2. • Allgemeines zur Abmahnung
• Strategische Hinweise zum Ausspruch
• Formelle Vorgaben
• Rechtsprechung und Fallbeispiele
• Zeit für Fragen und Austausch
Agenda
3. (1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.
Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter
Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder
bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach
erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die
Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2
Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch
entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige
Kündigung rechtfertigen.
§ 314 BGB
Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund
§ 323 BGB
Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung
(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn
1. der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
2. der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist
nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor
Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist,
oder …
4. • Welche Funktionen hat die Abmahnung
➢ Hinweis- und Klarstellungsfunktion
➢ Warn- und Androhungsfunktion (Unterschied zur Ermahnung)
➢ Dokumentationsfunktion
• Nutzen einer Abmahnung für den Arbeitgeber
➢ Außerordentliche Kündigung vs. Abmahnung: Wann muss abgemahnt werden?
➢ Kontrollfragen:
➢ Hätte eine Abmahnung voraussichtlich zu einer Besserung geführt?
➢ Ist der Vertrauensschaden zu groß?
➢ Vorbereitung einer Kündigung (erhöht ggf. Prozesschancen)
➢ Hoffnung auf Besserung / Wirkung auf andere Arbeitnehmer
➢ Schutz anderer Arbeitnehmer
Allgemeines zur Abmahnung
5. • Vor dem Ausspruch einer Abmahnung:
➢ Wie schlimm ist/war das Fehlverhalten? Wie viele Verstöße?
➢ Wie reagiert der Arbeitnehmer auf eine Abmahnung?
➢ Sanktionsverbrauch bzgl. des Fehlverhaltens!
➢ Wirkung auf andere Arbeitnehmer
• Nach dem Ausspruch einer Abmahnung:
➢ Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitnehmers
➢ Klage auf Rücknahme und Entfernung aus Personalakte
➢ Aufnahme Gegendarstellung in Personalakte (§ 83 ff. BetrVG)
➢ Dokumentation
➢ Nachhalten des abgemahnten Verhaltens
Strategische Hinweise
6. • Aufbau einer Abmahnung
➢ Konkrete Beschreibung der arbeitsvertraglichen Pflicht
➢ Konkrete Darstellung und Einordnung des Fehlverhaltens (mit Datum und klarer
Beschreibung)
➢ Rüge des Fehlverhaltens und eindringliche Aufforderung zu künftigem vertragstreuem
Verhalten
➢ Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen
• Wer kann eine Abmahnung aussprechen?
➢ Kündigungsberechtigter oder Bevollmächtigter
• Übermittlung einer Abmahnung
➢ Schriftform? Nein, aber zur Beweisbarkeit sinnvoll
• Dokumentation
➢ Personalakte
Formelle Vorgaben
7. • Wann braucht es keine Abmahnung?
➢ Vermögensdelikte gegen den Arbeitgeber
➢ Arbeitszeitbetrug
➢ Straftaten in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis
• Typische Abmahnungsfälle
➢ Meldepflichtverstoß
➢ Verspätetes Einreichen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
➢ Verspätete Arbeitsaufnahme/frühzeitiges Verlassen
➢ „Mobbing“
➢ Compliance Verstoß
Rechtsprechung und Fallbeispiele
8. • Nutzen des Rabattsystems des Arbeitgebers zur
Vorteilsverschaffung für Freunde/Familie
➢ Es kommt drauf an, eher Kündigung möglich, da Vertrauensschaden
• Nutzung eines Rabattsystems zum eigenen Vorteil
➢ Abmahnung eher nicht erforderlich
• Arbeitnehmer erscheint einfach nicht zur Arbeit
➢ Es kommt drauf an (insb. auf die Begründung), eher Abmahnung
erforderlich
• Trinken einer zum Verkauf bestimmten Getränkedose (Wert: 1 €)
➢ Es kommt drauf an (insb. die Begründung der Mitarbeiterin)
Einzelfälle
9. • Mitarbeiter eines Call-Centers beendet jedes Telefonat mit
seiner bevorzugten Abschiedsformel: "Jesus hat Sie lieb und
noch einen schönen Tag!" Aufforderungen des Arbeitgebers,
diesen Spruch zu unterlassen, ignoriert der Mitarbeiter.
Begründung: Religiöse Gewissenskonflikte!
➢ Kündigung ohne wirksame Abmahnung wirksam! Grund: Mitarbeiter
konnte Gewissenskonflikte nicht überzeugend darlegen
• Ein Netzwerkadministrator lädt an seinem Arbeitsplatz den Akku
seines Elektrorollers auf. Damit verursacht er Stromkosten in
Höhe von 1,8 Cent. Sein Arbeitgeber fühlt sich bestohlen und
kündigt ihm fristlos.
➢ Abmahnung erforderlich (LAG Hamm)
10. • Arbeitnehmer trifft seinen Chef zwei Mal bei einem privaten
Waldspaziergang. Der Chef grüßt freundlich, der Arbeitnehmer
nicht. Danach trifft man sich vor Gericht.
➢ Kündigung unwirksam, hätte eine Abmahnung geholfen?
• Altenpflegerin nimmt in einem Seniorenheim sechs Maultaschen
mit, die sonst im Müll gelandet wären. Daraufhin kündigt ihr der
Arbeitgeber wegen Diebstahls - nach 17 Jahren
Betriebszugehörigkeit.
➢ Abmahnung erforderlich (tatsächlich: Abfindung i.H.v. 25.000 € +
Annahmeverzugslohn i.H.v. 17.500 €)
• Nach einer Arbeitsunfähigkeit bekommt ein technischer
Angestellter ein berufliches Wiedereingliederungsgespräch. Darin
bezeichnet er seinen Teamleiter mehrfach als „Kollegenschwein“.
➢ Abmahnung erforderlich (rechtskräftig entschieden vom LAG Köln)
11. • Eine hessische Architektin hat nach 96 Arbeitstagen ein Gutachten immer
noch nicht fertig. Die Vorgesetzten in der Kreisverwaltung hatten dafür 40
Arbeitstage eingeplant. Nach schriftlichen Arbeitsanweisungen und einer
Abmahnung wurde der Architektin gekündigt.
➢ Kündigung wirksam (ArbG Frankfurt/M.)
• In der Kantine einen "Negerkuss" bei einer aus Kamerun stammenden
Kollegin bestellt
➢ Abmahnung nicht erforderlich (Fall aus 2016 beim ArbG Frankfurt/M.: sah das Gericht
tatsächlich anders, Grund: lange Beschäftigung, offensichtlicher Spaß)
• Auszubildende schätzt die Freundin ihres vorgesetzten Rechtsanwalts auf
"circa 40 Jahre". Als er ihr das tatsächliche Alter mitteilt (31), beginnt die
Auszubildende laut zu lachen. Der Anwalt schlägt ihr daraufhin drei Mal
leicht auf die Schulter. Sie meldet sich die folgenden Tage krank. Daraufhin
kündigt der Anwalt der 19-jährigen Auszubildenden.
➢ Eher kein abmahnungsfähiges Fehlverhalten, kommt wohl auf die konkreten
Umstände an (tatsächlich Vergleich über 333 €)