. Vollzugssicherungsfunktion).42 Das Normenkontrollverfahren in beiden Ländern ist zu unterscheiden. In Deutschland finden sowohl konkrete als auch abstrakte Normenkontrollverfahren Anwendung. In der Türkei verbietet jedoch der Art. 90 Abs. 5 S. 1 TV die Überprüfung völkerrechtlicher Verträge auf die Konformität mit der Verfassung. 41 Vgl. Art. 59 Abs. 1 S. 2 GG i.V.m. Art. 104 Abs. 2 lit. b TV 42 Kempen/Schiffbauer: 2Die vorläufige Anwendung völkerrechtlicher Verträge im internationalen Mehrebenensystem”, Seite 106, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 2017
  • 12. Verzeichnis der verwendeten Literatur - Prof. Dr. Armağan, Servet: “1982 Anayasasi’nda Uluslarasi Andlasmalarin Imzalanmasi ve Onaylanmasi”, URL: http://www.anayasa.gov.tr/files/pdf/anayasa_yargisi/anayargi/armagan.pdf (Abgerufen am 20. September 2018), Seite 344 - Dahm/ Delbrück/ Wolfrum: “Völkerrecht”, Seite 546, Walter de Gruyter Verlag Berlin, 2002 - Depenheuer/ Dogan/ Can: “Deutsch-Türkisches Forum für Staatsrechtslehre III”, LIT Verlag Münster, 2006, Seite 78 - Gözler, Kemal: “Hukuka Giris”, URL: http://www.anayasa.gen.tr/andlasma-bilgi.htm (Abgerufen am 21. September 2018), Seite 144, Ekin Kitabevi Verlag, 2017 - Kaya, Talat: “Uluslararasi Anlasmalarinin Yapimi Ve Uygulamasi, Türkisches FInanzministerium”, URL: https://www.tkgm.gov.tr/sitesi/default/files/icerik/ekleri/uluslararasi_anlasmalarin_yapimi_ve_uygul amasi.ppt (Abgerufen am 20. September 2018), 2015 - Kempen/Schiffbauer: “Die vorläufige Anwendung völkerrechtlicher Verträge im internationalen Mehrebenensystem”, Seite 106, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 2017 - Soysal, Mümtaz: “100 Soruda Anayasanin Anlami”, Seite 306, Gercek Yayinevi Ankara, 1990 - Universität des Saarlandes: “Völkerrechtliche Verträge: Abschlussverfahren (Art. 9 ff. WKRV)”, URL: https://www.uni-saarland.de/fileadmin/user_upload/Professoren/fr11_ProfGiegerich/lehre/staatsre chtIII/StaatsRIIIAbschlV%C3%B6lkerrVertr.pdf (Abgerufen am 19. September 2018)
  • 13. - Weiss, Edith: “Environmental change and international law: New challenges and dimensions”, URL: http://archive.unu.edu/unupress/unupbooks/uu25ee/uu25ee09.htm (Abgerufen am 19. September 2018), United Nations University Verlag, 1992 Anhang 1: Der Bund-Länder-Streit in Deutschland (Ausformuliertes Schemata zu den wesentlichen Bestandteilen des Antrags) I. Zulässigkeit 1. Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts​, Art. 93 I Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68 ff. BVerfGG 2. Beteiligungsfähigkeit​, § 68 BVerfGG (von Antragsteller und Antragsgegner) 3. Tauglicher Antragsgegenstand​, Art. 93 I Nr. 3 GG, §§ 64 I, 69 BVerfGG 4. Antragsbefugnis​, §§ 69 i.V.m. 64 I BVerfGG 5. Frist​, §§ 64 III i.V.m. 69 BVerfGG 6. Form​, §§ 23 I, 64 II i.V.m. 69 BVerfGG II. Begründetheit Der Antrag ist begründet, wenn die angegriffene Maßnahme oder Unterlassung gegen die Bestimmungen des Grundgesetzes verstößt und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt. Der Prüfungsmaßstab ist das Grundgesetz. 1. Formelle Rechtmäßigkeit​, Art. 70 bis 82 GG a) Zuständigkeit​, Art. 70 ff. GG b) Verfahren​, Art. 76 ff. GG c) Form​, Art. 82 I 1 GG 2. Materielle Rechtmäßigkeit a) Verstoß ​gegen Grundrechte, Art. 1 ff. GG
  • 14. Anhang 2: Konkrete Normenkontrolle in Deutschland (Ausformuliertes Schemata zu den wesentlichen Bestandteilen des Antrags) I. Zulässigkeit 1. Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts​. § 13 Nr. 11 BVerfGG) 2. Vorlageberechtigung​, Art. 100 I 1 GG 3. Prüfungsgegenstand​, Art. 100 I 1 GG 4. Vorlagebefugnis​ bzw. ​Vorlagepflicht​ , Art. 100 I 1 GG a) Richterliche Überzeugung​, Art. 100 I 1 GG b) Entscheidungserheblichkeit​, Art. 100 I 1 GG 5. Form​, §§ 23 I, 80 II BVerfGG II. Begründetheit​, §§ 82 I, 78, 31 II 1 BVerfGG 1. Formelle Rechtmäßigkeit a) Zuständigkeit b) Verfahren c) Form 2. Materielle Rechtmäßigkeit a) Verstoß ​gegen Grundrechte,​ ​Art. 1 ff. GG