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Amtsgericht Kempten
- Ermittlungsrichter-
Residenzplatz 4-6, 87435 Kempten
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Geschaftsnummer: 2 Gs 937 /14
Alstenzeichen: 411 Js 14452/14
Kerhpten, 28.04.2014
ln;dem Ermittlungsverfahren
ge,gen - - - - - - · -·t.
w~gen Unerlaubter Veranstaltung eines GIUcksspiels
ergehth:
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',,,. Beschluss:
Auf die Beschwerde des VE:lrteidigers vom 24.04.2014-wird der
Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des AG Kempten vom
15.09.2013, 2 Gs 2153/13, aufgehoben.
II) Es wird festgeste~llt, dass die am 24.10.2013 erfolgte Durchsuchung der
Geschaftsraume des Beschuldigten ·
0 Uidl61 19 rechtswidrig war.
Grunde:
E~ liegt kein Anfangsverdacht fUr die Annahme eines VerstoBes gegen § 284 StGB
vd'r.
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Di!3 genannte Vorschrift ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar, wei!
di~s gegen Gemeinschaftsrecht verstoBt. Eine darin liegehde Beschrankung des ·
fr~jen Dienstleistungsverkehrs ist · nur aus zwingenden GrUnden des
Allgemeininteresses gerechtferti~~t. EuGH 15.9.2011 Rs C-:347/09). Die Ziele des
GIUStV, Suchtbekampfung und Jugendschutz, zahlen zu derartigen GrUnden. Damit
steht den Mitgliedsstaaten ein ausreichendes Ermessen zu, das angestrebte
Schutzniveau zu bestimmen (BVerwG 11.7.11, 8 C 11.10). Somit ist auch die
Schaffung eines Monopols bzw. die durch die Anderung des-,.
Glucksspielstaatsvertrags beschrankte Lizensierung von Wettanbietern moglich.
Dennoch mUssen Beschrankungcen verhaltnismaBig bleiben.. Hierbei ist zu beachten,
d~ss eine Beschranlkung im nationalen Recht nur dann geeignet ist, die,,
Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewahrleisten, wenn sie dies in'
sy;stematischer ·und koharenter Neise tut. Damit genUgt es aber nicht, wenn durch
di~ Regelung Uberhaupt einen Beitrag zur Begrenzung der Wetttatigkeiten leistet;
di~ser muss vielmehr innerhalb eines konzeptionell aufeinander bezogenen
systematischen Regelungszusammenhangs stehen (BayVGH 10 BV 10.2505). Das
2. .. .
bedeutet, dass die RHgelung nicht durch die Politik in anderen GIOcksspielsektoren in
der Weise konterkariert werden dart, dass dort eher darauf abgezielt wird, zur
Teilnahme an diesen Spielen zu ermuntern anstatt diese zu begrenzen. Damit dOrfen
in anderen GIOcksspielsektoren nicht Umstande oder Vorschriften geduldet oder
herbeigetohrt werden, die sektorObergreifend zur Folge haben, dass die
eingrenzende Regelung zur v,erwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele tatsachlich
nicht beitragen kann, so dass _ihre Eignung zur Zielerreichung entfallt (BVerwG
a.a.O.). Dabei kann dahinstehen, ob bereits die allgegenwartigen Werbekampagnen
tor s!_aatllcb~~Lptt~rieveranstaltungen darauf abzielen, den natOrlichen Spieltrieb der
V.e:fbrauchel 'i:it.:tS'raem'anstatt ihn nur zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu
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Denn?-!Jjedenf~lls durc;;h die erfolgte - und durch die Anderung des
GIOcks~p_i~Jst~atsv~r:~ag~ auch ~icht zurOck.~enommel'e - L~beralisierung des
AutomatensP.Jels~l<tors w1rd das m1t der Beschrankung.des Wettsp1elsektors verfolgte
zi~i~'v'6flig~~Bnterkariert. Der .Automatenspielsektor .. weist _,_qurch'" ~d~~ sc;hnelle
Spielabfolge und die minimalen und vollig wirkungslosen Einschrankungen dieses
Sektors ein derartiges Suchtpotential auf, dass Einschrankungen des
Wettspielsektors als geradezu lacherlich wirken. Aus nicht nachvollziehbaren
Grunden wird der Automatenspielsektor geradezu staatlich gefordert, was zu
erheblichem Umsatzwachstum und Erhohung der Anzahl der Spielautomaten getohrt
hat (Dhom ZfWG 20·1 0, 398). Angesichts des 'hohen Suchtpotentials dieses Sektors,
welches das des Wettspielsektors erheblich Obersteigt, sind Einschrankungen des
Wettspielsektors offensichtlich ausschlieBiich von fiskalischen lnteressen gepragt. Zu
Recht wertet in diesem Zusammenhang auch das _OVG NRW im Urteil vom 29.9.11
(81 67ff, 104 der Akte) das VVett~onopol als im krassen Missverhaltnis .zu den
Regelungen des Automatensptelmarkte stehend. Dies gilt im gleichen MaBe tor den
neuen GIOStV 2012, der zwar kein Wettmonopol mehr vorsieht, aber dator ein
Wettoligopol, wenn § 4a GIOStV regelt, die Zahl der Konzessionen zu begrenzen und
in § 4a II 2 GIOStV einen Rechtsanspruch auf eine Konzession negiert. Damit ist es
auch bei ErfOIIung samtlicher Erlaubnisvoraussetzungen zufallsabhangig, ob eine
Konzession erlangt werden kann oder nicht.
Damit ist die Regelung des GIOStV europarechtswidrig und somit nichtig. Dies wird
dadurch bekraftigt, dass bis heute kein einziger Anbieter in Deutschland eine
Konzession erhalten hat, obwohl 14 Antragstellern in einer ersten Runde bestatigt
wurde, die Mindestanforderungen zu erfOIIen, denn weitere Mindestanforderungen an
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Bewerbungsfrist mitgeteilt. ·
Dahinstehen kann, ob der Erlaubnisvorbehalt des § 4 GIOStV auch unabhangig von
der vyirksamkeit de!S Sportwettenm~:mopols Anwendung findet, wobei hiergegen
bereits spricht, dass nicht verlatngt werden kann,.Antrag auf eine Erlaubnis zu stellen,
die nach -den gesetzlichen Vorgaben nicht erteilt werden wird und sich darauf
beschranken zu mOssen, diese verwaltungsgerichtlich Ober Jahre durchzusetzen und
solange das Geschaft nicht ausOben zu konnen.
Denn fOr die Frage der .Strafbarkeit ist Voraussetzung, dass der Erlaubnisvorbehalt
dahingehend mit Leben getollt wird, dass daraus eine Erlaubnis auch tatsachlich
erlangbar ist; faktisclh stellt sich die Sachlage aber so dar, dass dies nicht der Fall ist
und ein ergebnisoffenes Erlaubnisverfahren gar nicht durchgetohrt wird (vgl.
Vorlagebeschluss de~s AG Sonthofen). AusdrOcklich sieht § 4JI S. 3 GIOStV vor, dass
3. ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Erlaubnis nicht besteht. Wenn aber eine
Erlaubnis nicht oder nur zufaUsabhangig erlangbar ist,- stellt dies einen nicht
gerechtfertigten VerstoB gegen das Gleichheitsgebot und die europaische
Dienstleistungsfreiheit dar und kann keine Grundlage fUr ein strafbares Verhalten
sein.
Fur die Richtigkeit der Ausfer:tigung:
. Kempten (AIIgau), 2 ~. April 2014
Der Urkundsbeamte~ftsstelle
des Amtsgerichts:
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. .. . ~
Koht
Justizsekretar
~.......·