1. Forschen & Entdecken Medienstandort Wien 23
Im Schlachthof fürs
Journalistenleben lernen
Die Stadt Wien will in NeuMarx ihr Exzellenzfeld Medien aufbauen.
Dabei sollen nicht nur Unternehmen auf dem ehemaligen Schlachthofgelände
angesiedelt werden, es geht auch um mehr Qualität im Journalismus.
Im Oktober starteten drei spannende Aus- und Weiterbildungsangebote
für Medienschaffende.
„Lernen Sie Geschichte, Herr Redak- Das kann ja heiter werden. Verlagshäu- Konferenzen innerhalb weniger Wochen
teur“, forderte einst Altbundeskanzler sern auf der ganzen Welt stünden harte zeigten: Es tut sich einiges in Sachen
Bruno Kreisky. In NeuMarx wird weit-
aus mehr auf dem Lehrplan stehen.
Zeiten bevor, prophezeite Erik Bjerager, Medienstandort Wien – auch abseits
Präsident des „World Editors Forum“, vom Publizistik-Studium an der Uni
bei der Tagung des Forums im Oktober Wien oder dem Journalismus-Lehrgang
in Wien. Der international größte Zei- an der Fachhochschule des WIFI. Die
tungskongress der Welt beschäftigte Stadt Wien plant nichts weniger als den
sich drei Tage lang mit der Rolle der Aufbau eines Exzellenzfeldes Medien –
Zeitungen in einer digitalisierten Welt, und will damit Städten wie Hamburg,
mit Phänomenen wie Google und mit Berlin oder München medial durchaus
der „Zeit nach WikiLeaks“. die Stirn bieten.
Der Präsident, im Hauptberuf Chef- Dazu hat sich der Wiener Gemeinde-
redakteur der dänischen Tageszeitung rat bekannt, dafür wird der ehemalige
„Kristeligt Dagblad“, zog dabei eine Schlachthof St. Marx im dritten Wiener
wesentliche Schlussfolgerung: „Medien Gemeindebezirk in das Medienkompe-
müssen mehr Qualität bieten, sie müs- tenzzentrum NeuMarx umgebaut, da-
sen Storytelling über den Artikel hinaus für bündelt die Wiener Finanzstadträtin
bieten und besser werden im Erklären und Vizebürgermeisterin Renate Brau-
von Hintergründen.“ Und das ange- ner Förderungen aus dem Stadtbudget.
sichts der nächsten herandräuenden
Wirtschaftskrise und der Gefahr, dass Tägliches Programm von mehreren
die Zeitungen ihre Ressourcen noch Stunden. Bis 2015 sollen auf 370.000
einmal „straffen“ müssten. Quadratmetern 15.000 Arbeitsplätze
mit den Schwerpunkten Medien, Krea-
Soll heißen: Die Arbeitsbedingungen tivwirtschaft und Biotechnologie ent-
werden wohl kaum besser werden, die stehen. 20 Medienunternehmen haben
Anforderungen an den Journalismus sich hier bereits angesiedelt, produzie-
dagegen steigen und ändern sich immer ren täglich Dutzende Stunden TV-, In-
schneller. ternet- und Filmformate. Ein Beispiel:
JournalistInnen und VerlegerInnen Die derzeit erfolgreichste Donnerstag-
werden Mut brauchen, um auch weiter- abend-Show des ORF, „Willkommen
hin unabhängig agieren zu können – Österreich“ mit Dirk Stermann und
nicht umsonst haben die Österreichi- Christoph Grissemann, sendet aus den
schen Medientage, die Ende September Studios von NeuMarx. Ob der ORF
in der Wiener Stadthalle stattfanden, auch in den dritten Bezirk umzieht, ist
das Wort „Mut“ als Motto ihrer Veran- noch offen: „Wir würden uns sehr
staltung gewählt. Die beiden Mega- freuen, aber NeuMarx funktioniert als
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Medienstandort auch ohne ORF“, sagt Branchenbedürfnisse punktgenau zu
„Zunächst werden Rentate Brauner auf Anfragen von treffen.“ Seit Jahren suche die Branche
20 verschiedene JournalistInnen. Leute, die verstehen, bei Film- und TV-
Projekten sowohl auf die kreative als
Seminare angeboten, ORF hin oder her: Zumindest eine auch auf die Kostenseite zu achten, sagt
aber das ist noch sehr Ausrede werden österreichische Verlags- Andreas Ruza. Vor allem im Inter-
ausbaufähig.“ chefInnen künftig nicht mehr haben, netbereich sieht die Branche riesige
Daniela Kraus, wenn sie erklären müssen, warum sie Wachstumsfelder.
Medienwissenschafterin keine neuen, jungen JournalistInnen
anstellen: dass diese für das tägliche Das „Forum Journalismus und Medien
Zeitungsgeschäft nicht gut genug aus- Wien“ unter der Leitung der Histori-
gebildet seien. Denn in NeuMarx setzt kerin und Medienwissenschaftlerin
man künftig auch auf wissenschaftlich Daniela Kraus nimmt sich wiederum
basierte Aus- und Weiterbildung der der JournalistInnen an, die bereits mit-
Fotos: Lukas Beck (1), boa.net/menonthemoon (1), PID/Mannsberger (1)
Medienschaffenden. ten im Berufsleben stehen, und startete
Deshalb starteten drei hochqualita- im Oktober gleich mit zwei Weiter-
tive Bildungsangebote, die den Medien- bildungsprogrammen.
nachwuchs noch tter für die beru iche Da sind einerseits „klassische“
Zukunft machen sollen. Das b Wien Weiterbildungsangebote, die gemeinsam
eröffnete den FH-Bachelorstudiengang mit der Schweizer Journalistenschule,
„Film-, TV- und Medienproduktion“. der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn, der
Es geht dabei um eine fundierte wirt- Akademie für Publizistik in Hamburg
schaftliche Ausbildung für künftige Pro- und der Universität Wien abgehalten
duktions- und HerstellungsleiterInnen werden. Das Programm reicht vom
bei Filmproduktionen aller Art. Gelehrt Datenseminar (Wie geht ein Medium
wird Prozessmanagement, Betriebs- mit einem Wust von Informationen,
wirtschaft und Controlling „mit allen etwa „geleakten“ Datenbanken, um?)
möglichen Schnittstellen zu Film- und über Managementaufgaben (Wie gibt
Medienberufen“, sagt Studiengangsleiter man Feedback? Wie redigiert man rich-
Andreas Ruza, „wir haben versucht, die tig?) bis hin zu Social-Media-Seminaren.
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3. Forschen & Entdecken
Daniela Kraus setzt auf kreative ziehe Wien zwar einerseits in Sachen
Zugänge angesichts der Informations- Weiterbildung für JournalistInnen im
lawine, die etwa WikiLeaks bietet – und Europa-Vergleich nach – doch „wie
erzählt vom britischen „Guardian“: man sieht, kann man trotzdem noch wo
Der stellte alle Daten und Schriftsätze die Vorreiterrolle übernehmen“, so
über die Spendenaffäre im britischen Kraus. Die Fortbildung ndet in sechs
Parlament online und ließ die User Wochen-Modulen statt, Studienaufent-
den Datenwust durchforsten und Tipps halte in den USA, Spanien und Deutsch-
geben, wo die JournalistInnen weiter land inklusive. Ausgebildet werden
forschen sollten. Im ersten Jahr werden künftige Medien-ManagerInnen in der
20 verschiedene Seminare angeboten, ganzen Welt.
„aber das ist noch sehr ausbaufähig“, Recherchieren, Themen aufgreifen
lächelt Kraus. und spannende Geschichten schreiben,
die halten, was sie versprechen – das
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Der zweite Fortbildungsschwerpunkt in müssen JournalistInnen freilich nach
NeuMarx ist schon einem exklusiveren wie vor selbst – und sie brauchen Vorge-
Kreis von Medienschaffenden vorbehal- setzte, die ihnen dabei den Rücken
ten. Der Executive Masterstudiengang freihalten. Womit wieder der Mut ins
„International Media Innovation Ma- Spiel kommt. Wie sagte die bekannte
nagement“ (IMIM) ist AkademikerIn- profil-Aufdeckungsjournalistin Ulla
nen vorbehalten – und da ausschließlich Schmid (Buwog-, Euro ghter-, Hypo-
solchen, die bereits mindestens fünf Alpe-Adria- und sonstige Skandale), als
Jahre Berufserfahrung haben. ihr Anfang November im Wiener Rat-
Und er kostet 20.000 Euro pro Jahr haus von Vizebürgermeisterin Renate Qualitätsschmieden
– was wohl für die meisten Journalis- Brauner der von ihr ins Leben gerufene
tInnen bedeutet, dass sie ihn nur dann erste „Wiener Journalistinnenpreis“
besuchen können, wenn der Verlag überreicht wurde? „Mut kann man
mitzahlt. Oder wenn die Stadt Wien sie nicht lernen, den hat man oder nicht.“ -
für stipendienwürdig hält. Was den Das gilt freilich nicht nur für den Jour-
Lehrgang etwas kostspieliger macht, ist nalismus.
seine internationale Vernetzung, die
das Entwicklungsteam in Partnerschaft
mit dem Poynter Institute in den USA,
der Universidad Miguel Hernández in
Spanien und der Katholischen Universi-
tät Eichstätt-Ingolstadt erarbeitete. Der
renommierte deutsche Journalismusfor- Kontakt: www.fh-vie.ac.at
scher Klaus Meier, der mit dabei war, ist Petra Stuiber,
sicher, „dass es etwas Ähnliches wie das Chronik- und Wien-Ressortleiterin der
in Europa sonst nicht gibt“. Insofern Tageszeitung Der Standard
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Kontakt: www.imim-master.com
Kontakt: www.fjum-wien.at
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