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Copyright © Olaf Gatermann
Hamburg 2017
Olaf Gatermann
Die blauen Gedichte
Die Sommer kehren nicht zurück,
die Zeitungen sind alt.
Im Heute liegt nur kurzes Glück
und abends wird es kalt.
Man kann am Fenster stehn,
im Park spazierengehn,
sich einen Film ansehn
und hat doch nichts gewonnen.
-1-
Heute
saßen nur Fische
in der S-Bahn.
Ein alter Karpfen
mit Moos auf den Schuppen,
ein tropischer Buntbarsch,
ein kräftiger Lachs
mit wachen Augen,
eine erschöpfte Scholle,
eine Muräne
und ein mächtiger Thunfisch.
-2-
getroffen, gesprochen, geliebt, gezeugt,
geboren, gewaschen, geimpft, gesäugt,
gesprochen, gelaufen, gespielt, gestritten,
gehustet, gebastelt, gelernt, geritten,
geschenkt, geschwommen, gesiegt, gegeigt,
gebacken, gefeiert, geliebt, gezeigt,
geheiratet, gebaut, gereist, gelogen,
geschämt, gebeten, getrauert, umgezogen,
gearbeitet, gearbeitet, gearbeitet, gelesen,
gegärtnert, gealtert, gelitten, gewesen
-3-
Orte, an denen man gut sterben kann:
Hamburg, Hannover und Wiesbaden.
Tage, an denen man gut sterben kann:
Dienstag, Donnerstag und Sonntag
-4-
Der Winterkrieg in Finnland,
der Ring an meiner linken Hand,
Gedichte meines Vaters,
das Halsband unseres Katers,
eine Kanne mit grünem Tee
auf der Fähre bei glatter See,
Wörter, Texte, Bilder, Briefe,
ein Blick vom Kirchturm in die Tiefe,
Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, hohes Fieber,
die Spanische Treppe und der Tiber,
winken, schlafen, zucken, lachen,
und ich muss draus Gedichte machen.
-5-
Hier der See,
hier der Schnee,
hier des Menschen ganzes Weh.
Hier das Rind,
hier der stumme Abendwind,
mit leeren Händen hier das Kind.
Hier das Brot,
hier das vollgelauf‘ne Boot,
und hier der Tod, und hier der Tod.
-6-
Liste der wundervollen Wörter
Gehöft, Rinde, blau, früh,
Januar, Weh, Rauch, du,
Buch, schlafen, Wolle,
große Not, Tannenwald,
drucken, nach, Rundfunk,
Eis, Stieglitz, Leuchtfeuer
und
natürlich
Mandelstam
-7-
Die Armut schreitet humpelnd aus,
die Krankheit legt sich vor das Haus,
die Angst lässt niemand ein noch aus.
Doch hinter einem kahlen Strauch
erhebt sich sanft ein zarter Hauch
und unsere Sehnsucht knistert auch.
-8-
Wer mit Abzieher
und Kettenpeitsche
das Ritzelpaket
abnimmt,
um den Freilaufkörper
zu säubern,
der braucht
Trochäus, Daktylus und Anapäst
nicht zu fürchten.
-9-
Der Regen
rauscht
am leeren Strand.
Der Himmel tief,
es tobt die See.
Ein dünnes Wesen steht im Sand.
Sie redet wirr,
sie lacht und brüllt,
der Regen eine graue Wand.
Hier ist es gewesen
vor vielen Jahren.
Hier fasste er sie bei der Hand.
-10-
Silberne Litzen
am Ärmel der Uniform.
Bist du das, Vater?
-11-
70 % aller Lebewesen
sind Bakterien
70 % aller Liegewiesen
befinden sich in Algerien
70 % aller Riesenziegen
fahren in die Ferien
70 % aller Reiseliegen
braucht man nicht in Bürgerkriegen
70 % aller Fliegenpilze
landen in der Schweinesülze
70 % aller Ledersitze
spiegeln sich in Tonis Glatze
70 % aller Dauerkarten
finden wir im Gemüsegarten
-12-
Märchen
Bauer, Bauer,
lass mich ein,
ich kann nicht mehr draußen sein.
König, es ist nass und kalt
und ich bin einsam, stumm und alt.
Frau Holle, öffne mir die Tür!
Ich geb Euch eine Maus dafür.
Esel, Esel, hör mich an,
ich frage, was ich fragen kann.
Der Stein liegt tief im weiten Meer,
ich weiß nichts mehr und weine sehr.
-13-
So wandere denn
durch knirschenden Schnee
in engen Gassen
zu verlassenen Stränden
ans Ende der Welt
über nasse Wiesen
und mit guten Freunden
und wandere denn
Tag und Nacht
auf sandiger Heide
über Stock und Stein
mutterseelenallein
am Fluss entlang.
Und über's Jahr
bin ich wieder bei dir.
-14-
Rondo
Man meint, man könnte schweben.
Lass doch die Fliegen leben!
Ich könnte nur noch lachen.
Was willst du dafür geben?
Das kann doch niemand heben.
Was machst du nur für Sachen?
Heut Nacht Plakate kleben?
In Delphi oder Theben?
Natürlich gibt es Drachen!
Du sollst nach Hohem streben
und keine Mätzchen machen.
Ein Heft mit Stift daneben
und manche Nächte wachen.
Hat uns der Mensch vergeben?
Das ist nichts für die Schwachen!
-15-
Studentenzeit
Oft zusammen gesessen
geredet, getrunken, gestritten, gegessen,
die Namen habe ich vergessen.
-16-
Im Januar fahren wir Škoda.
Im Februar heißt es zuhören.
Im März müssen wir uns daran gewöhnen.
Im April beginnt die Saison.
Im Mai werden die Weltmetropolen aus dem All gesehen.
Im Juni bist du dran!
Im Juli wehen die Fahnen.
Im August darf Juan zum ersten Mal wieder laufen.
Im September schillert Öl auf dem nassen Asphalt.
Im Oktober schließt der Park.
Im November sind wir glücklich.
Im Dezember bekommt man die Nummer 111.
-17-
The early years
Kühe, Kinder und Bücher,
Bleistift, Papier, bunte Tücher,
Wolldecken und Kissen,
Briefe und ein schlechtes Gewissen,
Anrufe und Fotos von Bäumen,
erstes Geld und gemeinsam träumen.
Warme Nächte und kühle Tage,
viele Antworten und keine Frage,
grüne Tische und gelbe Bänke,
rote Rucksäcke und leere Schränke,
die neue Freundin und ein großes Bier,
ganz viel "ich" und ganz viel "wir".
Trockene Blumen vor dem Fenster,
Zauberer, Wölfe und Gespenster,
Schlafsack, Rucksack, Zelten,
Gandhi, Marx und Buddha gelten,
lesen, schreiben und Haare schneiden,
ich kann das nicht, aber ich mag dich leiden.
-18-
1. Die Menschen essen Spargel und lesen alte Bücher.
2. Niemand besteigt mehr Berge.
3. Sport ist alles.
4. Frisch muss es schon sein.
5. Krankenschwestern und Richter.
6. Noch ein Wort zum Wetter.
7. Die Kreuzfahrt beginnt.
8. In der Kirche liegen Topflappen zum Verkauf aus.
9. 100 Jahre und ein Tag.
10. Kein Halt in Uelzen.
11. Aber die Wahlbeteiligung ist hoch.
12. Alles bleibt freiwillig.
13. Sommerzeit, Winterzeit, Sommerzeit, Winterzeit.
14. Und Sandalen im Keller.
15. Die Endnote steht noch nicht fest.
16. Möglicherweise werden die Regeln geändert.
17. Oder zumindest der Austragungsmodus.
18. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
-19-
Das Einkaufszentrum läuft mir nach
und schwitzend lieg ich nächtens wach.
Ich weiß nicht mehr wohin!
Die Schreiben flattern mir ins Haus,
ich heiß nicht Ahrens oder Gauss.
Ich weiß nicht, wer ich bin.
Last Minute in die Mongolei
oder doch in die Türkei?
Wo soll ich denn noch hin?
-20-
Indikativ – Konjunktiv
Du musst meine Schwester sein.
Du könntest meine Schwester sein.
Du solltest meine Schwester sein.
Du dürftest meine Schwester sein.
Du würdest meine Schwester sein.
Du sollst meine Schwester sein.
Du kannst meine Schwester sein.
Du darfst meine Schwester sein.
-21-
Der Schlaf
Wir mühen uns voran
auf langen, staubigen Wegen
und denken schon tags daran
wie wir uns zu Bette legen.
Wir wissen nicht mehr, wie der Tag begann;
jetzt kommt der Schlaf wie ein Segen.
In einem tiefen Traum
erscheint uns Blume, Haus und Wein und Baum.
-22-
Merkwürdige Begegnung im Morgengrauen
Um halb vier bin ich erwacht
wie schon oft so manche Nacht
und ging ins Badezimmer
im grauen Morgenschimmer.
Dämmernd kehre ich zurück;
noch Zeit zu schlafen - welch ein Glück!
Ein Schreck fährt mir in alle Glieder:
bin schon zurück und schlafe wieder!
Oder war ich gar nicht fort?
War die ganze Zeit am Ort?
Ich schau mich leis und lange an.
Ob ich das wohl spüren kann?
Doch ich schlaf und träume auch
und drehe mich jetzt auf den Bauch.
Ich lass mich schlafen, denk ich dann,
und zieh mir meine Sachen an.
-23-
Wo ist das gewesen?
Was hab ich damals gelesen?
Wo sind die Jahre?
Wer schnitt mir die Haare?
Was hab ich gedacht?
Hab ich viel gelacht?
Was haben wir gegessen?
Wo hast du immer gesessen?
Hatte ich schwarze Schuhe?
Und wo ist die alte Bauerntruhe?
Wann habe ich diese Narbe bekommen?
Wann wurde mir der Blinddarm herausgenommen?
Ich schwimme langsam durch die Zeit.
Der Fluss ist gewunden und nicht sehr breit.
-24-
Demenz
Da ist sie wieder.
Da steht sie wieder
im Treppenhaus am Fenster.
Da spricht sie wieder.
Da spricht sie wieder
die Rolle der Frau
und die Rolle des Kindes.
Da spricht das Kind wieder.
Da redet sie auf das Kind ein.
Da geht sie wieder
in ihre Wohnung.
Da schlägt die Tür.
Da ist sie wieder.
Sie ist unruhig.
Da geht sie auf die Straße
mit ihrem Stoffbeutel.
-25-
In diesem Leben
Es reimt sich nicht
die Dunkelheit auf Licht
und arm auch nicht auf reich
und hart auch nicht auf weich.
Rot will auf schwarz nicht reimen,
die Wahrheit sagen nicht auf schleimen.
Mann reimt sich leider nicht auf Frau
und dumm natürlich nicht auf schlau.
Hungrig reimt sich nicht auf satt
und reimt sich hügelig auf platt?
Allenfalls die Liebe
reimt sich noch auf Triebe.
-26-
A und B und C und D,
dem Kinde tut das Herze weh,
E und F und G und H,
der Vater ist fern, nur die Mutter ist nah.
I und J und K und L,
die Erde dreht sich viel zu schnell
M und N und O und P,
da hilft auch kein Darjeelingtee.
Qu und R und S und T,
wer liegt schon gern im kalten Schnee?
U und V und W und X,
wir waren nix und haben nix.
Und Y und Z,
da liegt er tot im Bett.
-27-
Mir war nicht bang,
die Tage waren lang,
die Freunde nicht fern.
Du hattest mich gern.
Jetzt schlafe ich schlecht,
nichts ist mir recht,
das Essen schmeckt flau,
ich weiß nicht genau:
hast du mich überhaupt noch gern?
Am Himmel nur ein einziger Stern.
Ich wandere durch schäbige Gassen
und kann es immer noch nicht fassen.
Meine Hände sind kalt, die Taschen leer.
Wo nehme ich etwas Wärme her?
Dass es solche Kälte gibt!
Hast du mich überhaupt geliebt?
-28-
Das Heft ist voll geschrieben
die Reise ist zu Ende.
Wir haben uns herumgetrieben
und haben doch zwei leere Hände.
Damals, als wir jung gewesen,
haben wir des nachts gelesen
und sind glücklich müd gewesen.
Jetzt gehen Fremde unsern Weg.
-29-
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Die blauen Gedichte

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Die Pechmarie sucht den WeihnachtsmannDie Pechmarie sucht den Weihnachtsmann
Die Pechmarie sucht den Weihnachtsmann
 

Die blauen Gedichte

  • 1.
  • 2. Copyright © Olaf Gatermann Hamburg 2017
  • 4. Die Sommer kehren nicht zurück, die Zeitungen sind alt. Im Heute liegt nur kurzes Glück und abends wird es kalt. Man kann am Fenster stehn, im Park spazierengehn, sich einen Film ansehn und hat doch nichts gewonnen. -1-
  • 5. Heute saßen nur Fische in der S-Bahn. Ein alter Karpfen mit Moos auf den Schuppen, ein tropischer Buntbarsch, ein kräftiger Lachs mit wachen Augen, eine erschöpfte Scholle, eine Muräne und ein mächtiger Thunfisch. -2- getroffen, gesprochen, geliebt, gezeugt, geboren, gewaschen, geimpft, gesäugt, gesprochen, gelaufen, gespielt, gestritten, gehustet, gebastelt, gelernt, geritten, geschenkt, geschwommen, gesiegt, gegeigt, gebacken, gefeiert, geliebt, gezeigt, geheiratet, gebaut, gereist, gelogen, geschämt, gebeten, getrauert, umgezogen, gearbeitet, gearbeitet, gearbeitet, gelesen, gegärtnert, gealtert, gelitten, gewesen -3-
  • 6. Orte, an denen man gut sterben kann: Hamburg, Hannover und Wiesbaden. Tage, an denen man gut sterben kann: Dienstag, Donnerstag und Sonntag -4- Der Winterkrieg in Finnland, der Ring an meiner linken Hand, Gedichte meines Vaters, das Halsband unseres Katers, eine Kanne mit grünem Tee auf der Fähre bei glatter See, Wörter, Texte, Bilder, Briefe, ein Blick vom Kirchturm in die Tiefe, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, hohes Fieber, die Spanische Treppe und der Tiber, winken, schlafen, zucken, lachen, und ich muss draus Gedichte machen. -5-
  • 7. Hier der See, hier der Schnee, hier des Menschen ganzes Weh. Hier das Rind, hier der stumme Abendwind, mit leeren Händen hier das Kind. Hier das Brot, hier das vollgelauf‘ne Boot, und hier der Tod, und hier der Tod. -6- Liste der wundervollen Wörter Gehöft, Rinde, blau, früh, Januar, Weh, Rauch, du, Buch, schlafen, Wolle, große Not, Tannenwald, drucken, nach, Rundfunk, Eis, Stieglitz, Leuchtfeuer und natürlich Mandelstam -7-
  • 8. Die Armut schreitet humpelnd aus, die Krankheit legt sich vor das Haus, die Angst lässt niemand ein noch aus. Doch hinter einem kahlen Strauch erhebt sich sanft ein zarter Hauch und unsere Sehnsucht knistert auch. -8- Wer mit Abzieher und Kettenpeitsche das Ritzelpaket abnimmt, um den Freilaufkörper zu säubern, der braucht Trochäus, Daktylus und Anapäst nicht zu fürchten. -9-
  • 9. Der Regen rauscht am leeren Strand. Der Himmel tief, es tobt die See. Ein dünnes Wesen steht im Sand. Sie redet wirr, sie lacht und brüllt, der Regen eine graue Wand. Hier ist es gewesen vor vielen Jahren. Hier fasste er sie bei der Hand. -10- Silberne Litzen am Ärmel der Uniform. Bist du das, Vater? -11-
  • 10. 70 % aller Lebewesen sind Bakterien 70 % aller Liegewiesen befinden sich in Algerien 70 % aller Riesenziegen fahren in die Ferien 70 % aller Reiseliegen braucht man nicht in Bürgerkriegen 70 % aller Fliegenpilze landen in der Schweinesülze 70 % aller Ledersitze spiegeln sich in Tonis Glatze 70 % aller Dauerkarten finden wir im Gemüsegarten -12- Märchen Bauer, Bauer, lass mich ein, ich kann nicht mehr draußen sein. König, es ist nass und kalt und ich bin einsam, stumm und alt. Frau Holle, öffne mir die Tür! Ich geb Euch eine Maus dafür. Esel, Esel, hör mich an, ich frage, was ich fragen kann. Der Stein liegt tief im weiten Meer, ich weiß nichts mehr und weine sehr. -13-
  • 11. So wandere denn durch knirschenden Schnee in engen Gassen zu verlassenen Stränden ans Ende der Welt über nasse Wiesen und mit guten Freunden und wandere denn Tag und Nacht auf sandiger Heide über Stock und Stein mutterseelenallein am Fluss entlang. Und über's Jahr bin ich wieder bei dir. -14- Rondo Man meint, man könnte schweben. Lass doch die Fliegen leben! Ich könnte nur noch lachen. Was willst du dafür geben? Das kann doch niemand heben. Was machst du nur für Sachen? Heut Nacht Plakate kleben? In Delphi oder Theben? Natürlich gibt es Drachen! Du sollst nach Hohem streben und keine Mätzchen machen. Ein Heft mit Stift daneben und manche Nächte wachen. Hat uns der Mensch vergeben? Das ist nichts für die Schwachen! -15-
  • 12. Studentenzeit Oft zusammen gesessen geredet, getrunken, gestritten, gegessen, die Namen habe ich vergessen. -16- Im Januar fahren wir Škoda. Im Februar heißt es zuhören. Im März müssen wir uns daran gewöhnen. Im April beginnt die Saison. Im Mai werden die Weltmetropolen aus dem All gesehen. Im Juni bist du dran! Im Juli wehen die Fahnen. Im August darf Juan zum ersten Mal wieder laufen. Im September schillert Öl auf dem nassen Asphalt. Im Oktober schließt der Park. Im November sind wir glücklich. Im Dezember bekommt man die Nummer 111. -17-
  • 13. The early years Kühe, Kinder und Bücher, Bleistift, Papier, bunte Tücher, Wolldecken und Kissen, Briefe und ein schlechtes Gewissen, Anrufe und Fotos von Bäumen, erstes Geld und gemeinsam träumen. Warme Nächte und kühle Tage, viele Antworten und keine Frage, grüne Tische und gelbe Bänke, rote Rucksäcke und leere Schränke, die neue Freundin und ein großes Bier, ganz viel "ich" und ganz viel "wir". Trockene Blumen vor dem Fenster, Zauberer, Wölfe und Gespenster, Schlafsack, Rucksack, Zelten, Gandhi, Marx und Buddha gelten, lesen, schreiben und Haare schneiden, ich kann das nicht, aber ich mag dich leiden. -18- 1. Die Menschen essen Spargel und lesen alte Bücher. 2. Niemand besteigt mehr Berge. 3. Sport ist alles. 4. Frisch muss es schon sein. 5. Krankenschwestern und Richter. 6. Noch ein Wort zum Wetter. 7. Die Kreuzfahrt beginnt. 8. In der Kirche liegen Topflappen zum Verkauf aus. 9. 100 Jahre und ein Tag. 10. Kein Halt in Uelzen. 11. Aber die Wahlbeteiligung ist hoch. 12. Alles bleibt freiwillig. 13. Sommerzeit, Winterzeit, Sommerzeit, Winterzeit. 14. Und Sandalen im Keller. 15. Die Endnote steht noch nicht fest. 16. Möglicherweise werden die Regeln geändert. 17. Oder zumindest der Austragungsmodus. 18. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. -19-
  • 14. Das Einkaufszentrum läuft mir nach und schwitzend lieg ich nächtens wach. Ich weiß nicht mehr wohin! Die Schreiben flattern mir ins Haus, ich heiß nicht Ahrens oder Gauss. Ich weiß nicht, wer ich bin. Last Minute in die Mongolei oder doch in die Türkei? Wo soll ich denn noch hin? -20- Indikativ – Konjunktiv Du musst meine Schwester sein. Du könntest meine Schwester sein. Du solltest meine Schwester sein. Du dürftest meine Schwester sein. Du würdest meine Schwester sein. Du sollst meine Schwester sein. Du kannst meine Schwester sein. Du darfst meine Schwester sein. -21-
  • 15. Der Schlaf Wir mühen uns voran auf langen, staubigen Wegen und denken schon tags daran wie wir uns zu Bette legen. Wir wissen nicht mehr, wie der Tag begann; jetzt kommt der Schlaf wie ein Segen. In einem tiefen Traum erscheint uns Blume, Haus und Wein und Baum. -22- Merkwürdige Begegnung im Morgengrauen Um halb vier bin ich erwacht wie schon oft so manche Nacht und ging ins Badezimmer im grauen Morgenschimmer. Dämmernd kehre ich zurück; noch Zeit zu schlafen - welch ein Glück! Ein Schreck fährt mir in alle Glieder: bin schon zurück und schlafe wieder! Oder war ich gar nicht fort? War die ganze Zeit am Ort? Ich schau mich leis und lange an. Ob ich das wohl spüren kann? Doch ich schlaf und träume auch und drehe mich jetzt auf den Bauch. Ich lass mich schlafen, denk ich dann, und zieh mir meine Sachen an. -23-
  • 16. Wo ist das gewesen? Was hab ich damals gelesen? Wo sind die Jahre? Wer schnitt mir die Haare? Was hab ich gedacht? Hab ich viel gelacht? Was haben wir gegessen? Wo hast du immer gesessen? Hatte ich schwarze Schuhe? Und wo ist die alte Bauerntruhe? Wann habe ich diese Narbe bekommen? Wann wurde mir der Blinddarm herausgenommen? Ich schwimme langsam durch die Zeit. Der Fluss ist gewunden und nicht sehr breit. -24- Demenz Da ist sie wieder. Da steht sie wieder im Treppenhaus am Fenster. Da spricht sie wieder. Da spricht sie wieder die Rolle der Frau und die Rolle des Kindes. Da spricht das Kind wieder. Da redet sie auf das Kind ein. Da geht sie wieder in ihre Wohnung. Da schlägt die Tür. Da ist sie wieder. Sie ist unruhig. Da geht sie auf die Straße mit ihrem Stoffbeutel. -25-
  • 17. In diesem Leben Es reimt sich nicht die Dunkelheit auf Licht und arm auch nicht auf reich und hart auch nicht auf weich. Rot will auf schwarz nicht reimen, die Wahrheit sagen nicht auf schleimen. Mann reimt sich leider nicht auf Frau und dumm natürlich nicht auf schlau. Hungrig reimt sich nicht auf satt und reimt sich hügelig auf platt? Allenfalls die Liebe reimt sich noch auf Triebe. -26- A und B und C und D, dem Kinde tut das Herze weh, E und F und G und H, der Vater ist fern, nur die Mutter ist nah. I und J und K und L, die Erde dreht sich viel zu schnell M und N und O und P, da hilft auch kein Darjeelingtee. Qu und R und S und T, wer liegt schon gern im kalten Schnee? U und V und W und X, wir waren nix und haben nix. Und Y und Z, da liegt er tot im Bett. -27-
  • 18. Mir war nicht bang, die Tage waren lang, die Freunde nicht fern. Du hattest mich gern. Jetzt schlafe ich schlecht, nichts ist mir recht, das Essen schmeckt flau, ich weiß nicht genau: hast du mich überhaupt noch gern? Am Himmel nur ein einziger Stern. Ich wandere durch schäbige Gassen und kann es immer noch nicht fassen. Meine Hände sind kalt, die Taschen leer. Wo nehme ich etwas Wärme her? Dass es solche Kälte gibt! Hast du mich überhaupt geliebt? -28- Das Heft ist voll geschrieben die Reise ist zu Ende. Wir haben uns herumgetrieben und haben doch zwei leere Hände. Damals, als wir jung gewesen, haben wir des nachts gelesen und sind glücklich müd gewesen. Jetzt gehen Fremde unsern Weg. -29-
  • 19. Vielleicht interessiert Sie auch Norman Flagtea: Poems http://de.slideshare.net/NormanFlagtea/poems-29012235