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Helaba Volkswirtschaft/Research



                                                   Vertrau(d)lich                                                                   29. Mai 2012




                                                   Mehr Disziplin nach Austritt Griechenlands
                                      Autor:

               Dr. Gertrud R. Traud                  In Griechenland gibt es zahlreiche politische Strömungen, die sich nicht mehr den Regeln einer
       Telefon: 0 69/91 32-20 24                     Währungsunion unterwerfen wollen. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob ein Austritt wirklich der
              research@helaba.de                     einfachere Weg wäre. Denn je mehr die neue Währung abwerten würde, desto höher stiege über
                                                     die Importe die Inflation. Preissteigerungen von 50 Prozent wären nicht unwahrscheinlich. Sozi-
                                                     ale Unruhen, die weit über das hinaus gingen, was derzeit aus Griechenland gemeldet wird,
                                                     wären zu befürchten. Sollte Griechenland den Euroraum tatsächlich verlassen, würde dies mei-
                                                     nes Erachtens auf den Rest der Währungsunion keine destabilisierende, sondern vielmehr eine
                              Redaktion:
                                                     disziplinierende Wirkung haben, die sich mittelfristig durchaus positiv auf den Euro auswirken
          Markus Reinwand, CFA                       dürfte.


                          Herausgeber:             Keine neuen Erkenntnisse

               Dr. Gertrud R. Traud
                                                   Ein altes Sprichwort sagt „Nachdem ein Ding geschehen ist, sind alle Gräben voll Weisheit“. Dies
Chefvolkswirt/Leitung Research
                                                   scheint auch auf die Beurteilung der Europäischen Währungsunion zuzutreffen. Dabei sind die
Landesbank Hessen-Thüringen
                                                   angeblich neuen Erkenntnisse nicht wirklich neu. Schon immer war bekannt, dass der Verlust des
                        MAIN TOWER
                                                   Wechselkurses als Anpassungsinstrument eine höhere interne Flexibilität zur Stärkung der Wett-
         Neue Mainzer Str. 52-58
                                                   bewerbsfähigkeit erfordert.
        60311 Frankfurt am Main
       Telefon: 0 69/91 32-20 24
                                                   Mangelnder politischer Wille zur Haushaltsdisziplin
       Telefax: 0 69/91 32-22 44

                                                   Auch war bereits bei der Bildung der Europäischen Währungsunion klar, dass ausufernde Haus-
                                                   haltsdefizite eines Landes negative externe Effekte für die anderen Länder bedeuten würden und
                                                   somit die Währungsunion in der Summe belasten. Genau aus diesem Grund wurden in den Maast-
                                                   richt-Verträgen Fiskalgrenzen eingezogen. Ihre Effektivität war aber von Anfang an umstritten.
                                                   Der politische Wille zur strikten Einhaltung der Maastricht-Kriterien war nie wirklich vorhanden.
                                                   Die in den ersten Jahren noch als unumstößlich beworbene „no-bail-out-Klausel“ kam letztendlich
                                                   auch noch unter die Räder. Notwendige, aber erst mittelfristig greifende Strukturreformen wurden
                                                   durch kurzfristige Transfers ersetzt. Der Anreiz, die eigenen Probleme selbst zu lösen, geht damit
                                                   zurück. Ganz im Gegensatz zu den Bundesstaaten der USA, die insolvent gehen können. U.a.
                                                   deshalb wird die hohe US-Verschuldung auf Bundesebene von den Finanzmärkten als weniger
                                                   problematisch angesehen. Nicht die fehlende Fiskalunion, sondern der mangelnde Wille, eine
                                                   ausufernde Fiskalpolitik der einzelnen Länder zu unterbinden, ist der entscheidende Geburtsfehler
        Die Publikation ist mit größter Sorgfalt
                                                   der Europäischen Währungsunion. Zudem wurde versäumt, sogenannte Exitklauseln in das Ver-
bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich
  unverbindliche Analysen und Prognosen zu         tragswerk einzubauen.
   den gegenwärtigen und zukünftigen Markt-
     verhältnissen. Die Angaben beruhen auf
                                                   Erhöhte interne Disziplin oder Austritt
    Quellen, die wir für zuverlässig halten, für
  deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktu-
    alität wir aber keine Gewähr übernehmen        In Griechenland gibt es zahlreiche politische Strömungen, die sich nicht mehr den Regeln einer
      kön-nen. Sämtliche in dieser Publikation     Währungsunion unterwerfen wollen. Mit dem Beitritt zum Euro verzichtet ein Land explizit auf
 getroffenen Angaben dienen der Information.
                                                   das Anpassungsinstrument des Wechselkurses. Die in den vergangenen Jahren zunehmend
Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung
        für Anlageentscheidungen verstanden
                                                   schwindende Wettbewerbsfähigkeit kann somit gegenwärtig nicht durch eine Abwertung wieder
                                       werden.     hergestellt werden. Dafür müssen die internen Anpassungsinstrumente genutzt werden. Das heißt
Vertrau(d)lich




nichts anderes, als dass Löhne und Preise sinken müssen. Möchte Griechenland jedoch weder die
Nominallöhne senken, noch Strukturreformen vornehmen, ist die einzig verbleibende Möglichkeit
der Austritt aus der Währungsunion.

Austritt nicht der einfachere Weg

Es ist jedoch mehr als fraglich, ob dies wirklich der einfachere Weg wäre. Denn je mehr die neue
Währung – wie auch immer sie heißen mag – abwerten würde, desto höher stiege über die Importe
die Inflation. Für ein Land, das mehr Lebensmittel importiert als exportiert, wären die Auswirkun-
gen dramatisch. Preissteigerungen von 50 Prozent wären nicht unwahrscheinlich. Dann müssten
die Nominallöhne zwar nicht gesenkt werden, die Reallohnsenkungen würden aber weit über das
hinaus gingen, was die Troika derzeit den Griechen abverlangt. Die Belastungen für die Bevölke-
rung wären somit deutlich höher als dies jetzt der Fall ist. Soziale Unruhen, die weit über das hin-
aus gehen, was derzeit aus Griechenland gemeldet wird, wären zu befürchten.

Zunehmende Disziplin in der Währungsunion

Wie würde sich dies auf die Europäische Währungsunion auswirken? Muss mit einem Übergreifen
auf die anderen geschwächten Länder gerechnet werden? Ich denke nicht. Zum einen ist der Wille
zur Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Verbesserung der strukturellen Rahmen-
bedingungen in den anderen Ländern deutlich höher ausgeprägt als in Griechenland. Auch ist die
Ausgangslage in den anderen Ländern nicht unmittelbar vergleichbar. So erzielt Irland bereits seit
einiger Zeit wieder Außenhandelsüberschüsse. Spanien weist ebenfalls eine steigende Exportdy-
namik auf. Sollte Griechenland den Euroraum tatsächlich verlassen, würde dies meines Erachtens
auf den Rest der Währungsunion keine destabilisierende, sondern vielmehr eine disziplinierende
Wirkung haben, die sich mittelfristig durchaus positiv auf den Euro auswirken dürfte.

Keine Euro-Krise

Die Euro-Krisenrhetorik ist aus meiner Sicht ohnehin überzogen. Selbst nach dem Rückgang auf
etwa 1,25 Dollar ist der Euro immer noch überbewertet. Von einer Flucht aus dem Euro kann also
keine Rede sein. Außerdem wirkt die Abschwächung der eigenen Währung wachstumsstimulie-
rend. Die aktuelle Entwicklung des Euro kann damit kurzfristig die vieldiskutierten Wachstums-
pakete ersetzen. Mittelfristig kann die Währungsunion jedoch nur erfolgreich sein, wenn die ein-
zelnen Länder sich an den Fiskalpakt halten.


Beitrag erschienen in „Die Welt“, 26. Mai 2012   




Helaba Volkswirtschaft/Research · 29. Mai 2012· © Helaba                                           2

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  • 1. Helaba Volkswirtschaft/Research Vertrau(d)lich 29. Mai 2012 Mehr Disziplin nach Austritt Griechenlands Autor: Dr. Gertrud R. Traud In Griechenland gibt es zahlreiche politische Strömungen, die sich nicht mehr den Regeln einer Telefon: 0 69/91 32-20 24 Währungsunion unterwerfen wollen. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob ein Austritt wirklich der research@helaba.de einfachere Weg wäre. Denn je mehr die neue Währung abwerten würde, desto höher stiege über die Importe die Inflation. Preissteigerungen von 50 Prozent wären nicht unwahrscheinlich. Sozi- ale Unruhen, die weit über das hinaus gingen, was derzeit aus Griechenland gemeldet wird, wären zu befürchten. Sollte Griechenland den Euroraum tatsächlich verlassen, würde dies mei- nes Erachtens auf den Rest der Währungsunion keine destabilisierende, sondern vielmehr eine Redaktion: disziplinierende Wirkung haben, die sich mittelfristig durchaus positiv auf den Euro auswirken Markus Reinwand, CFA dürfte. Herausgeber: Keine neuen Erkenntnisse Dr. Gertrud R. Traud Ein altes Sprichwort sagt „Nachdem ein Ding geschehen ist, sind alle Gräben voll Weisheit“. Dies Chefvolkswirt/Leitung Research scheint auch auf die Beurteilung der Europäischen Währungsunion zuzutreffen. Dabei sind die Landesbank Hessen-Thüringen angeblich neuen Erkenntnisse nicht wirklich neu. Schon immer war bekannt, dass der Verlust des MAIN TOWER Wechselkurses als Anpassungsinstrument eine höhere interne Flexibilität zur Stärkung der Wett- Neue Mainzer Str. 52-58 bewerbsfähigkeit erfordert. 60311 Frankfurt am Main Telefon: 0 69/91 32-20 24 Mangelnder politischer Wille zur Haushaltsdisziplin Telefax: 0 69/91 32-22 44 Auch war bereits bei der Bildung der Europäischen Währungsunion klar, dass ausufernde Haus- haltsdefizite eines Landes negative externe Effekte für die anderen Länder bedeuten würden und somit die Währungsunion in der Summe belasten. Genau aus diesem Grund wurden in den Maast- richt-Verträgen Fiskalgrenzen eingezogen. Ihre Effektivität war aber von Anfang an umstritten. Der politische Wille zur strikten Einhaltung der Maastricht-Kriterien war nie wirklich vorhanden. Die in den ersten Jahren noch als unumstößlich beworbene „no-bail-out-Klausel“ kam letztendlich auch noch unter die Räder. Notwendige, aber erst mittelfristig greifende Strukturreformen wurden durch kurzfristige Transfers ersetzt. Der Anreiz, die eigenen Probleme selbst zu lösen, geht damit zurück. Ganz im Gegensatz zu den Bundesstaaten der USA, die insolvent gehen können. U.a. deshalb wird die hohe US-Verschuldung auf Bundesebene von den Finanzmärkten als weniger problematisch angesehen. Nicht die fehlende Fiskalunion, sondern der mangelnde Wille, eine ausufernde Fiskalpolitik der einzelnen Länder zu unterbinden, ist der entscheidende Geburtsfehler Die Publikation ist mit größter Sorgfalt der Europäischen Währungsunion. Zudem wurde versäumt, sogenannte Exitklauseln in das Ver- bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu tragswerk einzubauen. den gegenwärtigen und zukünftigen Markt- verhältnissen. Die Angaben beruhen auf Erhöhte interne Disziplin oder Austritt Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktu- alität wir aber keine Gewähr übernehmen In Griechenland gibt es zahlreiche politische Strömungen, die sich nicht mehr den Regeln einer kön-nen. Sämtliche in dieser Publikation Währungsunion unterwerfen wollen. Mit dem Beitritt zum Euro verzichtet ein Land explizit auf getroffenen Angaben dienen der Information. das Anpassungsinstrument des Wechselkurses. Die in den vergangenen Jahren zunehmend Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden schwindende Wettbewerbsfähigkeit kann somit gegenwärtig nicht durch eine Abwertung wieder werden. hergestellt werden. Dafür müssen die internen Anpassungsinstrumente genutzt werden. Das heißt
  • 2. Vertrau(d)lich nichts anderes, als dass Löhne und Preise sinken müssen. Möchte Griechenland jedoch weder die Nominallöhne senken, noch Strukturreformen vornehmen, ist die einzig verbleibende Möglichkeit der Austritt aus der Währungsunion. Austritt nicht der einfachere Weg Es ist jedoch mehr als fraglich, ob dies wirklich der einfachere Weg wäre. Denn je mehr die neue Währung – wie auch immer sie heißen mag – abwerten würde, desto höher stiege über die Importe die Inflation. Für ein Land, das mehr Lebensmittel importiert als exportiert, wären die Auswirkun- gen dramatisch. Preissteigerungen von 50 Prozent wären nicht unwahrscheinlich. Dann müssten die Nominallöhne zwar nicht gesenkt werden, die Reallohnsenkungen würden aber weit über das hinaus gingen, was die Troika derzeit den Griechen abverlangt. Die Belastungen für die Bevölke- rung wären somit deutlich höher als dies jetzt der Fall ist. Soziale Unruhen, die weit über das hin- aus gehen, was derzeit aus Griechenland gemeldet wird, wären zu befürchten. Zunehmende Disziplin in der Währungsunion Wie würde sich dies auf die Europäische Währungsunion auswirken? Muss mit einem Übergreifen auf die anderen geschwächten Länder gerechnet werden? Ich denke nicht. Zum einen ist der Wille zur Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Verbesserung der strukturellen Rahmen- bedingungen in den anderen Ländern deutlich höher ausgeprägt als in Griechenland. Auch ist die Ausgangslage in den anderen Ländern nicht unmittelbar vergleichbar. So erzielt Irland bereits seit einiger Zeit wieder Außenhandelsüberschüsse. Spanien weist ebenfalls eine steigende Exportdy- namik auf. Sollte Griechenland den Euroraum tatsächlich verlassen, würde dies meines Erachtens auf den Rest der Währungsunion keine destabilisierende, sondern vielmehr eine disziplinierende Wirkung haben, die sich mittelfristig durchaus positiv auf den Euro auswirken dürfte. Keine Euro-Krise Die Euro-Krisenrhetorik ist aus meiner Sicht ohnehin überzogen. Selbst nach dem Rückgang auf etwa 1,25 Dollar ist der Euro immer noch überbewertet. Von einer Flucht aus dem Euro kann also keine Rede sein. Außerdem wirkt die Abschwächung der eigenen Währung wachstumsstimulie- rend. Die aktuelle Entwicklung des Euro kann damit kurzfristig die vieldiskutierten Wachstums- pakete ersetzen. Mittelfristig kann die Währungsunion jedoch nur erfolgreich sein, wenn die ein- zelnen Länder sich an den Fiskalpakt halten. Beitrag erschienen in „Die Welt“, 26. Mai 2012  Helaba Volkswirtschaft/Research · 29. Mai 2012· © Helaba 2