SlideShare ist ein Scribd-Unternehmen logo
1 von 1
Downloaden Sie, um offline zu lesen
Was ist bloss ein
Himmelgüegeli?
Bisher konnten Lucas Ardelean und Slavek Bendrat
mit Schweizer Dialekt wenig anfangen. Dank einem
­Mundartkurs der Klubschule Migros verstehen sie jetzt
sogar breites Bärndütsch.
Text: Michael West
S
lavek Bendrat (40)
mag den Klang des
Berner Dialekts: «Er
tönt in meinen Ohren
rund, warm und weich – fast
wie Musik.» Nur enthält diese
Mundart viele Wörter, die
nicht leicht zu verstehen sind.
Was bedeutet zum Beispiel
Moudi? Und was genau ist ein
Himmelgüegeli?
Der gebürtige Pole
Bendrat hat früher
in Berlin gelebt
und spricht deshalb
­makelloses Hoch­
deutsch. Seit zwölf
Jahren ist Bern die Hei­
matstadt des Tänzers. Er
­unterrichtet hier Ballett und
zeitgenös­sische Tanzstile.
«Obwohl es mir in der Schweiz
so gut ­gefällt, habe ich nie
wirklich den ­Zugang zum Dia­
lekt ­gefunden», erzählt er.
«Der ­riesige Wortschatz und
die spezielle Grammatik sind
eine echte Herausforderung.»
Mundart ist allgegenwärtig
Bendrat hat es immer wieder
bedauert, das klangvolle
­Bärndütsch nicht besser zu
verstehen: «Der Dialekt spielt
hier im Alltag eine extrem
wichtige Rolle. Vor allem
wenn Schweizerinnen und
Schweizer über emotionale
Themen reden, wechseln sie
fast automatisch in die Mund­
art – auch wenn sie vorher
aus Höflichkeit Hochdeutsch
geredet haben.» Das sei ihm in
den vergangenen Monaten oft
bei Diskus­sionen über den
Lockdown oder die Impfung
gegen Corona aufgefallen.
Um im Alltag mehr zu ver­
stehen, hat Bendrat diesen
Sommer bei der Klubschule
Migros im Zentrum Welle 7
beim Hauptbahnhof Bern
­einen Mundartkurs besucht.
In den insgesamt neun Lek­
tionen à drei Stunden ging es
oft laut und lustig zu. Kurs­
leiter Urs Mumenthaler (59)
spielte immer wieder auf
­seiner Gitarre und sang mit
der kleinen Kursgruppe – alles
vom Mani-Matter-Klassiker
bis zum Hit «079» von Lo &
­Leduc. «Die Lieder geben ein
Gefühl für den Rhythmus des
Dialekts», sagt der Pädagoge.
Am wichtigsten war ­Mumen-
thaler, im Lauf des kurzen
Sommerkurses den Wortschatz
der Teilnehmer möglichst
stark zu erweitern. Als Stoff
dienten ihm dabei nicht nur
alte und neue Lieder, sondern
auch Kurzgeschichten des
Bestseller-Mundart­autors
­Pedro Lenz. Immer wieder
liess er die Schülerinnen und
Schüler auf Bärndütsch aus
­ihrem Leben erzählen – sei es
von ihrer Familie, ihrer Arbeit
oder von den Träumen der
vergangenen Nacht.
«Der kompakte Kurs ist
für Leute gedacht, die bereits
Schriftdeutsch sprechen und
nun auch den Dialekt ihrer
Wohnregion besser verstehen
wollen», erklärt Mumenthaler.
«Die richtige ­Aussprache der
Mundart­wörter übten wir
zwar regelmässig, doch es
durfte nie ein sturer Drill dar­
aus werden. Wenn das Bärn­
dütsch einen Akzent hat, kann
das ja auch sehr charmant
­wirken.»
Ein neues Lieblingswort
Die entspannte Lernatmos­
phäre hat auch der Kursteil­
nehmer Lucas Ardelean (33)
­geschätzt. Der Kanadier ist
von Beruf Linguist, spricht
fliessend Englisch, Franzö­
sisch, Türkisch und Hoch­
deutsch. Seit einem Jahr lebt
er mit seiner Frau und seinen
vier Kindern in der Schweiz
und schult von hier aus online
Sprachlehrer in verschiedenen
Ländern. Möglichst schnell
möchte er sich nun auch den
Dialekt seines Wohnorts Bern
aneignen.
«Der Kurs hat mir viel
­gebracht, ich habe zahlreiche
schöne Mundartbegriffe
­gelernt», sagt Lucas Ardelean.
Und er hat nun auch ein neues
Lieblingswort: Aare­böötle –
weil er in der Freizeit gern mit
­einem Schlauchboot auf der
Aare fährt. Er lächelt, sagt das
Wort noch einmal und lässt
es sich dabei regelrecht auf der
Zunge zergehen. MM
Infos:klubschule.ch/schweizerdeutsch
Kater
  Modi
  Moudi
  Mauzi
Hund
  Hümpel
  Pflunggi
  Hudilumper
Fussball
  Schuttballe
  Schyböle
  Schupf
Kiste
  Trucke
  Tracke
  Trämel
Stein
  Champf
  Chemp
  Chlopf
Trinkflasche
  Gattere
  Guttere
  Guggumere
Sackmesser
  Sackdolch
  Sackhegel
  Klappschwärt
Brotanschnitt
  Möögel
  Märgeli
  Mürggel
Slavek Bendrat
(oben) und
­Lucas Ardelean
haben im
Kurs der
Klubschule
viel gelernt.
Polizist
  Lüfzger
  Kopper
  Tschugger
Marienkäfer
  Himmelgüegeli
  Himmelstierli
  Himmelsviechli
Auflösung:
Kater:
Moudi;
Polizist:
Tschugger;
Marienkäfer:
Himmelgüegeli,
Trinkflasche:
Guttere;
Hund:
Hümpu,
Stein:
Chemp;
Brotanschnitt:
Mürggel;
Fussball:
Schuttballe,
Sackmesser:
Sackhegel;
Kiste:
Trucke
Bilder:
zVg,
iStock,
Keystone,
Mauritius
Images
32 | 6.9.2021 | | 6.9.2021 | 33
DIALEKTE
DIALEKTE
Verstehen Sie den Dialekt
der Stadt Bern?
QUIZ

Weitere ähnliche Inhalte

Mehr von Daniel Wiggenhauser

Mehr von Daniel Wiggenhauser (6)

Migros-Magazin-13-2022
Migros-Magazin-13-2022Migros-Magazin-13-2022
Migros-Magazin-13-2022
 
Fit in Kommunikation & Auftrittskompetenz
Fit in Kommunikation & AuftrittskompetenzFit in Kommunikation & Auftrittskompetenz
Fit in Kommunikation & Auftrittskompetenz
 
20220121 mmd 04-2022
20220121 mmd 04-202220220121 mmd 04-2022
20220121 mmd 04-2022
 
Entspannung und Winterfeeling
Entspannung und WinterfeelingEntspannung und Winterfeeling
Entspannung und Winterfeeling
 
Klubschule Kreativtage
Klubschule KreativtageKlubschule Kreativtage
Klubschule Kreativtage
 
Prossima fermata - Klubschule Migros
Prossima fermata  -  Klubschule MigrosProssima fermata  -  Klubschule Migros
Prossima fermata - Klubschule Migros
 

Schweizerdeutsch Kurse - Migros Magazin, 06.09.2021

  • 1. Was ist bloss ein Himmelgüegeli? Bisher konnten Lucas Ardelean und Slavek Bendrat mit Schweizer Dialekt wenig anfangen. Dank einem ­Mundartkurs der Klubschule Migros verstehen sie jetzt sogar breites Bärndütsch. Text: Michael West S lavek Bendrat (40) mag den Klang des Berner Dialekts: «Er tönt in meinen Ohren rund, warm und weich – fast wie Musik.» Nur enthält diese Mundart viele Wörter, die nicht leicht zu verstehen sind. Was bedeutet zum Beispiel Moudi? Und was genau ist ein Himmelgüegeli? Der gebürtige Pole Bendrat hat früher in Berlin gelebt und spricht deshalb ­makelloses Hoch­ deutsch. Seit zwölf Jahren ist Bern die Hei­ matstadt des Tänzers. Er ­unterrichtet hier Ballett und zeitgenös­sische Tanzstile. «Obwohl es mir in der Schweiz so gut ­gefällt, habe ich nie wirklich den ­Zugang zum Dia­ lekt ­gefunden», erzählt er. «Der ­riesige Wortschatz und die spezielle Grammatik sind eine echte Herausforderung.» Mundart ist allgegenwärtig Bendrat hat es immer wieder bedauert, das klangvolle ­Bärndütsch nicht besser zu verstehen: «Der Dialekt spielt hier im Alltag eine extrem wichtige Rolle. Vor allem wenn Schweizerinnen und Schweizer über emotionale Themen reden, wechseln sie fast automatisch in die Mund­ art – auch wenn sie vorher aus Höflichkeit Hochdeutsch geredet haben.» Das sei ihm in den vergangenen Monaten oft bei Diskus­sionen über den Lockdown oder die Impfung gegen Corona aufgefallen. Um im Alltag mehr zu ver­ stehen, hat Bendrat diesen Sommer bei der Klubschule Migros im Zentrum Welle 7 beim Hauptbahnhof Bern ­einen Mundartkurs besucht. In den insgesamt neun Lek­ tionen à drei Stunden ging es oft laut und lustig zu. Kurs­ leiter Urs Mumenthaler (59) spielte immer wieder auf ­seiner Gitarre und sang mit der kleinen Kursgruppe – alles vom Mani-Matter-Klassiker bis zum Hit «079» von Lo & ­Leduc. «Die Lieder geben ein Gefühl für den Rhythmus des Dialekts», sagt der Pädagoge. Am wichtigsten war ­Mumen- thaler, im Lauf des kurzen Sommerkurses den Wortschatz der Teilnehmer möglichst stark zu erweitern. Als Stoff dienten ihm dabei nicht nur alte und neue Lieder, sondern auch Kurzgeschichten des Bestseller-Mundart­autors ­Pedro Lenz. Immer wieder liess er die Schülerinnen und Schüler auf Bärndütsch aus ­ihrem Leben erzählen – sei es von ihrer Familie, ihrer Arbeit oder von den Träumen der vergangenen Nacht. «Der kompakte Kurs ist für Leute gedacht, die bereits Schriftdeutsch sprechen und nun auch den Dialekt ihrer Wohnregion besser verstehen wollen», erklärt Mumenthaler. «Die richtige ­Aussprache der Mundart­wörter übten wir zwar regelmässig, doch es durfte nie ein sturer Drill dar­ aus werden. Wenn das Bärn­ dütsch einen Akzent hat, kann das ja auch sehr charmant ­wirken.» Ein neues Lieblingswort Die entspannte Lernatmos­ phäre hat auch der Kursteil­ nehmer Lucas Ardelean (33) ­geschätzt. Der Kanadier ist von Beruf Linguist, spricht fliessend Englisch, Franzö­ sisch, Türkisch und Hoch­ deutsch. Seit einem Jahr lebt er mit seiner Frau und seinen vier Kindern in der Schweiz und schult von hier aus online Sprachlehrer in verschiedenen Ländern. Möglichst schnell möchte er sich nun auch den Dialekt seines Wohnorts Bern aneignen. «Der Kurs hat mir viel ­gebracht, ich habe zahlreiche schöne Mundartbegriffe ­gelernt», sagt Lucas Ardelean. Und er hat nun auch ein neues Lieblingswort: Aare­böötle – weil er in der Freizeit gern mit ­einem Schlauchboot auf der Aare fährt. Er lächelt, sagt das Wort noch einmal und lässt es sich dabei regelrecht auf der Zunge zergehen. MM Infos:klubschule.ch/schweizerdeutsch Kater   Modi   Moudi   Mauzi Hund   Hümpel   Pflunggi   Hudilumper Fussball   Schuttballe   Schyböle   Schupf Kiste   Trucke   Tracke   Trämel Stein   Champf   Chemp   Chlopf Trinkflasche   Gattere   Guttere   Guggumere Sackmesser   Sackdolch   Sackhegel   Klappschwärt Brotanschnitt   Möögel   Märgeli   Mürggel Slavek Bendrat (oben) und ­Lucas Ardelean haben im Kurs der Klubschule viel gelernt. Polizist   Lüfzger   Kopper   Tschugger Marienkäfer   Himmelgüegeli   Himmelstierli   Himmelsviechli Auflösung: Kater: Moudi; Polizist: Tschugger; Marienkäfer: Himmelgüegeli, Trinkflasche: Guttere; Hund: Hümpu, Stein: Chemp; Brotanschnitt: Mürggel; Fussball: Schuttballe, Sackmesser: Sackhegel; Kiste: Trucke Bilder: zVg, iStock, Keystone, Mauritius Images 32 | 6.9.2021 | | 6.9.2021 | 33 DIALEKTE DIALEKTE Verstehen Sie den Dialekt der Stadt Bern? QUIZ