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Vorlesung
Allgemeines Verwaltungsrecht
      Sommersemester

  Prof. Dr. Stephan Tomerius


                               1
1. Bordmittel
• Mindestausstattung:
  – Beck-Texte Allg. Verwaltungsrecht (VwVfG, VwGO)
• Lehrbücher Allg. Verwaltungsrecht :
  – Grundlagen:
     • Maurer, Allg. Verwaltungsrecht
     • Hendler, Allg. Verwaltungsrecht
     • Jachmann, Allg. Verwaltungsrecht (JA Skript)
  – Fälle
     • Alpmann, Verwaltungsrecht AT 1 und 2
     • Zuleeg, Fälle zum Allg. Verwaltungsrecht

                                                      2
2. Überblick Allg. Verwaltungsrecht
• Grundlagen des Allg. VwR
  – Verwaltung, Verwaltungsorganisation
• Das Recht der Verwaltung
  – Rechtsquellen, Abgrenzung zum Privatrecht,
    Verwaltungsprivatrecht, Privatisierung
• Rechtsgrundsätze des Allg. VwR
• Handlungsformen der Verwaltung
  – Verwaltungsakt
  – Öffentlich-rechtlicher Vertrag
  – Sonstige Handlungsformen

                                                 3
2. Überblick Allg. Verwaltungsrecht
• Grundzüge des Verwaltungsverfahrens (VwVfG)
• Grundzüge der Verwaltungsvollstreckung
  (VwVG)
• Grundzüge Verwaltungsprozessrecht (VwGO)
  – Klagearten
  – Widerspruchsverfahren
• Grundzüge des Staatshaftungsrechts




                                                4
3. Praktische Relevanz des
  Allgemeinen Verwaltungsrechts
• Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des
  Handelns der öffentlichen Verwaltung
• Verwaltungsrecht durchzieht alle Lebensbereiche
  des täglichen Lebens der Bürger
• Erhebliche Relevanz für den Bereich der
  Wirtschaft
   – Allg. VwR: Grundlage für Genehmigungen, Auflagen,
     Verfügungen, Subventionen gegenüber
     Wirtschaftssubjekten
   – Rechtsschutz gegenüber behördlichem Handeln !
     Verwaltungsgerichte
                                                         5
4. Grundlagen des Allgemeinen
         Verwaltungsrechts
• Was ist Verwaltung ???
   – Verwaltung existiert im Grunde nicht nur im
     hoheitlichen (staatlichen) Bereich, sondern auch im
     privaten (gesellschaftlichen) Bereich
• Allg. VwR bezieht sich nur auf die
  öffentliche Verwaltung
• Unterscheidung:
   – Vw im organisatorischen Sinn
   – Vw im formellen Sinn
   – Vw im materiellen Sinn
                                                           6
4.1 Begriff der öffentlichen Verwaltung
                         Öffentliche Verwaltung




Vw im organisatori-       Vw im formellen Sinn    Vw im materiellen Sinn
schen Sinn
                                                  • Vw-Tätigkeit als
• Staatl. Vw-Organisa-    • Gesamte von den         Wahrnehmung der
   tion                     Vw-behörden ausge-      Aufgaben der staat-
• Gesamtheit der Vw-        übte Tätigkeit          lichen Verwaltung
  Träger, Vw-Organe,                              • Die Tätigkeit, die
  sonstige Vw-Einrich-                              nicht Gesetzgebung,
  tungen                                            Regierung oder Recht-
                                                    sprechung ist
                                                                      7
4.1 Begriff der öffentlichen Verwaltung
               Staatstätigkeit (Art. 20 II GG)




 Legislative              Exekutive                 Judikative




       Regierung                  Verwaltung im materiellen
      (Gubernative)                 Sinn (Administrative)

                                                                 8
4. 2 Aufgabenspektrum und Arten der
    Verwaltung im materiellen Sinn
• Aufgaben quer durch die Gesellschaft:
  – Ausländerrecht, Bauwesen, Umweltschutz,
    Wirtschaftsverwaltung, Straßenverkehr, soziale
    Fürsorge, Polizei- und Versammlungsrecht,
    Meldewesen, Personenstand, Gesundheits- und
    Seuchenschutz, ...
• Unterscheidung der Arten der
  Verwaltungstätigkeit nach Zwecksetzung

                                                     9
4.3 Unterscheidung der Arten der
    Verwaltung nach Zwecksetzung
• Ordnungsverwaltung
  – Abwehr von Gefahren für die öff. Sicherheit
    und Ordnung
     • Polizei, Bauaufsicht, Gewerbeaufsicht,
       Seuchenbekämpfung, Straßenverkehr
• Lenkungsverwaltung
  – Steuerung und Förderung einzelner Bereiche
    des sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen
    Lebens
     • z.B. Wirtschaftsförderung in strukturarmen
       Regionen, Kulturförderung > Pläne, Subventionen   10
4.3 Unterscheidung der Arten der
     Verwaltung nach Zwecksetzung
• Abgabenverwaltung
  – Erhebung von Steuern und sonstigen Abgaben
     • Steuerämter, Gebühren und Beiträge nach
       Kommunalabgabengesetz (KAG) des Landes
• Bedarfsverwaltung
  – Beschaffung von Personal und Sachmitteln zur
    Durchführung der Verwaltungstätigkeit
     • z.B. Erwerb von Büromöbeln etc., sog.
       privatrechtliche Hilfsgeschäfte der Verwaltung

                                                        11
4.4. Unterscheidung der Arten der Verwaltung
     nach Rechtswirkung für den Bürger
  • Eingriffsverwaltung
    – Beschränkung der Freiheit des Bürgers durch
      Verpflichtungen und Belastungen
       • z.B. Polizei- und Ordnungsrecht, Bauaufsicht
  • Leistungsverwaltung
    – öffentliche Unterstützungsleistungen,
      Bedarfsbefriedigung
       • z.B. Sozialhilfe, BaföG, Bereitstellung öffentlicher
         Infrastruktureinrichtungen wie Schulen,
         Kindergärten, Krankenhäuser, Versorgungsbetriebe
                                                            12
4.5 Unmittelbare und mittelbare Staatsverwaltung
                   Staatliche Verwaltungsorganisation




 Unmittelbare StaatsVw                Mittelbare Staatsverwaltung
 • durch eigene Bundes- oder           Übertragung der Aufgabenerfüllung auf recht-
   Landesbehörden                      lich selbständige Personen
 • Zurechung der Tätigkeit zum        • öff.rechtl. Körperschaften, Anstalten,
   Staat (Beklagter, § 78 VwGO)         Stiftungen unter staatl. Aufsicht (z.B. Berufs-
                                        kammern, Unis, Sozialversicherungsträger)
                                      • Gemeinden, Landkreise (mittelbare Landes-
                                         verwaltung)
                                      • Beliehene: Übertragung von staatl. Vw-Auf-
                                        gaben auf selbständige Private (z.B. TÜV)


Wahrnehmung von Vw-Aufgaben in Privatrechtsform (z.B. GmbH, AG; Beherrschung
durch öffentlichen Verwaltungsträger, z.B. Bahn, öff. Ver- und Entsorgungsbetriebe)
                                                                                 13
Landesverwaltung im Land Rheinland-Pfalz
                               Landesverwaltung



     Unmittelbare Landesverwaltung                Mittelbare Landesverwaltung

Oberste Landes-          Sonderbehörden
behörden (Minist.)       der Landesver-
Obere Landes-            waltung (z.B.
behörden                 Landeskriminal-                            Landesunmit-
Struktur- u. Geneh-      amt, Verfassungs-                          telbare Körper-
migungsdirektionen,      schutz, Statistik)   Gemein-               schaften, Anstal-
                                                           Kreise
Aufsichts- u. Dienstl.                          den                 ten und Stiftun-
Direktion                                                           gen des öff.
- Regionale Ebene -                                                 Rechts

Untere Landes-
behörden                                                                    14
- Kreisverwaltung -
5. Das Recht der Verwaltung
• Das Verwaltungsrecht umfasst die Rechts-
  sätze, die spezifisch die Verwaltungstätig-
  keit, das Verwaltungsverfahren und die
  Verwaltungsorganisation regeln
• Abgrenzung Allg. und Besond. VwR
  – Allg. VwR: Regelungen, die grundsätzlich für
    alle Bereiche des VwR maßgeblich sind
  – Besond. VwR: Einzelne Tätigkeitsbereiche der
    Verwaltung, z.B. Bau-, Straßen-, Gewerbe-,
    Polizei-, Kommunal-, Umwelt-, Sozial-,
    Hochschulrecht (Bundes- und Landesgesetze) 15
Maßgebliche Rechtsnormen für das
                     Verwaltungshandeln

               Öffentliches Recht                                    Privatrecht

Staatsrecht              Verwaltungsrecht


                Allg. VwR            Besond. VwR



                                            Verwaltungsprivatrecht

Öff.-rechtl.                Privatrechtl.
Handlungs-                  Handlungs-                          Fiskalisches Handeln
formen                      formen

                                                         Privatrechtl.     Erwerbswirtschaftl.
Unmittelbare Erfüllung von Aufgaben                      Hilfsgeschäfte    Betätigung der
der öffentlichen Verwaltung
                                                                           Verwaltung 16
Regelungsbereiche Allgemeines VwR
– Maßgebliche Regelungen in den Verwaltungs-
  verfahrensgesetzen von Bund und Ländern
  (VwVfG) (z.B, Handlungsformen der Vw, Vw-
  Verfahren)
– Vw-Vollstreckung (Verwaltungsvoll-
  streckungsgesetze von Bund und Ländern)
– Allgemeines Vw-Prozessrecht (verwaltungs-
  gerichtliche Klagen, Widerspruchsverfahren,
  einstweiliger Rechtschutz -
  Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO)
– Staatshaftungsrecht
– Recht der öffentlichen Sachen (Straßen, Wege)17
6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht
• Praktische Relevanz der Abgrenzung:
  – Bestimmung des Rechtsweges (§ 40 I VwGO)
     • Rechtsweg zum Verwaltungsgericht und nicht zum
       Zivilgericht (privatrechtliche Streitigkeit, § 13 GVG)
  – Anwendbarkeit des VwVfG:
     • gilt gem. § 1 I VwVfG nur für öffentlich-rechtliche
       Verwaltungstätigkeit
  – Vorliegen eines Verwaltungsakts (§ 35 VwVfG)
    oder eines öff.-rechtl. Vertrags (§ 54 VwVfG)
     • jeweils Voraussetzung: Regelung auf dem Gebiet des
       öffentlichen Rechts
                                                             18
6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht
• Praktische Relevanz der Abgrenzung:
  – Verwaltungsvollstreckung
     • Behörden können Verwaltungsakte selbst
       durchsetzen, privatrechtliche Forderungen werden
       durch besondere staatliche Vollstreckungsorgane
       durchgesetzt (z.B. Gerichtsvollzieher)
  – Amtshaftung
     • Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB
     • Amtshaftungsansprüche greifen nur bei öffentlich-
       rechtlichem Handeln
     • für privatrechtliche, deliktische Schadensersatz-
       ansprüche (unerlaubte Handlungen) gilt § 823 BGB

                                                          19
6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht
• Abgrenzung nach h.M. nach der
  „modifizierten / neueren Subjektstheorie“
  – Wenn das durch den Rechtssatz berechtigte
    oder verpflichtete Subjekt ausschließlich ein
    Träger hoheitlicher Gewalt ist, so ist die
    betreffende Norm öffentlich-rechtlich
  – z.B. Baugenehmigung (§ 70 LBauO):
     • zwar ist auch der Bauherr berechtigt, verpflichtet
       aber zur Erteilung der Baugenehmigung ist
       ausschließlich die Baubehörde
  – Hinweis für Klausuren: Abgrenzung nur
    ansprechen, wenn ein Problem vorliegt                   20
6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht
• Problem: Zuordnung in Fällen, in denen das
  Handeln der Behörde nicht gesetzlich geregelt
  ist
  – Realakte (tatsächliche Handlungen ohne
    gesetzliche Grundlage):
     • z.B. Hinweise, Erklärungen, Unterhalten von öff.
       Einrichtungen, Beseitigung von Autowracks,
       Straßenbau,...)
     • Zuordnung zu öff. Recht oder Privatrecht nach dem
       Gesamtzusammenhang und nach der Zielsetzung:
       - Wahrnehmung hoheitl. Aufgaben > öff. Recht
       - Erledigung fiskalischer Hilfsgeschäfte > Privatrecht
                                                          21
6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht

 – Verlangen von Widerrufen und Unterlassungen
   bestimmter Äußerungen von Beamten
    • je nach der Funktion, in der der Beamte die
      Erklärung abgegeben hat
    > als Privatmann: Privatrecht
    > als Beamter bei privatrechtlichen
      Geschäftshandlungen für den Dienstherrn:
      Privatrecht, aber Zurechung zum Dienstherrn
    > als Beamter bei der Erfüllung hoheitlicher
      Aufgaben: öffentliches Recht


                                                    22
6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht
 – Ansprüche der öffentlichen Hand auf
   Rückzahlung von zu Unrecht gewährten
   Geldleistungen
    • Beurteilung nach Rechtsnatur des
      Leistungsverhältnisses
    > privatrechtliches Leistungsverhältnis (Vertrag o.ä.):
      Privatrecht, Anspruchsgrundlage:
      Bereicherungsanspruch nach § 812 ff. BGB
    > öff.-rechtliches Leistungsverhältnis (gewährter
      Bewilligungsbescheid o.ä.): öff. Recht, Anspruchs-
      grundlage: öff.-rechtl. Erstattungsanspruch;
      gesetzliche Spezialregelung für Aufhebung eines
      bewilligenden Bescheides: § 49 a VwVfG)
                                                          23
6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht
 – Hausverbot für störenden Besucher durch
   Behördenleiter
    • Handlung aus privatrechtlichen Besitz- und
      Eigentumsrechten (BGB): Privatrecht
    • Handeln aus öffentlich-rechtlicher Sachherrschaft:
      öffentliches Recht
    • Rechtsprechung: Zweck des Besuchs:
      privatrechtliche Geschäfte: Privatrecht;
      öff.-rechtliche Angelegenheiten: öff. Recht
    • h.M. Literatur: Zweck des Hausverbots
      entscheidend: Sicherung der Erfüllung öff.
      Aufgaben im Verwaltungsgebäude: immer öff.-
      rechtlich

                                                           24
Fall zur Abgrenzung von VwR und Privatrecht
E möchte sein Grundstück in der rheinland-pfälzischen
Gemeinde G mit einem 2-geschossigen Haus bebauen. Die
Gemeinde G hat aber Bedenken, da in dem Wohngebiet, für das
kein Bebauungsplan besteht, nur 1-geschossige Häuser stehen
und sich das Vorhaben daher nach § 34 BauGB nicht in die
vorhandene Bebauung einfüge.
G will aber schon seit langem eine Straße, die an das Grundstück
des E angrenzt, ausbauen und schlägt E daher einen „Deal“ in
Form eines notariellen „Kaufvertrages“ vor: E verkauft einen 20
m langen und 3 m breiten Streifen seines Grundstücks an G,
wobei die Parteien „davon ausgehen, dass Hindernisse für das
Bauvorhaben des E ausgeräumt werden“. E schlägt ein und G
verlangt die Übereignung des Grundstücksstreifens wegen des
anstehenden Straßenausbaus. Nun weigert sich E aber, da er den
                                                           25
Vertrag als „Kuhhandel und kalte Enteignung“ ansieht.
G verlegt dessen ungeachtet die Straßendecke auf das
Grundstück des E: E habe per Vertrag eingewilligt, unabhängig
von der Wirksamkeit des Vertrages.
E klagt nun vor dem Verwaltungsgericht und beantragt, die
Gemeinde zu verurteilen,
den Grundstücksstreifen zurückzugeben und den früheren
Zustand wieder herzustellen.

Wird E mit der Klage Erfolg haben ?




                                                          26
Falllösung
Hier Frage nach dem Erfolg einer verwaltungsgerichtlichen
  Klage:
Einstieg für die Falllösung immer mit Obersatz
Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und
  begründet ist.

I. Zulässigkeit der Klage
1. Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I VwGO

• Vw-Rechtsweg gegeben für öffentlich-rechtliche Streitigkeit
  nichtverfassungsrechtlicher Art
• Liegt hier eine öff.-rechtliche Streitigkeit vor ?
• Oder privatrechtliche Streitigkeit wegen des Kaufvertrags ?27
Falllösung
• Abgrenzung öff. Recht - Privatrecht
• Modifizierte Subjektstheorie ? Wird durch den einschlägigen
  Rechtssatz ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt
  berechtigt oder verpflichtet ?
• Maßstab hier: das Handeln der Behörde und das Begehren des
  Klägers E:
   – Rechtsgrundlage für das Handeln der Gemeinde (Beginn der
     Bauarbeiten auf dem Grundstück des E) ?
   – Keine gesetzliche Grundlage ersichtlich, Subjektstheorie für
     Einordnung einer Rechtsnorm hilft nicht weiter
• Hier keine Zuordnung einer Rechtsnorm, sondern Realakt der
  Behörde: Baumaßnahmen !
• Frage: Gesamtzusammenhang der Baumaßnahmen mit dem
  öffentlichen Recht oder dem Privatrecht ?
                                                                    28
Falllösung
• Straßenbau richtet sich nach dem Landesstraßengesetzen
  (Landesstraßengesetz Rh-Pf): öffentlich-rechtlicher
  Zusammenhang
• Auch wenn eine private Baufirma den Auftrag ausführt, bleibt
  Zuordnung öffentlich-rechtlich, da der Straßenbau auf einer
  hoheitlichen Entscheidung beruht.
• Frage hier aber: evtl. privatrechtliche Streitigkeit, da sich die
  Gemeinde das Grundstück des E durch einen Kaufvertrag
  besorgt hat ? Evtl. Rechtsweg vor das Zivilgericht ?
   – Inbesitznahme des Grundstücks durch G könnte auch eine
     privatrechtliche „verbotene Eigenmacht“ nach § 858 BGB sein
   – Ist der Kaufvertrag evtl. privatrechtlich einzustufen ?
   – Hier geht die Gemeinde aber nicht aus dem Vertrag vor (etwa durch
     Klage); sie handelt rein faktisch im Zusammenhang mit dem öff.-
     rechtlich einzuordnenden Straßenbau                             29
Falllösung
• Streitigkeit also öff.-rechtlich einzuordnen
• Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I VwGO gegeben

2. Statthafte Klageart
• nach dem Begehren des Klägers zu prüfen
• hier kein Verwaltungsakt (z.B. Bescheid o.ä.) der Gemeinde
   (§ 35 VwVfG), sondern Abwehr eines Realakts der Gemeinde
   und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands
• keine Anfechtungsklage (§ 42 I VwGO) auf Aufhebung eines
   belastenden VA, sondern allgemeine Leistungsklage

3. Klagebefugnis (§ 42 II VwGO analog)
• Möglichkeit einer Rechtsverletzung
   – hier: evtl. Verletzung Art. 14 I GG, Eigentumsgarantie
   – weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben.
                                                              30
Falllösung
II. Begründetheit der Klage
Klage ist begründet, wenn E einen Anspruch auf Rückgabe des
  Grundstücksstreifens und Wiederherstellung des
  ursprünglichen Zustands hat.
• Anspruchsgrundlage hier: Folgenbeseitigungsanspruch (FBA)
   – Allg. rechtsstaatlicher Anspruch: rechtswidriges Handeln der Behörde
     muss rückgängig gemacht werden
• Voraussetzungen:
   – hoheitliche Maßnahme: hier Realakt der G, Inanspruchnahme des
     Grundstücks des E zum Straßenbau
   – rechtswidriger Eingriff ?
   – Hier (+), Vertrag berechtigt nicht zur einseitigen Vorgehensweise;
     ausdrückliche Einwilligung liegt nicht vor, jedenfalls aber von E
     widerrufen
   – E hat einen FBA gegen G                                            31
Falllösung
II. Ergebnis
Klage ist begründet, da E einen Folgenbeseitigungsanspruch auf
  Rückgabe des Grundstücksstreifens und Wiederherstellung
  des ursprünglichen Zustands hat.

Anmerkung:
  Im vorliegenden Fall kann E auch den Vertrag vom Gericht
  prüfen lassen (Feststellungsklage nach § 43 I VwGO). Im
  Ergebnis ist der Vertrag als öffentlich-rechtlicher Vertrag
  nach § 56 VwVfG einzustufen (öff.-rechtlicher Zusammen-
  hang mit Baugenehmigung). Eine inhaltliche Kopplung von
  Straßenbau und Bauplanungsrecht ist aber in öff.-rechtlichen
  Verträgen unzulässig (Kopplungsverbot). Der Vertrag ist
  nichtig.

                                                            32
Abgrenzung von VwR und Privatrecht
– Literaturhinweis:

– Maurer, Allg. VwR, § 3 Rn. 12 ff., 20 ff.
– Schmalz, Allg. VwR, 3. Aufl., S. 37 ff., 75 f
  (Übersichten)




                                                  33
7. Privatrechtliches Handeln der Verwaltung
• Grundsätzlich handelt die Verwaltung öff.-rechtlich, in
  Teilbereichen - ausschließlich oder alternativ - aber
  auch in privatrechtlichen Handlungsformen
   – Privatrechtliche Hilfsgeschäfte der Verwaltung
      • vor allem Beschaffungsverwaltung
   – Erwerbswirtschaftliche Betätigung der Verwaltung
      • Öffentliche Hand als Teilnehmer am privatrechtlich
        geregelten Wirtschaftsleben
   – Vermögensverwaltung
   – Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben in den
     Formen des Privatrechts
      • vor allem bei Leistungen der Daseinsvorsorge         34
Privatrechtliches Handeln der Verwaltung

                                                   Verwaltungsprivatrecht
             Rein fiskalisches Handeln
                                                   Erfüllung öff. Aufgaben in
     wirtschaftliche Tätigkeiten auf dem Markt
                                                        Privatrechtsform




Privatrechtl.      Erwerbswirt-      Vermögens-
Hilfsgeschäfte     schaftliche       verwaltung
(Staat als         Betätigung        (Staat als
Kunde)             der Verwal-       Eigentümer)
                   tung
                   (Staat als
                   Unternehmer)

                                                                          35
7.1 Privatrechtliche Hilfsgeschäfte der Vw
   • Beschaffungsverwaltung: „Staat als Kunde“
     (Büromaterial, KfZ, Grundstücke etc.) durch Abschluss
     privatrechtlicher Verträge (z.B. Kauf-, Miet-,
     Werkverträge)
   • Wichtig: Grundsätzliche Pflicht der öffentlichen Hand
     zur Ausschreibung von Beschaffungsverträgen ab
     bestimmten Größenordnungen (Schwellenwerte; ab
     bestimmten Schwellenwerten aufgrund von EU-Recht:
     europaweite Ausschreibung durch öff. Körperschaften
     und auch durch öff. beherrschte Unternehmen
      – öff. Vergaberecht ! Gesetz gegen Wettbewerbsbeschrän-
        kungen (GWB i.V.m Vergabe-Verordnung; unterhalb EU-
        Schwellenwerte: Bundes-/Landeshaushaltsgesetze/
        Gemeinde-haushaltsVO i.V.m. Verdingungsordnungen
        (VOB/VOL)
                                                                36
   • Zuständigkeit bei Streitfällen: Zivilgerichte
7.2 Erwerbswirtschaftliche Betätigung der
             Verwaltung
– „Staat als Unternehmer“ über Beteiligungen an Unternehmen
  (z.B. Spielbanken, DB AG, VW, staatlichen
  Porzellanmanufakturen, Brauereien, Banken)
– Geltung des Privatrechts für die Betätigung auf dem Markt
  und im Wettbewerb (Handelsgesetzbuch - HGB,
  Aktiengesetz- AktG, Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb -
  UWG, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB)
– Sonderbereich: Gemeindewirtschaft nach den Regelungen der
  GemO; z.T. beschränkende Regelungen für die Betätigung
  kommunaler Unternehmen (öffentlicher Zweck, Subsidiarität
  gegenüber Privaten, Örtlichkeitsprinzip)
                                                       37
7.3 Privatrechtliche Vermögensverwaltung
 – „Staat als Eigentümer“ von Vermögensgegenständen
   (Grundstücke, KfZ etc.)
 – Soweit die Vermögensgegenstände nicht zur Erfüllung
   öffentlicher Aufgaben benötigt werden, kommt eine
   privatwirtschaftliche Nutzung in Betracht, z.B.:
    • Vermietung oder Verpachtung kommunaleigener Räume oder
      Grundstücke (Ratskeller u.ä., Flächen für gewerbliche Zwecke, z.B.
      Fitnessstudio auf Parkhaus-Dach)
    • Kommunales Eigentum als Werbeflächen (Gebäude, Stadien, Busse
      etc.)
    • aber ggf. Grenzen des Kommunalwirtschaftsrechts zu beachten
      (Beschränkung kommunaler Wirtschaft nach den GemO der Länder;
      Konkurrenz zu privater Wirtschaft)
 – Pflicht zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung
   (GemO der Länder)                                               38
7. 4 Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben
       in den Formen des Privatrechts
   – Ordnungsverwaltung und Abgabenverwaltung:
      • hoheitliche Befugnisse des öff. Rechts unverzichtbar
        (Zwangsmittel, Bescheide)
   – Leistungsverwaltung:
      • wo keine öff.-rechtl.Vorschriften für die Erbringung
        öff. Leistungen bestehen, besteht Wahlfreiheit:
        Erbringung der Leistung in öff.-rechtl. oder
        privatrechtl. Form
      • sowohl hinsichtlich der Organisationsform als auch
        hinsichtlich der Ausgestaltung des Leistungs- und
        Benutzungsverhältnisses
         – z.B. Öff. Unternehmen der Ver- und Entsorgung: Energie,
           Wasser, Verkehr (Stadtwerke, Wasserwerke)            39
7.5 Wahlmöglichkeiten in den Formen des
    Öffentlichen und des Privatrechts
                             Gemeinde
                         betreibt Wasserwerk




 öff.-rechtl Organisationsform           privatrechtl Organisationsform
  (z.B. Eigenbetrieb, Anstalt)                  (z.B. GmbH, AG)


  • öffentlich- oder                               • privatrechtliches
    privatrechtliches                                Benutzungsverhältnis
    Benutzungsver-                                   (Rechnungen, Entgelte)
    hältnis

                    Bürger                     Bürger/Kunde
                                                                              40
Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben
    in den Formen des Privatrechts
  • Öff.-rechtl. Organisationsformen (Anstalt des öff.
    Rechts, Regiebetrieb, Eigenbetrieb nach Landesrecht)
  • Privatrechtl. Organisationsformen (GmbH, AG, letztere
    zum Teil subsidiär nach Landesrecht)
  • Für den Bereich der Kommunalwirtschaft: besondere
    Vorschriften in den Gemeindeordnungen der Länder,
    Sicherung des kommunalen Einflusses und der
    Entscheidungssteuerung in kommunalen Unternehmen
    in Privatrechtsform
     – Kontrollfunktionen des Aufsichtsrates bei kommunalen
       GmbH
     – Jahresberichte, Rechnungslegung
     – Beteiligungscontrolling (in der Praxis noch defizitär)   41
7.6 Die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht
• Vw-Privatrecht: öff.-rechtlich überlagertes und
  gebundenes Privatrecht, das der Vw für das
  Handeln zur Verfügung steht
   – Auch in Privatrechtsform nimmt die Vw
     öffentliche/staatl. Aufgaben wahr, unmittelbare
     Leistungen für den Bürger
   – Auch bei privatrechtlichem Handeln ist die Vw an öff.-
     rechtl. Grundsätze gebunden, diesen Bindungen darf sie
     sich nicht durch eine „Flucht ins Privatrecht“ entziehen;
     keine uneingeschränkte Privatautonomie
   – Rechtsweg bei Streitigkeiten aus dem Vw-Privatrecht:
     Zivilgericht (§ 13 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG)
      • auch wenn Kläger seinen Anspruch auf Art. 3 I GG stützt
                                                                  42
Öff.-rechtl. Bindungen der Verwaltung
 beim Handeln nach Vw-Privatrecht
 – Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und
   Beachtung der Grundrechte: Art. 1 ff. GG, insbesondere
   Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I GG, z.B.:
    • keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung bei Tarifgestaltung
      bei kommunal beherrschter Straßenbahn (keine Aussparung von
      Privatschülern oder ausländischen Schülern - BGHZ 52, 325);
    • ordnungsgemäße Staffelung von Kindergartenentgelten (OVG
      Lüneburg, NVwZ 1990, 91);
    • gleichheitliche Vergabe von Siedlungsland (BGHZ 29, 76)
    • Beachtung von Art. 3 I GG auf dem Gebiet der Wasserversorgung
      (BGHZ 65, 284, 287)
 – Wahrung der öff.-rechtl. Zuständigkeitsordnung
    • z.B. kein privatrechtlicher Betrieb eines Bundes-Fernsehens, da
      dies in die Kompetenzen der Länder fällt (BVerfGE 12, 205, 246)
                                                                   43
Öff.-rechtl. Bindungen der Verwaltung
 beim Handeln nach Vw-Privatrecht
 – Einhaltung der Grundsätze für die Abgabenerhebung
   (entsprechend Kommunalabgabengesetzen - KAG - der
   Länder) bei Erhebung privatrechtlicher Entgelte
    • Einhaltung des Kostendeckungsprinzips (nicht mehr Einnahmen
      als Kostendeckung erfordert) und Äquivalenzprinzips (Höhe der
      Abgabe muss dem Vorteil des Pflichtigen entsprechen)
 – Bei privatrechtlichen vertraglichen Vereinbarungen:
   Beachtung des Kopplungsverbots analog § 59 II Nr. 4
   VwVfG
    • Gegenleistungen, auf die ein gesetzlicher Anspruch besteht,
      dürfen nicht im Vertrag gefordert werden; keine Kopplung von
      Leistung und Gegenleistung, die nicht im sachlichen Zusammen-
      hang stehen, (z.B. Stadt verpflichtet sich zur Rücknahme eines
      Bußgeldbescheides, falls ein Grundstück an die Gemeinde
      verkauft wird).                                              44
7.7 VwR und Privatrecht bei der
    Gewährung staatlicher Leistungen
• Einstufung des Rechtsverhältnisses als öff.-
  oder privatrechtlich nach der „Zwei-Stufen-
  Theorie“
  – Praktische Relevanz vor allem: Subventionen und
    Benutzung öffentlicher Einrichtungen (Stadt- und
    Sporthallen, Bäder, Bibliotheken,...)
  – Inhalt der „Zwei-Stufen-Theorie:
     • Rechtsverhältnis auf der 1. Stufe (Grundverhältnis):
       öffentliches Recht
     • Rechtsverhältnis auf der 2. Stufe
       (Abwicklungsverhältnis): Privatrecht               45
Rechtliche Einstufung von Subventionen
   nach der „Zwei-Stufen-Theorie“
• 1. Stufe: Frage nach dem „ob“ der Subvention:
  Erhält der Antragsteller die staatliche Förderung?
  > Öffentlich-rechtliche Frage;
      evtl. Klage vor dem Verwaltungsgericht
• 2. Stufe: Abwicklung der Subventionsmaßnahme:
   > Nach privatem Recht, wenn die Maßnahme über
      private Einrichtungen durch Vertrag abgewickelt
      wird (Darlehensvertrag, Bürgschaft etc.);
      evtl. Klage vor dem Zivilgericht

   – Falls auch die Abwicklung öff.-rechtlich erfolgt, so liegt nur ein 1-
     stufiges öff.-rechtl. Rechtsverhältnis vor (z.B. Bewilligungsbescheid
     oder Verwaltungsvertrag für Zuschüsse wie Filmförderung etc.)
                                                                      46
Rechtliche Einstufung der Benutzung
  öffentlicher Einrichtungen nach der
         „Zwei-Stufen-Theorie“
• 1. Stufe: Frage nach dem „ob“ der Benutzung:
  Darf der Antragsteller die öff. Einrichtung benutzen?
  > Öffentlich-rechtliche Frage (Grundverhältnis)
   – evtl. Klage vor dem Verwaltungsgericht
   – wird Einrichtung von öff. Unternehmen in Privatrechts-
     form betrieben (z.B. kommunale GmbH): Anspruch gegen
     Körperschaft (z.B. Kommune) auf Einwirkung auf das
     Unternehmen)
   – bei direkter Klage gegen das öff. Unternehmen in
     Privatrechtsform: Klage vor dem Zivilgericht (vgl. BVwG
     NVwZ 1991, 59)                                       47
• 2. Stufe: Benutzungsverhältnis:
  > Wahlrecht zwischen öff.- oder privatrechtlicher
      Ausgestaltung (soweit keine zwingende gesetz-
      liche Regelung)
   – Indiz für privatrechtliche Ausgestaltung:
      • Einrichtung wird von juristischer Person des
        Privatrechts betrieben (GmbH, AG)
      • privatrechtl. Benutzungsverträge mit Allgemeinen
        Geschäftsbedingungen (AGB);
      • Berechnung privater Entgelte für die Benutzung
   – Indiz für öff.-rechtliche Ausgestaltung:
      • Benutzungsverhältnis per Satzung geregelt
      • Erhebung von Gebühren für die Benutzung
                                                           48
7. 8 Privatisierung der Verwaltungstätigkeit
• Aktuelle Diskussion und Trends in der Praxis
   – Hintergründe: Diskussion um „schlanken Staat“, „Koope-
     rativer Staat“, „Deregulierung“, „Verwaltungsmoderni-
     sierung“, Kosten der Verwaltung, „Verwaltungseffizienz“
   – Privatisierungen auf allen Vw-Ebenen: Bund (staatseigene
     Betriebe - Bahn, Post, Telekom), Länder (Bildung von
     landeseigenen Gesellschaften, z.T. mit privater Beteiligung
     (Flughäfen, Landesentwicklungs-, Sonderabfallgesellschaf-
     ten), Kommunen (in nahezu allen Bereichen der kommu-
     nalen Aufgaben von Abfallwirtschaft bis Theater)
   – Privatisierung auf der gesetzlichen Ebene:
      • Bahn- und Postgesetze; Energiewirtschaft (Liberalisierung, EnWG);
        Wasserwirtschaft: § 18 a Abs. 2 WHG (vgl. auch §§ 52 Abs. 1 S. 3,
        46 a LWG), Abfallwirtschaft (§ 16 Abs. 2 KrW-/AbfG)
                                                                    49
Unterscheidung von Privatisierungsformen


                                                      Materielle Privatisierung
            Formelle Privatisierung
                                                    („Aufgabenprivatisierung“)




Organisations-       Funktionale               Verwaltungs-Ebene Gesetzes-Ebene
privatisierung       Privatisierung            Vollständige Abgabe   Regelungen zur
öff.-rechtl. Form    Einschaltung eines        der Vw-Aufgabe an     Übertragung hoheit-
wird zu privat-      privaten Erfüllungs-      Private;              licher Aufgaben
rechtl. Form         gehilfen zur Erledigung   Veräußerung des       auf Private
                     von Vw-Aufgaben           öff. Unternehmens

                                Vermögensprivatisierung
                          Teilweise oder vollständige Veräußerung
                                                                                50
                               von Vw-Vermögen an Private
8. Rechtsquellen und Rechtsnormen des
          Verwaltungsrechts
• Rechtsquellen = Formen, in die Rechtsnormen
  gefasst sind
• Rechtsnormen = Rechtssätze des Außenrechts
  – Außenwirkung für den Bürger über den Vw-internen
    Bereich hinaus
  – in Abgrenzung zum Innenrecht (Regeln innerhalb eines
    Vw-Trägers, Beziehungen zwischen Vw-Organen und
    Vw-Träger, z.B. Geschäftsordnungen, Vw-Vorschrif-
    ten)
  – Rechtsnorm, Rechtssatz und Gesetz im materiellen
    Sinn sind synonyme Begriffe
                                                       51
8. 1 Rechtsquellen des Verwaltungsrechts
                        Europäisches Gemeinschaftsrecht


                    Grundsätzlicher Anwendungsvorrang


               Rechtsquellen des deutschen Verwaltungsrechts


Geschriebenes Recht in der Normen-                 Ungeschriebenes Recht
            hierarchie:
         Grundgesetz (GG)
      formelles Bundesgesetz
    Bundesrechtliche Verordnung
     Bundesrechtliche Satzung
                                               Allgemeine       Gewohnheits-
            Art. 31 GG
   (Bundesrecht bricht Landesrecht)            Rechtsgrund-     recht
         Landesverfassung
                                               sätze            (auf allen Rang-
      formelles Landesgesetz
                                                                stufen der Nor-
    Landesrechtliche Verordnung                                 menhierarchie)
     Landesrechtliche Satzung                                              52
Rechtsquellen des Verwaltungsrechts
• Formelle Gesetze
   – von verfassungsrechtl. vorgesehenen Organen in
     Gesetzgebungsverfahren erlassen, d.h. Parlamentsgesetze
• Materielle Gesetze
   – Jede allgemeinverbindliche Rechtsnorm mit Außenwirkung
• Rechtsverordnungen
   – untergesetzliche Rechtsnormen, von der Exekutive erlassen
     (Regierung, oberste Vw-behörden, vgl. Art. 80 GG), z.B.
     StraßenverkehrsO, BImSchVO
• Satzungen
   – untergesetzliche Rechtsnormen, von jur. Person des öff.
     Rechts kraft Satzungsautonomie erlassen, z.B. kommunale
     Satzungen                                              53
8.2 Das Verwaltungsverfahrensgesetz als
      Hauptquelle des Allgemeinen
           Verwaltungsrechts
• VwVfG des Bundes (für Bundesbehörden) und der
  Länder (für Landesbehörden), inhaltlich kaum
  Unterschiede
   – Grundlegende Regelungen zum
     • Verwaltungsverfahren (z.B. Antrag, Anhörung,
       Akteneinsicht, Befangenheit, Planfeststellungs-
       verfahren)
     • Folgen von Verfahrensfehlern; Aufhebung von
       Verwaltungsakten
     • Handlungsformen der Vw (z.B. Verwaltungsakt, öff.-
       rechtl. Vertrag)                                 54
9. Grundsätze des Verwaltungsrechts
 9.1 Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der
              Verwaltung
      Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 III GG)



  Vorrang des Gesetzes              Vorbehalt des Gesetzes


– Vorrang des Gesetzes
   • formelle Gesetze gehen allen anderen staatlichen Maßnahmen vor
   • jegliches Vw-Handeln ist an das Gesetz gebunden
– Vorbehalt des Gesetzes
   • Eingriff der Exekutive und Verwaltung in Freiheit und Eigentum
     der Bürger (Grundrechte !) bedürfen einer gesetzlichen Grundlage
                                                                 55
9.2 Vorbehalt des Gesetzes
• Ausfluss aus dem Demokratieprinzip (Art. 20 I, II 1 2.
  Hs. GG)
   – die unmittelbar gewählte und damit legitimierte
     Volksvertretung trifft die wesentlichen Entscheidungen
• und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG)
   – die rechtlichen Beziehungen zwischen Staat und Bürger
     werden durch allgemeine Gesetze geregelt
   – Vw-Handeln soll gesetzlich gesteuert, für den Bürger
     voraussehbar und berechenbar werden
• Parlamentsvorbehalt:
   – BVerfG: Gesetzgeber muss in wesentlichen Bereichen - vor
     allem in denen der Grundrechtsausübung - die wesentlichen
     Entscheidungen selbst treffen (Wesentlichkeitstheorie) 56
9.3 Weitere Grundsätze des Vw-Handelns
• Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
  – Rechtsstaatlicher Grundsatz
     • z.T. gesetzliche Ausprägungen, z.B. § 2 Polizei- und
       OrdnungsbehördenG RhPf
  – Die Vw-Maßnahme muss
     • geeignet sein, den angestrebten Zweck zu erreichen
     • erforderlich sein (d.h., das mildeste Mittel sein, das den
       Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten
       beeinträchtigt)
     • angemessen sein (d.h., die Maßnahme muss zur
       Erreichung des Zwecks in einem angemessenen
       Verhältnis stehen; Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn)
                                                              57
9.3 Weitere Grundsätze des Vw-Handelns
• Grundsatz des Vertrauensschutzes
   – Aus den Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip
     abgeleitet
   – Der Bürger darf auf den Fortbestand einer ihn betreffenden
     Entscheidung und deren Rechtsfolgen vertrauen
      • z.B. Aufhebung von Verwaltungsakten: Widerruf rechtmäßiger
        begünstigender VA, die Geldleistung gewähren, nur gegen
        Entschädigung (§ 49 VI VwVfG)
• Grundsatz der Unparteilichkeit und Gleichbehandlung
   – unpolitische und unparteiische Verwaltung
   – §§ 20, 21 VwVfG: Ausschluss von bestimmten Personen
     vom Vw-Verfahren und Besorgnis der Befangenheit
• Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit
   – z.B. Gemeindeordnungen der Länder, § 93 II GemO RhPf
                                                                     58
10. Gesetzesbindung der Verwaltung

• Verwaltung ist Gesetzesvollzug in Stufen
  – Ermittlung des zu regelnden Sachverhalts
  – Subsumtion des Sachverhalts unter die
    einschlägigen gesetzlichen Tatbestände
  – Auslegung und Feststellung der gesetzlichen
    Rechtsfolgenbestimmung
  – Rechtsfolgen-Entscheidung der
    Verwaltungsbehörde

                                                  59
Gesetzesvollzug der Verwaltung
                                           Rechtsnorm


              Tatbestand des Gesetzes                     Gesetzliche Rechtsfolge




Sprachlich       unbestimm-       inhaltlich unbe-                        Wahl
und inhalt-      ter, aber        stimmter                                zwischen
                                                          Eindeutige
lich             bestimm-         Gesetzesbegriff                         mehreren
                                                          Rechtsfolge
bestimmter       barer            mit sog.                                Rechtsfolgen
Gesetzes-        Rechts-          Beurteilungs-                           (Ermessen)
begriff          begriff          spielraum


                Problematik des unbestimmten Rechts-      Gebundene      Frage des Verwaltungs-
                begriffs und des Beurteilungsspielraums                               60
                                                          Entscheidung   ermessens
11. Unbestimmter Rechtsbegriff und
        Beurteilungsspielraum der Vw
• Das Problem: Darf die Vw unbestimmte Rechtsbegriffe selbst
  auslegen, ohne dass die Gerichte dies nachprüfen können und
  ihre Entscheidung an die Stelle der Vw-Entscheidung setzen?
  (str.)
   – z.T. Lit.-Meinung: vom Gesetzgeber gewollter eingeräumter
     eigenverantwortlicher Spielraum der Vw; nur eingeschränkt gerichtlich
     überprüfbar
   – z.T.: nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum nur da, wo der
     Gesetzgeber die Behörde zur abschließenden Beurteilung ermächtigt
     habe
   – Rspr.: auch unbestimmte Rechtsbegriffe sind voll überprüfbar
     (Argument: Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 IV GG), mit
     Ausnahme von höchstpersönlichen oder situationsbezogenen
     Beurteilungen, z.B.:
                                                                     61
Eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum der
        Verwaltung nach der Rechtsprechung
– Prüfungsentscheidungen (bei Relevanz für den Berufszu-
  gang aber fachwissenschaftliche Richtigkeitskontrolle
  möglich, wegen Art. 12 I, 3 I und 19 IV GG)
– Prüfungsähnliche Entscheidungen (Führerschein,
  Schülerversetzung)
– Beamtenrechtliche Beurteilungen (Eignung, Befähigung,
  fachliche Leistung)
– Wertende Entscheidungen durch Sachverständigenaus-
  schüsse (z.B. Indizierung jugendgefährdender Schriften,
  Bundesprüfstelle)
– Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen in
  komplexen Fachgebieten, insbesondere Wirtschaft- und
  Umweltrecht (Immissionsrisiken,Prognose für Taxigewerbe)62
Eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum der
         Verwaltung nach der Rechtsprechung

• Verwaltungsgerichtliche Prüfung aber immer möglich
  hinsichtlich:
  – Richtigkeit der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs;
    Wahrung der normativen Grenzen des Beurteilungsspielraums
  – Beachtung der allg. rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätze
    (z.B. keine Befangenheit der Vw; Anhörungsrechte)
  – Zugrundelegung der richtigen Sachverhalts
  – Beachtung allgemeiner Bewertungsgrundsätze (z.B.
    vertretbare Lösungen nicht falsch); Vermeidung sachfremder
    Erwägungen
  – Wahrung der verfassungsrechtlichen Anforderungen (z.B.
    Chancengleichheit nach Art. 3 I GG)                     63
Fall zum Beurteilungsspielraum der Vw
Der A-Verlag hat eine Taschenbuchausgabe des Buches „Das
wilde Leben der Chantal O“ herausgebracht. Kurz nach
Erscheinen nimmt die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende
Medien, die gem. §§ 17 und 24 des Jugendschutzgesetzes
(JuSchG) die Jugendgefährdung überprüft, das Buch in die Liste
jugendgefährdender Schriften auf (Indizierung). Diese
Entscheidung traf ein pluralistisch zusammengesetztes Gremium
gem. § 19 JuSchG. Das Buch sei schwer jugendgefährdend, da
der sexuelle Inhalt alle menschlichen Bezüge im Buch
verdränge. Gestützt auf ein Gutachten hatte das Gremium
entschieden, das Buch könne als pornographisches Buch nicht
als „Kunstwerk“ angesehen werden. Der A-Verlag klagt nach
erfolglosem Widerspruch gegen die Indizierung vor dem
Verwaltungsgericht. Erfolgreich ?
                                                          64
Falllösung
> Hier Frage nach dem Erfolg einer verwaltungsgerichtlichen
  Klage:
Einstieg für die Falllösung immer mit Obersatz
Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und
  begründet ist.

I. Zulässigkeit der Klage
• Hier kein Problem in der Zulässigkeit:
   – Vw-Rechtsweg § 40 VwGO (+)
   – Statthafte Klageart: Anfechtungsklage gegen belastenden VA
     (Indizierung) nach § 42 I VwGO
   – Klagebefugnis (§ 42 II VwGO): Mögliche Rechtsverletzung des
     Verlages in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit (Verlagsrechte aus Art.
     14 I GG, eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb)
                                                                        65
II. Begründetheit der Klage
  Anfechtungsklage ist begründet, wenn der Verwaltungsakt
  (Indizierung) rechtswidrig ist und der A-Verlag in seinen
  Rechten verletzt ist (§ 113 I 1 VwGO).
1. Frage: Darf das VG den Sachverhalt überhaupt gerichtlich
   überprüfen? Besteht hier ein nicht überprüfbarer
   Beurteilungsspielraum der Verwaltung (hier dem
   Kontrollgremium)?
• Hier einschlägige Norm: § 18 JuSchG: Eignung – hier: der
   Schriften – zur Jugendgefährdung (eigenverantwortliche und
   gemeinschaftsfähige Persönlichkeit)
• Unbestimmter Rechtsbegriff ! Nach der Rechtsprechung
   grundsätzlich unbeschränkt überprüfbar
• Hier aber Ausnahme-Fall eingeschränkter Nachprüfbarkeit ?
                                                              66
II. Begründetheit der Klage
• Hier Fallgruppe „Entscheidungen, die von persönlicher
  Wertung abhängen/ wertende Entscheidungen durch
  Sachverständigenausschüsse“
• JuSchG hat einem weisungsfreien Gremium die Entscheidung
  zur Indizierung übertragen, hier besteht also ein nur
  eingeschränkt vom VG überprüfbarer Beurteilungsspielraum
• Zu überprüfen allerdings: verfassungsrechtliche Beurteilung
  des Gremiums:
   – hier Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 III GG
   – BVerfG NJW 1991, 1471: weiter Kunstbegriff: auch
     Pornographie kann Kunst sein; entscheidend: Werk als
     Ergebnis freier schöpferischer Gestaltung als Ausdruck der
     individuellen Persönlichkeit des Künstlers; etwaige
     negative Auswirkungen für die Einordnung irrelevant 67
• Abwägung zwischen Belangen des Jugendschutzes und der
  Kunstfreiheit hat zu erfolgen, verfassungsrechtlicher
  Ausgleich muss von Gerichten überprüft werden können
• Konsequenz für den Fall:
   – kein Beurteilungsspielraum der Bundesprüfstelle hinsichtlich der
     Feststellung der Schwere der Jugendgefährdung und dem Schutz der
     Kunstfreiheit
   – keine Nachprüfung hinsichtlich der Abwägung der widerstreitenden
     Belange durch die Prüfstelle (Abwägungsvorgang); Argument:
     Prüfstelle ist kraft Gesetzes genau für diese Tätigkeit pluralistisch
     zusammengesetzt und daher sachkundig (BVerwG NJW 1999, 75)
   – hier hat die Prüfstelle aber überhaupt nicht abgewogen, da sie das
     Werk von vornherein nicht für „Kunst“ im Sinne des Art. 5 III GG
     hielt; Entscheidung ist fehlerhaft.
• Ergebnis: A-Verlag ist durch die fehlerhafte Entscheidung in
  seinen Rechten aus Art. 14 I GG verletzt; Anfechtungsklage
  des Verlags ist begründet. Das VG hebt die Entscheidung der
  Prüfstelle mit dem Urteil auf.                            68
12. Das Ermessen der Verwaltung
• Verwaltungsermessen: gesetzlicher Tatbestand erfüllt, und die
  Vw kann zwischen mehreren Rechtsfolgen wählen
• Unterscheidung:
   – Ermessen über das „Ob“ der Vw-Entscheidung:
      Entschließungsermessen
   – Ermessen über die Wahl mehrerer möglicher
      Rechtsfolgemaßnahmen: Auswahlermessen
• Hinweise auf Vw-Ermessen im Gesetz: Formulierungen wie
  „..., kann...“, „..., darf...“, „..., ist befugt,...“
• Sonderfall: „Soll-Vorschriften“: Behörde ist in der Regel zum
  Handeln verpflichtet, Abweichungen in atypischen Fällen
  möglich
                                                            69
Ermessensbindung der Verwaltung
• Zentrale Normen: § 40 VwVfG (Ermessen im Vw-Verfahren)
  und § 114 S. 1 VwGO (Ermessensüberprüfung im Vw-Prozess)
• Ermessensentscheidung ist rechtswidrig, wenn
   – die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten
     worden sind (§ 40, Var. 2 VwVfG),
      • z.B.: Gesetz erlaubt nur Betriebsuntersagung, nicht aber den Abriss
        der Anlage
   – dem Zweck der Ermessensermächtigung nicht entsprochen
     wurde (Ermessensmiss- oder -fehlgebrauch)
      • falsche Tatsachen zugrundegelegt, unsachliche Kriterien,
        wirtschaftliche Gegenleistungen für Vw-Handeln,
        unverhältnismäßiges Verhalten
      • z.B.: Messfehler und nachträgliche Anordnungen nach BImSchG,
        Passentzug wegen persönlicher Streitereien
                                                                       70
Ermessensbindung der Verwaltung
  – Ermessensentscheidung ist rechtswidrig, wenn die Behörde
    überhaupt keinen Gebrauch vom Ermessen macht
    (Ermessensunterschreitung oder -nichtgebrauch)
     • Behörde verkennt, dass sie überhaupt Ermessen hat
     • z.B. Untersagung eines Gewerbes, obwohl die Möglichkeit für
       Auflagen besteht


• Sonderfall: Ermessensschrumpfung/ Ermessensredu-
  zierung auf Null
  – Insbesondere bei der Einwirkung von Grundrechten
  – z.B.: Erteilung von straßenrechtlicher Sondernutzungser-
    laubnis zu Zeiten des Wahlkampfes; polizeiliche
    Gefahrenabwehr bei drohenden Gesundheitsverletzungen
                                                                     71
Fall zum Ermessen der Vw
B entschließt sich, sein Haus umzubauen und eine Buchhandlung
einzurichten. Nachdem er von der Bauaufsichtsbehörde die
beantragte Baugenehmigung erhalten hat, beantragt B die
Erlaub-nis zur Errichtung eines für den Umbau notwendigen
Baugerüsts auf dem Bürgersteig direkt vor seinem Haus. Die
zuständige Straßenbaubehörde der Stadt lehnt den Antrag mit der
Begrün-dung ab, der Verkehr werde während des Baus zu stark
behin-dert. Die Buchhandlung könne auch ohne den Umbau im
Haus eingerichtet werden. Den Fußgängern sei es zudem nicht
zuzu-muten, auf die Fahrbahn auszuweichen. Die Stadt habe
zwar in vergleichbaren Fällen stets eine Erlaubnis erteilt.
Mittlerweile sei aber - so die nicht näher belegte Behauptung der
Stadt - der Ver-kehr so stark angestiegen, dass Gerüstbauten auf
öffentlichen Wegen nur noch bei besonders wichtigen
Bauvorhaben geneh-migt würden. Kann B erfolgreich rechtliche 72
Schritte einleiten ?
Falllösung
• Vorüberlegung: Hier Frage nach möglichen rechtlichen
  Schritten zur Realisierung des Begehrens des B (Gerüst auf
  dem Bürgersteig für den Umbau des Hauses)
   – verwaltungsgerichtliche Klage?
• Einstieg für die Falllösung immer mit Obersatz
  B könnte sein Begehren rechtlich durchsetzen, wenn eine
  verwaltungsgerichtliche Klage zulässig und begründet
  wäre.
I. Zulässigkeit der Klage
1. Vw-Rechtsweg (§ 40 VwGO)
    – öff.-rechtl. Streitigkeit nichtverfassungsrechtl. Art
    – Streitentscheidende Normen aus dem öff. Vw-Recht ?
                                                              73
I. Zulässigkeit der Klage
1. Vw-Rechtsweg (§ 40 VwGO)
    – hier Ablehnung der Beantragung eines Baugerüsts auf
      öffentlichem Gehweg/Straßenraum: > öff. Straßen- und
      Wegerecht, > Straßengesetz RhPf
    – nach § 45 I RhPf StrG zivilrechtliche Sache, wenn B eine
      Benutzung verweigert wird, die den den Gemeingebrauch
      der Straße nicht beeinträchtigt
    – hier aber Inanspruchnahme von öff. Bürgersteig, also
      vorübergehender Ausschluss des Gemeingebrauchs (§ 34
      III RhPf StrG), also auch öff.-rechtl. Belange berührt
    – Ablehnung des Antrags ist Maßnahme auf dem Gebiet des
      öff. Rechts mit Außenwirkung für B = Verwaltungsakt
      nach § 35 VwVfG
    – Vw-Rechtsweg nach § 40 I VwGO (+)
                                                           74
I. Zulässigkeit der Klage
2. Statthafte Klageart
   – ausgehen vom Begehren des B: Was will B erreichen ?
   – Erlaubnis für die Aufstellung des Gerüsts; also einen ihn
     begünstigenden VA
   – hierfür ist die Verpflichtungsklage nach § 42 I 2. Alt.
     VwGO die richtige Klageart (hier in Form der sog.
     Versagungsgegenklage)


3. Klagebefugnis (§ 42 II VwGO)
   – bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (bei Allg.
     Leistungsklage und Fortsetzungsfeststellungslage § 42 II
     VwGO analog): Geltendmachen von Rechtsverletzungen
      • Möglichkeit der Rechtsverletzung reicht für Zulässigkeit aus
                                                                     75
      • Prüfung der tatsächlichen Rechtsverletzung in der Begründetheit
I. Zulässigkeit der Klage
3. Klagebefugnis (§ 42 II VwGO)
  – Welches Recht des B könnte verletzt sein ? Rechtsnorm ?
  – Erlaubnis einer Sondernutzung nach § 41 I RhPF StrG
  – Erteilung ist aber nicht zwingend, sondern steht im
    Ermessen der Behörde („...Sondernutzung bedarf der
    Erlaubnis...“)
     • Zuständige Behörde ist der Träger der Straßenbaulast = Gemeinde
       nach § 14 RhPf StrG
  – B hat keinen unbedingten Anspruch auf Erteilung der
    Erlaubnis, aber zumindest einen Anspruch auf fehlerfreie
    Ausübung des behördlichen Ermessens
  – Dieser Anspruch reicht für die Klagebefugnis - mögliche
    Rechtsverletzung - nach § 42 II VwGO aus
                                                                  76
I. Zulässigkeit der Klage
4. Vorverfahren (§ 68 II VwGO)
  – Vor Klageerhebung ist ein Vorverfahren (Widerspruchs-
    verfahren) durchzuführen
     • wenn dies erfolgreich ist: keine Klage nötig
     • erfolgloses Vorverfahren: Klage vor dem VG nötig
  – Sinn: Vorprüfung der Rechtmäßigkeit des Vw-Verfahrens
    auf Vw-Ebene; Entlastung der Verwaltungsgerichte
     • Einlegung und Begründung des Widerspruchs bei
       Ausgangsbehörde, die VA erlassen hat
     • Prüfung der RM des VA regelmäßig durch nächst höhere Behörde
       (Widerspruchsbehörde), erlässt Widerspruchsbescheid
     • Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) nur bei Klagen auf
       Aufhebung (Anfechtungsklage) oder Erlass (Verpflichtungsklage)
       von VA
  – Fall: B muss erfolglos Widerspruch eingelegt haben.          77
I. Zulässigkeit der Klage
5. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen
   – Frist und Form der Klage: § 74 VwGO
      • schriftliche Klageeinreichung 1 Monat nach Zustellung des
        Widerspruchsbescheides
      • § 74 I VwGO für Anfechtungsklage, entsprechend § 74 II VwGO
        für Verpflichtungsklage
   – Richtiger Klagegegner: § 78 VwGO
      • Regelmäßig die Behörde, die den VA erlassen hat (§ 78 I Nr. 1
        VwGO)
   – Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61 und 62 VwGO)


6. Ergebnis der Zulässigkeitsprüfung
   – Klage des B ist als Verpflichtungsklage zulässig.
                                                                    78
I. Begründetheit der Klage
Obersatz: Verpflichtungsklage des B ist begründet, wenn die
  Versagung der Erlaubnis rechtswidrig ist und B dadurch in
  seinen Rechten verletzt ist (§ 113 V 1 VwGO)
   1. Formelle Rechtmäßigkeit des VA
       • Zuständigkeit der Behörde, Form des VA und Vw-Verfahren
       • Zuständige Behörde ist der Träger der Straßenbaulast = Gemeinde
         nach § 14 RhPf StrG; hier (+)
       • keine Form- und Verfahrensfehler (z.B. mangelnde Anhörung
         nach § 28 VwVfG) ersichtlich

   2. Materielle Rechtmäßigkeit des VA
   – Prüfung der Voraussetzungen der Rechts-/Ermächtigungs-
      grundlage des Vw-Handelns
   – Rechtsverletzung des Klägers
                                                                    79
I. Begründetheit der Klage
2. Materielle Rechtmäßigkeit des VA
   – Prüfung der Voraussetzungen der Rechts- oder
     Ermächtigungsgrundlage des Vw-Handelns
   – hier: § 41 RhPf StrG: „Gebrauch der Straße über den
     Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) bedarf der
     Erlaubnis durch die Straßenbaubehörde“
      • Wege sind Straßen im Sinne des StrG (§ 1 II)
   – Frage: hier überhaupt erlaubnispflichtige Sondernutzung ?
     Oder noch erlaubnisfreier Gemeingebrauch ?
      • Straßenbenutzung, die einen wesentlichen Teil der Straße/des
        Wegs für den öff. Verkehr sperrt, geht über Gemeingebrauch (§
        39 RhPf StrG) hinaus; Schwelle zur Sondernutzung ist
        überschritten (BVerwG NJW 1983, 770 f.)
   – B bedarf also für das Baugerüst einer Erlaubnis                80
I. Begründetheit der Klage
2. Materielle Rechtmäßigkeit des VA
   – Rechtsfolge: Hätte B die Erlaubnis erteilt werden müssen?
   – § 41 I RhPf StrG: keine Verpflichtung zur Erteilung der
     Erlaubnis - „bedarf“ (nicht: Erlaubnis ist zu erteilen)
   – also: Ermessen der Straßenbaubehörde
• Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der Behörde ?
   – Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichts (VG):
      §§ 114, 113 V 2 VwGO
      • Wenn die Ablehnung der Erlaubnis die gesetzlichen Grenzen des
        Ermessens überschritten hat oder die Behörde von dem Ermessen in
        einer der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch
        gemacht hat, spricht das Gericht die Verpflichtung der Behörde aus,
        den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu
        bescheiden (sog. Bescheidungsurteil)
      • Anspruch nur bei Ermessenreduzierung auf Null                81
I. Begründetheit der Klage
• Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der Behörde ?
  – Ermessensmissbrauch ?
     • z.B. unsachliche Gesichtspunkte, persönliche Feindschaften, rein
       politisch-taktische Erwägungen
     • im Sachverhalt nicht ersichtlich
  – Ermessensunterschreitung oder -nichtgebrauch ?
     • Argument der Behörde: starke Verkehrsbehinderung
     • Behinderung findet aber immer bei Sondernutzungen statt
     • Gesetz fordert Abwägung zwischen Sondernutzungsinteresse (hier:
       Ausbau seines Hauses, Eigentumsnutzung) und öff. Belangen (hier:
       behauptete starke Verkehrsbehinderung)
     • Zu berücksichtigen bei der Ermessenbetätigung:
       Grundrechtsposition des B - Art. 14 I GG: Eigentum; Ausnutzung
       seines Eigentums erfordert zeitweiliges Ausweichen auf den
       Straßenraum
                                                                    82
I. Begründetheit der Klage
• Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der Behörde ?
  – Ermessensunterschreitung oder -nichtgebrauch ?
     • Behörde hat die Grundrechtsposition des B nicht hinreichend
       abgewogen und die Verkehrsbehinderung als absoluten Grund für
       die Versagung der Erlaubnis genommen
     • Behörde kann angesichts des Eigentumsrechts des B nicht einfach
       ihre Auffassung an die Stelle des B setzten, der sein Eigentumsrecht
       (Ausbau Buchhandlung) nutzen will
     • Bedürfnis für die Sondernutzung ist im Licht der Eigentumsfreiheit
       des Art. 14 I GG zu interpretieren
     • Zwar auch „Sozialbindung des Eigentums“ und gesetzliche Inhalts-
       und Schrankenbestimmungen in Art. 14 I 2 GG, aber Argument
       „starker Verkehr“ nur unsubstantiiert vorgebracht
  – Fehler in Form der Ermessensunterschreitung
                                                                     83
I. Begründetheit der Klage
• Ermessensreduzierung auf Null ?
  – Anspruch des B auf Erteilung der Erlaubnis und nicht nur
    erneute Bescheidung ?
     • Behörde verweist auf regelmäßige Erteilung der Erlaubnis in
       vorangegangenen Fällen
     • Selbstbindung der Verwaltung ? Abweichung nur aus sachlichem
       Grund zulässig, ansonsten Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz aus
       Art. 3 I GG
     • zulässig: Änderung der gesamten Vw-Praxis der Behörde in
       vergleichbaren Fällen aus übergeordneten sachlichen Gründen
       (politische Vorgaben, wesentlich veränderte Verhältnisse)
     • Argument „gestiegener Verkehr“ nur vage; Argument „nur beson-
       ders große Bauvorhaben“ verkennt auch das Eigentumsrecht des B
       aus Art. 14 I GG (s.o.); keine überzeugenden sachlichen Gründe
  – Hier vertretbar: Ermessensreduzierung auf Null aus Art. 3 I
    GG und Art. 14 I GG                                   84
I. Begründetheit der Klage
• Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
  – Verweigerung der Erlaubnis erforderlich gewesen?
    Mildere Mittel zur Erzielung des gleichen Zwecks
    (Sicherung des Verkehrs)?
  – milderes Mittel als Versagung der Erlaubnis - Auflage:
    überdachte Fußgängerunterführung - wäre möglich gewesen
  – Verweigerung der Erlaubnis war nicht erforderlich


• Ergebnis:
  – Die Verpflichtungsklage des B ist auch begründet.
  – Das VG wird die Behörde zur Erteilung der
    Sondernutzungserlaubnis verpflichten.
                                                        85
13. Handlungsformen der Verwaltung
                              Erfüllung von Vw-Aufgaben

             Nach öffentlichem Recht                                      Nach Privatrecht


 Hoheitsakte mit
                             Hoheitsakte mit Innen-                               Öff.-rechtliche
 unmittelbarer Außen-
                             wirkung/unmittelbarer          Öff.-rechtl.          Handlungsfor-
 wirkung/Regelung von
                             Rechtserheblichkeit            Willenser-            men der nicht-
 Rechtsbeziehungen
                             innerhalb eines Vw-            klärungen             hoheitlichen
 zwischen selbständi-
                             Trägers                                              Verwaltung
 gen Rechtsträgern



konkrete      allgemeine    konkrete        allgemeine
Hoheits-      Hoheits-      Hoheits-        Hoheitsakte
Akte          akte          Akte                                  schlichtes          Öff.-rechtl.
                                            Verwaltungs-          Vw-handeln          Vertrag
                            Innerdienstl.
Einzelakte    Normen                        Vorschriften
                            Rechtsakte

VA Zusage     VO Satzung                                   Tatsächliche     Auskünfte,
                                                           Verrichtung      Information   86
14. Der Verwaltungsakt (VA)
• Praktische Relevanz
  – Haupthandlungsform der Vw auf allen Handlungsfeldern,
    z.B.:
     • Ordnungsverwaltung/Gefahrenabwehr: Ordnungsverfügungen,
       Platzverweise, Versammlungsauflösungen, Gewerbeuntersagung
     • Abgabenverwaltung: Gebührenbescheide
     • Leistungsverwaltung: Subventionsbescheid, BaföG,
       Sozialhilfebescheid, Steuerbescheid
  – Legaldefinition: § 35 S. 1 VwVfG:
    VA ist jede Verfügung, Entscheidung oder hoheitliche
    Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls
    auf dem Gebiet des öff. Rechts trifft und die auf
    unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist
                                                               87
14.1 Rechtspraktische Funktionen des
             Verwaltungsakts
• Vollzugs- und Konkretisierungsfunktion des VA
  – Gesetzliche Rechten und Pflichten des Bürgers im Einzelfall
    konkretisieren und verdeutlichen
• Bestandskraft-Funktion des VA
  – Herbeiführen einer bestandskräftigen Entscheidung:
    im Interesse der Rechtssicherheit hat auch ein rechtswidriger
    (aber nicht nichtiger) VA, dem nicht innerhalb der Wider-
    spruchsfrist des § 70 I VwGO widersprochen und der nicht
    mit einer Klage angefochten wird, Bestand; vgl. auch § 43 II
    VwVfG
  – Widerspruch und Klage haben aufschiebende Wirkung; VA
    darf nicht vollzogen werden (Suspensiveffekt, §§ 80 I, 80 a
    VwGO)                                                   88
14.1 Rechtspraktische Funktionen des
             Verwaltungsakts
• Verfahrensfunktion des VA
  – VA ist (neben dem öff.-rechtl. Vertrag) Voraussetzung für
    die Anwendung des VwVfG insgesamt (vgl. § 9 VwVfG)
    und für zahlreiche Einzelvorschriften (z.B. Anhörung nach
    § 28 VwVfG)
• Rechtsschutzfunktion des VA
  – VA ist Voraussetzung für Rechtsbehelfe des Widerspruchs
    sowie der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ein-
    schließlich der aufschiebenden Wirkung nach § 80 VwGO
• Vollstreckungsfunktion
  – VA ist grundsätzlich Voraussetzung für eine
    Verwaltungsvollstreckung (vgl. §§ 3, 6 BVwVG)         89
14.2 Arten von Verwaltungsakten

I. Belastende und begünstigende VA
  – Belastender VA: greift in den Rechtskreis des Bürgers ein
    oder erlegt einen Nachteil auf
     • Rechtsbehelfe: Widerspruch (§ 80 I VwGO), einstweiliger
       Rechtschutz: Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80
       V VwGO); Hauptsache: Anfechtungsklage (§ 42 I 1. Alt. VwGO)
     • z.B. Zahlungsbescheide, Bauverbot, Gewerbeschließung,...
  – Begünstigender VA: gewährt Recht oder Vorteil
    (vgl. Legaldefinition in §“ 48 I 2 VwVfG)
     • Rechtsbehelfe: einstweiliger Rechtschutz: einstweilige Anordnung
       nach § 123 VwGO; Hauptsache: Verpflichtungsklage § 42 I 2. Alt.
       VwGO;
     • z.B.: Baugenehmigung, Gewerbegenehmigung, Subvention
                                                                   90
14.2 Arten von Verwaltungsakten
– Sonderfall: VA mit Mischwirkung (für dieselbe Person)
   • Rechte und Pflichten zugleich (z.B. Beamtenernennung,
     Wehrdienst)
– Sonderfall: VA mit Doppelwirkung (für verschiedene
  Personen)
   • Vgl. §§ 80 I 2, 80 a VwGO
   • für den Adressaten begünstigende Wirkung, für einen Dritten
     zugleich belastende Wirkung
   • z.B. Baugenehmigung (für Bauherrn begünstigend, für Nachbarn
     belastend)
   • auch umgekehrt möglich: VA mit belastender Wirkung für
     Adressaten, für Dritten aber begünstigen (vgl. § 80 a II VwGO),
     z.B.: Immissionsauflagen an Anlagenbetreiber, begünstigend für
     Nachbarn

                                                                 91
14.2      Arten von Verwaltungsakten
• Generelle Unterscheidung bei begünstigenden und
  belastenden VA:
  – „Befehlende VA“ (Ge- und Verbote, die zu bestimmten
    Tun oder Unterlassen verpflichten),
     • z.B. Polizeiverfügung, Gebührenbescheid
  – „Gestaltende VA“ (begründen oder beseitigen ein
    Rechtsverhältnis)
     • z.B. Einbürgerung, Beamtenernennung, Rücknahme eines VA
       (§ 48 VwVfG)
  – „Feststellende VA“ (treffen eine unmittelbar
    rechtserhebliche Feststellung, zur Eigenschaft einer Person,
    einer Sache oder zu einem Sachverhalt)
     • z.B. Feststellung der Staatsangehörigkeit oder des Wahlrechts,
       TÜV-Plakette (§ 29 StVZO), Eigenschaft als Kulturdenkmal

                                                                        92
14.2      Arten von Verwaltungsakten
II. VA mit Nebenbestimmungen
  – z.B. Bescheide mit Befristungen, Bedingungen,
    Widerrufsvorbehalt, Auflagen, Auflagenvorbehalt
    (vgl. § 36 II VwVfG)
III. VA mit Dauerwirkung
  – VA begründet Rechtsverhältnis für einen bestimmten
    Zeitraum, z.B. Rentenbewilligung, Fahrerlaubnis,
    Gewerbeuntersagung, Anschluss- und Benutzungszwang
IV. Mitwirkungsbedürftige VA
  vor Erlass des VA erklärt der Betroffene sein Einverständnis
    oder Behörde holt nachträgliche Genehmigung ein
  z.B. Beamtenernennung, Sozialleistungen

                                                           93
V. Mehrstufige VA
  – VA mit vorgeschriebener Mitwirkung anderer Behörden
     • z.B. Personalrat bei Personalsachen, Zustimmung der obersten
       Landesstraßenbaubehörde bei bestimmten Anlagen längs der
       Autobahnen (§ 9 II FStrG), Einvernehmen der Gemeinde bei der
       Genehmigung von Bauvorhaben im Außenbereich (§ 36 BauGB)
  – Problem: Rechtsschutz bei Verweigerung eines beantragten
    begünstigenden VA, wenn mitwirkende Behörde nicht
    zustimmt
     • Rechtsschutz des Bürgers gegen verweigerte Zustimmung der
       mitwirkenden Behörde ? (z.B. Bauherr will gegen verweigertes
       Einvernehmen der Gemeinde klagen)
     • h.M./Rspr.: Mitwirkung ist behördeninterner Vorgang, kein VA
       gegenüber dem Bürger; Genehmigungsbehörde erlässt VA mit
       Außenwirkung; Bürger klagt gegen Genehmigungsbehörde auf
       Genehmigung
     • bei rechtwidriger Verweigerung: Im Prozess auf Erteilung der
       Genehmigung entfällt Bindungswirkung; Vpfl.-klage hat Erfolg 94
VI. Teilgenehmigung, Vorbescheid und vorläufiger VA
  – Teilgenehmigung:
     • bezieht sich auf real abtrennbaren Teil einer Anlage, z.B. Kühlturm
       eines Kraftwerks, (vgl. § 8 BImSchG)
  – Vorbescheid
     • positiver Bescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen
       oder Standort der Anlage (vgl. § 9 BImSchG, § 72 LBauO RhPf)
  – Teilgenehmigungen und Vorbescheide regeln
    Teilabschnitte abschließend; Bindungswirkung für das
    weitere Genehmigungsverfahren
  – Vorläufiger VA
     • z.B. Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164
       AO); vorläufige Gaststättengenehmigung (§ 11 GastG); diverse
       sozialrechtliche Leistungen, § 44 BSHG); vorläufige Gewährung
       von Subventionen unter Vorbehalt der Nachprüfung und
       Rückforderung (§ 48 VwVfG)
                                                                     95
14.3 Merkmale des Verwaltungsaktsbegriffs
                   (§ 35 S. 1 VwVfG)


                  Hoheitliche
                 Maßnahme auf      Regelung
  Behörde                         (auf Rechts-                    Unmittelbare
                  dem Gebiet                       Einzelfall
(§ 1 IV VwVfG)                      wirkung                      Außenwirkung
                    des öff.       gerichtet)
                    Rechts


  • Qualifizierung als VA nach dem Inhalt der Maßnahme, Auslegung
  • Regel: Bescheidform (Bezeichnung als „Verfügung, Bescheid, Genehmigung“)
  • Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung („Gegen diesen VA können Sie...“)

                                                                        96
Fall zur Qualifizierung einer Verwaltungs-
             handlung als VA -
14.3.1. Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des
                   öffentlichen Rechts
Die Stadt S hat 1998 ihre als Eigenbetrieb geführten Stadtwerke
in eine Versorgungs- und Verkehrs-GmbH umgewandelt. S hält
100 % der Anteile der GmbH. Die Versorgungsverträge
zwischen S und den Abnehmern wurden auf die neue V-GmbH
übergeleitet. Die Abrechnung wird so vorgenommen, dass die V-
GmbH der Stadtkasse die Daten mit den Abrechnungsunterlagen
überlässt und die Stadtkasse die Abrechungen „im Namen und
im Auftrag der V-GmbH“ erstellt. Den „Abrechnungsbeschei-
den“ wird wie bisher eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt,
wonach innerhalb eines Monats Widerspruch bei der Stadtkasse
einzulegen ist.                                             97
T bezieht Strom und Wasser von der V-GmbH und erhielt einen
Abrechnungsbescheid für das vergangene Jahr. Erst nach 6
Wochen bemerkt er, dass die Abrechnung auf einem falschen
Tarif beruhte, was zu einer Mehrbelastung von 20 Euro pro
Monat führte. T verlangt nun von der Stadtkasse 240 Euro
Rückerstattung.
Die Kasse entgegnet, der Abrechungsbescheid sei
bestandskräftig und daher unanfechtbar geworden.

Verweigert die Stadtkasse die Rückerstattung zu Recht ?




                                                          98
Falllösung
Einstieg für die Falllösung immer mit Obersatz
  Die Stadtkasse verweigert die Rückerstattung zu Recht,
  wenn es sich bei dem „Abrechnungsbescheid“ um einen VA
  handelt, der mangels fristgerechten Widerspruchs
  bestandskräftig und damit unanfechtbar geworden ist.

I. Begriffsmerkmale des VA nach § 35 S.1 VwVfG

• Maßnahme einer Behörde ?
   – Maßnahme: Jedes Verhalten mit Erklärungsgehalt (+)
   – Behörde: Legaldefinition § 1 IV VwVfG
   – Stadtkasse ist Träger öff. Vw-Aufgaben
   – Maßnahme muss der Behörde selbst zurechenbar sein;
     Behörde muss im eigenen Namen und als Organ des Staates handeln
   – hier aber „namens und im Auftrag der V-GmbH“; es fehlt an einem99
     eigenen, dem Vw-Träger berechtigenden oder verpflichtenden Verhalten
Falllösung

I. Begriffsmerkmale des VA nach § 35 S.1 VwVfG
• auf dem Gebiet des öff. Rechts ?
   – Hier macht T Ansprüche aus dem Stromversorgungsvertrag geltend
   – öff.-rechtlicher oder privatrechtlicher Vertrag ?
   – Vertragspartner hier als GmbH juristische Person des Privatrechts; das
     Leistungsverhältnis zum Abnehmer ist daher ebenfalls privatrechtlich

• „Abrechnungsbescheid“ der äußeren Form nach trotzdem als
  VA zu qualifizieren?
   – Inhaltlich-materielle Beurteilung ist gegenüber rein formeller
     Betrachtung vorrangig
   – Stromrechung ist kein typischer Bescheid, zudem ausdrücklich „im
     Namen der V-GmbH“
   – hier offensichtlich, dass privatrechtliche Zahlungsansprüche geltend
     gemacht werden                                                    100
Falllösung

II. Rechtsfolgen
• Der „Abrechnungsbescheid“ ist kein VA, der bestandskräftig
    geworden ist.
   – Dass T erst nach 6 Wochen - und nicht binnen eines Monats ab
     Bekanntgabe des VA (vgl. § 70 I VwGO) - Widerspruch eingelegt hat,
     ist unschädlich.
• Mangels der Voraussetzungen für einen VA handelt sich somit
  um eine privatrechtliche Sache.
   – T kann die Zahlung nach § 812 I BGB - ungerechtfertigte Bereicherung
     - zurückfordern, da kein Rechtsgrund für seine Leistung (falscher
     Tarif !) bestand.
   – Anspruch ist grundsätzlich gegen den von der Stadtkasse Vertretenen -
     also die V-GmbH - zu richten. Da aber die gesamte Abrechung auf die
     Stadtkasse übertragen wurde, kann der Anspruch auf Rückerstattung
     auch gegenüber der Kasse geltend gemacht werden.                  101
14.3.2.        Das Merkmal der „Regelung“

• Zentrale Voraussetzung: VA als rechtsfolgenbegründender Akt
   – Abgrenzung zum Realhandeln/Realakt ohne Regelungsgehalt, in diesen
     Fällen keine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagen (VA !), sondern
     allgemeine Leistungsklage (auf Handeln oder Unterlassen)
• Regelung = Maßnahme, die auf die Herbeiführung einer Rechts-
  folge gerichtet ist (kausal-verursacht als auch final-gewollt)
• Typische Beispiele von Regelungen
   –   Verbot (z.B. Versammlungsverbot)
   –   Gebot (z.B. Abgabenbescheid)
   –   Rechtsgewährung (Erlaubnisse, Genehmigungen)
   –   Versagung (Ablehnungsbescheid, z.B. bei Bauantrag, Gewerbeanmeldung)
   –   Umgestaltung von Rechtsverhältnissen (z.B. Widerruf einer Erlaubnis)
   –   Feststellungen (Kürzung von Pensionsansprüchen oder Dienstbezügen)
   –   Dingliche Regelungen (Widmung von Straßen, Regelung der Benutzung
                                                                       102
       durch Verkehrsschilder)
Abgrenzung von „Regelung“ und „Realakt“

• Maßnahmen ohne Regelungswirkung (Setzen von Rechtsfolgen)
  sind Realhandeln oder schlichtes Vw-Handeln

• Fallgruppen Realhandeln
   – Maßnahmen ohne Erklärungsgehalt (z.B. Dienstfahrten, Untersuchungen
     und Durchsuchungen, Straßenbau, Müllabfuhr,...)
   – Wissenserklärungen informativer Art (Auskünfte, Warnungen,
     Empfehlungen, Schulunterricht, Hochschulvorlesungen
   – ABER: abzugrenzen von Wissenserklärungen: Zusage der Vw mit
     rechtlichem Bindungswillen und Zusicherung des Erlasses oder
     Unterlassens eines VA nach § 38 VwVfG: nach h.M. VA
   – schlichte Zahlungsaufforderungen (die nicht per Bescheid ergehen)
• Kombination von VA und Realakten
   – Erklärung der Zulässigkeit von Realakten durch VA (z.B. Immissionen
                                                                     103

     durch genehmigte Verkehrsprojekte: Genehmigung muss angefochten
Fall zur Abgrenzung von „Regelung“ und
                  „Realakt“
S und seine Mitschüler verwandeln ihren Klassenraum durch
verteilten Papiermüll in eine „Kreativzone“. Lehrer L fordert die
Schüler zum Aufräumen auf und schließt den Raum ab, um die
Schüler am Verlassen des Zimmers zu hindern. Nach Ende der
Reinigung entlässt L die Schüler.
S will gerichtlich feststellen lassen, dass das Einschließen
rechtswidrig war, damit so etwas nicht noch einmal passiert.

Wie kann S die Maßnahme des L rechtlich prüfen lassen ?



                                                            104
Falllösung
• Vorüberlegungen:
   –   Frage nach den rechtlichen Möglichkeiten des S.
   –   Welchen Rechtsschutz könnte S erhalten?
   –   Verwaltungsgerichtliche Klage
   –   hier Besonderheit: Handlung des Lehrers, die S überprüfen lassen will,
       ist Vergangenheit, Sache hat sich erledigt


• Frage also: Welche Klagearten enthält die VwGO für die
  Feststellung der Rechtswidrigkeit (RW) von Vw-Maßnahmen,
  die sich erledigt haben ?
   – Dies richtet sich nach der Art der Maßnahme:
   – für Nachwirkungen von schlichten Vw-Maßnahmen grundsätzlich
     (allgemeine) Feststellungsklage nach § 43 I VwGO
   – für die Feststellung der RW von erledigten VA:
     Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 I 4 VwGO
• Entscheidende Frage also: Ist die Maßnahme des L ein VA ?
                                                         105
Falllösung
• Abschließen der Tür eine behördliche Maßnahme auf dem
  Gebiet des öff. Rechts ?
   – Ordnungsmaßnahme eines Amtsträgers aufgrund des SchulG (+)
• Regelungswirkung (auf Setzen einer Rechtsfolge gerichtet) ?
   – Tatsächliche Errichtung einer Sperre > schlichtes Vw-Handeln/
     Realakt ?
   – Zwar Eingriff in Grundrechte der Schüler (Allg. Handlungsfreiheit Art 2
     I GG): kausale Handlung für GR-Beeinträchtigung
   – aber auch finale Rechtsfolge ? War gerade diese Rechtsbeeinträchtigung
     bezweckt? Unmittelbar gewollte Rechtsfolge kraft Regelung ?
   – Hier bloße faktische Beeinträchtigung als Reflex, beabsichtigt war die
     Rechtsfolge „Ordnung wiederherstellen“; keine Regelung
   – Anders bei tatsächlichen Handlungen der Vw, die schlüssig - konkludent
     - ein rechtliches Duldungsgebot beinhalten, z.B.: polizeiliche
     Standardmaßnahmen als Verhaltensgebote (z.B. Vorladung und
     Platzverweis; Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln (§§ 13,
     14 VwVG): selbständige VA
                                                                     106
Falllösung
• Ergebnis:
   – Das Abschließen der Tür, das die Wiederherstellung der Ordnung im
     Klassenraum ermöglichen soll, setzt keine unmittelbare Rechtsfolge und
     ist daher keine Regelung im Sinne von § 35 S. 1 VwVfG
   – Es liegt daher kein VA vor.
   – Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht kann S daher nicht mit der
     Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 I 4 VwGO, sondern nur mit
     der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 I VwGO begehren.

   – Anmerkung: Im Ergebnis hat das Gericht die Klage des S als
     unbegründet abgewiesen, weil es die Maßnahme - als Grundrechts-
     eingriff - für verhältnismäßig gehalten hatte (unter Beachtung des
     pädagogischen Gestaltungsspielraums des L und des kurzen Zeitraums
     des Einschließens), vgl. OVG Schleswig NJW 1993, 952


                                                                    107
Regelungen


         Abstrakt-generell                Konkret-individuell




Unmittelbare     Verwaltungs-       Unmittelbare      Verwaltungs-
rechtliche       interne            rechtliche        interne
Außenwirkung     Rechtswirkung      Außenwirkung      Rechtswirkung




Rechtsnorm                                            Innerdienstliche
                 Verwaltungs-       Verwaltungsakt
(Gesetz, VO,                                          Weisung
                 vorschriften
Satzung)
                                                                108
14.3.3.          Das Merkmal des „Einzelfalls“
• Hoheitliche Regelung ergeht entweder allgemein oder im
  Einzelfall
   – abstrakt-generelle Regelungen sind in der Regel Rechtsnormen, konkret-
     individuelle Regelung ist ein VA
• Abgrenzung zwischen Rechtsnorm und VA
   – Regelung konkreten Sachverhalts, der sich nach Zeit, Ort und
     bestimmtem Adressaten nur einmal ereignet (z.B. „Zahlen Sie 100 Euro
     wegen Beschmierens von Rathauswänden !“) > VA
   – abstrakte Regelung, wenn Sachverhalt nur begrifflich/gedanklich erfasst
     wird (hypothetisch geregelte Sachverhalte): „Werden die Grenzwerte für
     SO² überschritten, dann...“ > Rechtsnorm
• Abgrenzungsbeispiel:
   – Umweltamt fordert Betriebe konkret auf, Informationen über
     Abwassereinleitungen innerhalb einer Woche zu übermitteln > VA
   – Generelle Forderung, dass jeder Betrieb eigene Untersuchungen
     vornimmt > Regelung müsste per Gesetz erfolgen, durch VA unzulässig
                                                                   109
Das Merkmal des „Einzelfalls“ - Mischfälle
• In Ausnahmefällen existieren auch:
   – abstrakt-individuelle Regelungen
   – konkret-generelle Regelungen

• Beispielsfall für abstrakt-individuelle Regelung
   – Störfall-VO verpflichtet Betriebe, den Umweltämtern Störfälle zu
     melden; Behörde gibt Betrieb durch Bescheid auf, „jedes mal, wenn sich
     ein Störfall ereignet, der Behörde den Störfall binnen einer Stunde zu
     melden und die in der Störfall-VO erforderlichen Angaben zu machen“;
     inklusive Zwangsgeldandrohung bei Nichtbefolgung
   – Regelung als VA nach § 35 VwVfG zulässig (wegen Zwangsgeld) ?
   – Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öff. Rechts (+)
   – Außenwirkung (+), da Betrieb eine rechtliche Verpflichtung trifft
   – Aber Regelung im Einzelfall ?
   – Individueller Adressat (+), aber Störfall hypothetisch-abstrakt
   – h.M.: abstrakt-individuelle Regelung ist VA nach § 35 S. 1 VwVfG
                                                                    110
Das Merkmal des „Einzelfalls“ - Mischfälle
• Konkret-generelle Regelungen (Allgemeinverfügung nach § 35
  S. 2 VwVfG)
   – konkreter Vorgang, aber größerer Adressatenkreis betroffen
       • z.B. Maßnahmen bei Seuchengefahr; präventive Verhinderung von
         Demonstrationen bei angekündigten Gewalttaten

• Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 VwVfG hat 3 Varianten:
   – VA an bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis (sog.
     personenbezogene Allgemeinverfügung - Hauptfall)
   – VA, der die öff.-rechtliche Eigenschaft einer Sache betrifft (sog.
     dinglicher VA), z.B. Widmung eines Grundstücks zur Straße,
     Straßenumbenennung, Hausnummerzuteilung
   – VA, der die Benutzung einer öff. Sache durch die Allgemeinheit betrifft
     (sog. benutzungsregelnde Allgemeinverfügung), z.B. Verkehrsschilder,
     die Verbote und Gebote beinhalten
                                                                      111
Beispielsfälle für Allgemeinverfügungen nach
                 § 35 S. 2 VwVfG
• Benutzungsregelnde Allgemeinverfügung (Variante 3)
       A legt Widerspruch gegen Stopschild ein, um ungebremsten Autokorso
       nach Hochzeit zu ermöglichen; er erhofft sich „aufschiebende Wirkung“
       (Suspensiveffekt) nach § 80 I VwGO, da er das Stopschild als VA einstuft.
       Freie Fahrt für die Hochzeitsgesellschaft ?
   –   Stopschild müsste VA nach § 35 VwVfG sein, damit Suspensiveffekt nach
       § 80 I VwGO greifen könnte
   –   Verkehrszeichen sind Maßnahmen einer Behörde auf dem Gebiet des öR
   –   Regelung mit Außenwirkung als Gebote und Verbote nach StVO (+)
   –   Einzelfallregelung? Hier Fall des § 35 S. 2 Var. 3 VwVfG: Regelung, die
       die Benutzung einer öff. Sache (Verkehrszeichen) durch die Allgemeinheit
       betrifft); Verkehrszeichen sind Allgemeinverfügungen und damit VA
   –   Aber kein Suspensiveffekt, da aufschiebende Wirkung analog § 80 II Nr. 2
       VwGO analog entfällt; Verkehrszeichen bleiben verbindlich
                                                                         112
Beispielsfälle Allgemeinverfügungen nach § 35 S. 2
                        VwVfG
• Personenbezogene Allgemeinverfügung (Variante 1)
  SMOG-Alarm

  Die Landesregierung L hat aufgrund der Ermächtigung in § 40 I
  BImSchG eine Rechtsverordnung erlassen, wonach bei
  „austauscharmen Wetterlagen“ der KfZ-Verkehr zu beschränken
  oder zu verbieten ist, um schädliche Umwelteinwirkungen durch
  Luftverunreinigungen zu vermeiden oder zu vermindern. Als im
  Januar die Schadstoffkonzentrationen bei sog. inverser
  Wetterlage stark ansteigt, ruft das zuständige
  Landesumweltministerium in Hörfunk und Fernsehen Smog-
  Alarmstufe 2 aus. Entsprechende Fahrverbotsschilder werden
  aufgestellt. KfZ-Fahrer A meint, Stufe 1, die PKW-fahren in
  Ausnahmefällen zulässt, müsse ausreichen. Er legt Widerspruch
  gegen den Alarm ein.                                       113
Falllösung
• Vorüberlegung: Hier Frage, ob A das Fahrverbot aufgrund des
  Smog-Alarms beachten muss.
• Obersatz: A müsste das Verbot nicht beachten, wenn sein
  Widerspruch aufschiebende Wirkung nach § 80 I VwGO hätte.
• Voraussetzung § 80 I VwGO: Verwaltungsakt !
• Also Frage: Handelt es sich beim Smog-Alarm um einen VA im
  Sinne von § 35 VwVfG ?
   – Maßnahme auf dem Gebiet des öff. Rechts (+); Umweltministerium als
     oberste Landesbehörde
   – Aber Regelung im Einzelfall ?
   – Regelung = Setzen einer Rechtsfolge: nach h.M. liegt die Regelung im
     Verkehrsverbot aufgrund des bekannt gegebenen Smog-Alarms (a.M.:
     Rechtsfolge ergibt sich aus der VO, nicht aus der Bekanntgabe des Alarms,
     nur Feststellung einer Rechtstatsache)
                                                                       114
Falllösung
• Hier Bekanntgabe an größeren Personenkreis: Einzelfallregelung
  im Sinne von § 35 S. 2 VwVfG (Allgemeinverfügung)
• Variante 3 (Benutzung der Straße von Allgemeinheit) oder
  Variante 1 (personenbezogene Allgemeinverfügung) ?
   – Verkehrsbeschränkung wird nicht durch Bekanntgabe des Alarms, sondern
     erst durch die aufgestellten Verkehrszeichen bewirkt; Alarm-Bekanntgabe
     ist also kein Fall der Variante 3
• Voraussetzung personenbezogene Allgemeinverfügung (Var. 1)
   – bestimmter oder bestimmbarer Kreis von Adressaten ?
   – z.T.: unbestimmter Kreis; Regelung nur durch RechtsVO (Gesetz) möglich
   – H.M.: austauscharme Wetterlage ist ein konkreter räumlicher Vorgang;
     Adressaten sind die, die in dieser Phase vom Smog-Alarm betroffen sind;
     enger Zusammenhang mit dem Regelungstypus der Verkehrszeichen, die
     als Allgemeinverfügung anerkannt sind; Bekanntgabe des Smog-Alarms
     ist daher eine Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 VwVfG
                                                                     115
Falllösung
• A kann also Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung als VA
  im Sinne von § 35 S. 2 VwVfG einlegen.
• Grundsätzlich Eintritt der aufschiebenden Wirkung nach § 80 I
  VwGO bei Widerspruch innerhalb eines Monats
• Aber auch bei der Bekanntgabe von Smog-Alarm wird § 80 II Nr.
  2 VwGO - ähnlich wie bei Verkehrszeichen - analog angewandt;
  Parallele zu unaufschiebbaren Maßnahmen von Polizeivollzugs-
  beamten
• Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des A entfällt
  daher.
• Er hat das Fahrverbot aufgrund des Smog-Alarms zu beachten.


                                                         116
14.3.4          Das Merkmal der „unmittelbaren
                    Außenwirkung“
• Es existieren
   – Rechtsbeziehungen und Maßnahmen zwischen dem Staat und den
     Bürgern mit Außenwirkung
   – Rechtsbeziehungen und Maßnahmen innerhalb der Verwaltung, bloße
     Vw-interne Bedeutung (innerdienstliche Weisungen, Dienstbefehle,
     innerorganisatorische Beschlüsse in der Kommune, z.B. Wasserwerk
     soll Eigenbetrieb werden)
• Voraussetzung der „Außenwirkung“ in § 35 VwVfG soll VA
  auf Außenverhältnis beschränken, keine Anwendung innerhalb
  der Vw
• Eine Regelung der Vw hat „Außenwirkung“,
   – wenn die beabsichtigten Rechtsfolgen gegenüber einer außerhalb der
     Vw stehenden natürlichen oder juristischen Person eintreten sollen und
   – deren Rechtsposition erweitert, eingeschränkt, festgestellt oder sonst
     regelnd in sie eingegriffen wird.                                  117
Das Merkmal der „unmittelbaren
                Außenwirkung“
Abgrenzungsfragen:
• VA und Vw-interne Maßnahmen (hierzu folgender Fall)
• Maßnahmen im Beamtenverhältnis
   – VA mit Außenwirkung: bei Regelung persönlicher Rechte und Pflichten
     des Beamten (Ernennung, Entlassung, Versetzung in andere Behörde,
     Festsetzung der Besoldung,...)
   – keine Außenwirkung: Beamter nur als Amtsträger betroffen
     (innerdienstliche Weisungen, Umsetzung innerhalb der Behörde)
• Maßnahmen im Schulverhältnis
   – Unterscheidung zwischen Grund- und Betriebsverhältnis:
     Grundverhältnis: VA ! grundsätzliche Rechte und Pflichten des Schülers
     (Schulaufnahme, Entlassung, Versetzung(szeugnis), Nichtversetzung)
     Betriebsverhältnis: Maßnahmen des laufenden Schulbetriebs (Beginn
     und Ende des Unterrichts, unterrichtsleitende und pädagogische
     Maßnahmen, Einzelnoten)                                         118
Fall zum Merkmal der „unmittelbaren
   Außenwirkung“ - Verkehrsberuhigte Zone
   Die Stadt S hat beschlossen, an allen Straßen mit Wohnbebau-
   ung verkehrsberuhigte Zonen mit Tempolimit 30 einzurichten.
   Die Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde über die Stadt hält
   die Voraussetzungen für diverse Straßen nicht für gegeben. Sie
   weist die Stadt an, u.a. die A-Straße aus der Zone hinauszu-
   nehmen.
1. Die Stadt fragt, ob eine Klage gegen die Weisung zulässig wäre.
2. Bürger B, der in der A-Straße wohnt, hat ein Interesse an der
   Verkehrsberuhigung und möchte ebenfalls gegen die Weisung
   der Aufsichtsbehörde klagen.

Wie ist die Zulässigkeit beider Klagen zu beurteilen?
                                                            119
Frage 1: Zulässigkeit der Klage der Stadt S
   gegen die aufsichtsbehördliche Weisung

I. Vw-Rechtsweg nach § 40 I VwGO
   – öff.-rechtl. Streitigkeit auf dem Gebiet des
     Straßenverkehrsrechts (+)
II. Statthafte Klageart
   – Anfechtungsklage nach § 42 I VwGO, wenn es sich bei der
      Weisung für die Stadt S um einen belastenden VA nach § 35
      S. 1 VwVfG handelt
   1. Maßnahme auf dem Gebiet des öff. Rechts (+)
   2. Einzelfallregelung (+), konkreter Weisungsfall gegenüber S
   3. Regelung auf unmittelbare Außenwirkung gerichtet ?
                                                          120
3. Regelung auf unmittelbare Außenwirkung gerichtet ?
   – Hat die Aufsichtsbehörde Rechtsfolgen gegenüber einer außerhalb der
     Vw stehenden natürlichen oder juristischen Person beabsichtigt?
   – Hat die Maßnahme der Aufsichtbehörde die Rechtsposition der S
     erweitert, eingeschränkt, festgestellt oder sonst regelnd in sie
     eingegriffen?
• VA-Qualität bei staatlichen Weisungen:
   – Weisungen innerhalb der Bundes- und Landesbehörden: keine VA, nur
     Innenwirkung (z.B. MI des Landes gegenüber Bezirksregierung)
   – Weisungen staatlicher Behörden gegenüber kommunalen
     Körperschaften (Städten, Gemeinden) haben Außenwirkung (und sind
     dann VA), wenn sie die Gemeinde in ihrem eigenen Wirkungskreis
     betreffen (Art. 28 II GG: Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde für
     eigene Angelegenheiten)
   – im übertragenen Wirkungskreis (Kommunen führen staatl. Aufgaben als
     mittelbare StaatsVw aus): nur Vw-interne Wirkung, also kein VA
     Ausnahme: Gemeinde hat auch im übertragenen Wirkungskreis eine
     besondere Rechtsstellung aufgrund von Art. 28 II GG (BVerwG DVBl
                                                                    121
     1995, 744 f.)
– hier: Gemeinden führen Straßenverkehrsrecht als staatliche
    Aufgabe aus (übertragener Wirkungskreis), grundsätzlich
    also nur Vw-interne Wirkung der Maßnahme (kein VA)
  – aber die Planungshoheit der Gemeinde (städtebauliche
    Entwicklung, Stadtplanung) als elementarer Teil der
    kommunalen Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 II GG ist
    betroffen
  – Eingriff der Weisung in den Rechtskreis der Gemeinde, also
    ist die Weisung gegenüber der Stadt S ein VA
• Ergebnis:
  – Die richtige Klageart ist daher die Anfechtungsklage gegen
    die Weisung als belastenden VA nach § 42 I VwGO
  – Klagebefugnis der Stadt S (§ 42 II VwGO )aus Art. 28 II GG
  – Anfechtungsklage der S wäre bei Einhaltung der Klagefrist
    (§ 74 VwGO) zulässig.                                 122
Frage 2: Zulässigkeit der Klage des Bürgers B
   gegen die aufsichtsbehördliche Weisung

I. Vw-Rechtsweg nach § 40 I VwGO
   – öff.-rechtl. Streitigkeit auf dem Gebiet des
     Straßenverkehrsrechts (+)
II. Statthafte Klageart
   – Anfechtungsklage nach § 42 I VwGO, wenn es sich bei der
      Weisung für die Stadt S um einen belastenden VA nach § 35
      S. 1 VwVfG handelt
   1. Maßnahme auf dem Gebiet des öff. Rechts (+)
   2. Einzelfallregelung (+), konkreter Weisungsfall gegenüber S
      mit Auswirkung auf B
   3. Regelung auf unmittelbare Außenwirkung gerichtet ?
                                                          123
3. Regelung gegenüber B auf unmittelbare
   Außenwirkung gerichtet ?
   – Regelung?
      • Weisung zeitigt gegenüber B noch keine Rechtsfolgen, nur
        Vorbereitung einer straßenverkehrsrechtlichen Regelung


   – unmittelbare Außenwirkung?
      • aus Sicht des B nur mittelbare, faktische Auswirkungen der Weisung
        über die beeinflusste Planung der Stadt; Maßnahme muss gerade auf
        die unmittelbare Außenwirkung auch dem Bürger gegenüber
        gerichtet sein (final, gewollt)
      • hier nur gegenüber der Stadt S, nicht aber gegenüber B


   – Gegenüber B liegt in der Aufsichtsmaßnahme kein VA vor,
     Anfechtungsklage ist daher die falsche Klageart
                                                                   124
• Allgemeine Leistungsklage richtige Klageart ?
   – Gegen schlichtes Vw-Handeln, das kein VA ist (+)
   – Klagebefugnis des B analog § 42 II VwGO ?
      • Möglichkeit der Rechtsverletzung des Bürgers B ?
      • Grundsätzlich (-) bei Vw-internen Maßnahmen
      • Nach der Rspr. können faktische Auswirkungen auch
        Vw-interner Maßnahmen eine Klagebefugnis verleihen,
        wenn der Bürger hierdurch in seinen Rechten verletzt
        werden kann (z.B. ehrverletzende Äußerungen innerhalb
        eines Vw-internen Polizeiberichts)
      • hier aber keinerlei Rechtsverletzungen des B durch die
        Aufsichtsmaßnahme möglich, lediglich durch
        nachfolgende Planungen der Stadt S
      • auch Allg. Leistungsklage wäre unzulässig
                                                         125
• Feststellungsklage nach § 43 I VwGO ?
  – Ausschließlich Vw-interne Maßnahmen begründen kein
    „Rechtsverhältnis“ nach § 43 I VwGO.
  – Auch die Feststellungsklage ist nicht die richtige Klageart.
  – Weitere Klagearten sind für B nicht vorhanden.


• Ergebnis:
  – B kann nicht gegen die Weisung der Aufsichtsbehörde
    gegen die Stadt klagen.




                                                            126
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  • 1. Vorlesung Allgemeines Verwaltungsrecht Sommersemester Prof. Dr. Stephan Tomerius 1
  • 2. 1. Bordmittel • Mindestausstattung: – Beck-Texte Allg. Verwaltungsrecht (VwVfG, VwGO) • Lehrbücher Allg. Verwaltungsrecht : – Grundlagen: • Maurer, Allg. Verwaltungsrecht • Hendler, Allg. Verwaltungsrecht • Jachmann, Allg. Verwaltungsrecht (JA Skript) – Fälle • Alpmann, Verwaltungsrecht AT 1 und 2 • Zuleeg, Fälle zum Allg. Verwaltungsrecht 2
  • 3. 2. Überblick Allg. Verwaltungsrecht • Grundlagen des Allg. VwR – Verwaltung, Verwaltungsorganisation • Das Recht der Verwaltung – Rechtsquellen, Abgrenzung zum Privatrecht, Verwaltungsprivatrecht, Privatisierung • Rechtsgrundsätze des Allg. VwR • Handlungsformen der Verwaltung – Verwaltungsakt – Öffentlich-rechtlicher Vertrag – Sonstige Handlungsformen 3
  • 4. 2. Überblick Allg. Verwaltungsrecht • Grundzüge des Verwaltungsverfahrens (VwVfG) • Grundzüge der Verwaltungsvollstreckung (VwVG) • Grundzüge Verwaltungsprozessrecht (VwGO) – Klagearten – Widerspruchsverfahren • Grundzüge des Staatshaftungsrechts 4
  • 5. 3. Praktische Relevanz des Allgemeinen Verwaltungsrechts • Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Handelns der öffentlichen Verwaltung • Verwaltungsrecht durchzieht alle Lebensbereiche des täglichen Lebens der Bürger • Erhebliche Relevanz für den Bereich der Wirtschaft – Allg. VwR: Grundlage für Genehmigungen, Auflagen, Verfügungen, Subventionen gegenüber Wirtschaftssubjekten – Rechtsschutz gegenüber behördlichem Handeln ! Verwaltungsgerichte 5
  • 6. 4. Grundlagen des Allgemeinen Verwaltungsrechts • Was ist Verwaltung ??? – Verwaltung existiert im Grunde nicht nur im hoheitlichen (staatlichen) Bereich, sondern auch im privaten (gesellschaftlichen) Bereich • Allg. VwR bezieht sich nur auf die öffentliche Verwaltung • Unterscheidung: – Vw im organisatorischen Sinn – Vw im formellen Sinn – Vw im materiellen Sinn 6
  • 7. 4.1 Begriff der öffentlichen Verwaltung Öffentliche Verwaltung Vw im organisatori- Vw im formellen Sinn Vw im materiellen Sinn schen Sinn • Vw-Tätigkeit als • Staatl. Vw-Organisa- • Gesamte von den Wahrnehmung der tion Vw-behörden ausge- Aufgaben der staat- • Gesamtheit der Vw- übte Tätigkeit lichen Verwaltung Träger, Vw-Organe, • Die Tätigkeit, die sonstige Vw-Einrich- nicht Gesetzgebung, tungen Regierung oder Recht- sprechung ist 7
  • 8. 4.1 Begriff der öffentlichen Verwaltung Staatstätigkeit (Art. 20 II GG) Legislative Exekutive Judikative Regierung Verwaltung im materiellen (Gubernative) Sinn (Administrative) 8
  • 9. 4. 2 Aufgabenspektrum und Arten der Verwaltung im materiellen Sinn • Aufgaben quer durch die Gesellschaft: – Ausländerrecht, Bauwesen, Umweltschutz, Wirtschaftsverwaltung, Straßenverkehr, soziale Fürsorge, Polizei- und Versammlungsrecht, Meldewesen, Personenstand, Gesundheits- und Seuchenschutz, ... • Unterscheidung der Arten der Verwaltungstätigkeit nach Zwecksetzung 9
  • 10. 4.3 Unterscheidung der Arten der Verwaltung nach Zwecksetzung • Ordnungsverwaltung – Abwehr von Gefahren für die öff. Sicherheit und Ordnung • Polizei, Bauaufsicht, Gewerbeaufsicht, Seuchenbekämpfung, Straßenverkehr • Lenkungsverwaltung – Steuerung und Förderung einzelner Bereiche des sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens • z.B. Wirtschaftsförderung in strukturarmen Regionen, Kulturförderung > Pläne, Subventionen 10
  • 11. 4.3 Unterscheidung der Arten der Verwaltung nach Zwecksetzung • Abgabenverwaltung – Erhebung von Steuern und sonstigen Abgaben • Steuerämter, Gebühren und Beiträge nach Kommunalabgabengesetz (KAG) des Landes • Bedarfsverwaltung – Beschaffung von Personal und Sachmitteln zur Durchführung der Verwaltungstätigkeit • z.B. Erwerb von Büromöbeln etc., sog. privatrechtliche Hilfsgeschäfte der Verwaltung 11
  • 12. 4.4. Unterscheidung der Arten der Verwaltung nach Rechtswirkung für den Bürger • Eingriffsverwaltung – Beschränkung der Freiheit des Bürgers durch Verpflichtungen und Belastungen • z.B. Polizei- und Ordnungsrecht, Bauaufsicht • Leistungsverwaltung – öffentliche Unterstützungsleistungen, Bedarfsbefriedigung • z.B. Sozialhilfe, BaföG, Bereitstellung öffentlicher Infrastruktureinrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Versorgungsbetriebe 12
  • 13. 4.5 Unmittelbare und mittelbare Staatsverwaltung Staatliche Verwaltungsorganisation Unmittelbare StaatsVw Mittelbare Staatsverwaltung • durch eigene Bundes- oder Übertragung der Aufgabenerfüllung auf recht- Landesbehörden lich selbständige Personen • Zurechung der Tätigkeit zum • öff.rechtl. Körperschaften, Anstalten, Staat (Beklagter, § 78 VwGO) Stiftungen unter staatl. Aufsicht (z.B. Berufs- kammern, Unis, Sozialversicherungsträger) • Gemeinden, Landkreise (mittelbare Landes- verwaltung) • Beliehene: Übertragung von staatl. Vw-Auf- gaben auf selbständige Private (z.B. TÜV) Wahrnehmung von Vw-Aufgaben in Privatrechtsform (z.B. GmbH, AG; Beherrschung durch öffentlichen Verwaltungsträger, z.B. Bahn, öff. Ver- und Entsorgungsbetriebe) 13
  • 14. Landesverwaltung im Land Rheinland-Pfalz Landesverwaltung Unmittelbare Landesverwaltung Mittelbare Landesverwaltung Oberste Landes- Sonderbehörden behörden (Minist.) der Landesver- Obere Landes- waltung (z.B. behörden Landeskriminal- Landesunmit- Struktur- u. Geneh- amt, Verfassungs- telbare Körper- migungsdirektionen, schutz, Statistik) Gemein- schaften, Anstal- Kreise Aufsichts- u. Dienstl. den ten und Stiftun- Direktion gen des öff. - Regionale Ebene - Rechts Untere Landes- behörden 14 - Kreisverwaltung -
  • 15. 5. Das Recht der Verwaltung • Das Verwaltungsrecht umfasst die Rechts- sätze, die spezifisch die Verwaltungstätig- keit, das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsorganisation regeln • Abgrenzung Allg. und Besond. VwR – Allg. VwR: Regelungen, die grundsätzlich für alle Bereiche des VwR maßgeblich sind – Besond. VwR: Einzelne Tätigkeitsbereiche der Verwaltung, z.B. Bau-, Straßen-, Gewerbe-, Polizei-, Kommunal-, Umwelt-, Sozial-, Hochschulrecht (Bundes- und Landesgesetze) 15
  • 16. Maßgebliche Rechtsnormen für das Verwaltungshandeln Öffentliches Recht Privatrecht Staatsrecht Verwaltungsrecht Allg. VwR Besond. VwR Verwaltungsprivatrecht Öff.-rechtl. Privatrechtl. Handlungs- Handlungs- Fiskalisches Handeln formen formen Privatrechtl. Erwerbswirtschaftl. Unmittelbare Erfüllung von Aufgaben Hilfsgeschäfte Betätigung der der öffentlichen Verwaltung Verwaltung 16
  • 17. Regelungsbereiche Allgemeines VwR – Maßgebliche Regelungen in den Verwaltungs- verfahrensgesetzen von Bund und Ländern (VwVfG) (z.B, Handlungsformen der Vw, Vw- Verfahren) – Vw-Vollstreckung (Verwaltungsvoll- streckungsgesetze von Bund und Ländern) – Allgemeines Vw-Prozessrecht (verwaltungs- gerichtliche Klagen, Widerspruchsverfahren, einstweiliger Rechtschutz - Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO) – Staatshaftungsrecht – Recht der öffentlichen Sachen (Straßen, Wege)17
  • 18. 6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht • Praktische Relevanz der Abgrenzung: – Bestimmung des Rechtsweges (§ 40 I VwGO) • Rechtsweg zum Verwaltungsgericht und nicht zum Zivilgericht (privatrechtliche Streitigkeit, § 13 GVG) – Anwendbarkeit des VwVfG: • gilt gem. § 1 I VwVfG nur für öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit – Vorliegen eines Verwaltungsakts (§ 35 VwVfG) oder eines öff.-rechtl. Vertrags (§ 54 VwVfG) • jeweils Voraussetzung: Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts 18
  • 19. 6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht • Praktische Relevanz der Abgrenzung: – Verwaltungsvollstreckung • Behörden können Verwaltungsakte selbst durchsetzen, privatrechtliche Forderungen werden durch besondere staatliche Vollstreckungsorgane durchgesetzt (z.B. Gerichtsvollzieher) – Amtshaftung • Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB • Amtshaftungsansprüche greifen nur bei öffentlich- rechtlichem Handeln • für privatrechtliche, deliktische Schadensersatz- ansprüche (unerlaubte Handlungen) gilt § 823 BGB 19
  • 20. 6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht • Abgrenzung nach h.M. nach der „modifizierten / neueren Subjektstheorie“ – Wenn das durch den Rechtssatz berechtigte oder verpflichtete Subjekt ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt ist, so ist die betreffende Norm öffentlich-rechtlich – z.B. Baugenehmigung (§ 70 LBauO): • zwar ist auch der Bauherr berechtigt, verpflichtet aber zur Erteilung der Baugenehmigung ist ausschließlich die Baubehörde – Hinweis für Klausuren: Abgrenzung nur ansprechen, wenn ein Problem vorliegt 20
  • 21. 6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht • Problem: Zuordnung in Fällen, in denen das Handeln der Behörde nicht gesetzlich geregelt ist – Realakte (tatsächliche Handlungen ohne gesetzliche Grundlage): • z.B. Hinweise, Erklärungen, Unterhalten von öff. Einrichtungen, Beseitigung von Autowracks, Straßenbau,...) • Zuordnung zu öff. Recht oder Privatrecht nach dem Gesamtzusammenhang und nach der Zielsetzung: - Wahrnehmung hoheitl. Aufgaben > öff. Recht - Erledigung fiskalischer Hilfsgeschäfte > Privatrecht 21
  • 22. 6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht – Verlangen von Widerrufen und Unterlassungen bestimmter Äußerungen von Beamten • je nach der Funktion, in der der Beamte die Erklärung abgegeben hat > als Privatmann: Privatrecht > als Beamter bei privatrechtlichen Geschäftshandlungen für den Dienstherrn: Privatrecht, aber Zurechung zum Dienstherrn > als Beamter bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben: öffentliches Recht 22
  • 23. 6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht – Ansprüche der öffentlichen Hand auf Rückzahlung von zu Unrecht gewährten Geldleistungen • Beurteilung nach Rechtsnatur des Leistungsverhältnisses > privatrechtliches Leistungsverhältnis (Vertrag o.ä.): Privatrecht, Anspruchsgrundlage: Bereicherungsanspruch nach § 812 ff. BGB > öff.-rechtliches Leistungsverhältnis (gewährter Bewilligungsbescheid o.ä.): öff. Recht, Anspruchs- grundlage: öff.-rechtl. Erstattungsanspruch; gesetzliche Spezialregelung für Aufhebung eines bewilligenden Bescheides: § 49 a VwVfG) 23
  • 24. 6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht – Hausverbot für störenden Besucher durch Behördenleiter • Handlung aus privatrechtlichen Besitz- und Eigentumsrechten (BGB): Privatrecht • Handeln aus öffentlich-rechtlicher Sachherrschaft: öffentliches Recht • Rechtsprechung: Zweck des Besuchs: privatrechtliche Geschäfte: Privatrecht; öff.-rechtliche Angelegenheiten: öff. Recht • h.M. Literatur: Zweck des Hausverbots entscheidend: Sicherung der Erfüllung öff. Aufgaben im Verwaltungsgebäude: immer öff.- rechtlich 24
  • 25. Fall zur Abgrenzung von VwR und Privatrecht E möchte sein Grundstück in der rheinland-pfälzischen Gemeinde G mit einem 2-geschossigen Haus bebauen. Die Gemeinde G hat aber Bedenken, da in dem Wohngebiet, für das kein Bebauungsplan besteht, nur 1-geschossige Häuser stehen und sich das Vorhaben daher nach § 34 BauGB nicht in die vorhandene Bebauung einfüge. G will aber schon seit langem eine Straße, die an das Grundstück des E angrenzt, ausbauen und schlägt E daher einen „Deal“ in Form eines notariellen „Kaufvertrages“ vor: E verkauft einen 20 m langen und 3 m breiten Streifen seines Grundstücks an G, wobei die Parteien „davon ausgehen, dass Hindernisse für das Bauvorhaben des E ausgeräumt werden“. E schlägt ein und G verlangt die Übereignung des Grundstücksstreifens wegen des anstehenden Straßenausbaus. Nun weigert sich E aber, da er den 25
  • 26. Vertrag als „Kuhhandel und kalte Enteignung“ ansieht. G verlegt dessen ungeachtet die Straßendecke auf das Grundstück des E: E habe per Vertrag eingewilligt, unabhängig von der Wirksamkeit des Vertrages. E klagt nun vor dem Verwaltungsgericht und beantragt, die Gemeinde zu verurteilen, den Grundstücksstreifen zurückzugeben und den früheren Zustand wieder herzustellen. Wird E mit der Klage Erfolg haben ? 26
  • 27. Falllösung Hier Frage nach dem Erfolg einer verwaltungsgerichtlichen Klage: Einstieg für die Falllösung immer mit Obersatz Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist. I. Zulässigkeit der Klage 1. Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I VwGO • Vw-Rechtsweg gegeben für öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art • Liegt hier eine öff.-rechtliche Streitigkeit vor ? • Oder privatrechtliche Streitigkeit wegen des Kaufvertrags ?27
  • 28. Falllösung • Abgrenzung öff. Recht - Privatrecht • Modifizierte Subjektstheorie ? Wird durch den einschlägigen Rechtssatz ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt berechtigt oder verpflichtet ? • Maßstab hier: das Handeln der Behörde und das Begehren des Klägers E: – Rechtsgrundlage für das Handeln der Gemeinde (Beginn der Bauarbeiten auf dem Grundstück des E) ? – Keine gesetzliche Grundlage ersichtlich, Subjektstheorie für Einordnung einer Rechtsnorm hilft nicht weiter • Hier keine Zuordnung einer Rechtsnorm, sondern Realakt der Behörde: Baumaßnahmen ! • Frage: Gesamtzusammenhang der Baumaßnahmen mit dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht ? 28
  • 29. Falllösung • Straßenbau richtet sich nach dem Landesstraßengesetzen (Landesstraßengesetz Rh-Pf): öffentlich-rechtlicher Zusammenhang • Auch wenn eine private Baufirma den Auftrag ausführt, bleibt Zuordnung öffentlich-rechtlich, da der Straßenbau auf einer hoheitlichen Entscheidung beruht. • Frage hier aber: evtl. privatrechtliche Streitigkeit, da sich die Gemeinde das Grundstück des E durch einen Kaufvertrag besorgt hat ? Evtl. Rechtsweg vor das Zivilgericht ? – Inbesitznahme des Grundstücks durch G könnte auch eine privatrechtliche „verbotene Eigenmacht“ nach § 858 BGB sein – Ist der Kaufvertrag evtl. privatrechtlich einzustufen ? – Hier geht die Gemeinde aber nicht aus dem Vertrag vor (etwa durch Klage); sie handelt rein faktisch im Zusammenhang mit dem öff.- rechtlich einzuordnenden Straßenbau 29
  • 30. Falllösung • Streitigkeit also öff.-rechtlich einzuordnen • Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I VwGO gegeben 2. Statthafte Klageart • nach dem Begehren des Klägers zu prüfen • hier kein Verwaltungsakt (z.B. Bescheid o.ä.) der Gemeinde (§ 35 VwVfG), sondern Abwehr eines Realakts der Gemeinde und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands • keine Anfechtungsklage (§ 42 I VwGO) auf Aufhebung eines belastenden VA, sondern allgemeine Leistungsklage 3. Klagebefugnis (§ 42 II VwGO analog) • Möglichkeit einer Rechtsverletzung – hier: evtl. Verletzung Art. 14 I GG, Eigentumsgarantie – weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben. 30
  • 31. Falllösung II. Begründetheit der Klage Klage ist begründet, wenn E einen Anspruch auf Rückgabe des Grundstücksstreifens und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands hat. • Anspruchsgrundlage hier: Folgenbeseitigungsanspruch (FBA) – Allg. rechtsstaatlicher Anspruch: rechtswidriges Handeln der Behörde muss rückgängig gemacht werden • Voraussetzungen: – hoheitliche Maßnahme: hier Realakt der G, Inanspruchnahme des Grundstücks des E zum Straßenbau – rechtswidriger Eingriff ? – Hier (+), Vertrag berechtigt nicht zur einseitigen Vorgehensweise; ausdrückliche Einwilligung liegt nicht vor, jedenfalls aber von E widerrufen – E hat einen FBA gegen G 31
  • 32. Falllösung II. Ergebnis Klage ist begründet, da E einen Folgenbeseitigungsanspruch auf Rückgabe des Grundstücksstreifens und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands hat. Anmerkung: Im vorliegenden Fall kann E auch den Vertrag vom Gericht prüfen lassen (Feststellungsklage nach § 43 I VwGO). Im Ergebnis ist der Vertrag als öffentlich-rechtlicher Vertrag nach § 56 VwVfG einzustufen (öff.-rechtlicher Zusammen- hang mit Baugenehmigung). Eine inhaltliche Kopplung von Straßenbau und Bauplanungsrecht ist aber in öff.-rechtlichen Verträgen unzulässig (Kopplungsverbot). Der Vertrag ist nichtig. 32
  • 33. Abgrenzung von VwR und Privatrecht – Literaturhinweis: – Maurer, Allg. VwR, § 3 Rn. 12 ff., 20 ff. – Schmalz, Allg. VwR, 3. Aufl., S. 37 ff., 75 f (Übersichten) 33
  • 34. 7. Privatrechtliches Handeln der Verwaltung • Grundsätzlich handelt die Verwaltung öff.-rechtlich, in Teilbereichen - ausschließlich oder alternativ - aber auch in privatrechtlichen Handlungsformen – Privatrechtliche Hilfsgeschäfte der Verwaltung • vor allem Beschaffungsverwaltung – Erwerbswirtschaftliche Betätigung der Verwaltung • Öffentliche Hand als Teilnehmer am privatrechtlich geregelten Wirtschaftsleben – Vermögensverwaltung – Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben in den Formen des Privatrechts • vor allem bei Leistungen der Daseinsvorsorge 34
  • 35. Privatrechtliches Handeln der Verwaltung Verwaltungsprivatrecht Rein fiskalisches Handeln Erfüllung öff. Aufgaben in wirtschaftliche Tätigkeiten auf dem Markt Privatrechtsform Privatrechtl. Erwerbswirt- Vermögens- Hilfsgeschäfte schaftliche verwaltung (Staat als Betätigung (Staat als Kunde) der Verwal- Eigentümer) tung (Staat als Unternehmer) 35
  • 36. 7.1 Privatrechtliche Hilfsgeschäfte der Vw • Beschaffungsverwaltung: „Staat als Kunde“ (Büromaterial, KfZ, Grundstücke etc.) durch Abschluss privatrechtlicher Verträge (z.B. Kauf-, Miet-, Werkverträge) • Wichtig: Grundsätzliche Pflicht der öffentlichen Hand zur Ausschreibung von Beschaffungsverträgen ab bestimmten Größenordnungen (Schwellenwerte; ab bestimmten Schwellenwerten aufgrund von EU-Recht: europaweite Ausschreibung durch öff. Körperschaften und auch durch öff. beherrschte Unternehmen – öff. Vergaberecht ! Gesetz gegen Wettbewerbsbeschrän- kungen (GWB i.V.m Vergabe-Verordnung; unterhalb EU- Schwellenwerte: Bundes-/Landeshaushaltsgesetze/ Gemeinde-haushaltsVO i.V.m. Verdingungsordnungen (VOB/VOL) 36 • Zuständigkeit bei Streitfällen: Zivilgerichte
  • 37. 7.2 Erwerbswirtschaftliche Betätigung der Verwaltung – „Staat als Unternehmer“ über Beteiligungen an Unternehmen (z.B. Spielbanken, DB AG, VW, staatlichen Porzellanmanufakturen, Brauereien, Banken) – Geltung des Privatrechts für die Betätigung auf dem Markt und im Wettbewerb (Handelsgesetzbuch - HGB, Aktiengesetz- AktG, Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb - UWG, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB) – Sonderbereich: Gemeindewirtschaft nach den Regelungen der GemO; z.T. beschränkende Regelungen für die Betätigung kommunaler Unternehmen (öffentlicher Zweck, Subsidiarität gegenüber Privaten, Örtlichkeitsprinzip) 37
  • 38. 7.3 Privatrechtliche Vermögensverwaltung – „Staat als Eigentümer“ von Vermögensgegenständen (Grundstücke, KfZ etc.) – Soweit die Vermögensgegenstände nicht zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben benötigt werden, kommt eine privatwirtschaftliche Nutzung in Betracht, z.B.: • Vermietung oder Verpachtung kommunaleigener Räume oder Grundstücke (Ratskeller u.ä., Flächen für gewerbliche Zwecke, z.B. Fitnessstudio auf Parkhaus-Dach) • Kommunales Eigentum als Werbeflächen (Gebäude, Stadien, Busse etc.) • aber ggf. Grenzen des Kommunalwirtschaftsrechts zu beachten (Beschränkung kommunaler Wirtschaft nach den GemO der Länder; Konkurrenz zu privater Wirtschaft) – Pflicht zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung (GemO der Länder) 38
  • 39. 7. 4 Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben in den Formen des Privatrechts – Ordnungsverwaltung und Abgabenverwaltung: • hoheitliche Befugnisse des öff. Rechts unverzichtbar (Zwangsmittel, Bescheide) – Leistungsverwaltung: • wo keine öff.-rechtl.Vorschriften für die Erbringung öff. Leistungen bestehen, besteht Wahlfreiheit: Erbringung der Leistung in öff.-rechtl. oder privatrechtl. Form • sowohl hinsichtlich der Organisationsform als auch hinsichtlich der Ausgestaltung des Leistungs- und Benutzungsverhältnisses – z.B. Öff. Unternehmen der Ver- und Entsorgung: Energie, Wasser, Verkehr (Stadtwerke, Wasserwerke) 39
  • 40. 7.5 Wahlmöglichkeiten in den Formen des Öffentlichen und des Privatrechts Gemeinde betreibt Wasserwerk öff.-rechtl Organisationsform privatrechtl Organisationsform (z.B. Eigenbetrieb, Anstalt) (z.B. GmbH, AG) • öffentlich- oder • privatrechtliches privatrechtliches Benutzungsverhältnis Benutzungsver- (Rechnungen, Entgelte) hältnis Bürger Bürger/Kunde 40
  • 41. Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben in den Formen des Privatrechts • Öff.-rechtl. Organisationsformen (Anstalt des öff. Rechts, Regiebetrieb, Eigenbetrieb nach Landesrecht) • Privatrechtl. Organisationsformen (GmbH, AG, letztere zum Teil subsidiär nach Landesrecht) • Für den Bereich der Kommunalwirtschaft: besondere Vorschriften in den Gemeindeordnungen der Länder, Sicherung des kommunalen Einflusses und der Entscheidungssteuerung in kommunalen Unternehmen in Privatrechtsform – Kontrollfunktionen des Aufsichtsrates bei kommunalen GmbH – Jahresberichte, Rechnungslegung – Beteiligungscontrolling (in der Praxis noch defizitär) 41
  • 42. 7.6 Die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht • Vw-Privatrecht: öff.-rechtlich überlagertes und gebundenes Privatrecht, das der Vw für das Handeln zur Verfügung steht – Auch in Privatrechtsform nimmt die Vw öffentliche/staatl. Aufgaben wahr, unmittelbare Leistungen für den Bürger – Auch bei privatrechtlichem Handeln ist die Vw an öff.- rechtl. Grundsätze gebunden, diesen Bindungen darf sie sich nicht durch eine „Flucht ins Privatrecht“ entziehen; keine uneingeschränkte Privatautonomie – Rechtsweg bei Streitigkeiten aus dem Vw-Privatrecht: Zivilgericht (§ 13 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG) • auch wenn Kläger seinen Anspruch auf Art. 3 I GG stützt 42
  • 43. Öff.-rechtl. Bindungen der Verwaltung beim Handeln nach Vw-Privatrecht – Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und Beachtung der Grundrechte: Art. 1 ff. GG, insbesondere Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I GG, z.B.: • keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung bei Tarifgestaltung bei kommunal beherrschter Straßenbahn (keine Aussparung von Privatschülern oder ausländischen Schülern - BGHZ 52, 325); • ordnungsgemäße Staffelung von Kindergartenentgelten (OVG Lüneburg, NVwZ 1990, 91); • gleichheitliche Vergabe von Siedlungsland (BGHZ 29, 76) • Beachtung von Art. 3 I GG auf dem Gebiet der Wasserversorgung (BGHZ 65, 284, 287) – Wahrung der öff.-rechtl. Zuständigkeitsordnung • z.B. kein privatrechtlicher Betrieb eines Bundes-Fernsehens, da dies in die Kompetenzen der Länder fällt (BVerfGE 12, 205, 246) 43
  • 44. Öff.-rechtl. Bindungen der Verwaltung beim Handeln nach Vw-Privatrecht – Einhaltung der Grundsätze für die Abgabenerhebung (entsprechend Kommunalabgabengesetzen - KAG - der Länder) bei Erhebung privatrechtlicher Entgelte • Einhaltung des Kostendeckungsprinzips (nicht mehr Einnahmen als Kostendeckung erfordert) und Äquivalenzprinzips (Höhe der Abgabe muss dem Vorteil des Pflichtigen entsprechen) – Bei privatrechtlichen vertraglichen Vereinbarungen: Beachtung des Kopplungsverbots analog § 59 II Nr. 4 VwVfG • Gegenleistungen, auf die ein gesetzlicher Anspruch besteht, dürfen nicht im Vertrag gefordert werden; keine Kopplung von Leistung und Gegenleistung, die nicht im sachlichen Zusammen- hang stehen, (z.B. Stadt verpflichtet sich zur Rücknahme eines Bußgeldbescheides, falls ein Grundstück an die Gemeinde verkauft wird). 44
  • 45. 7.7 VwR und Privatrecht bei der Gewährung staatlicher Leistungen • Einstufung des Rechtsverhältnisses als öff.- oder privatrechtlich nach der „Zwei-Stufen- Theorie“ – Praktische Relevanz vor allem: Subventionen und Benutzung öffentlicher Einrichtungen (Stadt- und Sporthallen, Bäder, Bibliotheken,...) – Inhalt der „Zwei-Stufen-Theorie: • Rechtsverhältnis auf der 1. Stufe (Grundverhältnis): öffentliches Recht • Rechtsverhältnis auf der 2. Stufe (Abwicklungsverhältnis): Privatrecht 45
  • 46. Rechtliche Einstufung von Subventionen nach der „Zwei-Stufen-Theorie“ • 1. Stufe: Frage nach dem „ob“ der Subvention: Erhält der Antragsteller die staatliche Förderung? > Öffentlich-rechtliche Frage; evtl. Klage vor dem Verwaltungsgericht • 2. Stufe: Abwicklung der Subventionsmaßnahme: > Nach privatem Recht, wenn die Maßnahme über private Einrichtungen durch Vertrag abgewickelt wird (Darlehensvertrag, Bürgschaft etc.); evtl. Klage vor dem Zivilgericht – Falls auch die Abwicklung öff.-rechtlich erfolgt, so liegt nur ein 1- stufiges öff.-rechtl. Rechtsverhältnis vor (z.B. Bewilligungsbescheid oder Verwaltungsvertrag für Zuschüsse wie Filmförderung etc.) 46
  • 47. Rechtliche Einstufung der Benutzung öffentlicher Einrichtungen nach der „Zwei-Stufen-Theorie“ • 1. Stufe: Frage nach dem „ob“ der Benutzung: Darf der Antragsteller die öff. Einrichtung benutzen? > Öffentlich-rechtliche Frage (Grundverhältnis) – evtl. Klage vor dem Verwaltungsgericht – wird Einrichtung von öff. Unternehmen in Privatrechts- form betrieben (z.B. kommunale GmbH): Anspruch gegen Körperschaft (z.B. Kommune) auf Einwirkung auf das Unternehmen) – bei direkter Klage gegen das öff. Unternehmen in Privatrechtsform: Klage vor dem Zivilgericht (vgl. BVwG NVwZ 1991, 59) 47
  • 48. • 2. Stufe: Benutzungsverhältnis: > Wahlrecht zwischen öff.- oder privatrechtlicher Ausgestaltung (soweit keine zwingende gesetz- liche Regelung) – Indiz für privatrechtliche Ausgestaltung: • Einrichtung wird von juristischer Person des Privatrechts betrieben (GmbH, AG) • privatrechtl. Benutzungsverträge mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB); • Berechnung privater Entgelte für die Benutzung – Indiz für öff.-rechtliche Ausgestaltung: • Benutzungsverhältnis per Satzung geregelt • Erhebung von Gebühren für die Benutzung 48
  • 49. 7. 8 Privatisierung der Verwaltungstätigkeit • Aktuelle Diskussion und Trends in der Praxis – Hintergründe: Diskussion um „schlanken Staat“, „Koope- rativer Staat“, „Deregulierung“, „Verwaltungsmoderni- sierung“, Kosten der Verwaltung, „Verwaltungseffizienz“ – Privatisierungen auf allen Vw-Ebenen: Bund (staatseigene Betriebe - Bahn, Post, Telekom), Länder (Bildung von landeseigenen Gesellschaften, z.T. mit privater Beteiligung (Flughäfen, Landesentwicklungs-, Sonderabfallgesellschaf- ten), Kommunen (in nahezu allen Bereichen der kommu- nalen Aufgaben von Abfallwirtschaft bis Theater) – Privatisierung auf der gesetzlichen Ebene: • Bahn- und Postgesetze; Energiewirtschaft (Liberalisierung, EnWG); Wasserwirtschaft: § 18 a Abs. 2 WHG (vgl. auch §§ 52 Abs. 1 S. 3, 46 a LWG), Abfallwirtschaft (§ 16 Abs. 2 KrW-/AbfG) 49
  • 50. Unterscheidung von Privatisierungsformen Materielle Privatisierung Formelle Privatisierung („Aufgabenprivatisierung“) Organisations- Funktionale Verwaltungs-Ebene Gesetzes-Ebene privatisierung Privatisierung Vollständige Abgabe Regelungen zur öff.-rechtl. Form Einschaltung eines der Vw-Aufgabe an Übertragung hoheit- wird zu privat- privaten Erfüllungs- Private; licher Aufgaben rechtl. Form gehilfen zur Erledigung Veräußerung des auf Private von Vw-Aufgaben öff. Unternehmens Vermögensprivatisierung Teilweise oder vollständige Veräußerung 50 von Vw-Vermögen an Private
  • 51. 8. Rechtsquellen und Rechtsnormen des Verwaltungsrechts • Rechtsquellen = Formen, in die Rechtsnormen gefasst sind • Rechtsnormen = Rechtssätze des Außenrechts – Außenwirkung für den Bürger über den Vw-internen Bereich hinaus – in Abgrenzung zum Innenrecht (Regeln innerhalb eines Vw-Trägers, Beziehungen zwischen Vw-Organen und Vw-Träger, z.B. Geschäftsordnungen, Vw-Vorschrif- ten) – Rechtsnorm, Rechtssatz und Gesetz im materiellen Sinn sind synonyme Begriffe 51
  • 52. 8. 1 Rechtsquellen des Verwaltungsrechts Europäisches Gemeinschaftsrecht Grundsätzlicher Anwendungsvorrang Rechtsquellen des deutschen Verwaltungsrechts Geschriebenes Recht in der Normen- Ungeschriebenes Recht hierarchie: Grundgesetz (GG) formelles Bundesgesetz Bundesrechtliche Verordnung Bundesrechtliche Satzung Allgemeine Gewohnheits- Art. 31 GG (Bundesrecht bricht Landesrecht) Rechtsgrund- recht Landesverfassung sätze (auf allen Rang- formelles Landesgesetz stufen der Nor- Landesrechtliche Verordnung menhierarchie) Landesrechtliche Satzung 52
  • 53. Rechtsquellen des Verwaltungsrechts • Formelle Gesetze – von verfassungsrechtl. vorgesehenen Organen in Gesetzgebungsverfahren erlassen, d.h. Parlamentsgesetze • Materielle Gesetze – Jede allgemeinverbindliche Rechtsnorm mit Außenwirkung • Rechtsverordnungen – untergesetzliche Rechtsnormen, von der Exekutive erlassen (Regierung, oberste Vw-behörden, vgl. Art. 80 GG), z.B. StraßenverkehrsO, BImSchVO • Satzungen – untergesetzliche Rechtsnormen, von jur. Person des öff. Rechts kraft Satzungsautonomie erlassen, z.B. kommunale Satzungen 53
  • 54. 8.2 Das Verwaltungsverfahrensgesetz als Hauptquelle des Allgemeinen Verwaltungsrechts • VwVfG des Bundes (für Bundesbehörden) und der Länder (für Landesbehörden), inhaltlich kaum Unterschiede – Grundlegende Regelungen zum • Verwaltungsverfahren (z.B. Antrag, Anhörung, Akteneinsicht, Befangenheit, Planfeststellungs- verfahren) • Folgen von Verfahrensfehlern; Aufhebung von Verwaltungsakten • Handlungsformen der Vw (z.B. Verwaltungsakt, öff.- rechtl. Vertrag) 54
  • 55. 9. Grundsätze des Verwaltungsrechts 9.1 Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 III GG) Vorrang des Gesetzes Vorbehalt des Gesetzes – Vorrang des Gesetzes • formelle Gesetze gehen allen anderen staatlichen Maßnahmen vor • jegliches Vw-Handeln ist an das Gesetz gebunden – Vorbehalt des Gesetzes • Eingriff der Exekutive und Verwaltung in Freiheit und Eigentum der Bürger (Grundrechte !) bedürfen einer gesetzlichen Grundlage 55
  • 56. 9.2 Vorbehalt des Gesetzes • Ausfluss aus dem Demokratieprinzip (Art. 20 I, II 1 2. Hs. GG) – die unmittelbar gewählte und damit legitimierte Volksvertretung trifft die wesentlichen Entscheidungen • und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) – die rechtlichen Beziehungen zwischen Staat und Bürger werden durch allgemeine Gesetze geregelt – Vw-Handeln soll gesetzlich gesteuert, für den Bürger voraussehbar und berechenbar werden • Parlamentsvorbehalt: – BVerfG: Gesetzgeber muss in wesentlichen Bereichen - vor allem in denen der Grundrechtsausübung - die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen (Wesentlichkeitstheorie) 56
  • 57. 9.3 Weitere Grundsätze des Vw-Handelns • Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Rechtsstaatlicher Grundsatz • z.T. gesetzliche Ausprägungen, z.B. § 2 Polizei- und OrdnungsbehördenG RhPf – Die Vw-Maßnahme muss • geeignet sein, den angestrebten Zweck zu erreichen • erforderlich sein (d.h., das mildeste Mittel sein, das den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt) • angemessen sein (d.h., die Maßnahme muss zur Erreichung des Zwecks in einem angemessenen Verhältnis stehen; Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn) 57
  • 58. 9.3 Weitere Grundsätze des Vw-Handelns • Grundsatz des Vertrauensschutzes – Aus den Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet – Der Bürger darf auf den Fortbestand einer ihn betreffenden Entscheidung und deren Rechtsfolgen vertrauen • z.B. Aufhebung von Verwaltungsakten: Widerruf rechtmäßiger begünstigender VA, die Geldleistung gewähren, nur gegen Entschädigung (§ 49 VI VwVfG) • Grundsatz der Unparteilichkeit und Gleichbehandlung – unpolitische und unparteiische Verwaltung – §§ 20, 21 VwVfG: Ausschluss von bestimmten Personen vom Vw-Verfahren und Besorgnis der Befangenheit • Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit – z.B. Gemeindeordnungen der Länder, § 93 II GemO RhPf 58
  • 59. 10. Gesetzesbindung der Verwaltung • Verwaltung ist Gesetzesvollzug in Stufen – Ermittlung des zu regelnden Sachverhalts – Subsumtion des Sachverhalts unter die einschlägigen gesetzlichen Tatbestände – Auslegung und Feststellung der gesetzlichen Rechtsfolgenbestimmung – Rechtsfolgen-Entscheidung der Verwaltungsbehörde 59
  • 60. Gesetzesvollzug der Verwaltung Rechtsnorm Tatbestand des Gesetzes Gesetzliche Rechtsfolge Sprachlich unbestimm- inhaltlich unbe- Wahl und inhalt- ter, aber stimmter zwischen Eindeutige lich bestimm- Gesetzesbegriff mehreren Rechtsfolge bestimmter barer mit sog. Rechtsfolgen Gesetzes- Rechts- Beurteilungs- (Ermessen) begriff begriff spielraum Problematik des unbestimmten Rechts- Gebundene Frage des Verwaltungs- begriffs und des Beurteilungsspielraums 60 Entscheidung ermessens
  • 61. 11. Unbestimmter Rechtsbegriff und Beurteilungsspielraum der Vw • Das Problem: Darf die Vw unbestimmte Rechtsbegriffe selbst auslegen, ohne dass die Gerichte dies nachprüfen können und ihre Entscheidung an die Stelle der Vw-Entscheidung setzen? (str.) – z.T. Lit.-Meinung: vom Gesetzgeber gewollter eingeräumter eigenverantwortlicher Spielraum der Vw; nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar – z.T.: nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum nur da, wo der Gesetzgeber die Behörde zur abschließenden Beurteilung ermächtigt habe – Rspr.: auch unbestimmte Rechtsbegriffe sind voll überprüfbar (Argument: Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 IV GG), mit Ausnahme von höchstpersönlichen oder situationsbezogenen Beurteilungen, z.B.: 61
  • 62. Eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum der Verwaltung nach der Rechtsprechung – Prüfungsentscheidungen (bei Relevanz für den Berufszu- gang aber fachwissenschaftliche Richtigkeitskontrolle möglich, wegen Art. 12 I, 3 I und 19 IV GG) – Prüfungsähnliche Entscheidungen (Führerschein, Schülerversetzung) – Beamtenrechtliche Beurteilungen (Eignung, Befähigung, fachliche Leistung) – Wertende Entscheidungen durch Sachverständigenaus- schüsse (z.B. Indizierung jugendgefährdender Schriften, Bundesprüfstelle) – Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen in komplexen Fachgebieten, insbesondere Wirtschaft- und Umweltrecht (Immissionsrisiken,Prognose für Taxigewerbe)62
  • 63. Eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum der Verwaltung nach der Rechtsprechung • Verwaltungsgerichtliche Prüfung aber immer möglich hinsichtlich: – Richtigkeit der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs; Wahrung der normativen Grenzen des Beurteilungsspielraums – Beachtung der allg. rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätze (z.B. keine Befangenheit der Vw; Anhörungsrechte) – Zugrundelegung der richtigen Sachverhalts – Beachtung allgemeiner Bewertungsgrundsätze (z.B. vertretbare Lösungen nicht falsch); Vermeidung sachfremder Erwägungen – Wahrung der verfassungsrechtlichen Anforderungen (z.B. Chancengleichheit nach Art. 3 I GG) 63
  • 64. Fall zum Beurteilungsspielraum der Vw Der A-Verlag hat eine Taschenbuchausgabe des Buches „Das wilde Leben der Chantal O“ herausgebracht. Kurz nach Erscheinen nimmt die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, die gem. §§ 17 und 24 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) die Jugendgefährdung überprüft, das Buch in die Liste jugendgefährdender Schriften auf (Indizierung). Diese Entscheidung traf ein pluralistisch zusammengesetztes Gremium gem. § 19 JuSchG. Das Buch sei schwer jugendgefährdend, da der sexuelle Inhalt alle menschlichen Bezüge im Buch verdränge. Gestützt auf ein Gutachten hatte das Gremium entschieden, das Buch könne als pornographisches Buch nicht als „Kunstwerk“ angesehen werden. Der A-Verlag klagt nach erfolglosem Widerspruch gegen die Indizierung vor dem Verwaltungsgericht. Erfolgreich ? 64
  • 65. Falllösung > Hier Frage nach dem Erfolg einer verwaltungsgerichtlichen Klage: Einstieg für die Falllösung immer mit Obersatz Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist. I. Zulässigkeit der Klage • Hier kein Problem in der Zulässigkeit: – Vw-Rechtsweg § 40 VwGO (+) – Statthafte Klageart: Anfechtungsklage gegen belastenden VA (Indizierung) nach § 42 I VwGO – Klagebefugnis (§ 42 II VwGO): Mögliche Rechtsverletzung des Verlages in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit (Verlagsrechte aus Art. 14 I GG, eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb) 65
  • 66. II. Begründetheit der Klage Anfechtungsklage ist begründet, wenn der Verwaltungsakt (Indizierung) rechtswidrig ist und der A-Verlag in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 I 1 VwGO). 1. Frage: Darf das VG den Sachverhalt überhaupt gerichtlich überprüfen? Besteht hier ein nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum der Verwaltung (hier dem Kontrollgremium)? • Hier einschlägige Norm: § 18 JuSchG: Eignung – hier: der Schriften – zur Jugendgefährdung (eigenverantwortliche und gemeinschaftsfähige Persönlichkeit) • Unbestimmter Rechtsbegriff ! Nach der Rechtsprechung grundsätzlich unbeschränkt überprüfbar • Hier aber Ausnahme-Fall eingeschränkter Nachprüfbarkeit ? 66
  • 67. II. Begründetheit der Klage • Hier Fallgruppe „Entscheidungen, die von persönlicher Wertung abhängen/ wertende Entscheidungen durch Sachverständigenausschüsse“ • JuSchG hat einem weisungsfreien Gremium die Entscheidung zur Indizierung übertragen, hier besteht also ein nur eingeschränkt vom VG überprüfbarer Beurteilungsspielraum • Zu überprüfen allerdings: verfassungsrechtliche Beurteilung des Gremiums: – hier Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 III GG – BVerfG NJW 1991, 1471: weiter Kunstbegriff: auch Pornographie kann Kunst sein; entscheidend: Werk als Ergebnis freier schöpferischer Gestaltung als Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers; etwaige negative Auswirkungen für die Einordnung irrelevant 67
  • 68. • Abwägung zwischen Belangen des Jugendschutzes und der Kunstfreiheit hat zu erfolgen, verfassungsrechtlicher Ausgleich muss von Gerichten überprüft werden können • Konsequenz für den Fall: – kein Beurteilungsspielraum der Bundesprüfstelle hinsichtlich der Feststellung der Schwere der Jugendgefährdung und dem Schutz der Kunstfreiheit – keine Nachprüfung hinsichtlich der Abwägung der widerstreitenden Belange durch die Prüfstelle (Abwägungsvorgang); Argument: Prüfstelle ist kraft Gesetzes genau für diese Tätigkeit pluralistisch zusammengesetzt und daher sachkundig (BVerwG NJW 1999, 75) – hier hat die Prüfstelle aber überhaupt nicht abgewogen, da sie das Werk von vornherein nicht für „Kunst“ im Sinne des Art. 5 III GG hielt; Entscheidung ist fehlerhaft. • Ergebnis: A-Verlag ist durch die fehlerhafte Entscheidung in seinen Rechten aus Art. 14 I GG verletzt; Anfechtungsklage des Verlags ist begründet. Das VG hebt die Entscheidung der Prüfstelle mit dem Urteil auf. 68
  • 69. 12. Das Ermessen der Verwaltung • Verwaltungsermessen: gesetzlicher Tatbestand erfüllt, und die Vw kann zwischen mehreren Rechtsfolgen wählen • Unterscheidung: – Ermessen über das „Ob“ der Vw-Entscheidung: Entschließungsermessen – Ermessen über die Wahl mehrerer möglicher Rechtsfolgemaßnahmen: Auswahlermessen • Hinweise auf Vw-Ermessen im Gesetz: Formulierungen wie „..., kann...“, „..., darf...“, „..., ist befugt,...“ • Sonderfall: „Soll-Vorschriften“: Behörde ist in der Regel zum Handeln verpflichtet, Abweichungen in atypischen Fällen möglich 69
  • 70. Ermessensbindung der Verwaltung • Zentrale Normen: § 40 VwVfG (Ermessen im Vw-Verfahren) und § 114 S. 1 VwGO (Ermessensüberprüfung im Vw-Prozess) • Ermessensentscheidung ist rechtswidrig, wenn – die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (§ 40, Var. 2 VwVfG), • z.B.: Gesetz erlaubt nur Betriebsuntersagung, nicht aber den Abriss der Anlage – dem Zweck der Ermessensermächtigung nicht entsprochen wurde (Ermessensmiss- oder -fehlgebrauch) • falsche Tatsachen zugrundegelegt, unsachliche Kriterien, wirtschaftliche Gegenleistungen für Vw-Handeln, unverhältnismäßiges Verhalten • z.B.: Messfehler und nachträgliche Anordnungen nach BImSchG, Passentzug wegen persönlicher Streitereien 70
  • 71. Ermessensbindung der Verwaltung – Ermessensentscheidung ist rechtswidrig, wenn die Behörde überhaupt keinen Gebrauch vom Ermessen macht (Ermessensunterschreitung oder -nichtgebrauch) • Behörde verkennt, dass sie überhaupt Ermessen hat • z.B. Untersagung eines Gewerbes, obwohl die Möglichkeit für Auflagen besteht • Sonderfall: Ermessensschrumpfung/ Ermessensredu- zierung auf Null – Insbesondere bei der Einwirkung von Grundrechten – z.B.: Erteilung von straßenrechtlicher Sondernutzungser- laubnis zu Zeiten des Wahlkampfes; polizeiliche Gefahrenabwehr bei drohenden Gesundheitsverletzungen 71
  • 72. Fall zum Ermessen der Vw B entschließt sich, sein Haus umzubauen und eine Buchhandlung einzurichten. Nachdem er von der Bauaufsichtsbehörde die beantragte Baugenehmigung erhalten hat, beantragt B die Erlaub-nis zur Errichtung eines für den Umbau notwendigen Baugerüsts auf dem Bürgersteig direkt vor seinem Haus. Die zuständige Straßenbaubehörde der Stadt lehnt den Antrag mit der Begrün-dung ab, der Verkehr werde während des Baus zu stark behin-dert. Die Buchhandlung könne auch ohne den Umbau im Haus eingerichtet werden. Den Fußgängern sei es zudem nicht zuzu-muten, auf die Fahrbahn auszuweichen. Die Stadt habe zwar in vergleichbaren Fällen stets eine Erlaubnis erteilt. Mittlerweile sei aber - so die nicht näher belegte Behauptung der Stadt - der Ver-kehr so stark angestiegen, dass Gerüstbauten auf öffentlichen Wegen nur noch bei besonders wichtigen Bauvorhaben geneh-migt würden. Kann B erfolgreich rechtliche 72 Schritte einleiten ?
  • 73. Falllösung • Vorüberlegung: Hier Frage nach möglichen rechtlichen Schritten zur Realisierung des Begehrens des B (Gerüst auf dem Bürgersteig für den Umbau des Hauses) – verwaltungsgerichtliche Klage? • Einstieg für die Falllösung immer mit Obersatz B könnte sein Begehren rechtlich durchsetzen, wenn eine verwaltungsgerichtliche Klage zulässig und begründet wäre. I. Zulässigkeit der Klage 1. Vw-Rechtsweg (§ 40 VwGO) – öff.-rechtl. Streitigkeit nichtverfassungsrechtl. Art – Streitentscheidende Normen aus dem öff. Vw-Recht ? 73
  • 74. I. Zulässigkeit der Klage 1. Vw-Rechtsweg (§ 40 VwGO) – hier Ablehnung der Beantragung eines Baugerüsts auf öffentlichem Gehweg/Straßenraum: > öff. Straßen- und Wegerecht, > Straßengesetz RhPf – nach § 45 I RhPf StrG zivilrechtliche Sache, wenn B eine Benutzung verweigert wird, die den den Gemeingebrauch der Straße nicht beeinträchtigt – hier aber Inanspruchnahme von öff. Bürgersteig, also vorübergehender Ausschluss des Gemeingebrauchs (§ 34 III RhPf StrG), also auch öff.-rechtl. Belange berührt – Ablehnung des Antrags ist Maßnahme auf dem Gebiet des öff. Rechts mit Außenwirkung für B = Verwaltungsakt nach § 35 VwVfG – Vw-Rechtsweg nach § 40 I VwGO (+) 74
  • 75. I. Zulässigkeit der Klage 2. Statthafte Klageart – ausgehen vom Begehren des B: Was will B erreichen ? – Erlaubnis für die Aufstellung des Gerüsts; also einen ihn begünstigenden VA – hierfür ist die Verpflichtungsklage nach § 42 I 2. Alt. VwGO die richtige Klageart (hier in Form der sog. Versagungsgegenklage) 3. Klagebefugnis (§ 42 II VwGO) – bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (bei Allg. Leistungsklage und Fortsetzungsfeststellungslage § 42 II VwGO analog): Geltendmachen von Rechtsverletzungen • Möglichkeit der Rechtsverletzung reicht für Zulässigkeit aus 75 • Prüfung der tatsächlichen Rechtsverletzung in der Begründetheit
  • 76. I. Zulässigkeit der Klage 3. Klagebefugnis (§ 42 II VwGO) – Welches Recht des B könnte verletzt sein ? Rechtsnorm ? – Erlaubnis einer Sondernutzung nach § 41 I RhPF StrG – Erteilung ist aber nicht zwingend, sondern steht im Ermessen der Behörde („...Sondernutzung bedarf der Erlaubnis...“) • Zuständige Behörde ist der Träger der Straßenbaulast = Gemeinde nach § 14 RhPf StrG – B hat keinen unbedingten Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis, aber zumindest einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des behördlichen Ermessens – Dieser Anspruch reicht für die Klagebefugnis - mögliche Rechtsverletzung - nach § 42 II VwGO aus 76
  • 77. I. Zulässigkeit der Klage 4. Vorverfahren (§ 68 II VwGO) – Vor Klageerhebung ist ein Vorverfahren (Widerspruchs- verfahren) durchzuführen • wenn dies erfolgreich ist: keine Klage nötig • erfolgloses Vorverfahren: Klage vor dem VG nötig – Sinn: Vorprüfung der Rechtmäßigkeit des Vw-Verfahrens auf Vw-Ebene; Entlastung der Verwaltungsgerichte • Einlegung und Begründung des Widerspruchs bei Ausgangsbehörde, die VA erlassen hat • Prüfung der RM des VA regelmäßig durch nächst höhere Behörde (Widerspruchsbehörde), erlässt Widerspruchsbescheid • Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) nur bei Klagen auf Aufhebung (Anfechtungsklage) oder Erlass (Verpflichtungsklage) von VA – Fall: B muss erfolglos Widerspruch eingelegt haben. 77
  • 78. I. Zulässigkeit der Klage 5. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen – Frist und Form der Klage: § 74 VwGO • schriftliche Klageeinreichung 1 Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides • § 74 I VwGO für Anfechtungsklage, entsprechend § 74 II VwGO für Verpflichtungsklage – Richtiger Klagegegner: § 78 VwGO • Regelmäßig die Behörde, die den VA erlassen hat (§ 78 I Nr. 1 VwGO) – Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61 und 62 VwGO) 6. Ergebnis der Zulässigkeitsprüfung – Klage des B ist als Verpflichtungsklage zulässig. 78
  • 79. I. Begründetheit der Klage Obersatz: Verpflichtungsklage des B ist begründet, wenn die Versagung der Erlaubnis rechtswidrig ist und B dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 V 1 VwGO) 1. Formelle Rechtmäßigkeit des VA • Zuständigkeit der Behörde, Form des VA und Vw-Verfahren • Zuständige Behörde ist der Träger der Straßenbaulast = Gemeinde nach § 14 RhPf StrG; hier (+) • keine Form- und Verfahrensfehler (z.B. mangelnde Anhörung nach § 28 VwVfG) ersichtlich 2. Materielle Rechtmäßigkeit des VA – Prüfung der Voraussetzungen der Rechts-/Ermächtigungs- grundlage des Vw-Handelns – Rechtsverletzung des Klägers 79
  • 80. I. Begründetheit der Klage 2. Materielle Rechtmäßigkeit des VA – Prüfung der Voraussetzungen der Rechts- oder Ermächtigungsgrundlage des Vw-Handelns – hier: § 41 RhPf StrG: „Gebrauch der Straße über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) bedarf der Erlaubnis durch die Straßenbaubehörde“ • Wege sind Straßen im Sinne des StrG (§ 1 II) – Frage: hier überhaupt erlaubnispflichtige Sondernutzung ? Oder noch erlaubnisfreier Gemeingebrauch ? • Straßenbenutzung, die einen wesentlichen Teil der Straße/des Wegs für den öff. Verkehr sperrt, geht über Gemeingebrauch (§ 39 RhPf StrG) hinaus; Schwelle zur Sondernutzung ist überschritten (BVerwG NJW 1983, 770 f.) – B bedarf also für das Baugerüst einer Erlaubnis 80
  • 81. I. Begründetheit der Klage 2. Materielle Rechtmäßigkeit des VA – Rechtsfolge: Hätte B die Erlaubnis erteilt werden müssen? – § 41 I RhPf StrG: keine Verpflichtung zur Erteilung der Erlaubnis - „bedarf“ (nicht: Erlaubnis ist zu erteilen) – also: Ermessen der Straßenbaubehörde • Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der Behörde ? – Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichts (VG): §§ 114, 113 V 2 VwGO • Wenn die Ablehnung der Erlaubnis die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder die Behörde von dem Ermessen in einer der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, spricht das Gericht die Verpflichtung der Behörde aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden (sog. Bescheidungsurteil) • Anspruch nur bei Ermessenreduzierung auf Null 81
  • 82. I. Begründetheit der Klage • Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der Behörde ? – Ermessensmissbrauch ? • z.B. unsachliche Gesichtspunkte, persönliche Feindschaften, rein politisch-taktische Erwägungen • im Sachverhalt nicht ersichtlich – Ermessensunterschreitung oder -nichtgebrauch ? • Argument der Behörde: starke Verkehrsbehinderung • Behinderung findet aber immer bei Sondernutzungen statt • Gesetz fordert Abwägung zwischen Sondernutzungsinteresse (hier: Ausbau seines Hauses, Eigentumsnutzung) und öff. Belangen (hier: behauptete starke Verkehrsbehinderung) • Zu berücksichtigen bei der Ermessenbetätigung: Grundrechtsposition des B - Art. 14 I GG: Eigentum; Ausnutzung seines Eigentums erfordert zeitweiliges Ausweichen auf den Straßenraum 82
  • 83. I. Begründetheit der Klage • Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der Behörde ? – Ermessensunterschreitung oder -nichtgebrauch ? • Behörde hat die Grundrechtsposition des B nicht hinreichend abgewogen und die Verkehrsbehinderung als absoluten Grund für die Versagung der Erlaubnis genommen • Behörde kann angesichts des Eigentumsrechts des B nicht einfach ihre Auffassung an die Stelle des B setzten, der sein Eigentumsrecht (Ausbau Buchhandlung) nutzen will • Bedürfnis für die Sondernutzung ist im Licht der Eigentumsfreiheit des Art. 14 I GG zu interpretieren • Zwar auch „Sozialbindung des Eigentums“ und gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen in Art. 14 I 2 GG, aber Argument „starker Verkehr“ nur unsubstantiiert vorgebracht – Fehler in Form der Ermessensunterschreitung 83
  • 84. I. Begründetheit der Klage • Ermessensreduzierung auf Null ? – Anspruch des B auf Erteilung der Erlaubnis und nicht nur erneute Bescheidung ? • Behörde verweist auf regelmäßige Erteilung der Erlaubnis in vorangegangenen Fällen • Selbstbindung der Verwaltung ? Abweichung nur aus sachlichem Grund zulässig, ansonsten Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I GG • zulässig: Änderung der gesamten Vw-Praxis der Behörde in vergleichbaren Fällen aus übergeordneten sachlichen Gründen (politische Vorgaben, wesentlich veränderte Verhältnisse) • Argument „gestiegener Verkehr“ nur vage; Argument „nur beson- ders große Bauvorhaben“ verkennt auch das Eigentumsrecht des B aus Art. 14 I GG (s.o.); keine überzeugenden sachlichen Gründe – Hier vertretbar: Ermessensreduzierung auf Null aus Art. 3 I GG und Art. 14 I GG 84
  • 85. I. Begründetheit der Klage • Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Verweigerung der Erlaubnis erforderlich gewesen? Mildere Mittel zur Erzielung des gleichen Zwecks (Sicherung des Verkehrs)? – milderes Mittel als Versagung der Erlaubnis - Auflage: überdachte Fußgängerunterführung - wäre möglich gewesen – Verweigerung der Erlaubnis war nicht erforderlich • Ergebnis: – Die Verpflichtungsklage des B ist auch begründet. – Das VG wird die Behörde zur Erteilung der Sondernutzungserlaubnis verpflichten. 85
  • 86. 13. Handlungsformen der Verwaltung Erfüllung von Vw-Aufgaben Nach öffentlichem Recht Nach Privatrecht Hoheitsakte mit Hoheitsakte mit Innen- Öff.-rechtliche unmittelbarer Außen- wirkung/unmittelbarer Öff.-rechtl. Handlungsfor- wirkung/Regelung von Rechtserheblichkeit Willenser- men der nicht- Rechtsbeziehungen innerhalb eines Vw- klärungen hoheitlichen zwischen selbständi- Trägers Verwaltung gen Rechtsträgern konkrete allgemeine konkrete allgemeine Hoheits- Hoheits- Hoheits- Hoheitsakte Akte akte Akte schlichtes Öff.-rechtl. Verwaltungs- Vw-handeln Vertrag Innerdienstl. Einzelakte Normen Vorschriften Rechtsakte VA Zusage VO Satzung Tatsächliche Auskünfte, Verrichtung Information 86
  • 87. 14. Der Verwaltungsakt (VA) • Praktische Relevanz – Haupthandlungsform der Vw auf allen Handlungsfeldern, z.B.: • Ordnungsverwaltung/Gefahrenabwehr: Ordnungsverfügungen, Platzverweise, Versammlungsauflösungen, Gewerbeuntersagung • Abgabenverwaltung: Gebührenbescheide • Leistungsverwaltung: Subventionsbescheid, BaföG, Sozialhilfebescheid, Steuerbescheid – Legaldefinition: § 35 S. 1 VwVfG: VA ist jede Verfügung, Entscheidung oder hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öff. Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist 87
  • 88. 14.1 Rechtspraktische Funktionen des Verwaltungsakts • Vollzugs- und Konkretisierungsfunktion des VA – Gesetzliche Rechten und Pflichten des Bürgers im Einzelfall konkretisieren und verdeutlichen • Bestandskraft-Funktion des VA – Herbeiführen einer bestandskräftigen Entscheidung: im Interesse der Rechtssicherheit hat auch ein rechtswidriger (aber nicht nichtiger) VA, dem nicht innerhalb der Wider- spruchsfrist des § 70 I VwGO widersprochen und der nicht mit einer Klage angefochten wird, Bestand; vgl. auch § 43 II VwVfG – Widerspruch und Klage haben aufschiebende Wirkung; VA darf nicht vollzogen werden (Suspensiveffekt, §§ 80 I, 80 a VwGO) 88
  • 89. 14.1 Rechtspraktische Funktionen des Verwaltungsakts • Verfahrensfunktion des VA – VA ist (neben dem öff.-rechtl. Vertrag) Voraussetzung für die Anwendung des VwVfG insgesamt (vgl. § 9 VwVfG) und für zahlreiche Einzelvorschriften (z.B. Anhörung nach § 28 VwVfG) • Rechtsschutzfunktion des VA – VA ist Voraussetzung für Rechtsbehelfe des Widerspruchs sowie der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ein- schließlich der aufschiebenden Wirkung nach § 80 VwGO • Vollstreckungsfunktion – VA ist grundsätzlich Voraussetzung für eine Verwaltungsvollstreckung (vgl. §§ 3, 6 BVwVG) 89
  • 90. 14.2 Arten von Verwaltungsakten I. Belastende und begünstigende VA – Belastender VA: greift in den Rechtskreis des Bürgers ein oder erlegt einen Nachteil auf • Rechtsbehelfe: Widerspruch (§ 80 I VwGO), einstweiliger Rechtschutz: Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 V VwGO); Hauptsache: Anfechtungsklage (§ 42 I 1. Alt. VwGO) • z.B. Zahlungsbescheide, Bauverbot, Gewerbeschließung,... – Begünstigender VA: gewährt Recht oder Vorteil (vgl. Legaldefinition in §“ 48 I 2 VwVfG) • Rechtsbehelfe: einstweiliger Rechtschutz: einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO; Hauptsache: Verpflichtungsklage § 42 I 2. Alt. VwGO; • z.B.: Baugenehmigung, Gewerbegenehmigung, Subvention 90
  • 91. 14.2 Arten von Verwaltungsakten – Sonderfall: VA mit Mischwirkung (für dieselbe Person) • Rechte und Pflichten zugleich (z.B. Beamtenernennung, Wehrdienst) – Sonderfall: VA mit Doppelwirkung (für verschiedene Personen) • Vgl. §§ 80 I 2, 80 a VwGO • für den Adressaten begünstigende Wirkung, für einen Dritten zugleich belastende Wirkung • z.B. Baugenehmigung (für Bauherrn begünstigend, für Nachbarn belastend) • auch umgekehrt möglich: VA mit belastender Wirkung für Adressaten, für Dritten aber begünstigen (vgl. § 80 a II VwGO), z.B.: Immissionsauflagen an Anlagenbetreiber, begünstigend für Nachbarn 91
  • 92. 14.2 Arten von Verwaltungsakten • Generelle Unterscheidung bei begünstigenden und belastenden VA: – „Befehlende VA“ (Ge- und Verbote, die zu bestimmten Tun oder Unterlassen verpflichten), • z.B. Polizeiverfügung, Gebührenbescheid – „Gestaltende VA“ (begründen oder beseitigen ein Rechtsverhältnis) • z.B. Einbürgerung, Beamtenernennung, Rücknahme eines VA (§ 48 VwVfG) – „Feststellende VA“ (treffen eine unmittelbar rechtserhebliche Feststellung, zur Eigenschaft einer Person, einer Sache oder zu einem Sachverhalt) • z.B. Feststellung der Staatsangehörigkeit oder des Wahlrechts, TÜV-Plakette (§ 29 StVZO), Eigenschaft als Kulturdenkmal 92
  • 93. 14.2 Arten von Verwaltungsakten II. VA mit Nebenbestimmungen – z.B. Bescheide mit Befristungen, Bedingungen, Widerrufsvorbehalt, Auflagen, Auflagenvorbehalt (vgl. § 36 II VwVfG) III. VA mit Dauerwirkung – VA begründet Rechtsverhältnis für einen bestimmten Zeitraum, z.B. Rentenbewilligung, Fahrerlaubnis, Gewerbeuntersagung, Anschluss- und Benutzungszwang IV. Mitwirkungsbedürftige VA vor Erlass des VA erklärt der Betroffene sein Einverständnis oder Behörde holt nachträgliche Genehmigung ein z.B. Beamtenernennung, Sozialleistungen 93
  • 94. V. Mehrstufige VA – VA mit vorgeschriebener Mitwirkung anderer Behörden • z.B. Personalrat bei Personalsachen, Zustimmung der obersten Landesstraßenbaubehörde bei bestimmten Anlagen längs der Autobahnen (§ 9 II FStrG), Einvernehmen der Gemeinde bei der Genehmigung von Bauvorhaben im Außenbereich (§ 36 BauGB) – Problem: Rechtsschutz bei Verweigerung eines beantragten begünstigenden VA, wenn mitwirkende Behörde nicht zustimmt • Rechtsschutz des Bürgers gegen verweigerte Zustimmung der mitwirkenden Behörde ? (z.B. Bauherr will gegen verweigertes Einvernehmen der Gemeinde klagen) • h.M./Rspr.: Mitwirkung ist behördeninterner Vorgang, kein VA gegenüber dem Bürger; Genehmigungsbehörde erlässt VA mit Außenwirkung; Bürger klagt gegen Genehmigungsbehörde auf Genehmigung • bei rechtwidriger Verweigerung: Im Prozess auf Erteilung der Genehmigung entfällt Bindungswirkung; Vpfl.-klage hat Erfolg 94
  • 95. VI. Teilgenehmigung, Vorbescheid und vorläufiger VA – Teilgenehmigung: • bezieht sich auf real abtrennbaren Teil einer Anlage, z.B. Kühlturm eines Kraftwerks, (vgl. § 8 BImSchG) – Vorbescheid • positiver Bescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen oder Standort der Anlage (vgl. § 9 BImSchG, § 72 LBauO RhPf) – Teilgenehmigungen und Vorbescheide regeln Teilabschnitte abschließend; Bindungswirkung für das weitere Genehmigungsverfahren – Vorläufiger VA • z.B. Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO); vorläufige Gaststättengenehmigung (§ 11 GastG); diverse sozialrechtliche Leistungen, § 44 BSHG); vorläufige Gewährung von Subventionen unter Vorbehalt der Nachprüfung und Rückforderung (§ 48 VwVfG) 95
  • 96. 14.3 Merkmale des Verwaltungsaktsbegriffs (§ 35 S. 1 VwVfG) Hoheitliche Maßnahme auf Regelung Behörde (auf Rechts- Unmittelbare dem Gebiet Einzelfall (§ 1 IV VwVfG) wirkung Außenwirkung des öff. gerichtet) Rechts • Qualifizierung als VA nach dem Inhalt der Maßnahme, Auslegung • Regel: Bescheidform (Bezeichnung als „Verfügung, Bescheid, Genehmigung“) • Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung („Gegen diesen VA können Sie...“) 96
  • 97. Fall zur Qualifizierung einer Verwaltungs- handlung als VA - 14.3.1. Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts Die Stadt S hat 1998 ihre als Eigenbetrieb geführten Stadtwerke in eine Versorgungs- und Verkehrs-GmbH umgewandelt. S hält 100 % der Anteile der GmbH. Die Versorgungsverträge zwischen S und den Abnehmern wurden auf die neue V-GmbH übergeleitet. Die Abrechnung wird so vorgenommen, dass die V- GmbH der Stadtkasse die Daten mit den Abrechnungsunterlagen überlässt und die Stadtkasse die Abrechungen „im Namen und im Auftrag der V-GmbH“ erstellt. Den „Abrechnungsbeschei- den“ wird wie bisher eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, wonach innerhalb eines Monats Widerspruch bei der Stadtkasse einzulegen ist. 97
  • 98. T bezieht Strom und Wasser von der V-GmbH und erhielt einen Abrechnungsbescheid für das vergangene Jahr. Erst nach 6 Wochen bemerkt er, dass die Abrechnung auf einem falschen Tarif beruhte, was zu einer Mehrbelastung von 20 Euro pro Monat führte. T verlangt nun von der Stadtkasse 240 Euro Rückerstattung. Die Kasse entgegnet, der Abrechungsbescheid sei bestandskräftig und daher unanfechtbar geworden. Verweigert die Stadtkasse die Rückerstattung zu Recht ? 98
  • 99. Falllösung Einstieg für die Falllösung immer mit Obersatz Die Stadtkasse verweigert die Rückerstattung zu Recht, wenn es sich bei dem „Abrechnungsbescheid“ um einen VA handelt, der mangels fristgerechten Widerspruchs bestandskräftig und damit unanfechtbar geworden ist. I. Begriffsmerkmale des VA nach § 35 S.1 VwVfG • Maßnahme einer Behörde ? – Maßnahme: Jedes Verhalten mit Erklärungsgehalt (+) – Behörde: Legaldefinition § 1 IV VwVfG – Stadtkasse ist Träger öff. Vw-Aufgaben – Maßnahme muss der Behörde selbst zurechenbar sein; Behörde muss im eigenen Namen und als Organ des Staates handeln – hier aber „namens und im Auftrag der V-GmbH“; es fehlt an einem99 eigenen, dem Vw-Träger berechtigenden oder verpflichtenden Verhalten
  • 100. Falllösung I. Begriffsmerkmale des VA nach § 35 S.1 VwVfG • auf dem Gebiet des öff. Rechts ? – Hier macht T Ansprüche aus dem Stromversorgungsvertrag geltend – öff.-rechtlicher oder privatrechtlicher Vertrag ? – Vertragspartner hier als GmbH juristische Person des Privatrechts; das Leistungsverhältnis zum Abnehmer ist daher ebenfalls privatrechtlich • „Abrechnungsbescheid“ der äußeren Form nach trotzdem als VA zu qualifizieren? – Inhaltlich-materielle Beurteilung ist gegenüber rein formeller Betrachtung vorrangig – Stromrechung ist kein typischer Bescheid, zudem ausdrücklich „im Namen der V-GmbH“ – hier offensichtlich, dass privatrechtliche Zahlungsansprüche geltend gemacht werden 100
  • 101. Falllösung II. Rechtsfolgen • Der „Abrechnungsbescheid“ ist kein VA, der bestandskräftig geworden ist. – Dass T erst nach 6 Wochen - und nicht binnen eines Monats ab Bekanntgabe des VA (vgl. § 70 I VwGO) - Widerspruch eingelegt hat, ist unschädlich. • Mangels der Voraussetzungen für einen VA handelt sich somit um eine privatrechtliche Sache. – T kann die Zahlung nach § 812 I BGB - ungerechtfertigte Bereicherung - zurückfordern, da kein Rechtsgrund für seine Leistung (falscher Tarif !) bestand. – Anspruch ist grundsätzlich gegen den von der Stadtkasse Vertretenen - also die V-GmbH - zu richten. Da aber die gesamte Abrechung auf die Stadtkasse übertragen wurde, kann der Anspruch auf Rückerstattung auch gegenüber der Kasse geltend gemacht werden. 101
  • 102. 14.3.2. Das Merkmal der „Regelung“ • Zentrale Voraussetzung: VA als rechtsfolgenbegründender Akt – Abgrenzung zum Realhandeln/Realakt ohne Regelungsgehalt, in diesen Fällen keine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagen (VA !), sondern allgemeine Leistungsklage (auf Handeln oder Unterlassen) • Regelung = Maßnahme, die auf die Herbeiführung einer Rechts- folge gerichtet ist (kausal-verursacht als auch final-gewollt) • Typische Beispiele von Regelungen – Verbot (z.B. Versammlungsverbot) – Gebot (z.B. Abgabenbescheid) – Rechtsgewährung (Erlaubnisse, Genehmigungen) – Versagung (Ablehnungsbescheid, z.B. bei Bauantrag, Gewerbeanmeldung) – Umgestaltung von Rechtsverhältnissen (z.B. Widerruf einer Erlaubnis) – Feststellungen (Kürzung von Pensionsansprüchen oder Dienstbezügen) – Dingliche Regelungen (Widmung von Straßen, Regelung der Benutzung 102 durch Verkehrsschilder)
  • 103. Abgrenzung von „Regelung“ und „Realakt“ • Maßnahmen ohne Regelungswirkung (Setzen von Rechtsfolgen) sind Realhandeln oder schlichtes Vw-Handeln • Fallgruppen Realhandeln – Maßnahmen ohne Erklärungsgehalt (z.B. Dienstfahrten, Untersuchungen und Durchsuchungen, Straßenbau, Müllabfuhr,...) – Wissenserklärungen informativer Art (Auskünfte, Warnungen, Empfehlungen, Schulunterricht, Hochschulvorlesungen – ABER: abzugrenzen von Wissenserklärungen: Zusage der Vw mit rechtlichem Bindungswillen und Zusicherung des Erlasses oder Unterlassens eines VA nach § 38 VwVfG: nach h.M. VA – schlichte Zahlungsaufforderungen (die nicht per Bescheid ergehen) • Kombination von VA und Realakten – Erklärung der Zulässigkeit von Realakten durch VA (z.B. Immissionen 103 durch genehmigte Verkehrsprojekte: Genehmigung muss angefochten
  • 104. Fall zur Abgrenzung von „Regelung“ und „Realakt“ S und seine Mitschüler verwandeln ihren Klassenraum durch verteilten Papiermüll in eine „Kreativzone“. Lehrer L fordert die Schüler zum Aufräumen auf und schließt den Raum ab, um die Schüler am Verlassen des Zimmers zu hindern. Nach Ende der Reinigung entlässt L die Schüler. S will gerichtlich feststellen lassen, dass das Einschließen rechtswidrig war, damit so etwas nicht noch einmal passiert. Wie kann S die Maßnahme des L rechtlich prüfen lassen ? 104
  • 105. Falllösung • Vorüberlegungen: – Frage nach den rechtlichen Möglichkeiten des S. – Welchen Rechtsschutz könnte S erhalten? – Verwaltungsgerichtliche Klage – hier Besonderheit: Handlung des Lehrers, die S überprüfen lassen will, ist Vergangenheit, Sache hat sich erledigt • Frage also: Welche Klagearten enthält die VwGO für die Feststellung der Rechtswidrigkeit (RW) von Vw-Maßnahmen, die sich erledigt haben ? – Dies richtet sich nach der Art der Maßnahme: – für Nachwirkungen von schlichten Vw-Maßnahmen grundsätzlich (allgemeine) Feststellungsklage nach § 43 I VwGO – für die Feststellung der RW von erledigten VA: Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 I 4 VwGO • Entscheidende Frage also: Ist die Maßnahme des L ein VA ? 105
  • 106. Falllösung • Abschließen der Tür eine behördliche Maßnahme auf dem Gebiet des öff. Rechts ? – Ordnungsmaßnahme eines Amtsträgers aufgrund des SchulG (+) • Regelungswirkung (auf Setzen einer Rechtsfolge gerichtet) ? – Tatsächliche Errichtung einer Sperre > schlichtes Vw-Handeln/ Realakt ? – Zwar Eingriff in Grundrechte der Schüler (Allg. Handlungsfreiheit Art 2 I GG): kausale Handlung für GR-Beeinträchtigung – aber auch finale Rechtsfolge ? War gerade diese Rechtsbeeinträchtigung bezweckt? Unmittelbar gewollte Rechtsfolge kraft Regelung ? – Hier bloße faktische Beeinträchtigung als Reflex, beabsichtigt war die Rechtsfolge „Ordnung wiederherstellen“; keine Regelung – Anders bei tatsächlichen Handlungen der Vw, die schlüssig - konkludent - ein rechtliches Duldungsgebot beinhalten, z.B.: polizeiliche Standardmaßnahmen als Verhaltensgebote (z.B. Vorladung und Platzverweis; Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln (§§ 13, 14 VwVG): selbständige VA 106
  • 107. Falllösung • Ergebnis: – Das Abschließen der Tür, das die Wiederherstellung der Ordnung im Klassenraum ermöglichen soll, setzt keine unmittelbare Rechtsfolge und ist daher keine Regelung im Sinne von § 35 S. 1 VwVfG – Es liegt daher kein VA vor. – Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht kann S daher nicht mit der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 I 4 VwGO, sondern nur mit der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 I VwGO begehren. – Anmerkung: Im Ergebnis hat das Gericht die Klage des S als unbegründet abgewiesen, weil es die Maßnahme - als Grundrechts- eingriff - für verhältnismäßig gehalten hatte (unter Beachtung des pädagogischen Gestaltungsspielraums des L und des kurzen Zeitraums des Einschließens), vgl. OVG Schleswig NJW 1993, 952 107
  • 108. Regelungen Abstrakt-generell Konkret-individuell Unmittelbare Verwaltungs- Unmittelbare Verwaltungs- rechtliche interne rechtliche interne Außenwirkung Rechtswirkung Außenwirkung Rechtswirkung Rechtsnorm Innerdienstliche Verwaltungs- Verwaltungsakt (Gesetz, VO, Weisung vorschriften Satzung) 108
  • 109. 14.3.3. Das Merkmal des „Einzelfalls“ • Hoheitliche Regelung ergeht entweder allgemein oder im Einzelfall – abstrakt-generelle Regelungen sind in der Regel Rechtsnormen, konkret- individuelle Regelung ist ein VA • Abgrenzung zwischen Rechtsnorm und VA – Regelung konkreten Sachverhalts, der sich nach Zeit, Ort und bestimmtem Adressaten nur einmal ereignet (z.B. „Zahlen Sie 100 Euro wegen Beschmierens von Rathauswänden !“) > VA – abstrakte Regelung, wenn Sachverhalt nur begrifflich/gedanklich erfasst wird (hypothetisch geregelte Sachverhalte): „Werden die Grenzwerte für SO² überschritten, dann...“ > Rechtsnorm • Abgrenzungsbeispiel: – Umweltamt fordert Betriebe konkret auf, Informationen über Abwassereinleitungen innerhalb einer Woche zu übermitteln > VA – Generelle Forderung, dass jeder Betrieb eigene Untersuchungen vornimmt > Regelung müsste per Gesetz erfolgen, durch VA unzulässig 109
  • 110. Das Merkmal des „Einzelfalls“ - Mischfälle • In Ausnahmefällen existieren auch: – abstrakt-individuelle Regelungen – konkret-generelle Regelungen • Beispielsfall für abstrakt-individuelle Regelung – Störfall-VO verpflichtet Betriebe, den Umweltämtern Störfälle zu melden; Behörde gibt Betrieb durch Bescheid auf, „jedes mal, wenn sich ein Störfall ereignet, der Behörde den Störfall binnen einer Stunde zu melden und die in der Störfall-VO erforderlichen Angaben zu machen“; inklusive Zwangsgeldandrohung bei Nichtbefolgung – Regelung als VA nach § 35 VwVfG zulässig (wegen Zwangsgeld) ? – Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öff. Rechts (+) – Außenwirkung (+), da Betrieb eine rechtliche Verpflichtung trifft – Aber Regelung im Einzelfall ? – Individueller Adressat (+), aber Störfall hypothetisch-abstrakt – h.M.: abstrakt-individuelle Regelung ist VA nach § 35 S. 1 VwVfG 110
  • 111. Das Merkmal des „Einzelfalls“ - Mischfälle • Konkret-generelle Regelungen (Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 VwVfG) – konkreter Vorgang, aber größerer Adressatenkreis betroffen • z.B. Maßnahmen bei Seuchengefahr; präventive Verhinderung von Demonstrationen bei angekündigten Gewalttaten • Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 VwVfG hat 3 Varianten: – VA an bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis (sog. personenbezogene Allgemeinverfügung - Hauptfall) – VA, der die öff.-rechtliche Eigenschaft einer Sache betrifft (sog. dinglicher VA), z.B. Widmung eines Grundstücks zur Straße, Straßenumbenennung, Hausnummerzuteilung – VA, der die Benutzung einer öff. Sache durch die Allgemeinheit betrifft (sog. benutzungsregelnde Allgemeinverfügung), z.B. Verkehrsschilder, die Verbote und Gebote beinhalten 111
  • 112. Beispielsfälle für Allgemeinverfügungen nach § 35 S. 2 VwVfG • Benutzungsregelnde Allgemeinverfügung (Variante 3) A legt Widerspruch gegen Stopschild ein, um ungebremsten Autokorso nach Hochzeit zu ermöglichen; er erhofft sich „aufschiebende Wirkung“ (Suspensiveffekt) nach § 80 I VwGO, da er das Stopschild als VA einstuft. Freie Fahrt für die Hochzeitsgesellschaft ? – Stopschild müsste VA nach § 35 VwVfG sein, damit Suspensiveffekt nach § 80 I VwGO greifen könnte – Verkehrszeichen sind Maßnahmen einer Behörde auf dem Gebiet des öR – Regelung mit Außenwirkung als Gebote und Verbote nach StVO (+) – Einzelfallregelung? Hier Fall des § 35 S. 2 Var. 3 VwVfG: Regelung, die die Benutzung einer öff. Sache (Verkehrszeichen) durch die Allgemeinheit betrifft); Verkehrszeichen sind Allgemeinverfügungen und damit VA – Aber kein Suspensiveffekt, da aufschiebende Wirkung analog § 80 II Nr. 2 VwGO analog entfällt; Verkehrszeichen bleiben verbindlich 112
  • 113. Beispielsfälle Allgemeinverfügungen nach § 35 S. 2 VwVfG • Personenbezogene Allgemeinverfügung (Variante 1) SMOG-Alarm Die Landesregierung L hat aufgrund der Ermächtigung in § 40 I BImSchG eine Rechtsverordnung erlassen, wonach bei „austauscharmen Wetterlagen“ der KfZ-Verkehr zu beschränken oder zu verbieten ist, um schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen zu vermeiden oder zu vermindern. Als im Januar die Schadstoffkonzentrationen bei sog. inverser Wetterlage stark ansteigt, ruft das zuständige Landesumweltministerium in Hörfunk und Fernsehen Smog- Alarmstufe 2 aus. Entsprechende Fahrverbotsschilder werden aufgestellt. KfZ-Fahrer A meint, Stufe 1, die PKW-fahren in Ausnahmefällen zulässt, müsse ausreichen. Er legt Widerspruch gegen den Alarm ein. 113
  • 114. Falllösung • Vorüberlegung: Hier Frage, ob A das Fahrverbot aufgrund des Smog-Alarms beachten muss. • Obersatz: A müsste das Verbot nicht beachten, wenn sein Widerspruch aufschiebende Wirkung nach § 80 I VwGO hätte. • Voraussetzung § 80 I VwGO: Verwaltungsakt ! • Also Frage: Handelt es sich beim Smog-Alarm um einen VA im Sinne von § 35 VwVfG ? – Maßnahme auf dem Gebiet des öff. Rechts (+); Umweltministerium als oberste Landesbehörde – Aber Regelung im Einzelfall ? – Regelung = Setzen einer Rechtsfolge: nach h.M. liegt die Regelung im Verkehrsverbot aufgrund des bekannt gegebenen Smog-Alarms (a.M.: Rechtsfolge ergibt sich aus der VO, nicht aus der Bekanntgabe des Alarms, nur Feststellung einer Rechtstatsache) 114
  • 115. Falllösung • Hier Bekanntgabe an größeren Personenkreis: Einzelfallregelung im Sinne von § 35 S. 2 VwVfG (Allgemeinverfügung) • Variante 3 (Benutzung der Straße von Allgemeinheit) oder Variante 1 (personenbezogene Allgemeinverfügung) ? – Verkehrsbeschränkung wird nicht durch Bekanntgabe des Alarms, sondern erst durch die aufgestellten Verkehrszeichen bewirkt; Alarm-Bekanntgabe ist also kein Fall der Variante 3 • Voraussetzung personenbezogene Allgemeinverfügung (Var. 1) – bestimmter oder bestimmbarer Kreis von Adressaten ? – z.T.: unbestimmter Kreis; Regelung nur durch RechtsVO (Gesetz) möglich – H.M.: austauscharme Wetterlage ist ein konkreter räumlicher Vorgang; Adressaten sind die, die in dieser Phase vom Smog-Alarm betroffen sind; enger Zusammenhang mit dem Regelungstypus der Verkehrszeichen, die als Allgemeinverfügung anerkannt sind; Bekanntgabe des Smog-Alarms ist daher eine Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 VwVfG 115
  • 116. Falllösung • A kann also Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung als VA im Sinne von § 35 S. 2 VwVfG einlegen. • Grundsätzlich Eintritt der aufschiebenden Wirkung nach § 80 I VwGO bei Widerspruch innerhalb eines Monats • Aber auch bei der Bekanntgabe von Smog-Alarm wird § 80 II Nr. 2 VwGO - ähnlich wie bei Verkehrszeichen - analog angewandt; Parallele zu unaufschiebbaren Maßnahmen von Polizeivollzugs- beamten • Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des A entfällt daher. • Er hat das Fahrverbot aufgrund des Smog-Alarms zu beachten. 116
  • 117. 14.3.4 Das Merkmal der „unmittelbaren Außenwirkung“ • Es existieren – Rechtsbeziehungen und Maßnahmen zwischen dem Staat und den Bürgern mit Außenwirkung – Rechtsbeziehungen und Maßnahmen innerhalb der Verwaltung, bloße Vw-interne Bedeutung (innerdienstliche Weisungen, Dienstbefehle, innerorganisatorische Beschlüsse in der Kommune, z.B. Wasserwerk soll Eigenbetrieb werden) • Voraussetzung der „Außenwirkung“ in § 35 VwVfG soll VA auf Außenverhältnis beschränken, keine Anwendung innerhalb der Vw • Eine Regelung der Vw hat „Außenwirkung“, – wenn die beabsichtigten Rechtsfolgen gegenüber einer außerhalb der Vw stehenden natürlichen oder juristischen Person eintreten sollen und – deren Rechtsposition erweitert, eingeschränkt, festgestellt oder sonst regelnd in sie eingegriffen wird. 117
  • 118. Das Merkmal der „unmittelbaren Außenwirkung“ Abgrenzungsfragen: • VA und Vw-interne Maßnahmen (hierzu folgender Fall) • Maßnahmen im Beamtenverhältnis – VA mit Außenwirkung: bei Regelung persönlicher Rechte und Pflichten des Beamten (Ernennung, Entlassung, Versetzung in andere Behörde, Festsetzung der Besoldung,...) – keine Außenwirkung: Beamter nur als Amtsträger betroffen (innerdienstliche Weisungen, Umsetzung innerhalb der Behörde) • Maßnahmen im Schulverhältnis – Unterscheidung zwischen Grund- und Betriebsverhältnis: Grundverhältnis: VA ! grundsätzliche Rechte und Pflichten des Schülers (Schulaufnahme, Entlassung, Versetzung(szeugnis), Nichtversetzung) Betriebsverhältnis: Maßnahmen des laufenden Schulbetriebs (Beginn und Ende des Unterrichts, unterrichtsleitende und pädagogische Maßnahmen, Einzelnoten) 118
  • 119. Fall zum Merkmal der „unmittelbaren Außenwirkung“ - Verkehrsberuhigte Zone Die Stadt S hat beschlossen, an allen Straßen mit Wohnbebau- ung verkehrsberuhigte Zonen mit Tempolimit 30 einzurichten. Die Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde über die Stadt hält die Voraussetzungen für diverse Straßen nicht für gegeben. Sie weist die Stadt an, u.a. die A-Straße aus der Zone hinauszu- nehmen. 1. Die Stadt fragt, ob eine Klage gegen die Weisung zulässig wäre. 2. Bürger B, der in der A-Straße wohnt, hat ein Interesse an der Verkehrsberuhigung und möchte ebenfalls gegen die Weisung der Aufsichtsbehörde klagen. Wie ist die Zulässigkeit beider Klagen zu beurteilen? 119
  • 120. Frage 1: Zulässigkeit der Klage der Stadt S gegen die aufsichtsbehördliche Weisung I. Vw-Rechtsweg nach § 40 I VwGO – öff.-rechtl. Streitigkeit auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts (+) II. Statthafte Klageart – Anfechtungsklage nach § 42 I VwGO, wenn es sich bei der Weisung für die Stadt S um einen belastenden VA nach § 35 S. 1 VwVfG handelt 1. Maßnahme auf dem Gebiet des öff. Rechts (+) 2. Einzelfallregelung (+), konkreter Weisungsfall gegenüber S 3. Regelung auf unmittelbare Außenwirkung gerichtet ? 120
  • 121. 3. Regelung auf unmittelbare Außenwirkung gerichtet ? – Hat die Aufsichtsbehörde Rechtsfolgen gegenüber einer außerhalb der Vw stehenden natürlichen oder juristischen Person beabsichtigt? – Hat die Maßnahme der Aufsichtbehörde die Rechtsposition der S erweitert, eingeschränkt, festgestellt oder sonst regelnd in sie eingegriffen? • VA-Qualität bei staatlichen Weisungen: – Weisungen innerhalb der Bundes- und Landesbehörden: keine VA, nur Innenwirkung (z.B. MI des Landes gegenüber Bezirksregierung) – Weisungen staatlicher Behörden gegenüber kommunalen Körperschaften (Städten, Gemeinden) haben Außenwirkung (und sind dann VA), wenn sie die Gemeinde in ihrem eigenen Wirkungskreis betreffen (Art. 28 II GG: Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde für eigene Angelegenheiten) – im übertragenen Wirkungskreis (Kommunen führen staatl. Aufgaben als mittelbare StaatsVw aus): nur Vw-interne Wirkung, also kein VA Ausnahme: Gemeinde hat auch im übertragenen Wirkungskreis eine besondere Rechtsstellung aufgrund von Art. 28 II GG (BVerwG DVBl 121 1995, 744 f.)
  • 122. – hier: Gemeinden führen Straßenverkehrsrecht als staatliche Aufgabe aus (übertragener Wirkungskreis), grundsätzlich also nur Vw-interne Wirkung der Maßnahme (kein VA) – aber die Planungshoheit der Gemeinde (städtebauliche Entwicklung, Stadtplanung) als elementarer Teil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 II GG ist betroffen – Eingriff der Weisung in den Rechtskreis der Gemeinde, also ist die Weisung gegenüber der Stadt S ein VA • Ergebnis: – Die richtige Klageart ist daher die Anfechtungsklage gegen die Weisung als belastenden VA nach § 42 I VwGO – Klagebefugnis der Stadt S (§ 42 II VwGO )aus Art. 28 II GG – Anfechtungsklage der S wäre bei Einhaltung der Klagefrist (§ 74 VwGO) zulässig. 122
  • 123. Frage 2: Zulässigkeit der Klage des Bürgers B gegen die aufsichtsbehördliche Weisung I. Vw-Rechtsweg nach § 40 I VwGO – öff.-rechtl. Streitigkeit auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts (+) II. Statthafte Klageart – Anfechtungsklage nach § 42 I VwGO, wenn es sich bei der Weisung für die Stadt S um einen belastenden VA nach § 35 S. 1 VwVfG handelt 1. Maßnahme auf dem Gebiet des öff. Rechts (+) 2. Einzelfallregelung (+), konkreter Weisungsfall gegenüber S mit Auswirkung auf B 3. Regelung auf unmittelbare Außenwirkung gerichtet ? 123
  • 124. 3. Regelung gegenüber B auf unmittelbare Außenwirkung gerichtet ? – Regelung? • Weisung zeitigt gegenüber B noch keine Rechtsfolgen, nur Vorbereitung einer straßenverkehrsrechtlichen Regelung – unmittelbare Außenwirkung? • aus Sicht des B nur mittelbare, faktische Auswirkungen der Weisung über die beeinflusste Planung der Stadt; Maßnahme muss gerade auf die unmittelbare Außenwirkung auch dem Bürger gegenüber gerichtet sein (final, gewollt) • hier nur gegenüber der Stadt S, nicht aber gegenüber B – Gegenüber B liegt in der Aufsichtsmaßnahme kein VA vor, Anfechtungsklage ist daher die falsche Klageart 124
  • 125. • Allgemeine Leistungsklage richtige Klageart ? – Gegen schlichtes Vw-Handeln, das kein VA ist (+) – Klagebefugnis des B analog § 42 II VwGO ? • Möglichkeit der Rechtsverletzung des Bürgers B ? • Grundsätzlich (-) bei Vw-internen Maßnahmen • Nach der Rspr. können faktische Auswirkungen auch Vw-interner Maßnahmen eine Klagebefugnis verleihen, wenn der Bürger hierdurch in seinen Rechten verletzt werden kann (z.B. ehrverletzende Äußerungen innerhalb eines Vw-internen Polizeiberichts) • hier aber keinerlei Rechtsverletzungen des B durch die Aufsichtsmaßnahme möglich, lediglich durch nachfolgende Planungen der Stadt S • auch Allg. Leistungsklage wäre unzulässig 125
  • 126. • Feststellungsklage nach § 43 I VwGO ? – Ausschließlich Vw-interne Maßnahmen begründen kein „Rechtsverhältnis“ nach § 43 I VwGO. – Auch die Feststellungsklage ist nicht die richtige Klageart. – Weitere Klagearten sind für B nicht vorhanden. • Ergebnis: – B kann nicht gegen die Weisung der Aufsichtsbehörde gegen die Stadt klagen. 126