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Eberhard-Karls-Universität Tübingen
                Institut für Sportwissenschaften



              Wissenschaftliche Arbeit für die
           Diplomprüfung in Sportwissenschaft



Slacklinen - ein neuer Trendsport?
          Hintergründe und Perspektiven




Vorgelegt von:
Patrick Engel
Sieben-Höfe-Str. 105
72072 Tübingen
patrickengel@humannature.de




Tübingen, den 12.06.08
Danksagung

Recht herzlich möchte ich mich bei den Personen bedanken, die bei der Erstellung dieser
Arbeit mitgewirkt und mich in verschiedenen Bereichen unterstützt haben.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Gunter Volck. Er ermöglichte es mir, diese Arbeit im
Rahmen meines Studiengangs zu schreiben und unterstützte mich ausgiebig bei der Findung
der Problemstellung.
Einen zweiten großen Dank möchte ich Herrn Tillmann Müller aussprechen. Ohne ihn wäre
die Idee für das Thema dieser Arbeit wahrscheinlich nicht entstanden. Außerdem danke ich
ihm zum einen für die aufgebrachte Zeit in Telefongesprächen, zum anderen für sein
Engagement mir sein Fachwissen mitzuteilen um dies in die Arbeit mit einfließen zu lassen.
Natürlich bedanke ich mich auch für all die Tricks die ich von ihm erlernen konnte sowie das
von ihm und der Firma Slackline-Tools zur Verfügung gestellte Material.
Des Weiteren danke ich meiner Frau Kristin. Sie musste in der Zeit während der
Diplomprüfungen und der Erstellung dieser Diplomarbeit viel erdulden. Vielen Dank für das
erbrachte Verständnis.
Auch meine Eltern waren während meiner gesamten Studienzeit für mich da und unterstützten
mich wo sie nur konnten. Ohne euch wäre ich nicht hier!
Zuletzt möchte ich mich bei all jenen bedanken, die auf ihre Art und Weise zum Gelingen
dieser Arbeit beigetragen haben, die ich jedoch nicht alle namentlich erwähnen kann. Ohne
die Studienteilnehmer, die sich die Zeit zum Ausfüllen und zurückschicken des Fragebogens
nahmen, wäre diese Studie überhaupt nicht möglich gewesen.
Allen Slacklinern kann ein Dank dafür ausgesprochen werden, dass sie durch ihren
Enthusiasmus diese wunderbare Form des Balancierens vorantreiben und anderen Menschen
zugänglich machen.




Remember, it´s „Just One Foot In Front Of The Other!“ (Chris Carpenter)




Patrick Engel (Tübingen, 12. Juni 2008)




                                                                                          II
Eid

quot;Hiermit versichere ich, dass ich die vorgelegte Arbeit selbständig und nur mit den
angegebenen Quellen und Hilfsmitteln (einschließlich Quellen des www und anderer
elektronischer Medien) angefertigt habe. Alle Stellen der Arbeit, die ich anderen Werken dem
Wortlaut oder dem Sinne nach entnommen habe, sind kenntlich gemacht.quot;




Tübingen, den 12.06.2008 ______________________________________




                                                                                         III
Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis....................................................................................................................................................... IV

Abbildungsverzeichnis.................................................................................................................................................V

Tabellenverzeichnis......................................................................................................................................................V

1     Einleitung ................................................................................................................................................................1

2     Slacklinen ................................................................................................................................................................4
    2.1      Historische Entwicklung.................................................................................................................................4
    2.2 Darstellung und Eigenschaften unterschiedlicher Slacklines....................................................................7
       2.2.1 Lowlines ...................................................................................................................................................7
       2.2.2 Highlines...................................................................................................................................................9
    2.3      Diskussionsansatz zur Definition des Slacklinens .................................................................................... 10

3     Trendsport............................................................................................................................................................ 13
    3.1      Gesellschaftliche Veränderungen und ihre Auswirkungen auf den Sport allgemein .......................... 13
    3.2      Begriffsproblematik „Trendsport“.............................................................................................................. 17
    3.3      Trends als Metaphern .................................................................................................................................. 19

4     Ansätze und Modelle zur Zuordnung von Sportarten zum Trendsport .................................................... 20
    4.1      Charakteristische Merkmale von Trendsportarten im Allgemeinen und Slacklinen im Besonderen. 21
    4.2 Modelle zur Entwicklung von Trendsportarten ........................................................................................ 31
       4.2.1 Phasenmodell nach Schwier................................................................................................................. 32
       4.2.2 Trendsportentwicklung nach Lamprecht und Stamm......................................................................... 33
       4.2.3 Akzeptanz – Kriterien nach Volker Nagel .......................................................................................... 37

5     Problemstellung................................................................................................................................................... 38
    5.1      Anwendung des Modells von Schwier auf Slacklinen.............................................................................. 39
    5.2      Anwendung des Modells von Lamprecht und Stamm auf Slacklinen .................................................... 40

6     Untersuchungsdesign.......................................................................................................................................... 43
    6.1      Explorative Umfrage zum Slacklinen im deutschsprachigen Raum ...................................................... 43
    6.2      Durchführung der Befragung und Auswertung ....................................................................................... 44
    6.3 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse ........................................................................................ 44
       6.3.1 Soziodemographische Merkmale......................................................................................................... 45
       6.3.2 Fakten bezüglich Slacklinen................................................................................................................. 49
       6.3.3 Hintergrundwissen über Slacklinen ..................................................................................................... 55
       6.3.4 Fragen zu Merkmalen eines Trendsports nach Jürgen Schwier......................................................... 57
       6.3.5 Fragen nach Volker Nagel.................................................................................................................... 68
       6.3.6 Funktionsfragen .................................................................................................................................... 78
    6.4      Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................................................................................. 83

7     Zusammenfassung und Ausblick ...................................................................................................................... 84

8     Literaturverzeichnis ........................................................................................................................................... 87

9     Anhang.................................................................................................................................................................. 89




                                                                                                                                                                             IV
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Scott Balcom, Erfinder des Slacklinens (Balcom, 2005, Titelbild)______________________________ 6
Abb. 2: Scott Balcom auf der „Spireline“ im Yosemite Valley (Quelle: www.slackline.net)________________ 6
Abb. 3: Slackliner beim Ausführen von Tricks. (Quelle: www.slackline-tools.de, 2007) __________________ 24
Abb. 4: Europas höchst gelegene Highlinebegehung am Dent du Géant im Mont Blanc Massiv, (Quelle:
         www.slackline-tools.de, 2007) _______________________________________________________ 25
Abb. 5: Damian Cooksey, Frontflip beim Event in Scharnitz (Quelle: www.slackline-event.com, 2008) _____ 26
Abb. 6: Damian Cooksey auf einer 100m langen Line beim Treffen in Scharnitz. (Quelle:
         http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:100m_slackline_scharnitz1.jpg, 2008) ______________________ 28
Abb. 7: Phasen der Entwicklung von Trendsportarten ____________________________________________ 36
Abb. 8: Balanceakt über den Dächern von München. Heinz Zak auf einer Highline bei der Neueröffnung von
         quot;Sport Schusterquot; in der Rosenstraße in München (Quelle: www.alpin.de, 2008)_________________ 40
Abb. 9: Altersverteilung der Slackliner aus der Studie ____________________________________________ 45
Abb. 10: Geschlechterverteilung der Slackliner aus der Studie _____________________________________ 45
Abb. 11: Prozentuale Verteilung der englischen und deutschen Bezeichnungen für Tricks ________________ 52
Abb. 12: Motivation zum Slacklinen (n=476) ___________________________________________________ 53
Abb. 13: Einteilung der Motivation in drei Bereiche _____________________________________________ 54
Abb. 14: Prozentuale Verteilung des Bekanntheitsgrades von Slackline-Sets nach Herstellern ____________ 55
Abb. 15: Prozentuale Verteilung der bekannten Slackline-Events ___________________________________ 59
Abb. 16: Prozentuale Verteilung der Tendenzen zur Beschleunigung und Entschleunigung _______________ 61
Abb. 17: Kategorien der genannten Slackline-Adjektive __________________________________________ 63
Abb. 18: „Ja-Nein“ Verteilung in Bezug zum eigenen Slackline-Stil _________________________________ 63
Abb. 19: Kategorienunterteilung der verschiedenen genannten Slackline-Stile _________________________ 64
Abb. 20: Verteilung der Angaben bezüglich des Stils nach Könnensgrad _____________________________ 65
Abb. 21: Darstellung der verschiedenen Slackliner-Charaktereigenschaften __________________________ 66
Abb. 22: „Ja-Nein“ Verteilung zur äußerlichen Attraktivität des Slacklinens __________________________ 70
Abb. 23: Prozentuale Verteilung in Bezug zum finanziellen Aufwand ________________________________ 72
Abb. 24: Prozentuale Verteilung aus Frage 28__________________________________________________ 73
Abb. 25: Kategorisierung der Antworten aus Frage 28 ___________________________________________ 74
Abb. 26: Prozentuale Verteilung der Antworten zu Frage 29_______________________________________ 76
Abb. 27: Prozentuale Verteilung der Antworten zu Frage 30_______________________________________ 76
Abb. 28: Prozentuale Verteilung der Antwortkategorien bezüglich Trendsport im Allgemeinen ____________ 78
Abb. 29: Prozentuale Verteilung der Haltung gegenüber Slackline-Workshops ________________________ 80
Abb. 30: Prozentuale Verteilung der ermittelten Einrichtungen aus Frage 33 _________________________ 81
Abb. 31: Kinder beim Kinderjugendfestival in Stuttgart (Quelle: www.slackline-tools.de, 2008) ___________ 83
Abb. 32: Ein Kind auf der Slackline (Quelle: www.slackline-tools.de, 2008) __________________________ 83


Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Angaben der Slacklineerfahrung in Jahren ______________________________________________          46
Tab. 2: Häufigkeit des Slacklinens pro Woche __________________________________________________          46
Tab. 3: Könnensstand der Studienteilnehmer ___________________________________________________           46
Tab. 4: Angaben bezüglich einer Highlinebegehung _____________________________________________           46
Tab. 5: Regelmäßigkeit des Trainings ________________________________________________________            47
Tab. 6: Teilnahme an einem Slackline-Wettkampf _______________________________________________           47
Tab. 7: Analyse des Könnensstandes in Bezug zur Wettkampfteilnahme ______________________________        47
Tab. 8: Zugang der Studienteilnehmer zum Slacklinen____________________________________________          49
Tab. 9: Erlernen des Slacklinens ____________________________________________________________            50
Tab. 10: Ausübungsform des Slacklinens ______________________________________________________            51
Tab. 11: Übersicht der genannten Idole _______________________________________________________           57
Tab. 12: Interesse der Teilnehmer an Slackline-Events ___________________________________________        59
Tab. 13: Prozentuale Verteilung der Erwartungen an Slackline-Events ______________________________       60
Tab. 14: Vergleich der Fragen 16 und 17______________________________________________________            62
Tab. 15: Darstellung von Frage 32 __________________________________________________________             67
Tab. 16: prozentuale Verteilung der Fragen 21, 22, 23 des Fragebogens _____________________________      69
Tab. 17: Spontane Nutzbarkeit des Slacklinens und Antwortkategorien zu Frage 25 ____________________     71
Tab. 18: Ortsunabhängigkeit des Slacklinens___________________________________________________           71
Tab. 19: Antwortenspektrum zu Slacklinen als Trendsport ________________________________________         79



                                                                                                          V
Slacklinen – ein neuer Trendsport?


1     Einleitung

      „Als Individuen balancieren wir vielfach unbewusst auf bekanntem Terrain, es ist
      nur natürlich dass wir diese Eigenschaft aktiv erfassen und sie entsprechend
      fördern. Als Slackliner balancieren wir mit vollem Bewusstsein im Streben nach
      Vervollkommnung und Erfüllung. Versuch es einfach. Sei du, wenn du auf einer
      Slackline gehst; probier etwas aus, oder helfe einfach einem Kind Fahrradfahren
      zu lernen, du wirst spüren, das Gleichgewicht im Leben durchströmt alles. Das
      Arbeiten an seinen eigenen Grenzen – erkennen, bewältigen und zurücksehen –
      kann jedem auf seinem Weg helfen.“ (Jungshannß, o.D., S.6)

Slacklinen, eine noch junge, aufstrebende Bewegungsform1, erfreut sich zunehmender
Beliebtheit. In den letzten Monaten erschienen verstärkt Berichte und Reportagen in
elektronischen Medien, Printmedien und in Form von Fernsehberichterstattungen, welche sich
mit diesem bisher relativ unbekannten Trend auseinandersetzen. Slacklines werden auf der
einen Seite an immer exotischeren und entlegeneren Orten auf der Welt gespannt, z.B. im
Mont Blanc Massiv. Auf der anderen Seite steigt das Interesse von Schulen2, Vereinen und
Rehabilitationseinrichtungen am Slacklinen. Was genau zeichnet nun Slacklinen aus und
rechtfertigt eine intensive Beschäftigung mit dieser neuen Bewegungsform?
Heinz Zak brachte Slacklinen etwa um das Jahr 2000 nach Europa und veranstaltete im Juli
2006 das „1. Internationale Slackline-Treffen in Scharnitz“ (Österreich). Die angereisten
Slackliner konnten dort Erfahrungen austauschen und gemeinsam Spaß haben. Dieser erste
Event in Scharnitz leitete die weitere Verbreitung dieser seit den achtziger Jahren in den USA
praktizierten Sportart sowie Neuformierungen weiterer Slacklinegruppen in Deutschland und
Nachbarländern ein, was auf ihre steigende Popularität hindeutet. In den Parkanlagen von
Städten und Gemeinden sieht man zunehmend zwischen den Bäumen gespannte Bänder und
darauf balancierende Bewegungskünstler. Ein erstes deutschsprachiges Forum im Internet
wurde bereits im Jahre 2004 gegründet. Seit 2005 kann man fertig zusammengestellte
Slackline-Sets in ausgewählten Sportfachgeschäften kaufen.




1
  Der Begriff „Bewegungsform“ wurde hier anstelle des Begriffes „Sportart“ gewählt, dies wird im Kapitel zur
Begriffsproblematik Trendsport weiter ausgeführt.
2
  Vgl. http://www.soap-box-derby.de/slacklinen-der-neue-trendsport-95.htm,
http://www.schulebewegt.ch/index.cfm?id=82,
http://fudder.de/artikel/2007/06/05/gesucht-freiburgs-sportlichste-schule/


                                                                                                          1
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

Blieb es im Jahre 2006 bei diesem einzigartigen Event in Scharnitz, gab es 2007 bereits mehr
als zehn Slackline-Treffen und die Anzahl aktiver Slackliner und Events wächst seither stetig
an. Nicht nur namhafte Hersteller aus dem Klettersport bieten mittlerweile Sets zum Verkauf
an, auch kleine Unternehmen beschäftigen sich intensiv mit dieser Bewegungsform und
tüfteln an neuen Materialien und Aufbauarten. Anfängerkurse, in denen Abspanntechniken
und die ersten Schritte gezeigt werden, erfreuen sich großer Beliebtheit.
Da es sich beim Slacklinen um ein neues, noch unerforschtes Feld handelt, das jedoch ein
sehr dynamisches Wachstum aufweist, soll in dieser Arbeit sowohl die bisherige Entwicklung
des Slacklinens betrachtet, als auch eine Prognose für die zukünftige Entwicklung dieser
Bewegungsform versucht werden. Darüber hinaus steht die Frage im Raum, ob Slacklinen zu
den Trendsportarten gezählt werden kann oder lediglich ein kurzlebiger Sporttrend bleibt.
In einem ersten Schritt wird daher eine historische Betrachtung des Slacklinens
vorgenommen. Die junge Bewegungspraxis wird hinsichtlich ihrer Entstehungs- und
Entwicklungsgeschichte     dargestellt   und   die   verschiedenen    Disziplinen   mit   ihren
Anforderungen werden aufgelistet und erläutert. In einem weiteren Schritt erfolgt der Versuch
einer Definition des Begriffes Slacklinen, um ein Basiswissen als Grundlage für weitere
Analysen zu schaffen.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit Trendsport. Dabei werden zunächst die
gesellschaftlichen Hintergründe für die Ausbreitung von Trendsportarten dargestellt,
Veränderungen hinsichtlich der Werte einer Gesellschaft beleuchtet und die Frage diskutiert,
warum sich Menschen Trendsportarten zuwenden. Die Unterkapitel beschäftigen sich mit
Begrifflichkeiten des Phänomens Trendsport. Hierbei werden die Begriffe ‚Trend’ und
‚Sport’ erläutert, auf die Problematik der Trendsportdefinition eingegangen und der Begriff
Slackline im Hinblick auf „Trends als Metaphern“ untersucht.
Eine Verknüpfung der Theorien des Trendsports mit dem Slacklinen findet im Anschluss
statt. Die charakteristischen Merkmale von Jürgen Schwier, durch die sich möglicherweise
Trends im Feld des Sports auszeichnen, werden dargestellt und auf Slacklinen übertragen.
Welche Merkmale treffen auch auf Slacklinen zu und inwiefern lässt es sich dadurch dem
klassischen Trendsport zuordnen?
Zwei häufig angewandte Modelle aus der Trendsportforschung werden anschließend
vorgestellt und auf ihre Relevanz für die Entwicklung des Slacklinens untersucht. Zum einen
handelt es sich um das semiotische Modell nach Jürgen Schwier, zum anderen um das an
einem Produktlebenszyklus orientierte Modell nach Markus Lamprecht und Hanspeter
Stamm.


                                                                                             2
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

Abschließend kommt ein Konzept von Volker Nagel zur Anwendung, welches ursprünglich
zur Analyse des Trendsports Inlineskaten entwickelt wurde. Dessen Fragen werden
modifiziert in der empirischen Untersuchung (Fragebogen) auf Slacklinen bezogen.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine schriftliche Befragung unter Slacklinern durchgeführt
(siehe Kapitel 6: Untersuchungsdesign). Hierfür kommt ein Fragebogen zum Einsatz, welcher
durch seinen speziellen Aufbau sowohl einen Bezug zu den charakteristischen Merkmalen
nach Schwier als auch zu den Akzeptanz-Kriterien nach Nagel herstellen soll. Die im
Anschluss ausgewerteten und interpretierten Ergebnisse stützen entweder die theoretische
Analyse im ersten Teil der Arbeit oder führen zu einer Verwerfung der aufgestellten
Hypothesen zu Slacklinen als Trendsport.




                                                                                        3
Slacklinen – ein neuer Trendsport?


2        Slacklinen

Um eine genauere Vorstellung von der noch jungen Sportart und damit ein Grundwissen zu
erhalten, werden im Folgenden die Ursprünge des Slacklinens und seine Entwicklung
dargestellt, wobei insbesondere verschiedene Disziplinen des Slacklinens und deren
Charakterisierung im Mittelpunkt stehen. Abschließend erfolgt der Versuch einer Definition
des Begriffs Slacklinen.


2.1        Historische Entwicklung

Die historischen Wurzeln des Slacklinens lassen sich auf das Ende der 1970er Jahre
zurückverfolgen. Bis dahin balancierten Kletterer schon seit den 60er Jahren im Yosemite
Nationalpark in den USA (Kalifornien) zum Zeitvertreib an Ruhe- und Regentagen auf Tauen
und Absperrketten an Parkplätzen. Aufgrund des lockeren Durchhangs nannten sie ihr neu
entdecktes ‚Sportgerät’ slackchain. Anfangs erschien es den Protagonisten unmöglich auf der
lockeren Kette zu laufen. Nach intensivem Üben wurde es zur Routine und die Kletterer
suchten sich neue Herausforderungen. Kurze Zeit später wurden die ersten Tricks und
Übungselemente entwickelt, wie beispielsweise das Drehen, Hinsetzen, Liegen und auch das
Surfen, d.h. stehend auf der Kette hin und her schaukeln (vgl. Müller, 2007, S.3-4).
Scott Balcom, ein junger Kletterer, schreibt in seinem Buch Walk the Line3 von der
Beobachtung zweier junger Männer im Yosemite-Tal im Sommer 1983, die auf einem fix
gespannten Stahlseil im Wald balancierten. Seine besondere Aufmerksamkeit galt jedoch
nicht dem gespannten Stahlseil, sondern dem daneben gespannten Band, welches die jungen
Männer zu Trainingszwecken nutzten. Balcom und sein Freund Chris Carpenter, der ihn
begleitete, waren sofort fasziniert von den federnden Eigenschaften des Bandes. Balcom
selbst war nach eigenen Aussagen bei dem Versuch, ein Band zum Balancieren zu spannen,
gescheitert, daher schienen ihm die Leistungen der beiden unglaublich: „Here was Adam
Grosowski and Jeff Ellington with a command over the squirrellyness that made it look like a
dance“ (Balcom, 2005, S.114).
Adam Grosowksi und Jeff Ellington gelten seitdem als Pioniere, die anstelle einer starren
Kette ein dynamisches Schlauchband aus dem Klettersport mit Karabinern zum Balancieren




3
    Dieses Buch kann als erste und bisher einzige Slacklineliteratur bezeichnet werden.


                                                                                                         4
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

zwischen zwei Bäumen spannten. Nach Ellington ist noch heute eine Flaschenzugvariante4
zum straffen Spannen von Slacklines benannt.
Scott Balcom kehrte mit seinen Eindrücken zu seinem Bruder Ric Piegh und seinen Freunden
Charles Tucker und Darrin Carter zurück5. Sie kauften sich im Bergsportladen ein
entsprechendes Band und spannten dies zwischen zwei Bäumen. Mit etwas Übung konnten
alle darauf laufen und Tricks vollführen. Die Eigenschaften des Bandes wurden gegenüber
denen der Kette als weit überlegen eingestuft. Das bei normaler Beanspruchung im
Klettersport als statisches Material – d.h. mit minimaler Gebrauchsdehnung – eingeordnete
Band hatte, wenn man es über einige Meter spannte und darauf balancierte, eine angenehme
Dehnung, vergleichbar mit den Eigenschaften eines sehr starken Gummibandes. Von diesem
einzigartigen Gehgefühl waren alle Beteiligten begeistert (vgl. Müller, 2007, S.3-4).
Die folgenden Jahre waren dadurch geprägt, dass immer mehr Kletterer im ‚Camp Four’ (ein
Klettercamp im Yosemite Nationalpark in Kalifornien, welches immer noch als der
bekannteste Treffpunkt der Kletterszene gilt) Slacklinen ausübten. Die Grenzen des
Slacklinens wurden immer wieder aufs Neue herausgefordert. Man experimentierte mit
verschieden starken Bändern, Längen, Abspannmechanismen und schließlich auch mit der
Höhe, in der das Band gespannt wurde. So entstanden verschiedene Disziplinen, welche im
nächsten Kapitel vorgestellt werden.
Scott Balcom gelang nach intensivem mentalem Training die erste Highlinebegehung am Lost
Arrow Spire6 am 13. Juli 1985. Damit inspirierte er viele nachfolgende Highliner, unter
anderem seinen Freund Darrin Carter, den man damals aufgrund seines immensen Ehrgeizes
als erfolgreichsten Slackliner im Highlinesport betitelte. Carpenter berichtet in The evolution
of slacklining by Chris Carpenter über Carter: „A demon inside Darrin was born. He could
feel within himself that his purpose in life now made sense“ (Carpenter, o.D., S.5). Darrin
Carter beging als erster ungesichert und allein aus sportlicher Motivation die 15m lange
Slackline in über 900m Höhe über der Talsohle des Yosemite Valley (vgl. Junghannß, o.D.,
S.3f). Die Highline am Lost Arrow Spire wurde dadurch zu einem Mythos, um den sich
zahlreiche Legenden und Geschichten ranken.




4
  Bei diesem Prinzip wird reine Muskelkraft zum Spannen verwendet. Es ist somit möglich längere Distanzen zu
spannen als mit einer Ratsche. Der Flaschenzug klemmt sich durch das ineinander Wickeln des Bandes selbst ab
und benötigt keinen zusätzlichen Knoten.
5
  Mitteilung von Scott Balcom in einer E-Mail am 14.01.2008
6
  Eine Felsnadel im Yosemite Valley, die etwa 17m hervorragt (siehe Abb. 2)


                                                                                                          5
Slacklinen – ein neuer Trendsport?




Abb. 1: Scott Balcom, Erfinder des Slacklinens        Abb. 2: Scott Balcom auf der „Spireline“ im Yosemite
         (Balcom, 2005, Titelbild)                             Valley (Quelle: www.slackline.net)


Ric Piegh gründete 1998 ‚Slackline Brothers Inc.’ und bot das erste zusammengestellte
Slackline-Set7 zum Verkauf an. ‚Asana Pack Works’ war die nächste Firma, ehe im Jahre
2004 Scott Balcom ‚SlackDaddy’ gründete und ebenfalls Slackline-Sets anbot8. Alle weiteren
Sets, die seitdem auf den Markt gekommen sind, wurden mit einem Ratschensystem
ausgestattet. Erst ‚Slackline-Tools’, ein weiteres kleines im Frühjahr 2007 in Deutschland
gegründetes Unternehmen, bietet wieder Sets basierend auf der traditionellen Methode des
Flaschenzuges nach Jeff Ellington zum Verkauf an.
Heinz Zak, Extremkletterer und Bergfotograf aus Österreich, wurde auf diese Bewegungs-
praktik durch seine Kletterreisen ins Camp Four aufmerksam. In Europa gilt er als
Slacklinepionier, der diese Form des Balancierens um die Jahrtausendwende nach Europa
brachte. Das erste Slackline-Set, das in Europa auf den Markt kam, wurde von ihm in
Zusammenarbeit mit der Seilerei Peter (Allgäu) für ‚Mountain Equipment’9 entwickelt.
Dieses Set ist seit 2005 in Sportfachgeschäften käuflich erwerbbar. Außerdem wohnte Zak
Dean Potters10 legendärer ungesicherter Highlinebegehung 2003 am Lost Arrow Spire bei und
dokumentierte diese Überschreitung in Foto und Film und später im Film Highliner.
Im Juli 2006 eröffnete Zak das „1. Internationale Slackline-Treffen in Scharnitz“. Dort
begrüßte er rund 250 aktive Slackliner aus Deutschland, Österreich, Norwegen, Neuseeland,
Russland und der Schweiz, die sich dort zwei Tage lang zum Austausch von Ideen, Tricks

7
   Ein Slackline-Set besteht meist aus 2 Rundschlingen für den Fixpunkt (z.B. ein Baum oder ein Holzpfosten),
Materialien für einen Spannmechanismus und der eigentlichen Slackline, welche in verschiedenen Längen
erhältlich ist. Die fertigen Sets werden in der Regel in passenden Beuteln zur Aufbewahrung verpackt und mit
einer Aufbauanleitung angeboten.
8
  Mitteilung von Scott Balcom in einer E-Mail am 14.01.2008
9
    Mountain Equipment ist ein britischer Hersteller hochwertiger Outdoorausrüstung. Zum vertriebenen
Slackline-Set siehe: http://www.globetrotter.de/de/shop/detail.php?mod_nr=me_73601&k_id=&hot=0
10
    Dean Potter ist ein bekannter Extremkletterer, der häufig mit ungesicherten Kletteraktionen Schlagzeilen
macht. Er war der vierte, der die Highline am Lost Arrow Spire im Jahre 1998 beging.


                                                                                                             6
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

und Erfahrungen eingefunden hatten. Das weitere Programm bestand aus der Vorstellung des
Films Highliner und einem Konzert der Hardrockband ‚Caveman’. Man feierte bis in die
späte Nacht und manche sprachen danach von einer Woodstock-Stimmung (vgl. Hempel,
2006). Dieser Event scheint in Europa den Grundstein für weitere Slacklinetreffen gelegt zu
haben. Im Jahr 2007 fanden bereits mehr als 10 solcher Zusammenkünfte in ganz
Deutschland statt, welche sich großer Beliebtheit erfreuten und auf denen bereits erste
Wettkämpfe mit nicht offiziellen Regeln ausgetragen wurden. Seit einem Slackline-Treffen
im Herbst des Jahres 2007 in Radolfzell gibt es in deutschsprachigen Foren Diskussionen und
Planungen für die Gründung eines Slacklineverbandes mit einheitlichen Regeln für die
Durchführung von Wettkämpfen.


2.2     Darstellung und Eigenschaften unterschiedlicher Slacklines

In diesem Kapitel wird eine Einteilung des Slacklinens in verschiedene Disziplinen
vorgenommen. Dabei ist der Autor der Ansicht, dass generell zwischen ‚Lowlines’, d.h.
Höhen aus denen ein gefahrloses Abspringen noch möglich ist11, und ‚Highlines’, die aus
Sicherheitsaspekten in nicht weniger als 8m12 bis in beliebige Höhen gespannt werden
können, zu unterscheiden ist.

2.2.1        Lowlines

Niedere Slacklines, als ‚Lowlines’ bezeichnet, können weiter in ‚Tricklines’, ‚Rodeo- oder
Freestylelines’, ‚Longlines’, ‚Jumplines’ (häufig Sprunglines genannt) und als neuere
Disziplin ‚Wasserlines’ differenziert werden.
Die Trickline stellt die gebräuchlichste Art der Lowlines dar. Anfänger beginnen
normalerweise auf einer Trickline und lernen auf der etwa knie- bis hüfthohen Line die ersten
Schritte und Tricks. Der Untergrund sollte weich und sicher sein, am besten Gras- oder
Sandboden. Mit Hilfe eines „Spotters“13 kann die Angst beim Aufsteigen auf die Slackline
überwunden werden. Sobald die ersten Schritte klappen kann sich der Anfänger den
verschiedensten Tricks zuwenden, angefangen z.B. mit einer Drehung, Hinsetzen oder



11
   Lowlines reichen bei Anfängerlines von Kniehöhe bis zu einer Höhe von 2-3m (Longlines).
12
   Das zusätzliche Sicherungsband für den Slackliner, welches an einen Klettergurt geknotet wird, hat etwa eine
Länge von 2m. Rechnet man zusätzlich die Dehnung der highline leash und den Durchhang der Slackline unter
Last bei einem Sturz und die Größe einer Person dazu, dann sollten mindestens etwa 8m Höhe vorhanden sein,
damit der Slackliner bei einem unkontrollierten Sturz nicht auf dem Boden aufkommt.
13
   Ein Partner, der neben dem Anfänger steht, kann Hilfestellung beim Aufsteigen auf die Line geben, vgl. auch
das Verb „spotten“.


                                                                                                             7
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

Hinlegen auf der Line. Den Tricks sind keine Grenzen gesetzt, auch Anfänger können hier
bereits ihre Kreativität voll entfalten.
Longlines stellen eine weitere, derzeit sehr beliebte spielerische Art von Slacklines dar.
Entsprechend dem Wortsinn geht es darum, immer längere Entfernungen zwischen den
Fixpunkten auf der Slackline zu absolvieren. Allerdings herrscht unter Slacklinern bisher
keine Klarheit darüber, ab welcher Länge man von einer Longline spricht, so dass eine
individuelle Einteilung möglich ist. Für Anfänger sind z.B. schon 20m eine fast unlösbare
Aufgabe. Zum Zeitpunkt dieser Arbeit liegt der Weltrekord von Damian Cooksey bei einer
Länge von über 154m14. Aktuell werden bereits Versuche mit einer 200m langen Line
durchgeführt und so die Grenzen von Mensch und Material ausgetestet. Bei langen Lines
besteht die Schwierigkeit darin, das Band hart genug zu spannen, um nicht aufgrund des
Durchhangs in der Mitte den Boden zu berühren. Dabei kommen oft teure Gerätschaften wie
z.B. ein Kettenzug zum Einsatz, mit dem es möglich ist, eine hohe Vorspannung von über 1t
aufzubringen. Für die Messung der aufgebrachten Kraft und der auftretenden Kräfte bei der
Belastung durch einen Slackliner werden häufig Kraftmesser in den Aufbau integriert. Lines
von über 100m Länge müssen daher mindestens in zwei bis drei Metern Höhe angebracht
werden – eine große technische, physische und psychische Herausforderung.
Eine weitere Variante stellt die Jumpline dar. Diese wird im Unterschied zur Trickline sehr
hart und üblicherweise über eine Länge von ca. 8m gespannt. Eine sehr harte Vorspannung ist
hierbei notwendig, um ähnlich wie bei einem Trampolin die dynamischen Impulse der Line
für Sprünge nutzen zu können. Beliebte Sprünge sind ein Salto vorwärts oder rückwärts als
Abgang oder mit Landung auf der Line, Drehsprünge und Sprünge in die Höhe oder Weite.
Rodeo- bzw. Freestylelines sind nicht fest gespannt sondern werden mehr oder weniger
quot;schlappquot; aufgehängt und ähneln somit dem klassischen Schlappseil aus dem Zirkus.
Aufgrund des Durchhangs ist das Begehen solcher Lines wesentlich schwieriger, außerdem
können schwere Stürze passieren, da die Line ruckartig auf eine Seite ausweichen kann. Die
Tricks auf diesen Lines beschränken sich im Normalfall auf Gehen, Umdrehen, quer Stehen,
Liegen und Surfen, wobei letzteres eher einem langsamen und kontrollierten hin und her
Schwingen entspricht. Slacklinen auf Rodeolines stellt ein gutes Training für Longlines dar,
da in beiden Fällen die Line sehr ruhig unter dem Schwerpunkt des Slackliners gehalten
werden muss.




14
     Gelaufen am 10.Juli 2007 in München, Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Slackline


                                                                                                       8
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

Eine neuartige Form der Balancierkunst sind so genannte Wasserlines, Slacklines über
Wasser. Durch den fehlenden festen Untergrund als Möglichkeit zum Absteigen und als
optischen Fixpunkt, ist das Begehen einer solchen Line anfangs meist wesentlich schwieriger
als über festem Grund. Nach einer gewissen Übungsphase kann man Wasserlines jedoch gut
nutzen um die Landung bei speziellen Sprung-Tricks wie beispielsweise Salti ohne
Verletzungsgefahr zu üben, wobei aber auch Stürze ins Wasser nicht immer schmerzfrei sind.
Einen Unterschied in der Begehung gibt es außerdem zwischen stehenden und fließenden
Gewässern, da die Wasserbewegung zusätzlich ablenkt und das Gleichgewichtsempfinden
stört.

2.2.2           Highlines

Das Highlinen findet als Königsdisziplin des Slacklinens immer mehr Anhänger. Wagemutige
sichern sich mit der so genannten highline leash an einer redundant15 befestigten Slackline in
Schwindel erregender Höhe, d.h. in einer Höhe, aus der ein einfacher und gefahrloser
Absprung auf den Untergrund nicht mehr möglich ist. Die Abstände bis zum Boden reichen
von wenigen Metern bis zu einigen hundert Metern. Einen besonderen Nervenkitzel bieten
Lines über einem natürlichen Abgrund oder einer Schlucht. Bei dieser Disziplin spielt nicht
mehr allein die Gleichgewichtsfähigkeit eine Rolle, sondern vor allem der psychische Faktor
der Höhe. Der Bau von Highlines wird weiterhin absoluten Experten vorbehalten sein, doch
es zeichnet sich ab, dass immer mehr Anfänger und Fortgeschrittene diesen Kick
ausprobieren und sich dabei „neu erleben“ wollen. Highlines nehmen inzwischen einen festen
Platz in Workshops ein, wobei sich Anfänger in der Regel nicht um den Aufbau kümmern
müssen, diesen jedoch erlernen können.

Diese grobe Unterteilung in Lowlines und Highlines ist ein Vorschlag des Autors, da es
bisher keine offiziellen Standards zur Bezeichnung von Slacklines gibt. Die Einteilung in
Lowline und Highline soll damit hauptsächlich zwei Extreme hervorheben, welche sich nicht
nur hinsichtlich ihrer Aufbauart, sondern auch hinsichtlich der physischen und psychischen
Komponente unterscheiden. Des Weiteren obliegt es jedem Slackliner selbst zu definieren, ab
welcher Länge er z.B. von einer Longline spricht oder welche Vorspannung er für eine
Trickline oder Sprungline wählt. Es gibt zudem keine Regeln und Richtlinien für den Aufbau
einer Slackline. Die Freiheit, die eigene Line so abzuspannen, wie man es aufgrund der
vorhandenen Gegebenheiten für richtig hält, ist vermutlich das, was Slacklinen so reizvoll


15
     Dabei handelt es sich um zwei separate Systeme, welche im Fall eines Linerisses vor dem Absturz schützen.


                                                                                                                 9
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

macht. Claudius Biehl wird auf der Website der Firma Slackline-Tools unter der Rubrik
‚Philosophie’ folgendermaßen zitiert:

      „Slacklinen, ein Sport, der widerspiegelt, was in der heutigen Gesellschaft immer
      wieder gefragt ist: Flexibilität, Lockerheit, Spannung, Kreativität, Anpassungs-
      fähigkeit, Konzentration, Fokussierung, Wille und natürlich Balance. Zur
      Erprobung all dessen bietet Slacklinen den idealen Raum, auch indem es Raum
      innovativ nutzt – im kreativen Sich-Bewegen zwischen Bäumen, Himmel und
      Erde. Der Sport erschließt sich aber nicht nur diesen Raum, sondern auch den
      öffentlichen. Slacklinen wird nicht „verbannt“ in die Sporthallen oder Spielfelder,
      sondern geschieht meist in Parks zwischen spazierenden Menschen oder mitten in
      der Stadt und findet immer wieder faszinierte Zuschauer. Der Slackliner wird
      damit auch zum Künstler – jedoch zum Künstler einer Sportart, die jeder erlernen
      kann und grundsätzlich jedem zugänglich ist bzw. gemacht werden kann“ (Biehl,
      2007).


2.3     Diskussionsansatz zur Definition des Slacklinens

Nach dieser Kurzbeschreibung der Sportart und ihrer Disziplinen wird nun der Versuch einer
Definition von Slacklinen unternommen. Dabei sollen sowohl verschiedene Begrifflichkeiten
geklärt als auch auf das verwendete Material und bestimmte Merkmale dieser
Bewegungsform eingegangen werden.
Bereits hinsichtlich des Laufmediums, auf dem sich der Slackliner bewegt, existieren
verschiedene Begriffe. In den meisten Beschreibungen wird der Begriff „Schlauchband“16
verwendet, z.B. unter www.slackliner.at oder in Presseartikeln. Fest steht, dass zu den
Anfangszeiten des Slacklinens tatsächlich auf diesem aus dem Klettersport stammenden
Material balanciert wurde. Heutzutage jedoch kommt das Schlauchband nur noch selten zum
Einsatz. Die meisten angebotenen Slackline-Sets in Deutschland werden inzwischen aus
kosten- und aufbautechnischen Gründen mit einem gewebten Flachband aus dem
Industriebedarf zusammengestellt17.
Das deutschsprachige Forum unter www.slackliner.de verwendet in seiner Beschreibung der
Bewegungsform lediglich den Ausdruck „Band“. Dieser Ausdruck ist nach Meinung des


16
  Ein in Schlauchform gewebtes Band, das beim Klettern zum Sichern und zum Standplatzbau verwendet wird.
17
   Siehe die Sets von Slackline-Tools, Mountain Equipment, Singing Rock und Gibbon und die Sets von
Seilereien wie Slackstar und Sicherungsprofi. Lediglich das Set von AustriAlpin wird mit einem Schlauchband
geliefert.


                                                                                                        10
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

Autors bereits zutreffender, weil allgemeiner gehalten. Das Wort „Kunstfaserband“ trifft laut
Slacklineexperten am besten auf das verwendete Material zu, da es sowohl das gewebte
Schlauchband aus dem Klettersport als auch die für den Industriebedarf hergestellten und
gewebten Gurtbänder mit einschließt. Slacklines aus Naturfasern wurden nach Kenntnis des
Autors bislang nicht hergestellt.
Eine Internetrecherche von Presseartikeln18 ergab, dass sehr häufig das Wort „Seil“ für das
Laufmedium verwendet wird. Dieser nach Meinung des Autors fälschlicherweise verwendete
Begriff lässt sich dadurch rechtfertigen, dass auch Laien sofort verstehen, um was es beim
Slacklinen geht. Zwar bedeutet das Wort line aus dem Englischen übersetzt ‚Band’, ‚Schnur’
oder ‚Seil’ (vgl. Duden Oxford, 1992, S.196), doch geht es beim Slacklinen ausschließlich um
das Balancieren auf einem „Band“, genauer auf einem Kunstfaserband mit 25mm und 35mm
Breite19. Da Slacklinen in unserer Gesellschaft noch weitgehend unbekannt ist und in den
Kinderschuhen steckt, wird übergeordnet und vereinfacht der Begriff „Seil“ verwendet. Es
bleibt abzuwarten, ob der Begriff „Slackline“ jemals so bekannt wird wie beispielsweise der
eingedeutschte Ausdruck Nordic Walking.
Was die Bewegungsform betrifft, erscheint in vielen Kurzbeschreibungen häufig der Begriff
„Seiltanzen“. Die Tübinger Zeitung Schwäbisches Tagblatt verwendet z.B. in einem Artikel
über die Eröffnung des Slackline-Platzes am Institut für Sportwissenschaft der Universität
Tübingen die Überschrift „Seiltanz über Schluchten“. Es ist nicht zu leugnen, dass eine
Verwandtschaft zum Seiltanz besteht und dass Gemeinsamkeiten vorhanden sind, dennoch ist
es vom Seiltanzen abzugrenzen20. Scott Balcom (2005) beschreibt in seinem Grundlagenwerk
Walk the Line den Unterschied zwischen Seiltanz und Slacklinen folgendermaßen:

      „Wenn Passanten im Park jemanden auf einer Slackline sehen, denken viele sofort
      an Zirkus und Seiltänzer auf einem Stahlseil. ... Eine Slackline kann sehr straff
      gespannt sein, ist aber kein Seil sondern ein flaches Nylonband, welches zwischen
      zwei Ankerpunkten so straff gespannt wird, dass man darauf gehen kann.“
      (Balcom zitiert nach Mountains2bRedaktion, 2007)

Viele Anhänger der Bewegungsform sehen es daher als ihre Aufgabe an, Passanten eine
korrekte Auskunft auf die Frage, ob man aus dem Zirkus sei, zu geben. Ein weit verbreiteter



18
   z.B. Schwäbisches Tagblatt am 04.09.07; www.tagesspiegel.de am 07.01.08
19
   Die Firma Gibbon bietet auch eine 50mm-Gurtvariante an.
20
   Vgl. Müller (2007, S.5ff) „Slacklinen – eine gleichgewichtsorientierte Sportart“ und M2b Redaktion (2007)
„Themenspecial Trendsport Slackline“.


                                                                                                         11
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

Ehrenkodex ist es, interessierten Personen durch „spotten“ erste Erfahrungen auf einer
Slackline zu ermöglichen (vgl. Mahler, 2006).
Eine weitere Besonderheit von Slacklines ist die Dynamik und Dehnbarkeit des Bandes unter
der Last des Slackliners. Es kann in verschiedene Richtungen ausweichen, was vom
Slackliner ein ständiges aktives Ausgleichen erfordert. Nach Meinung des Autors könnte man
auch umgekehrt argumentieren: das Band bewegt sich nicht von selbst, sondern kann sich nur
durch die vom Slackliner zugeführte Energie hin und her bewegen: „Die Line ist der Spiegel
Deiner selbst“, so Müller (2006, S.19). Dies bedeutet, dass sich die Slackline genau so verhält
wie ihr Begeher, sie verändert sich jedoch nicht ohne sein Zutun. Wer sich ruhig auf der Line
bewegt, muss nicht viel ausgleichen.
Abschließend soll auf den amerikanischen Begriff des slacklining und seine Verwendung im
deutschsprachigen Raum eingegangen werden. Generell ersetzt die deutsche Sprache bei
vielen jungen Sportarten aus dem englischsprachigen Raum die Endung –ing durch die
Endung –en. Mountainbiking wird zu Mountainbiken, snowboarding zu Snowboarden und
inlineskating zu Inlineskaten usw21. Müller erklärt diesen Zusammenhang zwischen
Verbbildung und Eindeutschung ausführlich. Er begründet die Begrifflichkeiten ‚Slacklinen’
und die Kurzform ‚Slacken’ mit den entsprechenden Begriffen ‚Mountainbiken’ oder auch
‚Biken’ und ‚Boarden’, welche inzwischen weit verbreitet und laut Müller deutsche
Wortschöpfungen sind (2007, S.11f).

Nach Klärung der Begrifflichkeiten könnte eine Definition des Slacklinens nach Meinung des
Autors folgendermaßen lauten:

         „Slacklinen ist eine Bewegungsform, bei der man auf einem Kunstfaserband,
         gespannt zwischen zwei Befestigungspunkten, meist Bäumen, balanciert und
         Tricks vollführen kann. Aufgrund der Materialeigenschaft ist die Slackline
         elastisch und dehnt sich unter der Last des Slackliners. Sie verhält sich dadurch
         dynamisch und erfordert vom Slackliner ein Zusammenspiel aus Balance,
         Konzentration und Koordination.“

Diese Definition beinhaltet zum einen eine Beschreibung der Bewegungspraxis, zum anderen
integriert sie das verwendete Material und das Anforderungsprofil aus sportwissenschaftlicher
Sicht.




21
     Dieser Ansatz der „Sporting“-arten findet sich auch bei Opaschowski 1997, S.108.


                                                                                                      12
Slacklinen – ein neuer Trendsport?


3     Trendsport

Die moderne Sportlandschaft verändert sich ständig: Neben traditionellen Sportarten tauchen
immer wieder neue Bewegungsformen auf, was zu einem zunehmend unüberschaubaren
Sportangebot führt. Häufig fällt in diesem Zusammenhang der Begriff „Trendsport“, mit dem
viele neu aufkommende Bewegungspraktiken etikettiert werden.
Auch Slacklinen wird in vielen Presseartikeln bzw. im Internet oft als Trendsport
bezeichnet22. Doch ist es wirklich den Trendsportarten zuzuordnen? Sind bei der noch jungen
Bewegungspraktik Merkmale vorhanden, welche auch für andere klassische und etablierte
Trendsportarten charakteristisch sind? Was macht den Reiz dieser neuen Bewegungsform aus,
die nüchtern betrachtet eigentlich kein Novum darstellt, sondern in ähnlicher Form dem
Seiltanzen auf einem Stahlseil entspricht, welches aber bisher nur dem Akrobaten im Zirkus
vorbehalten war? Was fasziniert immer mehr Menschen am Slacklinen und welche
Bedeutung lässt sich den zahlreichen neu gegründeten, auf Slacklinen spezialisierten kleinen
Unternehmen beimessen? Kann sich Slacklinen tatsächlich etablieren und in den
Trendsportartenkanon einfügen oder verschwindet es bald wieder von der Bildfläche? Diese
Fragen stehen im Fokus der folgenden Ausführungen zum Thema Trendsport.


3.1   Gesellschaftliche Veränderungen und ihre Auswirkungen auf den Sport allgemein

Dieses Unterkapitel beschreibt die in einer Gesellschaft notwendigen Voraussetzungen,
welche zur Wahrnehmung einer Bewegungsform wie Slacklinen führen können. Dabei
werden zunächst gesellschaftliche Veränderungen und ihre Auswirkungen auf den Sport
nachgezeichnet, bevor der Übergang zum Phänomen Trendsport und ein theoretischer
Vergleich mit dem Slacklinen stattfindet.
Im    Zeitalter   der   globalen    Transformation      moderner     Gesellschaften   von   einer
Industriegesellschaft hin zu einer Wissens- und Informationsgesellschaft, unterliegen die
verschiedenen Gesellschaftssysteme in Deutschland einem grundlegenden Wandel. Dieser
Wandel ist einerseits bedingt durch fortschreitende Individualisierung und Globalisierung,
andererseits spielen auch Rationalisierung, Technisierung sowie ökonomische und mediale
Entwicklungen eine Rolle. Ein umfassender Werte- und Strukturwandel ist erkennbar und
findet einen breiten Niederschlag, auch im Bereich der Freizeit und des Sports (vgl. Digel,
2001, S.27-30).

22
  http://www.funsporting.de/funsporting+NEWS+Trends+Slacklinen_0238.htm;
http://www.soap-box-derby.de/slacklinen-der-neue-trendsport-95.htm;


                                                                                              13
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

Das Phänomen Sport hat sich mittlerweile zu einem unverzichtbaren Bestandteil unserer
Alltagskultur entwickelt. Durch den Prozess der Versportlichung unserer Gesellschaft hat der
Sport eine fast einmalige Bedeutung und Beliebtheit erlangt, die sich durch fortschreitende
Ausdifferenzierung auf das gesamte Spektrum des Sports erstrecken, vom Breiten- über
Leistungs- bis hin zum Spitzensport. Der moderne Sport, so wie er in den verschiedenen
Institutionen und Organisationen unserer Gesellschaft verankert ist, konnte sich durch
Differenzierung, Pluralisierung und eine damit einhergehende Komplexitätssteigerung zu
einem Massenphänomen entwickeln (vgl. ebd.). Die Versportlichung unserer Gesellschaft
ging Hand in Hand mit einem Wertewandel, wie Digel (1990, S.659) eindrücklich belegt:

     „Die ehemals eher einheitliche Wertestruktur des Sports, die sich in erster Linie
     durch Fleiß, Bedürfnisschub, Anstrengung und Leistung in Training und
     Wettkampf ausgezeichnet hat, hat sich mit neuen Werten vermischt. Der Sport hat
     dabei seine traditionelle Symbolkraft durch eine Hinwendung zu vermehrter
     Rationalität   und   Wissenschaftlichkeit,   durch einen     offenen   finanziellen
     Materialismus, und durch eine Hinwendung zum Individualismus und zum
     praktischen Hedonismus verloren. Das Prinzip des Fair-Play wird durch eine
     Erfolgsideologie unterhöhlt, und an Stelle der Solidarität ist der Eigennutz
     getreten. Im Sport ist es zu einer einseitigen Überbetonung der Interessen des
     Einzelmenschen und zu einer einseitigen Überbewertung von Lust, Vergnügen
     und Genuß gekommen.“

Die im Zitat angesprochene Individualisierung bildet ein wichtiges Merkmal im
Zusammenhang mit dem Wandel im Sport, insbesondere im Trendsport, ab. Der derzeitige
Sportboom wurde vor allem durch das Streben nach Individualisierung ausgelöst. Die
Menschen verfügen über mehr Freizeit, eine höhere Bildung und allgemeinen Wohlstand.
Doch die heutige Arbeitswelt und die traditionelle Sportwelt bieten kaum noch Möglichkeiten
zur freien Entfaltung, die Experimentier- und Risikofreude kann immer weniger ausgelebt
werden.    Im   Freizeitsport   finden    sich    zwar   verschiedene    Gelegenheiten     zur
Bedürfnisbefriedigung (vgl. Breuer & Sander, 2003, S.39), es ist jedoch eine abnehmende
Bindungswilligkeit der Menschen in ihrer freien Zeit festzustellen, d.h. sie wollen sich nicht
an einen Verein binden und dadurch weitere Regeln befolgen und Verpflichtungen eingehen.
„Aus diesem Grunde bleibt festzuhalten, dass der Organisation des traditionellen Sports heute
eine informell, überwiegend hedonistisch orientierte Sportkultur gegenüber steht“ (Breuer &
Sander, 2003, S.38). Es steht nicht der „Ernst“ im Vordergrund, sondern vorwiegend die


                                                                                           14
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

sinnliche Erfahrung, ein spielerisches Erleben und Spontaneität. An die Stelle einer klar
definierten Bindung zum Verein sind wachsende Ich-Bezogenheit und Individualisierung
getreten (vgl. Breuer & Sander, 2003, S.39). Diesbezüglich bietet besonders der Trendsport
aufgrund seiner Vielfältigkeit für jeden Menschen genügend Möglichkeiten zur individuellen
Entfaltung und Freizeitgestaltung.
Auch Slacklinen stellt als junge, aufstrebende Bewegungsform eine Möglichkeit der
individuellen Freizeitgestaltung bereit. Aufgrund der Tatsache, dass bislang kein Verein bzw.
Verband mit Vorschriften bezüglich des Aufbaus einer Slackline-Anlage oder Regeln zum
Slacklinen existiert, können jegliche Vorzüge der freien Entfaltung genutzt werden. Die
Kreativität hinsichtlich der Gestaltung einer Slackline-Session wird positiv gefördert. Es
besteht immer die Möglichkeit, sich einen individuellen „Lieblingsplatz“ zu suchen und sich
für eine Sinnrichtung des Slacklinens zu entscheiden: Ästhetik, Vervollkommnung von
Tricks, Variation der Länge der Slackline oder Verbesserung der Konzentrations- und
Gleichgewichtsfähigkeit. Jeder der sich dem Slacklinen zuwendet, hat die Möglichkeit genau
das zu finden, wonach er sucht. Selbst wenn innerhalb heterogener Gruppen verschiedene
Werte und Ziele beim Slacklinen vorkommen, so können doch mehrere Menschen gemeinsam
Spaß haben. Aspekte der sportlichen Herausforderung sind sowohl sozialen als auch
psychischen Aspekten (wie z.B. der Förderung des sozialen Umgangs, der Gruppendynamik
oder der Konzentrationsfähigkeit) untergeordnet.
Für den Trendsport und dessen Entstehung ist des Weiteren die Globalisierung als zentraler
Aspekt zu erwähnen. Der Trendsport gilt als markantes gesellschaftliches Beispiel globaler
Veränderungsprozesse, wobei der Sport dabei nicht ausschließlich als einfache körperliche
Aktivität, sondern als Bestandteil der Kultur einer Gesellschaft zu betrachten ist (vgl. Stumm,
2004, S.11f).
Die Herausbildung bisher bekannter Trendsportarten wurde durch zwei Phänomene
begünstigt. „Zum einen stellen das IOC (Internationales Olympisches Komitee, Anm. des
Verfassers) und die internationalen Sportverbände im organisierten Sport globale
Entscheidungsträger dar, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts zu globalen Organisationen
entwickelt haben“ (Stumm, 2004, S.41). Zum anderen trugen der moderne Freizeitsport und
die Sportartikelindustrie einen entscheidenden Teil dazu bei, dass eine Ausdifferenzierung
und Vielfalt im Sport die Folge war und Trendsportarten in diesem Kontext hervorgebracht
werden konnten (vgl. Stumm, 2004, S.41). „Die ‚Geburtsorte’ zahlreicher innovativer
Bewegungsformen liegen in Kalifornien und haben sich von dort aus in andere Länder
erfolgreich entfaltet“ (Stumm, 2004, S.59) – zur Erinnerung: auch Slacklinen wurde im


                                                                                            15
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

Yosemite Valley in Kalifornien erfunden. Dies stellt einen bemerkenswerten Zusammenhang
in diesem Kontext dar und ist für den Sachverhalt der Entstehungsgeschichte des Slacklinens
ein relevanter Ansatzpunkt.
Der Prozess der Globalisierung lässt sich am Beispiel des Slacklinens sehr gut nachzeichnen.
Die Protagonisten in den 80er Jahren waren Amerikaner, der Geburtsort befindet sich
ebenfalls im Bundesstaat Kalifornien. Dort wurde von der Avantgarde der neuen
Bewegungskunst lange Zeit getüftelt, und Slacklinen wurde zunächst nur regional im
Klettercamp im Yosemite Nationalpark betrieben. Im Zuge der Globalisierung erreichte
Slacklinen durch einzelne Anhänger der Sportart bald Europa. Während in Amerika fast
zwanzig Jahre vergingen, bis fertig zusammengestellte und abgestimmte Sets zum Verkauf
angeboten wurden, geschah dies in Deutschland innerhalb von nur fünf Jahren. Das
ursprünglich von den Amerikanern verwendete Material mit Knoten und die herkömmliche
Abspannmethode mit Flaschenzug fanden in den in Deutschland kommerziell vertriebenen
industriellen Sets kaum Beachtung. Bei diesen Sets, welche in Zusammenarbeit mit Seilereien
entwickelt wurden, werden Ursprungsmaterialien durch industrielle Materialien wie Ratschen,
Rundschlingen und Schäkeln ersetzt. Auch beim eigentlichen Medium, dem Band, wich man
auf Industriematerial aus, welches vorwiegend zur Ladungssicherung auf Lastwägen
verwendet wird.
Im Rahmen der Ausdifferenzierung des Sportsystems und seiner Unübersichtlichkeit scheint
Trendsport zu einem Begriff geworden zu sein, der als Synonym für jede neue aufkommende
Bewegungspraktik steht. Dabei wechselt und entwickelt er sein Bild ständig. Die Art des
Sports, die zum jetzigen Zeitpunkt als Trendsport gilt, kann wenige Monate später bereits
wieder aus dem engen Kreis der Trendsportarten verschwunden sein.

Nachdem die gesellschaftlichen Veränderungen zusammengefasst dargestellt wurden, steht
nun eine Untersuchung der Frage an, ob es sich beim Slacklinen um einen neuen Trendsport
handelt, bzw. ob es dazu werden kann. Diesbezüglich wird im Vorfeld auf die Problematik
des Begriffs Trendsport eingegangen und anschließend hinterfragt, ob es sich bei dem Begriff
„Slackline“ um eine Metapher handelt.




                                                                                         16
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

3.2    Begriffsproblematik „Trendsport“

Der Begriff des Trendsports stellt im deutschsprachigen Raum eine Besonderheit dar und
subsumiert zugleich eine scheinbar unübersichtliche Vielfalt neuer Bewegungspraktiken. Im
Duden wird dabei von „Sportarten, die im Trend liegen“ gesprochen (Duden, 1999, S.745).
Damit bleibt jedoch weiterhin unklar, was der Begriff Trendsport letztlich umfasst. Die
Schwierigkeit einer Definition des Begriffes Trendsport erwächst aus eben dieser nicht
eindeutigen Festlegung und Eingrenzung des Sports.
Ursprünglich stammt das Wort „Sport“ aus der lateinischen Sprache und entwickelte sich im
Französischen zu (se) de(s)porter, „(sich) zerstreuen“, „(sich) vergnügen“ (vgl. Breuer &
Sander, 2003, S.43). Aus dieser Begrifflichkeit wurde im Englischen das Wort sport, eine
Kurzform von disport („Zerstreuung“, „Vergnügen“). Die deutsche Sprache des 19. und
früheren 20. Jahrhunderts benutzte das Wort „Sport“ „als umfassende Bezeichnung für alle
mit der planmäßigen Körperschulung und mit der körperlichen Betätigung im Wettkampf und
Wettspiel zusammenhängende Belange“ (Breuer & Sander, 2003, S.43). In diesem Kontext
wird Sport auf den modernen Wettkampfsport reduziert, der sich international verbreitete
(vgl. Breuer & Sander, 2003, S.43). Der Sport hat sich jedoch mit der Entstehung des
modernen Freizeitsports ausdifferenziert und damit den organisierten Wettkampfcharakter in
Frage gestellt. Sport wird somit nicht nur im traditionellen Sinne interpretiert, sondern als
körperliche Aktivität angesehen, die als wichtiger Bestandteil der Gesellschaften gilt (vgl.
Stumm, 2004, S.60).
Um der Problematik einer Eingrenzung des Begriffs ‚Sport’ zu begegnen, „wird allgemein
versucht, mit sog. Komposita (Wortzusammensetzungen) den Bewegungsformen eine
bestimmte Bedeutung zu geben, so dass beispielsweise von Wettkampfsport, Freizeitsport,
Breitensport, Gesundheitssport, Extremsport oder eben auch ‚Trendsport’ gesprochen wird“
(Stumm, 2004, S.61).
In diesem Zusammenhang erwächst aus dem Begriff Trend eine weitere Unklarheit, da er für
unterschiedlichste Phänomene verwendet wird (vgl. Wopp, 2006, S.13), zum einen als
Vorhersage (z.B. Wetterprognose), zum anderen als Bezeichnung für neue Entwicklungen
und Produkte. Nach Wopp bezeichnet der Begriff Trend zudem etwas, das in eine bestimmte
Richtung verläuft. Laut Duden wurde er dem Englischen to trend entlehnt und meint dort,
„sich neigend“, „sich erstreckend“ oder „in eine bestimmte Richtung verlaufend“ (zitiert nach
Wopp, 2006, S.14). „Trends sind von Menschen bewirkte Grundrichtungen von
Entwicklungen in der Gesellschaft, durch die Handlungen großer Bevölkerungsgruppen



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Slacklinen – ein neuer Trendsport?

nachhaltig beeinflusst werden“ (Wopp, 2006, S.14). Wie lang eine Entwicklung bzw. ein
Trend anhält, kann laut Stumm nicht vorhergesagt werden:

         „Die Dauer eines Trends bleibt relativ offen. Der Zeitraum richtet sich lediglich
         nach statistischen Fakten und kann daher sowohl auf einen Tag (z.B. an der
         Börse) oder auf mehrere Monate bzw. Jahre (z.B. Inflation, Arbeitslosigkeit)
         bezogen werden und sowohl eine positive als auch negative Konnotation haben“
         (Stumm, 2004, S.61).

Der Begriff Trendsport wird dabei generell zur Kennzeichnung von neuartigen und
lifestylegerecht aufbereiteten Bewegungspraktiken verwendet, denen kurz- oder mittelfristig
ein erhebliches Verbreitungspotenzial vorhergesagt werden kann. Schwier verwendet den
Begriff Trendsport „zur Kennzeichnung jener Veränderungstendenzen des Sports, die
(explizit oder implizit) mit bewegungskultureller Erneuerung und Innovation hervorgehen“
(Schwier, 2002, S.18). Trends im Sport sind ferner dadurch gekennzeichnet, dass sie unsere
gewohnten Sportvorstellungen überschreiten und zuvor unbekannte oder vernachlässigte
Auslegungen des menschlichen Sich-Bewegens in den Horizont rücken. Trendsportarten
weisen diesbezüglich den Charakter des ‚Andersseins’ auf und stehen dadurch in Gegensatz
zum traditionellen Sport. In diesem Zusammenhang hat Schildmacher (1998, S.16f) zentrale
Bewegungsrichtungen des Trendsports23 ermittelt:

     •    Vom Indoor-Sport zur Outdoor-Variante (z.B. Beachvolleyball)
     •    Vom normierten zum unnormierten Sport (z.B. vom Basketball zum Streetball)
     •    Vom großen Mannschafts- zum kleinen Gruppensport (Sportspielvarianten)
     •    Vom geschützten zum risikoreichen Sport (Extrem- und Risikosport)
     •    Vom verbindlichen zum unverbindlichen Sport (z.B. vom Verein zur Szene)

Stumm (2004, S.65) definiert Trendsportarten folgendermaßen: „Trendsportarten stellen
innovative Bewegungspraktiken dar, die sich von dem klassischen etablierten Sport
(zunächst) abgrenzen und sich in einem mittel- bzw. langfristigen mindestens relativen
Wachstum der Nachfragesteigerung über lokale Grenzen hinweg entfalten.“
Bezug nehmend auf den Begriff „Sportart“ schreibt Wopp hingegen in seinem Handbuch zur
Trendforschung im Sport, dass „Sportarten“ als Wettkampf organisierbar sind, weil sie
eindeutig definierte, messbare Ziele mit einem internationalen Regelwerk haben. Dazu
gehören z.B. alle Disziplinen der Sportfachverbände. Es gibt jedoch Bewegungs- und

23
   Schildmachers so genannte „Trends im Sport“ stellen eine weitere Möglichkeit zur Untersuchung von
Trendsportarten dar, werden jedoch in dieser Arbeit nicht weiter erläutert.


                                                                                                 18
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

Spielformen, in denen keine Wettkämpfe durchgeführt werden, die jedoch aus Sicht der
Handelnden als sportlich bezeichnet werden. Dazu gehören z.B. viele Angebote aus dem
Gesundheitssport, wie Nordic Walking oder Rückenschulen. Solche Praxisformen werden als
„Sportformen“ bezeichnet (vgl. Wopp, 2006, S.75). Dieser Sicht folgend ist Slacklinen noch
keine „Sportart“ bzw. „Trendsportart“, sondern eine Sport- bzw. Bewegungsform. Aufgrund
seiner geschichtlichen Entwicklung kann man jedoch, im Unterschied zur Mode, von einem
sportiven Trend sprechen, da es sich über mehrere Jahre im Bewusstsein der Sporttreibenden
verankert und als Praxis etabliert hat (vgl. Schwier, 1998, S.7), aber noch kein einheitliches
Regelwerk besitzt und noch nicht in einem Verein oder Verband organisiert ist. Zum
Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit finden erste Gespräche zur Gründung eines
Slacklineverbandes statt, welcher z.B. Wettkampfregeln aufstellt24. Erste Kooperationen mit
Verbänden anderer Sportarten bestehen bereits. Hierfür lässt sich z.B. aktuell das Engagement
von Harald Dippe nennen, der für den bayerischen Turnverband Slackline-Schnupperkurse
anbietet und regelmäßig Lehrer, Therapeuten, Trainer und Interessierte zum Thema
Slacklinen weiterbildet (vgl. Dippe, 2008).
Im Gegensatz dazu vertreten Slackliner zum Teil die Ansicht, dass durch die Gründung von
Verbänden und Vereinen der „Spirit“ des Slacklinens verloren ginge. Diesen Standpunkt teilt
auch Thomas Huber, Extremkletterer und Hauptdarsteller des Filmes Am Limit: „Weltweit
gibt’s keinen einzigen Club.“ Vereinsmeierei sei den Gleichgewichtskünstlern laut Huber
eher zuwider, die Slackliner seien als „freakige Gesellschaft“ auch in Zukunft nicht an einer
offiziellen Vereinigung interessiert (vgl. Tagesspiegel 07.04.07).


3.3        Trends als Metaphern

Ein Hinweis darauf, dass Trends oft als Metaphern verwendet werden, ist im Handbuch zur
Trendforschung im Sport von Christian Wopp zu finden. Wopp stellt folgende These auf:
„Trends sind häufig sogenannte „Magic Words“ in Form von Metaphern als massive
Verdichtungen von Themen, die im Bewusstsein großer Bevölkerungsgruppen verankert
sind“ (Wopp, 2006, S.22). Es lässt sich die Vermutung aufstellen, dass es sich bei dem
Begriff ‚Slackline’ um ein solches „Magic Word“ handelt. Nimmt man den Wortteil slack
heraus, so kann man ihm eine Mehrdeutigkeit beimessen. Das Nomen slack als Teil des
Wortes ‚Slackline’ bedeutet übersetzt „Durchhang“ (Langenscheidts Taschenwörterbuch,



24
     Diskussionsthema mit dem Titel „Slackline-Wettkampf-Regeln“ unter www.slackline.at, 28.08.2008


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Slacklinen – ein neuer Trendsport?

1990, S.541). Dieser ist gegeben, wenn eine gespannte Line unter der Last ihres Begehers
durchhängt.
Verwendet man den Begriff slack als Adjektiv, so lässt es sich, wie bereits erwähnt, aus dem
Englischen mit „locker“, „lässig“ und „lose“ (Langenscheidts Taschenwörterbuch, 1990,
S.541) übersetzen. Daraus könnte man ableiten, dass dies auch als Synonym für die
Gemeinschaft der Slackliner steht. Der Zeitungsartikel „Lässiger Sport auf lockerem Band“
aus dem Konstanzer Südkurier (2006) gibt durch das Zitat „...und die Stimmung unter den
Slacklinern ‚lässig’“ einen Hinweis darauf25. Heinz Zak sagte in seiner Begrüßung zum „1.
Internationalen Mountain Equipment Slackline-Treffen“: „Das Wichtigste ist, dass wir eine
lässige Zeit miteinander haben“ (vgl. Hempel, 2006). ‚Lässig’ meint in diesem Sinne die
Entspanntheit und Zwanglosigkeit der Gruppierung. Slackliner genießen die Freiheit sich eine
Sinnrichtung des Slacklinens herauszusuchen, spannen ihre Slackline nach Lust und Laune
und genießen das Aufblühen im eigenen Tun. Slacklinen in lockerer, geselliger Runde, in der
es keinen Zwang zur Überbietung der anderen gibt, ist vermutlich ein Lebensstil, durch den
viele Menschen im Alltag abschalten und Abstand gewinnen können.
Interessant erscheint die Tatsache, dass das Verb to slack in die deutsche Sprache mit „locker
werden“ oder „sich lockern“ (Duden Oxford, 1992, S.322) übersetzt wird und metaphorisch
interpretiert eine Aufforderung enthält sich auf der Slackline zu lockern und nicht verkrampft
darauf zu stehen. Diesen Umstand beschreibt Scott Balcom treffend wenn er sagt: „It´s
important to be relaxed. If you relax completely, you would fall off. – Try to relax almost
completely“ (Balcom, 2005, S.58). Auch nach Müller bildet diese Metapher des „sich
lockerns“ bzw. des „Lockerseins“ einen der Grundzüge der Slacklinebewegung ab (vgl.
Müller, 2007, S.12).


4     Ansätze und Modelle zur Zuordnung von Sportarten zum Trendsport

Nach der Einführung ins Slacklinen und der Darstellung der Trendsportproblematik ist nun in
diesem Kapitel anhand typischer Merkmale (Schwier, 1998, 2002) und anhand zweier
klassischer Trendsport-Entwicklungsmodelle (Schwier sowie Lamprecht und Stamm) eine
mögliche Einordnung des Slacklinens in den Kanon der Trendsportarten zu prüfen. Im
Anschluss werden die von Volker Nagel aufgestellten Akzeptanz-Kriterien, welche als Basis
für die im Fragebogen modifizierten Fragen dienen, dargestellt.


25
  Im empirischen Teil der Arbeit soll dieser Sachverhalt der „Magic Words“ nochmals aufgegriffen und mittels
einer Frage nach drei Adjektiven zur Charakterisierung des Slacklinens weiter verfolgt werden.


                                                                                                          20
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

4.1    Charakteristische Merkmale von Trendsportarten im Allgemeinen und Slacklinen
       im Besonderen

Die Trendsportmerkmale nach Schwier (1998, S.10f und 2002, S.22f) werden im folgenden
Kapitel erläutert und auf Slacklinen angewendet. Schwier weist darauf hin, dass nicht jedes
Merkmal in einer Praxis mitwirken muss, um einen Sport als Trendsport zu charakterisieren.
Darüber hinaus betont er, dass die Merkmale keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben
und dass auch Gegentrends, wie z.B. der Trend zur Entschleunigung, denkbar sind. Schwier
unterscheidet im Wesentlichen sieben Merkmale: Stilisierung, Tempo, Virtuosität,
Extremisierung, Ordalisierung sowie Sampling (vgl. Schwier, 1998, S.10) und Trend zum
Event (ebd. 2002, S.28).
Der ‚Aspekt der Stilisierung’ beschreibt die Tatsache, dass die Ausübung der Sportart oder
der Bewegungsform über das eigentliche Sporttreiben im traditionellen Sinn hinausgeht.
„Man geht eben nicht zum Skaten, sondern man führt – wenn auch als Teilzeitstylist – das
Leben eines Skaters“, so Schwier (1998, S.10). Roy Wiemers beschreibt im Film Elements –
Ein Slackline Abenteuer Slacklinen aus seiner Sicht folgendermaßen: „Ich würde sagen dass
Slacklinen gar kein Sport für mich ist. Es ist eine Steigerung oder ein Gewinn für Dich. Es
gehört einfach zum Leben dazu.“ Sporttreiben an sich wird immer mehr zum
selbstverständlichen Moment eines Lebensstils, wobei die Distinktion26 und der Spaß am
Sich-Unterscheiden, also an der Betonung des Andersseins, eine zentrale Rolle spielen.
Slacklinen kommt somit dem von Schwier festgestellten Bedarf nach Selbstinszenierung und
Differenz in komplexen Gesellschaften entgegen. Das Ausführen einer Bewegungsform wird
zur kulturellen Ausdrucksform, „deren Code von Außenstehenden nicht vollständig zu
dechiffrieren ist“ (Schwier, 1998, S.10). Dabei spielen die Sprache, Dresscodes und Gesten
innerhalb der Szene27 eine wichtige Rolle. Jede Szene und jedes Individuum innerhalb einer
Szene kreiert ihren bzw. seinen eigenen Stil, jede Gruppierung von Slacklinern hat ihre eigene
Sprache. Nur die Angehörigen der jeweiligen Szene wissen, was unter den individuell
festgelegten Bezeichnungen der Tricks zu verstehen ist. Die Freiheit, jeden Trick im eigenen
Jargon auszudrücken, stellt eindeutig eine Stilisierung der Gruppen dar.
Der Aspekt der Kleidung ist für das Stilisierungsmerkmal gesondert zu nennen. Natürlich lebt
man auch das Leben eines Slackliners, die Kleidung ist meist locker, leger und lässig,
vorwiegend Kleidung aus dem Klettersport. Die Ausübung einer Trendsportart wird der

26
  „Die Unterscheidung des Subjekts von den anderen“ (Schulze, 2000, S.109).
27
  „Eine Szene ist ein Netzwerk von Publika, das aus drei Arten der Ähnlichkeit entsteht: partielle Identität von
Personen, von Orten und von Inhalten. Eine Szene hat ihr Stammpublikum, ihre festen Lokalitäten und ihr
typisches Erlebnisangebot“ (Schulze, 2000, S.463).


                                                                                                             21
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

Außenwelt durch entsprechende Kleidung demonstriert. Aus dem Skateboarden in die
Modewelt übertragen sind z.B. die so genannten „Skaterschuhe“, welche kaum ein
Sohlenprofil aufweisen und auch von ‚Nicht-Skatern’ getragen werden. Aus verschiedenen
Trendsportarten haben sich Kleidungsmarken und -stile entwickelt, z.B. aus dem Klettersport
(„Prana“, „Chillaz“, „Monkey“, „Lost Arrow“, „E9“ u.a.), dem Snowboarden („Quicksilver“,
„Zimtstern“, „Roxy“ u.a.), dem Windsurfen („Chiemsee“) und dem Skateboarden („Vans“).
Beim Slacklinen findet zwar bisher keine speziell entwickelte Kleidung Verwendung. Die
Herstellung und der Vertrieb foreninterner und von Slacklineherstellern eigens bedruckter T-
Shirts, Mützen und Hosen können jedoch als erstes Ausdrucksmittel eines Lebensstils und
damit einer Distinktion interpretiert werden. Die Kletterartikelhersteller „Lost Arrow“ und
„Mammut“ haben bereits eine Kollektion mit Slacklinemotiven auf T-Shirts herausgebracht.
Ebenso zu erwähnen sind T-Shirts mit den Aufdrucken bisheriger Slackline-Events. Es bleibt
abzuwarten, ob sich weitere Hersteller, die traditionell im Klettersport beheimatet sind, dem
Slacklinen zuwenden, oder ob sich eventuell ein neuer Industriezweig für speziell entwickelte
Slacklinebekleidung bildet.
Die rege Beteiligung in den Foren zeigt das allgemeine Interesse an diesem jungen Sport und
an einem Austausch. Jeder Slackliner legt Wert darauf, seine „Sportart“ bekannter zu machen.
Man ist von der Form des Sich-Bewegens auf dem schmalen Band überzeugt und versucht,
diese Bewegungsform im Kanon der Sportarten zu etablieren, anstatt eine kleine elitäre
Gruppe zu bleiben, getreu der Aufforderung: „Join Slackline Brothers Inc. in our quest to
bring slackline to the world. Learn just how easy it is to become a member of this unique
sport. You´ll be amazed, and hopefully intrigued enough to try it for yourself“ (Slackline
Brothers Inc., 2006).
Mit dem ‚Aspekt der Virtuosität’ ist Schwier der Ansicht, dass „in gewisser Hinsicht eine
Neuentdeckung der ästhetischen Dimension des Sports“ stattfindet, welche die „traditionelle
Hegemonie des binären Sieg-Niederlage-Codes und die damit verbundene rationale
Leistungsproduktion stilbildend überschreitet“ (vgl. Schwier, 1998, S.11). Das Einüben,
Perfektionieren und Neuerfinden von Tricks stehen im Vordergrund. Die kreative
Auseinandersetzung mit der Bewegungsaufgabe und dem Bewegungserlebnis, verbunden mit
freudigem Experimentieren und spielerischem Verbessern, sind zwei der wichtigsten Anreize,
die Trendsportarten bieten können, wohingegen das Streben nach sportlichem Erfolg
weitgehend nachgeordnet ist.




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Slacklinen – ein neuer Trendsport?

Schwier vertritt die Ansicht, dass die Virtuosität des Sich-Bewegens bei den jugendlichen
Szenen der Skater, Streetballer, Surfer, Snowboarder, BMXer und Mountainbiker wohl am
auffälligsten akzentuiert ist (vgl. Schwier, 1998, S.11). Hauptsächlich Sportarten wie Snow-
oder Skateboarden, Windsurfen und Wellenreiten haben Bewegungen, die sich immer weiter
perfektionieren lassen, zum Selbstzweck. Auch wenn diesen Sportarten ein relativ leicht zu
erlernendes Bewegungsmuster zugrunde liegt, können sich Freaks von der breiten Masse
durch neue, oft selbst erfundene und besonders schwierige Bewegungsformen abheben. So
genannte Risiko- und Spannungselemente, d.h. Elemente, die nicht nur großen
Trainingsaufwand sondern auch Mut erfordern, erweitern die Bewegungsvielfalt einer
Sportart. Dies können zum Beispiel ‚Halfpipes’ oder Sprünge sein. Diese Elemente dienen
gleichzeitig der Spezialisierung innerhalb einer Trendsportart und ermöglichen somit deren
Ausdifferenzierung. So unterscheiden sich zum Beispiel die Mountainbikefahrer der
Spezialdisziplinen Downhill und Cross Country nicht nur im verwendeten Material, sondern
auch in der Kleidung.
Vergleicht man Slackliner mit Skatern oder Snowboardern, so sind auch hier die
Perfektionierung und Einübung von Tricks ein deutliches Indiz für die zentrale Rolle der
Virtuosität. Beim Slacklinen scheint es vordergründig nicht um ein Überbietungsideal zu
gehen. Slackliner sehen vielmehr das ästhetische Gelingen von Bewegungshandlungen als
eigentlichen Sinn ihrer Balancierkunst. Die korrekte Ausführung von Tricks ohne Sturz von
der Line lässt den Wunsch entstehen, diesen Augenblick immer wieder neu zu erleben. Dies
betrifft nach Ansicht des Verfassers nicht nur Könner, welche im Erlernen neuer Tricks den
eigentlichen Sinn des Slacklinens sehen, sondern auch Anfänger, die das sichere Stehen auf
der Line und das erstmalige Meistern der vorgegebenen Länge als Bewegungshandlung
immer wieder aufsuchen und als reizvoll empfinden. Es ist nicht verwunderlich, dass
Slackliner es als „Sucht“ bezeichnen, ständig ihr Bewegungsrepertoire und ihren
Bewegungshorizont erweitern zu wollen und dadurch zu wiederholtem Aufbau ihrer Slackline
motiviert werden. „Wo dann der erste Schritte ging, das war einfach super und man wollte
immer mehr, länger und höher. Einmal ausprobiert und Suchtgefahr. Ich habe es probiert und
ich musste es immer wieder, das Gefühl ist immer noch da, einfach super“ (Straub, 2008).
Slacklinen bietet somit eine kreative Plattform, welche durch die einzelnen Disziplinen (siehe
Kapitel 2.2) Differenzierungsmöglichkeiten schafft. „If you dream it, you can do it, es gibt
keine Grenze. Slacklinen ist so eine junge Sportart, bei der jeder Slackliner was Neues
erfinden kann“ (Jakob, 2008). Demzufolge sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.
Angehörige lokaler Szenen unterrichten sich gegenseitig in neuen Bewegungshandlungen,


                                                                                           23
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

egoistisches Verhalten wird selten beobachtet28.
Da Slacklinen keine Bewegungen vorschreibt, entwickelt jeder seinen individuellen Stil,
individuelle Techniken und damit eine eigene Persönlichkeit. „Not only is it a good trainer for
other sports, mainly board sports, but it´s also a sport that hasn´t been well-defined in terms of
tricks. You can make your own style“ (Hestra, 2004). Dieses Zitat betont erneut die
Individualisierungstendenz von Trendsportarten im Allgemeinen und Slacklinen im
Besonderen. Lokale Gruppierungen geben ihren Bewegungshandlungen verschiedenste
Bezeichnungen und unterscheiden sich damit von anderen Gruppen. Die so genannten Tricks
und Moves sind häufig aus Amerika, dem Ursprungsland, übernommen worden. Dies spornt
viele Jugendliche an selbst neue Bewegungen zu entwickeln, sodass die Szene fortlaufend
innovative und immer anspruchsvollere Bewegungskunststücke hervorbringt (vgl. Schwier,
2002, S.26). Dies unterstützt wiederum die identitätsstabilisierende und distinktive Funktion
von Trendsportarten. Der Aspekt der Stilisierung und der Virtuosität gehen somit Hand in
Hand.




Abb. 3: Slackliner beim Ausführen von Tricks. (Quelle: www.slackline-tools.de, 2007)

Des Weiteren sind die Aspekte der ‚Extremisierung’ und ‚Ordalisierung’ zu nennen, welche
hauptsächlich mit der Disziplin des Highlinens gleichzusetzen sind. Schwier ist der Ansicht,
dass bei zahlreichen etablierten Trendsportarten der Suche nach dem Extremen, nach der
letzten Grenze und dem ultimativen Limit eine herausragende Rolle zugeschrieben werden
kann. Nach Schwier (1998) muss scheinbar immer wieder ein neues (subjektiv)
unerreichbares Ziel gefunden werden, um sich lebendig zu fühlen, wobei die Intensität immer
wieder wie zuvor erlebt werden muss.
Thomas Jakob erläutert im Film Elements – Ein Slackline Abenteuer (2008) eindrucksvoll:
„Highlinen      bedeutet     für    mich     eine    extreme     Auseinandersetzung        mit    meinem
Unterbewusstsein. Sich einer psychischen Grenzsituation auszusetzen. Diese Grenze, an die
man sich begibt, jedes Mal wieder zu überschreiten und einfach ruhig zu bleiben.“ Wendet


28
  Der verfasser gehört seit Beginn seiner Slacklinekarriere verschiedenen Slackline-Gruppen an und kann dies
bestätigen.


                                                                                                         24
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

man nun das Merkmal der Extremisierung auf die Slacklinedisziplin Highlinen an, so muss
festgestellt werden, dass diese Disziplin bisher von verhältnismäßig wenigen Leuten betrieben
wird. Zwar entdecken immer mehr neue Anhänger dieser Bewegungskunst diese Disziplin als
besonderen Reiz für sich, aufgrund der hohen psychischen Anforderungen wird das Highlinen
nach Meinung des Verfassers jedoch weiterhin nur denjenigen vorbehalten bleiben, die sich
im Aufbau der Line und der Sicherung äußerst kompetent fühlen. Lediglich Workshops
eröffnen auch Neulingen die Möglichkeit, einmal diesen Kick zu erleben.
Die an immer exotischeren Orten aufgebauten Highlines, z.B. die bereits genannte Begehung
zweier Konstanzer Slackliner am Dent du Géant im Mont Blanc Massiv in 4008m Höhe (vgl.
www.slackline-tools.de) und damit Europas höchste Highline, oder die Highline in
Tasmanien am Totem Pole29 sowie die erfolgreiche Überschreitung einer Gletscherspalte,
sind ein weiteres Indiz für das Merkmal der Extremisierung als Trend beim Slacklinen
(speziell für das Highlinen). Besonders abgelegene und sehr ausgesetzte Orte werden
ausgewählt, um sich mit den Lorbeeren des „Erstbegehers“ schmücken zu können.




      Abb. 4: Europas höchst gelegene Highlinebegehung am Dent du Géant im Mont Blanc Massiv,
               (Quelle: www.slackline-tools.de, 2007)

In enger Verbindung mit dem Trend zur Extremisierung behandelt Schwier den Trend zur
Ordalisierung30. Ein extrem ordalisches Verhalten zeigten Darrin Carter und Dean Potter: sie
begingen unter Einsatz ihres Lebens ungesichert die über dem Yosemite-Tal auf einer Länge
von 15m gespannte Spire-Line, nur um dadurch die Sinnhaftigkeit des eigenen Daseins

29
  http://www.bergsteigen.at/de/bericht.aspx?ID=12839
30
  „Das Ordal bezeichnete ursprünglich ein Gottesurteil oder ein rituelles Gerichtsverfahren in Stammeskulturen
und traditionellen Gesellschaften, bei dem ein Akteur in der Begegnung mit dem Tod seine Unschuld bzw. seine
Existenzberechtigung nachweisen sollte“ (Schwier, 1998, S.11).


                                                                                                           25
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

unmittelbar zu bekräftigen. Ein Schritt daneben, ein kurzer Konzentrationsverlust und die
Extremisten wären 900m tief in den Abgrund gestürzt. Das ungesicherte Überschreiten dieser
Highline lässt sich laut Schwier mit der „Möglichkeit zur Erfindung neuer Extreme“ (1998,
S.11) erklären. Das Merkmal der Ordalisierung in Bezug auf das Highlinen findet sich in
Personen wieder, die sich freiwillig in lebensbedrohliche Situationen begeben (vgl. Schwier,
1998, S.11). „Man setzt sich einer Situation aus, die man hinterher eigentlich genießt, aber
vorher eigentlich fürchtet. Währenddessen bin ich woanders“ (Jakob, 2008). Schildmacher
beschreibt: „Der Körper wird der Psyche unterworfen und das Abtasten der eigenen Grenzen
ist ein Schritt auf der Suche nach Authentizität“ (Schildmacher, 1998, S.18). Charles Tucker
aus Kalifornien, genannt Chongo, Kletterlegende und dritter Begeher der Spire-Line, verriet
den Teilnehmern des „1. Internationalen Mountain Equipment Slackline-Treffens“: „Mit
soviel Luft unter den Füßen hatte ich Angst wie noch nie zuvor in meinem Leben“ (Tucker
zitiert in Hempel, 2006).
Einzig der Aspekt der Extremisierung ist auch im Bereich der Lowlines erkennbar, und zwar
bei der Longline, Jumpline und bei der Trickline. Bei den beiden zuletzt genannten
Disziplinen machen vermutlich der Aspekt der Virtuosität durch das Einüben und
Perfektionieren von Tricks und der Aspekt der Extremisierung den Reiz aus. Immer
spektakulärere Moves werden einstudiert, z.B. „720“ (Doppelschraube um die Längsachse),
Salto vorwärts und rückwärts mit Landung auf der Line (ebenso Varianten mit halben
Drehungen) sowie extrem komplexe Sprungkombinationen. „Es gibt nicht viele, die das so
exzessiv betreiben wie wir das jetzt machen und versuchen, auch was möglich ist ein wenig
raus zu schieben, einfach ein wenig mehr zu machen, mal schauen wo die Grenzen sind“
(Müller, 2008).




Abb. 5: Damian Cooksey, Frontflip beim Event in Scharnitz (Quelle: www.slackline-event.com, 2008)


Bei der Longline geht es im Sinne der Extremisierung eher darum die vorgegebene Länge zu
meistern, wofür sehr ruhiges Gehen erforderlich ist. Ist die Line einmal in Schwingung


                                                                                                    26
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

geraten, ist es sehr schwierig diese aufgrund ihres Eigengewichts wieder zu beruhigen31. Die
Fähigkeit sich über einen längeren Zeitraum konzentrieren zu können, ist dabei eine
entscheidende Voraussetzung und wird mit zunehmender Länge der Line immer stärker
gefordert. Bezüglich der Länge der gespannten Longlines ist derzeit kein Ende abzusehen.
Wie bereits erwähnt, liegt der Weltrekord zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit bei
einer Länge von über 150m, aufgestellt von Damian Cooksey im Herbst 2007. In
Selbstversuchen erreichte der Verfasser selbst schon bei Längen von 40m trotz langsamem
Gehen Pulswerte von über 150 Schlägen pro Minute – ein Beweis für die große körperliche
und psychische Belastung solcher Begehungen. Besonderes bei dieser Disziplin des
Slacklinens ist in letzter Zeit ist ein regelrechter Wettstreit entstanden. Meistens werden bei
Events spontan so genannte contests32 veranstaltet. Bei der Longline geht es hierbei vorrangig
um das erfolgreiche Begehen einer vorgegebenen Länge, bei Jumplines wurde hierfür
beispielsweise schon von einem highjumpcontest gesprochen. Dabei überwindet man nach
einem Absprung von der Slackline eine Stange in einer bestimmten Höhe, um danach wieder
erfolgreich auf der Slackline zu landen.
Die „Helden“ der Länge und der Höhe weisen Unerfahrene in das Geheimnis des
‚Longlinens’ und des ‚Springens’ ein und geben hilfreiche Tipps. Dies unterstreicht wiederum
die Zusammengehörigkeit der community33, die contests stellen dabei einen friedlichen
Wettbewerb dar. Nichts desto trotz zeigt das Abspannen von immer längeren Lines ein
extremes Verhalten. „Die Extremisierung stellt im Feld des Sports einen dynamischen und
quasi unaufhaltsam fortschreitenden Prozess dar, denn eine sportive Leistung und körperliche
Belastung, die einmal erreicht oder gar überschritten wird, kann nicht mehr als Limit dienen“
(Schwier, 2002, S.27). Nachdem Damian Cooksey im März 2007 einen damals gültigen
Weltrekord von 123,5m Länge aufstellte, wurde er mit der einleitenden Frage interviewt:
„What inspired you to walk the world's longest slackline?“ Auf diese Frage antwortete er:
„Just too to see what my own personal limits were, it's not about breaking other people's
records, it's about finding your own personal limits and going beyond them. Walking a
slackline is an individual experience“ (vgl. Avery, 2007).
Auch auf der Ebene der Lowlines ist obiges Phänomen in ähnlicher Weise präsent: Hat man
beispielsweise eine Länge geschafft, so kann man in gewisser Weise, in Anlehnung an das
Modell von Schwier, durchaus von „Ordalisierung“ sprechen, zwar nicht unter Einsatz des

31
   Viele sprechen dabei von so genannten ‚Wellen’ die durch die Line gehen und deren Begehen sehr schwierig
gestalten.
32
   Kleine Wettkämpfe mit kurzfristig festgelegten Regeln.
33
   community: „Gemeinschaft“ (Langenscheidts Taschenwörterbuch, 1990, S.124)


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Slacklinen – ein neuer Trendsport?

eigenen Lebens, wohl aber unter dem Aspekt der Selbstmeisterung und des kurzfristigen
„Heldseins“.




Abb. 6: Damian Cooksey auf einer 100m langen Line beim Treffen in Scharnitz.
      (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:100m_slackline_scharnitz1.jpg, 2008)


Der ‚Trend zum Sampling’ bedeutet nach Schwier, dass bereits existierende Sportdisziplinen
und -praktiken aus ihrem angestammten Kontext herausgelöst und neu kombiniert oder sogar
‚re-mixed’ werden. Ganz im Trend dieses Samplings liegen die immer häufiger stattfindenden
Multi-Sport-Events. Interessant ist, dass es nicht zur simplen Addition von Sportarten kommt,
sondern dass eine eigene Symbolik entsteht (z.B. Triathlon) (vgl. Schwier, 1998, S.12).
Der Aspekt des Sampling steht beim Slacklinen für die Mischung verschiedener Sportarten
bzw. Bewegungsformen. Das Balancieren auf der Line greift z.B. Aspekte des Seiltanzens
auf, während das vielfältige Ausprobieren neuer Tricks den Rückgriff auf turnerische
Elemente belegt (z.B. ein Salto vorwärts oder rückwärts als Abgang oder mit Landung auf der
Line). Auch die Kombination von Slacklinen und gleichzeitigem Jonglieren mit Bällen oder
Keulen lässt sich diesem Aspekt zuordnen. Elemente des Yoga oder Thai Chi und die Suche
nach der inneren Mitte rücken Slacklinen in den Bereich der meditativen Bewegungsformen.
In Verbindung mit dem ‚Trend zum Event’ lassen sich die Slackline-Treffen bzw. -Festivals
nennen. Hierbei steht das gemeinsame Spannen und Begehen von Lines im Vordergrund.
Tipps und Tricks zum Aufbau, der Technik und zur Bewegung werden ausgetauscht oder
neue Techniken vorgestellt. Die Tatsache, dass bei Slackline-Events unterschiedlichste Lines
gespannt werden und somit die verschiedensten Disziplinen vertreten sind, lässt weitere
Rückschlüsse auf den Aspekt des Samplings zu. Das Experimentieren mit unterschiedlichen
Längen, Härten, Höhen usw. bietet die Möglichkeit sich ein großes Bewegungsrepertoire
anzueignen und damit Bewegungserfahrung zu sammeln. Die Treffen werden meistens von
lokalen     Slacklinegruppen        organisiert      und     mit     einem      Rahmenprogramm    wie
Filmpräsentationen, kleinen Wettbewerben und Live-Bands untermalt mit dem Ziel einen


                                                                                                   28
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

nach Schwier benannten „Happening-Charakter“ (1998, S.12) zu erzeugen, die junge Sportart
vorzustellen und damit ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen (vgl. ‚Woodstock-Stimmung’
Hempel, 2006). Thomas Jakob (2008) erklärt seine Einstellung zu Slackline-Treffen
folgendermaßen: „Festivals wie das in Landshut sind eine super Möglichkeit andere
Slackliner zu treffen, sich auszutauschen in Bezug auf Material und neue Tricks. Hier trifft
sich eigentlich die ganze Slacklinecommunity.“ Slackline-Events sind ein Beweis dafür, dass
die aktiven Teilnehmer (Sportler) und passiven Zuschauer auf der Suche nach Gemeinschaft
sind und damit die bei großen Sport-Events starre Trennung von Athleten und Zuschauern
aufheben wollen. Das eigene Sich-Bewegen wird mit dem Genuss professioneller
Darbietungen, mit einer Partykultur und mit Produktwerbung verbunden (vgl. Schwier, 2002,
S.28).
Der Eventcharakter von Slackline-Treffen ist häufig von Internationalisierung geprägt. Auf
großen Events werden so genannte „Stargäste“ aus aller Welt begrüßt. Damian Cooksey aus
Amerika, Jan Galek aus Polen aber auch Charles Tucker, genannt „Chongo“, einer der
Urväter des Slacklinens, wurden schon zu Events in Europa eingeladen. Globalistisches
Denken und Austauschen von Erfahrungen sind hierbei die wichtigsten Aspekte der Events
neben dem gemeinsamen Praktizieren der Bewegung und dem gemeinsamen Feiern. In Surf
the Line – Meister im Slacklinen gekrönt beschreibt Harald Dippe (2008) in einer Zeitschrift
des bayerischen Turnverbandes den letzten Event folgendermaßen:

      „Genau genommen fanden zwei Meisterschaften statt. Die des Vereinigten
      Königreiches - und ein internationaler Vergleich all jener begeisterten Anhänger,
      die dafür um die halbe Welt flogen. So fanden die Teilnehmer aus den USA,
      Deutschland und Österreich ein grandioses Ambiente und einen perfekt
      organisierten Wettkampf vor. ... Wie jung dieser Sport ist, wurde sehr schnell
      deutlich: es gibt keine Regeln und keine einheitlichen Sportgeräte. Deshalb
      bewerteten die Teilnehmer sich gegenseitig, was reibungslos funktionierte.“

Die Namensgebung des „1. Internationalen Mountain Equipment Slackline-Treffen“ zeigt,
dass der Outdoorartikelhersteller Mountain Equipment die innovative Bewegungsform als
Event-Marketing-Plattform nutzte und gleichzeitig die Aufnahme der neuen Bewegungsform
in seine Produktpalette signalisierte.
Bei Trendsportarten ist ferner zu beobachten, dass derartige Veranstaltungen zum Teil
verschiedene Trendsportarten kombinieren (z.B. Surfen und Inlineskaten, Snow- und
Skateboarden), und eine Nähe dieser Bewegungsformen zu bestimmten Musikrichtungen


                                                                                          29
Slacklinen – ein neuer Trendsport?

bzw. juvenilen Stilen (z.B. Hip-Hop) thematisieren (vgl. Schwier, 2002, S.29). Slacklinen
wird 2008 erstmals im Rahmen zweier Sportevents neben anderen Sportarten vertreten sein:
Zum einen wird beim Surfweltcup 2008 in Österreich neben der Surfaction eine große Urban
Style Area geplant, die als Rahmenprogramm neben „Parcour“, Skaten, Dirt-Biken und
anderen „stylischen“ Sportarten auch eine „Slackline Area“ enthalten soll34. Zum anderen
wird Slacklinen beim „The North Face Ice-Climbing World Cup“ in Saas Fee/Schweiz als
„Side-Event“ vertreten sein35. In Slackline-Shows und Workshops für Anfänger soll
Slacklinen damit tausenden Besuchern präsentiert werden. Diese Art von Eventisierung lässt
vermuten, dass Slacklinen selbst in naher Zukunft zu den dominierenden Trendsportevents
der Sportarten Inlineskaten, Streetball, Snowboarden, Wind- und Kitesurfen und
Beachvolleyball gehören wird. Veranstaltungen dieser Art werden von Sponsoren im
Vergleich zu „herkömmlichen“ Sportveranstaltungen bevorzugt unterstützt, sodass auch
Slacklinen davon profitieren wird (vgl. Schwier, 2002, S.29).
Trendsportarten         zeichnen     sich   nach     Schwier     (1998,      S.10)   durch   eine   enorme
Ausführungsgeschwindigkeit, hohe Aktionsdichte und einen abrupten Wechsel der
Anforderungen aus. Über Geschwindigkeit erreicht der Sportler unter anderem den Ausdruck
eines eigenen, individuellen Stils. Beim Slacklinen ist hier nach Ansicht des Autors eher ein
Gegentrend, der Trend zur Entschleunigung, zu beobachten. Dieser ‚Trend zur
Entschleunigung’ lässt sich mit dem Slacklinen besser in Zusammenhang bringen als der
Trend zur Beschleunigung. Ein konkreter Hinweis ist auf dem amerikanischen Internetauftritt
der Slackline Brothers Inc., die Slacklinen als „moving meditation“ bezeichnen, zu entdecken
(vgl. Slackline Brothers Inc., o.D.). Man erkennt damit deutlich die Fokussierung auf die
langsamen und ruhigen, konzentrierten Bewegungen, die Slacklinen auszeichnen. Ein
weiterer Hinweis für die eher meditative Auslegung der Bewegungskunst findet sich auf der
Website von „Slackline-Yoga“. Dort sind verschiedene Anleitungen zu Yoga-Techniken,
welche auf die Slackline übertragen werden können, aufgeführt. Das Team um Slackline-
Yoga hat eine einleitende DVD mit dem Titel Yogaslackers – Slackasana herausgebracht.
Interessant ist die Tatsache, dass das Merkmal der Extremisierung und die Tendenz zur
Entschleunigung beim Slacklinen nicht als Widerspruch gelten müssen. Greift man nochmals
die Disziplinen Highline und Longline auf, so sind bei beiden Disziplinen Aspekte der
Extremisierung ersichtlich. Jedoch kann diese Art der Extremisierung nur erfolgreich für den
Slackliner verlaufen, wenn eine Entschleunigung stattgefunden hat. Die Entschleunigung

34
     Mündliche Mitteilung von Tillmann Müller am 15.02.2008
35
     http://www.mountain-life.ch/iwc/index.html, zugriff am 08.05.2008


                                                                                                        30
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Diplomarbeit Slackline

  • 1. Eberhard-Karls-Universität Tübingen Institut für Sportwissenschaften Wissenschaftliche Arbeit für die Diplomprüfung in Sportwissenschaft Slacklinen - ein neuer Trendsport? Hintergründe und Perspektiven Vorgelegt von: Patrick Engel Sieben-Höfe-Str. 105 72072 Tübingen patrickengel@humannature.de Tübingen, den 12.06.08
  • 2. Danksagung Recht herzlich möchte ich mich bei den Personen bedanken, die bei der Erstellung dieser Arbeit mitgewirkt und mich in verschiedenen Bereichen unterstützt haben. Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Gunter Volck. Er ermöglichte es mir, diese Arbeit im Rahmen meines Studiengangs zu schreiben und unterstützte mich ausgiebig bei der Findung der Problemstellung. Einen zweiten großen Dank möchte ich Herrn Tillmann Müller aussprechen. Ohne ihn wäre die Idee für das Thema dieser Arbeit wahrscheinlich nicht entstanden. Außerdem danke ich ihm zum einen für die aufgebrachte Zeit in Telefongesprächen, zum anderen für sein Engagement mir sein Fachwissen mitzuteilen um dies in die Arbeit mit einfließen zu lassen. Natürlich bedanke ich mich auch für all die Tricks die ich von ihm erlernen konnte sowie das von ihm und der Firma Slackline-Tools zur Verfügung gestellte Material. Des Weiteren danke ich meiner Frau Kristin. Sie musste in der Zeit während der Diplomprüfungen und der Erstellung dieser Diplomarbeit viel erdulden. Vielen Dank für das erbrachte Verständnis. Auch meine Eltern waren während meiner gesamten Studienzeit für mich da und unterstützten mich wo sie nur konnten. Ohne euch wäre ich nicht hier! Zuletzt möchte ich mich bei all jenen bedanken, die auf ihre Art und Weise zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben, die ich jedoch nicht alle namentlich erwähnen kann. Ohne die Studienteilnehmer, die sich die Zeit zum Ausfüllen und zurückschicken des Fragebogens nahmen, wäre diese Studie überhaupt nicht möglich gewesen. Allen Slacklinern kann ein Dank dafür ausgesprochen werden, dass sie durch ihren Enthusiasmus diese wunderbare Form des Balancierens vorantreiben und anderen Menschen zugänglich machen. Remember, it´s „Just One Foot In Front Of The Other!“ (Chris Carpenter) Patrick Engel (Tübingen, 12. Juni 2008) II
  • 3. Eid quot;Hiermit versichere ich, dass ich die vorgelegte Arbeit selbständig und nur mit den angegebenen Quellen und Hilfsmitteln (einschließlich Quellen des www und anderer elektronischer Medien) angefertigt habe. Alle Stellen der Arbeit, die ich anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinne nach entnommen habe, sind kenntlich gemacht.quot; Tübingen, den 12.06.2008 ______________________________________ III
  • 4. Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis....................................................................................................................................................... IV Abbildungsverzeichnis.................................................................................................................................................V Tabellenverzeichnis......................................................................................................................................................V 1 Einleitung ................................................................................................................................................................1 2 Slacklinen ................................................................................................................................................................4 2.1 Historische Entwicklung.................................................................................................................................4 2.2 Darstellung und Eigenschaften unterschiedlicher Slacklines....................................................................7 2.2.1 Lowlines ...................................................................................................................................................7 2.2.2 Highlines...................................................................................................................................................9 2.3 Diskussionsansatz zur Definition des Slacklinens .................................................................................... 10 3 Trendsport............................................................................................................................................................ 13 3.1 Gesellschaftliche Veränderungen und ihre Auswirkungen auf den Sport allgemein .......................... 13 3.2 Begriffsproblematik „Trendsport“.............................................................................................................. 17 3.3 Trends als Metaphern .................................................................................................................................. 19 4 Ansätze und Modelle zur Zuordnung von Sportarten zum Trendsport .................................................... 20 4.1 Charakteristische Merkmale von Trendsportarten im Allgemeinen und Slacklinen im Besonderen. 21 4.2 Modelle zur Entwicklung von Trendsportarten ........................................................................................ 31 4.2.1 Phasenmodell nach Schwier................................................................................................................. 32 4.2.2 Trendsportentwicklung nach Lamprecht und Stamm......................................................................... 33 4.2.3 Akzeptanz – Kriterien nach Volker Nagel .......................................................................................... 37 5 Problemstellung................................................................................................................................................... 38 5.1 Anwendung des Modells von Schwier auf Slacklinen.............................................................................. 39 5.2 Anwendung des Modells von Lamprecht und Stamm auf Slacklinen .................................................... 40 6 Untersuchungsdesign.......................................................................................................................................... 43 6.1 Explorative Umfrage zum Slacklinen im deutschsprachigen Raum ...................................................... 43 6.2 Durchführung der Befragung und Auswertung ....................................................................................... 44 6.3 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse ........................................................................................ 44 6.3.1 Soziodemographische Merkmale......................................................................................................... 45 6.3.2 Fakten bezüglich Slacklinen................................................................................................................. 49 6.3.3 Hintergrundwissen über Slacklinen ..................................................................................................... 55 6.3.4 Fragen zu Merkmalen eines Trendsports nach Jürgen Schwier......................................................... 57 6.3.5 Fragen nach Volker Nagel.................................................................................................................... 68 6.3.6 Funktionsfragen .................................................................................................................................... 78 6.4 Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................................................................................. 83 7 Zusammenfassung und Ausblick ...................................................................................................................... 84 8 Literaturverzeichnis ........................................................................................................................................... 87 9 Anhang.................................................................................................................................................................. 89 IV
  • 5. Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Scott Balcom, Erfinder des Slacklinens (Balcom, 2005, Titelbild)______________________________ 6 Abb. 2: Scott Balcom auf der „Spireline“ im Yosemite Valley (Quelle: www.slackline.net)________________ 6 Abb. 3: Slackliner beim Ausführen von Tricks. (Quelle: www.slackline-tools.de, 2007) __________________ 24 Abb. 4: Europas höchst gelegene Highlinebegehung am Dent du Géant im Mont Blanc Massiv, (Quelle: www.slackline-tools.de, 2007) _______________________________________________________ 25 Abb. 5: Damian Cooksey, Frontflip beim Event in Scharnitz (Quelle: www.slackline-event.com, 2008) _____ 26 Abb. 6: Damian Cooksey auf einer 100m langen Line beim Treffen in Scharnitz. (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:100m_slackline_scharnitz1.jpg, 2008) ______________________ 28 Abb. 7: Phasen der Entwicklung von Trendsportarten ____________________________________________ 36 Abb. 8: Balanceakt über den Dächern von München. Heinz Zak auf einer Highline bei der Neueröffnung von quot;Sport Schusterquot; in der Rosenstraße in München (Quelle: www.alpin.de, 2008)_________________ 40 Abb. 9: Altersverteilung der Slackliner aus der Studie ____________________________________________ 45 Abb. 10: Geschlechterverteilung der Slackliner aus der Studie _____________________________________ 45 Abb. 11: Prozentuale Verteilung der englischen und deutschen Bezeichnungen für Tricks ________________ 52 Abb. 12: Motivation zum Slacklinen (n=476) ___________________________________________________ 53 Abb. 13: Einteilung der Motivation in drei Bereiche _____________________________________________ 54 Abb. 14: Prozentuale Verteilung des Bekanntheitsgrades von Slackline-Sets nach Herstellern ____________ 55 Abb. 15: Prozentuale Verteilung der bekannten Slackline-Events ___________________________________ 59 Abb. 16: Prozentuale Verteilung der Tendenzen zur Beschleunigung und Entschleunigung _______________ 61 Abb. 17: Kategorien der genannten Slackline-Adjektive __________________________________________ 63 Abb. 18: „Ja-Nein“ Verteilung in Bezug zum eigenen Slackline-Stil _________________________________ 63 Abb. 19: Kategorienunterteilung der verschiedenen genannten Slackline-Stile _________________________ 64 Abb. 20: Verteilung der Angaben bezüglich des Stils nach Könnensgrad _____________________________ 65 Abb. 21: Darstellung der verschiedenen Slackliner-Charaktereigenschaften __________________________ 66 Abb. 22: „Ja-Nein“ Verteilung zur äußerlichen Attraktivität des Slacklinens __________________________ 70 Abb. 23: Prozentuale Verteilung in Bezug zum finanziellen Aufwand ________________________________ 72 Abb. 24: Prozentuale Verteilung aus Frage 28__________________________________________________ 73 Abb. 25: Kategorisierung der Antworten aus Frage 28 ___________________________________________ 74 Abb. 26: Prozentuale Verteilung der Antworten zu Frage 29_______________________________________ 76 Abb. 27: Prozentuale Verteilung der Antworten zu Frage 30_______________________________________ 76 Abb. 28: Prozentuale Verteilung der Antwortkategorien bezüglich Trendsport im Allgemeinen ____________ 78 Abb. 29: Prozentuale Verteilung der Haltung gegenüber Slackline-Workshops ________________________ 80 Abb. 30: Prozentuale Verteilung der ermittelten Einrichtungen aus Frage 33 _________________________ 81 Abb. 31: Kinder beim Kinderjugendfestival in Stuttgart (Quelle: www.slackline-tools.de, 2008) ___________ 83 Abb. 32: Ein Kind auf der Slackline (Quelle: www.slackline-tools.de, 2008) __________________________ 83 Tabellenverzeichnis Tab. 1: Angaben der Slacklineerfahrung in Jahren ______________________________________________ 46 Tab. 2: Häufigkeit des Slacklinens pro Woche __________________________________________________ 46 Tab. 3: Könnensstand der Studienteilnehmer ___________________________________________________ 46 Tab. 4: Angaben bezüglich einer Highlinebegehung _____________________________________________ 46 Tab. 5: Regelmäßigkeit des Trainings ________________________________________________________ 47 Tab. 6: Teilnahme an einem Slackline-Wettkampf _______________________________________________ 47 Tab. 7: Analyse des Könnensstandes in Bezug zur Wettkampfteilnahme ______________________________ 47 Tab. 8: Zugang der Studienteilnehmer zum Slacklinen____________________________________________ 49 Tab. 9: Erlernen des Slacklinens ____________________________________________________________ 50 Tab. 10: Ausübungsform des Slacklinens ______________________________________________________ 51 Tab. 11: Übersicht der genannten Idole _______________________________________________________ 57 Tab. 12: Interesse der Teilnehmer an Slackline-Events ___________________________________________ 59 Tab. 13: Prozentuale Verteilung der Erwartungen an Slackline-Events ______________________________ 60 Tab. 14: Vergleich der Fragen 16 und 17______________________________________________________ 62 Tab. 15: Darstellung von Frage 32 __________________________________________________________ 67 Tab. 16: prozentuale Verteilung der Fragen 21, 22, 23 des Fragebogens _____________________________ 69 Tab. 17: Spontane Nutzbarkeit des Slacklinens und Antwortkategorien zu Frage 25 ____________________ 71 Tab. 18: Ortsunabhängigkeit des Slacklinens___________________________________________________ 71 Tab. 19: Antwortenspektrum zu Slacklinen als Trendsport ________________________________________ 79 V
  • 6. Slacklinen – ein neuer Trendsport? 1 Einleitung „Als Individuen balancieren wir vielfach unbewusst auf bekanntem Terrain, es ist nur natürlich dass wir diese Eigenschaft aktiv erfassen und sie entsprechend fördern. Als Slackliner balancieren wir mit vollem Bewusstsein im Streben nach Vervollkommnung und Erfüllung. Versuch es einfach. Sei du, wenn du auf einer Slackline gehst; probier etwas aus, oder helfe einfach einem Kind Fahrradfahren zu lernen, du wirst spüren, das Gleichgewicht im Leben durchströmt alles. Das Arbeiten an seinen eigenen Grenzen – erkennen, bewältigen und zurücksehen – kann jedem auf seinem Weg helfen.“ (Jungshannß, o.D., S.6) Slacklinen, eine noch junge, aufstrebende Bewegungsform1, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. In den letzten Monaten erschienen verstärkt Berichte und Reportagen in elektronischen Medien, Printmedien und in Form von Fernsehberichterstattungen, welche sich mit diesem bisher relativ unbekannten Trend auseinandersetzen. Slacklines werden auf der einen Seite an immer exotischeren und entlegeneren Orten auf der Welt gespannt, z.B. im Mont Blanc Massiv. Auf der anderen Seite steigt das Interesse von Schulen2, Vereinen und Rehabilitationseinrichtungen am Slacklinen. Was genau zeichnet nun Slacklinen aus und rechtfertigt eine intensive Beschäftigung mit dieser neuen Bewegungsform? Heinz Zak brachte Slacklinen etwa um das Jahr 2000 nach Europa und veranstaltete im Juli 2006 das „1. Internationale Slackline-Treffen in Scharnitz“ (Österreich). Die angereisten Slackliner konnten dort Erfahrungen austauschen und gemeinsam Spaß haben. Dieser erste Event in Scharnitz leitete die weitere Verbreitung dieser seit den achtziger Jahren in den USA praktizierten Sportart sowie Neuformierungen weiterer Slacklinegruppen in Deutschland und Nachbarländern ein, was auf ihre steigende Popularität hindeutet. In den Parkanlagen von Städten und Gemeinden sieht man zunehmend zwischen den Bäumen gespannte Bänder und darauf balancierende Bewegungskünstler. Ein erstes deutschsprachiges Forum im Internet wurde bereits im Jahre 2004 gegründet. Seit 2005 kann man fertig zusammengestellte Slackline-Sets in ausgewählten Sportfachgeschäften kaufen. 1 Der Begriff „Bewegungsform“ wurde hier anstelle des Begriffes „Sportart“ gewählt, dies wird im Kapitel zur Begriffsproblematik Trendsport weiter ausgeführt. 2 Vgl. http://www.soap-box-derby.de/slacklinen-der-neue-trendsport-95.htm, http://www.schulebewegt.ch/index.cfm?id=82, http://fudder.de/artikel/2007/06/05/gesucht-freiburgs-sportlichste-schule/ 1
  • 7. Slacklinen – ein neuer Trendsport? Blieb es im Jahre 2006 bei diesem einzigartigen Event in Scharnitz, gab es 2007 bereits mehr als zehn Slackline-Treffen und die Anzahl aktiver Slackliner und Events wächst seither stetig an. Nicht nur namhafte Hersteller aus dem Klettersport bieten mittlerweile Sets zum Verkauf an, auch kleine Unternehmen beschäftigen sich intensiv mit dieser Bewegungsform und tüfteln an neuen Materialien und Aufbauarten. Anfängerkurse, in denen Abspanntechniken und die ersten Schritte gezeigt werden, erfreuen sich großer Beliebtheit. Da es sich beim Slacklinen um ein neues, noch unerforschtes Feld handelt, das jedoch ein sehr dynamisches Wachstum aufweist, soll in dieser Arbeit sowohl die bisherige Entwicklung des Slacklinens betrachtet, als auch eine Prognose für die zukünftige Entwicklung dieser Bewegungsform versucht werden. Darüber hinaus steht die Frage im Raum, ob Slacklinen zu den Trendsportarten gezählt werden kann oder lediglich ein kurzlebiger Sporttrend bleibt. In einem ersten Schritt wird daher eine historische Betrachtung des Slacklinens vorgenommen. Die junge Bewegungspraxis wird hinsichtlich ihrer Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte dargestellt und die verschiedenen Disziplinen mit ihren Anforderungen werden aufgelistet und erläutert. In einem weiteren Schritt erfolgt der Versuch einer Definition des Begriffes Slacklinen, um ein Basiswissen als Grundlage für weitere Analysen zu schaffen. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit Trendsport. Dabei werden zunächst die gesellschaftlichen Hintergründe für die Ausbreitung von Trendsportarten dargestellt, Veränderungen hinsichtlich der Werte einer Gesellschaft beleuchtet und die Frage diskutiert, warum sich Menschen Trendsportarten zuwenden. Die Unterkapitel beschäftigen sich mit Begrifflichkeiten des Phänomens Trendsport. Hierbei werden die Begriffe ‚Trend’ und ‚Sport’ erläutert, auf die Problematik der Trendsportdefinition eingegangen und der Begriff Slackline im Hinblick auf „Trends als Metaphern“ untersucht. Eine Verknüpfung der Theorien des Trendsports mit dem Slacklinen findet im Anschluss statt. Die charakteristischen Merkmale von Jürgen Schwier, durch die sich möglicherweise Trends im Feld des Sports auszeichnen, werden dargestellt und auf Slacklinen übertragen. Welche Merkmale treffen auch auf Slacklinen zu und inwiefern lässt es sich dadurch dem klassischen Trendsport zuordnen? Zwei häufig angewandte Modelle aus der Trendsportforschung werden anschließend vorgestellt und auf ihre Relevanz für die Entwicklung des Slacklinens untersucht. Zum einen handelt es sich um das semiotische Modell nach Jürgen Schwier, zum anderen um das an einem Produktlebenszyklus orientierte Modell nach Markus Lamprecht und Hanspeter Stamm. 2
  • 8. Slacklinen – ein neuer Trendsport? Abschließend kommt ein Konzept von Volker Nagel zur Anwendung, welches ursprünglich zur Analyse des Trendsports Inlineskaten entwickelt wurde. Dessen Fragen werden modifiziert in der empirischen Untersuchung (Fragebogen) auf Slacklinen bezogen. Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine schriftliche Befragung unter Slacklinern durchgeführt (siehe Kapitel 6: Untersuchungsdesign). Hierfür kommt ein Fragebogen zum Einsatz, welcher durch seinen speziellen Aufbau sowohl einen Bezug zu den charakteristischen Merkmalen nach Schwier als auch zu den Akzeptanz-Kriterien nach Nagel herstellen soll. Die im Anschluss ausgewerteten und interpretierten Ergebnisse stützen entweder die theoretische Analyse im ersten Teil der Arbeit oder führen zu einer Verwerfung der aufgestellten Hypothesen zu Slacklinen als Trendsport. 3
  • 9. Slacklinen – ein neuer Trendsport? 2 Slacklinen Um eine genauere Vorstellung von der noch jungen Sportart und damit ein Grundwissen zu erhalten, werden im Folgenden die Ursprünge des Slacklinens und seine Entwicklung dargestellt, wobei insbesondere verschiedene Disziplinen des Slacklinens und deren Charakterisierung im Mittelpunkt stehen. Abschließend erfolgt der Versuch einer Definition des Begriffs Slacklinen. 2.1 Historische Entwicklung Die historischen Wurzeln des Slacklinens lassen sich auf das Ende der 1970er Jahre zurückverfolgen. Bis dahin balancierten Kletterer schon seit den 60er Jahren im Yosemite Nationalpark in den USA (Kalifornien) zum Zeitvertreib an Ruhe- und Regentagen auf Tauen und Absperrketten an Parkplätzen. Aufgrund des lockeren Durchhangs nannten sie ihr neu entdecktes ‚Sportgerät’ slackchain. Anfangs erschien es den Protagonisten unmöglich auf der lockeren Kette zu laufen. Nach intensivem Üben wurde es zur Routine und die Kletterer suchten sich neue Herausforderungen. Kurze Zeit später wurden die ersten Tricks und Übungselemente entwickelt, wie beispielsweise das Drehen, Hinsetzen, Liegen und auch das Surfen, d.h. stehend auf der Kette hin und her schaukeln (vgl. Müller, 2007, S.3-4). Scott Balcom, ein junger Kletterer, schreibt in seinem Buch Walk the Line3 von der Beobachtung zweier junger Männer im Yosemite-Tal im Sommer 1983, die auf einem fix gespannten Stahlseil im Wald balancierten. Seine besondere Aufmerksamkeit galt jedoch nicht dem gespannten Stahlseil, sondern dem daneben gespannten Band, welches die jungen Männer zu Trainingszwecken nutzten. Balcom und sein Freund Chris Carpenter, der ihn begleitete, waren sofort fasziniert von den federnden Eigenschaften des Bandes. Balcom selbst war nach eigenen Aussagen bei dem Versuch, ein Band zum Balancieren zu spannen, gescheitert, daher schienen ihm die Leistungen der beiden unglaublich: „Here was Adam Grosowski and Jeff Ellington with a command over the squirrellyness that made it look like a dance“ (Balcom, 2005, S.114). Adam Grosowksi und Jeff Ellington gelten seitdem als Pioniere, die anstelle einer starren Kette ein dynamisches Schlauchband aus dem Klettersport mit Karabinern zum Balancieren 3 Dieses Buch kann als erste und bisher einzige Slacklineliteratur bezeichnet werden. 4
  • 10. Slacklinen – ein neuer Trendsport? zwischen zwei Bäumen spannten. Nach Ellington ist noch heute eine Flaschenzugvariante4 zum straffen Spannen von Slacklines benannt. Scott Balcom kehrte mit seinen Eindrücken zu seinem Bruder Ric Piegh und seinen Freunden Charles Tucker und Darrin Carter zurück5. Sie kauften sich im Bergsportladen ein entsprechendes Band und spannten dies zwischen zwei Bäumen. Mit etwas Übung konnten alle darauf laufen und Tricks vollführen. Die Eigenschaften des Bandes wurden gegenüber denen der Kette als weit überlegen eingestuft. Das bei normaler Beanspruchung im Klettersport als statisches Material – d.h. mit minimaler Gebrauchsdehnung – eingeordnete Band hatte, wenn man es über einige Meter spannte und darauf balancierte, eine angenehme Dehnung, vergleichbar mit den Eigenschaften eines sehr starken Gummibandes. Von diesem einzigartigen Gehgefühl waren alle Beteiligten begeistert (vgl. Müller, 2007, S.3-4). Die folgenden Jahre waren dadurch geprägt, dass immer mehr Kletterer im ‚Camp Four’ (ein Klettercamp im Yosemite Nationalpark in Kalifornien, welches immer noch als der bekannteste Treffpunkt der Kletterszene gilt) Slacklinen ausübten. Die Grenzen des Slacklinens wurden immer wieder aufs Neue herausgefordert. Man experimentierte mit verschieden starken Bändern, Längen, Abspannmechanismen und schließlich auch mit der Höhe, in der das Band gespannt wurde. So entstanden verschiedene Disziplinen, welche im nächsten Kapitel vorgestellt werden. Scott Balcom gelang nach intensivem mentalem Training die erste Highlinebegehung am Lost Arrow Spire6 am 13. Juli 1985. Damit inspirierte er viele nachfolgende Highliner, unter anderem seinen Freund Darrin Carter, den man damals aufgrund seines immensen Ehrgeizes als erfolgreichsten Slackliner im Highlinesport betitelte. Carpenter berichtet in The evolution of slacklining by Chris Carpenter über Carter: „A demon inside Darrin was born. He could feel within himself that his purpose in life now made sense“ (Carpenter, o.D., S.5). Darrin Carter beging als erster ungesichert und allein aus sportlicher Motivation die 15m lange Slackline in über 900m Höhe über der Talsohle des Yosemite Valley (vgl. Junghannß, o.D., S.3f). Die Highline am Lost Arrow Spire wurde dadurch zu einem Mythos, um den sich zahlreiche Legenden und Geschichten ranken. 4 Bei diesem Prinzip wird reine Muskelkraft zum Spannen verwendet. Es ist somit möglich längere Distanzen zu spannen als mit einer Ratsche. Der Flaschenzug klemmt sich durch das ineinander Wickeln des Bandes selbst ab und benötigt keinen zusätzlichen Knoten. 5 Mitteilung von Scott Balcom in einer E-Mail am 14.01.2008 6 Eine Felsnadel im Yosemite Valley, die etwa 17m hervorragt (siehe Abb. 2) 5
  • 11. Slacklinen – ein neuer Trendsport? Abb. 1: Scott Balcom, Erfinder des Slacklinens Abb. 2: Scott Balcom auf der „Spireline“ im Yosemite (Balcom, 2005, Titelbild) Valley (Quelle: www.slackline.net) Ric Piegh gründete 1998 ‚Slackline Brothers Inc.’ und bot das erste zusammengestellte Slackline-Set7 zum Verkauf an. ‚Asana Pack Works’ war die nächste Firma, ehe im Jahre 2004 Scott Balcom ‚SlackDaddy’ gründete und ebenfalls Slackline-Sets anbot8. Alle weiteren Sets, die seitdem auf den Markt gekommen sind, wurden mit einem Ratschensystem ausgestattet. Erst ‚Slackline-Tools’, ein weiteres kleines im Frühjahr 2007 in Deutschland gegründetes Unternehmen, bietet wieder Sets basierend auf der traditionellen Methode des Flaschenzuges nach Jeff Ellington zum Verkauf an. Heinz Zak, Extremkletterer und Bergfotograf aus Österreich, wurde auf diese Bewegungs- praktik durch seine Kletterreisen ins Camp Four aufmerksam. In Europa gilt er als Slacklinepionier, der diese Form des Balancierens um die Jahrtausendwende nach Europa brachte. Das erste Slackline-Set, das in Europa auf den Markt kam, wurde von ihm in Zusammenarbeit mit der Seilerei Peter (Allgäu) für ‚Mountain Equipment’9 entwickelt. Dieses Set ist seit 2005 in Sportfachgeschäften käuflich erwerbbar. Außerdem wohnte Zak Dean Potters10 legendärer ungesicherter Highlinebegehung 2003 am Lost Arrow Spire bei und dokumentierte diese Überschreitung in Foto und Film und später im Film Highliner. Im Juli 2006 eröffnete Zak das „1. Internationale Slackline-Treffen in Scharnitz“. Dort begrüßte er rund 250 aktive Slackliner aus Deutschland, Österreich, Norwegen, Neuseeland, Russland und der Schweiz, die sich dort zwei Tage lang zum Austausch von Ideen, Tricks 7 Ein Slackline-Set besteht meist aus 2 Rundschlingen für den Fixpunkt (z.B. ein Baum oder ein Holzpfosten), Materialien für einen Spannmechanismus und der eigentlichen Slackline, welche in verschiedenen Längen erhältlich ist. Die fertigen Sets werden in der Regel in passenden Beuteln zur Aufbewahrung verpackt und mit einer Aufbauanleitung angeboten. 8 Mitteilung von Scott Balcom in einer E-Mail am 14.01.2008 9 Mountain Equipment ist ein britischer Hersteller hochwertiger Outdoorausrüstung. Zum vertriebenen Slackline-Set siehe: http://www.globetrotter.de/de/shop/detail.php?mod_nr=me_73601&k_id=&hot=0 10 Dean Potter ist ein bekannter Extremkletterer, der häufig mit ungesicherten Kletteraktionen Schlagzeilen macht. Er war der vierte, der die Highline am Lost Arrow Spire im Jahre 1998 beging. 6
  • 12. Slacklinen – ein neuer Trendsport? und Erfahrungen eingefunden hatten. Das weitere Programm bestand aus der Vorstellung des Films Highliner und einem Konzert der Hardrockband ‚Caveman’. Man feierte bis in die späte Nacht und manche sprachen danach von einer Woodstock-Stimmung (vgl. Hempel, 2006). Dieser Event scheint in Europa den Grundstein für weitere Slacklinetreffen gelegt zu haben. Im Jahr 2007 fanden bereits mehr als 10 solcher Zusammenkünfte in ganz Deutschland statt, welche sich großer Beliebtheit erfreuten und auf denen bereits erste Wettkämpfe mit nicht offiziellen Regeln ausgetragen wurden. Seit einem Slackline-Treffen im Herbst des Jahres 2007 in Radolfzell gibt es in deutschsprachigen Foren Diskussionen und Planungen für die Gründung eines Slacklineverbandes mit einheitlichen Regeln für die Durchführung von Wettkämpfen. 2.2 Darstellung und Eigenschaften unterschiedlicher Slacklines In diesem Kapitel wird eine Einteilung des Slacklinens in verschiedene Disziplinen vorgenommen. Dabei ist der Autor der Ansicht, dass generell zwischen ‚Lowlines’, d.h. Höhen aus denen ein gefahrloses Abspringen noch möglich ist11, und ‚Highlines’, die aus Sicherheitsaspekten in nicht weniger als 8m12 bis in beliebige Höhen gespannt werden können, zu unterscheiden ist. 2.2.1 Lowlines Niedere Slacklines, als ‚Lowlines’ bezeichnet, können weiter in ‚Tricklines’, ‚Rodeo- oder Freestylelines’, ‚Longlines’, ‚Jumplines’ (häufig Sprunglines genannt) und als neuere Disziplin ‚Wasserlines’ differenziert werden. Die Trickline stellt die gebräuchlichste Art der Lowlines dar. Anfänger beginnen normalerweise auf einer Trickline und lernen auf der etwa knie- bis hüfthohen Line die ersten Schritte und Tricks. Der Untergrund sollte weich und sicher sein, am besten Gras- oder Sandboden. Mit Hilfe eines „Spotters“13 kann die Angst beim Aufsteigen auf die Slackline überwunden werden. Sobald die ersten Schritte klappen kann sich der Anfänger den verschiedensten Tricks zuwenden, angefangen z.B. mit einer Drehung, Hinsetzen oder 11 Lowlines reichen bei Anfängerlines von Kniehöhe bis zu einer Höhe von 2-3m (Longlines). 12 Das zusätzliche Sicherungsband für den Slackliner, welches an einen Klettergurt geknotet wird, hat etwa eine Länge von 2m. Rechnet man zusätzlich die Dehnung der highline leash und den Durchhang der Slackline unter Last bei einem Sturz und die Größe einer Person dazu, dann sollten mindestens etwa 8m Höhe vorhanden sein, damit der Slackliner bei einem unkontrollierten Sturz nicht auf dem Boden aufkommt. 13 Ein Partner, der neben dem Anfänger steht, kann Hilfestellung beim Aufsteigen auf die Line geben, vgl. auch das Verb „spotten“. 7
  • 13. Slacklinen – ein neuer Trendsport? Hinlegen auf der Line. Den Tricks sind keine Grenzen gesetzt, auch Anfänger können hier bereits ihre Kreativität voll entfalten. Longlines stellen eine weitere, derzeit sehr beliebte spielerische Art von Slacklines dar. Entsprechend dem Wortsinn geht es darum, immer längere Entfernungen zwischen den Fixpunkten auf der Slackline zu absolvieren. Allerdings herrscht unter Slacklinern bisher keine Klarheit darüber, ab welcher Länge man von einer Longline spricht, so dass eine individuelle Einteilung möglich ist. Für Anfänger sind z.B. schon 20m eine fast unlösbare Aufgabe. Zum Zeitpunkt dieser Arbeit liegt der Weltrekord von Damian Cooksey bei einer Länge von über 154m14. Aktuell werden bereits Versuche mit einer 200m langen Line durchgeführt und so die Grenzen von Mensch und Material ausgetestet. Bei langen Lines besteht die Schwierigkeit darin, das Band hart genug zu spannen, um nicht aufgrund des Durchhangs in der Mitte den Boden zu berühren. Dabei kommen oft teure Gerätschaften wie z.B. ein Kettenzug zum Einsatz, mit dem es möglich ist, eine hohe Vorspannung von über 1t aufzubringen. Für die Messung der aufgebrachten Kraft und der auftretenden Kräfte bei der Belastung durch einen Slackliner werden häufig Kraftmesser in den Aufbau integriert. Lines von über 100m Länge müssen daher mindestens in zwei bis drei Metern Höhe angebracht werden – eine große technische, physische und psychische Herausforderung. Eine weitere Variante stellt die Jumpline dar. Diese wird im Unterschied zur Trickline sehr hart und üblicherweise über eine Länge von ca. 8m gespannt. Eine sehr harte Vorspannung ist hierbei notwendig, um ähnlich wie bei einem Trampolin die dynamischen Impulse der Line für Sprünge nutzen zu können. Beliebte Sprünge sind ein Salto vorwärts oder rückwärts als Abgang oder mit Landung auf der Line, Drehsprünge und Sprünge in die Höhe oder Weite. Rodeo- bzw. Freestylelines sind nicht fest gespannt sondern werden mehr oder weniger quot;schlappquot; aufgehängt und ähneln somit dem klassischen Schlappseil aus dem Zirkus. Aufgrund des Durchhangs ist das Begehen solcher Lines wesentlich schwieriger, außerdem können schwere Stürze passieren, da die Line ruckartig auf eine Seite ausweichen kann. Die Tricks auf diesen Lines beschränken sich im Normalfall auf Gehen, Umdrehen, quer Stehen, Liegen und Surfen, wobei letzteres eher einem langsamen und kontrollierten hin und her Schwingen entspricht. Slacklinen auf Rodeolines stellt ein gutes Training für Longlines dar, da in beiden Fällen die Line sehr ruhig unter dem Schwerpunkt des Slackliners gehalten werden muss. 14 Gelaufen am 10.Juli 2007 in München, Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Slackline 8
  • 14. Slacklinen – ein neuer Trendsport? Eine neuartige Form der Balancierkunst sind so genannte Wasserlines, Slacklines über Wasser. Durch den fehlenden festen Untergrund als Möglichkeit zum Absteigen und als optischen Fixpunkt, ist das Begehen einer solchen Line anfangs meist wesentlich schwieriger als über festem Grund. Nach einer gewissen Übungsphase kann man Wasserlines jedoch gut nutzen um die Landung bei speziellen Sprung-Tricks wie beispielsweise Salti ohne Verletzungsgefahr zu üben, wobei aber auch Stürze ins Wasser nicht immer schmerzfrei sind. Einen Unterschied in der Begehung gibt es außerdem zwischen stehenden und fließenden Gewässern, da die Wasserbewegung zusätzlich ablenkt und das Gleichgewichtsempfinden stört. 2.2.2 Highlines Das Highlinen findet als Königsdisziplin des Slacklinens immer mehr Anhänger. Wagemutige sichern sich mit der so genannten highline leash an einer redundant15 befestigten Slackline in Schwindel erregender Höhe, d.h. in einer Höhe, aus der ein einfacher und gefahrloser Absprung auf den Untergrund nicht mehr möglich ist. Die Abstände bis zum Boden reichen von wenigen Metern bis zu einigen hundert Metern. Einen besonderen Nervenkitzel bieten Lines über einem natürlichen Abgrund oder einer Schlucht. Bei dieser Disziplin spielt nicht mehr allein die Gleichgewichtsfähigkeit eine Rolle, sondern vor allem der psychische Faktor der Höhe. Der Bau von Highlines wird weiterhin absoluten Experten vorbehalten sein, doch es zeichnet sich ab, dass immer mehr Anfänger und Fortgeschrittene diesen Kick ausprobieren und sich dabei „neu erleben“ wollen. Highlines nehmen inzwischen einen festen Platz in Workshops ein, wobei sich Anfänger in der Regel nicht um den Aufbau kümmern müssen, diesen jedoch erlernen können. Diese grobe Unterteilung in Lowlines und Highlines ist ein Vorschlag des Autors, da es bisher keine offiziellen Standards zur Bezeichnung von Slacklines gibt. Die Einteilung in Lowline und Highline soll damit hauptsächlich zwei Extreme hervorheben, welche sich nicht nur hinsichtlich ihrer Aufbauart, sondern auch hinsichtlich der physischen und psychischen Komponente unterscheiden. Des Weiteren obliegt es jedem Slackliner selbst zu definieren, ab welcher Länge er z.B. von einer Longline spricht oder welche Vorspannung er für eine Trickline oder Sprungline wählt. Es gibt zudem keine Regeln und Richtlinien für den Aufbau einer Slackline. Die Freiheit, die eigene Line so abzuspannen, wie man es aufgrund der vorhandenen Gegebenheiten für richtig hält, ist vermutlich das, was Slacklinen so reizvoll 15 Dabei handelt es sich um zwei separate Systeme, welche im Fall eines Linerisses vor dem Absturz schützen. 9
  • 15. Slacklinen – ein neuer Trendsport? macht. Claudius Biehl wird auf der Website der Firma Slackline-Tools unter der Rubrik ‚Philosophie’ folgendermaßen zitiert: „Slacklinen, ein Sport, der widerspiegelt, was in der heutigen Gesellschaft immer wieder gefragt ist: Flexibilität, Lockerheit, Spannung, Kreativität, Anpassungs- fähigkeit, Konzentration, Fokussierung, Wille und natürlich Balance. Zur Erprobung all dessen bietet Slacklinen den idealen Raum, auch indem es Raum innovativ nutzt – im kreativen Sich-Bewegen zwischen Bäumen, Himmel und Erde. Der Sport erschließt sich aber nicht nur diesen Raum, sondern auch den öffentlichen. Slacklinen wird nicht „verbannt“ in die Sporthallen oder Spielfelder, sondern geschieht meist in Parks zwischen spazierenden Menschen oder mitten in der Stadt und findet immer wieder faszinierte Zuschauer. Der Slackliner wird damit auch zum Künstler – jedoch zum Künstler einer Sportart, die jeder erlernen kann und grundsätzlich jedem zugänglich ist bzw. gemacht werden kann“ (Biehl, 2007). 2.3 Diskussionsansatz zur Definition des Slacklinens Nach dieser Kurzbeschreibung der Sportart und ihrer Disziplinen wird nun der Versuch einer Definition von Slacklinen unternommen. Dabei sollen sowohl verschiedene Begrifflichkeiten geklärt als auch auf das verwendete Material und bestimmte Merkmale dieser Bewegungsform eingegangen werden. Bereits hinsichtlich des Laufmediums, auf dem sich der Slackliner bewegt, existieren verschiedene Begriffe. In den meisten Beschreibungen wird der Begriff „Schlauchband“16 verwendet, z.B. unter www.slackliner.at oder in Presseartikeln. Fest steht, dass zu den Anfangszeiten des Slacklinens tatsächlich auf diesem aus dem Klettersport stammenden Material balanciert wurde. Heutzutage jedoch kommt das Schlauchband nur noch selten zum Einsatz. Die meisten angebotenen Slackline-Sets in Deutschland werden inzwischen aus kosten- und aufbautechnischen Gründen mit einem gewebten Flachband aus dem Industriebedarf zusammengestellt17. Das deutschsprachige Forum unter www.slackliner.de verwendet in seiner Beschreibung der Bewegungsform lediglich den Ausdruck „Band“. Dieser Ausdruck ist nach Meinung des 16 Ein in Schlauchform gewebtes Band, das beim Klettern zum Sichern und zum Standplatzbau verwendet wird. 17 Siehe die Sets von Slackline-Tools, Mountain Equipment, Singing Rock und Gibbon und die Sets von Seilereien wie Slackstar und Sicherungsprofi. Lediglich das Set von AustriAlpin wird mit einem Schlauchband geliefert. 10
  • 16. Slacklinen – ein neuer Trendsport? Autors bereits zutreffender, weil allgemeiner gehalten. Das Wort „Kunstfaserband“ trifft laut Slacklineexperten am besten auf das verwendete Material zu, da es sowohl das gewebte Schlauchband aus dem Klettersport als auch die für den Industriebedarf hergestellten und gewebten Gurtbänder mit einschließt. Slacklines aus Naturfasern wurden nach Kenntnis des Autors bislang nicht hergestellt. Eine Internetrecherche von Presseartikeln18 ergab, dass sehr häufig das Wort „Seil“ für das Laufmedium verwendet wird. Dieser nach Meinung des Autors fälschlicherweise verwendete Begriff lässt sich dadurch rechtfertigen, dass auch Laien sofort verstehen, um was es beim Slacklinen geht. Zwar bedeutet das Wort line aus dem Englischen übersetzt ‚Band’, ‚Schnur’ oder ‚Seil’ (vgl. Duden Oxford, 1992, S.196), doch geht es beim Slacklinen ausschließlich um das Balancieren auf einem „Band“, genauer auf einem Kunstfaserband mit 25mm und 35mm Breite19. Da Slacklinen in unserer Gesellschaft noch weitgehend unbekannt ist und in den Kinderschuhen steckt, wird übergeordnet und vereinfacht der Begriff „Seil“ verwendet. Es bleibt abzuwarten, ob der Begriff „Slackline“ jemals so bekannt wird wie beispielsweise der eingedeutschte Ausdruck Nordic Walking. Was die Bewegungsform betrifft, erscheint in vielen Kurzbeschreibungen häufig der Begriff „Seiltanzen“. Die Tübinger Zeitung Schwäbisches Tagblatt verwendet z.B. in einem Artikel über die Eröffnung des Slackline-Platzes am Institut für Sportwissenschaft der Universität Tübingen die Überschrift „Seiltanz über Schluchten“. Es ist nicht zu leugnen, dass eine Verwandtschaft zum Seiltanz besteht und dass Gemeinsamkeiten vorhanden sind, dennoch ist es vom Seiltanzen abzugrenzen20. Scott Balcom (2005) beschreibt in seinem Grundlagenwerk Walk the Line den Unterschied zwischen Seiltanz und Slacklinen folgendermaßen: „Wenn Passanten im Park jemanden auf einer Slackline sehen, denken viele sofort an Zirkus und Seiltänzer auf einem Stahlseil. ... Eine Slackline kann sehr straff gespannt sein, ist aber kein Seil sondern ein flaches Nylonband, welches zwischen zwei Ankerpunkten so straff gespannt wird, dass man darauf gehen kann.“ (Balcom zitiert nach Mountains2bRedaktion, 2007) Viele Anhänger der Bewegungsform sehen es daher als ihre Aufgabe an, Passanten eine korrekte Auskunft auf die Frage, ob man aus dem Zirkus sei, zu geben. Ein weit verbreiteter 18 z.B. Schwäbisches Tagblatt am 04.09.07; www.tagesspiegel.de am 07.01.08 19 Die Firma Gibbon bietet auch eine 50mm-Gurtvariante an. 20 Vgl. Müller (2007, S.5ff) „Slacklinen – eine gleichgewichtsorientierte Sportart“ und M2b Redaktion (2007) „Themenspecial Trendsport Slackline“. 11
  • 17. Slacklinen – ein neuer Trendsport? Ehrenkodex ist es, interessierten Personen durch „spotten“ erste Erfahrungen auf einer Slackline zu ermöglichen (vgl. Mahler, 2006). Eine weitere Besonderheit von Slacklines ist die Dynamik und Dehnbarkeit des Bandes unter der Last des Slackliners. Es kann in verschiedene Richtungen ausweichen, was vom Slackliner ein ständiges aktives Ausgleichen erfordert. Nach Meinung des Autors könnte man auch umgekehrt argumentieren: das Band bewegt sich nicht von selbst, sondern kann sich nur durch die vom Slackliner zugeführte Energie hin und her bewegen: „Die Line ist der Spiegel Deiner selbst“, so Müller (2006, S.19). Dies bedeutet, dass sich die Slackline genau so verhält wie ihr Begeher, sie verändert sich jedoch nicht ohne sein Zutun. Wer sich ruhig auf der Line bewegt, muss nicht viel ausgleichen. Abschließend soll auf den amerikanischen Begriff des slacklining und seine Verwendung im deutschsprachigen Raum eingegangen werden. Generell ersetzt die deutsche Sprache bei vielen jungen Sportarten aus dem englischsprachigen Raum die Endung –ing durch die Endung –en. Mountainbiking wird zu Mountainbiken, snowboarding zu Snowboarden und inlineskating zu Inlineskaten usw21. Müller erklärt diesen Zusammenhang zwischen Verbbildung und Eindeutschung ausführlich. Er begründet die Begrifflichkeiten ‚Slacklinen’ und die Kurzform ‚Slacken’ mit den entsprechenden Begriffen ‚Mountainbiken’ oder auch ‚Biken’ und ‚Boarden’, welche inzwischen weit verbreitet und laut Müller deutsche Wortschöpfungen sind (2007, S.11f). Nach Klärung der Begrifflichkeiten könnte eine Definition des Slacklinens nach Meinung des Autors folgendermaßen lauten: „Slacklinen ist eine Bewegungsform, bei der man auf einem Kunstfaserband, gespannt zwischen zwei Befestigungspunkten, meist Bäumen, balanciert und Tricks vollführen kann. Aufgrund der Materialeigenschaft ist die Slackline elastisch und dehnt sich unter der Last des Slackliners. Sie verhält sich dadurch dynamisch und erfordert vom Slackliner ein Zusammenspiel aus Balance, Konzentration und Koordination.“ Diese Definition beinhaltet zum einen eine Beschreibung der Bewegungspraxis, zum anderen integriert sie das verwendete Material und das Anforderungsprofil aus sportwissenschaftlicher Sicht. 21 Dieser Ansatz der „Sporting“-arten findet sich auch bei Opaschowski 1997, S.108. 12
  • 18. Slacklinen – ein neuer Trendsport? 3 Trendsport Die moderne Sportlandschaft verändert sich ständig: Neben traditionellen Sportarten tauchen immer wieder neue Bewegungsformen auf, was zu einem zunehmend unüberschaubaren Sportangebot führt. Häufig fällt in diesem Zusammenhang der Begriff „Trendsport“, mit dem viele neu aufkommende Bewegungspraktiken etikettiert werden. Auch Slacklinen wird in vielen Presseartikeln bzw. im Internet oft als Trendsport bezeichnet22. Doch ist es wirklich den Trendsportarten zuzuordnen? Sind bei der noch jungen Bewegungspraktik Merkmale vorhanden, welche auch für andere klassische und etablierte Trendsportarten charakteristisch sind? Was macht den Reiz dieser neuen Bewegungsform aus, die nüchtern betrachtet eigentlich kein Novum darstellt, sondern in ähnlicher Form dem Seiltanzen auf einem Stahlseil entspricht, welches aber bisher nur dem Akrobaten im Zirkus vorbehalten war? Was fasziniert immer mehr Menschen am Slacklinen und welche Bedeutung lässt sich den zahlreichen neu gegründeten, auf Slacklinen spezialisierten kleinen Unternehmen beimessen? Kann sich Slacklinen tatsächlich etablieren und in den Trendsportartenkanon einfügen oder verschwindet es bald wieder von der Bildfläche? Diese Fragen stehen im Fokus der folgenden Ausführungen zum Thema Trendsport. 3.1 Gesellschaftliche Veränderungen und ihre Auswirkungen auf den Sport allgemein Dieses Unterkapitel beschreibt die in einer Gesellschaft notwendigen Voraussetzungen, welche zur Wahrnehmung einer Bewegungsform wie Slacklinen führen können. Dabei werden zunächst gesellschaftliche Veränderungen und ihre Auswirkungen auf den Sport nachgezeichnet, bevor der Übergang zum Phänomen Trendsport und ein theoretischer Vergleich mit dem Slacklinen stattfindet. Im Zeitalter der globalen Transformation moderner Gesellschaften von einer Industriegesellschaft hin zu einer Wissens- und Informationsgesellschaft, unterliegen die verschiedenen Gesellschaftssysteme in Deutschland einem grundlegenden Wandel. Dieser Wandel ist einerseits bedingt durch fortschreitende Individualisierung und Globalisierung, andererseits spielen auch Rationalisierung, Technisierung sowie ökonomische und mediale Entwicklungen eine Rolle. Ein umfassender Werte- und Strukturwandel ist erkennbar und findet einen breiten Niederschlag, auch im Bereich der Freizeit und des Sports (vgl. Digel, 2001, S.27-30). 22 http://www.funsporting.de/funsporting+NEWS+Trends+Slacklinen_0238.htm; http://www.soap-box-derby.de/slacklinen-der-neue-trendsport-95.htm; 13
  • 19. Slacklinen – ein neuer Trendsport? Das Phänomen Sport hat sich mittlerweile zu einem unverzichtbaren Bestandteil unserer Alltagskultur entwickelt. Durch den Prozess der Versportlichung unserer Gesellschaft hat der Sport eine fast einmalige Bedeutung und Beliebtheit erlangt, die sich durch fortschreitende Ausdifferenzierung auf das gesamte Spektrum des Sports erstrecken, vom Breiten- über Leistungs- bis hin zum Spitzensport. Der moderne Sport, so wie er in den verschiedenen Institutionen und Organisationen unserer Gesellschaft verankert ist, konnte sich durch Differenzierung, Pluralisierung und eine damit einhergehende Komplexitätssteigerung zu einem Massenphänomen entwickeln (vgl. ebd.). Die Versportlichung unserer Gesellschaft ging Hand in Hand mit einem Wertewandel, wie Digel (1990, S.659) eindrücklich belegt: „Die ehemals eher einheitliche Wertestruktur des Sports, die sich in erster Linie durch Fleiß, Bedürfnisschub, Anstrengung und Leistung in Training und Wettkampf ausgezeichnet hat, hat sich mit neuen Werten vermischt. Der Sport hat dabei seine traditionelle Symbolkraft durch eine Hinwendung zu vermehrter Rationalität und Wissenschaftlichkeit, durch einen offenen finanziellen Materialismus, und durch eine Hinwendung zum Individualismus und zum praktischen Hedonismus verloren. Das Prinzip des Fair-Play wird durch eine Erfolgsideologie unterhöhlt, und an Stelle der Solidarität ist der Eigennutz getreten. Im Sport ist es zu einer einseitigen Überbetonung der Interessen des Einzelmenschen und zu einer einseitigen Überbewertung von Lust, Vergnügen und Genuß gekommen.“ Die im Zitat angesprochene Individualisierung bildet ein wichtiges Merkmal im Zusammenhang mit dem Wandel im Sport, insbesondere im Trendsport, ab. Der derzeitige Sportboom wurde vor allem durch das Streben nach Individualisierung ausgelöst. Die Menschen verfügen über mehr Freizeit, eine höhere Bildung und allgemeinen Wohlstand. Doch die heutige Arbeitswelt und die traditionelle Sportwelt bieten kaum noch Möglichkeiten zur freien Entfaltung, die Experimentier- und Risikofreude kann immer weniger ausgelebt werden. Im Freizeitsport finden sich zwar verschiedene Gelegenheiten zur Bedürfnisbefriedigung (vgl. Breuer & Sander, 2003, S.39), es ist jedoch eine abnehmende Bindungswilligkeit der Menschen in ihrer freien Zeit festzustellen, d.h. sie wollen sich nicht an einen Verein binden und dadurch weitere Regeln befolgen und Verpflichtungen eingehen. „Aus diesem Grunde bleibt festzuhalten, dass der Organisation des traditionellen Sports heute eine informell, überwiegend hedonistisch orientierte Sportkultur gegenüber steht“ (Breuer & Sander, 2003, S.38). Es steht nicht der „Ernst“ im Vordergrund, sondern vorwiegend die 14
  • 20. Slacklinen – ein neuer Trendsport? sinnliche Erfahrung, ein spielerisches Erleben und Spontaneität. An die Stelle einer klar definierten Bindung zum Verein sind wachsende Ich-Bezogenheit und Individualisierung getreten (vgl. Breuer & Sander, 2003, S.39). Diesbezüglich bietet besonders der Trendsport aufgrund seiner Vielfältigkeit für jeden Menschen genügend Möglichkeiten zur individuellen Entfaltung und Freizeitgestaltung. Auch Slacklinen stellt als junge, aufstrebende Bewegungsform eine Möglichkeit der individuellen Freizeitgestaltung bereit. Aufgrund der Tatsache, dass bislang kein Verein bzw. Verband mit Vorschriften bezüglich des Aufbaus einer Slackline-Anlage oder Regeln zum Slacklinen existiert, können jegliche Vorzüge der freien Entfaltung genutzt werden. Die Kreativität hinsichtlich der Gestaltung einer Slackline-Session wird positiv gefördert. Es besteht immer die Möglichkeit, sich einen individuellen „Lieblingsplatz“ zu suchen und sich für eine Sinnrichtung des Slacklinens zu entscheiden: Ästhetik, Vervollkommnung von Tricks, Variation der Länge der Slackline oder Verbesserung der Konzentrations- und Gleichgewichtsfähigkeit. Jeder der sich dem Slacklinen zuwendet, hat die Möglichkeit genau das zu finden, wonach er sucht. Selbst wenn innerhalb heterogener Gruppen verschiedene Werte und Ziele beim Slacklinen vorkommen, so können doch mehrere Menschen gemeinsam Spaß haben. Aspekte der sportlichen Herausforderung sind sowohl sozialen als auch psychischen Aspekten (wie z.B. der Förderung des sozialen Umgangs, der Gruppendynamik oder der Konzentrationsfähigkeit) untergeordnet. Für den Trendsport und dessen Entstehung ist des Weiteren die Globalisierung als zentraler Aspekt zu erwähnen. Der Trendsport gilt als markantes gesellschaftliches Beispiel globaler Veränderungsprozesse, wobei der Sport dabei nicht ausschließlich als einfache körperliche Aktivität, sondern als Bestandteil der Kultur einer Gesellschaft zu betrachten ist (vgl. Stumm, 2004, S.11f). Die Herausbildung bisher bekannter Trendsportarten wurde durch zwei Phänomene begünstigt. „Zum einen stellen das IOC (Internationales Olympisches Komitee, Anm. des Verfassers) und die internationalen Sportverbände im organisierten Sport globale Entscheidungsträger dar, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts zu globalen Organisationen entwickelt haben“ (Stumm, 2004, S.41). Zum anderen trugen der moderne Freizeitsport und die Sportartikelindustrie einen entscheidenden Teil dazu bei, dass eine Ausdifferenzierung und Vielfalt im Sport die Folge war und Trendsportarten in diesem Kontext hervorgebracht werden konnten (vgl. Stumm, 2004, S.41). „Die ‚Geburtsorte’ zahlreicher innovativer Bewegungsformen liegen in Kalifornien und haben sich von dort aus in andere Länder erfolgreich entfaltet“ (Stumm, 2004, S.59) – zur Erinnerung: auch Slacklinen wurde im 15
  • 21. Slacklinen – ein neuer Trendsport? Yosemite Valley in Kalifornien erfunden. Dies stellt einen bemerkenswerten Zusammenhang in diesem Kontext dar und ist für den Sachverhalt der Entstehungsgeschichte des Slacklinens ein relevanter Ansatzpunkt. Der Prozess der Globalisierung lässt sich am Beispiel des Slacklinens sehr gut nachzeichnen. Die Protagonisten in den 80er Jahren waren Amerikaner, der Geburtsort befindet sich ebenfalls im Bundesstaat Kalifornien. Dort wurde von der Avantgarde der neuen Bewegungskunst lange Zeit getüftelt, und Slacklinen wurde zunächst nur regional im Klettercamp im Yosemite Nationalpark betrieben. Im Zuge der Globalisierung erreichte Slacklinen durch einzelne Anhänger der Sportart bald Europa. Während in Amerika fast zwanzig Jahre vergingen, bis fertig zusammengestellte und abgestimmte Sets zum Verkauf angeboten wurden, geschah dies in Deutschland innerhalb von nur fünf Jahren. Das ursprünglich von den Amerikanern verwendete Material mit Knoten und die herkömmliche Abspannmethode mit Flaschenzug fanden in den in Deutschland kommerziell vertriebenen industriellen Sets kaum Beachtung. Bei diesen Sets, welche in Zusammenarbeit mit Seilereien entwickelt wurden, werden Ursprungsmaterialien durch industrielle Materialien wie Ratschen, Rundschlingen und Schäkeln ersetzt. Auch beim eigentlichen Medium, dem Band, wich man auf Industriematerial aus, welches vorwiegend zur Ladungssicherung auf Lastwägen verwendet wird. Im Rahmen der Ausdifferenzierung des Sportsystems und seiner Unübersichtlichkeit scheint Trendsport zu einem Begriff geworden zu sein, der als Synonym für jede neue aufkommende Bewegungspraktik steht. Dabei wechselt und entwickelt er sein Bild ständig. Die Art des Sports, die zum jetzigen Zeitpunkt als Trendsport gilt, kann wenige Monate später bereits wieder aus dem engen Kreis der Trendsportarten verschwunden sein. Nachdem die gesellschaftlichen Veränderungen zusammengefasst dargestellt wurden, steht nun eine Untersuchung der Frage an, ob es sich beim Slacklinen um einen neuen Trendsport handelt, bzw. ob es dazu werden kann. Diesbezüglich wird im Vorfeld auf die Problematik des Begriffs Trendsport eingegangen und anschließend hinterfragt, ob es sich bei dem Begriff „Slackline“ um eine Metapher handelt. 16
  • 22. Slacklinen – ein neuer Trendsport? 3.2 Begriffsproblematik „Trendsport“ Der Begriff des Trendsports stellt im deutschsprachigen Raum eine Besonderheit dar und subsumiert zugleich eine scheinbar unübersichtliche Vielfalt neuer Bewegungspraktiken. Im Duden wird dabei von „Sportarten, die im Trend liegen“ gesprochen (Duden, 1999, S.745). Damit bleibt jedoch weiterhin unklar, was der Begriff Trendsport letztlich umfasst. Die Schwierigkeit einer Definition des Begriffes Trendsport erwächst aus eben dieser nicht eindeutigen Festlegung und Eingrenzung des Sports. Ursprünglich stammt das Wort „Sport“ aus der lateinischen Sprache und entwickelte sich im Französischen zu (se) de(s)porter, „(sich) zerstreuen“, „(sich) vergnügen“ (vgl. Breuer & Sander, 2003, S.43). Aus dieser Begrifflichkeit wurde im Englischen das Wort sport, eine Kurzform von disport („Zerstreuung“, „Vergnügen“). Die deutsche Sprache des 19. und früheren 20. Jahrhunderts benutzte das Wort „Sport“ „als umfassende Bezeichnung für alle mit der planmäßigen Körperschulung und mit der körperlichen Betätigung im Wettkampf und Wettspiel zusammenhängende Belange“ (Breuer & Sander, 2003, S.43). In diesem Kontext wird Sport auf den modernen Wettkampfsport reduziert, der sich international verbreitete (vgl. Breuer & Sander, 2003, S.43). Der Sport hat sich jedoch mit der Entstehung des modernen Freizeitsports ausdifferenziert und damit den organisierten Wettkampfcharakter in Frage gestellt. Sport wird somit nicht nur im traditionellen Sinne interpretiert, sondern als körperliche Aktivität angesehen, die als wichtiger Bestandteil der Gesellschaften gilt (vgl. Stumm, 2004, S.60). Um der Problematik einer Eingrenzung des Begriffs ‚Sport’ zu begegnen, „wird allgemein versucht, mit sog. Komposita (Wortzusammensetzungen) den Bewegungsformen eine bestimmte Bedeutung zu geben, so dass beispielsweise von Wettkampfsport, Freizeitsport, Breitensport, Gesundheitssport, Extremsport oder eben auch ‚Trendsport’ gesprochen wird“ (Stumm, 2004, S.61). In diesem Zusammenhang erwächst aus dem Begriff Trend eine weitere Unklarheit, da er für unterschiedlichste Phänomene verwendet wird (vgl. Wopp, 2006, S.13), zum einen als Vorhersage (z.B. Wetterprognose), zum anderen als Bezeichnung für neue Entwicklungen und Produkte. Nach Wopp bezeichnet der Begriff Trend zudem etwas, das in eine bestimmte Richtung verläuft. Laut Duden wurde er dem Englischen to trend entlehnt und meint dort, „sich neigend“, „sich erstreckend“ oder „in eine bestimmte Richtung verlaufend“ (zitiert nach Wopp, 2006, S.14). „Trends sind von Menschen bewirkte Grundrichtungen von Entwicklungen in der Gesellschaft, durch die Handlungen großer Bevölkerungsgruppen 17
  • 23. Slacklinen – ein neuer Trendsport? nachhaltig beeinflusst werden“ (Wopp, 2006, S.14). Wie lang eine Entwicklung bzw. ein Trend anhält, kann laut Stumm nicht vorhergesagt werden: „Die Dauer eines Trends bleibt relativ offen. Der Zeitraum richtet sich lediglich nach statistischen Fakten und kann daher sowohl auf einen Tag (z.B. an der Börse) oder auf mehrere Monate bzw. Jahre (z.B. Inflation, Arbeitslosigkeit) bezogen werden und sowohl eine positive als auch negative Konnotation haben“ (Stumm, 2004, S.61). Der Begriff Trendsport wird dabei generell zur Kennzeichnung von neuartigen und lifestylegerecht aufbereiteten Bewegungspraktiken verwendet, denen kurz- oder mittelfristig ein erhebliches Verbreitungspotenzial vorhergesagt werden kann. Schwier verwendet den Begriff Trendsport „zur Kennzeichnung jener Veränderungstendenzen des Sports, die (explizit oder implizit) mit bewegungskultureller Erneuerung und Innovation hervorgehen“ (Schwier, 2002, S.18). Trends im Sport sind ferner dadurch gekennzeichnet, dass sie unsere gewohnten Sportvorstellungen überschreiten und zuvor unbekannte oder vernachlässigte Auslegungen des menschlichen Sich-Bewegens in den Horizont rücken. Trendsportarten weisen diesbezüglich den Charakter des ‚Andersseins’ auf und stehen dadurch in Gegensatz zum traditionellen Sport. In diesem Zusammenhang hat Schildmacher (1998, S.16f) zentrale Bewegungsrichtungen des Trendsports23 ermittelt: • Vom Indoor-Sport zur Outdoor-Variante (z.B. Beachvolleyball) • Vom normierten zum unnormierten Sport (z.B. vom Basketball zum Streetball) • Vom großen Mannschafts- zum kleinen Gruppensport (Sportspielvarianten) • Vom geschützten zum risikoreichen Sport (Extrem- und Risikosport) • Vom verbindlichen zum unverbindlichen Sport (z.B. vom Verein zur Szene) Stumm (2004, S.65) definiert Trendsportarten folgendermaßen: „Trendsportarten stellen innovative Bewegungspraktiken dar, die sich von dem klassischen etablierten Sport (zunächst) abgrenzen und sich in einem mittel- bzw. langfristigen mindestens relativen Wachstum der Nachfragesteigerung über lokale Grenzen hinweg entfalten.“ Bezug nehmend auf den Begriff „Sportart“ schreibt Wopp hingegen in seinem Handbuch zur Trendforschung im Sport, dass „Sportarten“ als Wettkampf organisierbar sind, weil sie eindeutig definierte, messbare Ziele mit einem internationalen Regelwerk haben. Dazu gehören z.B. alle Disziplinen der Sportfachverbände. Es gibt jedoch Bewegungs- und 23 Schildmachers so genannte „Trends im Sport“ stellen eine weitere Möglichkeit zur Untersuchung von Trendsportarten dar, werden jedoch in dieser Arbeit nicht weiter erläutert. 18
  • 24. Slacklinen – ein neuer Trendsport? Spielformen, in denen keine Wettkämpfe durchgeführt werden, die jedoch aus Sicht der Handelnden als sportlich bezeichnet werden. Dazu gehören z.B. viele Angebote aus dem Gesundheitssport, wie Nordic Walking oder Rückenschulen. Solche Praxisformen werden als „Sportformen“ bezeichnet (vgl. Wopp, 2006, S.75). Dieser Sicht folgend ist Slacklinen noch keine „Sportart“ bzw. „Trendsportart“, sondern eine Sport- bzw. Bewegungsform. Aufgrund seiner geschichtlichen Entwicklung kann man jedoch, im Unterschied zur Mode, von einem sportiven Trend sprechen, da es sich über mehrere Jahre im Bewusstsein der Sporttreibenden verankert und als Praxis etabliert hat (vgl. Schwier, 1998, S.7), aber noch kein einheitliches Regelwerk besitzt und noch nicht in einem Verein oder Verband organisiert ist. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit finden erste Gespräche zur Gründung eines Slacklineverbandes statt, welcher z.B. Wettkampfregeln aufstellt24. Erste Kooperationen mit Verbänden anderer Sportarten bestehen bereits. Hierfür lässt sich z.B. aktuell das Engagement von Harald Dippe nennen, der für den bayerischen Turnverband Slackline-Schnupperkurse anbietet und regelmäßig Lehrer, Therapeuten, Trainer und Interessierte zum Thema Slacklinen weiterbildet (vgl. Dippe, 2008). Im Gegensatz dazu vertreten Slackliner zum Teil die Ansicht, dass durch die Gründung von Verbänden und Vereinen der „Spirit“ des Slacklinens verloren ginge. Diesen Standpunkt teilt auch Thomas Huber, Extremkletterer und Hauptdarsteller des Filmes Am Limit: „Weltweit gibt’s keinen einzigen Club.“ Vereinsmeierei sei den Gleichgewichtskünstlern laut Huber eher zuwider, die Slackliner seien als „freakige Gesellschaft“ auch in Zukunft nicht an einer offiziellen Vereinigung interessiert (vgl. Tagesspiegel 07.04.07). 3.3 Trends als Metaphern Ein Hinweis darauf, dass Trends oft als Metaphern verwendet werden, ist im Handbuch zur Trendforschung im Sport von Christian Wopp zu finden. Wopp stellt folgende These auf: „Trends sind häufig sogenannte „Magic Words“ in Form von Metaphern als massive Verdichtungen von Themen, die im Bewusstsein großer Bevölkerungsgruppen verankert sind“ (Wopp, 2006, S.22). Es lässt sich die Vermutung aufstellen, dass es sich bei dem Begriff ‚Slackline’ um ein solches „Magic Word“ handelt. Nimmt man den Wortteil slack heraus, so kann man ihm eine Mehrdeutigkeit beimessen. Das Nomen slack als Teil des Wortes ‚Slackline’ bedeutet übersetzt „Durchhang“ (Langenscheidts Taschenwörterbuch, 24 Diskussionsthema mit dem Titel „Slackline-Wettkampf-Regeln“ unter www.slackline.at, 28.08.2008 19
  • 25. Slacklinen – ein neuer Trendsport? 1990, S.541). Dieser ist gegeben, wenn eine gespannte Line unter der Last ihres Begehers durchhängt. Verwendet man den Begriff slack als Adjektiv, so lässt es sich, wie bereits erwähnt, aus dem Englischen mit „locker“, „lässig“ und „lose“ (Langenscheidts Taschenwörterbuch, 1990, S.541) übersetzen. Daraus könnte man ableiten, dass dies auch als Synonym für die Gemeinschaft der Slackliner steht. Der Zeitungsartikel „Lässiger Sport auf lockerem Band“ aus dem Konstanzer Südkurier (2006) gibt durch das Zitat „...und die Stimmung unter den Slacklinern ‚lässig’“ einen Hinweis darauf25. Heinz Zak sagte in seiner Begrüßung zum „1. Internationalen Mountain Equipment Slackline-Treffen“: „Das Wichtigste ist, dass wir eine lässige Zeit miteinander haben“ (vgl. Hempel, 2006). ‚Lässig’ meint in diesem Sinne die Entspanntheit und Zwanglosigkeit der Gruppierung. Slackliner genießen die Freiheit sich eine Sinnrichtung des Slacklinens herauszusuchen, spannen ihre Slackline nach Lust und Laune und genießen das Aufblühen im eigenen Tun. Slacklinen in lockerer, geselliger Runde, in der es keinen Zwang zur Überbietung der anderen gibt, ist vermutlich ein Lebensstil, durch den viele Menschen im Alltag abschalten und Abstand gewinnen können. Interessant erscheint die Tatsache, dass das Verb to slack in die deutsche Sprache mit „locker werden“ oder „sich lockern“ (Duden Oxford, 1992, S.322) übersetzt wird und metaphorisch interpretiert eine Aufforderung enthält sich auf der Slackline zu lockern und nicht verkrampft darauf zu stehen. Diesen Umstand beschreibt Scott Balcom treffend wenn er sagt: „It´s important to be relaxed. If you relax completely, you would fall off. – Try to relax almost completely“ (Balcom, 2005, S.58). Auch nach Müller bildet diese Metapher des „sich lockerns“ bzw. des „Lockerseins“ einen der Grundzüge der Slacklinebewegung ab (vgl. Müller, 2007, S.12). 4 Ansätze und Modelle zur Zuordnung von Sportarten zum Trendsport Nach der Einführung ins Slacklinen und der Darstellung der Trendsportproblematik ist nun in diesem Kapitel anhand typischer Merkmale (Schwier, 1998, 2002) und anhand zweier klassischer Trendsport-Entwicklungsmodelle (Schwier sowie Lamprecht und Stamm) eine mögliche Einordnung des Slacklinens in den Kanon der Trendsportarten zu prüfen. Im Anschluss werden die von Volker Nagel aufgestellten Akzeptanz-Kriterien, welche als Basis für die im Fragebogen modifizierten Fragen dienen, dargestellt. 25 Im empirischen Teil der Arbeit soll dieser Sachverhalt der „Magic Words“ nochmals aufgegriffen und mittels einer Frage nach drei Adjektiven zur Charakterisierung des Slacklinens weiter verfolgt werden. 20
  • 26. Slacklinen – ein neuer Trendsport? 4.1 Charakteristische Merkmale von Trendsportarten im Allgemeinen und Slacklinen im Besonderen Die Trendsportmerkmale nach Schwier (1998, S.10f und 2002, S.22f) werden im folgenden Kapitel erläutert und auf Slacklinen angewendet. Schwier weist darauf hin, dass nicht jedes Merkmal in einer Praxis mitwirken muss, um einen Sport als Trendsport zu charakterisieren. Darüber hinaus betont er, dass die Merkmale keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben und dass auch Gegentrends, wie z.B. der Trend zur Entschleunigung, denkbar sind. Schwier unterscheidet im Wesentlichen sieben Merkmale: Stilisierung, Tempo, Virtuosität, Extremisierung, Ordalisierung sowie Sampling (vgl. Schwier, 1998, S.10) und Trend zum Event (ebd. 2002, S.28). Der ‚Aspekt der Stilisierung’ beschreibt die Tatsache, dass die Ausübung der Sportart oder der Bewegungsform über das eigentliche Sporttreiben im traditionellen Sinn hinausgeht. „Man geht eben nicht zum Skaten, sondern man führt – wenn auch als Teilzeitstylist – das Leben eines Skaters“, so Schwier (1998, S.10). Roy Wiemers beschreibt im Film Elements – Ein Slackline Abenteuer Slacklinen aus seiner Sicht folgendermaßen: „Ich würde sagen dass Slacklinen gar kein Sport für mich ist. Es ist eine Steigerung oder ein Gewinn für Dich. Es gehört einfach zum Leben dazu.“ Sporttreiben an sich wird immer mehr zum selbstverständlichen Moment eines Lebensstils, wobei die Distinktion26 und der Spaß am Sich-Unterscheiden, also an der Betonung des Andersseins, eine zentrale Rolle spielen. Slacklinen kommt somit dem von Schwier festgestellten Bedarf nach Selbstinszenierung und Differenz in komplexen Gesellschaften entgegen. Das Ausführen einer Bewegungsform wird zur kulturellen Ausdrucksform, „deren Code von Außenstehenden nicht vollständig zu dechiffrieren ist“ (Schwier, 1998, S.10). Dabei spielen die Sprache, Dresscodes und Gesten innerhalb der Szene27 eine wichtige Rolle. Jede Szene und jedes Individuum innerhalb einer Szene kreiert ihren bzw. seinen eigenen Stil, jede Gruppierung von Slacklinern hat ihre eigene Sprache. Nur die Angehörigen der jeweiligen Szene wissen, was unter den individuell festgelegten Bezeichnungen der Tricks zu verstehen ist. Die Freiheit, jeden Trick im eigenen Jargon auszudrücken, stellt eindeutig eine Stilisierung der Gruppen dar. Der Aspekt der Kleidung ist für das Stilisierungsmerkmal gesondert zu nennen. Natürlich lebt man auch das Leben eines Slackliners, die Kleidung ist meist locker, leger und lässig, vorwiegend Kleidung aus dem Klettersport. Die Ausübung einer Trendsportart wird der 26 „Die Unterscheidung des Subjekts von den anderen“ (Schulze, 2000, S.109). 27 „Eine Szene ist ein Netzwerk von Publika, das aus drei Arten der Ähnlichkeit entsteht: partielle Identität von Personen, von Orten und von Inhalten. Eine Szene hat ihr Stammpublikum, ihre festen Lokalitäten und ihr typisches Erlebnisangebot“ (Schulze, 2000, S.463). 21
  • 27. Slacklinen – ein neuer Trendsport? Außenwelt durch entsprechende Kleidung demonstriert. Aus dem Skateboarden in die Modewelt übertragen sind z.B. die so genannten „Skaterschuhe“, welche kaum ein Sohlenprofil aufweisen und auch von ‚Nicht-Skatern’ getragen werden. Aus verschiedenen Trendsportarten haben sich Kleidungsmarken und -stile entwickelt, z.B. aus dem Klettersport („Prana“, „Chillaz“, „Monkey“, „Lost Arrow“, „E9“ u.a.), dem Snowboarden („Quicksilver“, „Zimtstern“, „Roxy“ u.a.), dem Windsurfen („Chiemsee“) und dem Skateboarden („Vans“). Beim Slacklinen findet zwar bisher keine speziell entwickelte Kleidung Verwendung. Die Herstellung und der Vertrieb foreninterner und von Slacklineherstellern eigens bedruckter T- Shirts, Mützen und Hosen können jedoch als erstes Ausdrucksmittel eines Lebensstils und damit einer Distinktion interpretiert werden. Die Kletterartikelhersteller „Lost Arrow“ und „Mammut“ haben bereits eine Kollektion mit Slacklinemotiven auf T-Shirts herausgebracht. Ebenso zu erwähnen sind T-Shirts mit den Aufdrucken bisheriger Slackline-Events. Es bleibt abzuwarten, ob sich weitere Hersteller, die traditionell im Klettersport beheimatet sind, dem Slacklinen zuwenden, oder ob sich eventuell ein neuer Industriezweig für speziell entwickelte Slacklinebekleidung bildet. Die rege Beteiligung in den Foren zeigt das allgemeine Interesse an diesem jungen Sport und an einem Austausch. Jeder Slackliner legt Wert darauf, seine „Sportart“ bekannter zu machen. Man ist von der Form des Sich-Bewegens auf dem schmalen Band überzeugt und versucht, diese Bewegungsform im Kanon der Sportarten zu etablieren, anstatt eine kleine elitäre Gruppe zu bleiben, getreu der Aufforderung: „Join Slackline Brothers Inc. in our quest to bring slackline to the world. Learn just how easy it is to become a member of this unique sport. You´ll be amazed, and hopefully intrigued enough to try it for yourself“ (Slackline Brothers Inc., 2006). Mit dem ‚Aspekt der Virtuosität’ ist Schwier der Ansicht, dass „in gewisser Hinsicht eine Neuentdeckung der ästhetischen Dimension des Sports“ stattfindet, welche die „traditionelle Hegemonie des binären Sieg-Niederlage-Codes und die damit verbundene rationale Leistungsproduktion stilbildend überschreitet“ (vgl. Schwier, 1998, S.11). Das Einüben, Perfektionieren und Neuerfinden von Tricks stehen im Vordergrund. Die kreative Auseinandersetzung mit der Bewegungsaufgabe und dem Bewegungserlebnis, verbunden mit freudigem Experimentieren und spielerischem Verbessern, sind zwei der wichtigsten Anreize, die Trendsportarten bieten können, wohingegen das Streben nach sportlichem Erfolg weitgehend nachgeordnet ist. 22
  • 28. Slacklinen – ein neuer Trendsport? Schwier vertritt die Ansicht, dass die Virtuosität des Sich-Bewegens bei den jugendlichen Szenen der Skater, Streetballer, Surfer, Snowboarder, BMXer und Mountainbiker wohl am auffälligsten akzentuiert ist (vgl. Schwier, 1998, S.11). Hauptsächlich Sportarten wie Snow- oder Skateboarden, Windsurfen und Wellenreiten haben Bewegungen, die sich immer weiter perfektionieren lassen, zum Selbstzweck. Auch wenn diesen Sportarten ein relativ leicht zu erlernendes Bewegungsmuster zugrunde liegt, können sich Freaks von der breiten Masse durch neue, oft selbst erfundene und besonders schwierige Bewegungsformen abheben. So genannte Risiko- und Spannungselemente, d.h. Elemente, die nicht nur großen Trainingsaufwand sondern auch Mut erfordern, erweitern die Bewegungsvielfalt einer Sportart. Dies können zum Beispiel ‚Halfpipes’ oder Sprünge sein. Diese Elemente dienen gleichzeitig der Spezialisierung innerhalb einer Trendsportart und ermöglichen somit deren Ausdifferenzierung. So unterscheiden sich zum Beispiel die Mountainbikefahrer der Spezialdisziplinen Downhill und Cross Country nicht nur im verwendeten Material, sondern auch in der Kleidung. Vergleicht man Slackliner mit Skatern oder Snowboardern, so sind auch hier die Perfektionierung und Einübung von Tricks ein deutliches Indiz für die zentrale Rolle der Virtuosität. Beim Slacklinen scheint es vordergründig nicht um ein Überbietungsideal zu gehen. Slackliner sehen vielmehr das ästhetische Gelingen von Bewegungshandlungen als eigentlichen Sinn ihrer Balancierkunst. Die korrekte Ausführung von Tricks ohne Sturz von der Line lässt den Wunsch entstehen, diesen Augenblick immer wieder neu zu erleben. Dies betrifft nach Ansicht des Verfassers nicht nur Könner, welche im Erlernen neuer Tricks den eigentlichen Sinn des Slacklinens sehen, sondern auch Anfänger, die das sichere Stehen auf der Line und das erstmalige Meistern der vorgegebenen Länge als Bewegungshandlung immer wieder aufsuchen und als reizvoll empfinden. Es ist nicht verwunderlich, dass Slackliner es als „Sucht“ bezeichnen, ständig ihr Bewegungsrepertoire und ihren Bewegungshorizont erweitern zu wollen und dadurch zu wiederholtem Aufbau ihrer Slackline motiviert werden. „Wo dann der erste Schritte ging, das war einfach super und man wollte immer mehr, länger und höher. Einmal ausprobiert und Suchtgefahr. Ich habe es probiert und ich musste es immer wieder, das Gefühl ist immer noch da, einfach super“ (Straub, 2008). Slacklinen bietet somit eine kreative Plattform, welche durch die einzelnen Disziplinen (siehe Kapitel 2.2) Differenzierungsmöglichkeiten schafft. „If you dream it, you can do it, es gibt keine Grenze. Slacklinen ist so eine junge Sportart, bei der jeder Slackliner was Neues erfinden kann“ (Jakob, 2008). Demzufolge sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Angehörige lokaler Szenen unterrichten sich gegenseitig in neuen Bewegungshandlungen, 23
  • 29. Slacklinen – ein neuer Trendsport? egoistisches Verhalten wird selten beobachtet28. Da Slacklinen keine Bewegungen vorschreibt, entwickelt jeder seinen individuellen Stil, individuelle Techniken und damit eine eigene Persönlichkeit. „Not only is it a good trainer for other sports, mainly board sports, but it´s also a sport that hasn´t been well-defined in terms of tricks. You can make your own style“ (Hestra, 2004). Dieses Zitat betont erneut die Individualisierungstendenz von Trendsportarten im Allgemeinen und Slacklinen im Besonderen. Lokale Gruppierungen geben ihren Bewegungshandlungen verschiedenste Bezeichnungen und unterscheiden sich damit von anderen Gruppen. Die so genannten Tricks und Moves sind häufig aus Amerika, dem Ursprungsland, übernommen worden. Dies spornt viele Jugendliche an selbst neue Bewegungen zu entwickeln, sodass die Szene fortlaufend innovative und immer anspruchsvollere Bewegungskunststücke hervorbringt (vgl. Schwier, 2002, S.26). Dies unterstützt wiederum die identitätsstabilisierende und distinktive Funktion von Trendsportarten. Der Aspekt der Stilisierung und der Virtuosität gehen somit Hand in Hand. Abb. 3: Slackliner beim Ausführen von Tricks. (Quelle: www.slackline-tools.de, 2007) Des Weiteren sind die Aspekte der ‚Extremisierung’ und ‚Ordalisierung’ zu nennen, welche hauptsächlich mit der Disziplin des Highlinens gleichzusetzen sind. Schwier ist der Ansicht, dass bei zahlreichen etablierten Trendsportarten der Suche nach dem Extremen, nach der letzten Grenze und dem ultimativen Limit eine herausragende Rolle zugeschrieben werden kann. Nach Schwier (1998) muss scheinbar immer wieder ein neues (subjektiv) unerreichbares Ziel gefunden werden, um sich lebendig zu fühlen, wobei die Intensität immer wieder wie zuvor erlebt werden muss. Thomas Jakob erläutert im Film Elements – Ein Slackline Abenteuer (2008) eindrucksvoll: „Highlinen bedeutet für mich eine extreme Auseinandersetzung mit meinem Unterbewusstsein. Sich einer psychischen Grenzsituation auszusetzen. Diese Grenze, an die man sich begibt, jedes Mal wieder zu überschreiten und einfach ruhig zu bleiben.“ Wendet 28 Der verfasser gehört seit Beginn seiner Slacklinekarriere verschiedenen Slackline-Gruppen an und kann dies bestätigen. 24
  • 30. Slacklinen – ein neuer Trendsport? man nun das Merkmal der Extremisierung auf die Slacklinedisziplin Highlinen an, so muss festgestellt werden, dass diese Disziplin bisher von verhältnismäßig wenigen Leuten betrieben wird. Zwar entdecken immer mehr neue Anhänger dieser Bewegungskunst diese Disziplin als besonderen Reiz für sich, aufgrund der hohen psychischen Anforderungen wird das Highlinen nach Meinung des Verfassers jedoch weiterhin nur denjenigen vorbehalten bleiben, die sich im Aufbau der Line und der Sicherung äußerst kompetent fühlen. Lediglich Workshops eröffnen auch Neulingen die Möglichkeit, einmal diesen Kick zu erleben. Die an immer exotischeren Orten aufgebauten Highlines, z.B. die bereits genannte Begehung zweier Konstanzer Slackliner am Dent du Géant im Mont Blanc Massiv in 4008m Höhe (vgl. www.slackline-tools.de) und damit Europas höchste Highline, oder die Highline in Tasmanien am Totem Pole29 sowie die erfolgreiche Überschreitung einer Gletscherspalte, sind ein weiteres Indiz für das Merkmal der Extremisierung als Trend beim Slacklinen (speziell für das Highlinen). Besonders abgelegene und sehr ausgesetzte Orte werden ausgewählt, um sich mit den Lorbeeren des „Erstbegehers“ schmücken zu können. Abb. 4: Europas höchst gelegene Highlinebegehung am Dent du Géant im Mont Blanc Massiv, (Quelle: www.slackline-tools.de, 2007) In enger Verbindung mit dem Trend zur Extremisierung behandelt Schwier den Trend zur Ordalisierung30. Ein extrem ordalisches Verhalten zeigten Darrin Carter und Dean Potter: sie begingen unter Einsatz ihres Lebens ungesichert die über dem Yosemite-Tal auf einer Länge von 15m gespannte Spire-Line, nur um dadurch die Sinnhaftigkeit des eigenen Daseins 29 http://www.bergsteigen.at/de/bericht.aspx?ID=12839 30 „Das Ordal bezeichnete ursprünglich ein Gottesurteil oder ein rituelles Gerichtsverfahren in Stammeskulturen und traditionellen Gesellschaften, bei dem ein Akteur in der Begegnung mit dem Tod seine Unschuld bzw. seine Existenzberechtigung nachweisen sollte“ (Schwier, 1998, S.11). 25
  • 31. Slacklinen – ein neuer Trendsport? unmittelbar zu bekräftigen. Ein Schritt daneben, ein kurzer Konzentrationsverlust und die Extremisten wären 900m tief in den Abgrund gestürzt. Das ungesicherte Überschreiten dieser Highline lässt sich laut Schwier mit der „Möglichkeit zur Erfindung neuer Extreme“ (1998, S.11) erklären. Das Merkmal der Ordalisierung in Bezug auf das Highlinen findet sich in Personen wieder, die sich freiwillig in lebensbedrohliche Situationen begeben (vgl. Schwier, 1998, S.11). „Man setzt sich einer Situation aus, die man hinterher eigentlich genießt, aber vorher eigentlich fürchtet. Währenddessen bin ich woanders“ (Jakob, 2008). Schildmacher beschreibt: „Der Körper wird der Psyche unterworfen und das Abtasten der eigenen Grenzen ist ein Schritt auf der Suche nach Authentizität“ (Schildmacher, 1998, S.18). Charles Tucker aus Kalifornien, genannt Chongo, Kletterlegende und dritter Begeher der Spire-Line, verriet den Teilnehmern des „1. Internationalen Mountain Equipment Slackline-Treffens“: „Mit soviel Luft unter den Füßen hatte ich Angst wie noch nie zuvor in meinem Leben“ (Tucker zitiert in Hempel, 2006). Einzig der Aspekt der Extremisierung ist auch im Bereich der Lowlines erkennbar, und zwar bei der Longline, Jumpline und bei der Trickline. Bei den beiden zuletzt genannten Disziplinen machen vermutlich der Aspekt der Virtuosität durch das Einüben und Perfektionieren von Tricks und der Aspekt der Extremisierung den Reiz aus. Immer spektakulärere Moves werden einstudiert, z.B. „720“ (Doppelschraube um die Längsachse), Salto vorwärts und rückwärts mit Landung auf der Line (ebenso Varianten mit halben Drehungen) sowie extrem komplexe Sprungkombinationen. „Es gibt nicht viele, die das so exzessiv betreiben wie wir das jetzt machen und versuchen, auch was möglich ist ein wenig raus zu schieben, einfach ein wenig mehr zu machen, mal schauen wo die Grenzen sind“ (Müller, 2008). Abb. 5: Damian Cooksey, Frontflip beim Event in Scharnitz (Quelle: www.slackline-event.com, 2008) Bei der Longline geht es im Sinne der Extremisierung eher darum die vorgegebene Länge zu meistern, wofür sehr ruhiges Gehen erforderlich ist. Ist die Line einmal in Schwingung 26
  • 32. Slacklinen – ein neuer Trendsport? geraten, ist es sehr schwierig diese aufgrund ihres Eigengewichts wieder zu beruhigen31. Die Fähigkeit sich über einen längeren Zeitraum konzentrieren zu können, ist dabei eine entscheidende Voraussetzung und wird mit zunehmender Länge der Line immer stärker gefordert. Bezüglich der Länge der gespannten Longlines ist derzeit kein Ende abzusehen. Wie bereits erwähnt, liegt der Weltrekord zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit bei einer Länge von über 150m, aufgestellt von Damian Cooksey im Herbst 2007. In Selbstversuchen erreichte der Verfasser selbst schon bei Längen von 40m trotz langsamem Gehen Pulswerte von über 150 Schlägen pro Minute – ein Beweis für die große körperliche und psychische Belastung solcher Begehungen. Besonderes bei dieser Disziplin des Slacklinens ist in letzter Zeit ist ein regelrechter Wettstreit entstanden. Meistens werden bei Events spontan so genannte contests32 veranstaltet. Bei der Longline geht es hierbei vorrangig um das erfolgreiche Begehen einer vorgegebenen Länge, bei Jumplines wurde hierfür beispielsweise schon von einem highjumpcontest gesprochen. Dabei überwindet man nach einem Absprung von der Slackline eine Stange in einer bestimmten Höhe, um danach wieder erfolgreich auf der Slackline zu landen. Die „Helden“ der Länge und der Höhe weisen Unerfahrene in das Geheimnis des ‚Longlinens’ und des ‚Springens’ ein und geben hilfreiche Tipps. Dies unterstreicht wiederum die Zusammengehörigkeit der community33, die contests stellen dabei einen friedlichen Wettbewerb dar. Nichts desto trotz zeigt das Abspannen von immer längeren Lines ein extremes Verhalten. „Die Extremisierung stellt im Feld des Sports einen dynamischen und quasi unaufhaltsam fortschreitenden Prozess dar, denn eine sportive Leistung und körperliche Belastung, die einmal erreicht oder gar überschritten wird, kann nicht mehr als Limit dienen“ (Schwier, 2002, S.27). Nachdem Damian Cooksey im März 2007 einen damals gültigen Weltrekord von 123,5m Länge aufstellte, wurde er mit der einleitenden Frage interviewt: „What inspired you to walk the world's longest slackline?“ Auf diese Frage antwortete er: „Just too to see what my own personal limits were, it's not about breaking other people's records, it's about finding your own personal limits and going beyond them. Walking a slackline is an individual experience“ (vgl. Avery, 2007). Auch auf der Ebene der Lowlines ist obiges Phänomen in ähnlicher Weise präsent: Hat man beispielsweise eine Länge geschafft, so kann man in gewisser Weise, in Anlehnung an das Modell von Schwier, durchaus von „Ordalisierung“ sprechen, zwar nicht unter Einsatz des 31 Viele sprechen dabei von so genannten ‚Wellen’ die durch die Line gehen und deren Begehen sehr schwierig gestalten. 32 Kleine Wettkämpfe mit kurzfristig festgelegten Regeln. 33 community: „Gemeinschaft“ (Langenscheidts Taschenwörterbuch, 1990, S.124) 27
  • 33. Slacklinen – ein neuer Trendsport? eigenen Lebens, wohl aber unter dem Aspekt der Selbstmeisterung und des kurzfristigen „Heldseins“. Abb. 6: Damian Cooksey auf einer 100m langen Line beim Treffen in Scharnitz. (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:100m_slackline_scharnitz1.jpg, 2008) Der ‚Trend zum Sampling’ bedeutet nach Schwier, dass bereits existierende Sportdisziplinen und -praktiken aus ihrem angestammten Kontext herausgelöst und neu kombiniert oder sogar ‚re-mixed’ werden. Ganz im Trend dieses Samplings liegen die immer häufiger stattfindenden Multi-Sport-Events. Interessant ist, dass es nicht zur simplen Addition von Sportarten kommt, sondern dass eine eigene Symbolik entsteht (z.B. Triathlon) (vgl. Schwier, 1998, S.12). Der Aspekt des Sampling steht beim Slacklinen für die Mischung verschiedener Sportarten bzw. Bewegungsformen. Das Balancieren auf der Line greift z.B. Aspekte des Seiltanzens auf, während das vielfältige Ausprobieren neuer Tricks den Rückgriff auf turnerische Elemente belegt (z.B. ein Salto vorwärts oder rückwärts als Abgang oder mit Landung auf der Line). Auch die Kombination von Slacklinen und gleichzeitigem Jonglieren mit Bällen oder Keulen lässt sich diesem Aspekt zuordnen. Elemente des Yoga oder Thai Chi und die Suche nach der inneren Mitte rücken Slacklinen in den Bereich der meditativen Bewegungsformen. In Verbindung mit dem ‚Trend zum Event’ lassen sich die Slackline-Treffen bzw. -Festivals nennen. Hierbei steht das gemeinsame Spannen und Begehen von Lines im Vordergrund. Tipps und Tricks zum Aufbau, der Technik und zur Bewegung werden ausgetauscht oder neue Techniken vorgestellt. Die Tatsache, dass bei Slackline-Events unterschiedlichste Lines gespannt werden und somit die verschiedensten Disziplinen vertreten sind, lässt weitere Rückschlüsse auf den Aspekt des Samplings zu. Das Experimentieren mit unterschiedlichen Längen, Härten, Höhen usw. bietet die Möglichkeit sich ein großes Bewegungsrepertoire anzueignen und damit Bewegungserfahrung zu sammeln. Die Treffen werden meistens von lokalen Slacklinegruppen organisiert und mit einem Rahmenprogramm wie Filmpräsentationen, kleinen Wettbewerben und Live-Bands untermalt mit dem Ziel einen 28
  • 34. Slacklinen – ein neuer Trendsport? nach Schwier benannten „Happening-Charakter“ (1998, S.12) zu erzeugen, die junge Sportart vorzustellen und damit ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen (vgl. ‚Woodstock-Stimmung’ Hempel, 2006). Thomas Jakob (2008) erklärt seine Einstellung zu Slackline-Treffen folgendermaßen: „Festivals wie das in Landshut sind eine super Möglichkeit andere Slackliner zu treffen, sich auszutauschen in Bezug auf Material und neue Tricks. Hier trifft sich eigentlich die ganze Slacklinecommunity.“ Slackline-Events sind ein Beweis dafür, dass die aktiven Teilnehmer (Sportler) und passiven Zuschauer auf der Suche nach Gemeinschaft sind und damit die bei großen Sport-Events starre Trennung von Athleten und Zuschauern aufheben wollen. Das eigene Sich-Bewegen wird mit dem Genuss professioneller Darbietungen, mit einer Partykultur und mit Produktwerbung verbunden (vgl. Schwier, 2002, S.28). Der Eventcharakter von Slackline-Treffen ist häufig von Internationalisierung geprägt. Auf großen Events werden so genannte „Stargäste“ aus aller Welt begrüßt. Damian Cooksey aus Amerika, Jan Galek aus Polen aber auch Charles Tucker, genannt „Chongo“, einer der Urväter des Slacklinens, wurden schon zu Events in Europa eingeladen. Globalistisches Denken und Austauschen von Erfahrungen sind hierbei die wichtigsten Aspekte der Events neben dem gemeinsamen Praktizieren der Bewegung und dem gemeinsamen Feiern. In Surf the Line – Meister im Slacklinen gekrönt beschreibt Harald Dippe (2008) in einer Zeitschrift des bayerischen Turnverbandes den letzten Event folgendermaßen: „Genau genommen fanden zwei Meisterschaften statt. Die des Vereinigten Königreiches - und ein internationaler Vergleich all jener begeisterten Anhänger, die dafür um die halbe Welt flogen. So fanden die Teilnehmer aus den USA, Deutschland und Österreich ein grandioses Ambiente und einen perfekt organisierten Wettkampf vor. ... Wie jung dieser Sport ist, wurde sehr schnell deutlich: es gibt keine Regeln und keine einheitlichen Sportgeräte. Deshalb bewerteten die Teilnehmer sich gegenseitig, was reibungslos funktionierte.“ Die Namensgebung des „1. Internationalen Mountain Equipment Slackline-Treffen“ zeigt, dass der Outdoorartikelhersteller Mountain Equipment die innovative Bewegungsform als Event-Marketing-Plattform nutzte und gleichzeitig die Aufnahme der neuen Bewegungsform in seine Produktpalette signalisierte. Bei Trendsportarten ist ferner zu beobachten, dass derartige Veranstaltungen zum Teil verschiedene Trendsportarten kombinieren (z.B. Surfen und Inlineskaten, Snow- und Skateboarden), und eine Nähe dieser Bewegungsformen zu bestimmten Musikrichtungen 29
  • 35. Slacklinen – ein neuer Trendsport? bzw. juvenilen Stilen (z.B. Hip-Hop) thematisieren (vgl. Schwier, 2002, S.29). Slacklinen wird 2008 erstmals im Rahmen zweier Sportevents neben anderen Sportarten vertreten sein: Zum einen wird beim Surfweltcup 2008 in Österreich neben der Surfaction eine große Urban Style Area geplant, die als Rahmenprogramm neben „Parcour“, Skaten, Dirt-Biken und anderen „stylischen“ Sportarten auch eine „Slackline Area“ enthalten soll34. Zum anderen wird Slacklinen beim „The North Face Ice-Climbing World Cup“ in Saas Fee/Schweiz als „Side-Event“ vertreten sein35. In Slackline-Shows und Workshops für Anfänger soll Slacklinen damit tausenden Besuchern präsentiert werden. Diese Art von Eventisierung lässt vermuten, dass Slacklinen selbst in naher Zukunft zu den dominierenden Trendsportevents der Sportarten Inlineskaten, Streetball, Snowboarden, Wind- und Kitesurfen und Beachvolleyball gehören wird. Veranstaltungen dieser Art werden von Sponsoren im Vergleich zu „herkömmlichen“ Sportveranstaltungen bevorzugt unterstützt, sodass auch Slacklinen davon profitieren wird (vgl. Schwier, 2002, S.29). Trendsportarten zeichnen sich nach Schwier (1998, S.10) durch eine enorme Ausführungsgeschwindigkeit, hohe Aktionsdichte und einen abrupten Wechsel der Anforderungen aus. Über Geschwindigkeit erreicht der Sportler unter anderem den Ausdruck eines eigenen, individuellen Stils. Beim Slacklinen ist hier nach Ansicht des Autors eher ein Gegentrend, der Trend zur Entschleunigung, zu beobachten. Dieser ‚Trend zur Entschleunigung’ lässt sich mit dem Slacklinen besser in Zusammenhang bringen als der Trend zur Beschleunigung. Ein konkreter Hinweis ist auf dem amerikanischen Internetauftritt der Slackline Brothers Inc., die Slacklinen als „moving meditation“ bezeichnen, zu entdecken (vgl. Slackline Brothers Inc., o.D.). Man erkennt damit deutlich die Fokussierung auf die langsamen und ruhigen, konzentrierten Bewegungen, die Slacklinen auszeichnen. Ein weiterer Hinweis für die eher meditative Auslegung der Bewegungskunst findet sich auf der Website von „Slackline-Yoga“. Dort sind verschiedene Anleitungen zu Yoga-Techniken, welche auf die Slackline übertragen werden können, aufgeführt. Das Team um Slackline- Yoga hat eine einleitende DVD mit dem Titel Yogaslackers – Slackasana herausgebracht. Interessant ist die Tatsache, dass das Merkmal der Extremisierung und die Tendenz zur Entschleunigung beim Slacklinen nicht als Widerspruch gelten müssen. Greift man nochmals die Disziplinen Highline und Longline auf, so sind bei beiden Disziplinen Aspekte der Extremisierung ersichtlich. Jedoch kann diese Art der Extremisierung nur erfolgreich für den Slackliner verlaufen, wenn eine Entschleunigung stattgefunden hat. Die Entschleunigung 34 Mündliche Mitteilung von Tillmann Müller am 15.02.2008 35 http://www.mountain-life.ch/iwc/index.html, zugriff am 08.05.2008 30