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Rezension
Rezensionstitel: C. Dürscheid, Einführung in die Schriftlinguistik. 4. Auflage
Autor: Dr. Sascha Bechmann, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Rezension: Christa Dürscheid, Professorin am Deutschen Seminar der Universität Zürich, legt mit der
nunmehr 4. Auflage ihrer „Einführung in die Schriftlinguistik“ ein außerordentlich interessantes
Studienbuch vor, das sich mit einem weitgehend unbeachteten Teilbereich der linguistischen
Forschung auseinandersetzt. Noch bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts galt die gesprochene
Sprache als alleiniger Untersuchungsgegenstand der Sprachwissenschaft (Logozentrismus). Noch
heute wendet sich die Sprachwissenschaft im Kern eher Themen zu, die das gesprochene Wort
betreffen. Umso erfreulicher ist es, dass Dürscheid mit ihrem Studienbuch seit nunmehr über 10
Jahren auch Aspekte der geschriebenen Sprache in den Fokus rückt. Die vorliegende 4. Auflage, die
seit 2012 bei UTB erscheint, ist zu den vorherigen Auflagen leicht modifiziert und insbesondere in
Hinsicht auf das Literaturverzeichnis noch einmal aktualisiert worden.
Der interessierte Leser gewinnt mithilfe dieses Buches sehr fundierte und spannende Einblicke sowohl
in das Verhältnis von Mündlichkeit und Oralität (Kapitel 1) als auch in unterschiedliche Schrifttypen
und Schriftsysteme, wie etwa das chinesische oder das japanische Schriftsystem (Kapitel 2). Ein
eigenes Kapitel befasst sich sehr intensiv mit Aspekten der Schriftgeschichte (Kapitel 3), bevor die
theoretischen Aspekte des deutschen Schriftsystems eingehend beleuchtet werden (Kapitel 4).
Interessant, da immer wieder auch in der öffentlichen Wahrnehmung präsent, sind Fragestellungen
zur Orthographie und zur Orthographiegeschichte im Deutschen, die in Kapitel 5 eingehend dargestellt
werden.
Von besonderem Interesse dürfte Kapitel 6 sein, in dem die Verfasserin sich mit dem Bereich der
bislang eher selten untersuchten Typographie, also mit der visuellen Gestaltung geschriebener Texte
(Textdesign) beschäftigt und dem Leser dabei höchstinteressante Befunde präsentiert. Es wird
gezeigt, dass auch die visuelle Gestaltung von Texten einen erheblichen Beitrag für den
Kommunikationsprozess leistet und daher künftig stärker in das Blickfeld linguistischer Forschung
gebracht werden sollte. Da man in der Literatur nur wenige Werke findet, die sich mit diesem Aspekt
von Schrift und Sprache kommunikationstheoretisch beschäftigen, soll der Umstand, dass dem Thema
Typographie bei Dürscheid ein eigenes Kapitel gewidmet wird, hier besonders lobend hervorgehoben
werden.
Auch über die fachlichen Grenzen der Linguistik hinaus dürfte das Kapitel 7 von Interesse sein, das
sich mit dem Schriftspracherwerb beschäftigt und das dieses Thema in seiner Komplexität gut erfasst
und für den Leser verständlich aufbereitet präsentiert. Neben der Darstellung verschiedener
Schriftspracherwerbsmodelle werden auch Fragestellungen zur Förderung der Lese- und
Schreibkompetenz sowie zur Alphabetisierung von Erwachsenen thematisiert, was insbesondere
dieses Kapitel sehr praxis- und anwendungsbezogen macht und sich z.B. auch für Lehrer, Erzieher
oder Therapeuten zur Einführung in diese Thematik eignet.
Dürscheids Studienbuch ist didaktisch sehr gut aufbereitet, klar gegliedert und eignet sich dadurch
ideal zum Selbststudium. So lassen sich alle Kapitel unabhängig als eigene Einführungen in das
jeweilige Thema lesen. Die einzelnen Kapitel sind logisch untergliedert, sprachlich gut nachvollziehbar
und vor allem schnörkellos formuliert und grafisch ansprechend gestaltet. Jedes Kapitel verfügt über
grau unterlegte Textboxen, in denen die wichtigsten Zusammenhänge noch einmal kurz und knapp
zusammengeführt werden und die sich leicht wieder finden lassen. Zahlreiche Abbildungen erleichtern
vielerorts das Verständnis, ohne dass das Buch den Leser mit unnötigen und überladenen Tabellen
erschlägt. Wichtige Begriffe im Text sind fett gedruckt, ohne den Textfluss sonderlich zu stören; die
besprochenen Aspekte lassen sich darüber auch beim nochmaligen Lesen oder Nachschlagen leicht
auffinden. Unterstützt wird dieses didaktische Ordnungsprinzip noch durch ein ausführliches Glossar,
das dem Haupttext angefügt und dem ausführlichen Literaturverzeichnis vorangestellt ist. Jedem
Kapitel folgen eine kurze und prägnante Zusammenfassung und zudem ein hilfreicher Hinweis zu
weiterführender Literatur. Auf Übungsaufgaben wird in diesem Buch verzichtet, was man als einen
didaktischen Mangel auffassen könnte. Durch die sehr nachvollziehbare Schreibweise und durch die
sehr guten Erklärungen unter weitgehendem Verzicht von Fach- oder Fremdwörtern wird dieser
Mangel aber sicher relativiert.
Aufgrund der guten und einfachen Lesbarkeit dieses Buches eignet es sich m.E. nicht nur für
Studierende und Lehrende der Sprachwissenschaft, sondern kann auch von jedem interessierten
Laien mit Genuss gelesen werden; die Kenntnis linguistischer Grundbegriffe ist hilfreich aber sicher
nicht zwingend notwendig. Insgesamt handelt es sich um ein absolut lesens- und empfehlenswertes
Buch, das in der Handbibliothek keines Linguisten fehlen sollte und das mit seinen 320 Seiten auch
durch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sowie durch die hochwertige UTB-Gestaltung positiv
besticht.

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  • 2. Schreibkompetenz sowie zur Alphabetisierung von Erwachsenen thematisiert, was insbesondere dieses Kapitel sehr praxis- und anwendungsbezogen macht und sich z.B. auch für Lehrer, Erzieher oder Therapeuten zur Einführung in diese Thematik eignet. Dürscheids Studienbuch ist didaktisch sehr gut aufbereitet, klar gegliedert und eignet sich dadurch ideal zum Selbststudium. So lassen sich alle Kapitel unabhängig als eigene Einführungen in das jeweilige Thema lesen. Die einzelnen Kapitel sind logisch untergliedert, sprachlich gut nachvollziehbar und vor allem schnörkellos formuliert und grafisch ansprechend gestaltet. Jedes Kapitel verfügt über grau unterlegte Textboxen, in denen die wichtigsten Zusammenhänge noch einmal kurz und knapp zusammengeführt werden und die sich leicht wieder finden lassen. Zahlreiche Abbildungen erleichtern vielerorts das Verständnis, ohne dass das Buch den Leser mit unnötigen und überladenen Tabellen erschlägt. Wichtige Begriffe im Text sind fett gedruckt, ohne den Textfluss sonderlich zu stören; die besprochenen Aspekte lassen sich darüber auch beim nochmaligen Lesen oder Nachschlagen leicht auffinden. Unterstützt wird dieses didaktische Ordnungsprinzip noch durch ein ausführliches Glossar, das dem Haupttext angefügt und dem ausführlichen Literaturverzeichnis vorangestellt ist. Jedem Kapitel folgen eine kurze und prägnante Zusammenfassung und zudem ein hilfreicher Hinweis zu weiterführender Literatur. Auf Übungsaufgaben wird in diesem Buch verzichtet, was man als einen didaktischen Mangel auffassen könnte. Durch die sehr nachvollziehbare Schreibweise und durch die sehr guten Erklärungen unter weitgehendem Verzicht von Fach- oder Fremdwörtern wird dieser Mangel aber sicher relativiert. Aufgrund der guten und einfachen Lesbarkeit dieses Buches eignet es sich m.E. nicht nur für Studierende und Lehrende der Sprachwissenschaft, sondern kann auch von jedem interessierten Laien mit Genuss gelesen werden; die Kenntnis linguistischer Grundbegriffe ist hilfreich aber sicher nicht zwingend notwendig. Insgesamt handelt es sich um ein absolut lesens- und empfehlenswertes Buch, das in der Handbibliothek keines Linguisten fehlen sollte und das mit seinen 320 Seiten auch durch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sowie durch die hochwertige UTB-Gestaltung positiv besticht.