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Vorwort
Kulturlandesrat Helmut Bieler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Pia Bayer
Konsens und Konflikt
I Burgenländische Landespolitik 1922–1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Dieter Szorger
Demokratie am Wendepunkt
I Die Wehrverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
I Der Republikanische Schutzbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
I Die Frontkämpfervereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
I Die Heimwehrbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Pia Bayer, Dieter Szorger
Schattendorf 1927
I Schattendorf am Vorabend des 30. Jänner 1927 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
I Das Ereignis von Schattendorf und die politischen Folgen. . . . . . . . . . . . . . . . 32
Pia Bayer, Dieter Szorger
Biografien
I Josef Grössing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
I Matthias Csmarits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
I Josef Tscharmann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
I Hieronymus Tscharmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
I Johann Pinter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Zeittafel 1921–1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
INHALTSVERZEICHNIS
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 1
D
ie „Schüsse von Schattendorf“
stehen in der burgenländischen
und österreichischen Geschichte
für den Beginn des Scheiterns eines erst
jungen Demokratisierungsprozesses in der
Ersten Republik. Die triste wirtschaftliche
Lage führte zu einer Radikalisierung und
in weiterer Folge auch Militarisierung der
politischen Lager. Am Ende dieser Ent-
wicklung standen zwei aufeinanderfol-
gende diktatorische Regime, die der jun-
gen Demokratie in Österreich ein jähes
Ende setzten.
Das Ereignis von Schattendorf und
der Brand des Justizpalastes symbolisie-
ren heute noch die vermehrte Gewalt-
bereitschaft in der Gesellschaft durch
paramilitärische Verbände und eine ge-
waltsame Auseinandersetzung von poli-
tischen Kontrahenten, die dann im Bür-
gerkrieg des Jahres 1934 gipfelten.
Wenn wir heute, 80 Jahre nach den
„Schüssen von Schattendorf“, der Opfer
von damals gedenken, rufen wir uns nicht
nur die Vorgänge in der Ersten Republik in
Erinnerung, sondern wollen auch jene po-
sitive politische Entwicklung sehen, die
unser Land nach 1945 stark gemacht hat:
Ein Miteinander der Parteien nach demo-
kratischen Grundsätzen, den Aufbau eines
sozialen Netzes sowie die Austragung un-
terschiedlicher Standpunkte im Dialog.
Die Ereignisse von Schattendorf sollen
uns daher stets als mahnendes Beispiel die-
nen, dass Toleranz, Gesprächsbereitschaft
und das Akzeptieren anderer Meinungen
Grundlagen einer demokratischen Gesell-
schaft sein müssen.
VORWORT
4
Helmut Bieler
Kulturlandesrat
Sehr geehrte Damen und Herren!
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 2
D
as tragische Ereignis von Schatten-
dorf vom 30. Jänner 1927 leitete in-
direkt jene Radikalisierung der
österreichischen Innenpolitik ein, an deren
Ende die Abschaffung der parlamentari-
schen Demokratie und die Auflösung der
Parteien standen.
Im Burgenländischen Landtag herrschte
zwischen Sozialdemokaten und Christlich-
sozialen darüber Konsens, keine Wehrfor-
mationen zu gründen. Konflikte sollten mit
Worten und nicht mit Waffen ausgetragen
werden. Diese Vereinbarung hielt bis
1925/26 als die Frontkämpfervereinigung
damit begann, in den Bezirken Eisenstadt,
Mattersburg und Oberpullendorf Ortsgrup-
pen zu gründen. Dem folgte der planmäßige
Aufbau des Republikanischen Schutzbundes.
Reibereien und erste Schlägereien dieser
„Privatarmeen“ blieben nicht aus. Die Kon-
flikte wurden zahlreicher und heftiger und er-
reichten ihren ersten tragischen Höhepunkt
am 30. Jänner 1927 in Schattendorf, als bei
einer Auseinandersetzung zwischen Front-
kämpfern und Schutzbündlern auf sozialde-
mokratischer Seite der Klingenbacher Schutz-
bündler Matthias Csmarits und der sechsjäh-
rige Josef Grössing erschossen wurden.
Als ein Geschworenengericht die ver-
meintlichen Todesschützen am 14. Juli
1927 freisprach, kam es in Wien zu heftigen
Massendemonstrationen und am 15. Juli
zum Justizpalastbrand. Die blutigen Aus-
schreitungen forderten letztendlich 89 Tote
und über 600 Verletzte.
Österreich stand am Rande eines Bürger-
krieges.
EINLEITUNG
5
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 3
KONSENS UND KONFLIKT
6
A
m 1. Jänner 1922 fand die Land-
werdung des Burgenlandes mit
der Übergabe des Ödenburger
Abstimmungsgebietes an Ungarn (bis auf
kleine Grenzkorrekturen) ihren Abschluss.
Am 18. Juni 1922 erfolgte die erste Land-
tagswahl im Burgenland und diese brachte
einige Überraschungen: Die Sozialdemo-
kraten erreichten 38,1% der Stimmen und
wurden damit stärkste Fraktion im Land-
tag, während die Christlichsozialen mit
31,2% nur den zweiten Platz errangen.
Der Sieg der Sozialdemokraten war ge-
nauso überraschend wie das gute Ab-
schneiden des Burgenländischen Bauern-
bundes, der mit 17,1% deutlich die Groß-
deutsche Volkspartei mit 12,8% überflü-
gelte. Umgemünzt auf die Mandatsvertei-
lung bedeutete dies 13 Mandate für die So-
zialdemokraten, 10 für die Christlichsozia-
len, 6 für den Bauernbund und 4 Mandate
für die Großdeutsche Volkspartei.
Die ersten Wahlen im Burgenland spie-
gelten deutlich die politische Struktur des
Landes wider: Die Sozialdemokratische Ar-
beiterpartei rekrutierte den Großteil ihrer
Wähler aus den Wanderarbeiterorten des
nördlichen Burgenlandes. Darüber hinaus
war es ihr gelungen, auch viele Landarbei-
ter der Gutshöfe, Kleinbauern und Klein-
pächter, die wirtschaftlich und gesellschaft-
lich nicht besser gestellt waren als die Ar-
beiter, für sich zu gewinnen.
Das mittlere Burgenland (Bezirk Ober-
pullendorf) teilte sich in zwei politische
Landschaften – in die sozialdemokrati-
schen Dörfer des nördlichen Stoobtales
und des Beckens von Deutschkreutz – die
BURGENLÄNDISCHE
LANDESPOLITIK 1922–1927
„Ernster Wille, Schaffensfreude und Begeisterung für das öffentliche Wohl wir-
ken zu wollen, sind die Voraussetzungen für eine gedeihliche Zusammenarbeit.
Das burgenländische Volk muß auch zur Erkenntnis gelangen, daß politische
Gegnerschaft nicht Feindschaft bedeutet, daß wir trotz gegensätzlicher An-
schauungen nebeneinander leben müssen und daß dieses Leben für uns alle nur
dann erträglich wird, wenn jeder die Rechte seines Mitmenschen achtet, wenn
niemand in der Ausübung seiner Rechte gestört und wenn auch bei Meinungs-
verschiedenheiten ein mittlerer Weg gefunden wird, der auch für den politi-
schen Gegner gangbar ist.“
(aus der Antrittsrede von Landeshauptmann Josef Rauhofer am 4.1.1924,
Stenographisches Protokoll)
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 4
vorwiegend Wanderarbeiter bewohnten,
sowie in den konservativen Süden und
Westen des Bezirkes, wo vor allem bäuerli-
che Strukturen vorherrschten.
Die drei südlichen Bezirke waren über-
wiegend konservativ, wobei aber nicht die
Christlichsoziale Partei, sondern der Bau-
ernbund die stärkste Partei stellte.
Die Kroaten – rund 15% der burgenlän-
dischen Bevölkerung – wählten nicht ein-
heitlich eine Partei, sondern waren in zwei
Lager gespalten: Während jene des mittle-
ren und südlichen Burgenlandes dem
christlichsozialen Lager angehörten, hatten
sich ihre nördlichen Volksgenossen der So-
zialdemokratie angeschlossen.
Während es auf Bundesebene Dr. Ignaz
Seipel gelungen war, eine Koalition von
Christlichsozialen und Großdeutschen zu
bilden (im Mai 1922 und damit am Höhe-
punkt des burgenländischen Wahlkamp-
fes), gelang es dem sozialdemokratischen
Parteiführer Ludwig Leser, im Burgenland
eine bürgerliche Koalition zu verhindern.
Am 19. Juli 1922 konstituierte sich die ers-
te Regierung des Burgenlandes als Konzen-
trationsregierung. Landeshauptmann wur-
de der parteiunabhängige bisherige Landes-
verwalter Dr. Alfred Rausnitz.
Zu den heikelsten Problemen, die es um-
gehend zu lösen galt, zählte die Schulfrage.
KONSENS UND KONFLIKT
7
Foto: Burgenländisches Landesmuseum
Die erste burgenländische Landesregierung (1922-1923)
Stehend (von links nach rechts): LR Viktor Voit (BBd), er folgte am 30.1.1923
LR Gustav Walter, LR Dr. Alfred Walheim (GdP), LAD Dr. Hugo Reissig, LR Alfred Ratz
(CsP), LR Ernst Hoffenreich (SdP). Sitzend (von links nach rechts): LH-Stv. Franz
Stesgal (CsP), LH Dr. Alfred Rausnitz (parteilos), LH-Stv. Ludwig Leser (SdP).
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 5
KONSENS UND KONFLIKT
8
Im Unterschied zu Österreich, wo seit dem
Reichsvolksschulgesetz von 1867 der Staat
für die Schule verantwortlich war und im
Wesentlichen deren Lerninhalte be-
stimmte, standen die Schulen in Ungarn
bis auf geringe Ausnahmen unter der Auf-
sicht der Kirche, insbesondere unter jener
der katholischen. Diese Zustände waren
für die Sozialdemokratische Arbeiterpartei
sowohl ideologisch als auch machtpolitisch
unerträglich – das „klerikale Monopol“ auf
Bildung sollte ein für alle mal gebrochen
werden. Der „Angriff“ auf das Schulgesetz
erfolgte aber nicht von sozialdemokrati-
scher Seite selbst, sondern wurde vom
Schulreferenten und großdeutschen Abge-
ordneten Dr. Alfred Walheim eingebracht.
Der Antrag wurde auch von den Bauern-
bündlern unterstützt. Mit dieser Mehrheit
gelang es, die Christlichsoziale Partei zu
überstimmen, allerdings wurde das Gesetz
auf Bundesebene blockiert. Nur das Schul-
pflichtgesetz, in dem die bisherige sechs-
jährige Schulpflicht auf acht Jahre verlän-
gert wurde, konnte im Juli 1923 durchge-
bracht werden. Der Schulstreit blieb nach
wie vor brisant und war indirekt auch die
Ursache für den Sturz des Landeshaupt-
mannes Rausnitz, der in dieser Angelegen-
heit immer mehr zur Christlichsozialen
Partei tendierte. Zum unmittelbaren Anlass
für den Sturz von Rausnitz wurde seine
Haltung in der Landeshauptstadtfrage, in
der sich dieser für das „Wiener Neustadt
Projekt“ exponierte. Dieses sah vor, die
alte Theresianische Akademie aus der übri-
gen Stadt herauszulösen und zum burgen-
ländischen Regierungssitz zu machen – ein
Plan, den man Rausnitz ankreidete.
Um einem Misstrauensantrag zu ent-
gehen, demissionierte Rausnitz selbst am
14. Juli 1923. Dieser Rücktritt erfolgte in
der gleichen Landtagssitzung, in der die
politischen Parteien die Übereinkunft ge-
schlossen hatten, keine privaten Wehrfor-
mationen aufzustellen bzw. solche zu un-
terstützen. Noch am selben Tag wurde
Dr. Alfred Walheim zum neuen Landes-
Foto: Burgenländisches Landesmuseum
Die erste burgen-
ländische Land-
tagssitzung in
einem Vortrags-
saal der heutigen
Martinskaserne,
15. Juli 1922.
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 6
hauptmann gewählt. Die dadurch freige-
wordene Landesratstelle, die proporzmäßig
den Sozialdemokraten zufiel, wurde von
Ignaz Till besetzt. Die neue Stärke der Sozi-
aldemokratischen Arbeiterpartei kam de
facto kaum mehr zum Tragen, da das ganze
Jahr 1923 von einem scharfen Wahlkampf
– zuerst Gemeinderatswahlen (25. März),
dann Nationalrats- und Landtagswahlen
(21. Oktober) – erfüllt war.
Die Landtagswahlen mit einer erschre-
ckend niedrigen Wahlbeteiligung von nur
70% brachten für die Sozialdemokraten, mit
einem Verlust von 3.000 Stimmen, eine
große Enttäuschung. Die geringe Wahlbe-
teiligung hatte eine ihrer Ursachen in der
Wahlmüdigkeit, die sich besonders bei den
Wanderarbeitern, die fast ausschließlich so-
zialdemokratische Wähler waren, auswirkte.
Der Christlichsozialen Partei hingegen
gelang es, über 5.000 Stimmen dazu zu ge-
winnen, und darüber hinaus den Ruf einer
„Magyaronenpartei“ loszuwerden.
Die Großdeutsche Partei musste die
schwersten Verluste hinnehmen, sie verlor
80% ihrer Stimmen.
Nach langen Verhandlungen kam es
Ende 1923 zum Abschluss eines rot-
schwarzen Koalitionsabkommens und am
4. Jänner 1924 schließlich zur Konstituie-
rung des neuen Landtages und zur Wahl
der neuen Regierung. Zum Landeshaupt-
mann wurde der Christlichsoziale Josef
Rauhofer gewählt.
Der Beginn der Ära Rauhofer verlief
überraschend ruhig und politisch ausgegli-
chen. Die beiden Regierungsparteien hatten
in ihren Koalitionsvereinbarungen festge-
legt, ihre radikalen und dem Partner unan-
genehmen Forderungen beiseite zu lassen
oder nur gemeinsam zu lösen. Zur ersten
Bewährungsprobe der großen Koalition
wurde wiederum die Schulfrage. Der über-
raschend schnelle Kompromiss in dieser
Angelegenheit hatte seinen Grund vor al-
lem in der Tatsache, dass beide Parteien
massive parteiinterne Probleme – in erster
Linie Flügelkämpfe und interner Wider-
stand gegen die Koalition – zu lösen hatten
und sich einen Bruch der Koalition nicht
leisten konnten. Im Frühjahr 1925 erlitt die
Koalition einen schweren Rückschlag: Lan-
deshauptmann Rauhofer sah sich außer
Stande, seine Partei weiter zu führen und
kapitulierte. Er nahm die Landeshauptstadt-
frage zum Anlass, am 30. April 1925 über-
raschend zurückzutreten. An diesem Tag
entschied der Landtag, aus den drei in die
engere Auswahl kommenden Orten Eisen-
stadt, Sauerbrunn und Pinkafeld ersteren
zum „Sitz der Landesregierung“ zu wählen
– Rauhofer hatte sich für Sauerbrunn einge-
setzt und hielt das „Eisenstädter Projekt“
für finanziell nicht durchführbar.
Die Demission Rauhofers führte zu einer
schweren politischen Krise, die sich bis De-
zember 1925 hinzog („Lesers Interre-
gnum“ kontra der Versuch einer Christlich-
sozialen-Landbund-Koalition). Erst dann
kam es wieder nach längeren Parteienver-
handlungen zu einer Konzentration aller
drei Parteien des burgenländischen Landta-
ges. Der neuen Regierung standen erneut
Rauhofer und als sein Stellvertreter Leser
vor. Die folgenden Monate verliefen ruhig
und konstruktiv, die gespannte Atmosphäre
KONSENS UND KONFLIKT
9
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 7
KONSENS UND KONFLIKT
10
bei den Landtagsdebatten war einem sach-
lichen Ton gewichen und auch die Partei-
presse gab sich moderat. Dieses friedliche
Bild der burgenländischen Politik wurde
allerdings durch die so genannte Mandats-
aberkennungsaffäre Walheim und Voit ge-
trübt, im Zuge derer die Christlichsozialen
und Bauernbündler aneinander gerieten.
Es kam wieder zu einer politischen Krise,
bis die Bauernbündler im April 1926 in
Opposition gingen.
Wenige Monate später begann der Wahl-
kampf für die am 24. April 1927 stattfin-
denden Landtags- und Nationalratswahlen.
Diese sollten, so hofften die beiden großen
Parteien, eindeutige Mehrheiten bringen.
Bei den Gemeinderatswahlen am
20. März 1927, die sich durch eine er-
höhte Wahlberechtigung und eine starke
Wahlbeteiligung auszeichneten, gelang es
sowohl den Sozialdemokraten als auch den
Christlichsozialen, im Vergleich zu den Ge-
meinderatswahlen 1923 beträchtliche Stim-
men zu gewinnen.
Was den Wahlkampf für die Landtags-
und Nationalratswahlen betraf, so hatten
die Sozialdemokraten und die Christlichso-
zialen in Hinblick auf die Ereignisse von
Schattendorf ein Übereinkommen getroffen:
„die Parteien verpflichten sich, den Wahl-
kampf mit sachlichen Argumenten zu füh-
ren und auf ihre Angehörigen nachdrück-
lich einzuwirken, daß jede Störung der geg-
nerischen Agitation mit gewaltsamen Mit-
teln unterbleibe. Insbesonders verpflichten
sich die unterfertigten Parteienvertreter, ihre
Parteiangehörigen von Störungen und
Sprengungen der Versammlungen abzu-
halten.“ (Eisenstadt, am 7. März 1927, un-
terzeichnet von Ludwig Leser und Johann
Thullner, Burgenländische Heimat,
11.3.1927)
Wie im übrigen Bundesgebiet bemühte
sich die Christlichsoziale Partei im Wahl-
kampf auch im Burgenland, eine Einheitsli-
ste aller bürgerlichen Parteien aufzustellen.
Während das christlichsoziale Werben um
den Landbund wieder einmal fehlschlug,
„Eisenstadt muss
Hauptstadt wer-
den!“ Bereits im
Jahre 1923 fand
hinsichtlich der
Landeshaupt-
stadtfrage ein De-
monstrationszug
in Eisenstadt statt,
3. Juli 1923.
Foto: Burgenländisches Landesmuseum
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 8
gelang mit den Großdeutschen und der
Kroatenpartei eine Einigung auf eine Ein-
heitsliste. Den beiden kleineren Parteien
wurden entsprechende Mandate einge-
räumt, so auch dem Führer der Kroaten-
partei, Dr. Lorenz Karall, der sich bald an
die Spitze der Christlichsozialen Partei em-
porarbeiten sollte.
Die Wahl ergab dann folgendes Resultat:
Die Einheitsliste erhielt 42,38%, auf die
Sozialdemokratische Arbeiterpartei entfie-
len 40,80% und der Landbund errang
16,66% der Stimmen. Für die Mandatsver-
teilung bedeutete dies: 14 für die Einheits-
liste (3 für den NR), 13 für die Sozialdemo-
kraten (3 für den NR) und 5 Mandate für
den Landbund (1 für den NR). Damit hat-
ten die beiden großen Parteien je ein Land-
tagsmandat gewonnen, die erhoffte Ent-
scheidung aber war ausgeblieben.
Nach vierwöchigen Verhandlungen war
das Ergebnis wieder ein Kompromiss: eine
Konzentrationsregierung unter Landeshaupt-
mann Josef Rauhofer. Sein Stellvertreter
wurde erneut Ludwig Leser.
KONSENS UND KONFLIKT
11
„Gleichenfeier“ des Landhauses,
22. Oktober 1927.
Fotos: Burgenländisches Landesmuseum
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 9
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
12
D
er Ursprung der paramilitärischen
Verbände liegt in der Zeit unmit-
telbar nach dem Ersten Weltkrieg
begründet. Als ehemalige Soldaten und ent-
lassene Kriegsgefangene der geschlagenen
k.u.k. Armee in ihre Heimat zurückkehren
wollten, kam es immer wieder zu Plünde-
rungen und Zwangsrequirierungen. Eine
Zentralmacht vermochte den Landbewoh-
nern „Deutschösterreichs“ nicht zu helfen
und sie schritten zur Selbsthilfe. Spontan
formierten sich Volksmilizen oder Heimat-
wehren. In Kärnten und der Steiermark
wurden die Wehrformationen zur militäri-
schen Abwehr der Gebietsansprüche Slowe-
niens eingesetzt. Dazu kam in der ländli-
chen Bevölkerung eine sich verstärkende
Abneigung gegenüber dem sozialdemokra-
tisch geführten „roten Wien“, die durch die
revolutionären Strömungen in Europa, be-
sonders in Bayern und Ungarn, noch ver-
stärkt wurde. Diese Heimatwehren bildeten
den Kern der späteren Heimwehrbewe-
gung.
Auch die Arbeiterbewegung schritt zur
Selbsthilfe, indem sich in den Industrieorten
so genannte Arbeiterwehren formierten, die
den Schutz der Industriebetriebe und somit
der Arbeitsplätze zum Ziel hatten. Bereits
1919 kam es in Neufeld als Reaktion auf
die Zwangsmaßnahmen des Horthy-
Regimes zur Gründung der ersten burgen-
ländischen Arbeiterwehr. Ende August
1921, als im Zuge der ersten Landnahmen
die österreichische Gendarmerie bei Agen-
dorf in schwere Gefechte verwickelt wurde,
war es die Neufelder Arbeiterwehr, die den
Gendarmen zu Hilfe eilte. Als Wehrforma-
tion der Sozialdemokratischen Arbeiterpar-
tei wurde im Jahr 1923 in Wien der Schutz-
bund gegründet. Dessen planmäßiger Auf-
bau im Burgenland begann im Jahr 1926.
DIE WEHRVERBÄNDE
„Wir haben uns hier im Gespräch mit den führenden Herren der christlich-
sozialen Partei wie auch des Landbundes immer auf dem Wege begeben, daß
im Burgenland die Bewaffnung irgendeiner Formation etwas sehr schädliches
ist, was man unterdrücken muß. Wir haben das nicht nur aus innerpolitischen
Gründen …, sondern auch aus außerpolitischen Gründen getan, weil wir fin-
den, daß es direkt eine Gefährdung des Landes ist, wenn hier irgendwelche be-
waffnete Gruppen errichtet werden. Die Waffen gehören in die Hand des Solda-
ten, Gendarmen oder Polizisten. Im politischen Kampfe sollen wir in diesem
Grenzland den Grundsatz gelten lassen: die Waffen nieder.“
(SdP-Landesrat Ernst Hoffenreich in der Landtagssitzung vom 14. Juli 1923,
Stenographisches Protokoll)
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 10
Die SS bzw. SA der Nationalsozialisten
und die Frontkämpfervereinigung Deutsch-
österreichs sind die bedeutendsten Wehr-
formationen, die dem „Dritten Lager“ zu-
zurechnen sind. Während erstere im Bur-
genland in den Jahren vor 1927 kaum eine
Rolle spielten, leitete die Gründung der
Ortsgruppen der Frontkämpfervereinigung
eine für das Burgenland und die Erste Re-
publik verhängnisvolle Entwicklung ein.
Der von den burgenländischen Parteien
in den Anfangsjahren der „Ersten Repu-
blik“ gemeinsam getragene Kurs des politi-
schen Konsenses war ausschlaggebend da-
für, dass es – anders als in den übrigen
Bundesländern – vorerst nicht zur Grün-
dung von „Privatarmeen“ der Parteien
kam. Aus Rücksicht auf die bevorstehende
Aufbauarbeit und mit Bedacht auf die sen-
sible Situation im Bezug auf den auf Revi-
sion des Vertrages von St. Germain hoffen-
den ungarischen Nachbarn, einigten sich
die im burgenländischen Landtag vertrete-
nen Parteien im Zuge einer Landtagssit-
zung (14. Juli 1923), auf den Aufbau von
Privatarmeen zu verzichten. Dieser Grund-
konsens wurde von der Frontkämpferverei-
nigung 1925/26 verlassen. Auf die Grün-
dung von Ortsgruppen in den Bezirken Ei-
senstadt und Mattersburg reagierte die So-
zialdemokratische Arbeiterpartei mit der
Aufstellung des Republikanischen Schutz-
bundes. Als Reaktion auf die „Schüsse von
Schattendorf“ und den Brand des Justizpa-
lastes stellte schließlich auch das bürgerli-
che Lager seine Wehrformation auf: die
Heimwehr bzw. den „Heimatschutzver-
band Burgenland“.
Ende 1927 standen sich im Burgenland
ca. 10.000 Heimwehrler, 3.000 Schutz-
bündler und einige Hundert Frontkämpfer
schwer bewaffnet gegenüber. Die politi-
schen Konflikte verlagerten sich mehr und
mehr auf die Straße, das Vertrauen in die
Problemlösungskompetenz der Demokratie
sank und besonnene Politiker verloren zu-
sehends an Einfluss. Die jeweiligen Positio-
nen wurden immer gegensätzlicher und
alle Parteien ließen den Willen zum Kon-
sens zunehmend vermissen.
In einem Auszug aus dem Lagebericht
des Bezirkshauptmannes von Mattersburg
vom 1. November 1927 beschrieb dieser
die politische Situation wie folgt:
„Die allgemeine politische Lage im
Bezirke ist unverändert, die Spannung
zwischen den zwei politischen Parteien
dauert naturgemäss fort. Es ist eine all-
gemeine Rüstung beider Parteien, bezw.
Parteigarden wahrzunehmen, welcher Um-
stand früher oder später unbedingt zu ei-
nem katastrophalen Ende führen wird.
An Sonn- und Feiertagen finden Aufmär-
sche statt, die weder der Oeffentlichkeit
noch den Veranstaltern nützlich sind
und vom Standpunkte der Sicherheit für
das Volk eine unmittelbare Gefahr dar-
stellen.“
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
13
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 11
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
14
Ort Heimatschutz Schutzbund Frontkämpfer
Wehrformationen im Bezirk Mattersburg Quelle: BLA, Vereinsakten
Antau X X
Bad Sauerbrunn X
Baumgarten X X
Draßburg X X X
Forchtenstein X X
Hirm X X
Krensdorf X X X
Loipersbach X X X
Marz X
Mattersburg X X X
Neudörfl X X
Neustift X
Pöttelsdorf X
Pöttsching X
Rohrbach X X X
Schattendorf X X X
Sieggraben X
Sigleß X X X
Stöttera X X X
Walbersdorf X X
Wiesen X X X
Zemendorf X X
Heimatschutzverband
Burgenland:
327 Ortsgruppen, Landesver-
band in Mattersburg, Bezirks-
organisationen in Neusiedl,
Eisenstadt, Mattersburg
Republikanischer
Schutzbund:
61 Ortsgruppen, Landes-
organisation in Eisenstadt,
Bezirksorganisationen in Eisen-
stadt, Mattersburg, Neutal
(für den Bezirk Oberpullendorf),
Oberwart
Frontkämpfervereinigung
Deutschösterreichs:
23 Ortsgruppen, Landesleitung
in Eisenstadt, vertreten nur in
den Bezirken Eisenstadt,
Mattersburg und Oberpullendorf
Wehrverbände im Burgenland:
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 12
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
15
Ort Heimatschutz Schutzbund Frontkämpfer
Wehrformationen im Bezirk Eisenstadt Quelle: BLA, Vereinsakten
Breitenbrunn X
Donnerskirchen X
Eisenstadt X X X
Großhöflein X X
Hornstein X X
Kleinhöflein X
Klingenbach X X
Leithaprodersdorf
Loretto X
Mörbisch X X
Müllendorf X X
Neufeld X X
Oggau X X
Oslip X X
Purbach X
Rust X
St. Georgen X
St. Margarethen X X X
Schützen a. G. X
Siegendorf X X
Steinbrunn X X
Stotzing X
Trausdorf X X X
Wimpassing X
Wulkaprodersdorf X
Zagersdorf X X X
Zillingtal X X
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 13
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
16
D
ie Gründung des Republikani-
schen Schutzbundes, der „Partei-
armee“ der Sozialdemokrati-
schen Partei, erfolgte am 19. Februar 1923.
Zur eigentlichen Geburtsstunde wurde aber
bereits der Parteitag der Sozialdemokrati-
schen Arbeiterpartei Deutschösterreichs
(SDAP) von 1922. Kurz nach dem Aus-
scheiden der Sozialdemokratie aus der Re-
gierungsverantwortung und dem Verlust
der Macht und damit des Einflusses auf
Exekutive und Volkswehr sah man in der
Gründung des Schutzbundes die einzige
Möglichkeit, die Interessen der Sozialdemo-
kratie zu schützen. Mit Dr. Julius Deutsch
stand nicht nur ein guter Organisator an
der Spitze, Deutsch war auch der erste
Heeresstaatssekretär der Ersten Republik
gewesen.
Der Schutzbund entstand aus der Tradi-
tion der Arbeiterwehren und war als Ge-
genpol zu den Wehrformationen der
„Rechten“ konzipiert. Die Arbeiterwehren
hatten bereits bei den Kämpfen um das
Burgenland eine wichtige Rolle gespielt
und die Gendarmerie in ihrem Kampf ge-
gen die ungarischen Freischärler unter-
stützt. Der Schutzbund verfügte über ein
beachtliches Waffenarsenal. Zahlenmäßig
war die Organisation in Wien sowie in den
Industriegebieten Oberösterreichs, Nieder-
österreichs, Kärntens und der Steiermark
am stärksten.
Ein erstes Auftreten des Schutzbundes
im Burgenland erfolgte am 10. Juli 1925,
am sozialdemokratischen Ordnertag in Ei-
senstadt. Daran nahmen Schutzbundeinhei-
ten aus Niederösterreich teil. Die Veranstal-
tung wurde zur Machtdemonstration. Ne-
ben einer politischen Kundgebung standen
ursprünglich auch militärische Gelände-
übungen im Leithagebirge am Plan. Diese
wurden allerdings nach Protesten der
Christlichsozialen Partei abgesagt.
1925/26 begann die monarchistische
Frontkämpfervereinigung, vermehrt Orts-
gruppen zu gründen, was die SDAP als Af-
front wertete. Zunehmend kam es zu Aus-
DER REPUBLIKANISCHE
SCHUTZBUND
„Die burgenländische Sozialdemokratie hat den Knüppel als politisches Argu-
ment bisher abgelehnt. Wer aber glaubt, daß sie ruhig zuschauen wird, wie an-
dere Prügelgarden organisieren, um auf sie loszustürzen, der irrt … Wir werden
den Frontkämpfern unseren Republikanischen Schutzbund auch im Burgenland
entgegenstellen.“
(Burgenländische Freiheit, 21. Mai 1926)
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 14
einandersetzungen, die von Frontkämpfern
provoziert wurden. Als Reaktion darauf be-
gann die Sozialdemokratische Arbeiterpar-
tei bis Jahresmitte 1926, erste Schutzbund-
ortsgruppen zu gründen – zu Beginn in
den „roten Hochburgen“ Neufeld und
Steinbrunn. Bis zu diesem Zeitpunkt fühlte
man sich an ein Parteiabkommen mit der
Christlichsozialen Partei, das den Verzicht
auf Wehrverbände vorsah, gebunden. Auf
dieses „Wettrüsten“ der beiden Waffenver-
bände musste schließlich auch das bürger-
liche Lager reagieren. Nur wenige Monate
nach dem Schutzbund begann die Aufstel-
lung der Heimwehr, die im Burgenland die
Bezeichnung „Heimatschutz“ führte.
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
17
Schutzbundauf-
marsch in Eisen-
stadt, (ohne
Jahresangabe).
Foto: Burgenländisches Landesmuseum
Foto: Burgenländisches Landesmuseum
Sozialdemokratischer Ordnertag in Eisenstadt, 10. Juli 1925.
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 15
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
18
Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Vereinsakte
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 16
Anfangs war es Strategie der SDAP, auf ge-
meldete Veranstaltungen der Frontkämpfer
durch das Anmelden von Gegenveranstal-
tungen der Partei zu reagieren. Um offene
Konflikte der beiden Gruppen zu verhin-
dern, sah sich die Bezirkshauptmannschaft
oftmals dazu gezwungen, beide Veranstal-
tungen behördlich zu untersagen. In Schat-
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
19
Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Zeitgeschichtliche Sammlung – Parteiarchiv SDAP
Beitrittserklärung
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 17
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
20
tendorf verließ man am 30. Jänner 1927 die-
sen Weg und verzichtete darauf, die Gegen-
veranstaltung behördlich zu melden.
Jenseits der Grenze, in Ungarn, beobach-
tete man das Aufrüsten im Burgenland mit
einem wachsamen Auge. Besonders im Er-
starken des „linken“ Schutzbundes sah man
eine ernste Gefahr für die eigene Sicherheit.
Man konnte sich schließlich auf ein Aufrüs-
tungsverbot aus dem Friedensvertrag von
St. Germain beziehen. Ungarische Zeitungen
äußerten sich sehr kritisch gegenüber den –
Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Zeitgeschichtliche Sammlung – Parteiarchiv SDAP
Aufforderung zum Ordnerdienst
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 18
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
21
aus ihrer Sicht vom Schutzbund provozier-
ten – Auseinandersetzungen im Burgenland.
Über die Ereignisse von Schattendorf wurde
in ungarischen Medien ausführlich berich-
tet. Als zu den Begräbnissen der Opfer des
30. Jänner mehr als 10.000 Personen – da-
runter viele Schutzbündler in Uniform – ka-
men, mobilisierte die ungarische Seite die
Gendarmerie. Allein in Agendorf gingen 150
ungarische Gendarmen in Stellung.
Die Leitung des Schutzbundes war jener
der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei un-
terstellt. Neben der Landesleitung, die lange
von Koloman Tomsich geführt wurde, exis-
tierte noch eine hierarchische Struktur auf
Bezirksebene. Die Mitglieder des Republika-
nischen Schutzbundes entstammten fast aus-
schließlich deutschen und kroatischen Arbei-
terfamilien bzw. waren Land- oder Wander-
arbeiter. In der Folgezeit sollte es der Schutz-
bund bis auf 3.000 Mitglieder im Burgen-
land bringen, österreichweit waren es mehr
als 80.000 (1928). Im März 1930 wurde
eine eigenständige Landesorganisation ge-
gründet, die in Bad Sauerbrunn, Schulgasse
130, ihren Sitz hatte. Gleichzeitig entstan-
den in Eisenstadt, Neutal, Mattersburg und
Oberwart Bezirksorganisationen.
Am 30. März 1933 wurde die Wehrfor-
mation der Sozialdemokratie verboten, be-
stand im Untergrund als schlagkräftige Or-
ganisation aber noch weiter. Am 12. Fe-
bruar 1934 kam es schließlich zur Katastro-
phe: Im Zuge von Hausdurchsuchungen im
Arbeiterheim „Hotel Schiff“ in Linz eröffne-
ten Schutzbündler das Feuer. Der folgende
Bürgerkrieg kostete 239 Österreichern das
Leben. Auch im Burgenland kam es im Fe-
bruar 1934 zu Kampfhandlungen zwischen
dem Schutzbund und der Gendarmerie, die
bei der Niederschlagung des Aufstandes von
der Heimwehr unterstützt wurde.
Der Schattendorfer Schutzbund war ei-
ner der ältesten des Landes. Am 18. Mai
1926 gab die „Zentralleitung“ des Republi-
kanischen Schutzbundes in Wien die not-
wendige Zustimmung zur Gründung einer
Ortsgruppe Schattendorf, die Obmann
Julius Deutsch persönlich gegenzeichnete.
Die Gründungsanzeige wurde dem Amt
der Burgenländischen Landesregierung
bzw. der Bezirkshauptmannschaft Matters-
burg am 13. Juli 1926 übermittelt. Propo-
nent und erster provisorischer Leiter war
Andreas Allram. Am 5. September 1926
kam es schließlich zu der Gründungsver-
sammlung, im Zuge derer Michael Tranker
zum Obmann gewählt wurde. Bei dieser
feierlichen Versammlung waren 240
Schutzbündler anwesend, darunter auch
Genossen aus den Ortsgruppen Sauer-
brunn, Wiesen und Sigleß, die dazu eigens
mit dem Zug angereist waren. Nach einem
Bericht des Polizeikommissariates Eisen-
stadt zählte der Schattendorfer Schutz-
bund ca. 200 Mitglieder. Der Wirkungsbe-
reich der Ortsgruppe war auf den Bezirk
Mattersburg beschränkt. Ihr Ende kam am
30. März 1933, die Streichung des Vereins
aus dem Vereinsgrundbuch folgte am
16. Mai 1933.
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 19
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
22
U
nmittelbar nach Kriegsende fan-
den sich ehemalige Offiziere
zum „Bund für Ordnung und
Wirtschaftsschutz“ zusammen. Kurze Zeit
später wurden auch niedrigere Chargen in
die Vereinigung aufgenommen und so die
Organisation zusehends verbreitert. Man
gab sich den Namen Frontkämpfervereini-
gung Deutschösterreichs. Ziele der Verei-
nigung waren die „Vereinigung aller ari-
schen Frontkämpfer“ sowie die „Pflege
der Liebe zur Heimat“. Juden, Kommunis-
ten und Sozialdemokraten waren von An-
fang an ausgeschlossen. Das Rekrutie-
rungspotential dieser militanten Vereini-
gung ist nicht zu unterschätzen: Immer-
hin wohnten der konstituierenden Vollver-
sammlung am 30. April 1920 bereits mehr
als 2.000 Mitglieder bei. Gründungsmit-
glieder der Frontkämpfervereinigung wa-
ren u. a. Oberst Hermann Ritter von Hiltl,
Hauptmann Anton Seifert (beide traten im
Jänner 1927 im Burgenland in Erschei-
nung) und Major Emil Fey. Es folgte der
organisatorische Aufbau in Oberösterreich,
Salzburg und in der Steiermark. Im Bur-
genland fasste die Organisation im Jahr
1923 Fuß.
Das ideologische Korsett der Bewegung
hatte eine auffallende Nähe zur NSDAP.
Neben einem Arierparagraphen, einem be-
tonten Antimarxismus, dem Führerprinzip,
dem expliziten Anschlusswunsch, der Ab-
lehnung der demokratischen Republik und
einem profunden Militarismus fanden sich
auch legitimistische Ansätze im Programm
der Bewegung.
Die Frontkämpfer trugen eine eigene Uni-
form mit einer markanten Uniformmütze.
Gefährlich war die Vereinigung auf Grund
ihrer Entschlossenheit und der guten Aus-
bildung ihrer Mitglieder. Kaum ein Mitglied
war nicht geübt im Umgang mit Schusswaf-
fen. Die Rekrutierungsbestrebungen wur-
den mit der Verabschiedung des Linzer Pro-
gramms der Sozialdemokratie von 1926
noch beschleunigt. Die Frontkämpfer boten
sich infolge allen nichtmarxistischen Par-
DIE FRONTKÄMPFERVEREINIGUNG
In den Satzungen der „Frontkämpfervereinigung Deutschösterreichs“ steht
gleich zu Beginn ihr Leitspruch, der lautet: „Allgemeines Volkswohl geht vor
kleinlicher Parteipolitik.“
Und weiter: „Zweck des Verbandes (ist die) Pflege der Liebe zur Heimat und
zum deutschen Volk bei Ausschaltung aller Partei- und Klassengegensätze, Un-
terstützung der öffentlichen Sicherheitsorgane zur Aufrechterhaltung von Ruhe
und Ordnung (und) Schutz von Personen gegen jeden Terror …“
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 20
teien als Saalschutz an. Sitz der Frontkämp-
fervereinigung Deutschösterreichs war die
Rasumofskygasse im III. Bezirk in Wien.
Vom dortigen „Reichsverband“ ging die Ver-
breitung der Bewegung aus.
Im Burgenland sind bis ins Jahr 1927
zwei Gründungswellen zu konstatieren.
1923 wurden die Ortsgruppen Eisenstadt
und St. Margarethen gegründet. An der
ersten Tagung der burgenländischen Front-
kämpfer in Eisenstadt am 12. August 1923
nahmen bereits über 400 Mitglieder, da-
runter sehr viele Kameraden aus Wien, teil.
Zur Jahreswende 1925/26 folgte eine
weitere Gründungswelle. Ortsgruppen-
gründungen wurden aus Oslip, Deutsch-
kreutz, Nikitsch, Wiesen, Rohrbach, Loi-
persbach und Schattendorf gemeldet. Bis
zum Jänner 1927 gab es Stützpunkte in
den Bezirken Eisenstadt, Oberpullendorf
und Mattersburg. Die Ortsgruppen wurden
nicht nur in Gemeinden mit bürgerlicher
Mehrheit gegründet, sondern auch in sozi-
aldemokratischen Gemeinden. Im Mai
1928 meldete der „Führer“ des Bundes-
verbandes Oberst Hiltl die Gründung eines
eigenständigen Landesverbandes der Front-
kämpfervereinigung behördlich an.
Die Vereinigung war durchaus erfinde-
risch in der Art der Verbreitung. Nachdem
die burgenländischen Behörden Neugrün-
dungen von politischen Organisationen auf
Basis des Vereinsgesetzes aus dem Jahr
1867 nur sehr eingeschränkt zuließen, ging
man in den burgenländischen Gemeinden
dazu über, „Zahlstellen“ anstatt selbststän-
diger Vereine einzurichten. Eine Zahlstelle
sollte lediglich zur Abwicklung der Mitglie-
derbetreuung des Bundesverbandes dienen.
Derart umging man geschickt ein zu erwar-
tendes Verbot der Gründung, da der Haupt-
verband in Wien regulär gemeldet war. Im
Laufe des Jahres 1928 wurde eine neue
Satzung genehmigt, was schließlich die
Umwandlung in Ortsgruppen ermöglichte.
„Führer“ der Bewegung war der 1872 in
Olmütz (Mähren) geborene Hermann Ritter
von Hiltl, der von 1907 bis 1912 als Lehrer
an der Infanteriekadettenschule in Wien
wirkte und als Oberst aus der k.u.k. Armee
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
23
Foto: Burgenländisches Landesmuseum
Erste Tagung der
burgenländischen
Frontkämpfer
Deutsch-
österreichs, Bahn-
hof Eisenstadt,
12. August 1923.
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 21
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
24
abrüstete. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er
in Serbien und zuletzt in Italien, wo er auch
– als Kommandant des Feldjägerbataillons
Nr. 21 – in Kriegsgefangenschaft geriet.
Kurz nachdem er aus der Gefangenschaft
zurückgekehrt war (August 1919), wurde
Oberst Hiltl zu einem der Gründer der
Frontkämpferbewegung. Er trat auch mehr-
fach im Burgenland in Erscheinung und
wurde rasch zum Feindbild der Sozialdemo-
kraten. Wo immer Hiltl auftauchte, konnte
die Polizei mit Unruhen rechnen.
1925/26 intensivierten die Frontkämpfer
ihre Werbungstätigkeit im Burgenland. Die
Veranstaltungen liefen meist nach demselben
Schema ab: Ein hoher Funktionär – meist der
„Führer“ der Bewegung – hielt eine Rede,
welche die Gefahren des Marxismus zum In-
Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Polizei – Vereine
Gründung des Landesverbandes Burgenland der
Frontkämpfervereinigung
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 22
halt hatte. Die Kundgebungen waren von der
Zentrale in Wien organisiert und immer be-
hördlich korrekt gemeldet. Die ansässigen So-
zialdemokraten fühlten sich durch diese Ver-
anstaltungen provoziert. Im Laufe des Jahres
1926 trat die SDAP-Parteileitung solchen
Veranstaltungen zusehends entschlossener
entgegen, was dazu führte, dass die Front-
kämpfer Verstärkung aus Wien und den um-
liegenden „Ortsgruppen“ hinzuzogen.
Umstritten sind die Finanzierungskanäle
der Organisation. Von den im burgenländi-
schen Landtag vertretenen Parteien muss-
ten sich die Frontkämpfer den nicht unbe-
gründeten Vorwurf gefallen lassen, ein In-
strument der ungarischen Irredenta zu sein
und sich von ungarischen Kreisen finan-
ziell unterstützen zu lassen.
Von Waffenverstecken in der Umgebung
von Ödenburg war die Rede und von ge-
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
25
Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Vereinsakte
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 23
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
26
heimen Depots in den Ortschaften. Auch
die Auswahl der Ortschaften, in denen
Frontkämpferorganisationen bzw. „Zahl-
stellen“ gegründet wurden, unterlag einem
strategischen Konzept. Diese Gründungen
gruppierten sich einerseits um die Stadt
Ödenburg bzw. fanden in Orten statt, die
für den militärischen Nachschub in einem
potentiellen Bürgerkrieg in Österreich von
Bedeutung sein konnten. Dies waren im
Besonderen die Bahnhöfe auf der Strecke
Wr. Neustadt-Ödenburg.
Die politische Bedeutung der Frontkämp-
fervereinigung im Burgenland und in Öster-
reich war vergleichsweise gering. Insgesamt
wurden im Burgenland bis 1927 14 Grup-
pen bzw. „Zahlstellen“ eingerichtet. Die
Mitgliederzahl dürfte bei 500 – 700 gelegen
sein. Österreichweit lag die Mitgliederzahl
der Frontkämpfer Mitte der 1920er Jahre
nach eigenen Angaben bei ca. 100.000. Bis
1929 halbierte sich die Mitgliederzahl.
Die Organisation geriet sukzessive stärker
ins Fahrwasser der Nationalsozialisten, die
mit Beginn der 1930er Jahre den wesentli-
chen Anteil der Mitglieder ausmachten.
Hiltl war bereits 1929 persönlich mit Adolf
Hitler zusammengetroffen. Das Ende der
Frontkämpferbewegung kam im Jahr 1935.
Die offizielle Auflösung der Frontkämpfer-
vereinigung Deutschösterreichs folgte mit
Bescheid vom 15. Juni 1935, da der Verein
seine satzungsgemäße Widmung als „unpo-
litischer“ Verein überschritten hatte.
Was die Frontkämpferbewegung in Schat-
tendorf betraf, so existierte vereinsrechtlich
im Jahr 1927 keine eigenständige Orts-
gruppe Schattendorf der Frontkämpferverei-
nigung Deutschösterreichs. Die am 30. Jän-
ner in Schattendorf geplante Veranstaltung
war entsprechend § 6 der Satzung eine
„Vollversammlung“ aller Mitglieder. Die
Führung der Ortsgruppe („Zahlstelle“) über-
nahm Josef Grafl. Die offizielle Einrichtung
der „Zahlstelle“ war am 25. Juli 1926 er-
folgt und bereits unmittelbar nach dieser
Gründungsversammlung hatte es eine Schlä-
gerei mit den Sozialdemokraten gegeben.
Das Vereinslokal der Frontkämpfereinigung
in Schattendorf war das Gasthaus von Josef
Tscharmann.
Foto: Burgenländisches Landesmuseum
Frontkämpferauf-
marsch vor dem
Landhaus in
Eisenstadt, 1933.
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 24
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
27
D
ie Heimwehren, auch Heimatweh-
ren, Heimatschutz oder Heimat-
dienst genannt, bildeten die wich-
tigsten „austrofaschistischen“ Organisationen.
Sie entstanden 1918 in den Bundesländern
und dienten dem Schutz der von benachbar-
ten Mächten bedrohten Heimat. Ideologisch
dominierten Antimarxismus, Großstadtfeind-
lichkeit, Antisemitismus und „Heimattreue“.
Das wesentliche Rekrutierungsfeld war die
Landbevölkerung, aber auch Angestellte spiel-
ten eine wichtige Rolle. Die Kommandokorps
entstammten provinziellen Führungsschich-
ten. Ideologisch teilten sich die Heimwehren
in die Gruppe der deutsch-nationalen und
jene der katholisch-österreichischen Bewe-
gung. Gemeinsam war ihnen die Schutzfunk-
tion gegen die Sozialdemokratie bzw. den
Schutzbund.
Einen ersten Höhepunkt erhielt diese hete-
rogene Bewegung unmittelbar nach dem Er-
sten Weltkrieg. In der Zeit von 1924 bis zum
Juli 1927 ging österreichweit der Einfluss der
Heimwehren zurück. Das änderte sich
schlagartig mit dem 15. Juli 1927, als die
Heimwehren in den Bundesländern zum Bre-
chen der sozialdemokratischen Streikbewe-
gung eingesetzt wurden. Ab diesem Zeit-
punkt konnten sich die Heimwehren als Ge-
genkraft zur „linken Macht der Straße“ profi-
lieren.
Erste Bemühungen zur Gründung von
Heimwehren im Burgenland erfolgen im
Herbst 1927. Die Initiative ging nicht vom
Burgenland aus. Noch unter dem Einfluss der
Unruhen vom 15. Juli 1927 traten bürgerliche
Kreise aus Wien an den christlichsozialen
Nationalratsabgeordneten Franz Binder mit
dem Ansinnen zur Gründung eigener burgen-
ländischer Ortsgruppen heran. Landtagsabge-
ordneter und späterer Landeshauptmann Jo-
hann Wagner (1956–1961) wurde Burgen-
lands erster Ortsführer. Die Anhänger der
Heimwehrbewegung rekrutierten sich aus der
Christlichsozialen Partei wie auch aus dem
Landbund. Die politischen Führer der Bewe-
gung waren Franz Binder (CSP) und Michael
Vass (Landbund). Daneben gab es eine militäri-
sche Führung: Oberst Gustav Berger und Ma-
jor Wilhelm Stipetic. Im Südburgenland, wo
bislang keine Wehrformationen Fuß fassen
konnten, entstanden die ersten Ortsgruppen.
Zuvor war noch ein Versuch, die Frontkämp-
fer des Nordburgenlandes zu „übernehmen“,
am Widerstand ihres Führers, Oberst Hiltl,
fehlgeschlagen. Die burgenländische Heim-
wehrbewegung wurde zum Teil von ungari-
schen Großgrundbesitzern finanziert, die von
den radikalen Bodenreformplänen der Sozial-
demokraten beunruhigt waren.
Die Führungsriege der burgenländischen
CSP stand dem Projekt anfangs eher skep-
DIE HEIMWEHRBEWEGUNG
„…. daß wir im Burgenland nun starke Heimwehren haben, liegt einzig und
allein in der klassenkämpferischen Tätigkeit der sozialdemokratischen Politik“.
(Burgenländische Heimat, 31. August 1928)
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 25
tisch gegenüber, ließ es aber geschehen. In
der Anfangsphase des Bestehens war der
Landbund der Motor der Bewegung. In kür-
zester Zeit entstanden in nahezu allen bur-
genländischen Orten Heimwehrgruppen. Ob-
wohl viele Vereine nur auf dem Papier exi-
stierten, zählte die burgenländische Heim-
wehrbewegung, die sich die Bezeichnung
„Heimatschutzverband Burgenland“ gab,
bald über 10.000 Mitglieder und übertraf
den Schutzbund damit um ein
Vielfaches. Ein erstes offizielles
Auftreten von burgenländischen
Heimwehren erfolgte am 7. Okto-
ber 1928 am berühmt geworde-
nen Aufmarsch in Wr. Neustadt,
an dem die Heimwehren von Mat-
tersburg, Wiesen, Rohrbach, Groß-
warasdorf, Neudörfl, Eisenstadt
und Wimpassing teilnahmen. An
diesem Tag fand die erste macht-
volle Demonstration der Heim-
wehren in einer sozialistischen
Hochburg statt. Die sozialdemokra-
tische Vormacht der Straße war da-
mit gebrochen.
Die sich häufenden Zusammen-
stöße der beiden Wehrverbände
führten 1929 zu einem von Juni
bis September befristeten Auf-
marschverbot. Unmittelbar danach
gingen die gegenseitigen Provoka-
tionen unvermindert weiter. Im
Nordburgenland, das bis dahin
vom Schutzbund dominiert wor-
den war, hielt die burgenländische
Heimwehr erstmals am 27. Okto-
ber 1929 eine Veranstaltung in
Schützen am Gebirge ab.
Der politische Einfluss der Bewegung stieg
in den kommenden Jahren und gipfelte in in-
ternen Auseinandersetzungen mit der Partei-
leitung der CSP, die den autoritären Kurs der
Heimwehren nicht mittragen wollte. Das än-
derte an der politischen Orientierung der Be-
wegung nichts. Mit dem Korneuburger Eid
des Jahres 1930 wurde der antidemokra-
tisch-autoritäre Kurs der Bewegung zemen-
tiert.
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
28
Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Vereinsakte
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 26
DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT
29
Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Polizei – Vereine
Auszug aus dem Lagebericht der BH Jennersdorf vom 28. September 1927
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 27
S
chattendorf, unmittelbar an der un-
garischen Grenze gelegen, gehörte
bis 1921 dem Ödenburger Komitat
an, wurde dann vorerst dem Bezirk Eisen-
stadt zugewiesen, schließlich aber doch
dem Bezirk Mattersburg einverleibt.
Die erste Volkszählung im Burgenland
aus dem Jahre 1923 ergab eine Bevölke-
rungszahl von 2.173. Davon gaben 2.169
Katholisch und 4 Evangelisch als ihre kon-
fessionelle Zugehörigkeit an. Schattendorf
war fast rein deutschsprachig, die Volks-
gruppenzugehörigkeit ergab: 2.154 deutsch
– 10 kroatisch – 9 ungarisch.
In der Grenzgemeinde wurde 1921 ein
Gendarmerieposten eingerichtet. Schwierig-
keiten bereitete in den ersten Jahren nach
dem Anschluss des Burgenlandes an Öster-
reich die Lösung der traditionellen wirtschaft-
lichen und verkehrsmäßigen Bindungen zu
Ödenburg. Gezwungenermaßen verlagerte
sich danach der Handel von Ödenburg nach
Mattersburg und Wiener Neustadt. Ein bis-
her wesentlicher Teil des Absatzmarktes war
durch die Grenzziehung verlorengegangen.
Später als in anderen Orten, erst im Au-
gust 1922, wurde eine Gemeindeverwal-
tungskommission gebildet. Die ersten Ge-
meinderatswahlen im Burgenland vom
25. März 1923 brachten der Sozialdemokra-
tischen Arbeiterpartei (SDAP) 617 Stimmen
(8 Mandate), der Christlichsozialen Partei
(CSP) 460 Stimmen (6 Mandate). Erster Bür-
germeister wurde der Sozialdemokrat Johann
Grafl, er übte dieses Amt bis 1931 aus. Der
SCHATTENDORF 1927
30
SCHATTENDORF AM VORABEND
DES 30. JÄNNER 1927
Foto: Burgenländisches Landesmuseum
Frühe Ansicht von
Schattendorf.
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 28
SCHATTENDORF 1927
31
Versuch, die konfessionelle Schule in eine
Gemeindeschule umzuwandeln, sowie die
Durchführung des Straßenbaus entzweiten
die politischen Fraktionen. 1924 kam es zu
einem Misstrauensantrag der CSP-Fraktion
gegen den Bürgermeister, schließlich zur
Selbstauflösung des Gemeinderates und am
8. November 1925 zu Neuwahlen. Bei die-
sen Wahlen erlangte die SDAP 679 Stimmen
(10 Mandate), die CSP 424 Stimmen
(6 Mandate). Die politischen Meinungsver-
schiedenheiten beherrschten auch die folgen-
den Jahre und verhinderten weitgehend eine
konstruktive Arbeit. Immer wieder kam es
zu Berufungen der CSP-Fraktion gegen Ge-
meinderatsbeschlüsse, die von der Landesre-
gierung zum Teil als berechtigt anerkannt,
teilweise aber auch abgewiesen wurden.
Bei den Gemeinderatswahlen vom
20. März 1927 erreichte die SDAP 728 Stim-
men (9 Mandate), die CSP 456 Stimmen
(6 Mandate). Da sich die politischen Parteien
über die Zusammensetzung des Gemeinde-
vorstandes nicht einigen konnten, musste die
Landesregierung schlichtend eingreifen.
Während die Politiker auf Landesebene
um Konsens bemüht und übereingekommen
waren, keine paramilitärischen Wehrver-
bände im Burgenland aufzustellen, erfolgte
diese Entwicklung seit 1925 von Seiten der
Frontkämpfer. Auf Betreiben der Wiener Füh-
rung begann die Frontkämpfervereinigung
Deutschösterreichs auch im Burgenland aus
strategischen Gründen, insbesondere in Ort-
schaften entlang der Bahnlinie Ödenburg-
Wr. Neustadt, so genannte Zahlstellen, die
der Mitgliederrekrutierung dienen sollten,
einzurichten. Als Reaktion darauf reagierten
die Sozialdemokraten mit der Gründung von
Republikanischen Schutzbundgruppen.
Seit Aufstellung beider Gruppierungen in
Schattendorf im Sommer 1926 äußerten sich
die politischen Gegensätze nun verstärkt
durch Raufereien, Drohungen und Versamm-
lungsstörungen. Immer wieder kam es zu
kleineren Zusammenstößen.
Am 30. Jänner 1927 allerdings wurde
Schattendorf zum Schauplatz eines Ereig-
nisses, das noch weitreichende Folgen ha-
ben sollte.
Foto: Burgenländisches Landesmuseum
Aufnahme von
Schattendorf aus
der NS-Zeit.
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 29
Sonntag, 30. Jänner 1927
D
ie Werbetätigkeiten der Front-
kämpfervereinigung im Bezirk
Mattersburg seit Beginn der
1920er Jahre wurden in sozialdemokrati-
schen Kreisen als blanke Provokation auf-
gefasst. Für den 30. Jänner 1927 war in
Schattendorf eine solche Frontkämpferver-
anstaltung geplant, gemeldet und auch be-
hördlich genehmigt.
Um dieser Provokation entsprechend
entgegenzutreten, setzte die Sozialdemo-
kratische Arbeiterpartei* – trotz warnen-
der Stimmen – ebenfalls eine Versamm-
lung an, die im Vereinslokal Gasthaus
Moser stattfinden sollte. Es wurde verab-
säumt, diese Versammlung behördlich zu
melden. Beide Veranstaltungen waren
zeitgleich für 15.00 Uhr angesetzt. Da
die Schattendorfer Frontkämpfervereini-
gung nur an die 30 Mitglieder und der
örtliche Schutzbund mehr als 70 Mann
zählte, wiegte sich letzterer in Sicherheit.
Was man in Schattendorf nicht wusste:
Zu der Veranstaltung wurden nicht nur
die Ortsgruppe Loipersbach, sondern
auch Frontkämpfer aus Wien erwartet. Es
war vorgesehen, dass die Loipersbacher
Frontkämpfer die Wiener Funktionärs-
SCHATTENDORF 1927
32
DAS EREIGNIS VON SCHATTENDORF
UND DIE POLITISCHEN FOLGEN
„Die Geschehnisse selbst hätten damals auch in einer anderen Gemeinde statt-
finden können und ich bin überzeugt, dass die handelnden Personen die politi-
schen Hintergründe gar nicht einschätzen konnten. Es war jedenfalls eine tragi-
sche Verstrickung, die den Beginn des Zerfalls der Demokratie in Österreich be-
deutete.
Mehr kann ich dazu in einem kurzen Brief nicht darlegen – meine Anteilnahme
gilt jedenfalls allen Opfern dieser schicksalshaften Zeit.“
(Zitiert aus einem Brief von Dr. Fred Sinowatz an Josefa Trimmel-Tscharmann vom 21. Juli 2004)
* In diversen Quellen wird fälschlich angeführt, dass es sich nicht um eine Veranstaltung der örtlichen
Parteileitung, sondern des Republikanischen Schutzbundes handelte. Allerdings ist in den Erhebungsma-
terialien der Gendarmerie immer von einer Veranstaltung der SDAP-Leitung die Rede. Da diese nicht be-
hördlich der Bezirksverwaltung gemeldet, sondern lediglich „ausgetrommelt“ wurde, ermittelte die Gen-
darmerie gegen den Ortsgruppenleiter der SDAP Johann Pinter und nicht gegen den Schutzbundführer
Michael Tranker.
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gruppe vom Bahnhof abholen sollten, um
sie zum Gasthof Tscharmann zu begleiten.
ca. 10.00 Uhr
Vom Plan der Schattendorfer Frontkämp-
fer erhielten die hiesigen Schutzbündler am
Vormittag des 30. Jänner durch den von
Wien kommenden Friedrich Hofmann
Kenntnis. Oberleutnant Friedrich Hofmann
diente in der Wiener Volkswehr, war Lan-
desführer des Wiener Schutzbundes, Se-
kretär der Schutzbund-Reichsleitung und
als Referent der SDAP-Veranstaltung in
Schattendorf vorgesehen.
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33
Anmeldung der
Frontkämpferver-
sammlung für den
30. Jänner 1927.
Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Polizei – Vereine
Foto: Josefa Trimmel-Tscharmann
Gasthaus
Tscharmann, das
Vereinslokal der
Frontkämfer, in
den 1920er
Jahren.
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SCHATTENDORF 1927
34
ca. 11.00 Uhr
Gerüchteweise war zu vernehmen, dass
die Frontkämpfer versuchen würden, die
sozialdemokratische Veranstaltung zu
sprengen. Eine Beratung über die weitere
Vorgangsweise fand im Gasthof Paul Moser
statt. Daran nahmen neben Hofmann auch
der Bezirksleiter des Schutzbundes und
Leiter der Ortsgruppe Baumgarten Thomas
Preschitz, die Gruppenleiter Michael Tran-
ker (Schattendorf) und Josef Wild (Draß-
burg), der SDAP-Obmann von Schatten-
dorf Johann Pinter und mehrere andere
Mitglieder teil. Man kam überein, eine ak-
kordierte Aktion gegen die Pläne der
Frontkämpfer zu starten, in welche auch
andere Schutzbundgruppen der Umgebung
eingebunden sein sollten. Hofmann ver-
fasste einen Brief, der zur Teilnahme an
der Veranstaltung aufforderte. Ein Fahrrad-
bote brachte den Brief nach Klingenbach.
Preschitz mobilisierte die Gruppen Baum-
garten und Draßburg persönlich.
Es war abzusehen, dass kein hoher bur-
genländischer Parteifunktionär in Schatten-
dorf anwesend sein würde, da zeitgleich in
Neufeld eine Veranstaltung der Sozialde-
mokratischen Jugendorganisation geplant
war, an welcher die Führungsriege der
SDAP teilnehmen sollte. Es darf aber ange-
nommen werden, dass die Mobilisierung
vierer Schutzbundeinheiten nicht die Zu-
stimmung der Parteileitung erhalten hätte,
da diese versuchte, möglichen Provokatio-
nen aus dem Weg zu gehen.
Am 18. Mai 1927 erhält der Schattendorfer Schutzbund vom Obmann des Zentralver-
bandes, Dr. Julius Deutsch, die offizielle Genehmigung zur Gründung einer Ortsgruppe.
Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Vereinsakte
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 32
ca. 11.30 Uhr
Der Fahrradkurier erreichte am späten
Vormittag Klingenbach, wo im Zuge einer
improvisierten Versammlung der Brief ver-
lesen wurde. Nach kurzer Diskussion ent-
schied man, dem Ruf Hofmanns und der
Schattendorfer Genossen Folge zu leisten.
Die Abteilung trug Zivil und die Schutz-
bundkappe, verstieß aber dennoch gegen
ein behördlich verhängtes Uniformierungs-
verbot und überschritt gleichzeitig den in
den Klingenbacher Statuten festgelegten
Wirkungsbereich, der auf den Bezirk Ei-
senstadt eingeschränkt war.
ca. 12.00 Uhr
Der Schattendorfer Postenkommandant,
Gruppeninspektor Johann Wittwer, infor-
mierte sich bei Bürgermeister Johann Grafl
über die geplante Veranstaltung der SDAP,
von der er gerüchteweise erfahren hatte.
Im Laufe des Gesprächs, bei welchem
auch Hofmann anwesend war, kam auch
zur Sprache, dass Schutzbündler aus ande-
ren Orten in Schattendorf erwartet wür-
den.
ca. 13.15 Uhr
Die Schutzbundgruppen von Schatten-
dorf, Baumgarten, Draßburg und Klingen-
bach trafen beim Gasthaus Moser ein.
Aus Klingenbach marschierten 25 Mann
an, die Gruppe Schattendorf war die zah-
lenmäßig stärkste mit 39 Schutzbündlern.
Aus Draßburg kamen 28, aus Baumgarten
folgten 20 Mann dem Aufruf Hofmanns.
Insgesamt sammelten sich 112 Angehörige
des Republikanischen Schutzbundes und
nach einer kurzen Lagebesprechung er-
folgte der Abmarsch mit Ziel Bahnhof Loi-
persdorf-Schattendorf, um – wie vorgese-
hen – den Einmarsch der Frontkämpfer
nach Schattendorf zu verhindern.
ca. 13.30 Uhr
Auf der Höhe des Gasthauses Tschar-
mann, des Vereinslokales der Frontkämp-
fer, brach eine Gruppe von 10-15 Schutz-
bündlern, darunter Thomas Preschitz, aus
der Marschkolonne aus und dang ins Lokal
ein. Dort kam es zur ersten Auseinander-
setzung des Tages, im Zuge derer der
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35
Gasthaus Moser
(spätere Abbil-
dung), das
Vereinslokal der
Schattendorfer So-
zialdemokraten.
Foto: Burgenländisches Landesarchiv
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36
Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Polizeiakt
Liste der beteiligten Schutzbündler aus Schattendorf
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Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Polizeiakt
Liste der beteiligten Schutzbündler aus Klingenbach, darunter befindet sich an zweiter
Stelle der Name von Matthias Csmarits.
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38
Wirtssohn Josef Tscharmann einen ersten
Schuss abgab, um die Gendarmerie zu alar-
mieren.
Dem herbeigeeilten Gruppeninspektor
Johann Wittwer gelang es, den Streit zu
schlichten.
Der Großteil der Gruppe marschierte in-
des zum Bahnhof weiter. Dort bezogen die
Schutzbündler vorerst Stellung.
ca. 14.40 Uhr
Der Zug mit den aus Wien erwarteten
Frontkämpfern traf ein. Dieser Gruppe, die
nur aus 10 Personen bestand, gehörten ne-
ben acht Mattersburger Frontkämpfern
zwei hohe Funktionäre aus Wien an:
Hauptmann a. D. Anton Seifert sowie der
Sekretär der Österreichischen Frontkämp-
fervereinigung, Josef Landgraf. Es kam zu
einer Rauferei mit einem Teil der Schutz-
bündler, woraufhin sich die Frontkämpfer
im Bahnhofsgelände verschanzten.
Die Situation geriet außer Kontrolle und
Revierinspektor Anton Schmied ersuchte
das Gendarmeriebezirkskommando Mat-
tersburg um Verstärkung.
Unter Vermittlung der Gendarmerie ver-
ständigte man sich darauf, die Veranstal-
tung im Gasthaus Tscharmann abzusagen.
Die Frontkämpfer zogen sich entlang der
Bahnlinie Richtung Mattersburg zurück.
ca. 14.45 Uhr
Nachdem die etwa 40 Mitglieder der
Frontkämpfer Ortsgruppe Loipersbach bei-
nahe zeitgleich den Bahnhof erreicht hat-
ten, kam es zu der erwarteten Schlägerei,
bei der die ersten Schüsse fielen. Die Loi-
persbacher traten auf Grund des unglei-
chen Kräfteverhältnisses den Rückmarsch
an. Niemand wurde ernsthaft verletzt, le-
diglich der Kommandant der Loipersba-
cher Frontkämpfer erlitt durch einen Streif-
schuss am Ohr eine leichte Verletzung.
ca. 15.45 Uhr
Der Schutzbund hatte seine Ziele ge-
waltsam durchgesetzt: Den auswärtigen
Frontkämpfern wurde der Einmarsch in
Foto: Burgenländisches Landesmuseum
Bahnhof Loipers-
bach-Schattendorf
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den Ort verweigert und die Schattendorfer
Frontkämpfer mussten ihre Generalver-
sammlung absagen. Im Bewusstsein, sich
in voller Linie gegen den politischen Geg-
ner durchgesetzt zu haben, marschierten
die Schutzbündler zurück zum Gasthof
Moser. Sie wurden begleitet von Parteigän-
gern der SDAP, aber auch von Unbeteilig-
ten – darunter Frauen und Kinder.
Im Ort verbreitete sich inzwischen aber
bereits das Gerücht, dass der Loipersba-
cher Frontkämpferkommandant erschos-
sen worden sei.
ca. 16.00 Uhr
Ein weiteres Mal passierte der Zug des
Schutzbundes das Gasthaus Tscharmann,
in dem sich etliche Frontkämpfer aufhiel-
ten. Aus der am Ende marschierenden Klin-
genbacher Ortsgruppe lösten sich einige
Schutzbündler aus dem Verband und dran-
gen ins Gasthaus ein, darunter auch der
Klingenbacher Schutzbündler Matthias
Csmarits. Steine flogen auf die Außenfas-
sade des Gebäudes und Drohungen wur-
den geäußert. Einige Frontkämpfer, darun-
ter auch die beiden Wirtssöhne Josef und
Hieronymus Tscharmann sowie deren
Schwager Josef Pinter, fühlten sich bedroht
und zogen sich in die Privatwohnung des
Gasthauses zurück, in der schon auf Grund
der Vorkommnisse des frühen Nachmittags
geladene Gewehre bereitstanden.
Während Josef Tscharmann einige
Schüsse auf die gegenüberliegende Hof-
mauer abgab, um die bereits in den Hof
Beim Rückmarsch vom Bahnhof zum Gasthaus Moser passierten die Schutzbündler
erneut das Gasthaus Tscharmann.
Foto: Burgenländisches Landesarchiv
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Privathaus Tscharmann: Straßenansicht mit Beschädigungen an der Hausmauer,
die von Steinwürfen verursacht wurden.
Foto: Burgenländisches Landesarchiv
Gasthaus Tschar-
mann – Innenhof:
Um die ins Gast-
haus eingedrunge-
nen Schutzbünd-
ler zu vertreiben
feuert Josef
Tscharmann ei-
nige Schüsse auf
die gegenüberlie-
gende Gasthaus-
mauer ab.
Foto: Burgenländisches Landesarchiv
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SCHATTENDORF 1927
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Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Polizeiakt
Tatortskizze
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42
und in die Küche eingedrungenen Schutz-
bündler zu vertreiben, feuerten Hierony-
mus Tscharmann und Johann Pinter von
einem straßenseitigen, vergitterten Fenster
auf die Straße. Auch Josef Tscharmann
kam in das vordere Zimmer und gab noch
mindestens einen Schuss ab, wie er später
selbst gestand.
Die Schüsse hatten verheerende Folgen:
Mehrere Personen, zum Teil unbeteiligte
Schaulustige, wurden verletzt, zwei Men-
schen aber, der sechsjährige Josef Grössing
aus Schattendorf und der Klingenbacher
Schutzbündler Matthias Csmarits, blieben
inmitten der auseinander tobenden Men-
schenmenge tödlich getroffen liegen.
Csmarits wurde von einer Schrotladung
von hinten in Kopf und Nacken getroffen.
Der kleine am gegenüberliegenden Stra-
ßenrand stehende Junge starb an einem
Herzschuss.
Später Nachmittag
Fahrradkuriere der Sozialdemokraten
verbreiteten die Nachricht über die Ge-
walttat in Neufeld und Eisenstadt. Nur mit
Mühe konnte die spontane Mobilisierung
einzelner Schutzbundgruppen (darunter
der Eisenstädter Schutzbund) verhindert
werden.
Auch die Frontkämpfer von Mattersburg
hatten am Nachmittag eine Mobilisierung
erwogen, nachdem Seifert und Landgraf
von dem Vorfall am Schattendorfer Bahn-
hof berichtet hatten.
Standorte, an denen Josef Grössing und Matthias Csmarits tödlich getroffen wurden.
Foto: Burgenländisches Landesarchiv
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Foto: Burgenländisches Landesmuseum
Ehrenwache an
der Stelle, wo
Matthias Csmarits
zu Tode kam.
Foto: Burgenländisches Landesmuseum
Totenwache am Grab Josef Grössings
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 41
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Abends
Als einziges Mitglied der SDAP-Landes-
leitung kam Landesparteisekretär Hans
Bögl persönlich nach Schattendorf, um
sich ein Bild der Lage zu machen.
31. Jänner 1927
Der Unmut über das Schattendorfer Er-
eignis äußerte sich in spontanen Protest-
kundgebungen in mehreren Großbetrieben
Wiens und Wr. Neustadts.
Im Burgenland reagierte die SDAP-Par-
teileitung sofort und versuchte die Protest-
welle in geordnete Bahnen zu lenken; für
den Vormittag wurde in Neufeld eine Pro-
testversammlung angekündigt. Die Sirenen
der Neufelder Industriebetriebe gaben um
11.00 Uhr das Signal, die Arbeit niederzu-
legen. Landtagsabgeordneter Franz Schön,
der Bürgermeister von Neufeld und Lan-
deshauptmannstellvertreter Ludwig Leser
sprachen bei der Protestversammlung, an
der 6.000 Personen teilnahmen.
2. Feber 1927
Die Begräbnisse der beiden Opfer in Klin-
genbach und Schattendorf wurden beein-
druckende sozialdemokratische Kundge-
bungen, an denen mehr als 10.000 Perso-
nen teilnahmen. In ganz Österreich wurde
um 11.00 Uhr ein 15minütiger General-
streik abgehalten.
3. Feber 1927
Bei der Nationalratssitzung kam es zu
tumultartigen Szenen. Die Sozialdemokra-
tischen Abgeordneten forderten in einer
dringlichen Anfrage die Regierung auf, die
Schuldigen von Schattendorf zur Verant-
wortung zu ziehen und die Frontkämpfer-
vereinigung aufzulösen.
8. Feber 1927
In der Landtagssitzung verurteilten alle
im Landtag vertretenen Parteien die Ereig-
nisse von Schattendorf auf das Schärfste.
Eine gemeinsam getragene Resolution be-
Foto: Burgenländisches Landesmuseum
Nach dem Begräb-
nis von Josef
Grössing, das um
14.00 Uhr stattge-
funden hatte, zog
ein 10.000 Men-
schen umfassender
Trauerzug nach
Klingenbach, wo
um 16.00 Uhr
Matthias Csmarits
beerdigt wurde.
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 42
inhaltete die ernste Mahnung, politische
Kämpfe mit geistigen Waffen auszutragen
und die Absicht, gegen „hochverräterische
Elemente“ mit aller Strenge vorzugehen.
5.–14. Juli 1927
Am 5. Juli begann im Wiener Landesge-
richt für Strafsachen II der Prozess gegen
Josef Tscharmann, Hieronymus Tschar-
mann und Johann Pinter. Dieser Geschwo-
renengerichtsprozess verlief unter reger
Anteilnahme der Presse und der Öffent-
lichkeit. Die Anklage lautete auf: „Verbre-
chen der öffentlichen Gewalttätigkeiten
durch boshafte Handlungen unter beson-
ders gefährlichen Verhältnissen nach § 87
des Österreichischen Strafgesetzes“. Über
100 Zeugen wurden vorgeladen, 42 Zeu-
genaussagen verlesen. Die Angeklagten
selbst bestritten nie, die tödlichen Schüsse
abgegeben zu haben, gaben jedoch an,
nicht in der Absicht geschossen zu haben,
zu töten oder zu verletzen. Der für alle
überraschende Freispruch war darin be-
gründet, dass es die Anwälte geschickt ver-
standen hatten, die eigentliche Schuld dem
Schutzbund zuzuweisen.
15. Juli 1927
Die Nachricht über den Freispruch der
Angeklagten und ein Artikel von Friedrich
Austerlitz, Chefredakteur der Arbeiter-Zei-
tung, lösten in Wien spontane Demonstra-
tionen aus. Kristallisationspunkt des Unmu-
tes war der Justizpalast, der infolge in
Brand gesetzt wurde. Die Intensität der
Proteste überraschte den Schutzbund ge-
nau so wie die Polizei. Trotz intensivster
Bemühungen der handelnden Personen
(Dr. Julius Deutsch und Polizeipräsident
Dr. Johann Schober) eskalierte die Situation.
Der 15. Juli 1927 kostete 89 Menschen
das Leben, über 600 Personen wurden ver-
letzt. Österreich stand am Rande eines
Bürgerkrieges – und die Demokratie am
Wendepunkt.
SCHATTENDORF 1927
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Foto: Burgenländisches Landesmuseum
Wien, 15. Juli
1927: Mit Karabi-
nern bewaffnete
Polizei.
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 43
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Feuerwehr nach dem Brandeinsatz vor dem zerstörten Justizpalast.
Foto: Burgenländisches Landesmuseum
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 44
J
osef Grössing war der Sohn des Ei-
senbahners Josef sen. (geb. 1881)
und der Susanne Grössing (geb.
1884). Vater Josef war zwar nicht Mitglied
des Schutzbundes, stand der Sozialdemo-
kratie allerdings ideologisch nahe. Josefs
Schwester Susanne war 14 Jahre alt, als ihr
Bruder starb. Mutter Susanne sollte ihren
Sohn nur um zehn Jahre überleben – sie
starb im Jahr 1937.
Am Tag des tragischen Ereignisses be-
gleitete Josef mit einer Gruppe von Gleich-
altrigen den Aufmarsch des Schutzbundes
durch den Ort. Als es am Nachmittag beim
Gasthof Tscharmann zu Auseinanderset-
zungen kam, stand Josef auf der gegen-
überliegenden Straßenseite. Aus dem
Tscharmannhaus wurden mehrere Schüsse
abgegeben. Dabei traf ihn eine Schrotla-
dung ins Herz. Er lief noch wenige
Schritte bis zum benachbarten Haus und
brach dort tot zusammen. Der neben Josef
stehende Josef Haring wurde leicht an
Hand und Oberschenkel verletzt.
Das am 2. Februar stattfindende Begräb-
nis gestaltete sich zu einer sozialdemokrati-
schen Machtdemonstration, an der mehr
als 10.000 Trauergäste teilnahmen. Am
Grab von Josef Grössing sprachen Bundes-
rat bzw. Obmann des Vereins „Freie
Schule – Kinderfreunde“ Max Winter, Lan-
deshauptmannstellvertreter Ludwig Leser
und Bürgermeister Johann Grafl. Jahr-
zehnte nach dem Begräbnis sorgte seine
letzte Ruhestätte für Aufsehen, da diese im
Zuge von Straßenarbeiten verlegt werden
musste. Im Jahr 1984 errichtete die SPÖ
eine Gedenktafel, die an die Opfer des 30.
Jänner 1927 erinnert.
1997, 70 Jahre nach seinem Tod, be-
nannte die Gemeinde Wien nach ihm eine
Freizeitanlage am nördlichen Stadtrand:
den Josef-Grössing-Park.
BIOGRAFIEN
47
JOSEF GRÖSSING
(12.2.1920–30.1.1927)
Foto: Burgenländisches Landesarchiv
Nachstellung aus dem Polizeiakt, zeigt
den Standort der Kindergruppe um Josef
Grössing.
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 45
BIOGRAFIEN
48
D
er Bauarbeiter Matthias Csmarits
wurde 1892 in Klingenbach ge-
boren. Er war verheiratet mit
Maria (geb. Reisner) und hinterließ einen
sechsjährigen Sohn namens Franz.
Im Ersten Weltkrieg wurde Csmarits
dreimal verletzt und verlor ein Auge. Nach
dem Fall der Räteregierung Bela Kuns floh
Csmarits, wie viele Arbeiter der Umge-
bung, aus Angst vor ungarischen Zwangs-
maßnahmen ins nahegelegene Niederöster-
reich. Im Jahr 1921 beteiligte er sich an
den Kämpfen um das Burgenland. Matthias
Csmarits war dann vorübergehend arbeits-
los, erhielt aber bald eine Beschäftigung als
Bauarbeiter bei den Elektrizitätswerken
der Stadt Wien. Seit Mitte Jänner 1927
war er erneut arbeitslos. Der gebürtige
Kroate war fest im Organisationsgeflecht
der Sozialdemokratie verankert: Mitglied
der Sozialdemokratischen Partei, der Frei-
denker, des Unterstützungsvereins der
Elektrizitätswerke und Mitglied des Klin-
genbacher Schutzbundes.
Nachdem die Schutzbündler erfahren
hatten, dass am 30. Jänner auch auswär-
tige Frontkämpfer in Schattendorf erwartet
wurden, erfolgte umgehend die Mobilisie-
rung von Schutzbundgruppen der näheren
Umgebung. Im Laufe des Vormittages
machte sich der Klingenbacher Schutz-
bund, darunter Matthias Csmarits, auf den
Weg nach Schattendorf. Csmarits war auch
an der Auseinandersetzung mit Front-
kämpfern am Bahnhof Schattendorf-Loi-
persbach beteiligt. Dabei geriet Csmarits
mit der Gattin des Bahnhofvorstehers Mar-
gera in ein kurzes Wortgefecht. Darin be-
klagte er, dass seine Kinder Hunger leiden
müssten. Kurz vor 16.00 Uhr marschierte
der Zug der Schutzbündler zurück in Rich-
tung Gasthof Moser. Die Klingenbacher
Gruppe war am Ende der Marschkolonne
gereiht. Auf der Höhe des Vereinslokales
der Frontkämpfer lösten sich einige
Schutzbündler aus der Formation und
drangen ins Gasthaus Tscharmann ein.
Darunter befand sich auch Matthias Csma-
rits. Es fielen Schüsse. Wieder auf der
Straße, versuchte Csmarits hinter einem
Baum Deckung zu nehmen. Mehrere
Schrotkugeln trafen ihn in den Kopf. Mat-
thias Csmarits war sofort tot, sein Leich-
nam wurde im Gemeindegasthaus Moser
aufgebahrt.
Am 2. Februar fand das Begräbnis statt.
Grabreden hielten der Parteiideologe Otto
MATTHIAS CSMARITS
(15.9.1892–30.1.1927)
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 46
BIOGRAFIEN
49
J
osef Tscharmann war Sohn der Gast-
hausbesitzer Josef und Maria Tschar-
mann. Er besuchte die Volksschule in
Schattendorf. Vater Josef führte neben dem
Gasthaus auch eine Landwirtschaft. Er war
ein tüchtiger Wirt und brachte es zu eini-
gem Wohlstand. Das Gasthaus „Zum lusti-
gen Bauern“, wie das Lokal auf Postkarten
bezeichnet wurde, war das erste private
Wirtshaus im Ort und galt als Treffpunkt
JOSEF TSCHARMANN JUN.
(2.7.1896–15.11.1972)
„Josef Tscharmann jun. geboren am 2. JULI 1896 in Schattendorf Bezirk Mat-
tersburg im Burgenland und zuständig, österr. Bundesbürger kath.verheiratet,
dessen Gattin heisst Maria Tscharmann hat ein Kind im Alter von 1 1/2 Jahren,
vermögenslos, Landwirtsohn, kann lesen und schreiben, hat 6 klassige Volks-
schulbildung, dessen Eltern heissen Josef und Maria Tscharmann, zuletzt in
Schattendorf Nr. 59 wohnhaft und ist bisnun straflos.“
(zitiert aus dem Polizeiakt)
Bauer, Landeshauptmannstellvertreter Lud-
wig Leser, der Führer des Republikani-
schen Schutzbundes Julius Deutsch und
Landtagsabgeordneter Anton Propst. Mehr
als 10.000 Trauergäste nahmen am Be-
gräbnis teil.
Das Grab von Matthias Csmarits wurde
zur „Pilgerstätte“ für die Arbeiterbewe-
gung. Matthias Csmarits und Josef Grös-
sing waren die ersten politischen Opfer des
Burgenlandes. Bis heute legen die Roten
Falken am 30. Jänner an seinem Grab ei-
nen Kranz nieder.
Foto: Burgenländisches Landesarchiv
Das Bild zeigt die Stelle, an der Matthias
Csmarits tödlich getroffen wurde.
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 47
der Bürgerlichen. Das Lokal wurde zum
Vereinslokal der Frontkämpfervereinigung,
die am 25. Juli 1926 in Schattendorf ge-
gründet wurde. Josef Tscharmann jun., der
bereits früh mitarbeitete, übernahm
schließlich das Gasthaus und führte es bis
zu seinem Tod. Die Familie pflegte gute
wirtschaftliche und private Kontakte nach
Ungarn, die durch den Anschluss des Bur-
genlandes an Österreich erschwert wur-
den. Als Jagdpächter lud die Familie zu
Jagdgesellschaften ein, an denen auch Un-
garn teilnahmen.
Für den 30. Jänner 1927 war im väterli-
chen Gasthaus die „Jahreshauptversamm-
lung“ der Frontkämpfer von Schattendorf
angesagt. Gegen 13.30 Uhr drangen meh-
rere Schutzbündler in das Gasthaus ein
und verlangten nach Wein. Es kam zu hef-
tigen Wortgefechten. Auf Ersuchen seines
Vaters feuerte Josef, mit der Absicht die
Gendarmerie zu alarmieren, mehrere
Schüsse in die Luft ab. Die heraneilende
Gendarmerie konnte die Lage vorerst wie-
der beruhigen.
Nach einer Auseinandersetzung zwi-
schen Loipersbacher Frontkämpfern und
den Schattendorfer Schutzbündlern beim
Bahnhof marschierte gegen 16.00 Uhr der
Schutzbund ein weiteres Mal am Gasthof
vorbei. Durch das abermalige Eindringen
von Schutzbündlern ins Lokal verängstigt,
zog sich Josef mit einer Gruppe von Front-
kämpfern ins gegenüberliegende Wohn-
haus der Familie zurück und ergriff ein für
diesen Fall bereitgestelltes Gewehr. Er feu-
erte zunächst drei Schüsse aus dem hinte-
ren Wohnzimmer in das gegenüberlie-
gende hofseitige Gebäude und begab sich
dann in das straßenseitig gelegene Wohn-
zimmer. Nach eigenen Aussagen soll er
von dort aus einen einzigen Schuss auf die
Straße abgegeben haben.
Gerüchten zufolge gewährte ihm der
Dorfpfarrer Josef Kleindl, dem ein Nahver-
hältnis zur Frontkämpferbewegung nach-
gesagt wurde, nach seiner Flucht Unter-
schlupf. Kleindl war außerdem der Onkel
von Josefs Gattin Maria, wodurch auch
eine verwandtschaftliche Bindung exi-
stierte. Am 31. Jänner wurde Josef Tschar-
mann verhaftet und ins Bezirksgericht
Mattersburg überstellt.
Am 5. Juli begann der Schwurgerichts-
prozess, im Zuge dessen er am 14. Juli
überraschend freigesprochen wurde.
Daran waren die drei „Staranwälte“, die
die Frontkämpfer organisiert hatten, nicht
unbeteiligt. Als Josef enthaftet wurde, wa-
ren die Unruhen des 15. Juli bereits im
Gang. Dadurch beunruhigt und verängstigt
entschied er sich gemeinsam mit den bei-
den Mitangeklagten, in Ungarn Zuflucht
zu suchen. Nachdem es im Burgenland zu
keinen Ausschreitungen gekommen war,
kehrten sie wieder nach Schattendorf zu-
rück.
Josef Tscharmann war als Hilfsgendarm
(HIGA) im Zweiten Weltkrieg und lebte bis
zu seinem Tod im Jahr 1972 in Schatten-
dorf. Politisch wurde Josef nicht mehr aktiv.
BIOGRAFIEN
50
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 48
BIOGRAFIEN
51
H
ieronymus war Sohn der Gast-
hausbesitzer Josef und Maria
Tscharmann. Er hatte zwei
Schwestern – Theresia und Maria – sowie
die zwei Brüder Josef und Paul. Paul
Tscharmann fiel im Ersten Weltkrieg. An-
fang der 1920er Jahre kaufte Josef Tschar-
mann sen. die Mühle, die sein Sohn Hiero-
nymus bis zu seinem Tode als letzter
Schattendorfer Müllermeister führte. Wie
sein Vater und sein Bruder pflegte auch
Hieronymus gute wirtschaftliche und pri-
vate Kontakte nach Ungarn. Sein Taufpate
stammte aus Ödenburg. Vom Anschluss
des Burgenlandes an Österreich erwartete
Hieronymus wirtschaftliche Nachteile.
Darin könnte auch das Motiv seiner Mit-
gliedschaft bei der Frontkämpfervereini-
gung liegen, da die burgenländischen
Frontkämpfer gerüchteweise für den Wie-
deranschluss an Ungarn agitierten. Wider-
sprüchlich scheint hingegen, dass er als
Nicht-Weltkriegsteilnehmer – Hieronymus
war zu Kriegsbeginn gerade neun Jahre alt
– einer Vereinigung der ehemaligen Kriegs-
teilnehmer beitrat.
Am Vorabend des 30. Jänner 1927 be-
suchte Hieronymus Tscharmann wie viele
seiner Altersgenossen eine Ballveranstal-
tung der Sozialdemokraten. Gezeichnet
vom Vortag schlief er in der Mühle, bis er
am frühen Nachmittag von Familienange-
hörigen um Hilfe gerufen wurde. Zuvor
war es im väterlichen Gasthaus bereits zu
einer ersten Kontroverse mit Schutzbünd-
lern gekommen. Als gegen 16.00 Uhr die
Schutzbundgruppe erneut das Gasthaus
passierte und Drohgebärden äußerte, zog
sich Hieronymus mit seinem Bruder Josef,
HIERONYMUS
TSCHARMANN
(15.2.1905*–18.2.1994)
„Hieronymus Tscharmann ist am 15. Feber 1905 in Schattendorf Bezirk Matters-
burg im Burgenlande geboren und zuständig, österr. Staatsbürger, röm.kath.
ledig, wirtschaftlicher Hilfsarbeiter, in Schattendorf Nr. 59 wohnhaft, kann lesen
und schreiben, besitzt kein Vermögen hat für niemanden zu sorgen, Eltern Josef
und Maria Tscharmann geborene Pinter und sind hier keine Vorstrafen bekannt.“
(zitiert aus dem Polizeiakt)
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 49
BIOGRAFIEN
52
dem Schwager Johann Pinter und mehre-
ren Frontkämpfern in die elterliche Woh-
nung zurück. Mit den dort bereitgestellten
Schusswaffen wurde straßenseitig auf die
vorbeimarschierende Menschengruppe das
Feuer eröffnet. Bis heute ist nicht geklärt,
wer tatsächlich die tödlichen Schüsse ab-
gab.
Unmittelbar nach der Tat hielten sich die
Schützen versteckt.
Beim folgenden Schwurgerichtsprozess
wurden Hieronymus Tscharmann und die
Mitangeklagten von einer Gruppe von
„Staranwälten“ vertreten, unter welchen
sich auch der Nazijurist Dr. Walter Riehl
befand. Um sich die Rechtsvertretung lei-
sten zu können, musste die Familie meh-
rere Grundstücke veräußern. Nach dem
unerwarteten Freispruch zog es Hierony-
mus vor, die folgenden Tage in Ungarn zu
verbringen. Nach seiner Rückkehr in sein
Heimatdorf war er dann weiterhin als Mül-
ler tätig.
Als Soldat der Deutschen Wehrmacht
geriet er in jugoslawische Kriegsgefangen-
schaft, aus der er 1946 entlassen wurde.
Hieronymus Tscharmann vermied jede
weitere politische Tätigkeit im Ort. Erst
seine Tochter Josefa wurde wieder kom-
munalpolitisch tätig.
Zeit seines Lebens vermied Hieronymus
Tscharmann jegliche Diskussion über die
Ereignisse von 1927.
* Das Standesamt von Schattendorf vermerkt den Geburtstag am 14.3.1905.
JOHANN PINTER
(16.4.1901*–8.5.1985)
„Johann Pinter ist am 16. April 1901 in Schattendorf Bezirk Mattersburg im
Burgenlande geboren und zuständig, in Schattendorf 190 wohnhaft österr.
Staatsbürger, röm.kath.verheiratet, kann lesen und schreiben, besitzt kein Ver-
mögen hat für seine Gattin Maria und 1 Kind im Alter von 2 1/2 Jahren zu sor-
gen, Eltern Johann und Barbara Pinter und erscheint ha. nicht vorbestraft auf.“
(zitiert aus dem Polizeiakt)
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 50
J
ohann Pinter entstammte einer Schat-
tendorfer Bauernfamilie. Er übernahm
den elterlichen Hof und führte diesen
bis zu seiner Pensionierung. Seine Gattin
Maria war die Schwester von Josef und Hie-
ronymus Tscharmann, mit denen er auch
freundschaftlich verbunden war. Während
seiner Schulzeit litt er besonders unter der
durch eine restriktive Magyarisierungspoli-
tik verordneten ungarischen Schulsprache.
Ganz in diesem Sinne befürwortete er den
Anschluss des Burgenlandes an Österreich.
Seine politische Orientierung war also eher
Großdeutsch. Infolge dessen stand seine
Motivlage bezüglich einer Mitgliedschaft in
der Frontkämpfervereinigung jener der Brü-
der Tscharmann konträr gegenüber. Im Ge-
gensatz zu seinen beiden Schwagern, pas-
sionierte Jäger, war Johann im Umgang mit
Schusswaffen eher ungeübt.
Nachdem es am besagten 30. Jänner ge-
gen 13.30 Uhr zu ersten Auseinanderset-
zungen mit Schutzbündlern gekommen
war, fand sich auch Johann Pinter im Gast-
haus seines Schwiegervaters ein. Bereits zu
Mittag desselben Tages waren Gewehre im
Wohntrakt des Hauses positioniert wor-
den. Um ca. 16.00 Uhr wurde das Gast-
haus Tscharmann ein weiteres Mal Schau-
platz von Auseinandersetzungen. Zu die-
sem Zeitpunkt befand sich Johann Pinter
bereits im Gasthof, bereit den Schutzbünd-
lern entschieden entgegenzutreten. Die
in Unterzahl befindlichen Frontkämpfer
flüchteten aus der Gaststube und begaben
sich, wie vorgesehen, in den Wohntrakt
der Tscharmanns. Von hier wurde das
Feuer eröffnet. Johann Pinter wurde dabei
erkannt, mehrere Schüsse abgegeben zu
haben. Ungeklärt bleibt, ob er einer der To-
desschützen war.
Johann Pinter hielt sich aus Angst vor
der Rache der Schutzbündler versteckt,
wurde aber bald gefasst. Die Freundschaft
zu Josef Tscharmann war auf Grund der
Tatsache, dass dieser ihn bei der ersten
Vernehmung schwer belastete, auf eine
harte Probe gestellt.
Nach eingehender Untersuchung wurde
gegen Johann Pinter und die anderen Be-
teiligten die Anklage wegen „Verbrechen
der öffentlichen Gewalttätigkeiten durch
boshafte Handlungen und besonders ge-
fährlichen Verhältnissen nach § 87 des
Österreichischen Strafgesetztes“ erhoben.
Sowohl Johann Pinter als auch seine bei-
den Schwager bestritten nie, die tödlichen
Schüsse abgegeben zu haben, doch gaben
sie an, nicht in der Absicht geschossen zu
haben, zu töten oder zu verletzten.
Nach dem Freispruch und seiner Rück-
kehr nach Schattendorf stellte sich für ihn
nie die Frage, aus seinem Heimatort weg-
zuziehen.
Auch in der Familie Pinter wurden die
Geschehnisse verdrängt. Von der Beteili-
gung an den tragischen Ereignissen, die
zum Tod zweier Menschen führten, erfuhr
Johann Pinters Sohn erst mit 16 Jahren im
Zuge einer Wahlveranstaltung. Während
sich Johann Pinter allen Fragen seiner
Kinder verschloss, war es die Mutter,
die diesen vom tragischen Ereignis des
30. Jänner 1927 erzählte.
BIOGRAFIEN
53
* Das Standesamt von Schattendorf vermerkt den Geburtstag am 13.4.1901
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 51
ZEITTAFEL
54
1 9 2 1
09.01.
Konstituierung der „Burgenländischen Lan-
desorganisation der Sozialdemokratischen
Arbeiterpartei“ in Wiener Neustadt – Ob-
mann: Johann Fiala
25.01.
„Burgenlandgesetz“ – Bundesverfassungsge-
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Wien – Obmann: Rudolf Gruber
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02.02.
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18.06.
Im Burgenland werden die ersten Wahlen
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schen Landtages in der ehemaligen Militär-
oberrealschule in Eisenstadt
19.07.
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regierung – Landeshauptmann: Dr. Alfred
Rausnitz
1 9 2 3
25.03.
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12.07.
Gesetz über die Einführung der 8jährigen
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14.07.
Demission von Landeshauptmann Rausnitz
– Dr. Alfred Walheim wird zum neuen
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21.10.
Nationalrats- und Landtagswahlen im Bur-
genland
13.11.
Beginn der II. Wahlperiode (= Legislaturpe-
riode) des Burgenländischen Landtages
1 9 2 4
04.01.
Neuwahl der Burgenländischen Landesre-
gierung – Landeshauptmann: Josef Rauhofer
29.04.
Gemeindeordnung für alle burgenländi-
schen Gemeinden mit Ausnahme der Frei-
städte Eisenstadt und Rust
19.07.
Eröffnung der Burgenländischen Arbeiter-
kammer
30.07.
Eröffnung der Burgenländischen Handels-
kammer
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 52
ZEITTAFEL
55
1 9 2 5
13.03.
Eröffnung der Burgenländischen Landwirt-
schaftskammer
30.04.
Eisenstadt ist Landeshauptstadt – Eisen-
stadt wird vom Landtag mit 20 gegen
9 Stimmen zum Sitz der Landesregierung
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15.05.
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mann Rauhofer zur Kenntnis; gleichzeitig
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den des Landeshauptmannes betraut („In-
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09.06.
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03.11.
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30.01.
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Der „Schattendorfer Prozess“ vor einem
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Brand des Justizpalastes. Blutiger Aufstand
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begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 53
Allgemeine Landestopographie des Burgenlandes. Der Verwaltungsbezirk Mattersburg,
Hg. Amt der Burgenländischen Landesregierung, Eisenstadt 1993
Hans Arthofer, Vom Selbstschutz zur Frontmiliz, 1918–1936, Wien 1936
Ernst Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs, Wien-München 2001
50 Jahre Burgenland, Burgenländische Forschungen Sonderheft III, Eisenstadt 1971
Charlotte Heidrich, Burgenländische Politik in der Ersten Republik, Bd. 4, Studien und
Quellen zur österreichischen Zeitgeschichte, Wien 1982
Norbert Leser, Paul Sailer-Wlasits (Hg.), Als die Republik brannte. Von Schattendorf bis
Wien, Wien 2001
Hugo Portisch, Österreich I. Die unterschätzte Republik, Wien 1989
Schattendorf, Seine Geschichte und seine Menschen, Hg. Marktgemeinde Schattendorf,
Schattendorf 2003
Fred Sinowatz, Gerald Schlag, Walter Feymann, Aufbruch an der Grenze. Die Arbeiter-
bewegung von ihren Anfängen im westungarischen Raum bis zum 100-Jahre-Jubiläum
der Sozialistischen Partei Österreichs, Wr. Neustadt 1989
Mario Strigl, Vom Legitimismus zum Nationalsozialismus. Die Frontkämpfervereinigung
in Österreich, Diplomarbeit Institut für Zeitgeschichte, Wien 2000
Felix Tobler, Zur Frühgeschichte der NSDAP im Burgenland, in: Burgenland 1938,
Burgenländische Forschungen Bd. 73, Eisenstadt 1989
Um Freiheit und Brot. Geschichte der burgenländischen Arbeiterbewegung von den
Anfängen bis 1945, Hg. AG zur Erforschung und Dokumentation der Geschichte der
burgenländischen Arbeiterbewegung, Eisenstadt 1984
Günther M. Unger, Die Christlichsoziale Partei im Burgenland, Burgenländische
Forschungen Bd. 49, Eisenstadt 1965
Günter M. Unger, 60 Jahre ÖVP, Familienalbum zur Geschichte der ÖVP im Burgenland,
Hornstein 2005
LITERATURVERZEICHNIS
56
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 54
Bibliografische Literatur
Johann Bögl, Burgenland. Ein Bericht zur Zeitgeschichte, Wien 1974
Julius Deutsch, Ein weiter Weg, Zürich-Wien-Leipzig 1960
Oskar Helmer, 50 Jahre erlebte Geschichte, Wien 1957
Quellenverzeichnis
Burgenländisches Landesarchiv, Vereinsakte
Burgenländisches Landesarchiv, Erhebungsakt der Gendarmerie „Frontkämpfer und
Republikanischer Schutzbund. Zusammenstoß in Schattendorf“ III-317/1927,
Konvolut ca. 210 Seiten
Burgenländisches Landesarchiv, Zeitgeschichtliche Sammlung, Polizei – Vereine
Burgenländisches Landesarchiv, Zeitgeschichtliche Sammlung, Parteiarchiv SDAP
Stenographische Protokolle des Burgenländischen Landtages, 1922–1927
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57
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 55
WIR BEDANKEN UNS FÜR DIE
FREUNDLICHE UNTERSTÜTZUNG
BEI:
Dr. Evelyn Fertl, Schattendorf
Erwin Kurz, Schattendorf
Josefa Trimmel-Tscharmann, Schattendorf
DANKSAGUNG
58
begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 56
Schattendorf 1927;  Demokratie am Wendepunkt
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Schattendorf 1927; Demokratie am Wendepunkt

  • 1.
  • 2.
  • 3. Vorwort Kulturlandesrat Helmut Bieler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Pia Bayer Konsens und Konflikt I Burgenländische Landespolitik 1922–1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Dieter Szorger Demokratie am Wendepunkt I Die Wehrverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 I Der Republikanische Schutzbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 I Die Frontkämpfervereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I Die Heimwehrbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Pia Bayer, Dieter Szorger Schattendorf 1927 I Schattendorf am Vorabend des 30. Jänner 1927 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I Das Ereignis von Schattendorf und die politischen Folgen. . . . . . . . . . . . . . . . 32 Pia Bayer, Dieter Szorger Biografien I Josef Grössing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I Matthias Csmarits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I Josef Tscharmann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I Hieronymus Tscharmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I Johann Pinter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Zeittafel 1921–1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 INHALTSVERZEICHNIS begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 1
  • 4. D ie „Schüsse von Schattendorf“ stehen in der burgenländischen und österreichischen Geschichte für den Beginn des Scheiterns eines erst jungen Demokratisierungsprozesses in der Ersten Republik. Die triste wirtschaftliche Lage führte zu einer Radikalisierung und in weiterer Folge auch Militarisierung der politischen Lager. Am Ende dieser Ent- wicklung standen zwei aufeinanderfol- gende diktatorische Regime, die der jun- gen Demokratie in Österreich ein jähes Ende setzten. Das Ereignis von Schattendorf und der Brand des Justizpalastes symbolisie- ren heute noch die vermehrte Gewalt- bereitschaft in der Gesellschaft durch paramilitärische Verbände und eine ge- waltsame Auseinandersetzung von poli- tischen Kontrahenten, die dann im Bür- gerkrieg des Jahres 1934 gipfelten. Wenn wir heute, 80 Jahre nach den „Schüssen von Schattendorf“, der Opfer von damals gedenken, rufen wir uns nicht nur die Vorgänge in der Ersten Republik in Erinnerung, sondern wollen auch jene po- sitive politische Entwicklung sehen, die unser Land nach 1945 stark gemacht hat: Ein Miteinander der Parteien nach demo- kratischen Grundsätzen, den Aufbau eines sozialen Netzes sowie die Austragung un- terschiedlicher Standpunkte im Dialog. Die Ereignisse von Schattendorf sollen uns daher stets als mahnendes Beispiel die- nen, dass Toleranz, Gesprächsbereitschaft und das Akzeptieren anderer Meinungen Grundlagen einer demokratischen Gesell- schaft sein müssen. VORWORT 4 Helmut Bieler Kulturlandesrat Sehr geehrte Damen und Herren! begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 2
  • 5. D as tragische Ereignis von Schatten- dorf vom 30. Jänner 1927 leitete in- direkt jene Radikalisierung der österreichischen Innenpolitik ein, an deren Ende die Abschaffung der parlamentari- schen Demokratie und die Auflösung der Parteien standen. Im Burgenländischen Landtag herrschte zwischen Sozialdemokaten und Christlich- sozialen darüber Konsens, keine Wehrfor- mationen zu gründen. Konflikte sollten mit Worten und nicht mit Waffen ausgetragen werden. Diese Vereinbarung hielt bis 1925/26 als die Frontkämpfervereinigung damit begann, in den Bezirken Eisenstadt, Mattersburg und Oberpullendorf Ortsgrup- pen zu gründen. Dem folgte der planmäßige Aufbau des Republikanischen Schutzbundes. Reibereien und erste Schlägereien dieser „Privatarmeen“ blieben nicht aus. Die Kon- flikte wurden zahlreicher und heftiger und er- reichten ihren ersten tragischen Höhepunkt am 30. Jänner 1927 in Schattendorf, als bei einer Auseinandersetzung zwischen Front- kämpfern und Schutzbündlern auf sozialde- mokratischer Seite der Klingenbacher Schutz- bündler Matthias Csmarits und der sechsjäh- rige Josef Grössing erschossen wurden. Als ein Geschworenengericht die ver- meintlichen Todesschützen am 14. Juli 1927 freisprach, kam es in Wien zu heftigen Massendemonstrationen und am 15. Juli zum Justizpalastbrand. Die blutigen Aus- schreitungen forderten letztendlich 89 Tote und über 600 Verletzte. Österreich stand am Rande eines Bürger- krieges. EINLEITUNG 5 begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 3
  • 6. KONSENS UND KONFLIKT 6 A m 1. Jänner 1922 fand die Land- werdung des Burgenlandes mit der Übergabe des Ödenburger Abstimmungsgebietes an Ungarn (bis auf kleine Grenzkorrekturen) ihren Abschluss. Am 18. Juni 1922 erfolgte die erste Land- tagswahl im Burgenland und diese brachte einige Überraschungen: Die Sozialdemo- kraten erreichten 38,1% der Stimmen und wurden damit stärkste Fraktion im Land- tag, während die Christlichsozialen mit 31,2% nur den zweiten Platz errangen. Der Sieg der Sozialdemokraten war ge- nauso überraschend wie das gute Ab- schneiden des Burgenländischen Bauern- bundes, der mit 17,1% deutlich die Groß- deutsche Volkspartei mit 12,8% überflü- gelte. Umgemünzt auf die Mandatsvertei- lung bedeutete dies 13 Mandate für die So- zialdemokraten, 10 für die Christlichsozia- len, 6 für den Bauernbund und 4 Mandate für die Großdeutsche Volkspartei. Die ersten Wahlen im Burgenland spie- gelten deutlich die politische Struktur des Landes wider: Die Sozialdemokratische Ar- beiterpartei rekrutierte den Großteil ihrer Wähler aus den Wanderarbeiterorten des nördlichen Burgenlandes. Darüber hinaus war es ihr gelungen, auch viele Landarbei- ter der Gutshöfe, Kleinbauern und Klein- pächter, die wirtschaftlich und gesellschaft- lich nicht besser gestellt waren als die Ar- beiter, für sich zu gewinnen. Das mittlere Burgenland (Bezirk Ober- pullendorf) teilte sich in zwei politische Landschaften – in die sozialdemokrati- schen Dörfer des nördlichen Stoobtales und des Beckens von Deutschkreutz – die BURGENLÄNDISCHE LANDESPOLITIK 1922–1927 „Ernster Wille, Schaffensfreude und Begeisterung für das öffentliche Wohl wir- ken zu wollen, sind die Voraussetzungen für eine gedeihliche Zusammenarbeit. Das burgenländische Volk muß auch zur Erkenntnis gelangen, daß politische Gegnerschaft nicht Feindschaft bedeutet, daß wir trotz gegensätzlicher An- schauungen nebeneinander leben müssen und daß dieses Leben für uns alle nur dann erträglich wird, wenn jeder die Rechte seines Mitmenschen achtet, wenn niemand in der Ausübung seiner Rechte gestört und wenn auch bei Meinungs- verschiedenheiten ein mittlerer Weg gefunden wird, der auch für den politi- schen Gegner gangbar ist.“ (aus der Antrittsrede von Landeshauptmann Josef Rauhofer am 4.1.1924, Stenographisches Protokoll) begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 4
  • 7. vorwiegend Wanderarbeiter bewohnten, sowie in den konservativen Süden und Westen des Bezirkes, wo vor allem bäuerli- che Strukturen vorherrschten. Die drei südlichen Bezirke waren über- wiegend konservativ, wobei aber nicht die Christlichsoziale Partei, sondern der Bau- ernbund die stärkste Partei stellte. Die Kroaten – rund 15% der burgenlän- dischen Bevölkerung – wählten nicht ein- heitlich eine Partei, sondern waren in zwei Lager gespalten: Während jene des mittle- ren und südlichen Burgenlandes dem christlichsozialen Lager angehörten, hatten sich ihre nördlichen Volksgenossen der So- zialdemokratie angeschlossen. Während es auf Bundesebene Dr. Ignaz Seipel gelungen war, eine Koalition von Christlichsozialen und Großdeutschen zu bilden (im Mai 1922 und damit am Höhe- punkt des burgenländischen Wahlkamp- fes), gelang es dem sozialdemokratischen Parteiführer Ludwig Leser, im Burgenland eine bürgerliche Koalition zu verhindern. Am 19. Juli 1922 konstituierte sich die ers- te Regierung des Burgenlandes als Konzen- trationsregierung. Landeshauptmann wur- de der parteiunabhängige bisherige Landes- verwalter Dr. Alfred Rausnitz. Zu den heikelsten Problemen, die es um- gehend zu lösen galt, zählte die Schulfrage. KONSENS UND KONFLIKT 7 Foto: Burgenländisches Landesmuseum Die erste burgenländische Landesregierung (1922-1923) Stehend (von links nach rechts): LR Viktor Voit (BBd), er folgte am 30.1.1923 LR Gustav Walter, LR Dr. Alfred Walheim (GdP), LAD Dr. Hugo Reissig, LR Alfred Ratz (CsP), LR Ernst Hoffenreich (SdP). Sitzend (von links nach rechts): LH-Stv. Franz Stesgal (CsP), LH Dr. Alfred Rausnitz (parteilos), LH-Stv. Ludwig Leser (SdP). begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 5
  • 8. KONSENS UND KONFLIKT 8 Im Unterschied zu Österreich, wo seit dem Reichsvolksschulgesetz von 1867 der Staat für die Schule verantwortlich war und im Wesentlichen deren Lerninhalte be- stimmte, standen die Schulen in Ungarn bis auf geringe Ausnahmen unter der Auf- sicht der Kirche, insbesondere unter jener der katholischen. Diese Zustände waren für die Sozialdemokratische Arbeiterpartei sowohl ideologisch als auch machtpolitisch unerträglich – das „klerikale Monopol“ auf Bildung sollte ein für alle mal gebrochen werden. Der „Angriff“ auf das Schulgesetz erfolgte aber nicht von sozialdemokrati- scher Seite selbst, sondern wurde vom Schulreferenten und großdeutschen Abge- ordneten Dr. Alfred Walheim eingebracht. Der Antrag wurde auch von den Bauern- bündlern unterstützt. Mit dieser Mehrheit gelang es, die Christlichsoziale Partei zu überstimmen, allerdings wurde das Gesetz auf Bundesebene blockiert. Nur das Schul- pflichtgesetz, in dem die bisherige sechs- jährige Schulpflicht auf acht Jahre verlän- gert wurde, konnte im Juli 1923 durchge- bracht werden. Der Schulstreit blieb nach wie vor brisant und war indirekt auch die Ursache für den Sturz des Landeshaupt- mannes Rausnitz, der in dieser Angelegen- heit immer mehr zur Christlichsozialen Partei tendierte. Zum unmittelbaren Anlass für den Sturz von Rausnitz wurde seine Haltung in der Landeshauptstadtfrage, in der sich dieser für das „Wiener Neustadt Projekt“ exponierte. Dieses sah vor, die alte Theresianische Akademie aus der übri- gen Stadt herauszulösen und zum burgen- ländischen Regierungssitz zu machen – ein Plan, den man Rausnitz ankreidete. Um einem Misstrauensantrag zu ent- gehen, demissionierte Rausnitz selbst am 14. Juli 1923. Dieser Rücktritt erfolgte in der gleichen Landtagssitzung, in der die politischen Parteien die Übereinkunft ge- schlossen hatten, keine privaten Wehrfor- mationen aufzustellen bzw. solche zu un- terstützen. Noch am selben Tag wurde Dr. Alfred Walheim zum neuen Landes- Foto: Burgenländisches Landesmuseum Die erste burgen- ländische Land- tagssitzung in einem Vortrags- saal der heutigen Martinskaserne, 15. Juli 1922. begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 6
  • 9. hauptmann gewählt. Die dadurch freige- wordene Landesratstelle, die proporzmäßig den Sozialdemokraten zufiel, wurde von Ignaz Till besetzt. Die neue Stärke der Sozi- aldemokratischen Arbeiterpartei kam de facto kaum mehr zum Tragen, da das ganze Jahr 1923 von einem scharfen Wahlkampf – zuerst Gemeinderatswahlen (25. März), dann Nationalrats- und Landtagswahlen (21. Oktober) – erfüllt war. Die Landtagswahlen mit einer erschre- ckend niedrigen Wahlbeteiligung von nur 70% brachten für die Sozialdemokraten, mit einem Verlust von 3.000 Stimmen, eine große Enttäuschung. Die geringe Wahlbe- teiligung hatte eine ihrer Ursachen in der Wahlmüdigkeit, die sich besonders bei den Wanderarbeitern, die fast ausschließlich so- zialdemokratische Wähler waren, auswirkte. Der Christlichsozialen Partei hingegen gelang es, über 5.000 Stimmen dazu zu ge- winnen, und darüber hinaus den Ruf einer „Magyaronenpartei“ loszuwerden. Die Großdeutsche Partei musste die schwersten Verluste hinnehmen, sie verlor 80% ihrer Stimmen. Nach langen Verhandlungen kam es Ende 1923 zum Abschluss eines rot- schwarzen Koalitionsabkommens und am 4. Jänner 1924 schließlich zur Konstituie- rung des neuen Landtages und zur Wahl der neuen Regierung. Zum Landeshaupt- mann wurde der Christlichsoziale Josef Rauhofer gewählt. Der Beginn der Ära Rauhofer verlief überraschend ruhig und politisch ausgegli- chen. Die beiden Regierungsparteien hatten in ihren Koalitionsvereinbarungen festge- legt, ihre radikalen und dem Partner unan- genehmen Forderungen beiseite zu lassen oder nur gemeinsam zu lösen. Zur ersten Bewährungsprobe der großen Koalition wurde wiederum die Schulfrage. Der über- raschend schnelle Kompromiss in dieser Angelegenheit hatte seinen Grund vor al- lem in der Tatsache, dass beide Parteien massive parteiinterne Probleme – in erster Linie Flügelkämpfe und interner Wider- stand gegen die Koalition – zu lösen hatten und sich einen Bruch der Koalition nicht leisten konnten. Im Frühjahr 1925 erlitt die Koalition einen schweren Rückschlag: Lan- deshauptmann Rauhofer sah sich außer Stande, seine Partei weiter zu führen und kapitulierte. Er nahm die Landeshauptstadt- frage zum Anlass, am 30. April 1925 über- raschend zurückzutreten. An diesem Tag entschied der Landtag, aus den drei in die engere Auswahl kommenden Orten Eisen- stadt, Sauerbrunn und Pinkafeld ersteren zum „Sitz der Landesregierung“ zu wählen – Rauhofer hatte sich für Sauerbrunn einge- setzt und hielt das „Eisenstädter Projekt“ für finanziell nicht durchführbar. Die Demission Rauhofers führte zu einer schweren politischen Krise, die sich bis De- zember 1925 hinzog („Lesers Interre- gnum“ kontra der Versuch einer Christlich- sozialen-Landbund-Koalition). Erst dann kam es wieder nach längeren Parteienver- handlungen zu einer Konzentration aller drei Parteien des burgenländischen Landta- ges. Der neuen Regierung standen erneut Rauhofer und als sein Stellvertreter Leser vor. Die folgenden Monate verliefen ruhig und konstruktiv, die gespannte Atmosphäre KONSENS UND KONFLIKT 9 begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 7
  • 10. KONSENS UND KONFLIKT 10 bei den Landtagsdebatten war einem sach- lichen Ton gewichen und auch die Partei- presse gab sich moderat. Dieses friedliche Bild der burgenländischen Politik wurde allerdings durch die so genannte Mandats- aberkennungsaffäre Walheim und Voit ge- trübt, im Zuge derer die Christlichsozialen und Bauernbündler aneinander gerieten. Es kam wieder zu einer politischen Krise, bis die Bauernbündler im April 1926 in Opposition gingen. Wenige Monate später begann der Wahl- kampf für die am 24. April 1927 stattfin- denden Landtags- und Nationalratswahlen. Diese sollten, so hofften die beiden großen Parteien, eindeutige Mehrheiten bringen. Bei den Gemeinderatswahlen am 20. März 1927, die sich durch eine er- höhte Wahlberechtigung und eine starke Wahlbeteiligung auszeichneten, gelang es sowohl den Sozialdemokraten als auch den Christlichsozialen, im Vergleich zu den Ge- meinderatswahlen 1923 beträchtliche Stim- men zu gewinnen. Was den Wahlkampf für die Landtags- und Nationalratswahlen betraf, so hatten die Sozialdemokraten und die Christlichso- zialen in Hinblick auf die Ereignisse von Schattendorf ein Übereinkommen getroffen: „die Parteien verpflichten sich, den Wahl- kampf mit sachlichen Argumenten zu füh- ren und auf ihre Angehörigen nachdrück- lich einzuwirken, daß jede Störung der geg- nerischen Agitation mit gewaltsamen Mit- teln unterbleibe. Insbesonders verpflichten sich die unterfertigten Parteienvertreter, ihre Parteiangehörigen von Störungen und Sprengungen der Versammlungen abzu- halten.“ (Eisenstadt, am 7. März 1927, un- terzeichnet von Ludwig Leser und Johann Thullner, Burgenländische Heimat, 11.3.1927) Wie im übrigen Bundesgebiet bemühte sich die Christlichsoziale Partei im Wahl- kampf auch im Burgenland, eine Einheitsli- ste aller bürgerlichen Parteien aufzustellen. Während das christlichsoziale Werben um den Landbund wieder einmal fehlschlug, „Eisenstadt muss Hauptstadt wer- den!“ Bereits im Jahre 1923 fand hinsichtlich der Landeshaupt- stadtfrage ein De- monstrationszug in Eisenstadt statt, 3. Juli 1923. Foto: Burgenländisches Landesmuseum begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 8
  • 11. gelang mit den Großdeutschen und der Kroatenpartei eine Einigung auf eine Ein- heitsliste. Den beiden kleineren Parteien wurden entsprechende Mandate einge- räumt, so auch dem Führer der Kroaten- partei, Dr. Lorenz Karall, der sich bald an die Spitze der Christlichsozialen Partei em- porarbeiten sollte. Die Wahl ergab dann folgendes Resultat: Die Einheitsliste erhielt 42,38%, auf die Sozialdemokratische Arbeiterpartei entfie- len 40,80% und der Landbund errang 16,66% der Stimmen. Für die Mandatsver- teilung bedeutete dies: 14 für die Einheits- liste (3 für den NR), 13 für die Sozialdemo- kraten (3 für den NR) und 5 Mandate für den Landbund (1 für den NR). Damit hat- ten die beiden großen Parteien je ein Land- tagsmandat gewonnen, die erhoffte Ent- scheidung aber war ausgeblieben. Nach vierwöchigen Verhandlungen war das Ergebnis wieder ein Kompromiss: eine Konzentrationsregierung unter Landeshaupt- mann Josef Rauhofer. Sein Stellvertreter wurde erneut Ludwig Leser. KONSENS UND KONFLIKT 11 „Gleichenfeier“ des Landhauses, 22. Oktober 1927. Fotos: Burgenländisches Landesmuseum begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 9
  • 12. DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 12 D er Ursprung der paramilitärischen Verbände liegt in der Zeit unmit- telbar nach dem Ersten Weltkrieg begründet. Als ehemalige Soldaten und ent- lassene Kriegsgefangene der geschlagenen k.u.k. Armee in ihre Heimat zurückkehren wollten, kam es immer wieder zu Plünde- rungen und Zwangsrequirierungen. Eine Zentralmacht vermochte den Landbewoh- nern „Deutschösterreichs“ nicht zu helfen und sie schritten zur Selbsthilfe. Spontan formierten sich Volksmilizen oder Heimat- wehren. In Kärnten und der Steiermark wurden die Wehrformationen zur militäri- schen Abwehr der Gebietsansprüche Slowe- niens eingesetzt. Dazu kam in der ländli- chen Bevölkerung eine sich verstärkende Abneigung gegenüber dem sozialdemokra- tisch geführten „roten Wien“, die durch die revolutionären Strömungen in Europa, be- sonders in Bayern und Ungarn, noch ver- stärkt wurde. Diese Heimatwehren bildeten den Kern der späteren Heimwehrbewe- gung. Auch die Arbeiterbewegung schritt zur Selbsthilfe, indem sich in den Industrieorten so genannte Arbeiterwehren formierten, die den Schutz der Industriebetriebe und somit der Arbeitsplätze zum Ziel hatten. Bereits 1919 kam es in Neufeld als Reaktion auf die Zwangsmaßnahmen des Horthy- Regimes zur Gründung der ersten burgen- ländischen Arbeiterwehr. Ende August 1921, als im Zuge der ersten Landnahmen die österreichische Gendarmerie bei Agen- dorf in schwere Gefechte verwickelt wurde, war es die Neufelder Arbeiterwehr, die den Gendarmen zu Hilfe eilte. Als Wehrforma- tion der Sozialdemokratischen Arbeiterpar- tei wurde im Jahr 1923 in Wien der Schutz- bund gegründet. Dessen planmäßiger Auf- bau im Burgenland begann im Jahr 1926. DIE WEHRVERBÄNDE „Wir haben uns hier im Gespräch mit den führenden Herren der christlich- sozialen Partei wie auch des Landbundes immer auf dem Wege begeben, daß im Burgenland die Bewaffnung irgendeiner Formation etwas sehr schädliches ist, was man unterdrücken muß. Wir haben das nicht nur aus innerpolitischen Gründen …, sondern auch aus außerpolitischen Gründen getan, weil wir fin- den, daß es direkt eine Gefährdung des Landes ist, wenn hier irgendwelche be- waffnete Gruppen errichtet werden. Die Waffen gehören in die Hand des Solda- ten, Gendarmen oder Polizisten. Im politischen Kampfe sollen wir in diesem Grenzland den Grundsatz gelten lassen: die Waffen nieder.“ (SdP-Landesrat Ernst Hoffenreich in der Landtagssitzung vom 14. Juli 1923, Stenographisches Protokoll) begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 10
  • 13. Die SS bzw. SA der Nationalsozialisten und die Frontkämpfervereinigung Deutsch- österreichs sind die bedeutendsten Wehr- formationen, die dem „Dritten Lager“ zu- zurechnen sind. Während erstere im Bur- genland in den Jahren vor 1927 kaum eine Rolle spielten, leitete die Gründung der Ortsgruppen der Frontkämpfervereinigung eine für das Burgenland und die Erste Re- publik verhängnisvolle Entwicklung ein. Der von den burgenländischen Parteien in den Anfangsjahren der „Ersten Repu- blik“ gemeinsam getragene Kurs des politi- schen Konsenses war ausschlaggebend da- für, dass es – anders als in den übrigen Bundesländern – vorerst nicht zur Grün- dung von „Privatarmeen“ der Parteien kam. Aus Rücksicht auf die bevorstehende Aufbauarbeit und mit Bedacht auf die sen- sible Situation im Bezug auf den auf Revi- sion des Vertrages von St. Germain hoffen- den ungarischen Nachbarn, einigten sich die im burgenländischen Landtag vertrete- nen Parteien im Zuge einer Landtagssit- zung (14. Juli 1923), auf den Aufbau von Privatarmeen zu verzichten. Dieser Grund- konsens wurde von der Frontkämpferverei- nigung 1925/26 verlassen. Auf die Grün- dung von Ortsgruppen in den Bezirken Ei- senstadt und Mattersburg reagierte die So- zialdemokratische Arbeiterpartei mit der Aufstellung des Republikanischen Schutz- bundes. Als Reaktion auf die „Schüsse von Schattendorf“ und den Brand des Justizpa- lastes stellte schließlich auch das bürgerli- che Lager seine Wehrformation auf: die Heimwehr bzw. den „Heimatschutzver- band Burgenland“. Ende 1927 standen sich im Burgenland ca. 10.000 Heimwehrler, 3.000 Schutz- bündler und einige Hundert Frontkämpfer schwer bewaffnet gegenüber. Die politi- schen Konflikte verlagerten sich mehr und mehr auf die Straße, das Vertrauen in die Problemlösungskompetenz der Demokratie sank und besonnene Politiker verloren zu- sehends an Einfluss. Die jeweiligen Positio- nen wurden immer gegensätzlicher und alle Parteien ließen den Willen zum Kon- sens zunehmend vermissen. In einem Auszug aus dem Lagebericht des Bezirkshauptmannes von Mattersburg vom 1. November 1927 beschrieb dieser die politische Situation wie folgt: „Die allgemeine politische Lage im Bezirke ist unverändert, die Spannung zwischen den zwei politischen Parteien dauert naturgemäss fort. Es ist eine all- gemeine Rüstung beider Parteien, bezw. Parteigarden wahrzunehmen, welcher Um- stand früher oder später unbedingt zu ei- nem katastrophalen Ende führen wird. An Sonn- und Feiertagen finden Aufmär- sche statt, die weder der Oeffentlichkeit noch den Veranstaltern nützlich sind und vom Standpunkte der Sicherheit für das Volk eine unmittelbare Gefahr dar- stellen.“ DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 13 begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 11
  • 14. DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 14 Ort Heimatschutz Schutzbund Frontkämpfer Wehrformationen im Bezirk Mattersburg Quelle: BLA, Vereinsakten Antau X X Bad Sauerbrunn X Baumgarten X X Draßburg X X X Forchtenstein X X Hirm X X Krensdorf X X X Loipersbach X X X Marz X Mattersburg X X X Neudörfl X X Neustift X Pöttelsdorf X Pöttsching X Rohrbach X X X Schattendorf X X X Sieggraben X Sigleß X X X Stöttera X X X Walbersdorf X X Wiesen X X X Zemendorf X X Heimatschutzverband Burgenland: 327 Ortsgruppen, Landesver- band in Mattersburg, Bezirks- organisationen in Neusiedl, Eisenstadt, Mattersburg Republikanischer Schutzbund: 61 Ortsgruppen, Landes- organisation in Eisenstadt, Bezirksorganisationen in Eisen- stadt, Mattersburg, Neutal (für den Bezirk Oberpullendorf), Oberwart Frontkämpfervereinigung Deutschösterreichs: 23 Ortsgruppen, Landesleitung in Eisenstadt, vertreten nur in den Bezirken Eisenstadt, Mattersburg und Oberpullendorf Wehrverbände im Burgenland: begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 12
  • 15. DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 15 Ort Heimatschutz Schutzbund Frontkämpfer Wehrformationen im Bezirk Eisenstadt Quelle: BLA, Vereinsakten Breitenbrunn X Donnerskirchen X Eisenstadt X X X Großhöflein X X Hornstein X X Kleinhöflein X Klingenbach X X Leithaprodersdorf Loretto X Mörbisch X X Müllendorf X X Neufeld X X Oggau X X Oslip X X Purbach X Rust X St. Georgen X St. Margarethen X X X Schützen a. G. X Siegendorf X X Steinbrunn X X Stotzing X Trausdorf X X X Wimpassing X Wulkaprodersdorf X Zagersdorf X X X Zillingtal X X begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 13
  • 16. DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 16 D ie Gründung des Republikani- schen Schutzbundes, der „Partei- armee“ der Sozialdemokrati- schen Partei, erfolgte am 19. Februar 1923. Zur eigentlichen Geburtsstunde wurde aber bereits der Parteitag der Sozialdemokrati- schen Arbeiterpartei Deutschösterreichs (SDAP) von 1922. Kurz nach dem Aus- scheiden der Sozialdemokratie aus der Re- gierungsverantwortung und dem Verlust der Macht und damit des Einflusses auf Exekutive und Volkswehr sah man in der Gründung des Schutzbundes die einzige Möglichkeit, die Interessen der Sozialdemo- kratie zu schützen. Mit Dr. Julius Deutsch stand nicht nur ein guter Organisator an der Spitze, Deutsch war auch der erste Heeresstaatssekretär der Ersten Republik gewesen. Der Schutzbund entstand aus der Tradi- tion der Arbeiterwehren und war als Ge- genpol zu den Wehrformationen der „Rechten“ konzipiert. Die Arbeiterwehren hatten bereits bei den Kämpfen um das Burgenland eine wichtige Rolle gespielt und die Gendarmerie in ihrem Kampf ge- gen die ungarischen Freischärler unter- stützt. Der Schutzbund verfügte über ein beachtliches Waffenarsenal. Zahlenmäßig war die Organisation in Wien sowie in den Industriegebieten Oberösterreichs, Nieder- österreichs, Kärntens und der Steiermark am stärksten. Ein erstes Auftreten des Schutzbundes im Burgenland erfolgte am 10. Juli 1925, am sozialdemokratischen Ordnertag in Ei- senstadt. Daran nahmen Schutzbundeinhei- ten aus Niederösterreich teil. Die Veranstal- tung wurde zur Machtdemonstration. Ne- ben einer politischen Kundgebung standen ursprünglich auch militärische Gelände- übungen im Leithagebirge am Plan. Diese wurden allerdings nach Protesten der Christlichsozialen Partei abgesagt. 1925/26 begann die monarchistische Frontkämpfervereinigung, vermehrt Orts- gruppen zu gründen, was die SDAP als Af- front wertete. Zunehmend kam es zu Aus- DER REPUBLIKANISCHE SCHUTZBUND „Die burgenländische Sozialdemokratie hat den Knüppel als politisches Argu- ment bisher abgelehnt. Wer aber glaubt, daß sie ruhig zuschauen wird, wie an- dere Prügelgarden organisieren, um auf sie loszustürzen, der irrt … Wir werden den Frontkämpfern unseren Republikanischen Schutzbund auch im Burgenland entgegenstellen.“ (Burgenländische Freiheit, 21. Mai 1926) begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 14
  • 17. einandersetzungen, die von Frontkämpfern provoziert wurden. Als Reaktion darauf be- gann die Sozialdemokratische Arbeiterpar- tei bis Jahresmitte 1926, erste Schutzbund- ortsgruppen zu gründen – zu Beginn in den „roten Hochburgen“ Neufeld und Steinbrunn. Bis zu diesem Zeitpunkt fühlte man sich an ein Parteiabkommen mit der Christlichsozialen Partei, das den Verzicht auf Wehrverbände vorsah, gebunden. Auf dieses „Wettrüsten“ der beiden Waffenver- bände musste schließlich auch das bürger- liche Lager reagieren. Nur wenige Monate nach dem Schutzbund begann die Aufstel- lung der Heimwehr, die im Burgenland die Bezeichnung „Heimatschutz“ führte. DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 17 Schutzbundauf- marsch in Eisen- stadt, (ohne Jahresangabe). Foto: Burgenländisches Landesmuseum Foto: Burgenländisches Landesmuseum Sozialdemokratischer Ordnertag in Eisenstadt, 10. Juli 1925. begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 15
  • 18. DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 18 Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Vereinsakte begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 16
  • 19. Anfangs war es Strategie der SDAP, auf ge- meldete Veranstaltungen der Frontkämpfer durch das Anmelden von Gegenveranstal- tungen der Partei zu reagieren. Um offene Konflikte der beiden Gruppen zu verhin- dern, sah sich die Bezirkshauptmannschaft oftmals dazu gezwungen, beide Veranstal- tungen behördlich zu untersagen. In Schat- DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 19 Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Zeitgeschichtliche Sammlung – Parteiarchiv SDAP Beitrittserklärung begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 17
  • 20. DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 20 tendorf verließ man am 30. Jänner 1927 die- sen Weg und verzichtete darauf, die Gegen- veranstaltung behördlich zu melden. Jenseits der Grenze, in Ungarn, beobach- tete man das Aufrüsten im Burgenland mit einem wachsamen Auge. Besonders im Er- starken des „linken“ Schutzbundes sah man eine ernste Gefahr für die eigene Sicherheit. Man konnte sich schließlich auf ein Aufrüs- tungsverbot aus dem Friedensvertrag von St. Germain beziehen. Ungarische Zeitungen äußerten sich sehr kritisch gegenüber den – Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Zeitgeschichtliche Sammlung – Parteiarchiv SDAP Aufforderung zum Ordnerdienst begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 18
  • 21. DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 21 aus ihrer Sicht vom Schutzbund provozier- ten – Auseinandersetzungen im Burgenland. Über die Ereignisse von Schattendorf wurde in ungarischen Medien ausführlich berich- tet. Als zu den Begräbnissen der Opfer des 30. Jänner mehr als 10.000 Personen – da- runter viele Schutzbündler in Uniform – ka- men, mobilisierte die ungarische Seite die Gendarmerie. Allein in Agendorf gingen 150 ungarische Gendarmen in Stellung. Die Leitung des Schutzbundes war jener der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei un- terstellt. Neben der Landesleitung, die lange von Koloman Tomsich geführt wurde, exis- tierte noch eine hierarchische Struktur auf Bezirksebene. Die Mitglieder des Republika- nischen Schutzbundes entstammten fast aus- schließlich deutschen und kroatischen Arbei- terfamilien bzw. waren Land- oder Wander- arbeiter. In der Folgezeit sollte es der Schutz- bund bis auf 3.000 Mitglieder im Burgen- land bringen, österreichweit waren es mehr als 80.000 (1928). Im März 1930 wurde eine eigenständige Landesorganisation ge- gründet, die in Bad Sauerbrunn, Schulgasse 130, ihren Sitz hatte. Gleichzeitig entstan- den in Eisenstadt, Neutal, Mattersburg und Oberwart Bezirksorganisationen. Am 30. März 1933 wurde die Wehrfor- mation der Sozialdemokratie verboten, be- stand im Untergrund als schlagkräftige Or- ganisation aber noch weiter. Am 12. Fe- bruar 1934 kam es schließlich zur Katastro- phe: Im Zuge von Hausdurchsuchungen im Arbeiterheim „Hotel Schiff“ in Linz eröffne- ten Schutzbündler das Feuer. Der folgende Bürgerkrieg kostete 239 Österreichern das Leben. Auch im Burgenland kam es im Fe- bruar 1934 zu Kampfhandlungen zwischen dem Schutzbund und der Gendarmerie, die bei der Niederschlagung des Aufstandes von der Heimwehr unterstützt wurde. Der Schattendorfer Schutzbund war ei- ner der ältesten des Landes. Am 18. Mai 1926 gab die „Zentralleitung“ des Republi- kanischen Schutzbundes in Wien die not- wendige Zustimmung zur Gründung einer Ortsgruppe Schattendorf, die Obmann Julius Deutsch persönlich gegenzeichnete. Die Gründungsanzeige wurde dem Amt der Burgenländischen Landesregierung bzw. der Bezirkshauptmannschaft Matters- burg am 13. Juli 1926 übermittelt. Propo- nent und erster provisorischer Leiter war Andreas Allram. Am 5. September 1926 kam es schließlich zu der Gründungsver- sammlung, im Zuge derer Michael Tranker zum Obmann gewählt wurde. Bei dieser feierlichen Versammlung waren 240 Schutzbündler anwesend, darunter auch Genossen aus den Ortsgruppen Sauer- brunn, Wiesen und Sigleß, die dazu eigens mit dem Zug angereist waren. Nach einem Bericht des Polizeikommissariates Eisen- stadt zählte der Schattendorfer Schutz- bund ca. 200 Mitglieder. Der Wirkungsbe- reich der Ortsgruppe war auf den Bezirk Mattersburg beschränkt. Ihr Ende kam am 30. März 1933, die Streichung des Vereins aus dem Vereinsgrundbuch folgte am 16. Mai 1933. begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 19
  • 22. DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 22 U nmittelbar nach Kriegsende fan- den sich ehemalige Offiziere zum „Bund für Ordnung und Wirtschaftsschutz“ zusammen. Kurze Zeit später wurden auch niedrigere Chargen in die Vereinigung aufgenommen und so die Organisation zusehends verbreitert. Man gab sich den Namen Frontkämpfervereini- gung Deutschösterreichs. Ziele der Verei- nigung waren die „Vereinigung aller ari- schen Frontkämpfer“ sowie die „Pflege der Liebe zur Heimat“. Juden, Kommunis- ten und Sozialdemokraten waren von An- fang an ausgeschlossen. Das Rekrutie- rungspotential dieser militanten Vereini- gung ist nicht zu unterschätzen: Immer- hin wohnten der konstituierenden Vollver- sammlung am 30. April 1920 bereits mehr als 2.000 Mitglieder bei. Gründungsmit- glieder der Frontkämpfervereinigung wa- ren u. a. Oberst Hermann Ritter von Hiltl, Hauptmann Anton Seifert (beide traten im Jänner 1927 im Burgenland in Erschei- nung) und Major Emil Fey. Es folgte der organisatorische Aufbau in Oberösterreich, Salzburg und in der Steiermark. Im Bur- genland fasste die Organisation im Jahr 1923 Fuß. Das ideologische Korsett der Bewegung hatte eine auffallende Nähe zur NSDAP. Neben einem Arierparagraphen, einem be- tonten Antimarxismus, dem Führerprinzip, dem expliziten Anschlusswunsch, der Ab- lehnung der demokratischen Republik und einem profunden Militarismus fanden sich auch legitimistische Ansätze im Programm der Bewegung. Die Frontkämpfer trugen eine eigene Uni- form mit einer markanten Uniformmütze. Gefährlich war die Vereinigung auf Grund ihrer Entschlossenheit und der guten Aus- bildung ihrer Mitglieder. Kaum ein Mitglied war nicht geübt im Umgang mit Schusswaf- fen. Die Rekrutierungsbestrebungen wur- den mit der Verabschiedung des Linzer Pro- gramms der Sozialdemokratie von 1926 noch beschleunigt. Die Frontkämpfer boten sich infolge allen nichtmarxistischen Par- DIE FRONTKÄMPFERVEREINIGUNG In den Satzungen der „Frontkämpfervereinigung Deutschösterreichs“ steht gleich zu Beginn ihr Leitspruch, der lautet: „Allgemeines Volkswohl geht vor kleinlicher Parteipolitik.“ Und weiter: „Zweck des Verbandes (ist die) Pflege der Liebe zur Heimat und zum deutschen Volk bei Ausschaltung aller Partei- und Klassengegensätze, Un- terstützung der öffentlichen Sicherheitsorgane zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung (und) Schutz von Personen gegen jeden Terror …“ begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 20
  • 23. teien als Saalschutz an. Sitz der Frontkämp- fervereinigung Deutschösterreichs war die Rasumofskygasse im III. Bezirk in Wien. Vom dortigen „Reichsverband“ ging die Ver- breitung der Bewegung aus. Im Burgenland sind bis ins Jahr 1927 zwei Gründungswellen zu konstatieren. 1923 wurden die Ortsgruppen Eisenstadt und St. Margarethen gegründet. An der ersten Tagung der burgenländischen Front- kämpfer in Eisenstadt am 12. August 1923 nahmen bereits über 400 Mitglieder, da- runter sehr viele Kameraden aus Wien, teil. Zur Jahreswende 1925/26 folgte eine weitere Gründungswelle. Ortsgruppen- gründungen wurden aus Oslip, Deutsch- kreutz, Nikitsch, Wiesen, Rohrbach, Loi- persbach und Schattendorf gemeldet. Bis zum Jänner 1927 gab es Stützpunkte in den Bezirken Eisenstadt, Oberpullendorf und Mattersburg. Die Ortsgruppen wurden nicht nur in Gemeinden mit bürgerlicher Mehrheit gegründet, sondern auch in sozi- aldemokratischen Gemeinden. Im Mai 1928 meldete der „Führer“ des Bundes- verbandes Oberst Hiltl die Gründung eines eigenständigen Landesverbandes der Front- kämpfervereinigung behördlich an. Die Vereinigung war durchaus erfinde- risch in der Art der Verbreitung. Nachdem die burgenländischen Behörden Neugrün- dungen von politischen Organisationen auf Basis des Vereinsgesetzes aus dem Jahr 1867 nur sehr eingeschränkt zuließen, ging man in den burgenländischen Gemeinden dazu über, „Zahlstellen“ anstatt selbststän- diger Vereine einzurichten. Eine Zahlstelle sollte lediglich zur Abwicklung der Mitglie- derbetreuung des Bundesverbandes dienen. Derart umging man geschickt ein zu erwar- tendes Verbot der Gründung, da der Haupt- verband in Wien regulär gemeldet war. Im Laufe des Jahres 1928 wurde eine neue Satzung genehmigt, was schließlich die Umwandlung in Ortsgruppen ermöglichte. „Führer“ der Bewegung war der 1872 in Olmütz (Mähren) geborene Hermann Ritter von Hiltl, der von 1907 bis 1912 als Lehrer an der Infanteriekadettenschule in Wien wirkte und als Oberst aus der k.u.k. Armee DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 23 Foto: Burgenländisches Landesmuseum Erste Tagung der burgenländischen Frontkämpfer Deutsch- österreichs, Bahn- hof Eisenstadt, 12. August 1923. begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 21
  • 24. DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 24 abrüstete. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er in Serbien und zuletzt in Italien, wo er auch – als Kommandant des Feldjägerbataillons Nr. 21 – in Kriegsgefangenschaft geriet. Kurz nachdem er aus der Gefangenschaft zurückgekehrt war (August 1919), wurde Oberst Hiltl zu einem der Gründer der Frontkämpferbewegung. Er trat auch mehr- fach im Burgenland in Erscheinung und wurde rasch zum Feindbild der Sozialdemo- kraten. Wo immer Hiltl auftauchte, konnte die Polizei mit Unruhen rechnen. 1925/26 intensivierten die Frontkämpfer ihre Werbungstätigkeit im Burgenland. Die Veranstaltungen liefen meist nach demselben Schema ab: Ein hoher Funktionär – meist der „Führer“ der Bewegung – hielt eine Rede, welche die Gefahren des Marxismus zum In- Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Polizei – Vereine Gründung des Landesverbandes Burgenland der Frontkämpfervereinigung begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 22
  • 25. halt hatte. Die Kundgebungen waren von der Zentrale in Wien organisiert und immer be- hördlich korrekt gemeldet. Die ansässigen So- zialdemokraten fühlten sich durch diese Ver- anstaltungen provoziert. Im Laufe des Jahres 1926 trat die SDAP-Parteileitung solchen Veranstaltungen zusehends entschlossener entgegen, was dazu führte, dass die Front- kämpfer Verstärkung aus Wien und den um- liegenden „Ortsgruppen“ hinzuzogen. Umstritten sind die Finanzierungskanäle der Organisation. Von den im burgenländi- schen Landtag vertretenen Parteien muss- ten sich die Frontkämpfer den nicht unbe- gründeten Vorwurf gefallen lassen, ein In- strument der ungarischen Irredenta zu sein und sich von ungarischen Kreisen finan- ziell unterstützen zu lassen. Von Waffenverstecken in der Umgebung von Ödenburg war die Rede und von ge- DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 25 Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Vereinsakte begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 23
  • 26. DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 26 heimen Depots in den Ortschaften. Auch die Auswahl der Ortschaften, in denen Frontkämpferorganisationen bzw. „Zahl- stellen“ gegründet wurden, unterlag einem strategischen Konzept. Diese Gründungen gruppierten sich einerseits um die Stadt Ödenburg bzw. fanden in Orten statt, die für den militärischen Nachschub in einem potentiellen Bürgerkrieg in Österreich von Bedeutung sein konnten. Dies waren im Besonderen die Bahnhöfe auf der Strecke Wr. Neustadt-Ödenburg. Die politische Bedeutung der Frontkämp- fervereinigung im Burgenland und in Öster- reich war vergleichsweise gering. Insgesamt wurden im Burgenland bis 1927 14 Grup- pen bzw. „Zahlstellen“ eingerichtet. Die Mitgliederzahl dürfte bei 500 – 700 gelegen sein. Österreichweit lag die Mitgliederzahl der Frontkämpfer Mitte der 1920er Jahre nach eigenen Angaben bei ca. 100.000. Bis 1929 halbierte sich die Mitgliederzahl. Die Organisation geriet sukzessive stärker ins Fahrwasser der Nationalsozialisten, die mit Beginn der 1930er Jahre den wesentli- chen Anteil der Mitglieder ausmachten. Hiltl war bereits 1929 persönlich mit Adolf Hitler zusammengetroffen. Das Ende der Frontkämpferbewegung kam im Jahr 1935. Die offizielle Auflösung der Frontkämpfer- vereinigung Deutschösterreichs folgte mit Bescheid vom 15. Juni 1935, da der Verein seine satzungsgemäße Widmung als „unpo- litischer“ Verein überschritten hatte. Was die Frontkämpferbewegung in Schat- tendorf betraf, so existierte vereinsrechtlich im Jahr 1927 keine eigenständige Orts- gruppe Schattendorf der Frontkämpferverei- nigung Deutschösterreichs. Die am 30. Jän- ner in Schattendorf geplante Veranstaltung war entsprechend § 6 der Satzung eine „Vollversammlung“ aller Mitglieder. Die Führung der Ortsgruppe („Zahlstelle“) über- nahm Josef Grafl. Die offizielle Einrichtung der „Zahlstelle“ war am 25. Juli 1926 er- folgt und bereits unmittelbar nach dieser Gründungsversammlung hatte es eine Schlä- gerei mit den Sozialdemokraten gegeben. Das Vereinslokal der Frontkämpfereinigung in Schattendorf war das Gasthaus von Josef Tscharmann. Foto: Burgenländisches Landesmuseum Frontkämpferauf- marsch vor dem Landhaus in Eisenstadt, 1933. begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 24
  • 27. DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 27 D ie Heimwehren, auch Heimatweh- ren, Heimatschutz oder Heimat- dienst genannt, bildeten die wich- tigsten „austrofaschistischen“ Organisationen. Sie entstanden 1918 in den Bundesländern und dienten dem Schutz der von benachbar- ten Mächten bedrohten Heimat. Ideologisch dominierten Antimarxismus, Großstadtfeind- lichkeit, Antisemitismus und „Heimattreue“. Das wesentliche Rekrutierungsfeld war die Landbevölkerung, aber auch Angestellte spiel- ten eine wichtige Rolle. Die Kommandokorps entstammten provinziellen Führungsschich- ten. Ideologisch teilten sich die Heimwehren in die Gruppe der deutsch-nationalen und jene der katholisch-österreichischen Bewe- gung. Gemeinsam war ihnen die Schutzfunk- tion gegen die Sozialdemokratie bzw. den Schutzbund. Einen ersten Höhepunkt erhielt diese hete- rogene Bewegung unmittelbar nach dem Er- sten Weltkrieg. In der Zeit von 1924 bis zum Juli 1927 ging österreichweit der Einfluss der Heimwehren zurück. Das änderte sich schlagartig mit dem 15. Juli 1927, als die Heimwehren in den Bundesländern zum Bre- chen der sozialdemokratischen Streikbewe- gung eingesetzt wurden. Ab diesem Zeit- punkt konnten sich die Heimwehren als Ge- genkraft zur „linken Macht der Straße“ profi- lieren. Erste Bemühungen zur Gründung von Heimwehren im Burgenland erfolgen im Herbst 1927. Die Initiative ging nicht vom Burgenland aus. Noch unter dem Einfluss der Unruhen vom 15. Juli 1927 traten bürgerliche Kreise aus Wien an den christlichsozialen Nationalratsabgeordneten Franz Binder mit dem Ansinnen zur Gründung eigener burgen- ländischer Ortsgruppen heran. Landtagsabge- ordneter und späterer Landeshauptmann Jo- hann Wagner (1956–1961) wurde Burgen- lands erster Ortsführer. Die Anhänger der Heimwehrbewegung rekrutierten sich aus der Christlichsozialen Partei wie auch aus dem Landbund. Die politischen Führer der Bewe- gung waren Franz Binder (CSP) und Michael Vass (Landbund). Daneben gab es eine militäri- sche Führung: Oberst Gustav Berger und Ma- jor Wilhelm Stipetic. Im Südburgenland, wo bislang keine Wehrformationen Fuß fassen konnten, entstanden die ersten Ortsgruppen. Zuvor war noch ein Versuch, die Frontkämp- fer des Nordburgenlandes zu „übernehmen“, am Widerstand ihres Führers, Oberst Hiltl, fehlgeschlagen. Die burgenländische Heim- wehrbewegung wurde zum Teil von ungari- schen Großgrundbesitzern finanziert, die von den radikalen Bodenreformplänen der Sozial- demokraten beunruhigt waren. Die Führungsriege der burgenländischen CSP stand dem Projekt anfangs eher skep- DIE HEIMWEHRBEWEGUNG „…. daß wir im Burgenland nun starke Heimwehren haben, liegt einzig und allein in der klassenkämpferischen Tätigkeit der sozialdemokratischen Politik“. (Burgenländische Heimat, 31. August 1928) begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 25
  • 28. tisch gegenüber, ließ es aber geschehen. In der Anfangsphase des Bestehens war der Landbund der Motor der Bewegung. In kür- zester Zeit entstanden in nahezu allen bur- genländischen Orten Heimwehrgruppen. Ob- wohl viele Vereine nur auf dem Papier exi- stierten, zählte die burgenländische Heim- wehrbewegung, die sich die Bezeichnung „Heimatschutzverband Burgenland“ gab, bald über 10.000 Mitglieder und übertraf den Schutzbund damit um ein Vielfaches. Ein erstes offizielles Auftreten von burgenländischen Heimwehren erfolgte am 7. Okto- ber 1928 am berühmt geworde- nen Aufmarsch in Wr. Neustadt, an dem die Heimwehren von Mat- tersburg, Wiesen, Rohrbach, Groß- warasdorf, Neudörfl, Eisenstadt und Wimpassing teilnahmen. An diesem Tag fand die erste macht- volle Demonstration der Heim- wehren in einer sozialistischen Hochburg statt. Die sozialdemokra- tische Vormacht der Straße war da- mit gebrochen. Die sich häufenden Zusammen- stöße der beiden Wehrverbände führten 1929 zu einem von Juni bis September befristeten Auf- marschverbot. Unmittelbar danach gingen die gegenseitigen Provoka- tionen unvermindert weiter. Im Nordburgenland, das bis dahin vom Schutzbund dominiert wor- den war, hielt die burgenländische Heimwehr erstmals am 27. Okto- ber 1929 eine Veranstaltung in Schützen am Gebirge ab. Der politische Einfluss der Bewegung stieg in den kommenden Jahren und gipfelte in in- ternen Auseinandersetzungen mit der Partei- leitung der CSP, die den autoritären Kurs der Heimwehren nicht mittragen wollte. Das än- derte an der politischen Orientierung der Be- wegung nichts. Mit dem Korneuburger Eid des Jahres 1930 wurde der antidemokra- tisch-autoritäre Kurs der Bewegung zemen- tiert. DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 28 Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Vereinsakte begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 26
  • 29. DEMOKRATIE AM WENDEPUNKT 29 Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Polizei – Vereine Auszug aus dem Lagebericht der BH Jennersdorf vom 28. September 1927 begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 27
  • 30. S chattendorf, unmittelbar an der un- garischen Grenze gelegen, gehörte bis 1921 dem Ödenburger Komitat an, wurde dann vorerst dem Bezirk Eisen- stadt zugewiesen, schließlich aber doch dem Bezirk Mattersburg einverleibt. Die erste Volkszählung im Burgenland aus dem Jahre 1923 ergab eine Bevölke- rungszahl von 2.173. Davon gaben 2.169 Katholisch und 4 Evangelisch als ihre kon- fessionelle Zugehörigkeit an. Schattendorf war fast rein deutschsprachig, die Volks- gruppenzugehörigkeit ergab: 2.154 deutsch – 10 kroatisch – 9 ungarisch. In der Grenzgemeinde wurde 1921 ein Gendarmerieposten eingerichtet. Schwierig- keiten bereitete in den ersten Jahren nach dem Anschluss des Burgenlandes an Öster- reich die Lösung der traditionellen wirtschaft- lichen und verkehrsmäßigen Bindungen zu Ödenburg. Gezwungenermaßen verlagerte sich danach der Handel von Ödenburg nach Mattersburg und Wiener Neustadt. Ein bis- her wesentlicher Teil des Absatzmarktes war durch die Grenzziehung verlorengegangen. Später als in anderen Orten, erst im Au- gust 1922, wurde eine Gemeindeverwal- tungskommission gebildet. Die ersten Ge- meinderatswahlen im Burgenland vom 25. März 1923 brachten der Sozialdemokra- tischen Arbeiterpartei (SDAP) 617 Stimmen (8 Mandate), der Christlichsozialen Partei (CSP) 460 Stimmen (6 Mandate). Erster Bür- germeister wurde der Sozialdemokrat Johann Grafl, er übte dieses Amt bis 1931 aus. Der SCHATTENDORF 1927 30 SCHATTENDORF AM VORABEND DES 30. JÄNNER 1927 Foto: Burgenländisches Landesmuseum Frühe Ansicht von Schattendorf. begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 28
  • 31. SCHATTENDORF 1927 31 Versuch, die konfessionelle Schule in eine Gemeindeschule umzuwandeln, sowie die Durchführung des Straßenbaus entzweiten die politischen Fraktionen. 1924 kam es zu einem Misstrauensantrag der CSP-Fraktion gegen den Bürgermeister, schließlich zur Selbstauflösung des Gemeinderates und am 8. November 1925 zu Neuwahlen. Bei die- sen Wahlen erlangte die SDAP 679 Stimmen (10 Mandate), die CSP 424 Stimmen (6 Mandate). Die politischen Meinungsver- schiedenheiten beherrschten auch die folgen- den Jahre und verhinderten weitgehend eine konstruktive Arbeit. Immer wieder kam es zu Berufungen der CSP-Fraktion gegen Ge- meinderatsbeschlüsse, die von der Landesre- gierung zum Teil als berechtigt anerkannt, teilweise aber auch abgewiesen wurden. Bei den Gemeinderatswahlen vom 20. März 1927 erreichte die SDAP 728 Stim- men (9 Mandate), die CSP 456 Stimmen (6 Mandate). Da sich die politischen Parteien über die Zusammensetzung des Gemeinde- vorstandes nicht einigen konnten, musste die Landesregierung schlichtend eingreifen. Während die Politiker auf Landesebene um Konsens bemüht und übereingekommen waren, keine paramilitärischen Wehrver- bände im Burgenland aufzustellen, erfolgte diese Entwicklung seit 1925 von Seiten der Frontkämpfer. Auf Betreiben der Wiener Füh- rung begann die Frontkämpfervereinigung Deutschösterreichs auch im Burgenland aus strategischen Gründen, insbesondere in Ort- schaften entlang der Bahnlinie Ödenburg- Wr. Neustadt, so genannte Zahlstellen, die der Mitgliederrekrutierung dienen sollten, einzurichten. Als Reaktion darauf reagierten die Sozialdemokraten mit der Gründung von Republikanischen Schutzbundgruppen. Seit Aufstellung beider Gruppierungen in Schattendorf im Sommer 1926 äußerten sich die politischen Gegensätze nun verstärkt durch Raufereien, Drohungen und Versamm- lungsstörungen. Immer wieder kam es zu kleineren Zusammenstößen. Am 30. Jänner 1927 allerdings wurde Schattendorf zum Schauplatz eines Ereig- nisses, das noch weitreichende Folgen ha- ben sollte. Foto: Burgenländisches Landesmuseum Aufnahme von Schattendorf aus der NS-Zeit. begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 29
  • 32. Sonntag, 30. Jänner 1927 D ie Werbetätigkeiten der Front- kämpfervereinigung im Bezirk Mattersburg seit Beginn der 1920er Jahre wurden in sozialdemokrati- schen Kreisen als blanke Provokation auf- gefasst. Für den 30. Jänner 1927 war in Schattendorf eine solche Frontkämpferver- anstaltung geplant, gemeldet und auch be- hördlich genehmigt. Um dieser Provokation entsprechend entgegenzutreten, setzte die Sozialdemo- kratische Arbeiterpartei* – trotz warnen- der Stimmen – ebenfalls eine Versamm- lung an, die im Vereinslokal Gasthaus Moser stattfinden sollte. Es wurde verab- säumt, diese Versammlung behördlich zu melden. Beide Veranstaltungen waren zeitgleich für 15.00 Uhr angesetzt. Da die Schattendorfer Frontkämpfervereini- gung nur an die 30 Mitglieder und der örtliche Schutzbund mehr als 70 Mann zählte, wiegte sich letzterer in Sicherheit. Was man in Schattendorf nicht wusste: Zu der Veranstaltung wurden nicht nur die Ortsgruppe Loipersbach, sondern auch Frontkämpfer aus Wien erwartet. Es war vorgesehen, dass die Loipersbacher Frontkämpfer die Wiener Funktionärs- SCHATTENDORF 1927 32 DAS EREIGNIS VON SCHATTENDORF UND DIE POLITISCHEN FOLGEN „Die Geschehnisse selbst hätten damals auch in einer anderen Gemeinde statt- finden können und ich bin überzeugt, dass die handelnden Personen die politi- schen Hintergründe gar nicht einschätzen konnten. Es war jedenfalls eine tragi- sche Verstrickung, die den Beginn des Zerfalls der Demokratie in Österreich be- deutete. Mehr kann ich dazu in einem kurzen Brief nicht darlegen – meine Anteilnahme gilt jedenfalls allen Opfern dieser schicksalshaften Zeit.“ (Zitiert aus einem Brief von Dr. Fred Sinowatz an Josefa Trimmel-Tscharmann vom 21. Juli 2004) * In diversen Quellen wird fälschlich angeführt, dass es sich nicht um eine Veranstaltung der örtlichen Parteileitung, sondern des Republikanischen Schutzbundes handelte. Allerdings ist in den Erhebungsma- terialien der Gendarmerie immer von einer Veranstaltung der SDAP-Leitung die Rede. Da diese nicht be- hördlich der Bezirksverwaltung gemeldet, sondern lediglich „ausgetrommelt“ wurde, ermittelte die Gen- darmerie gegen den Ortsgruppenleiter der SDAP Johann Pinter und nicht gegen den Schutzbundführer Michael Tranker. begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 30
  • 33. gruppe vom Bahnhof abholen sollten, um sie zum Gasthof Tscharmann zu begleiten. ca. 10.00 Uhr Vom Plan der Schattendorfer Frontkämp- fer erhielten die hiesigen Schutzbündler am Vormittag des 30. Jänner durch den von Wien kommenden Friedrich Hofmann Kenntnis. Oberleutnant Friedrich Hofmann diente in der Wiener Volkswehr, war Lan- desführer des Wiener Schutzbundes, Se- kretär der Schutzbund-Reichsleitung und als Referent der SDAP-Veranstaltung in Schattendorf vorgesehen. SCHATTENDORF 1927 33 Anmeldung der Frontkämpferver- sammlung für den 30. Jänner 1927. Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Polizei – Vereine Foto: Josefa Trimmel-Tscharmann Gasthaus Tscharmann, das Vereinslokal der Frontkämfer, in den 1920er Jahren. begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 31
  • 34. SCHATTENDORF 1927 34 ca. 11.00 Uhr Gerüchteweise war zu vernehmen, dass die Frontkämpfer versuchen würden, die sozialdemokratische Veranstaltung zu sprengen. Eine Beratung über die weitere Vorgangsweise fand im Gasthof Paul Moser statt. Daran nahmen neben Hofmann auch der Bezirksleiter des Schutzbundes und Leiter der Ortsgruppe Baumgarten Thomas Preschitz, die Gruppenleiter Michael Tran- ker (Schattendorf) und Josef Wild (Draß- burg), der SDAP-Obmann von Schatten- dorf Johann Pinter und mehrere andere Mitglieder teil. Man kam überein, eine ak- kordierte Aktion gegen die Pläne der Frontkämpfer zu starten, in welche auch andere Schutzbundgruppen der Umgebung eingebunden sein sollten. Hofmann ver- fasste einen Brief, der zur Teilnahme an der Veranstaltung aufforderte. Ein Fahrrad- bote brachte den Brief nach Klingenbach. Preschitz mobilisierte die Gruppen Baum- garten und Draßburg persönlich. Es war abzusehen, dass kein hoher bur- genländischer Parteifunktionär in Schatten- dorf anwesend sein würde, da zeitgleich in Neufeld eine Veranstaltung der Sozialde- mokratischen Jugendorganisation geplant war, an welcher die Führungsriege der SDAP teilnehmen sollte. Es darf aber ange- nommen werden, dass die Mobilisierung vierer Schutzbundeinheiten nicht die Zu- stimmung der Parteileitung erhalten hätte, da diese versuchte, möglichen Provokatio- nen aus dem Weg zu gehen. Am 18. Mai 1927 erhält der Schattendorfer Schutzbund vom Obmann des Zentralver- bandes, Dr. Julius Deutsch, die offizielle Genehmigung zur Gründung einer Ortsgruppe. Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Vereinsakte begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 32
  • 35. ca. 11.30 Uhr Der Fahrradkurier erreichte am späten Vormittag Klingenbach, wo im Zuge einer improvisierten Versammlung der Brief ver- lesen wurde. Nach kurzer Diskussion ent- schied man, dem Ruf Hofmanns und der Schattendorfer Genossen Folge zu leisten. Die Abteilung trug Zivil und die Schutz- bundkappe, verstieß aber dennoch gegen ein behördlich verhängtes Uniformierungs- verbot und überschritt gleichzeitig den in den Klingenbacher Statuten festgelegten Wirkungsbereich, der auf den Bezirk Ei- senstadt eingeschränkt war. ca. 12.00 Uhr Der Schattendorfer Postenkommandant, Gruppeninspektor Johann Wittwer, infor- mierte sich bei Bürgermeister Johann Grafl über die geplante Veranstaltung der SDAP, von der er gerüchteweise erfahren hatte. Im Laufe des Gesprächs, bei welchem auch Hofmann anwesend war, kam auch zur Sprache, dass Schutzbündler aus ande- ren Orten in Schattendorf erwartet wür- den. ca. 13.15 Uhr Die Schutzbundgruppen von Schatten- dorf, Baumgarten, Draßburg und Klingen- bach trafen beim Gasthaus Moser ein. Aus Klingenbach marschierten 25 Mann an, die Gruppe Schattendorf war die zah- lenmäßig stärkste mit 39 Schutzbündlern. Aus Draßburg kamen 28, aus Baumgarten folgten 20 Mann dem Aufruf Hofmanns. Insgesamt sammelten sich 112 Angehörige des Republikanischen Schutzbundes und nach einer kurzen Lagebesprechung er- folgte der Abmarsch mit Ziel Bahnhof Loi- persdorf-Schattendorf, um – wie vorgese- hen – den Einmarsch der Frontkämpfer nach Schattendorf zu verhindern. ca. 13.30 Uhr Auf der Höhe des Gasthauses Tschar- mann, des Vereinslokales der Frontkämp- fer, brach eine Gruppe von 10-15 Schutz- bündlern, darunter Thomas Preschitz, aus der Marschkolonne aus und dang ins Lokal ein. Dort kam es zur ersten Auseinander- setzung des Tages, im Zuge derer der SCHATTENDORF 1927 35 Gasthaus Moser (spätere Abbil- dung), das Vereinslokal der Schattendorfer So- zialdemokraten. Foto: Burgenländisches Landesarchiv begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 33
  • 36. SCHATTENDORF 1927 36 Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Polizeiakt Liste der beteiligten Schutzbündler aus Schattendorf begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 34
  • 37. SCHATTENDORF 1927 37 Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Polizeiakt Liste der beteiligten Schutzbündler aus Klingenbach, darunter befindet sich an zweiter Stelle der Name von Matthias Csmarits. begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 35
  • 38. SCHATTENDORF 1927 38 Wirtssohn Josef Tscharmann einen ersten Schuss abgab, um die Gendarmerie zu alar- mieren. Dem herbeigeeilten Gruppeninspektor Johann Wittwer gelang es, den Streit zu schlichten. Der Großteil der Gruppe marschierte in- des zum Bahnhof weiter. Dort bezogen die Schutzbündler vorerst Stellung. ca. 14.40 Uhr Der Zug mit den aus Wien erwarteten Frontkämpfern traf ein. Dieser Gruppe, die nur aus 10 Personen bestand, gehörten ne- ben acht Mattersburger Frontkämpfern zwei hohe Funktionäre aus Wien an: Hauptmann a. D. Anton Seifert sowie der Sekretär der Österreichischen Frontkämp- fervereinigung, Josef Landgraf. Es kam zu einer Rauferei mit einem Teil der Schutz- bündler, woraufhin sich die Frontkämpfer im Bahnhofsgelände verschanzten. Die Situation geriet außer Kontrolle und Revierinspektor Anton Schmied ersuchte das Gendarmeriebezirkskommando Mat- tersburg um Verstärkung. Unter Vermittlung der Gendarmerie ver- ständigte man sich darauf, die Veranstal- tung im Gasthaus Tscharmann abzusagen. Die Frontkämpfer zogen sich entlang der Bahnlinie Richtung Mattersburg zurück. ca. 14.45 Uhr Nachdem die etwa 40 Mitglieder der Frontkämpfer Ortsgruppe Loipersbach bei- nahe zeitgleich den Bahnhof erreicht hat- ten, kam es zu der erwarteten Schlägerei, bei der die ersten Schüsse fielen. Die Loi- persbacher traten auf Grund des unglei- chen Kräfteverhältnisses den Rückmarsch an. Niemand wurde ernsthaft verletzt, le- diglich der Kommandant der Loipersba- cher Frontkämpfer erlitt durch einen Streif- schuss am Ohr eine leichte Verletzung. ca. 15.45 Uhr Der Schutzbund hatte seine Ziele ge- waltsam durchgesetzt: Den auswärtigen Frontkämpfern wurde der Einmarsch in Foto: Burgenländisches Landesmuseum Bahnhof Loipers- bach-Schattendorf begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 36
  • 39. SCHATTENDORF 1927 39 den Ort verweigert und die Schattendorfer Frontkämpfer mussten ihre Generalver- sammlung absagen. Im Bewusstsein, sich in voller Linie gegen den politischen Geg- ner durchgesetzt zu haben, marschierten die Schutzbündler zurück zum Gasthof Moser. Sie wurden begleitet von Parteigän- gern der SDAP, aber auch von Unbeteilig- ten – darunter Frauen und Kinder. Im Ort verbreitete sich inzwischen aber bereits das Gerücht, dass der Loipersba- cher Frontkämpferkommandant erschos- sen worden sei. ca. 16.00 Uhr Ein weiteres Mal passierte der Zug des Schutzbundes das Gasthaus Tscharmann, in dem sich etliche Frontkämpfer aufhiel- ten. Aus der am Ende marschierenden Klin- genbacher Ortsgruppe lösten sich einige Schutzbündler aus dem Verband und dran- gen ins Gasthaus ein, darunter auch der Klingenbacher Schutzbündler Matthias Csmarits. Steine flogen auf die Außenfas- sade des Gebäudes und Drohungen wur- den geäußert. Einige Frontkämpfer, darun- ter auch die beiden Wirtssöhne Josef und Hieronymus Tscharmann sowie deren Schwager Josef Pinter, fühlten sich bedroht und zogen sich in die Privatwohnung des Gasthauses zurück, in der schon auf Grund der Vorkommnisse des frühen Nachmittags geladene Gewehre bereitstanden. Während Josef Tscharmann einige Schüsse auf die gegenüberliegende Hof- mauer abgab, um die bereits in den Hof Beim Rückmarsch vom Bahnhof zum Gasthaus Moser passierten die Schutzbündler erneut das Gasthaus Tscharmann. Foto: Burgenländisches Landesarchiv begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 37
  • 40. SCHATTENDORF 1927 40 Privathaus Tscharmann: Straßenansicht mit Beschädigungen an der Hausmauer, die von Steinwürfen verursacht wurden. Foto: Burgenländisches Landesarchiv Gasthaus Tschar- mann – Innenhof: Um die ins Gast- haus eingedrunge- nen Schutzbünd- ler zu vertreiben feuert Josef Tscharmann ei- nige Schüsse auf die gegenüberlie- gende Gasthaus- mauer ab. Foto: Burgenländisches Landesarchiv begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 38
  • 41. SCHATTENDORF 1927 41 Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Polizeiakt Tatortskizze begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 39
  • 42. SCHATTENDORF 1927 42 und in die Küche eingedrungenen Schutz- bündler zu vertreiben, feuerten Hierony- mus Tscharmann und Johann Pinter von einem straßenseitigen, vergitterten Fenster auf die Straße. Auch Josef Tscharmann kam in das vordere Zimmer und gab noch mindestens einen Schuss ab, wie er später selbst gestand. Die Schüsse hatten verheerende Folgen: Mehrere Personen, zum Teil unbeteiligte Schaulustige, wurden verletzt, zwei Men- schen aber, der sechsjährige Josef Grössing aus Schattendorf und der Klingenbacher Schutzbündler Matthias Csmarits, blieben inmitten der auseinander tobenden Men- schenmenge tödlich getroffen liegen. Csmarits wurde von einer Schrotladung von hinten in Kopf und Nacken getroffen. Der kleine am gegenüberliegenden Stra- ßenrand stehende Junge starb an einem Herzschuss. Später Nachmittag Fahrradkuriere der Sozialdemokraten verbreiteten die Nachricht über die Ge- walttat in Neufeld und Eisenstadt. Nur mit Mühe konnte die spontane Mobilisierung einzelner Schutzbundgruppen (darunter der Eisenstädter Schutzbund) verhindert werden. Auch die Frontkämpfer von Mattersburg hatten am Nachmittag eine Mobilisierung erwogen, nachdem Seifert und Landgraf von dem Vorfall am Schattendorfer Bahn- hof berichtet hatten. Standorte, an denen Josef Grössing und Matthias Csmarits tödlich getroffen wurden. Foto: Burgenländisches Landesarchiv begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 40
  • 43. SCHATTENDORF 1927 43 Foto: Burgenländisches Landesmuseum Ehrenwache an der Stelle, wo Matthias Csmarits zu Tode kam. Foto: Burgenländisches Landesmuseum Totenwache am Grab Josef Grössings begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 41
  • 44. SCHATTENDORF 1927 44 Abends Als einziges Mitglied der SDAP-Landes- leitung kam Landesparteisekretär Hans Bögl persönlich nach Schattendorf, um sich ein Bild der Lage zu machen. 31. Jänner 1927 Der Unmut über das Schattendorfer Er- eignis äußerte sich in spontanen Protest- kundgebungen in mehreren Großbetrieben Wiens und Wr. Neustadts. Im Burgenland reagierte die SDAP-Par- teileitung sofort und versuchte die Protest- welle in geordnete Bahnen zu lenken; für den Vormittag wurde in Neufeld eine Pro- testversammlung angekündigt. Die Sirenen der Neufelder Industriebetriebe gaben um 11.00 Uhr das Signal, die Arbeit niederzu- legen. Landtagsabgeordneter Franz Schön, der Bürgermeister von Neufeld und Lan- deshauptmannstellvertreter Ludwig Leser sprachen bei der Protestversammlung, an der 6.000 Personen teilnahmen. 2. Feber 1927 Die Begräbnisse der beiden Opfer in Klin- genbach und Schattendorf wurden beein- druckende sozialdemokratische Kundge- bungen, an denen mehr als 10.000 Perso- nen teilnahmen. In ganz Österreich wurde um 11.00 Uhr ein 15minütiger General- streik abgehalten. 3. Feber 1927 Bei der Nationalratssitzung kam es zu tumultartigen Szenen. Die Sozialdemokra- tischen Abgeordneten forderten in einer dringlichen Anfrage die Regierung auf, die Schuldigen von Schattendorf zur Verant- wortung zu ziehen und die Frontkämpfer- vereinigung aufzulösen. 8. Feber 1927 In der Landtagssitzung verurteilten alle im Landtag vertretenen Parteien die Ereig- nisse von Schattendorf auf das Schärfste. Eine gemeinsam getragene Resolution be- Foto: Burgenländisches Landesmuseum Nach dem Begräb- nis von Josef Grössing, das um 14.00 Uhr stattge- funden hatte, zog ein 10.000 Men- schen umfassender Trauerzug nach Klingenbach, wo um 16.00 Uhr Matthias Csmarits beerdigt wurde. begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 42
  • 45. inhaltete die ernste Mahnung, politische Kämpfe mit geistigen Waffen auszutragen und die Absicht, gegen „hochverräterische Elemente“ mit aller Strenge vorzugehen. 5.–14. Juli 1927 Am 5. Juli begann im Wiener Landesge- richt für Strafsachen II der Prozess gegen Josef Tscharmann, Hieronymus Tschar- mann und Johann Pinter. Dieser Geschwo- renengerichtsprozess verlief unter reger Anteilnahme der Presse und der Öffent- lichkeit. Die Anklage lautete auf: „Verbre- chen der öffentlichen Gewalttätigkeiten durch boshafte Handlungen unter beson- ders gefährlichen Verhältnissen nach § 87 des Österreichischen Strafgesetzes“. Über 100 Zeugen wurden vorgeladen, 42 Zeu- genaussagen verlesen. Die Angeklagten selbst bestritten nie, die tödlichen Schüsse abgegeben zu haben, gaben jedoch an, nicht in der Absicht geschossen zu haben, zu töten oder zu verletzen. Der für alle überraschende Freispruch war darin be- gründet, dass es die Anwälte geschickt ver- standen hatten, die eigentliche Schuld dem Schutzbund zuzuweisen. 15. Juli 1927 Die Nachricht über den Freispruch der Angeklagten und ein Artikel von Friedrich Austerlitz, Chefredakteur der Arbeiter-Zei- tung, lösten in Wien spontane Demonstra- tionen aus. Kristallisationspunkt des Unmu- tes war der Justizpalast, der infolge in Brand gesetzt wurde. Die Intensität der Proteste überraschte den Schutzbund ge- nau so wie die Polizei. Trotz intensivster Bemühungen der handelnden Personen (Dr. Julius Deutsch und Polizeipräsident Dr. Johann Schober) eskalierte die Situation. Der 15. Juli 1927 kostete 89 Menschen das Leben, über 600 Personen wurden ver- letzt. Österreich stand am Rande eines Bürgerkrieges – und die Demokratie am Wendepunkt. SCHATTENDORF 1927 45 Foto: Burgenländisches Landesmuseum Wien, 15. Juli 1927: Mit Karabi- nern bewaffnete Polizei. begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 43
  • 46. SCHATTENDORF 1927 46 Feuerwehr nach dem Brandeinsatz vor dem zerstörten Justizpalast. Foto: Burgenländisches Landesmuseum begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 44
  • 47. J osef Grössing war der Sohn des Ei- senbahners Josef sen. (geb. 1881) und der Susanne Grössing (geb. 1884). Vater Josef war zwar nicht Mitglied des Schutzbundes, stand der Sozialdemo- kratie allerdings ideologisch nahe. Josefs Schwester Susanne war 14 Jahre alt, als ihr Bruder starb. Mutter Susanne sollte ihren Sohn nur um zehn Jahre überleben – sie starb im Jahr 1937. Am Tag des tragischen Ereignisses be- gleitete Josef mit einer Gruppe von Gleich- altrigen den Aufmarsch des Schutzbundes durch den Ort. Als es am Nachmittag beim Gasthof Tscharmann zu Auseinanderset- zungen kam, stand Josef auf der gegen- überliegenden Straßenseite. Aus dem Tscharmannhaus wurden mehrere Schüsse abgegeben. Dabei traf ihn eine Schrotla- dung ins Herz. Er lief noch wenige Schritte bis zum benachbarten Haus und brach dort tot zusammen. Der neben Josef stehende Josef Haring wurde leicht an Hand und Oberschenkel verletzt. Das am 2. Februar stattfindende Begräb- nis gestaltete sich zu einer sozialdemokrati- schen Machtdemonstration, an der mehr als 10.000 Trauergäste teilnahmen. Am Grab von Josef Grössing sprachen Bundes- rat bzw. Obmann des Vereins „Freie Schule – Kinderfreunde“ Max Winter, Lan- deshauptmannstellvertreter Ludwig Leser und Bürgermeister Johann Grafl. Jahr- zehnte nach dem Begräbnis sorgte seine letzte Ruhestätte für Aufsehen, da diese im Zuge von Straßenarbeiten verlegt werden musste. Im Jahr 1984 errichtete die SPÖ eine Gedenktafel, die an die Opfer des 30. Jänner 1927 erinnert. 1997, 70 Jahre nach seinem Tod, be- nannte die Gemeinde Wien nach ihm eine Freizeitanlage am nördlichen Stadtrand: den Josef-Grössing-Park. BIOGRAFIEN 47 JOSEF GRÖSSING (12.2.1920–30.1.1927) Foto: Burgenländisches Landesarchiv Nachstellung aus dem Polizeiakt, zeigt den Standort der Kindergruppe um Josef Grössing. begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 45
  • 48. BIOGRAFIEN 48 D er Bauarbeiter Matthias Csmarits wurde 1892 in Klingenbach ge- boren. Er war verheiratet mit Maria (geb. Reisner) und hinterließ einen sechsjährigen Sohn namens Franz. Im Ersten Weltkrieg wurde Csmarits dreimal verletzt und verlor ein Auge. Nach dem Fall der Räteregierung Bela Kuns floh Csmarits, wie viele Arbeiter der Umge- bung, aus Angst vor ungarischen Zwangs- maßnahmen ins nahegelegene Niederöster- reich. Im Jahr 1921 beteiligte er sich an den Kämpfen um das Burgenland. Matthias Csmarits war dann vorübergehend arbeits- los, erhielt aber bald eine Beschäftigung als Bauarbeiter bei den Elektrizitätswerken der Stadt Wien. Seit Mitte Jänner 1927 war er erneut arbeitslos. Der gebürtige Kroate war fest im Organisationsgeflecht der Sozialdemokratie verankert: Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, der Frei- denker, des Unterstützungsvereins der Elektrizitätswerke und Mitglied des Klin- genbacher Schutzbundes. Nachdem die Schutzbündler erfahren hatten, dass am 30. Jänner auch auswär- tige Frontkämpfer in Schattendorf erwartet wurden, erfolgte umgehend die Mobilisie- rung von Schutzbundgruppen der näheren Umgebung. Im Laufe des Vormittages machte sich der Klingenbacher Schutz- bund, darunter Matthias Csmarits, auf den Weg nach Schattendorf. Csmarits war auch an der Auseinandersetzung mit Front- kämpfern am Bahnhof Schattendorf-Loi- persbach beteiligt. Dabei geriet Csmarits mit der Gattin des Bahnhofvorstehers Mar- gera in ein kurzes Wortgefecht. Darin be- klagte er, dass seine Kinder Hunger leiden müssten. Kurz vor 16.00 Uhr marschierte der Zug der Schutzbündler zurück in Rich- tung Gasthof Moser. Die Klingenbacher Gruppe war am Ende der Marschkolonne gereiht. Auf der Höhe des Vereinslokales der Frontkämpfer lösten sich einige Schutzbündler aus der Formation und drangen ins Gasthaus Tscharmann ein. Darunter befand sich auch Matthias Csma- rits. Es fielen Schüsse. Wieder auf der Straße, versuchte Csmarits hinter einem Baum Deckung zu nehmen. Mehrere Schrotkugeln trafen ihn in den Kopf. Mat- thias Csmarits war sofort tot, sein Leich- nam wurde im Gemeindegasthaus Moser aufgebahrt. Am 2. Februar fand das Begräbnis statt. Grabreden hielten der Parteiideologe Otto MATTHIAS CSMARITS (15.9.1892–30.1.1927) begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 46
  • 49. BIOGRAFIEN 49 J osef Tscharmann war Sohn der Gast- hausbesitzer Josef und Maria Tschar- mann. Er besuchte die Volksschule in Schattendorf. Vater Josef führte neben dem Gasthaus auch eine Landwirtschaft. Er war ein tüchtiger Wirt und brachte es zu eini- gem Wohlstand. Das Gasthaus „Zum lusti- gen Bauern“, wie das Lokal auf Postkarten bezeichnet wurde, war das erste private Wirtshaus im Ort und galt als Treffpunkt JOSEF TSCHARMANN JUN. (2.7.1896–15.11.1972) „Josef Tscharmann jun. geboren am 2. JULI 1896 in Schattendorf Bezirk Mat- tersburg im Burgenland und zuständig, österr. Bundesbürger kath.verheiratet, dessen Gattin heisst Maria Tscharmann hat ein Kind im Alter von 1 1/2 Jahren, vermögenslos, Landwirtsohn, kann lesen und schreiben, hat 6 klassige Volks- schulbildung, dessen Eltern heissen Josef und Maria Tscharmann, zuletzt in Schattendorf Nr. 59 wohnhaft und ist bisnun straflos.“ (zitiert aus dem Polizeiakt) Bauer, Landeshauptmannstellvertreter Lud- wig Leser, der Führer des Republikani- schen Schutzbundes Julius Deutsch und Landtagsabgeordneter Anton Propst. Mehr als 10.000 Trauergäste nahmen am Be- gräbnis teil. Das Grab von Matthias Csmarits wurde zur „Pilgerstätte“ für die Arbeiterbewe- gung. Matthias Csmarits und Josef Grös- sing waren die ersten politischen Opfer des Burgenlandes. Bis heute legen die Roten Falken am 30. Jänner an seinem Grab ei- nen Kranz nieder. Foto: Burgenländisches Landesarchiv Das Bild zeigt die Stelle, an der Matthias Csmarits tödlich getroffen wurde. begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 47
  • 50. der Bürgerlichen. Das Lokal wurde zum Vereinslokal der Frontkämpfervereinigung, die am 25. Juli 1926 in Schattendorf ge- gründet wurde. Josef Tscharmann jun., der bereits früh mitarbeitete, übernahm schließlich das Gasthaus und führte es bis zu seinem Tod. Die Familie pflegte gute wirtschaftliche und private Kontakte nach Ungarn, die durch den Anschluss des Bur- genlandes an Österreich erschwert wur- den. Als Jagdpächter lud die Familie zu Jagdgesellschaften ein, an denen auch Un- garn teilnahmen. Für den 30. Jänner 1927 war im väterli- chen Gasthaus die „Jahreshauptversamm- lung“ der Frontkämpfer von Schattendorf angesagt. Gegen 13.30 Uhr drangen meh- rere Schutzbündler in das Gasthaus ein und verlangten nach Wein. Es kam zu hef- tigen Wortgefechten. Auf Ersuchen seines Vaters feuerte Josef, mit der Absicht die Gendarmerie zu alarmieren, mehrere Schüsse in die Luft ab. Die heraneilende Gendarmerie konnte die Lage vorerst wie- der beruhigen. Nach einer Auseinandersetzung zwi- schen Loipersbacher Frontkämpfern und den Schattendorfer Schutzbündlern beim Bahnhof marschierte gegen 16.00 Uhr der Schutzbund ein weiteres Mal am Gasthof vorbei. Durch das abermalige Eindringen von Schutzbündlern ins Lokal verängstigt, zog sich Josef mit einer Gruppe von Front- kämpfern ins gegenüberliegende Wohn- haus der Familie zurück und ergriff ein für diesen Fall bereitgestelltes Gewehr. Er feu- erte zunächst drei Schüsse aus dem hinte- ren Wohnzimmer in das gegenüberlie- gende hofseitige Gebäude und begab sich dann in das straßenseitig gelegene Wohn- zimmer. Nach eigenen Aussagen soll er von dort aus einen einzigen Schuss auf die Straße abgegeben haben. Gerüchten zufolge gewährte ihm der Dorfpfarrer Josef Kleindl, dem ein Nahver- hältnis zur Frontkämpferbewegung nach- gesagt wurde, nach seiner Flucht Unter- schlupf. Kleindl war außerdem der Onkel von Josefs Gattin Maria, wodurch auch eine verwandtschaftliche Bindung exi- stierte. Am 31. Jänner wurde Josef Tschar- mann verhaftet und ins Bezirksgericht Mattersburg überstellt. Am 5. Juli begann der Schwurgerichts- prozess, im Zuge dessen er am 14. Juli überraschend freigesprochen wurde. Daran waren die drei „Staranwälte“, die die Frontkämpfer organisiert hatten, nicht unbeteiligt. Als Josef enthaftet wurde, wa- ren die Unruhen des 15. Juli bereits im Gang. Dadurch beunruhigt und verängstigt entschied er sich gemeinsam mit den bei- den Mitangeklagten, in Ungarn Zuflucht zu suchen. Nachdem es im Burgenland zu keinen Ausschreitungen gekommen war, kehrten sie wieder nach Schattendorf zu- rück. Josef Tscharmann war als Hilfsgendarm (HIGA) im Zweiten Weltkrieg und lebte bis zu seinem Tod im Jahr 1972 in Schatten- dorf. Politisch wurde Josef nicht mehr aktiv. BIOGRAFIEN 50 begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 48
  • 51. BIOGRAFIEN 51 H ieronymus war Sohn der Gast- hausbesitzer Josef und Maria Tscharmann. Er hatte zwei Schwestern – Theresia und Maria – sowie die zwei Brüder Josef und Paul. Paul Tscharmann fiel im Ersten Weltkrieg. An- fang der 1920er Jahre kaufte Josef Tschar- mann sen. die Mühle, die sein Sohn Hiero- nymus bis zu seinem Tode als letzter Schattendorfer Müllermeister führte. Wie sein Vater und sein Bruder pflegte auch Hieronymus gute wirtschaftliche und pri- vate Kontakte nach Ungarn. Sein Taufpate stammte aus Ödenburg. Vom Anschluss des Burgenlandes an Österreich erwartete Hieronymus wirtschaftliche Nachteile. Darin könnte auch das Motiv seiner Mit- gliedschaft bei der Frontkämpfervereini- gung liegen, da die burgenländischen Frontkämpfer gerüchteweise für den Wie- deranschluss an Ungarn agitierten. Wider- sprüchlich scheint hingegen, dass er als Nicht-Weltkriegsteilnehmer – Hieronymus war zu Kriegsbeginn gerade neun Jahre alt – einer Vereinigung der ehemaligen Kriegs- teilnehmer beitrat. Am Vorabend des 30. Jänner 1927 be- suchte Hieronymus Tscharmann wie viele seiner Altersgenossen eine Ballveranstal- tung der Sozialdemokraten. Gezeichnet vom Vortag schlief er in der Mühle, bis er am frühen Nachmittag von Familienange- hörigen um Hilfe gerufen wurde. Zuvor war es im väterlichen Gasthaus bereits zu einer ersten Kontroverse mit Schutzbünd- lern gekommen. Als gegen 16.00 Uhr die Schutzbundgruppe erneut das Gasthaus passierte und Drohgebärden äußerte, zog sich Hieronymus mit seinem Bruder Josef, HIERONYMUS TSCHARMANN (15.2.1905*–18.2.1994) „Hieronymus Tscharmann ist am 15. Feber 1905 in Schattendorf Bezirk Matters- burg im Burgenlande geboren und zuständig, österr. Staatsbürger, röm.kath. ledig, wirtschaftlicher Hilfsarbeiter, in Schattendorf Nr. 59 wohnhaft, kann lesen und schreiben, besitzt kein Vermögen hat für niemanden zu sorgen, Eltern Josef und Maria Tscharmann geborene Pinter und sind hier keine Vorstrafen bekannt.“ (zitiert aus dem Polizeiakt) begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 49
  • 52. BIOGRAFIEN 52 dem Schwager Johann Pinter und mehre- ren Frontkämpfern in die elterliche Woh- nung zurück. Mit den dort bereitgestellten Schusswaffen wurde straßenseitig auf die vorbeimarschierende Menschengruppe das Feuer eröffnet. Bis heute ist nicht geklärt, wer tatsächlich die tödlichen Schüsse ab- gab. Unmittelbar nach der Tat hielten sich die Schützen versteckt. Beim folgenden Schwurgerichtsprozess wurden Hieronymus Tscharmann und die Mitangeklagten von einer Gruppe von „Staranwälten“ vertreten, unter welchen sich auch der Nazijurist Dr. Walter Riehl befand. Um sich die Rechtsvertretung lei- sten zu können, musste die Familie meh- rere Grundstücke veräußern. Nach dem unerwarteten Freispruch zog es Hierony- mus vor, die folgenden Tage in Ungarn zu verbringen. Nach seiner Rückkehr in sein Heimatdorf war er dann weiterhin als Mül- ler tätig. Als Soldat der Deutschen Wehrmacht geriet er in jugoslawische Kriegsgefangen- schaft, aus der er 1946 entlassen wurde. Hieronymus Tscharmann vermied jede weitere politische Tätigkeit im Ort. Erst seine Tochter Josefa wurde wieder kom- munalpolitisch tätig. Zeit seines Lebens vermied Hieronymus Tscharmann jegliche Diskussion über die Ereignisse von 1927. * Das Standesamt von Schattendorf vermerkt den Geburtstag am 14.3.1905. JOHANN PINTER (16.4.1901*–8.5.1985) „Johann Pinter ist am 16. April 1901 in Schattendorf Bezirk Mattersburg im Burgenlande geboren und zuständig, in Schattendorf 190 wohnhaft österr. Staatsbürger, röm.kath.verheiratet, kann lesen und schreiben, besitzt kein Ver- mögen hat für seine Gattin Maria und 1 Kind im Alter von 2 1/2 Jahren zu sor- gen, Eltern Johann und Barbara Pinter und erscheint ha. nicht vorbestraft auf.“ (zitiert aus dem Polizeiakt) begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 50
  • 53. J ohann Pinter entstammte einer Schat- tendorfer Bauernfamilie. Er übernahm den elterlichen Hof und führte diesen bis zu seiner Pensionierung. Seine Gattin Maria war die Schwester von Josef und Hie- ronymus Tscharmann, mit denen er auch freundschaftlich verbunden war. Während seiner Schulzeit litt er besonders unter der durch eine restriktive Magyarisierungspoli- tik verordneten ungarischen Schulsprache. Ganz in diesem Sinne befürwortete er den Anschluss des Burgenlandes an Österreich. Seine politische Orientierung war also eher Großdeutsch. Infolge dessen stand seine Motivlage bezüglich einer Mitgliedschaft in der Frontkämpfervereinigung jener der Brü- der Tscharmann konträr gegenüber. Im Ge- gensatz zu seinen beiden Schwagern, pas- sionierte Jäger, war Johann im Umgang mit Schusswaffen eher ungeübt. Nachdem es am besagten 30. Jänner ge- gen 13.30 Uhr zu ersten Auseinanderset- zungen mit Schutzbündlern gekommen war, fand sich auch Johann Pinter im Gast- haus seines Schwiegervaters ein. Bereits zu Mittag desselben Tages waren Gewehre im Wohntrakt des Hauses positioniert wor- den. Um ca. 16.00 Uhr wurde das Gast- haus Tscharmann ein weiteres Mal Schau- platz von Auseinandersetzungen. Zu die- sem Zeitpunkt befand sich Johann Pinter bereits im Gasthof, bereit den Schutzbünd- lern entschieden entgegenzutreten. Die in Unterzahl befindlichen Frontkämpfer flüchteten aus der Gaststube und begaben sich, wie vorgesehen, in den Wohntrakt der Tscharmanns. Von hier wurde das Feuer eröffnet. Johann Pinter wurde dabei erkannt, mehrere Schüsse abgegeben zu haben. Ungeklärt bleibt, ob er einer der To- desschützen war. Johann Pinter hielt sich aus Angst vor der Rache der Schutzbündler versteckt, wurde aber bald gefasst. Die Freundschaft zu Josef Tscharmann war auf Grund der Tatsache, dass dieser ihn bei der ersten Vernehmung schwer belastete, auf eine harte Probe gestellt. Nach eingehender Untersuchung wurde gegen Johann Pinter und die anderen Be- teiligten die Anklage wegen „Verbrechen der öffentlichen Gewalttätigkeiten durch boshafte Handlungen und besonders ge- fährlichen Verhältnissen nach § 87 des Österreichischen Strafgesetztes“ erhoben. Sowohl Johann Pinter als auch seine bei- den Schwager bestritten nie, die tödlichen Schüsse abgegeben zu haben, doch gaben sie an, nicht in der Absicht geschossen zu haben, zu töten oder zu verletzten. Nach dem Freispruch und seiner Rück- kehr nach Schattendorf stellte sich für ihn nie die Frage, aus seinem Heimatort weg- zuziehen. Auch in der Familie Pinter wurden die Geschehnisse verdrängt. Von der Beteili- gung an den tragischen Ereignissen, die zum Tod zweier Menschen führten, erfuhr Johann Pinters Sohn erst mit 16 Jahren im Zuge einer Wahlveranstaltung. Während sich Johann Pinter allen Fragen seiner Kinder verschloss, war es die Mutter, die diesen vom tragischen Ereignis des 30. Jänner 1927 erzählte. BIOGRAFIEN 53 * Das Standesamt von Schattendorf vermerkt den Geburtstag am 13.4.1901 begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 51
  • 54. ZEITTAFEL 54 1 9 2 1 09.01. Konstituierung der „Burgenländischen Lan- desorganisation der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei“ in Wiener Neustadt – Ob- mann: Johann Fiala 25.01. „Burgenlandgesetz“ – Bundesverfassungsge- setz über die Stellung des Burgenlandes als selbstständiges und gleichberechtigtes Bun- desland 14.04. Konstituierung der „Christlichsozialen Lan- desparteileitung für das Burgenland“ in Wien – Obmann: Rudolf Gruber 1 9 2 2 01.01. Das durch die „Ödenburger Volksabstim- mung“ verlorene Gebiet wird an Ungarn übergeben 02.02. Konstituierende Sitzung der Landespartei- leitung der „Großdeutschen Volkspartei für das Burgenland“ in Sauerbrunn – Ob- mann: Karl Wollinger, Dr. Alfred Walheim 18.06. Im Burgenland werden die ersten Wahlen für den Landtag und zugleich für den Na- tionalrat durchgeführt 15.07. Konstituierende Sitzung des Burgenländi- schen Landtages in der ehemaligen Militär- oberrealschule in Eisenstadt 19.07. Wahl der ersten Burgenländischen Landes- regierung – Landeshauptmann: Dr. Alfred Rausnitz 1 9 2 3 25.03. 1. Gemeinderatswahlen im Burgenland 12.07. Gesetz über die Einführung der 8jährigen Schulpflicht im Burgenland 14.07. Demission von Landeshauptmann Rausnitz – Dr. Alfred Walheim wird zum neuen Landeshauptmann gewählt 21.10. Nationalrats- und Landtagswahlen im Bur- genland 13.11. Beginn der II. Wahlperiode (= Legislaturpe- riode) des Burgenländischen Landtages 1 9 2 4 04.01. Neuwahl der Burgenländischen Landesre- gierung – Landeshauptmann: Josef Rauhofer 29.04. Gemeindeordnung für alle burgenländi- schen Gemeinden mit Ausnahme der Frei- städte Eisenstadt und Rust 19.07. Eröffnung der Burgenländischen Arbeiter- kammer 30.07. Eröffnung der Burgenländischen Handels- kammer begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 52
  • 55. ZEITTAFEL 55 1 9 2 5 13.03. Eröffnung der Burgenländischen Landwirt- schaftskammer 30.04. Eisenstadt ist Landeshauptstadt – Eisen- stadt wird vom Landtag mit 20 gegen 9 Stimmen zum Sitz der Landesregierung und zum Tagungsort des Landtages ge- wählt 15.05. Der Landtagspräsident Oskar Brugnak nimmt die Demission von Landeshaupt- mann Rauhofer zur Kenntnis; gleichzeitig wird Landeshauptmann-Stellvertreter Lud- wig Leser mit der Weiterführung der Agen- den des Landeshauptmannes betraut („In- terregnum Leser“) 09.06. Neuwahl des Landeshauptmannes – Josef Rauhofer 1 9 2 6 15.01. Gesetz über die Verfassung des Burgenlan- des 03.11. Sozialdemokratisches Parteiprogramm („Lin- zer Programm“) 29.11. Neufassung des Christlichsozialen Partei- programms 14.12. Grundsteinlegung zum Regierungsgebäude in Eisenstadt 1 9 2 7 30.01. Schattendorf – Zusammenstoß des Republi- kanischen Schutzbundes mit der Front- kämpfervereinigung 02.02. Die Begräbnisse der beiden Opfer in Schat- tendorf und Klingenbach werden beein- druckende sozialdemokratische Trauer- kundkundgebungen; in ganz Österreich wird ein 15minütiger Generalstreik abge- halten 03.02. Tumulte bei der Nationalratssitzung 08.02. Landtagssitzung ist befasst mit dem Ereig- nis Schattendorf 20.03. Gemeinderatswahlen im Burgenland 24.04. Nationalrats- und Landtagswahlen im Bur- genland 20.05. Beginn der III. Wahlperiode des Burgenlän- dischen Landtages 14.07. Der „Schattendorfer Prozess“ vor einem Wiener Schwurgericht endet mit dem Frei- spruch der Angeklagten 15.07. Brand des Justizpalastes. Blutiger Aufstand in Wien begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 53
  • 56. Allgemeine Landestopographie des Burgenlandes. Der Verwaltungsbezirk Mattersburg, Hg. Amt der Burgenländischen Landesregierung, Eisenstadt 1993 Hans Arthofer, Vom Selbstschutz zur Frontmiliz, 1918–1936, Wien 1936 Ernst Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs, Wien-München 2001 50 Jahre Burgenland, Burgenländische Forschungen Sonderheft III, Eisenstadt 1971 Charlotte Heidrich, Burgenländische Politik in der Ersten Republik, Bd. 4, Studien und Quellen zur österreichischen Zeitgeschichte, Wien 1982 Norbert Leser, Paul Sailer-Wlasits (Hg.), Als die Republik brannte. Von Schattendorf bis Wien, Wien 2001 Hugo Portisch, Österreich I. Die unterschätzte Republik, Wien 1989 Schattendorf, Seine Geschichte und seine Menschen, Hg. Marktgemeinde Schattendorf, Schattendorf 2003 Fred Sinowatz, Gerald Schlag, Walter Feymann, Aufbruch an der Grenze. Die Arbeiter- bewegung von ihren Anfängen im westungarischen Raum bis zum 100-Jahre-Jubiläum der Sozialistischen Partei Österreichs, Wr. Neustadt 1989 Mario Strigl, Vom Legitimismus zum Nationalsozialismus. Die Frontkämpfervereinigung in Österreich, Diplomarbeit Institut für Zeitgeschichte, Wien 2000 Felix Tobler, Zur Frühgeschichte der NSDAP im Burgenland, in: Burgenland 1938, Burgenländische Forschungen Bd. 73, Eisenstadt 1989 Um Freiheit und Brot. Geschichte der burgenländischen Arbeiterbewegung von den Anfängen bis 1945, Hg. AG zur Erforschung und Dokumentation der Geschichte der burgenländischen Arbeiterbewegung, Eisenstadt 1984 Günther M. Unger, Die Christlichsoziale Partei im Burgenland, Burgenländische Forschungen Bd. 49, Eisenstadt 1965 Günter M. Unger, 60 Jahre ÖVP, Familienalbum zur Geschichte der ÖVP im Burgenland, Hornstein 2005 LITERATURVERZEICHNIS 56 begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 54
  • 57. Bibliografische Literatur Johann Bögl, Burgenland. Ein Bericht zur Zeitgeschichte, Wien 1974 Julius Deutsch, Ein weiter Weg, Zürich-Wien-Leipzig 1960 Oskar Helmer, 50 Jahre erlebte Geschichte, Wien 1957 Quellenverzeichnis Burgenländisches Landesarchiv, Vereinsakte Burgenländisches Landesarchiv, Erhebungsakt der Gendarmerie „Frontkämpfer und Republikanischer Schutzbund. Zusammenstoß in Schattendorf“ III-317/1927, Konvolut ca. 210 Seiten Burgenländisches Landesarchiv, Zeitgeschichtliche Sammlung, Polizei – Vereine Burgenländisches Landesarchiv, Zeitgeschichtliche Sammlung, Parteiarchiv SDAP Stenographische Protokolle des Burgenländischen Landtages, 1922–1927 Burgenländische Heimat Burgenländische Freiheit Arbeiter-Zeitung LITERATURVERZEICHNIS 57 begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 55
  • 58. WIR BEDANKEN UNS FÜR DIE FREUNDLICHE UNTERSTÜTZUNG BEI: Dr. Evelyn Fertl, Schattendorf Erwin Kurz, Schattendorf Josefa Trimmel-Tscharmann, Schattendorf DANKSAGUNG 58 begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 56