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Rote Liste der Brutvögel Rote Liste der Brutvögel
Vogelschar
macht sich rar
13 einheimische Brüter gelten in Luxemburg
als ausgestorben
Von Jacques Ganser
Wer den Eindruck hatte, dass es
im vergangenen Winter sehr ruhig
an den Futterplätzen im Garten
war, könnte recht behalten. Die
heimischen Vogelarten machen
sich rar. Auf der Roten Liste der
in Luxemburg ausgestorbenen
Vogelarten stehen mittlerweile 13
Arten, darunter Braunkehlchen,
Grauammer, Zaunammer, Bekas-
sine, Birkhuhn und Wiedehopf.
Ausgestorben, das heißt, dass seit
mindestens fünf Jahren kein Brut-
nachweis mehr vorliegt. Weitere
sieben Arten sind vom Erlöschen
bedroht, darunter Kiebitz, Reb-
huhn und der Schilfrohrsänger.
Dass die Vögel nicht an den Fut-
terstellen auftauchen, kann aber
auch bedeuten, dass sie anderswo
Futter gefunden haben oder ein-
fach zu einem anderen Zeitpunkt
in ihre Winterquartiere ziehen, er-
klärt Patric Lorgé, Ornithologe im
Biodiversum in Remerschen.
Wo bleiben Fink und Star?
„Wir hatten in der Tat viele An-
rufe von besorgten Tierfreunden,
denen das Fehlen von Meisen,
Buchfinken oder Amseln an den
Futterstellen auffiel. Das ist zum
Teil darauf zurückzuführen, dass
das Wetter in den Winterquartie-
ren in Nordosteuropa mild war
und die Tiere dort genügend Fut-
ter fanden. Dann bleiben sie halt
länger dort.“
Von seinem Büro aus hat Lorgé
einen herrlichen Ausblick auf die
Wasserfläche der Baggerweiher.
Es ist ein Paradies und Rückzugs-
ort für viele Arten. „Alleine in die-
sem Biotop wurden bereits 260
verschiedene Vogelarten nachge-
wiesen“, so Lorgé. „Rund 70 Pro-
zent davon sind im Bestand direkt
oder indirekt bedroht.“ Insgesamt
wurden in Luxemburg bisher 336
Vogelarten nachgewiesen, davon
23 entflogene Arten, die sich zum
Teil an die hiesigen Verhältnisse
angepasst haben. Regelmäßige und
systematische Vogelzählungen er-
fassen die Bestände und zeigen
Problembereiche auf.
In Luxemburg werden die Be-
standsdaten im Rahmen des so-
genannten Biomonitoring, in Zu-
sammenarbeit mit dem Umwelt-
ministerium und natur&ëmwelt
erfasst. „Wir nutzen dabei eine
vereinheitlichte Methode, das Pan-
european Common Bird Monito-
ring“, so Lorgé. „Die letzten Zah-
Entwicklung verschiedener Vogelarten in Europa zwischen 1980 und 2016
60%
70%
80%
90%
100%
10%
0%
20%
30%
40%
50%
1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016
Quelle: EBCC-Birdlife
Waldvogelarten
Sämtliche Vogelarten
Offenland-Vogelarten
len wurden vor einigen Wochen
vorgelegt. Diese belegen, dass ei-
nige Vogelgruppen stark bedroht
sind. Dazu gehören in Luxemburg
und allgemein in Mitteleuropa die
sogenannten Offenland-Brüter wie
beispielsweise die Feldlerche“, er-
klärt Lorgé. „Vor 20 Jahren ge-
hörte der Gesang der Feldlerche
noch zum Sommer, heute ist er
sehr, sehr selten geworden.“ Die
Bestände von insgesamt 20 Ar-
ten der Offenland-Brüter sind in
den letzten 20 Jahren um mehr als
die Hälfte zurückgegangen. Aber
selbst ein ehemals alltäglicher Vo-
gel wie der Haussperling steht
heute auf der Vorwarnliste. „Frü-
her wurde man auf den Terrassen
der Place d'Armes von ihnen be-
lästigt, nun schauen Sie sich heute
mal dort um“, bedauert Lorgé.
Es fehlt die gute Stube
Problematisch wird es für die Fe-
dertiere, wenn der Lebensraum
und damit die Nahrungsgrundlage
sowie die Brutmöglichkeiten zer-
stört werden. Mit den Insekten und
den Hecken schwinden auch die
Vögel. Biotope wie Feuchtgebiete
werden trockengelegt und ver-
schwinden, Äcker werden zu rie-
sigen Monokulturen zusammen-
gelegt und bis an die Wegränder
gepflügt, zudem werden Pestizide
in großem Maß ausgebracht. Kli-
mawandel und Bebauung sorgen
für zusätzlichen Druck. Wenn
die Vorgärten dann auch noch mit
regelrechten Schlackenhalden zu-
geschüttet werden, anstatt dass
blühende Blumen sie verzieren,
so bleiben die Piepmätze ohne
Chance.
Schutz der Bestände heißt also
vor allem Schutz der Lebens-
räume. So sind in Luxemburg ins-
gesamt 18 Natura-2000-Vogel-
schutzgebiete ausgewiesen. Sinn
und Zweck ist dabei der länder-
übergreifende Schutz gefährdeter
wild lebender heimischer Pflan-
zen- und Tierarten und ihrer na-
türlichen Lebensräume.
Patric Lorgé will trotz aller
schlechten Nachrichten aber auch
auf die Erfolge der Schutzpro-
gramme verweisen: So konnten
mithilfe der europäischen Vogel-
schutzdirektive aus dem Jahre 1979
viele Bestände erhalten oder wie-
der eingeführt werden. Dazu ge-
hören Wanderfalke und Uhu, aber
auch der Storch. „Wir müssen
diesen Weg nun auch für die
kleineren Vogelarten gehen: mehr
Greening in der Landwirt-
schaft, Erhalten der Biodiversität
durch Ausweisen von Schutzge-
bieten. Die Vergangenheit hat
gezeigt, dass sich die Bestände
auf diese Weise erholen können.
Hier sind vor allem die EU und
ihre Subventionspolitik gefordert.
Werden sinnvolle und nachhal-
tige Produktionsweisen gefördert,
zeigten sich auch schnell positive
Effekte in der Tier- und Pflan-
zenwelt.“
Hänfling: Vogel des Jahres
In diesem Jahr hat natur&ëmwelt
den Bluthänfling, auf Luxemburgisch
Fluessfénk, zum Vogel des Jahres
erkoren. Ein kleiner Vogel, der leider
auf der Vorwarnliste der Roten Liste
steht.
Kennzeichnend für das Männchen
sind eine leuchtend rote Stirn und
Brust. Sein Schwanz ist tief gegabelt
und weiß gebändert. Das Weibchen
ist ganz ohne Rottönung des Gefie-
ders.
Hänflinge ernähren sich fast nur
vegetarisch und fressen Samen,
Knospen und Beeren von krautigen
Pflanzen und Bäumen. Auch die Jun-
gen werden bei Familie Hänfling
überwiegend mit Samen gefüttert
und nicht wie üblich nur mit Insek-
ten. Beliebt sind vor allem die Samen
von Disteln, Vogel- und Sternmiere,
Beifuß und auch Ampfer. Alles
Pflanzen, die am Feldrand wachsen
könnten und als Unkraut bezeichnet
werden.
Viele dieser Samen sind extrem
klein, und ein Hänfling muss den
ganzen Tag über viele Tausende auf-
sammeln, um sich und seine Junge
zu ernähren. Dort, wo sie fehlen, weil
der Feldrand mitgepflügt oder abge-
spritzt wurde, herrscht Futtermangel.
Durch die zunehmende Bebauung
und die intensive Landwirtschaft ha-
ben viele Offenlandvögel ihren na-
türlichen Lebensraum verloren. Mo-
nokulturen und fehlende Strukturen
in der Landschaft erschweren dane-
ben die Nahrungssuche, da immer
weniger Insekten auf diesen Acker-
flächen zu finden sind. Um gefährde-
te Arten zu schützen, wäre es des-
wegen sehr nützlich, Blühstreifen
entlang der Felder anzulegen, Hecken
zu pflanzen oder Streuobstwiesen
(Bongerten) zu erhalten. Das Nah-
rungsverhalten des Hänflings findet
sich in vielen Sprachen in seinem
Namen wieder. So findet man im
Deutschen den Bezug zu Hanf und im
Luxemburgischen zu Flachs – früher
die Hauptnahrungspflanzen des
Hänflings. Im Englischen heißt er
„Linnet“, was ebenfalls Hanf bedeu-
tet und im Französischen „Linotte
mélodieuse“, was neben der Futter-
pflanze auf den vortrefflichen Gesang
hinweist.
Auch die Bestände des Uhu
sind gefährdet. Mit einer Reihe
von Maßnahmen konnte aber
verhindert werden, dass der
Vogel ganz verschwindet.
Fotos: Guy Conrady, Patric Lorgé,
Mario Cordella, Raymond Gloden
Der Bluthänfling oder Fluessfénk
steht ebenfalls auf der Vorwarn-
liste. Er bevorzugt Streuobstwiesen
und Hecken als Lebensraum.
Das Braunkehlchen gilt in Luxem-
burg offiziell als ausgestorben.
Ursache ist der Verlust des
Lebensraumes Feuchtwiese.
Der Kiebitz (oben) ist in Luxemburg vom Aussterben bedroht.
Einzelne Weißstorchpaare (unten) brüten hingegen wieder.