Präsentation für Krankenpfleger-/innen an der Agnes-Carll-Schule (Krankenhaus Nordwest) in Frankfurt (2009) mit:
Notwehr, Nothilfe, Notstand, Schuld, Unterlassene Hilfeleistung, Verletzung von Privatgeheimnissen
1. § 32 Notwehr/Nothilfe
Notwehrlage
Vorliegen eines Angriffs
Jede Bedrohung rechtlich geschützter Interessen
durch menschliches Verhalten
der gegenwärtig ist
Unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder
noch fortdauert
und rechtswidrig ist
Angriff steht im Widerspruch zur Rechtsordnung
2. § 32 Notwehr II
Notwehrhandlung
Mildeste Mittel gegen Angreifer
Handlung, die Angriff sofort beendet
Nur gegen Rechtsgüter des Angreifers
Einschränkung des Notwehrrechts
Angreifer wurde vorher provoziert
Personen mit enger persönlicher Beziehung
Angreifer ist schuldlos (betrunken)
Unerträgliches Missverhältnis zwischen verletztem und
verteidigendem Rechtsgut
Verteidigungswille = Kenntnis von Notwehrlage
3. § 34: rechtfertigender Notstand
Beispiel: Fixierung des Patienten nach
OP, weil dieser Kanülen rauszureißt
Notstandslage: Gegenwärtige Gefahr für
beliebiges Rechtsgut
Gefahr: Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts
Gegenwärtig: Kann jederzeit in einen Schaden
umschlagen
Rechtsgüter: Leib, Leben, Gesundheit, Freiheit
4. § 34: rechtfertigender Notstand
Notstandshandlung: Begehung der
Straftat, um andere Gefahr abzuwenden
Gefahrabwehrwille
Interessenabwägung
bedrohtes
Interesse muss beeinträchtigtes
wesentlich überwiegen
5. Schuld
“ohne Schuld keine Strafe“
Schuldfähigkeit
Kinder:
immer schuldunfähig
Jugendliche (14-18): muss festgestellt werden
Heranwachsende (18-21): kann festgestellt
werden
Erwachsende: immer schuldfähig
6. Schuld II
Einschränkung der Schuldfähigkeit
Mangelnde Fähigkeit zur Unrechtseinsicht (Schwachsinn,
seelische Störung)
Ausschluss der Steuerungsfähigkeit (übermäßiger
Alkoholkonsum)
Schuldausschließung
§ 33 StGB: Überschreitung der Notwehr
Strafaufhebungsgründe: Rücktritt vom
Versuch (§ 24 StGB)
7. Unterlassene Hilfeleistung, § 323c
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Unglücksfall: jedes plötzlich eintretende Ereignis, das
erhebliche Personen- oder Sachschäden anritet oder
anzurichten droht
Unterlassen der möglichen Hilfeleistung
Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der Hilfe
Erforderlich: Betroffener kann sich selbst nicht helfen
und keine andere Hilfe verfügbar
Zumutbar: Aufbürdung nach allgemeinen sittlichen
Maßstäben, ohne dass sich Täter einer erheblichen
Eigengefährdung aussetzt
8. Unterlassene Hilfeleistung II
Subjektiver Tatbestand
Rechtswidrigkeit
Schuld
Einzelfragen
Schwere Krankkeit kein Unglücksfall
Plötzliche Wendung einer Krankheit schon
Schwere, andauernde Atemnot (OLG Düsseldorf)
Sich steigernde Schmerzen in der Bauchhöhle (OLG Hamm)
Schlimme Atembeschwerden, Schmerzen in der Brust
9. Garantenstellung (Beschützer)
Besondere Verpflichtung von bestimmten Personen,
Gefahren abzuwehren
Stellung ergibt sich aus
Rechtlicher
Vorschriften (Eltern, Ehepartner)
Lebens- und Gefahrgemeinschaften (wilde Ehe,
Bergsteigergruppen)
Freiwillige Übernahme von Schutzpflichten
(Übernahme ärztlicher Behandlung)
Ingerenz (pflichtwidrigen gefährlichen Vorverhalten,
Verursacher von Verkehrsunfall ggü. Verletzen)
10. Garantenstellung II
Entstehung nur durch gültigen Vertrag?
Nein. Entscheidend ist die tatsächliche Übernahme der
Obhutspflichten
Bei Arzt: Beginn der Behandlung des Patienten
Bei Bereitschaftsarzt: Beginn des Dienst
Unterschied Helfender Laie oder Fachmann
Fachmann hat keine Garantenstellung, aber höhrere
Anforderungen an Hilfemaßnahmen
Hilfe immer zumutbar und nach besten Kräften
Zumutbar: ja, wenn keine eigene Gefahr gegeben ist
Beste Kräfte: Hilfe nach dem, was er leisten kann
Laie: Ausreichend bei Anrufen bei Notruf
Arzt/Krankenpfleger: medizinische Versorgung nach Möglichkeiten
11. Verletzung von Privatgeheimnissen, § 203 StGB
Wer unbedingt ein fremdes Geheimnis, namentlich zum
persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis (...),
offenbart, das ihm als Arzt, (... ) oder Angehörigen
eines anderen Heiberufes, der für die Berufsausübung
oder für die Führung der Berufsbezeichnung eine
staatlich geregelte Ausbildung erfordert, (... ) anvertraut
war oder sonst bekannt geworden ist, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe
bestraft.
12. § 203 StGB II
Sinn und Zweck
Indivualinteresse:
Geheimhaltung bestimmter
Informationen
Allgemeininteresse: Vertrauensverhältnis
zwischen Arzt, Pflegepersonal und Patient
Grundlage effektiver Heilbehandlung
Geheimnisträger: Ärzte, Apotheker,
Krankenpfleger, Hebammen usw...
Nicht:
Heilpraktiker oder Reinigungspersonal
13. § 203 StGB III
Geheimnisse
Tatsachen, von denen Patient will, dass sie nicht weitererzählt
werden
Tatsachen, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt
sind und an denen der Betroffene schutzwürdiges Interesse hat
Beispiele
Krankheitsgeschichte, Untersuchungsbefunde, Aufzeichnungen
des Arztes, Gesundheitszustand ... im Betracht, auch Umstand,
daß jmd einen Arzt oder Krankenhaus aufsucht
Persönliche Verhältnisse, wirtschaftliche Verhältnisse
14. § 203 StGB IV
Anvertraut
in der Eigenschaft als Angehörige ihrer Berufsgruppe erfahren,
ob mündlich, schriftlich oder in sonstiger Weise, gilt auch in der
Freizeit
Einweihen in ein Geheimnis unter Umständen, aus denen sich
eine Pflicht zur Verschwiegenheit ergibt
Offenbaren
Mitteilen der geheimen Tatsache und der betreffenden Person
unbefugtes Offenbaren auch dann, wenn Mitteilung an andere
Geheimnisträger erfolgt
unbefugtes Offenbaren, wenn die Geheimnismitteilung ohne Zustimmung
des Verfügungsberechtigten und ohne ein Recht zur Mitteilung erfolgt Auch
Mitteilung an nahe Angehörige ist grundsätzlich unbefugt
Allerdings kann hier eine stillschweigende oder mutmaßliche Einwilligung
vorliegen
15. § 203 StGB V
Zustimmung, Einwilligung
Bei Kindern unter 14 Jahren erfolgt Entbindung von der
Schweigepflicht durch die Eltern
Kritisch bei Minderjährigen zwischen 14 und 17
Entbindung von der Schweigepflicht durch den Patienten
Entbindung von der Schweigepflicht ist formlos möglich
Mutmaßliche Einwilligung
Man kann davon ausgehen, daß der Patient einverstanden ist
( Bsp: Arzt - Patienten Gespräch im Mehrbettzimmer
16. § 203 StGB VI
Befugnis aufgrund Gesetz
Pflicht
zur Anzeige geplanter Straftaten
Mitteilung bestimmter Krankheiten § 12 IfSG
Pest, Cholera, Fleckfieber, Geldfieber, Tollwut....
Siehe auch § 3 Bundesseuchengesetz
Wahrung
eigener Interessen
Keine Beendigung bei Tod von Patient
Schweigepflicht auch ggü. Polizei