2. Visuelles Mapping
komprimiert Dialoge und stellt ihre Ergebnisse
nachvollziehbar in einem logischen
Zusammenhang dar.
Es eignet sich besonders zur Dokumentation und
Nachbereitung von Workshops, Experten-
hearings, Bürgerbeteiligungsverfahren,
Podiumsdiskussionen und anderen Ver-
anstaltungen des Austauschs von Meinungen
und Standpunkten.
2
3. Visuelles Mapping
umfasst eine Reihe von Techniken zur Struk-
turierung und Darstellung von Diskussionen wie:
• Einfluss-Flowcharts
• Concept Maps
• Entscheidungsbäume
• Dialogue- und Argument Maps
• Matrixverfahren (z. B. in der SWOT-Analyse
verwendet).
3
4. Visuelles Mapping
Im Dialogprozess helfen
Visualisierungen, sich auf die
gemeinsame Problemstellung zu
fokussieren und Effekte der
Gruppendynamik zu überwinden.
Über eine visuelle Darstellung lässt sich oft sehr viel einfacher
Einigung erzielen als über das gesprochene Wort oder eine
Textpassage.
4
5. Visuelles Mapping
Fokus: Dialoganalyse durch hypothesengeleitete
Problemstrukturierung. Dabei werden
• Verborgene Annahmen sichtbar gemacht
• Ausgangsvermutungen präzisiert
• Dialoginhalte kategorisiert (These, Argument,
Frage, Idee usw.)
• Dialoginhalte in eine logische Abfolge gebracht
• Wissenslücken und offene Fragen gekennzeichnet
5
6. Visuelles Mapping
Resultate der Dialoganalyse: Die Analyse zeigt
auf
• welche Thesen unstrittig sind
• welche Behauptungen kontrovers sind
• welche Art von Evidenz nötig oder denkbar
wäre, um offene Fragen zu klären oder
getätigte Annahmen zu überprüfen
6
7. „Süße Droge Zucker“
Beispiel: Visuelles Mapping einer Talk-Sendung
(Menschen bei Maischberger. Sendung vom 25.05.2016)
7
8. Die Moderatorin beginnt die Sendung mit der
Präsentation einiger zentraler Thesen, die im Laufe
der Diskussion immer wieder aufgegriffen werden:
• „Zucker macht krank.“
• „Zucker macht süchtig.“
• „Die Lebensmittelindustrie ist verantwortlich für
den enormen Zuckerkonsum. Sie täuscht den
Verbraucher.“
• „Es gibt keine ungesunden Lebensmittel.“
8
9. „Braucht der Körper Zucker?“
Moderatorin: „Wenn ich nachmittags Heißhunger auf einen
Riegel habe, signalisiert mein Körper mir damit, dass er neue
Glukose zum Denken braucht? Sollte ich diesem Impuls nicht
nachgehen?“
9
Medizinjournalistin Susanne Holst: „Der
Zuckerriegel, den man als Pausensnack zu sich
nimmt, führt ganz schnell dazu, dass ganz viel
Glukose im Körper anflutet. Der Blutzucker-
spiegel steigt. Es wird Insulin ausgeschüttet.
Der Blutzucker rauscht runter und geht dann
unter einen Normalwert. Und davon bekommt
man dann richtig Heißhunger und steht eine
halbe Stunde später wieder am Riegel-
Automaten.“
10. 10
Einflussdiagramm: Der Teufelskreis des Zuckers nach Susanne Holst. Der Genuss
von Süßem ruft erneutes Verlangen nach Süßem hervor. Es entsteht eine
‚Momentsucht‘.
11. In den ersten Minuten der Sendung
werden darüber hinaus weitere vermutete
Wirkungszusammenhänge skizziert:
• Zuckerverzehr verursacht Karies.
• Zuckerverzehr kann zu Diabetes führen.
• Zuckerverzehr verursacht Fettleibigkeit.
• Auch Fettverzehr und Bewegungs-
mangel verursachen Fettleibigkeit.
11
13. Gegenrede
Der Journalist Uwe Knop behauptet eine
Evidenz: „Es fehlt der wissenschaftliche
Beleg dafür, dass Zucker dick oder krank
macht.“ Knop beruft sich dabei auf
Metastudien, in denen eine Vielzahl von
gesundheitsstatistischen Erhebungen
ausgewertet wurden.
13
14. 14
Die Diskutanten erzielen im Laufe der Sendung Einigkeit darüber, dass neben
dem Zucker viele andere Faktoren Fettleibigkeit begünstigen. Die
Kausalitätsvermutungen lassen sich in einem Einflussdiagramm
folgendermaßen darstellen:
Rechteck – Mögliche Aktionen
Oval – Effekte
Raute – Zielparameter
15. 15
Unter die Lupe genommen:
Medizinjournalistin Holst erläutert,
warum ein Zusammenhang zwischen
Zucker und Diabetes Typ 2
wahrscheinlich ist.
Der Journalist Knop weist darauf hin, dass
in gesundheitsstatistischen Studien
dennoch kein Zusammenhang zwischen
Zucker und Diabetes Typ 2 festgestellt
werden konnte.
16. Politisches Handeln
Die Politikerin Renate Künast erkennt in
der Fettleibigkeit eine Volkskrankheit und
verlangt von der Politik, „ …dass wir
versuchen die Stoffe [die für Fettleibigkeit
verantwortlich sind] zu reduzieren.“
16
17. Der Journalist Knop bezweifelt schon die These, dass
Übergewicht ein bedeutendes Problem in Deutschland ist:
„75 % sind normalgewichtig. Der Rest ist eher
untergewichtig als übergewichtig“.
17
Zentral ist hier Frage, ob in einer
Bevölkerung, in der weniger Zucker
konsumiert wird, auch weniger
Fettleibigkeit herrscht. Wenn dies
nicht der Fall wäre, dann wären
Politikmaßnahmen zur Reduzierung
des Zuckerkonsums hier nicht
gerechtfertigt. (Sie könnten jedoch
an anderer Stelle ihre Berechtigung
zur Eindämmung von Karies und
Diabetes Typ 2 haben.)
18. Maischberger versucht im weiteren Verlauf der
Sendung die Fragen zu klären:
• Wie viel Zucker konsumieren wir tatsächlich?
• Was ist als Zucker in den Inhaltsangaben auf
Lebensmitteln ausgewiesen?
• Welche weiteren Inhaltsstoffe zählen für den
Gesetzgeber nicht als Zucker, obwohl sie
chemisch betrachtet darunter fallen?
Dazu konsultiert sie zwei Experten: Christoph
Minhoff (Sprecher der Lebensmittelindustrie) und
Armin Valet (Verbraucherzentrale Hamburg).
18
19. 19
Concept Map zu Zuckerstoffen (Rekonstruktion des Expertengesprächs in der
Sendung)
20. 20
Die Concept Map macht deutlich, dass
• nicht jeder Zucker in den Inhaltsangaben von
Lebensmitteln als solcher aufgeführt wird.
• Statistiken zum Zuckerverzehr zu
widersprüchlichen Ergebnissen führen
können, je nachdem, welche Zuckerarten
berücksichtigt werden.
21. In der folgenden Diskussion wird die
Lebensmittelindustrie für den hohen
Zuckerkonsum verantwortlich gemacht: Sie
täusche die Verbraucher bewusst über den
wahren Zuckergehalt ihrer Produkte. Deshalb
wären Verbraucher gar nicht in der Lage, ihren
Zuckerkonsum selbst zu kontrollieren. Die Politik
müsse dagegen einschreiten.
21
22. 22
Grün: Annahme, die die
Position stützt, sofern sie
stimmt.
Rot: Gegenargument
Detailrekonstruktion der Position der Befürworter
einer politischen Intervention
23. Anmerkung: Die Argument-Rekonstruktion führt
Argumente auf, die tatsächlich so vorgetragen wurden.
Darüber hinaus
• macht sie die explizit kenntlich, welche weiteren
Annahmen plausibler Weise nötig sind, um die zur
Diskussion stehende Hypothese zu stützen (wie
„effektiver… als an anderen Ursachen .. angreifen“)
• spitzt sie eingebrachte Informationen so zu, dass diese
argumentativ verwertbar sind („Suchtcharakter“ als
Evidenz dafür, dass Interventionen bezüglich des
Zuckerkonsums besonders effektiv sind).
23
24. 24
Angenommen, es wäre
erwiesen dass eine
Politikmaßnahme, die
am Zuckerkonsum
ansetzt, notwendig und
zielführend ist …
Weiterführende Fragen
Die Diskussion von Handlungsoptionen
hat in der Sendung jedoch nicht wirklich
stattgefunden, deshalb bleibt die Frage,
welche Politikmaßnahmen geeignet
sind, noch zu klären.
25. 25
Nicht erwiesen: der
Täuschungsvorwurf. Aber
auch ohne von der Industrie
getäuscht zu werden,
könnten Verbraucher
schlecht informiert sein.
Würden sie andere Produkte
wählen, wenn sie besser
informiert wären?
26. Fazit
Offen blieben in der Sendung die Fragen:
• (a) „Führt eine Verringerung des Zuckerkonsums
zu weniger Fettleibigkeit in der Bevölkerung?
Und: führt ein zu hoher Zuckerkonsum zu
Diabetes Typ 2?“
• (b) „Würden besser informierte Verbraucher sich
für weniger zuckerhaltige Produkte
entscheiden?“
• (c) „Wird der Verbraucher durch die Industrie
getäuscht?“
26
27. Fazit
• (a) „Führt eine Verringerung des
Zuckerkonsums zu weniger Fettleibigkeit in
der Bevölkerung? Und: führt ein zu hoher
Zuckerkonsum zu Diabetes Typ 2?“
Beide Fragen sind in hohem Maße relevant, wenn es darum
geht, ob die Politik handeln sollte.
27
28. Fazit
• (b) „Würden besser informierte Verbraucher
sich für weniger zuckerhaltige Produkte
entscheiden?“
Die Frage wird dann relevant, wenn zwischen mehreren
geeigneten Politikmaßnahmen ausgewählt werden muss.
(Optionen für Politikmaßnahmen waren nur am Rande Thema
der Sendung).
28
29. Fazit
• (c) „Wird der Verbraucher durch die Industrie
getäuscht?“
Der Vorwurf der Täuschung würde – wenn er sich erhärtete – der
Forderung nach besseren Verbraucherinformationen Nachdruck
verleihen. Aber auch dann, wenn man den Vorwurf der Täuschung
fallen ließe, gäbe es immer noch ausreichend Grund für eine
Verbesserung der Verbraucherinformation: Besser informierte
Verbraucher würden (mutmaßlich) weniger Zucker zu sich nehmen und
wären (mutmaßlich) weniger krank.
29
30. Vorteile des Visuellen Mappings
• Visuelles Mapping übersetzt Diskussionsinhalte in
Darstellungsformate, die es ermöglichen, die wesentlichen
Statements und Vorschläge kritisch auf Vollständigkeit und
Richtigkeit zu überprüfen.
• In der Diskussion befindliche Inhalte werden mit Blick auf die
definierten Ziele oder zentralen Fragen geordnet, um die
ihnen innewohnenden Annahmen ergänzt und priorisiert.
• Klärungsbedarf für die weitere Entscheidungsfindung wird
klar herausgearbeitet.
• Effekten des Gruppendenkens und anderer
Gruppendynamiken, die in Teamsituationen und bei
Präsenzveranstaltungen oftmals Resultate und Wahrnehmung
einer Diskussion stark beeinflussen, wird ein Korrektiv
entgegengesetzt.
30