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1 von 6
Berlin, im Dezember 2011
                                                              Stellungnahme Nr. 67/11




      Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins

                durch den Ausschuss Ausländer- und Asylrecht

                                          zum

                         Erfordernis einer wirksamen und
                  stichtagsunabhängigen Bleiberechtsregelung
                   sowie zur Verlängerung der zum 31.12.2011
                  auslaufenden aktuellen Bleiberechtsregelung




Mitglieder des Ausschusses:

Rechtsanwältin Susanne Schröder, Hannover (Vorsitzende)
Rechtsanwalt Helmut Bäcker, Frankfurt/M.(Berichterstatter)
Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Breidenbach, Halle/Saale
Rechtsanwalt Dr. Marco Bruns, Frankfurt/M.
Rechtsanwalt Victor Pfaff, Frankfurt/M.
Rechtsanwältin Silke C. Schäfer, Göttingen
Rechtsanwalt Rainer Schmid, Nagold
Rechtsanwalt Rolf Stahmann, Berlin
Rechtsanwältin Eva Steffen, Köln

zuständige DAV-Geschäftsführerin:

Rechtsanwältin Bettina Bachmann, Berlin
2
Verteiler:


•      Bundesministerium des Innern
•      Innenministerien und Senatsverwaltungen für Inneres der Länder
•      Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration
•      Innenausschuss des Deutschen Bundestages
•      Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages
•      Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des
       Deutschen Bundestages
•      Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des
       Deutschen Bundestages
•      CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
•      SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag
•      FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag
•      Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag
•      Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag
•      Arbeitsgruppen Recht der im Bundestag vertretenen Parteien
•      Arbeitsgruppe Migration und Integration der SPD-Bundestagsfraktion

•      UNHCR Deutschland
•      Katholisches Büro in Berlin
•      Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland
•      Bundesrechtsanwaltskammer
•      Deutscher Richterbund
•      Bund Deutscher Verwaltungsrichter
•      PRO ASYL, Bundesweite Arbeitsgruppe für Flüchtlinge e. V.
•      Deutscher Gewerkschaftsbund (Bundesvorstand)
•      Neue Richtervereinigung (NRV)

•      Vorsitzende der DAV-Gesetzgebungsausschüsse
•      Landesverbände des DAV
•      Geschäftsführender Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft
       Ausländer- und Asylrecht

•      NVwZ
•      ZAR
•      Asylmagazin
•      ANA
•      Informationsbrief Ausländerrecht
3
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist der freiwillige Zusammenschluss der deutschen
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Der DAV mit derzeit ca. 68.000 Mitgliedern
vertritt die Interessen der deutschen Anwaltschaft auf nationaler, europäischer und
internationaler Ebene.


Der Deutsche Anwaltverein appelliert an die am 6./7. Dezember tagende Konferenz
der Innenminister, eine dauerhafte und stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung
sowie eine Regelung zur Verlängerung der zum 31.12.2011 auslaufenden aktuellen
Bleiberechtsregelung zu schaffen.


1. Die zur Zeit gültige Bleiberechtsregelung für langfristig im Bundesgebiet geduldete
Ausländer basiert auf einer durch die Konferenz der Innenminister im November
2006 geschaffenen Altfallregelung sowie auf § 104 a AufenthG, der im Jahr 2007 in
das AufenthG eingeführt wurde.


Danach konnten Ausländer, die sich seit 01.07.1999 ununterbrochen in Deutschland
aufgehalten haben und solche Ausländer, die mit einem oder mehreren minderjähri-
gen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn sie sich seit dem 1.7.2001
im Bundesgebiet aufhalten, unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltser-
laubnis erhalten. Eine Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis setzte regelhaft vo-
raus, dass der Lebensunterhalt des Ausländers und ggf. seiner gesamten Familie
durch Erwerbstätigkeit gesichert ist. In der Folgezeit sind Verlängerungsregelungen
geschaffen worden, die alle nur diesen Personenkreis betrafen und nicht verhindern
konnten, dass sich nach wie vor eine hohe Zahl von Ausländern langfristig, d.h. über
5 Jahre, nur geduldet im Bundesgebiet aufhält. Von der bisher in Kraft befindlichen
Altfallregelung waren viele Betroffene ausgeschlossen, weil die Anforderungen für
die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Regelung restriktiv waren. Leb-
ten vor den Bleiberechtsregelungen von 2006/2007 ca. 200.000 geduldete Personen
in Deutschland, so konnten von den Bleiberechtsregelungen aus 2006/2007 ca.
60.000 Personen zumindest vorläufig Gebrauch machen. Die Rechtssituation dieser
Personen ist aber immer noch nicht abschließend gesichert, weil die Betroffenen
zum Teil nur eine ,,Aufenthaltserlaubnis auf Probe" erhielten und sie es auch aus ih-
nen nicht zurechenbaren Gründen zum größeren Teil nicht geschafft haben, dauer-
haft ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu sichern.
4
Zur Zeit sind ca. 75.000 bereits mehr als 6 Jahre in Deutschland lebende Ausländer
nur geduldet; das heißt, sie verfügen nicht über einen legalen Aufenthaltsstatus. Die-
se Zahl ist anwachsend, weil die bisherigen Stichtage für den Erhalt einer Aufent-
haltserlaubnis nach einer Altfallregelung weit zurückliegen und immer neue Betroffe-
ne aus den verschiedensten Gründen in den Status der Duldung fallen und dort lang-
fristig bleiben werden.


Dieser Umstand erfordert eine wirksame und stichtagsunabhängige gesetzliche Blei-
berechtsregelung. Der Umstand, dass sich die Konferenz der Innenminister im Jahr
2006, 2009 und nunmehr im Jahr 2011 immer wieder mit der Situation der langfristig
geduldeten Ausländer beschäftigen muss, macht deutlich, dass eine dauerhafte und
stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung notwendig ist. Die Bindung von Bleibe-
rechtsregelungen jeweils an einen festen Stichtag führt nämlich regelmäßig zu sach-
lich nicht mehr zu rechtfertigenden Härten. In der Praxis führen die daraus resultie-
renden oft als unerträglich wahrgenommenen Folgen zur Überbürdung des Problem
auf die jeweiligen Härtefallkommissionen. Insgesamt lösen stichtagsgebundene Blei-
berechtsregelungen zwangsläufig immer wieder Diskussionen über neu zu schaffen-
de Folgebleiberechtsregelungen aus.


2. Die zum 31.12.2011 auslaufende Regelung für sogenannte ,,Aufenthaltserlaubnis-
se auf Probe" bedarf einer Verlängerung. Anderenfalls können viele Betroffene, die
geschützt werden sollten, abgeschoben werden bzw. fallen wieder in den Status der
Duldung zurück.
Es ist dann abzusehen, dass sie wiederum meist langfristig geduldet werden und die
Duldungen immer wieder verlängert werden müssen (Kettenduldung). Dieser Zu-
stand sollte mit der Bleiberechtsregelung aus 2006 und mit der Altfallregelung aus
2007 beendet werden.


Noch immer konnten von den in den Jahren 2006 und 2007 geschaffenen Bleibe-
rechtsregelungen ca. 20.000 Personen nicht langfristig Gebrauch machen. Diese
Umstände sind zum großen Teil den Betroffenen nicht zuzurechnen. Eine Vielzahl
der Betroffenen ist langfristig nicht in der Lage, den Lebensunterhalt für sich und ihre
Familienangehörigen ohne zusätzliche öffentliche Hilfe zu bestreiten.


Davon sind besonders betroffen:
5


- Kinderreiche Familien, denen es nicht gelingt, von ergänzenden Hilfen völlig unab-
hängig zu werden. Die Betroffenen arbeiten oft in prekären Arbeitsverhältnissen des
Billiglohnsektors. Von den daraus erzielten Einkünften ist es nicht möglich, den Le-
bensunterhalt für Familien mit Kindern zu sichern.


- Ältere und dauerhaft kranke Personen sind meist nicht in der Lage, verfestigte Ar-
beitsverhältnisse nachzuweisen, mit denen sie den Lebensunterhalt für sich und ihre
Familie vollständig sichern.


Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Anrechnung der Freibe-
träge des § 30 SGB II verschärft die Situation dahingehend, dass Erwerbstätige ein
höheres Einkommen nachweisen müssen, um dem Tatbestandsmerkmal "Sicherung
des Lebensunterhalts" gerecht zu werden.


Ein Teil der Betroffenen kann von ihren Kindern nach § 25a AufenthG langfristig ein
Aufenthaltsrecht ableiten. Kinder, die vor Vollendung des 14. Lebensjahres eingereist
sind und sich schulisch integriert haben bzw. eine Berufsausbildung machen, können
danach ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen erhalten. Diese Vorschrift
ersetzt aber nicht eine Verlängerung der bisherigen Altfallregelung.
Personen ohne Kinder können von dieser Regelung nämlich keinen Gebrauch ma-
chen. Im Übrigen deckt § 25a AufenthG die Situation vieler Kinder nicht ab, weil sie
entweder zu spät, d.h. nach Vollendung des 14. Lebensjahres eingereist sind oder
inzwischen zu alt, d.h. älter als 21 Jahre, sind.
Für die Berücksichtigung der Eltern im Rahmen des § 25a AufenthG ist es u.a. wie-
derum Voraussetzung, dass der Lebensunterhalt der gesamten Familie zumindest
überwiegend durch Erwerbstätigkeit gesichert ist. Die Kinder, die von § 25a Auf-
enthG Gebrauch machen, 'dürfen' dagegen öffentliche Mittel beziehen und erhalten
BAföG.


Es ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die von einer weiteren Folgeregelung
der ursprünglichen Altfallregelungen aus den Jahren 2006 und 2007 abhängigen
Personen sich seit nunmehr mindestens 10 Jahren, solche Personen mit Kindern seit
mindestens 12 Jahren, ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalten.
6
Dieser Personenkreis ist mit den Verhältnissen der Bundesrepublik Deutschland ver-
wurzelt, auch wenn die Betroffenen es noch nicht geschafft haben, sich nachhaltig
wirtschaftlich in die BRD zu integrieren.


Eine Rückführung für diesen Personenkreis in ihre Ursprungsländer ist meist nicht
mehr möglich bzw. auch aus humanitären Gründen nicht zu verantworten.

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  • 1. Berlin, im Dezember 2011 Stellungnahme Nr. 67/11 Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Ausländer- und Asylrecht zum Erfordernis einer wirksamen und stichtagsunabhängigen Bleiberechtsregelung sowie zur Verlängerung der zum 31.12.2011 auslaufenden aktuellen Bleiberechtsregelung Mitglieder des Ausschusses: Rechtsanwältin Susanne Schröder, Hannover (Vorsitzende) Rechtsanwalt Helmut Bäcker, Frankfurt/M.(Berichterstatter) Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Breidenbach, Halle/Saale Rechtsanwalt Dr. Marco Bruns, Frankfurt/M. Rechtsanwalt Victor Pfaff, Frankfurt/M. Rechtsanwältin Silke C. Schäfer, Göttingen Rechtsanwalt Rainer Schmid, Nagold Rechtsanwalt Rolf Stahmann, Berlin Rechtsanwältin Eva Steffen, Köln zuständige DAV-Geschäftsführerin: Rechtsanwältin Bettina Bachmann, Berlin
  • 2. 2 Verteiler: • Bundesministerium des Innern • Innenministerien und Senatsverwaltungen für Inneres der Länder • Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration • Innenausschuss des Deutschen Bundestages • Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages • Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages • Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages • CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag • SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag • FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag • Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag • Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag • Arbeitsgruppen Recht der im Bundestag vertretenen Parteien • Arbeitsgruppe Migration und Integration der SPD-Bundestagsfraktion • UNHCR Deutschland • Katholisches Büro in Berlin • Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland • Bundesrechtsanwaltskammer • Deutscher Richterbund • Bund Deutscher Verwaltungsrichter • PRO ASYL, Bundesweite Arbeitsgruppe für Flüchtlinge e. V. • Deutscher Gewerkschaftsbund (Bundesvorstand) • Neue Richtervereinigung (NRV) • Vorsitzende der DAV-Gesetzgebungsausschüsse • Landesverbände des DAV • Geschäftsführender Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht • NVwZ • ZAR • Asylmagazin • ANA • Informationsbrief Ausländerrecht
  • 3. 3 Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist der freiwillige Zusammenschluss der deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Der DAV mit derzeit ca. 68.000 Mitgliedern vertritt die Interessen der deutschen Anwaltschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Der Deutsche Anwaltverein appelliert an die am 6./7. Dezember tagende Konferenz der Innenminister, eine dauerhafte und stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung sowie eine Regelung zur Verlängerung der zum 31.12.2011 auslaufenden aktuellen Bleiberechtsregelung zu schaffen. 1. Die zur Zeit gültige Bleiberechtsregelung für langfristig im Bundesgebiet geduldete Ausländer basiert auf einer durch die Konferenz der Innenminister im November 2006 geschaffenen Altfallregelung sowie auf § 104 a AufenthG, der im Jahr 2007 in das AufenthG eingeführt wurde. Danach konnten Ausländer, die sich seit 01.07.1999 ununterbrochen in Deutschland aufgehalten haben und solche Ausländer, die mit einem oder mehreren minderjähri- gen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn sie sich seit dem 1.7.2001 im Bundesgebiet aufhalten, unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltser- laubnis erhalten. Eine Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis setzte regelhaft vo- raus, dass der Lebensunterhalt des Ausländers und ggf. seiner gesamten Familie durch Erwerbstätigkeit gesichert ist. In der Folgezeit sind Verlängerungsregelungen geschaffen worden, die alle nur diesen Personenkreis betrafen und nicht verhindern konnten, dass sich nach wie vor eine hohe Zahl von Ausländern langfristig, d.h. über 5 Jahre, nur geduldet im Bundesgebiet aufhält. Von der bisher in Kraft befindlichen Altfallregelung waren viele Betroffene ausgeschlossen, weil die Anforderungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Regelung restriktiv waren. Leb- ten vor den Bleiberechtsregelungen von 2006/2007 ca. 200.000 geduldete Personen in Deutschland, so konnten von den Bleiberechtsregelungen aus 2006/2007 ca. 60.000 Personen zumindest vorläufig Gebrauch machen. Die Rechtssituation dieser Personen ist aber immer noch nicht abschließend gesichert, weil die Betroffenen zum Teil nur eine ,,Aufenthaltserlaubnis auf Probe" erhielten und sie es auch aus ih- nen nicht zurechenbaren Gründen zum größeren Teil nicht geschafft haben, dauer- haft ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu sichern.
  • 4. 4 Zur Zeit sind ca. 75.000 bereits mehr als 6 Jahre in Deutschland lebende Ausländer nur geduldet; das heißt, sie verfügen nicht über einen legalen Aufenthaltsstatus. Die- se Zahl ist anwachsend, weil die bisherigen Stichtage für den Erhalt einer Aufent- haltserlaubnis nach einer Altfallregelung weit zurückliegen und immer neue Betroffe- ne aus den verschiedensten Gründen in den Status der Duldung fallen und dort lang- fristig bleiben werden. Dieser Umstand erfordert eine wirksame und stichtagsunabhängige gesetzliche Blei- berechtsregelung. Der Umstand, dass sich die Konferenz der Innenminister im Jahr 2006, 2009 und nunmehr im Jahr 2011 immer wieder mit der Situation der langfristig geduldeten Ausländer beschäftigen muss, macht deutlich, dass eine dauerhafte und stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung notwendig ist. Die Bindung von Bleibe- rechtsregelungen jeweils an einen festen Stichtag führt nämlich regelmäßig zu sach- lich nicht mehr zu rechtfertigenden Härten. In der Praxis führen die daraus resultie- renden oft als unerträglich wahrgenommenen Folgen zur Überbürdung des Problem auf die jeweiligen Härtefallkommissionen. Insgesamt lösen stichtagsgebundene Blei- berechtsregelungen zwangsläufig immer wieder Diskussionen über neu zu schaffen- de Folgebleiberechtsregelungen aus. 2. Die zum 31.12.2011 auslaufende Regelung für sogenannte ,,Aufenthaltserlaubnis- se auf Probe" bedarf einer Verlängerung. Anderenfalls können viele Betroffene, die geschützt werden sollten, abgeschoben werden bzw. fallen wieder in den Status der Duldung zurück. Es ist dann abzusehen, dass sie wiederum meist langfristig geduldet werden und die Duldungen immer wieder verlängert werden müssen (Kettenduldung). Dieser Zu- stand sollte mit der Bleiberechtsregelung aus 2006 und mit der Altfallregelung aus 2007 beendet werden. Noch immer konnten von den in den Jahren 2006 und 2007 geschaffenen Bleibe- rechtsregelungen ca. 20.000 Personen nicht langfristig Gebrauch machen. Diese Umstände sind zum großen Teil den Betroffenen nicht zuzurechnen. Eine Vielzahl der Betroffenen ist langfristig nicht in der Lage, den Lebensunterhalt für sich und ihre Familienangehörigen ohne zusätzliche öffentliche Hilfe zu bestreiten. Davon sind besonders betroffen:
  • 5. 5 - Kinderreiche Familien, denen es nicht gelingt, von ergänzenden Hilfen völlig unab- hängig zu werden. Die Betroffenen arbeiten oft in prekären Arbeitsverhältnissen des Billiglohnsektors. Von den daraus erzielten Einkünften ist es nicht möglich, den Le- bensunterhalt für Familien mit Kindern zu sichern. - Ältere und dauerhaft kranke Personen sind meist nicht in der Lage, verfestigte Ar- beitsverhältnisse nachzuweisen, mit denen sie den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie vollständig sichern. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Anrechnung der Freibe- träge des § 30 SGB II verschärft die Situation dahingehend, dass Erwerbstätige ein höheres Einkommen nachweisen müssen, um dem Tatbestandsmerkmal "Sicherung des Lebensunterhalts" gerecht zu werden. Ein Teil der Betroffenen kann von ihren Kindern nach § 25a AufenthG langfristig ein Aufenthaltsrecht ableiten. Kinder, die vor Vollendung des 14. Lebensjahres eingereist sind und sich schulisch integriert haben bzw. eine Berufsausbildung machen, können danach ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen erhalten. Diese Vorschrift ersetzt aber nicht eine Verlängerung der bisherigen Altfallregelung. Personen ohne Kinder können von dieser Regelung nämlich keinen Gebrauch ma- chen. Im Übrigen deckt § 25a AufenthG die Situation vieler Kinder nicht ab, weil sie entweder zu spät, d.h. nach Vollendung des 14. Lebensjahres eingereist sind oder inzwischen zu alt, d.h. älter als 21 Jahre, sind. Für die Berücksichtigung der Eltern im Rahmen des § 25a AufenthG ist es u.a. wie- derum Voraussetzung, dass der Lebensunterhalt der gesamten Familie zumindest überwiegend durch Erwerbstätigkeit gesichert ist. Die Kinder, die von § 25a Auf- enthG Gebrauch machen, 'dürfen' dagegen öffentliche Mittel beziehen und erhalten BAföG. Es ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die von einer weiteren Folgeregelung der ursprünglichen Altfallregelungen aus den Jahren 2006 und 2007 abhängigen Personen sich seit nunmehr mindestens 10 Jahren, solche Personen mit Kindern seit mindestens 12 Jahren, ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalten.
  • 6. 6 Dieser Personenkreis ist mit den Verhältnissen der Bundesrepublik Deutschland ver- wurzelt, auch wenn die Betroffenen es noch nicht geschafft haben, sich nachhaltig wirtschaftlich in die BRD zu integrieren. Eine Rückführung für diesen Personenkreis in ihre Ursprungsländer ist meist nicht mehr möglich bzw. auch aus humanitären Gründen nicht zu verantworten.