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Dr. André Zimmermann, LL.M., RA/FAArbR
BB-Rechtsprechungsreport zur
Arbeitnehmerüberlassung 2012/2013 (Teil 2)
Der zweite Teil des Rechtsprechungsreports zur Arbeitnehmerüberlas-
sung 2012/2013 befasst sich mit den Themenfeldern Berücksichtigung
von vorangegangenen Beschäftigungszeiten als Leiharbeitnehmer, vor-
übergehende Überlassung, dem Klassiker Abgrenzung zu Werk- und
Dienstverträgen und Equal Pay. Der erste Teil des BB-Rechtsprechungs-
reports ist bereits in BB 2014, 1461 erschienen.
IV. Berücksichtigung von vorangegangenen
Beschäftigungszeiten als Leiharbeitnehmer
Grundsätzlich gilt, dass vorangegangene Beschäftigungszeiten als
Leiharbeitnehmer bei einer späteren „Übernahme“ durch den Entlei-
her nicht zu berücksichtigen sind, wenn es nach arbeitsrechtlichen
Vorschriften auf die Beschäftigungsdauer ankommt, etwa bei Warte-
zeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) und Kündigungsfristen (§ 622 Abs. 2 BGB).1
Für die Wählbarkeit zum Betriebsrat ist das BAG im Oktober 2012 zu
einem anderen Ergebnis gekommen.2
Eine unmittelbar vor Begrün-
dung des Arbeitsverhältnisses erfolgte Tätigkeit als Leiharbeitnehmer
sei anzurechnen auf die von § 8 Abs. 1 S. 1 BetrVG geforderte sechs-
monatige Betriebsangehörigkeit, wenn der Arbeitnehmer im unmit-
telbaren Anschluss an die Überlassung ein Arbeitsverhältnis mit dem
Entleiher begründet.
Für dieses Ergebnis spreche Sinn und Zweck der Norm. Durch die
sechsmonatige Betriebszugehörigkeit solle gewährleistet werden, dass
ein potentielles Betriebsratsmitglied den erforderlichen Überblick
über die Verhältnisse im Betrieb hat, um sein Amt sachgerecht auszu-
üben. Für den Erwerb dieser Kenntnisse sei aber unerheblich, ob der
Arbeitnehmer unmittelbar mit dem Betriebsinhaber vertraglich ver-
bunden sei.
Eine für die Praxis wichtige Entscheidung. Zwar entsprach das bisher
schon der h.M. im Schrifttum.3
Gesichert durch höchstrichterliche
Rechtsprechung war dieses Ergebnis aber nicht. Offen ist, wie sich
Unterbrechungen zwischen der Tätigkeit als Leiharbeitnehmer und
der „Übernahme“ auswirken, wenn also kein nahtloser Übergang zwi-
schen Einsatz als Leiharbeitnehmer und Einsatz als Stammarbeitneh-
mer vorliegt.
Man wird sich an den Grundsätzen zur Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG)
orientieren können.4
Danach kann eine rechtliche Unterbrechung un-
beachtlich sein, wenn sie verhältnismäßig kurz ist und zwischen bei-
den Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang be-
steht.5
Es wird damit vor allem auf Dauer und Anlass der Unterbre-
chung ankommen. Wenn der Leiharbeitnehmer zwischenzeitlich in
einem anderen Einsatzbetrieb tätig oder nicht nur kurze Zeit arbeits-
los war, dürfte eine Anrechnung in der Regel ausscheiden.6
Aus der Entscheidung lässt sich nicht schließen, dass Vorbeschäfti-
gungszeiten „übernommener“ Leiharbeitnehmer abweichend von der
bisherigen Rechtsprechung künftig auch bei anderen Vorschriften zu
berücksichtigen sind. Bei Wartezeit und Kündigungsfristen kommt es
nach dem klaren Wortlaut auf den rechtlichen Bestand eines Arbeits-
verhältnisses an.
V. Gebot der vorübergehenden Überlassung
Im Rahmen der AÜG-Reform 2011 hat der Gesetzgeber folgenden
Satz 2 in § 1 Abs. 1 AÜG neu aufgenommen: „Die Überlassung von
Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend.“ Seither wird
über die Bedeutung des Satzes, des Begriffs „vorübergehend“ und
über die Folgen einer nicht mehr vorübergehenden Überlassung dis-
kutiert.7
Zwei Entscheidungen des BAG brachten 2013 für die Praxis
in wichtigen Punkten Klarheit.
1. Verbotsgesetz und Zustimmungs-
verweigerungsrecht
Der Arbeitgeber wollte eine Leiharbeitnehmerin ohne zeitliche Be-
grenzung anstelle eines Stammarbeitnehmers einsetzen. Der Betriebs-
rat verweigerte seine Zustimmung zur Einstellung. Der dauerhafte
Einsatz von Leiharbeitnehmern widerspreche Sinn und Zweck des
AÜG und sei daher unzulässig. Der Siebte Senat bejahte ein Zustim-
mungsverweigerungsrecht.8
Die Einstellung verstoße gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG. Die Norm ver-
biete die nicht nur vorübergehende Überlassung von Arbeitnehmern.9
Der Gesetzgeber habe die Leiharbeitsrichtlinie „eins zu eins“ umset-
zen wollen. Dort sei die Arbeitnehmerüberlassung als vorübergehend
definiert. Die vom Gesetzgeber mit § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG erstrebte
Klarstellung könne nur durch eine gesetzliche Regelung erreicht wer-
den, die mehr als vorübergehende Überlassung ausschließe. § 1 Abs. 1
S. 2 AÜG sei auch ein Verbotsgesetz im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1
BetrVG.10
Der Zweck der Vorschrift könne nur erreicht werden, wenn
die Einstellung insgesamt unterbleibe.
Betriebs-Berater | BB 27/28.2014 | 30.6.2014 1653
Aufsatz | Arbeitsrecht
1 LAG Niedersachsen, 5.4.2013 – 12 Sa 50/13, NZA-RR 2013, 465; LAG Rheinland-Pfalz,
14.5.2013 – 6 Sa 552/12, BeckRS 2013, 70953; ErfK/Oetker, 14. Aufl. 2014, § 1 KSchG
Rn. 36; Staudinger/Preis, Neubearbeitung 2011, § 622 BGB Rn. 25b.
2 BAG, 10.10.2012, 7 ABR 53/11, AP Nr. 15 zu § 8 BetrVG 1972.
3 Z.B. Fitting, 27. Aufl. 2014, § 8 BetrVG Rn. 38; Schüren/Schüren, AÜG, 4. Aufl. 2010, § 10
AÜG Rn. 69; ErfK/Koch (Fn. 1), § 8 BetrVG Rn. 3.
4 Vgl. zum aktiven Wahlrecht von Leiharbeitnehmern Fitting (Fn. 3), § 7 BetrVG Rn. 65.
5 Zuletzt BAG. 20.6.2013 – 2 AZR 790/11, BeckRS 2013, 71024.
6 Schüren/Schüren (Fn. 3), § 10 AÜG Rn. 70.
7 Vgl. z.B. Hamann, NZA 2011, 70, 72ff.; Krannich/Simon, BB 2012, 1414ff.
8 BAG, 10.7.2013 – 7 ABR 91/11, BB 2013, 3071 m. BB-Komm. Zimmermann.
9 A.A. LAG Nürnberg, 29.10.2013 – 7 TaBV 15/13, n.v. („Grenzen der richterlichen Rechts-
fortbildung … überschritten“); kritisch und für Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV
Lembke/Ludwig, NJW 2013, 1329, 1332 m.w.N.
10 Zuvor ablehnend ArbG Leipzig, 15.2.2012 – 11 BV 79/11, BeckRS 2012, 67077; ArbG
Leipzig, 23.3.2012 – 5 BV 85/11, juris; ArbG Leipzig, 23.3.2012 – 3 BV 84/11, juris; ArbG
Brandenburg, 24.4.2012 – 2 BV 1/12, juris; LAG Niedersachsen, 14.11.2012 – 12 TaBV 62/
12, BeckRS 2013, 66478; zuvor bejahend LAG Niedersachsen, 19.9.2012 – 17 TaBV 124/
11, BeckRS 2012, 74786; LAG Berlin-Brandenburg, 19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12, BeckRS
2012, 76380; LAG Berlin-Brandenburg,16.4.2013 – 3 TaBV 1983/12, 3 TaBV 1987/12, 3
TaBV 1983/12, 3 TaBV 1987/12, NZA-RR 2013, 621; ArbG Offenbach, 1.8.2012 – 10 BV 1/
12, BeckRS 2012, 75121.
Offen lassen konnte der Senat, wie lang „vorübergehend“ ist. Klar ist
nur: Der zeitlich nicht begrenzte Einsatz eines Leiharbeitnehmers an-
stelle eines Stammarbeitnehmers ist nicht mehr „vorübergehend“. Im
Wesentlichen11
werden zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbe-
griffs von den Instanzgerichten derzeit zwei Sichtweisen vertreten:
Nach der arbeitnehmerbezogenen Sichtweise kommt es auf die vor-
übergehende Überlassung des einzelnen Leiharbeitnehmers an.12
Zur
Begründung wird unter anderem auf die nach der Rechtslage vor der
AÜG-Reform 2002 geltende Höchstüberlassungsdauer (§ 3 Abs. 1
Nr. 6 AÜG a.F.) verwiesen, die ebenfalls arbeitnehmerbezogen ver-
standen wurde.13
Eine in diesem Sinne vorübergehende Beschäftigung
von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen bzw. bei Dauerbe-
schäftigungsbedarf wäre danach nicht grundsätzlich verboten.
Die arbeitsplatzbezogene Sichtweise – derzeit wohl überwiegend von
den Instanzgerichten vertreten – stellt demgegenüber darauf ab, ob
der Leiharbeitnehmer auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt wird
bzw. ob mit dem Einsatz eines Leiharbeitnehmers ein dauerhaft be-
stehender Beschäftigungsbedarf gedeckt wird.14
Für welchen Zeit-
raum der einzelne Leiharbeitnehmer eingesetzt wird, ist danach uner-
heblich.
Der Siebte Senat verbindet in seinem Ansatz die arbeitnehmerbezoge-
ne mit der arbeitsplatzbezogenen Sichtweise, wenn er befindet, dass
der zeitlich nicht begrenzte Einsatz eines Leiharbeitnehmers anstelle
eines Stammarbeitnehmers nicht mehr „vorübergehend“ ist.
Im Koalitionsvertrag haben sich die Koalitionspartner darauf verstän-
digt, „vorübergehend“ dahingehend zu „präzisieren“, dass eine Über-
lassungshöchstdauer von 18 Monaten gesetzlich festgelegt wird.15
Der
Gesetzgeber hält sich gleichwohl zurück: Laut jüngster Äußerungen
aus dem BMAS ist nicht vor Ende 2015 mit Inkrafttreten einer neuen
Regelung zu rechnen.16
Möglicherweise wartet man auf ein Zeichen
aus Luxemburg: Von einem seit Oktober 2013 beim EuGH anhängi-
gen Vorlageverfahren eines finnischen Gerichts17
versprechen sich
viele Klärung.18
2. Kein Arbeitsverhältnis zum Entleiher
Bis Dezember 2013 war unklar, ob ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 2
AÜG auch individualrechtlich sanktioniert wird, vor allem, ob ein
Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zustande
kommt, wenn länger als vorübergehend überlassen wird.19
Im Dezember 2013 hat der Neunte Senat dieser Auffassung eine Absage
erteilt.20
Nur bei fehlender Erlaubnis ordne § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG ein
Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher an. Eine
Analogie scheitere schon an der planwidrigen Regelungslücke. Der Ge-
setzgeber habe die vom Kläger begehrte Rechtsfolge bewusst nicht vor-
gesehen. Die Auswechslung des Arbeitgebers sei im Übrigen verfas-
sungsrechtlich bedenklich, weil sie in die Berufsfreiheit des Leiharbeit-
nehmers eingreife. Ein solcher Eingriff müsse im Gesetz hinreichenden
Ausdruck finden. Die Leiharbeitsrichtlinie überlasse den Mitgliedstaa-
ten die Wahl der Sanktionen bei Verstößen gegen die nationalen Umset-
zungsvorschriften. Diese Wahl sei Sache des Gesetzgebers.
In der für die Praxis wünschenswerten Klarheit hat der Neunte Senat
damit entschieden, dass auch nach der neuen Rechtslage kein Arbeits-
verhältnis zum Entleiher entsteht, wenn nicht mehr vorübergehend
mit Erlaubnis überlassen wird. Es fehlt derzeit eine gesetzliche Grund-
lage, um in die (negative) Vertragsfreiheit und die Berufsfreiheit
(Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG) einzugreifen. Damit ist der Gesetz-
geber am Zug.
Welche zivilrechtlichen Folgen an eine Überschreitung der neuen
Höchstdauer anknüpfen, lässt der Koalitionsvertrag allerdings offen.
Eine von der SPD gewünschte Formulierung – Begründung eines „au-
tomatischen“Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher bei Verstößen ge-
gen das AÜG – wurde in der finalen Fassung gestrichen. Allerdings sieht
ein Gesetzentwurf des Bundesrates21
in einem neuen § 9 Nr. 1 lit. c
AÜG vor, dass dann die Fiktion des § 10 Abs. S. 1 AÜG greift. Es bleibt
abzuwarten, ob sich die Koalitionspartner auf diese scharfe Sanktion
werden einigen können. Auch hier ist aber nach jüngsten Äußerungen
aus dem BMAS nicht mit einer Regelung vor 2015 zu rechnen.
VI. Abgrenzung zu Werk- und Dienstverträgen
Kernfrage bei der Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung zum
drittbezogenen Personaleinsatz im Rahmen von Werk- und Dienst-
verträgen ist, ob der Arbeitnehmer in den Betrieb des Dritten einge-
gliedert ist und dessen Weisungen unterliegt. Die Tendenz der Recht-
sprechung geht dahin, bei der Annahme von Arbeitnehmerüberlas-
sung eher zurückhaltend zu sein. Das wird in einer Entscheidung des
BAG aus Januar 2012 zur Abgrenzung zum Dienstvertrag deutlich.22
Der Kläger war bei dem Sicherheitsunternehmen F GmbH angestellt.
Die F GmbH schloss mit der Bundespolizei einen Vertrag über die
Durchführung von Aufgaben der Luftsicherheit. Die einzelnen Leis-
tungsinhalte ergaben sich aus einem Leistungsverzeichnis, das die F
GmbH in eine Dienstanweisung aufnehmen und diese mit der Bun-
despolizei abstimmen musste. Der Kläger wurde im Rahmen dieses
Vertrages als Luftfahrtsicherheitsassistent in der Fluggastkontrolle am
Flughafen eingesetzt. Die Bundespolizei setzte Dienstgruppenleiter,
Gruppenleiter und einen Kontrollstellenführer ein, die die Fluggast-
und Gepäckkontrollen beaufsichtigten. Die F GmbH setzte während
der Kontrollzeiten Ansprechpartner mit Leitungsfunktion ein. Wei-
sungen sollten grundsätzlich gegenüber diesen Ansprechpartnern er-
folgen, gegenüber den Mitarbeitern der F GmbH nur zur Abwehr ei-
1654 Betriebs-Berater | BB 27/28.2014 | 30.6.2014
Arbeitsrecht | Aufsatz
Zimmermann · BB-Rechtsprechungsreport zur Arbeitnehmerüberlassung 2012/2013 (Teil 2)
11 Ausführlicher Überblick bei Nießen/Fabritius, NJW 2014, 263.
12 LAG Düsseldorf, 2.10.2012 – 17 TaBV 38/12, BeckRS 2012, 75357; LAG Niedersachsen,
14.11.2012 – 12 TaBV 62/12, BeckRS 2013, 66478; LAG Hamburg, 4.9.2013 – 5 TaBV 6/
13, BeckRS 2013, 75020.
13 BAG, 12.11.2002 – 1 ABR 1/02, BB 2003, 850; Schüren/Schüren, AÜG, 2. Aufl. 2003, § 3
AÜG Rn. 165; Boemke/Lembke, DB 2002, 893f.
14 LAG Niedersachsen, 19.9.2012 – 17 TaBV 124/11, BeckRS 2012, 74786; LAG Baden-Würt-
temberg, 22.11.2012 – 11 Sa 84/12, BeckRS 2013, 69374; LAG Berlin-Brandenburg,
19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12, BeckRS 2012, 76380; LAG Berlin-Brandenburg, 9.1.2013 –
15 Sa 1635/12, NZA-RR 2013, 234; LAG Berlin-Brandenburg, 21.3.2013 – 18 TaBV 2150/
12, 18 TaBV 2192/12, BeckRS 2013, 70286; LAG Berlin-Brandenburg, 10.4.2013 – 4 TaBV
2094/12, NZA-RR 2013, 527; LAG Baden-Württemberg, 31.7.2013 – 4 Sa 18/13, BeckRS
2013, 71078; LAG Rheinland-Pfalz, 1.8.2013 – 11 Sa 112/13, BeckRS 2013, 74194.
15 Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft gestalten“ zwischen CDU, CSU und SPD vom
27.11.2013, S. 49f.
16 So ein Staatssekretär des federführenden BMAS im Interview mit dem personalmagazin,
www.haufe.de/personal/hr-management/staatssekretaer-plaene-des-bundesarbeitsmini
steriums_80_257912.html.
17 Vorabentscheidungsersuchen des Työtuomioistuin (Finnland), eingereicht am 9.10.2013
– Auto- ja Kuljetusalan Työntekijäliitto AKT ry/Öljytuote ry, Shell Aviation Finland Oy (Rs.
C-533/13).
18 Vgl. Lembke/Ludwig, NJW 2014, 1332f.; Thüsing, NZA 2014, 10, 12.
19 Dafür LAG Baden-Württemberg, 22.11.2012 – 11 Sa 84/12, 11 Sa 84/12, BeckRS 2013,
69374; LAG Berlin-Brandenburg, 9.1.2013 – 15 Sa 1635/12, NZA-RR 2013, 234; LAG Ba-
den-Württemberg, 31.7.2013 – 4 Sa 18/13, BeckRS 2013, 71078; LAG Rheinland-Pfalz,
1.8.2013 – 11 Sa 112/13, BeckRS 2013, 74194; dagegen LAG Berlin-Brandenburg,
16.10.2012 – 7 Sa 1182/12, BB 2013, 251; LAG Berlin-Brandenburg, 19.12.2012 – 4 TaBV
1163/12, BeckRS 2012, 76380; LAG Berlin-Brandenburg, 10.4.2013 – 4 TaBV 2094/12,
NZA-RR 2013, 527; LAG Düsseldorf, 21.6.2013 – 10 Sa 1747/12, BeckRS 2013, 71617;
LAG Saarland, 18.12.2013 – 2 TaBV 2/13, BeckRS 2014.
20 BAG, 10.12.2013 – 9 AZR 51/13, BB 2014, 700 m. BB-Komm. Zimmermann.
21 Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs von Werkverträgen und zur
Verhinderung der Umgehung von arbeitsrechtlichen Verpflichtungen, BT-Drs. 18/14, S. 5,
9.
22 BAG, 18.1.2012 – 7 AZR 723/10, NZA-RR 2012, 455.
ner unmittelbar bevorstehenden Gefahr. Aufgrund detaillierter
Dienstanweisungen der Beklagten erstellte die F ein „HAM-Stations-
profil“, aus dem sich im Einzelnen Anweisungen zu den an den Flug-
gästen zu vollziehenden Untersuchungen ergaben. Die Auswahl, wel-
cher Arbeitnehmer in welcher Schicht eingesetzt wurde, erfolgte
durch das Sicherheitsunternehmen. Der Auftraggeber gab lediglich
vor, wie viele Sicherheitskräfte pro Schicht benötigt wurden. Ermah-
nungen und Abmahnungen wurden ausschließlich durch das Sicher-
heitsunternehmen ausgesprochen; Gleiches galt für die Erteilung von
Urlaub und Schulungen.
Wie die Vorinstanzen lehnte der Siebte Senat Arbeitnehmerüberlas-
sung ab. Es sei unerheblich, dass die Bundespolizei dem Sicherheits-
unternehmen detaillierte Vorgaben für die Leistungserbringung
machte, die vom Sicherheitsunternehmen in das „HAM-Stationspro-
fil“ übernommen wurden. Im Sicherheitsgewerbe bestimme der Auf-
traggeber regelmäßig, wie die Sicherheitskontrollen durchzuführen
sind, wobei er seinerseits gesetzliche Vorgaben zu beachten habe. Die
Bundespolizei sei für die Fluggastkontrolle und für die Sicherheit des
Flugverkehrs verantwortlich. Bei den Anweisungen handele es sich
daher um objektbezogene Anweisungen (§ 645 Abs. 1 BGB), die nicht
Arbeitnehmerüberlassung indizierten.
Anders in einem Fall des LAG Baden-Württemberg aus August 2013:23
Ein IT-Dienstleister setzt Mitarbeiter für den IT-Support beim Auftrag-
geber ein. Wie im IT-Bereich üblich, wird die Anwendung eines Ticket-
Systems vereinbart: Die Mitarbeiter des Auftraggebers erteilen dem IT-
Dienstleister über dieses System einzelne Aufträge, die von dessen Mit-
arbeitern anschließend bearbeitet werden. Tatsächlich erteilten die Mit-
arbeiter des Auftraggebers aber unmittelbar den Mitarbeitern des IT-
Dienstleisters eine Vielzahl von arbeitsbezogenen Weisungen und
wählte den Weg einer „Direktbeauftragung“ ohne Beachtung des Tik-
ket-Systems. Weil es sich hierbei nicht um Einzelfälle gehandelt hat, hat
das LAG Baden-Württemberg mit Blick auf die in der Praxis ausgeüb-
ten Weisungsrechte Arbeitnehmerüberlassung angenommen.
Die Entscheidung zeigt, dass in der Praxis die tatsächlichen Abläufe
bei der Durchführung (vermeintlicher) Werk- und Dienstverträge
streng kontrolliert werden müssen. Diese Kontrollprozesse sind ein-
zubinden in die Compliance-Struktur des Unternehmens.24
VII. Equal Pay
1. Darlegungs- und Beweislast
In der Praxis spielt nicht selten die prozessuale Darlegungslast eine
entscheidende Rolle bei der Durchsetzung von Equal Pay-Ansprü-
chen. In mehreren Entscheidungen hat das BAG 2013 die Grundsätze
zur Darlegungslast im Equal Pay-Prozess weiter konkretisiert.
Seiner Darlegungslast kann der Leiharbeitnehmer danach zunächst
dadurch genügen, dass er sich auf eine ihm nach § 13 AÜG erteilte
Auskunft beruft und diese in den Prozess einführt.25
Es obliegt dann
im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast dem Verleiher, die maß-
geblichen Umstände der Auskunft zu bestreiten. Trägt er nichts vor
oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der Inhalt der vom Leih-
arbeitnehmer vorgetragenen Auskunft als zugestanden. Gelingt es
dem Verleiher, die Auskunft des Entleihers zu erschüttern, bleibt es
bei dem Grundsatz, dass der Anspruchsteller die anspruchsbegrün-
denden Tatsachen darlegen und beweisen muss.26
Stützt sich der Leiharbeitnehmer nicht auf eine Auskunft nach § 13
AÜG, muss er alle zur Darlegung des Anspruchs auf gleiches Arbeits-
entgelt erforderlichen Tatsachen vortragen.27
Dazu zählen vor allem
die Benennung eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers und das
diesem vom Entleiher gewährte Arbeitsentgelt. Beruft sich der Leihar-
beitnehmer hingegen auf ein allgemeines Entgeltschema, etwa einen
Tarifvertrag, hat er nicht nur dessen Inhalt darzulegen, sondern auch,
dass das allgemeines Entgeltschema beim Entleiher im Überlassungs-
zeitraum tatsächlich Anwendung fand und wie er danach fiktiv einzu-
gruppieren wäre.28
Letzteres bereitet Arbeitnehmern in der Praxis oft
Schwierigkeiten.29
Zur Berechnung des Equal Pay-Anspruchs ist ein Gesamtvergleich der
gesamten Vergütung und nicht nur des laufenden Arbeitsentgelts im
Überlassungszeitraum anzustellen.30
Umstritten war bislang, ob bei
diesem Gesamtvergleich auch ein dem Leiharbeitnehmer gewährter
Aufwendungsersatz (z.B. vom Verleiher gewährter Fahrtkostenersatz)
zu berücksichtigen ist.31
Das BAG hat das abgelehnt, soweit es sich
bei dem Aufwendungsersatz nicht um „verschleiertes“ Arbeitsentgelt
handelt.32
Die Darlegungslast des Leiharbeitnehmers umfasst daneben die Be-
rechnung der Differenzvergütung, die schriftsätzlich zu erfolgen
hat.33
Zur substantiierten Darlegung des Gesamtvergleichs gehört da-
nach die schriftsätzliche Erläuterung durch den Leiharbeitnehmer, in
welchem Umfang im Überlassungszeitraum Differenzvergütung etwa
für geleistete Arbeit, aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähig-
keit, gewährten Urlaubs- oder Freizeitausgleichs oder Abgeltung von
Stunden aus einem Arbeitszeitkonto oder eines sonstigen Tatbestands,
der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt, begehrt wird.34
Die
bloße Bezugnahme auf den Schriftsätzen als Anlagen beigefügte Un-
terlagen (z.B. Geltendmachungsschreiben, Lohnabrechnungen) ge-
nügt nicht.35
2. Wirksamer Tarifvertrag
Von Equal Pay kann nur ein wirksamer Tarifvertrag befreien. Das
setzt insbesondere voraus, dass auf beiden Seiten eine tariffähige Ver-
einigung steht.
a) CGZP-Tarifverträge
Nach mehreren Entscheidungen des BAG zur Tariffähigkeit der CGZP
steht fest, dass die CGZP nie wirksame Tarifverträge schließen
konnte.36
Eine Abweichung von Equal Pay durch CGZP-Tarifverträge
war somit nie möglich.
Betriebs-Berater | BB 27/28.2014 | 30.6.2014 1655
Aufsatz | Arbeitsrecht
Zimmermann · BB-Rechtsprechungsreport zur Arbeitnehmerüberlassung 2012/2013 (Teil 2)
23 LAG Baden-Württemberg, 1.8.2013 – 2 Sa 6/13, NZA 2013, 1017.
24 Dazu ausführlich Werths, BB 2014, 690.
25 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782, 784; BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 294/12,
NZA 2013, 1226, 1228f.
26 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782, 784; BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 294/12,
NZA 2013, 1226, 1228, 1229.
27 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782, 784; BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 667/12,
BeckRS 2014, 66797.
28 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782, 784; BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 667/12,
BeckRS 2014, 66797.
29 Vgl. Bissels, ArbRB 2013, 242, 243.
30 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 242/12, AP Nr. 24 zu § 10 AÜG; BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 667/12,
BeckRS 2014, 66797.
31 Dafür LAG Düsseldorf, 18.3.2013 – 9 Sa 1585/12, juris; dagegen LAG München,
13.3.2013 – 10 Sa 960/12, juris.
32 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 294/12, NZA 2013, 1226, 1229.
33 BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 667/12, BeckRS 2014, 66797; BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 556/12,
NZA 2013, 313, 315.
34 BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 556/12, NZA 2013, 313, 315; BAG, 20.11.2013 – 5 AZR 365/13,
juris.
35 BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 556/12, NZA 2013, 313, 315; BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 667/12,
BeckRS 2014, 66797.
36 BAG, 14.12.2010 – 1 ABR 19/10, BB 2011, 827 m. BB-Komm. Huke; BAG, 22.5.2012 – 1
ABN 27/12, juris; BAG, 23.5.2012 – 1 AZB 58/11, NZA 2012, 623; BAG, 23.5.2012 – 1 AZB
67/11, NZA 2012, 625.
Das BAG geht von der anfänglichen Unwirksamkeit der CGZP-Tarif-
verträge wegen fehlender Tariffähigkeit der CGZP aus. Eine Unwir-
samkeit ex nunc nach der Lehre vom fehlerhaften Tarifvertrag37
lehnt
das Gericht ab.38
Auch einen von Stimmen in der Literatur39
gefor-
derten Vertrauensschutz gewährt das BAG nicht.40
Es habe kein
schützenswertes Vertrauen gegeben: Seit der Gründung der CGZP sei-
en Zweifel an ihrer Tariffähigkeit gehegt worden. Darüber hinaus sei
der gute Glaube in die Tariffähigkeit nicht geschützt.
b) DGB-Tarifverträge
Im März 2012 hatte das LAG Baden-Württemberg einen Rechtsstreit
wegen Zweifeln an der Tariffähigkeit der DGB-Tarifgemeinschaft
Zeitarbeit angehörenden Einzelgewerkschaften nach § 97 Abs. 5
Satz 1 ArbGG ausgesetzt.41
Zwar hat das BAG den Beschluss Ende
2012 aufgehoben.42
Der Erste Senat tat das allerdings mit einer for-
malen Begründung, die keine Schlussfolgerung zur Tariffähigkeit oder
-zuständigkeit der DGB-Gewerkschaften in der Zeitarbeit zulässt.
Vor Arbeits- und Landesarbeitsgerichten sind derzeit mehrere Be-
schlussverfahren zur Tariffähigkeit und -zuständigkeit der DGB-Ge-
werkschaften in der Zeitarbeit anhängig. Anfang 2014 hat das Hessi-
sche LAG die Tarifzuständigkeit von ver.di für die Zeitarbeit ange-
nommen.43
Das Arbeitsgericht Frankfurt hat vor kurzem auch die Ta-
rifzuständigkeit der IG Metall festgestellt.44
Vor 2015 dürfte kaum mit
einer Entscheidung des BAG über die Tariffähigkeit und -zuständig-
keit von DGB-Gewerkschaften in der Zeitarbeit zu rechnen sein.
Die Frage nach Vertrauensschutz wird sich bei den Tarifverträgen mit
den DGB-Gewerkschaften allerdings noch stärker stellen als bei den
CGZP-Tarifverträgen: Andere Akteure als CGZP und DGB-Gewerk-
schaften standen den Arbeitgebern schlicht nicht zur Verfügung. Auch
wurde die Diskussion über die Tariffähigkeit und -zuständigkeit der
DGB-Gewerkschaften für die Zeitarbeit erst viel später angestoßen.
3. Wirksame Bezugnahmeklauseln
In der Praxis finden Tarifverträge für die Zeitarbeit fast ausnahmslos
über eine Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag Anwendung. Auch
diese Bezugnahmeklausel muss wirksam sein, damit der Verleiher von
Equal Pay abweichen kann.
Im Frühjahr 2010 hatten die in der CGZP verbundenen Gewerkschaf-
ten mit Blick auf die damals schon in zwei Instanzen45
festgestellte Ta-
rifunfähigkeit neue mehrgliedrige, d.h. mehrere selbstständige Tarif-
verträge geschlossen. Die neuen Tarifverträge wurden mittels Ände-
rungsvereinbarung arbeitsvertraglich in Bezug genommen, um auch
bei Tarifunfähigkeit der CGZP weiterhin von Equal Pay abweichen zu
können.
Diese Bezugnahmeklausel hält der Fünfte Senat für unwirksam.46
Sie
sei intransparent und unwirksam (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Bei einer
Bezugnahmeklausel, durch die mehrere eigenständige tarifliche Rege-
lungswerke gleichzeitig auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung ge-
bracht werden, bedürfe es einer Kollisionsregel, der sich entnehmen
lässt, welcher der Tarifverträge bei sich widersprechenden Regelungen
Vorrang haben soll. Andernfalls lasse sich nicht für jeden Zeitpunkt
bestimmen, welcher der in Bezug genommenen Tarifverträge sich je-
weils durchsetzen und gelten soll.47
Konsequenz ist, dass Equal Pay-Ansprüche nicht nur Unternehmen
mit CGZP-Tarifvertrag, sondern auch Anwender anderer mehrgliedri-
ger Tarifverträge treffen können, sofern nicht von vornherein klar ist,
welches Tarifwerk bei sich widersprechenden Regelungen Vorrang ha-
ben soll. Da manches dafür spricht, dass auch die DGB-Tarifverträge
in der Zeitarbeit mehrgliedrige Tarifverträge sind,48
sollten auch Ar-
beitgeber, die die DGB-Tarifverträge nutzen, ihre Bezugnahmeklau-
seln prüfen.
4. Ausschlussfristen
Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen können zum Erlöschen von
Equal Pay-Ansprüchen führen, wie der Fünfte Senat im März 2013
bestätigt hat.49
Die Fälligkeit der Equal Pay-Ansprüche und damit der
Beginn des Laufs der Ausschlussfrist bestimme sich nach dem für die
Vergütung vereinbarten Zeitpunkt. Dass die Fälligkeit im Sinne der
Klausel die Kenntnis des Leiharbeitnehmers von dem Anspruch und
der für die Bezifferung maßgeblichen Tatsachen voraussetzt, hat der
Senat abgelehnt.
Die erste Stufe einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung im
Leiharbeitsverhältnis müsse aber eine schriftliche Geltendmachung des
Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG „dem Grunde nach“ ausreichen lassen,
um zu gewährleisten, dass der Leiharbeitnehmer den Anspruch auf glei-
ches Arbeitsentgelt auch dann fristwahrend geltend machen könne,
wenn er die Höhe des vergleichbaren Stammarbeitnehmern des Entlei-
hers gewährten Arbeitsentgelts nicht im Einzelnen kenne.50
Nimmt der Arbeitsvertrag pauschal Bezug auf einen Tarifvertrag, der
Ausschlussfristen enthält, und enthält selbst Ausschlussfristen, geht
der Senat von einem Vorrang der arbeitsvertraglichen Regelung aus,
ohne mit Blick auf eine mögliche Intransparenz (§ 307 Abs. 1 S. 2
BGB) eine entsprechende Kollisionsregel zu verlangen.51
§ 10 Abs. 4
AÜG sei kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB, der Equal
Pay-Anspruch damit kein deliktischer Anspruch, den eine arbeitsver-
tragliche Ausschlussfrist ausnimmt.52
Das BAG hat bislang dahinstehen lassen können, ob Regelungen zu
Ausschlussfristen in Tarifverträgen der Zeitarbeit Equal Pay-Ansprü-
che erfassen.53
Die Ausschlussfristen der unwirksamen CGZP-Tarifver-
träge helfen jedenfalls nicht. Zwar kann nach der Rechtsprechung
auch die Geltung eines unwirksamen Tarifvertrags im Arbeitsvertrag
vereinbart werden.54
Das setzt allerding voraus, dass Anhaltspunkte
1656 Betriebs-Berater | BB 27/28.2014 | 30.6.2014
Arbeitsrecht | Aufsatz
Zimmermann · BB-Rechtsprechungsreport zur Arbeitnehmerüberlassung 2012/2013 (Teil 2)
37 So z.B. Friemel, NZS 2011, 851; HWK/Henssler, 6. Aufl. 2014, § 1 TVG Rn. 21a.
38 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782, 784; BAG 13.3.2013 – 5 AZR 954/11,
NZA 2013, 680, 682f.; BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 294/12, NZA 2013, 1226, 1227.
39 Z.B. Friemel, NZS 2011, 851; Steinheimer/Haeder, NZA 2012, 903.
40 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782, 784; BAG 13.3.2013 – 5 AZR 954/11,
NZA 2013, 680, 683; BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 294/12, NZA 2013, 1226, 1227.
41 LAG Baden-Württemberg, 20.3.2012 – 22 Sa 71/11, DB 2013, 127.
42 BAG, 19.12.2012 – 1 AZB 72/12, juris.
43 LAG Hessen, 16.1.2014 – 9 TaBV 127/13, n.rk., n.v.
44 ArbG Frankfurt, 11.2.2014 – 4 BV 523/13, n.rk., n.v.
45 ArbG Berlin, 1.4.2009 – 35 BV 17008/08, BB 2009, 1477; LAG Berlin, 7.12.2009 – 23 TaBV
1016/09, BB 2010, 1927.
46 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 242/12, AP Nr. 24 zu § 10 AÜG; BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 954/11,
BB 2013, 1659, 1662 m. BB-Komm. Bissels; vgl. dazu Lembke/Mengel/Schüren/Stoffels/Thü-
sing/Schunder, NZA 2013, 948ff.
47 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 242/12, AP Nr. 24 zu § 10 AÜG; BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 954/11,
BB 2013, 1659, 1662 m. BB-Komm. Bissels
48 LAG Düsseldorf, 24.10.2012 – 5 Sa 704/12, LAGE § 307 BGB 2002 Nr 33; LAG Hessen,
16.1.2014 – 9 TaBV 127/13, n.rk., n.v.; Stoffels/Bieder, RdA 2012, 27, 29; Bayreuther, NZA
2012, 14; a.A. LAG Baden-Württemberg, 4.6.2013 – 22 Sa 73/12, juris; LAG Nürnberg,
11.10.2013 – 3 Sa 699/10, juris; Schüren, jurisPR-ArbR 37/2013 Anm. 1.
49 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 242/12, AP Nr. 24 zu § 10 AÜG; BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 954/11,
BB 2013, 1659 m. BB-Komm. Bissels.
50 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, BB 2013, 1659, 1663 m. BB-Komm. Bissels.
51 BAG 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680, 684; vgl. aber LAG Berlin-Brandenburg,
13.6.2012 – 24 Sa 213/12, BeckRS 2012, 74853; LAG Sachsen, 21.9.2012 – 3 Sa 250/12,
BeckRS 2013, 69533
52 BAG 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680, 685f.; vgl. LAG Nürnberg, 26.10.2012 – 8
Sa 126/12, juris.
53 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 242/12, AP Nr. 24 zu § 10 AÜG.
54 BAG, 22.1.2002 – 9 AZR 601/00, NZA 2002, 1041; ebenso LAG Düsseldorf, 8.12.2011 – 11
Sa 852/11, juris; LAG Sachsen, 25.4.2012 – 2 Sa 370/11, juris; LAG Düsseldorf, 22.5.2012
Betriebs-Berater | BB 27/28.2014 | 30.6.2014 1657
Aufsatz | Arbeitsrecht
Zimmermann · BB-Rechtsprechungsreport zur Arbeitnehmerüberlassung 2012/2013 (Teil 2)
dafür vorliegen, dass die Arbeitsvertragsparteien auch einen unwirk-
samen Tarifvertrag erfassen wollten. Hier bestehen zumindest auf Ar-
beitgeberseite sehr klare Anhaltspunkte dafür, dass nur ein wirksamer
Tarifvertrag gelten sollte: Nur ein wirksamer Tarifvertrag befreit näm-
lich von Equal Pay.55
5. Verjährung
Soweit arbeitsvertragliche Ausschlussfristen nicht greifen, können
Leiharbeitnehmer die Vergütungsdifferenz bis zum Ablauf der regel-
mäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren verlangen. Wann die Ver-
jährungsfrist bei Equal-Pay-Ansprüchen beginnt, die aus der Tarifun-
fähigkeit der CGZP folgen, hatten Arbeits- und Landesarbeitsgerichte
bis Anfang 2013 unterschiedlich beantwortet.56
Auch der daraus resultierenden Rechtsunsicherheit hat das BAG im
März 2013 ein Ende gesetzt.57
Die Verjährungsfrist beginnt danach
mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und
der Leiharbeitnehmer Kenntnis von den den Anspruch begründenden
Umständen hat. Es genügt, wenn der Leiharbeitnehmer Kenntnis von
der Tatsache hat, dass vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entlei-
hers mehr verdienen als er. Auf seine rechtliche Beurteilung der Tarif-
fähigkeit der CGZP kommt es nicht an.58
6. Ausgleichsvereinbarungen und Verzicht
Ob Equal Pay-Ansprüche grundsätzlich von Ausgleichsvereinbarun-
gen, etwa in einem Aufhebungsvertrag oder einer Ausgleichsquittung,
erfasst werden, ist in der Praxis von großer Bedeutung. Im Oktober
201359
konnte das BAG offen lassen, ob Equal Pay-Ansprüche über-
haupt verzichtbar sind60
und die beiderseitige Erledigungsklausel in
der Ausgleichsquittung61
wirksam ist – und damit Equal Pay-Ansprü-
che zum Erlöschen bringt. Das LAG Berlin-Brandenburg hatte die
Klausel für unwirksam gehalten.62
Der Senat ging hingegen davon
aus, dass die Equal-Pay-Ansprüche schon deshalb nicht aufgrund der
Ausgleichsvereinbarung erloschen seien, weil es sich nur um ein de-
klaratorisches negatives Schuldanerkenntnis handele.
Entscheidend wird sein, ob dem Verzicht des Arbeitnehmers eine
kompensatorische Gegenleistung des Arbeitgebers gegenübersteht.63
Zwar kann in beidseitigen Erledigungsklauseln der Verzicht des Ar-
beitgebers auf etwaige Ansprüche gegen den Arbeitnehmer als Kom-
pensation gesehen werden. Soweit aber keine konkreten Ansprüche
im Raum stehen und die Beidseitigkeit damit nur formal ist, dürfte
das nicht reichen als Kompensation.64
Etwas anderes wird für die Er-
ledigungsklausel im gerichtlichen Vergleich gelten: Da sie unter Mit-
wirkung des Gerichts zustande kommt und im Einzelnen verhandelt
wird (§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB), scheidet eine AGB-Kontrolle aus.65
VIII. Fazit und Ausblick
Kaum ein Teilbereich des Arbeitsrechts ist in letzter Zeit so stark
durch die Rechtsprechung geprägt worden wie die Arbeitnehmer-
überlassung. Viele Fragen sind beantwortet, viele sind aber noch of-
fen, etwa die Kriterien einer „vorübergehenden“ Überlassung nach
§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG. Auch ist noch unklar, ob die Zivilgerichte der
geänderten Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Leiharbeitneh-
mern bei betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten für die
Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung folgen werden.66
Dr. André Zimmermann, RA/FAArbR, ist Counsel im Frank-
furter Büro von King & Wood Mallesons LLP. Er verfügt über
besondere Expertise im Bereich Fremdpersonaleinsatz.
– 16 Sa 302/12, BeckRS 2012, 71536; a.A. zu Ausschlussfristen der CGZP-Tarifverträge
LAG Düsseldorf, 18.3.2013 – 9 Sa 1585/12, BeckRS 2013, 68475; LAG Hannover,
28.11.2012 – 2 Sa 76/12, BeckRS 2013, 65715.
55 Vgl. BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, BB 2013, 1659, 1662f. m. BB-Komm. Bissels; BAG,
13.3.2013 – 5 AZR 242/12, AP Nr. 24 zu § 10 AÜG.
56 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg, 5.6.2012 – 3 Sa 134/12, juris; LAG Hamm, 21.3.2012 – 3 Sa
1526/11, juris; ausführlich Stoffels, NZA 2011, 1057.
57 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 424/12, NZA 2013, 785.
58 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 424/12, NZA 2013, 785, 786f.; BAG, 20.11.2013 – 5 AZR 776/12,
BeckRS 2014, 65868
59 BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 135/12, NZA 2014, 200.
60 Dafür LAG Sachsen, 14.11.2012 – 2 Sa 259/12, juris; LAG Hamm, 6.2.2013 – 3 Sa 1026/
12, BeckRS 2013, 73255; LAG Nürnberg, 16.10.2013 – 4 Sa 288/13, BeckRS 2014, 68604;
LAG Sachsen, 12.7.2013 – 1 Sa 22/13, juris; LAG Sachsen, 6.9.2013 – 3 Sa 26/13, juris.
61 „Beide Parteien sind sich darüber einig, dass sämtliche gegenseitigen Ansprüche insbe-
sondere Lohn- und Gehaltsansprüche – ob bekannt oder unbekannt – aus dem Arbeits-
verhältnis und anlässlich seiner Beendigung, aus welchem Rechtsgrund auch immer, er-
ledigt sind.“
62 LAG Berlin-Brandenburg, 24.11.2011 – 5 Sa 1524/11, BeckRS 2012, 67524; vgl. auch LAG
Schleswig-Holstein, 24.9.2013 – 1 Sa 61/13, juris.
63 Vgl. LAG Hamburg, 31.5.2012 – 8 Sa 21/12, juris; LAG Düsseldorf, 20.2.2013 – 4 Sa 1541/
12, juris; vgl. jetzt auch BAG, 19.2.2014 – 5 AZR 920/12, BeckRS 2014, 68290.
64 Vgl. LAG Hamburg, 31.5.2012 – 8 Sa 21/12, juris; LAG Düsseldorf, 20.2.2013 – 4 Sa 1541/
12, juris.
65 LAG Nürnberg, 16.10.2013 – 4 Sa 288/13, BeckRS 2014, 68604.
66 Ablehnend OLG Hamburg, 31.1.2014 – 11 W 89/13, BB 2014, 1469 m. BB-Komm. Mückl.
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  • 1. Dr. André Zimmermann, LL.M., RA/FAArbR BB-Rechtsprechungsreport zur Arbeitnehmerüberlassung 2012/2013 (Teil 2) Der zweite Teil des Rechtsprechungsreports zur Arbeitnehmerüberlas- sung 2012/2013 befasst sich mit den Themenfeldern Berücksichtigung von vorangegangenen Beschäftigungszeiten als Leiharbeitnehmer, vor- übergehende Überlassung, dem Klassiker Abgrenzung zu Werk- und Dienstverträgen und Equal Pay. Der erste Teil des BB-Rechtsprechungs- reports ist bereits in BB 2014, 1461 erschienen. IV. Berücksichtigung von vorangegangenen Beschäftigungszeiten als Leiharbeitnehmer Grundsätzlich gilt, dass vorangegangene Beschäftigungszeiten als Leiharbeitnehmer bei einer späteren „Übernahme“ durch den Entlei- her nicht zu berücksichtigen sind, wenn es nach arbeitsrechtlichen Vorschriften auf die Beschäftigungsdauer ankommt, etwa bei Warte- zeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) und Kündigungsfristen (§ 622 Abs. 2 BGB).1 Für die Wählbarkeit zum Betriebsrat ist das BAG im Oktober 2012 zu einem anderen Ergebnis gekommen.2 Eine unmittelbar vor Begrün- dung des Arbeitsverhältnisses erfolgte Tätigkeit als Leiharbeitnehmer sei anzurechnen auf die von § 8 Abs. 1 S. 1 BetrVG geforderte sechs- monatige Betriebsangehörigkeit, wenn der Arbeitnehmer im unmit- telbaren Anschluss an die Überlassung ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher begründet. Für dieses Ergebnis spreche Sinn und Zweck der Norm. Durch die sechsmonatige Betriebszugehörigkeit solle gewährleistet werden, dass ein potentielles Betriebsratsmitglied den erforderlichen Überblick über die Verhältnisse im Betrieb hat, um sein Amt sachgerecht auszu- üben. Für den Erwerb dieser Kenntnisse sei aber unerheblich, ob der Arbeitnehmer unmittelbar mit dem Betriebsinhaber vertraglich ver- bunden sei. Eine für die Praxis wichtige Entscheidung. Zwar entsprach das bisher schon der h.M. im Schrifttum.3 Gesichert durch höchstrichterliche Rechtsprechung war dieses Ergebnis aber nicht. Offen ist, wie sich Unterbrechungen zwischen der Tätigkeit als Leiharbeitnehmer und der „Übernahme“ auswirken, wenn also kein nahtloser Übergang zwi- schen Einsatz als Leiharbeitnehmer und Einsatz als Stammarbeitneh- mer vorliegt. Man wird sich an den Grundsätzen zur Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) orientieren können.4 Danach kann eine rechtliche Unterbrechung un- beachtlich sein, wenn sie verhältnismäßig kurz ist und zwischen bei- den Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang be- steht.5 Es wird damit vor allem auf Dauer und Anlass der Unterbre- chung ankommen. Wenn der Leiharbeitnehmer zwischenzeitlich in einem anderen Einsatzbetrieb tätig oder nicht nur kurze Zeit arbeits- los war, dürfte eine Anrechnung in der Regel ausscheiden.6 Aus der Entscheidung lässt sich nicht schließen, dass Vorbeschäfti- gungszeiten „übernommener“ Leiharbeitnehmer abweichend von der bisherigen Rechtsprechung künftig auch bei anderen Vorschriften zu berücksichtigen sind. Bei Wartezeit und Kündigungsfristen kommt es nach dem klaren Wortlaut auf den rechtlichen Bestand eines Arbeits- verhältnisses an. V. Gebot der vorübergehenden Überlassung Im Rahmen der AÜG-Reform 2011 hat der Gesetzgeber folgenden Satz 2 in § 1 Abs. 1 AÜG neu aufgenommen: „Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend.“ Seither wird über die Bedeutung des Satzes, des Begriffs „vorübergehend“ und über die Folgen einer nicht mehr vorübergehenden Überlassung dis- kutiert.7 Zwei Entscheidungen des BAG brachten 2013 für die Praxis in wichtigen Punkten Klarheit. 1. Verbotsgesetz und Zustimmungs- verweigerungsrecht Der Arbeitgeber wollte eine Leiharbeitnehmerin ohne zeitliche Be- grenzung anstelle eines Stammarbeitnehmers einsetzen. Der Betriebs- rat verweigerte seine Zustimmung zur Einstellung. Der dauerhafte Einsatz von Leiharbeitnehmern widerspreche Sinn und Zweck des AÜG und sei daher unzulässig. Der Siebte Senat bejahte ein Zustim- mungsverweigerungsrecht.8 Die Einstellung verstoße gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG. Die Norm ver- biete die nicht nur vorübergehende Überlassung von Arbeitnehmern.9 Der Gesetzgeber habe die Leiharbeitsrichtlinie „eins zu eins“ umset- zen wollen. Dort sei die Arbeitnehmerüberlassung als vorübergehend definiert. Die vom Gesetzgeber mit § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG erstrebte Klarstellung könne nur durch eine gesetzliche Regelung erreicht wer- den, die mehr als vorübergehende Überlassung ausschließe. § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG sei auch ein Verbotsgesetz im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.10 Der Zweck der Vorschrift könne nur erreicht werden, wenn die Einstellung insgesamt unterbleibe. Betriebs-Berater | BB 27/28.2014 | 30.6.2014 1653 Aufsatz | Arbeitsrecht 1 LAG Niedersachsen, 5.4.2013 – 12 Sa 50/13, NZA-RR 2013, 465; LAG Rheinland-Pfalz, 14.5.2013 – 6 Sa 552/12, BeckRS 2013, 70953; ErfK/Oetker, 14. Aufl. 2014, § 1 KSchG Rn. 36; Staudinger/Preis, Neubearbeitung 2011, § 622 BGB Rn. 25b. 2 BAG, 10.10.2012, 7 ABR 53/11, AP Nr. 15 zu § 8 BetrVG 1972. 3 Z.B. Fitting, 27. Aufl. 2014, § 8 BetrVG Rn. 38; Schüren/Schüren, AÜG, 4. Aufl. 2010, § 10 AÜG Rn. 69; ErfK/Koch (Fn. 1), § 8 BetrVG Rn. 3. 4 Vgl. zum aktiven Wahlrecht von Leiharbeitnehmern Fitting (Fn. 3), § 7 BetrVG Rn. 65. 5 Zuletzt BAG. 20.6.2013 – 2 AZR 790/11, BeckRS 2013, 71024. 6 Schüren/Schüren (Fn. 3), § 10 AÜG Rn. 70. 7 Vgl. z.B. Hamann, NZA 2011, 70, 72ff.; Krannich/Simon, BB 2012, 1414ff. 8 BAG, 10.7.2013 – 7 ABR 91/11, BB 2013, 3071 m. BB-Komm. Zimmermann. 9 A.A. LAG Nürnberg, 29.10.2013 – 7 TaBV 15/13, n.v. („Grenzen der richterlichen Rechts- fortbildung … überschritten“); kritisch und für Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV Lembke/Ludwig, NJW 2013, 1329, 1332 m.w.N. 10 Zuvor ablehnend ArbG Leipzig, 15.2.2012 – 11 BV 79/11, BeckRS 2012, 67077; ArbG Leipzig, 23.3.2012 – 5 BV 85/11, juris; ArbG Leipzig, 23.3.2012 – 3 BV 84/11, juris; ArbG Brandenburg, 24.4.2012 – 2 BV 1/12, juris; LAG Niedersachsen, 14.11.2012 – 12 TaBV 62/ 12, BeckRS 2013, 66478; zuvor bejahend LAG Niedersachsen, 19.9.2012 – 17 TaBV 124/ 11, BeckRS 2012, 74786; LAG Berlin-Brandenburg, 19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12, BeckRS 2012, 76380; LAG Berlin-Brandenburg,16.4.2013 – 3 TaBV 1983/12, 3 TaBV 1987/12, 3 TaBV 1983/12, 3 TaBV 1987/12, NZA-RR 2013, 621; ArbG Offenbach, 1.8.2012 – 10 BV 1/ 12, BeckRS 2012, 75121.
  • 2. Offen lassen konnte der Senat, wie lang „vorübergehend“ ist. Klar ist nur: Der zeitlich nicht begrenzte Einsatz eines Leiharbeitnehmers an- stelle eines Stammarbeitnehmers ist nicht mehr „vorübergehend“. Im Wesentlichen11 werden zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbe- griffs von den Instanzgerichten derzeit zwei Sichtweisen vertreten: Nach der arbeitnehmerbezogenen Sichtweise kommt es auf die vor- übergehende Überlassung des einzelnen Leiharbeitnehmers an.12 Zur Begründung wird unter anderem auf die nach der Rechtslage vor der AÜG-Reform 2002 geltende Höchstüberlassungsdauer (§ 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG a.F.) verwiesen, die ebenfalls arbeitnehmerbezogen ver- standen wurde.13 Eine in diesem Sinne vorübergehende Beschäftigung von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen bzw. bei Dauerbe- schäftigungsbedarf wäre danach nicht grundsätzlich verboten. Die arbeitsplatzbezogene Sichtweise – derzeit wohl überwiegend von den Instanzgerichten vertreten – stellt demgegenüber darauf ab, ob der Leiharbeitnehmer auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt wird bzw. ob mit dem Einsatz eines Leiharbeitnehmers ein dauerhaft be- stehender Beschäftigungsbedarf gedeckt wird.14 Für welchen Zeit- raum der einzelne Leiharbeitnehmer eingesetzt wird, ist danach uner- heblich. Der Siebte Senat verbindet in seinem Ansatz die arbeitnehmerbezoge- ne mit der arbeitsplatzbezogenen Sichtweise, wenn er befindet, dass der zeitlich nicht begrenzte Einsatz eines Leiharbeitnehmers anstelle eines Stammarbeitnehmers nicht mehr „vorübergehend“ ist. Im Koalitionsvertrag haben sich die Koalitionspartner darauf verstän- digt, „vorübergehend“ dahingehend zu „präzisieren“, dass eine Über- lassungshöchstdauer von 18 Monaten gesetzlich festgelegt wird.15 Der Gesetzgeber hält sich gleichwohl zurück: Laut jüngster Äußerungen aus dem BMAS ist nicht vor Ende 2015 mit Inkrafttreten einer neuen Regelung zu rechnen.16 Möglicherweise wartet man auf ein Zeichen aus Luxemburg: Von einem seit Oktober 2013 beim EuGH anhängi- gen Vorlageverfahren eines finnischen Gerichts17 versprechen sich viele Klärung.18 2. Kein Arbeitsverhältnis zum Entleiher Bis Dezember 2013 war unklar, ob ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG auch individualrechtlich sanktioniert wird, vor allem, ob ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zustande kommt, wenn länger als vorübergehend überlassen wird.19 Im Dezember 2013 hat der Neunte Senat dieser Auffassung eine Absage erteilt.20 Nur bei fehlender Erlaubnis ordne § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher an. Eine Analogie scheitere schon an der planwidrigen Regelungslücke. Der Ge- setzgeber habe die vom Kläger begehrte Rechtsfolge bewusst nicht vor- gesehen. Die Auswechslung des Arbeitgebers sei im Übrigen verfas- sungsrechtlich bedenklich, weil sie in die Berufsfreiheit des Leiharbeit- nehmers eingreife. Ein solcher Eingriff müsse im Gesetz hinreichenden Ausdruck finden. Die Leiharbeitsrichtlinie überlasse den Mitgliedstaa- ten die Wahl der Sanktionen bei Verstößen gegen die nationalen Umset- zungsvorschriften. Diese Wahl sei Sache des Gesetzgebers. In der für die Praxis wünschenswerten Klarheit hat der Neunte Senat damit entschieden, dass auch nach der neuen Rechtslage kein Arbeits- verhältnis zum Entleiher entsteht, wenn nicht mehr vorübergehend mit Erlaubnis überlassen wird. Es fehlt derzeit eine gesetzliche Grund- lage, um in die (negative) Vertragsfreiheit und die Berufsfreiheit (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG) einzugreifen. Damit ist der Gesetz- geber am Zug. Welche zivilrechtlichen Folgen an eine Überschreitung der neuen Höchstdauer anknüpfen, lässt der Koalitionsvertrag allerdings offen. Eine von der SPD gewünschte Formulierung – Begründung eines „au- tomatischen“Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher bei Verstößen ge- gen das AÜG – wurde in der finalen Fassung gestrichen. Allerdings sieht ein Gesetzentwurf des Bundesrates21 in einem neuen § 9 Nr. 1 lit. c AÜG vor, dass dann die Fiktion des § 10 Abs. S. 1 AÜG greift. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Koalitionspartner auf diese scharfe Sanktion werden einigen können. Auch hier ist aber nach jüngsten Äußerungen aus dem BMAS nicht mit einer Regelung vor 2015 zu rechnen. VI. Abgrenzung zu Werk- und Dienstverträgen Kernfrage bei der Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung zum drittbezogenen Personaleinsatz im Rahmen von Werk- und Dienst- verträgen ist, ob der Arbeitnehmer in den Betrieb des Dritten einge- gliedert ist und dessen Weisungen unterliegt. Die Tendenz der Recht- sprechung geht dahin, bei der Annahme von Arbeitnehmerüberlas- sung eher zurückhaltend zu sein. Das wird in einer Entscheidung des BAG aus Januar 2012 zur Abgrenzung zum Dienstvertrag deutlich.22 Der Kläger war bei dem Sicherheitsunternehmen F GmbH angestellt. Die F GmbH schloss mit der Bundespolizei einen Vertrag über die Durchführung von Aufgaben der Luftsicherheit. Die einzelnen Leis- tungsinhalte ergaben sich aus einem Leistungsverzeichnis, das die F GmbH in eine Dienstanweisung aufnehmen und diese mit der Bun- despolizei abstimmen musste. Der Kläger wurde im Rahmen dieses Vertrages als Luftfahrtsicherheitsassistent in der Fluggastkontrolle am Flughafen eingesetzt. Die Bundespolizei setzte Dienstgruppenleiter, Gruppenleiter und einen Kontrollstellenführer ein, die die Fluggast- und Gepäckkontrollen beaufsichtigten. Die F GmbH setzte während der Kontrollzeiten Ansprechpartner mit Leitungsfunktion ein. Wei- sungen sollten grundsätzlich gegenüber diesen Ansprechpartnern er- folgen, gegenüber den Mitarbeitern der F GmbH nur zur Abwehr ei- 1654 Betriebs-Berater | BB 27/28.2014 | 30.6.2014 Arbeitsrecht | Aufsatz Zimmermann · BB-Rechtsprechungsreport zur Arbeitnehmerüberlassung 2012/2013 (Teil 2) 11 Ausführlicher Überblick bei Nießen/Fabritius, NJW 2014, 263. 12 LAG Düsseldorf, 2.10.2012 – 17 TaBV 38/12, BeckRS 2012, 75357; LAG Niedersachsen, 14.11.2012 – 12 TaBV 62/12, BeckRS 2013, 66478; LAG Hamburg, 4.9.2013 – 5 TaBV 6/ 13, BeckRS 2013, 75020. 13 BAG, 12.11.2002 – 1 ABR 1/02, BB 2003, 850; Schüren/Schüren, AÜG, 2. Aufl. 2003, § 3 AÜG Rn. 165; Boemke/Lembke, DB 2002, 893f. 14 LAG Niedersachsen, 19.9.2012 – 17 TaBV 124/11, BeckRS 2012, 74786; LAG Baden-Würt- temberg, 22.11.2012 – 11 Sa 84/12, BeckRS 2013, 69374; LAG Berlin-Brandenburg, 19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12, BeckRS 2012, 76380; LAG Berlin-Brandenburg, 9.1.2013 – 15 Sa 1635/12, NZA-RR 2013, 234; LAG Berlin-Brandenburg, 21.3.2013 – 18 TaBV 2150/ 12, 18 TaBV 2192/12, BeckRS 2013, 70286; LAG Berlin-Brandenburg, 10.4.2013 – 4 TaBV 2094/12, NZA-RR 2013, 527; LAG Baden-Württemberg, 31.7.2013 – 4 Sa 18/13, BeckRS 2013, 71078; LAG Rheinland-Pfalz, 1.8.2013 – 11 Sa 112/13, BeckRS 2013, 74194. 15 Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft gestalten“ zwischen CDU, CSU und SPD vom 27.11.2013, S. 49f. 16 So ein Staatssekretär des federführenden BMAS im Interview mit dem personalmagazin, www.haufe.de/personal/hr-management/staatssekretaer-plaene-des-bundesarbeitsmini steriums_80_257912.html. 17 Vorabentscheidungsersuchen des Työtuomioistuin (Finnland), eingereicht am 9.10.2013 – Auto- ja Kuljetusalan Työntekijäliitto AKT ry/Öljytuote ry, Shell Aviation Finland Oy (Rs. C-533/13). 18 Vgl. Lembke/Ludwig, NJW 2014, 1332f.; Thüsing, NZA 2014, 10, 12. 19 Dafür LAG Baden-Württemberg, 22.11.2012 – 11 Sa 84/12, 11 Sa 84/12, BeckRS 2013, 69374; LAG Berlin-Brandenburg, 9.1.2013 – 15 Sa 1635/12, NZA-RR 2013, 234; LAG Ba- den-Württemberg, 31.7.2013 – 4 Sa 18/13, BeckRS 2013, 71078; LAG Rheinland-Pfalz, 1.8.2013 – 11 Sa 112/13, BeckRS 2013, 74194; dagegen LAG Berlin-Brandenburg, 16.10.2012 – 7 Sa 1182/12, BB 2013, 251; LAG Berlin-Brandenburg, 19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12, BeckRS 2012, 76380; LAG Berlin-Brandenburg, 10.4.2013 – 4 TaBV 2094/12, NZA-RR 2013, 527; LAG Düsseldorf, 21.6.2013 – 10 Sa 1747/12, BeckRS 2013, 71617; LAG Saarland, 18.12.2013 – 2 TaBV 2/13, BeckRS 2014. 20 BAG, 10.12.2013 – 9 AZR 51/13, BB 2014, 700 m. BB-Komm. Zimmermann. 21 Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs von Werkverträgen und zur Verhinderung der Umgehung von arbeitsrechtlichen Verpflichtungen, BT-Drs. 18/14, S. 5, 9. 22 BAG, 18.1.2012 – 7 AZR 723/10, NZA-RR 2012, 455.
  • 3. ner unmittelbar bevorstehenden Gefahr. Aufgrund detaillierter Dienstanweisungen der Beklagten erstellte die F ein „HAM-Stations- profil“, aus dem sich im Einzelnen Anweisungen zu den an den Flug- gästen zu vollziehenden Untersuchungen ergaben. Die Auswahl, wel- cher Arbeitnehmer in welcher Schicht eingesetzt wurde, erfolgte durch das Sicherheitsunternehmen. Der Auftraggeber gab lediglich vor, wie viele Sicherheitskräfte pro Schicht benötigt wurden. Ermah- nungen und Abmahnungen wurden ausschließlich durch das Sicher- heitsunternehmen ausgesprochen; Gleiches galt für die Erteilung von Urlaub und Schulungen. Wie die Vorinstanzen lehnte der Siebte Senat Arbeitnehmerüberlas- sung ab. Es sei unerheblich, dass die Bundespolizei dem Sicherheits- unternehmen detaillierte Vorgaben für die Leistungserbringung machte, die vom Sicherheitsunternehmen in das „HAM-Stationspro- fil“ übernommen wurden. Im Sicherheitsgewerbe bestimme der Auf- traggeber regelmäßig, wie die Sicherheitskontrollen durchzuführen sind, wobei er seinerseits gesetzliche Vorgaben zu beachten habe. Die Bundespolizei sei für die Fluggastkontrolle und für die Sicherheit des Flugverkehrs verantwortlich. Bei den Anweisungen handele es sich daher um objektbezogene Anweisungen (§ 645 Abs. 1 BGB), die nicht Arbeitnehmerüberlassung indizierten. Anders in einem Fall des LAG Baden-Württemberg aus August 2013:23 Ein IT-Dienstleister setzt Mitarbeiter für den IT-Support beim Auftrag- geber ein. Wie im IT-Bereich üblich, wird die Anwendung eines Ticket- Systems vereinbart: Die Mitarbeiter des Auftraggebers erteilen dem IT- Dienstleister über dieses System einzelne Aufträge, die von dessen Mit- arbeitern anschließend bearbeitet werden. Tatsächlich erteilten die Mit- arbeiter des Auftraggebers aber unmittelbar den Mitarbeitern des IT- Dienstleisters eine Vielzahl von arbeitsbezogenen Weisungen und wählte den Weg einer „Direktbeauftragung“ ohne Beachtung des Tik- ket-Systems. Weil es sich hierbei nicht um Einzelfälle gehandelt hat, hat das LAG Baden-Württemberg mit Blick auf die in der Praxis ausgeüb- ten Weisungsrechte Arbeitnehmerüberlassung angenommen. Die Entscheidung zeigt, dass in der Praxis die tatsächlichen Abläufe bei der Durchführung (vermeintlicher) Werk- und Dienstverträge streng kontrolliert werden müssen. Diese Kontrollprozesse sind ein- zubinden in die Compliance-Struktur des Unternehmens.24 VII. Equal Pay 1. Darlegungs- und Beweislast In der Praxis spielt nicht selten die prozessuale Darlegungslast eine entscheidende Rolle bei der Durchsetzung von Equal Pay-Ansprü- chen. In mehreren Entscheidungen hat das BAG 2013 die Grundsätze zur Darlegungslast im Equal Pay-Prozess weiter konkretisiert. Seiner Darlegungslast kann der Leiharbeitnehmer danach zunächst dadurch genügen, dass er sich auf eine ihm nach § 13 AÜG erteilte Auskunft beruft und diese in den Prozess einführt.25 Es obliegt dann im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast dem Verleiher, die maß- geblichen Umstände der Auskunft zu bestreiten. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der Inhalt der vom Leih- arbeitnehmer vorgetragenen Auskunft als zugestanden. Gelingt es dem Verleiher, die Auskunft des Entleihers zu erschüttern, bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Anspruchsteller die anspruchsbegrün- denden Tatsachen darlegen und beweisen muss.26 Stützt sich der Leiharbeitnehmer nicht auf eine Auskunft nach § 13 AÜG, muss er alle zur Darlegung des Anspruchs auf gleiches Arbeits- entgelt erforderlichen Tatsachen vortragen.27 Dazu zählen vor allem die Benennung eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers und das diesem vom Entleiher gewährte Arbeitsentgelt. Beruft sich der Leihar- beitnehmer hingegen auf ein allgemeines Entgeltschema, etwa einen Tarifvertrag, hat er nicht nur dessen Inhalt darzulegen, sondern auch, dass das allgemeines Entgeltschema beim Entleiher im Überlassungs- zeitraum tatsächlich Anwendung fand und wie er danach fiktiv einzu- gruppieren wäre.28 Letzteres bereitet Arbeitnehmern in der Praxis oft Schwierigkeiten.29 Zur Berechnung des Equal Pay-Anspruchs ist ein Gesamtvergleich der gesamten Vergütung und nicht nur des laufenden Arbeitsentgelts im Überlassungszeitraum anzustellen.30 Umstritten war bislang, ob bei diesem Gesamtvergleich auch ein dem Leiharbeitnehmer gewährter Aufwendungsersatz (z.B. vom Verleiher gewährter Fahrtkostenersatz) zu berücksichtigen ist.31 Das BAG hat das abgelehnt, soweit es sich bei dem Aufwendungsersatz nicht um „verschleiertes“ Arbeitsentgelt handelt.32 Die Darlegungslast des Leiharbeitnehmers umfasst daneben die Be- rechnung der Differenzvergütung, die schriftsätzlich zu erfolgen hat.33 Zur substantiierten Darlegung des Gesamtvergleichs gehört da- nach die schriftsätzliche Erläuterung durch den Leiharbeitnehmer, in welchem Umfang im Überlassungszeitraum Differenzvergütung etwa für geleistete Arbeit, aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähig- keit, gewährten Urlaubs- oder Freizeitausgleichs oder Abgeltung von Stunden aus einem Arbeitszeitkonto oder eines sonstigen Tatbestands, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt, begehrt wird.34 Die bloße Bezugnahme auf den Schriftsätzen als Anlagen beigefügte Un- terlagen (z.B. Geltendmachungsschreiben, Lohnabrechnungen) ge- nügt nicht.35 2. Wirksamer Tarifvertrag Von Equal Pay kann nur ein wirksamer Tarifvertrag befreien. Das setzt insbesondere voraus, dass auf beiden Seiten eine tariffähige Ver- einigung steht. a) CGZP-Tarifverträge Nach mehreren Entscheidungen des BAG zur Tariffähigkeit der CGZP steht fest, dass die CGZP nie wirksame Tarifverträge schließen konnte.36 Eine Abweichung von Equal Pay durch CGZP-Tarifverträge war somit nie möglich. Betriebs-Berater | BB 27/28.2014 | 30.6.2014 1655 Aufsatz | Arbeitsrecht Zimmermann · BB-Rechtsprechungsreport zur Arbeitnehmerüberlassung 2012/2013 (Teil 2) 23 LAG Baden-Württemberg, 1.8.2013 – 2 Sa 6/13, NZA 2013, 1017. 24 Dazu ausführlich Werths, BB 2014, 690. 25 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782, 784; BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 294/12, NZA 2013, 1226, 1228f. 26 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782, 784; BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 294/12, NZA 2013, 1226, 1228, 1229. 27 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782, 784; BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 667/12, BeckRS 2014, 66797. 28 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782, 784; BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 667/12, BeckRS 2014, 66797. 29 Vgl. Bissels, ArbRB 2013, 242, 243. 30 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 242/12, AP Nr. 24 zu § 10 AÜG; BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 667/12, BeckRS 2014, 66797. 31 Dafür LAG Düsseldorf, 18.3.2013 – 9 Sa 1585/12, juris; dagegen LAG München, 13.3.2013 – 10 Sa 960/12, juris. 32 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 294/12, NZA 2013, 1226, 1229. 33 BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 667/12, BeckRS 2014, 66797; BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 556/12, NZA 2013, 313, 315. 34 BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 556/12, NZA 2013, 313, 315; BAG, 20.11.2013 – 5 AZR 365/13, juris. 35 BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 556/12, NZA 2013, 313, 315; BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 667/12, BeckRS 2014, 66797. 36 BAG, 14.12.2010 – 1 ABR 19/10, BB 2011, 827 m. BB-Komm. Huke; BAG, 22.5.2012 – 1 ABN 27/12, juris; BAG, 23.5.2012 – 1 AZB 58/11, NZA 2012, 623; BAG, 23.5.2012 – 1 AZB 67/11, NZA 2012, 625.
  • 4. Das BAG geht von der anfänglichen Unwirksamkeit der CGZP-Tarif- verträge wegen fehlender Tariffähigkeit der CGZP aus. Eine Unwir- samkeit ex nunc nach der Lehre vom fehlerhaften Tarifvertrag37 lehnt das Gericht ab.38 Auch einen von Stimmen in der Literatur39 gefor- derten Vertrauensschutz gewährt das BAG nicht.40 Es habe kein schützenswertes Vertrauen gegeben: Seit der Gründung der CGZP sei- en Zweifel an ihrer Tariffähigkeit gehegt worden. Darüber hinaus sei der gute Glaube in die Tariffähigkeit nicht geschützt. b) DGB-Tarifverträge Im März 2012 hatte das LAG Baden-Württemberg einen Rechtsstreit wegen Zweifeln an der Tariffähigkeit der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit angehörenden Einzelgewerkschaften nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG ausgesetzt.41 Zwar hat das BAG den Beschluss Ende 2012 aufgehoben.42 Der Erste Senat tat das allerdings mit einer for- malen Begründung, die keine Schlussfolgerung zur Tariffähigkeit oder -zuständigkeit der DGB-Gewerkschaften in der Zeitarbeit zulässt. Vor Arbeits- und Landesarbeitsgerichten sind derzeit mehrere Be- schlussverfahren zur Tariffähigkeit und -zuständigkeit der DGB-Ge- werkschaften in der Zeitarbeit anhängig. Anfang 2014 hat das Hessi- sche LAG die Tarifzuständigkeit von ver.di für die Zeitarbeit ange- nommen.43 Das Arbeitsgericht Frankfurt hat vor kurzem auch die Ta- rifzuständigkeit der IG Metall festgestellt.44 Vor 2015 dürfte kaum mit einer Entscheidung des BAG über die Tariffähigkeit und -zuständig- keit von DGB-Gewerkschaften in der Zeitarbeit zu rechnen sein. Die Frage nach Vertrauensschutz wird sich bei den Tarifverträgen mit den DGB-Gewerkschaften allerdings noch stärker stellen als bei den CGZP-Tarifverträgen: Andere Akteure als CGZP und DGB-Gewerk- schaften standen den Arbeitgebern schlicht nicht zur Verfügung. Auch wurde die Diskussion über die Tariffähigkeit und -zuständigkeit der DGB-Gewerkschaften für die Zeitarbeit erst viel später angestoßen. 3. Wirksame Bezugnahmeklauseln In der Praxis finden Tarifverträge für die Zeitarbeit fast ausnahmslos über eine Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag Anwendung. Auch diese Bezugnahmeklausel muss wirksam sein, damit der Verleiher von Equal Pay abweichen kann. Im Frühjahr 2010 hatten die in der CGZP verbundenen Gewerkschaf- ten mit Blick auf die damals schon in zwei Instanzen45 festgestellte Ta- rifunfähigkeit neue mehrgliedrige, d.h. mehrere selbstständige Tarif- verträge geschlossen. Die neuen Tarifverträge wurden mittels Ände- rungsvereinbarung arbeitsvertraglich in Bezug genommen, um auch bei Tarifunfähigkeit der CGZP weiterhin von Equal Pay abweichen zu können. Diese Bezugnahmeklausel hält der Fünfte Senat für unwirksam.46 Sie sei intransparent und unwirksam (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Bei einer Bezugnahmeklausel, durch die mehrere eigenständige tarifliche Rege- lungswerke gleichzeitig auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung ge- bracht werden, bedürfe es einer Kollisionsregel, der sich entnehmen lässt, welcher der Tarifverträge bei sich widersprechenden Regelungen Vorrang haben soll. Andernfalls lasse sich nicht für jeden Zeitpunkt bestimmen, welcher der in Bezug genommenen Tarifverträge sich je- weils durchsetzen und gelten soll.47 Konsequenz ist, dass Equal Pay-Ansprüche nicht nur Unternehmen mit CGZP-Tarifvertrag, sondern auch Anwender anderer mehrgliedri- ger Tarifverträge treffen können, sofern nicht von vornherein klar ist, welches Tarifwerk bei sich widersprechenden Regelungen Vorrang ha- ben soll. Da manches dafür spricht, dass auch die DGB-Tarifverträge in der Zeitarbeit mehrgliedrige Tarifverträge sind,48 sollten auch Ar- beitgeber, die die DGB-Tarifverträge nutzen, ihre Bezugnahmeklau- seln prüfen. 4. Ausschlussfristen Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen können zum Erlöschen von Equal Pay-Ansprüchen führen, wie der Fünfte Senat im März 2013 bestätigt hat.49 Die Fälligkeit der Equal Pay-Ansprüche und damit der Beginn des Laufs der Ausschlussfrist bestimme sich nach dem für die Vergütung vereinbarten Zeitpunkt. Dass die Fälligkeit im Sinne der Klausel die Kenntnis des Leiharbeitnehmers von dem Anspruch und der für die Bezifferung maßgeblichen Tatsachen voraussetzt, hat der Senat abgelehnt. Die erste Stufe einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung im Leiharbeitsverhältnis müsse aber eine schriftliche Geltendmachung des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG „dem Grunde nach“ ausreichen lassen, um zu gewährleisten, dass der Leiharbeitnehmer den Anspruch auf glei- ches Arbeitsentgelt auch dann fristwahrend geltend machen könne, wenn er die Höhe des vergleichbaren Stammarbeitnehmern des Entlei- hers gewährten Arbeitsentgelts nicht im Einzelnen kenne.50 Nimmt der Arbeitsvertrag pauschal Bezug auf einen Tarifvertrag, der Ausschlussfristen enthält, und enthält selbst Ausschlussfristen, geht der Senat von einem Vorrang der arbeitsvertraglichen Regelung aus, ohne mit Blick auf eine mögliche Intransparenz (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) eine entsprechende Kollisionsregel zu verlangen.51 § 10 Abs. 4 AÜG sei kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB, der Equal Pay-Anspruch damit kein deliktischer Anspruch, den eine arbeitsver- tragliche Ausschlussfrist ausnimmt.52 Das BAG hat bislang dahinstehen lassen können, ob Regelungen zu Ausschlussfristen in Tarifverträgen der Zeitarbeit Equal Pay-Ansprü- che erfassen.53 Die Ausschlussfristen der unwirksamen CGZP-Tarifver- träge helfen jedenfalls nicht. Zwar kann nach der Rechtsprechung auch die Geltung eines unwirksamen Tarifvertrags im Arbeitsvertrag vereinbart werden.54 Das setzt allerding voraus, dass Anhaltspunkte 1656 Betriebs-Berater | BB 27/28.2014 | 30.6.2014 Arbeitsrecht | Aufsatz Zimmermann · BB-Rechtsprechungsreport zur Arbeitnehmerüberlassung 2012/2013 (Teil 2) 37 So z.B. Friemel, NZS 2011, 851; HWK/Henssler, 6. Aufl. 2014, § 1 TVG Rn. 21a. 38 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782, 784; BAG 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680, 682f.; BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 294/12, NZA 2013, 1226, 1227. 39 Z.B. Friemel, NZS 2011, 851; Steinheimer/Haeder, NZA 2012, 903. 40 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782, 784; BAG 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680, 683; BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 294/12, NZA 2013, 1226, 1227. 41 LAG Baden-Württemberg, 20.3.2012 – 22 Sa 71/11, DB 2013, 127. 42 BAG, 19.12.2012 – 1 AZB 72/12, juris. 43 LAG Hessen, 16.1.2014 – 9 TaBV 127/13, n.rk., n.v. 44 ArbG Frankfurt, 11.2.2014 – 4 BV 523/13, n.rk., n.v. 45 ArbG Berlin, 1.4.2009 – 35 BV 17008/08, BB 2009, 1477; LAG Berlin, 7.12.2009 – 23 TaBV 1016/09, BB 2010, 1927. 46 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 242/12, AP Nr. 24 zu § 10 AÜG; BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, BB 2013, 1659, 1662 m. BB-Komm. Bissels; vgl. dazu Lembke/Mengel/Schüren/Stoffels/Thü- sing/Schunder, NZA 2013, 948ff. 47 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 242/12, AP Nr. 24 zu § 10 AÜG; BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, BB 2013, 1659, 1662 m. BB-Komm. Bissels 48 LAG Düsseldorf, 24.10.2012 – 5 Sa 704/12, LAGE § 307 BGB 2002 Nr 33; LAG Hessen, 16.1.2014 – 9 TaBV 127/13, n.rk., n.v.; Stoffels/Bieder, RdA 2012, 27, 29; Bayreuther, NZA 2012, 14; a.A. LAG Baden-Württemberg, 4.6.2013 – 22 Sa 73/12, juris; LAG Nürnberg, 11.10.2013 – 3 Sa 699/10, juris; Schüren, jurisPR-ArbR 37/2013 Anm. 1. 49 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 242/12, AP Nr. 24 zu § 10 AÜG; BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, BB 2013, 1659 m. BB-Komm. Bissels. 50 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, BB 2013, 1659, 1663 m. BB-Komm. Bissels. 51 BAG 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680, 684; vgl. aber LAG Berlin-Brandenburg, 13.6.2012 – 24 Sa 213/12, BeckRS 2012, 74853; LAG Sachsen, 21.9.2012 – 3 Sa 250/12, BeckRS 2013, 69533 52 BAG 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680, 685f.; vgl. LAG Nürnberg, 26.10.2012 – 8 Sa 126/12, juris. 53 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 242/12, AP Nr. 24 zu § 10 AÜG. 54 BAG, 22.1.2002 – 9 AZR 601/00, NZA 2002, 1041; ebenso LAG Düsseldorf, 8.12.2011 – 11 Sa 852/11, juris; LAG Sachsen, 25.4.2012 – 2 Sa 370/11, juris; LAG Düsseldorf, 22.5.2012
  • 5. Betriebs-Berater | BB 27/28.2014 | 30.6.2014 1657 Aufsatz | Arbeitsrecht Zimmermann · BB-Rechtsprechungsreport zur Arbeitnehmerüberlassung 2012/2013 (Teil 2) dafür vorliegen, dass die Arbeitsvertragsparteien auch einen unwirk- samen Tarifvertrag erfassen wollten. Hier bestehen zumindest auf Ar- beitgeberseite sehr klare Anhaltspunkte dafür, dass nur ein wirksamer Tarifvertrag gelten sollte: Nur ein wirksamer Tarifvertrag befreit näm- lich von Equal Pay.55 5. Verjährung Soweit arbeitsvertragliche Ausschlussfristen nicht greifen, können Leiharbeitnehmer die Vergütungsdifferenz bis zum Ablauf der regel- mäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren verlangen. Wann die Ver- jährungsfrist bei Equal-Pay-Ansprüchen beginnt, die aus der Tarifun- fähigkeit der CGZP folgen, hatten Arbeits- und Landesarbeitsgerichte bis Anfang 2013 unterschiedlich beantwortet.56 Auch der daraus resultierenden Rechtsunsicherheit hat das BAG im März 2013 ein Ende gesetzt.57 Die Verjährungsfrist beginnt danach mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Leiharbeitnehmer Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen hat. Es genügt, wenn der Leiharbeitnehmer Kenntnis von der Tatsache hat, dass vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entlei- hers mehr verdienen als er. Auf seine rechtliche Beurteilung der Tarif- fähigkeit der CGZP kommt es nicht an.58 6. Ausgleichsvereinbarungen und Verzicht Ob Equal Pay-Ansprüche grundsätzlich von Ausgleichsvereinbarun- gen, etwa in einem Aufhebungsvertrag oder einer Ausgleichsquittung, erfasst werden, ist in der Praxis von großer Bedeutung. Im Oktober 201359 konnte das BAG offen lassen, ob Equal Pay-Ansprüche über- haupt verzichtbar sind60 und die beiderseitige Erledigungsklausel in der Ausgleichsquittung61 wirksam ist – und damit Equal Pay-Ansprü- che zum Erlöschen bringt. Das LAG Berlin-Brandenburg hatte die Klausel für unwirksam gehalten.62 Der Senat ging hingegen davon aus, dass die Equal-Pay-Ansprüche schon deshalb nicht aufgrund der Ausgleichsvereinbarung erloschen seien, weil es sich nur um ein de- klaratorisches negatives Schuldanerkenntnis handele. Entscheidend wird sein, ob dem Verzicht des Arbeitnehmers eine kompensatorische Gegenleistung des Arbeitgebers gegenübersteht.63 Zwar kann in beidseitigen Erledigungsklauseln der Verzicht des Ar- beitgebers auf etwaige Ansprüche gegen den Arbeitnehmer als Kom- pensation gesehen werden. Soweit aber keine konkreten Ansprüche im Raum stehen und die Beidseitigkeit damit nur formal ist, dürfte das nicht reichen als Kompensation.64 Etwas anderes wird für die Er- ledigungsklausel im gerichtlichen Vergleich gelten: Da sie unter Mit- wirkung des Gerichts zustande kommt und im Einzelnen verhandelt wird (§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB), scheidet eine AGB-Kontrolle aus.65 VIII. Fazit und Ausblick Kaum ein Teilbereich des Arbeitsrechts ist in letzter Zeit so stark durch die Rechtsprechung geprägt worden wie die Arbeitnehmer- überlassung. Viele Fragen sind beantwortet, viele sind aber noch of- fen, etwa die Kriterien einer „vorübergehenden“ Überlassung nach § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG. Auch ist noch unklar, ob die Zivilgerichte der geänderten Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Leiharbeitneh- mern bei betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten für die Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung folgen werden.66 Dr. André Zimmermann, RA/FAArbR, ist Counsel im Frank- furter Büro von King & Wood Mallesons LLP. Er verfügt über besondere Expertise im Bereich Fremdpersonaleinsatz. – 16 Sa 302/12, BeckRS 2012, 71536; a.A. zu Ausschlussfristen der CGZP-Tarifverträge LAG Düsseldorf, 18.3.2013 – 9 Sa 1585/12, BeckRS 2013, 68475; LAG Hannover, 28.11.2012 – 2 Sa 76/12, BeckRS 2013, 65715. 55 Vgl. BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, BB 2013, 1659, 1662f. m. BB-Komm. Bissels; BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 242/12, AP Nr. 24 zu § 10 AÜG. 56 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg, 5.6.2012 – 3 Sa 134/12, juris; LAG Hamm, 21.3.2012 – 3 Sa 1526/11, juris; ausführlich Stoffels, NZA 2011, 1057. 57 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 424/12, NZA 2013, 785. 58 BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 424/12, NZA 2013, 785, 786f.; BAG, 20.11.2013 – 5 AZR 776/12, BeckRS 2014, 65868 59 BAG, 23.10.2013 – 5 AZR 135/12, NZA 2014, 200. 60 Dafür LAG Sachsen, 14.11.2012 – 2 Sa 259/12, juris; LAG Hamm, 6.2.2013 – 3 Sa 1026/ 12, BeckRS 2013, 73255; LAG Nürnberg, 16.10.2013 – 4 Sa 288/13, BeckRS 2014, 68604; LAG Sachsen, 12.7.2013 – 1 Sa 22/13, juris; LAG Sachsen, 6.9.2013 – 3 Sa 26/13, juris. 61 „Beide Parteien sind sich darüber einig, dass sämtliche gegenseitigen Ansprüche insbe- sondere Lohn- und Gehaltsansprüche – ob bekannt oder unbekannt – aus dem Arbeits- verhältnis und anlässlich seiner Beendigung, aus welchem Rechtsgrund auch immer, er- ledigt sind.“ 62 LAG Berlin-Brandenburg, 24.11.2011 – 5 Sa 1524/11, BeckRS 2012, 67524; vgl. auch LAG Schleswig-Holstein, 24.9.2013 – 1 Sa 61/13, juris. 63 Vgl. LAG Hamburg, 31.5.2012 – 8 Sa 21/12, juris; LAG Düsseldorf, 20.2.2013 – 4 Sa 1541/ 12, juris; vgl. jetzt auch BAG, 19.2.2014 – 5 AZR 920/12, BeckRS 2014, 68290. 64 Vgl. LAG Hamburg, 31.5.2012 – 8 Sa 21/12, juris; LAG Düsseldorf, 20.2.2013 – 4 Sa 1541/ 12, juris. 65 LAG Nürnberg, 16.10.2013 – 4 Sa 288/13, BeckRS 2014, 68604. 66 Ablehnend OLG Hamburg, 31.1.2014 – 11 W 89/13, BB 2014, 1469 m. BB-Komm. Mückl. Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)