3. 2. Überblick Allg. Verwaltungsrecht
• Grundlagen des Allg. VwR
– Verwaltung, Verwaltungsorganisation
• Das Recht der Verwaltung
– Rechtsquellen, Abgrenzung zum Privatrecht,
Verwaltungsprivatrecht, Privatisierung
• Rechtsgrundsätze des Allg. VwR
• Handlungsformen der Verwaltung
– Verwaltungsakt
– Öffentlich-rechtlicher Vertrag
– Sonstige Handlungsformen
3
4. 2. Überblick Allg. Verwaltungsrecht
• Grundzüge des Verwaltungsverfahrens (VwVfG)
• Grundzüge der Verwaltungsvollstreckung
(VwVG)
• Grundzüge Verwaltungsprozessrecht (VwGO)
– Klagearten
– Widerspruchsverfahren
• Grundzüge des Staatshaftungsrechts
4
5. 3. Praktische Relevanz des
Allgemeinen Verwaltungsrechts
• Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des
Handelns der öffentlichen Verwaltung
• Verwaltungsrecht durchzieht alle Lebensbereiche
des täglichen Lebens der Bürger
• Erhebliche Relevanz für den Bereich der
Wirtschaft
– Allg. VwR: Grundlage für Genehmigungen, Auflagen,
Verfügungen, Subventionen gegenüber
Wirtschaftssubjekten
– Rechtsschutz gegenüber behördlichem Handeln !
Verwaltungsgerichte
5
6. 4. Grundlagen des Allgemeinen
Verwaltungsrechts
• Was ist Verwaltung ???
– Verwaltung existiert im Grunde nicht nur im
hoheitlichen (staatlichen) Bereich, sondern auch im
privaten (gesellschaftlichen) Bereich
• Allg. VwR bezieht sich nur auf die
öffentliche Verwaltung
• Unterscheidung:
– Vw im organisatorischen Sinn
– Vw im formellen Sinn
– Vw im materiellen Sinn
6
7. 4.1 Begriff der öffentlichen Verwaltung
Öffentliche Verwaltung
Vw im organisatori- Vw im formellen Sinn Vw im materiellen Sinn
schen Sinn
• Vw-Tätigkeit als
• Staatl. Vw-Organisa- • Gesamte von den Wahrnehmung der
tion Vw-behörden ausge- Aufgaben der staat-
• Gesamtheit der Vw- übte Tätigkeit lichen Verwaltung
Träger, Vw-Organe, • Die Tätigkeit, die
sonstige Vw-Einrich- nicht Gesetzgebung,
tungen Regierung oder Recht-
sprechung ist
7
8. 4.1 Begriff der öffentlichen Verwaltung
Staatstätigkeit (Art. 20 II GG)
Legislative Exekutive Judikative
Regierung Verwaltung im materiellen
(Gubernative) Sinn (Administrative)
8
9. 4. 2 Aufgabenspektrum und Arten der
Verwaltung im materiellen Sinn
• Aufgaben quer durch die Gesellschaft:
– Ausländerrecht, Bauwesen, Umweltschutz,
Wirtschaftsverwaltung, Straßenverkehr, soziale
Fürsorge, Polizei- und Versammlungsrecht,
Meldewesen, Personenstand, Gesundheits- und
Seuchenschutz, ...
• Unterscheidung der Arten der
Verwaltungstätigkeit nach Zwecksetzung
9
10. 4.3 Unterscheidung der Arten der
Verwaltung nach Zwecksetzung
• Ordnungsverwaltung
– Abwehr von Gefahren für die öff. Sicherheit
und Ordnung
• Polizei, Bauaufsicht, Gewerbeaufsicht,
Seuchenbekämpfung, Straßenverkehr
• Lenkungsverwaltung
– Steuerung und Förderung einzelner Bereiche
des sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen
Lebens
• z.B. Wirtschaftsförderung in strukturarmen
Regionen, Kulturförderung > Pläne, Subventionen 10
11. 4.3 Unterscheidung der Arten der
Verwaltung nach Zwecksetzung
• Abgabenverwaltung
– Erhebung von Steuern und sonstigen Abgaben
• Steuerämter, Gebühren und Beiträge nach
Kommunalabgabengesetz (KAG) des Landes
• Bedarfsverwaltung
– Beschaffung von Personal und Sachmitteln zur
Durchführung der Verwaltungstätigkeit
• z.B. Erwerb von Büromöbeln etc., sog.
privatrechtliche Hilfsgeschäfte der Verwaltung
11
12. 4.4. Unterscheidung der Arten der Verwaltung
nach Rechtswirkung für den Bürger
• Eingriffsverwaltung
– Beschränkung der Freiheit des Bürgers durch
Verpflichtungen und Belastungen
• z.B. Polizei- und Ordnungsrecht, Bauaufsicht
• Leistungsverwaltung
– öffentliche Unterstützungsleistungen,
Bedarfsbefriedigung
• z.B. Sozialhilfe, BaföG, Bereitstellung öffentlicher
Infrastruktureinrichtungen wie Schulen,
Kindergärten, Krankenhäuser, Versorgungsbetriebe
12
13. 4.5 Unmittelbare und mittelbare Staatsverwaltung
Staatliche Verwaltungsorganisation
Unmittelbare StaatsVw Mittelbare Staatsverwaltung
• durch eigene Bundes- oder Übertragung der Aufgabenerfüllung auf recht-
Landesbehörden lich selbständige Personen
• Zurechung der Tätigkeit zum • öff.rechtl. Körperschaften, Anstalten,
Staat (Beklagter, § 78 VwGO) Stiftungen unter staatl. Aufsicht (z.B. Berufs-
kammern, Unis, Sozialversicherungsträger)
• Gemeinden, Landkreise (mittelbare Landes-
verwaltung)
• Beliehene: Übertragung von staatl. Vw-Auf-
gaben auf selbständige Private (z.B. TÜV)
Wahrnehmung von Vw-Aufgaben in Privatrechtsform (z.B. GmbH, AG; Beherrschung
durch öffentlichen Verwaltungsträger, z.B. Bahn, öff. Ver- und Entsorgungsbetriebe)
13
14. Landesverwaltung im Land Rheinland-Pfalz
Landesverwaltung
Unmittelbare Landesverwaltung Mittelbare Landesverwaltung
Oberste Landes- Sonderbehörden
behörden (Minist.) der Landesver-
Obere Landes- waltung (z.B.
behörden Landeskriminal- Landesunmit-
Struktur- u. Geneh- amt, Verfassungs- telbare Körper-
migungsdirektionen, schutz, Statistik) Gemein- schaften, Anstal-
Kreise
Aufsichts- u. Dienstl. den ten und Stiftun-
Direktion gen des öff.
- Regionale Ebene - Rechts
Untere Landes-
behörden 14
- Kreisverwaltung -
15. 5. Das Recht der Verwaltung
• Das Verwaltungsrecht umfasst die Rechts-
sätze, die spezifisch die Verwaltungstätig-
keit, das Verwaltungsverfahren und die
Verwaltungsorganisation regeln
• Abgrenzung Allg. und Besond. VwR
– Allg. VwR: Regelungen, die grundsätzlich für
alle Bereiche des VwR maßgeblich sind
– Besond. VwR: Einzelne Tätigkeitsbereiche der
Verwaltung, z.B. Bau-, Straßen-, Gewerbe-,
Polizei-, Kommunal-, Umwelt-, Sozial-,
Hochschulrecht (Bundes- und Landesgesetze) 15
16. Maßgebliche Rechtsnormen für das
Verwaltungshandeln
Öffentliches Recht Privatrecht
Staatsrecht Verwaltungsrecht
Allg. VwR Besond. VwR
Verwaltungsprivatrecht
Öff.-rechtl. Privatrechtl.
Handlungs- Handlungs- Fiskalisches Handeln
formen formen
Privatrechtl. Erwerbswirtschaftl.
Unmittelbare Erfüllung von Aufgaben Hilfsgeschäfte Betätigung der
der öffentlichen Verwaltung
Verwaltung 16
17. Regelungsbereiche Allgemeines VwR
– Maßgebliche Regelungen in den Verwaltungs-
verfahrensgesetzen von Bund und Ländern
(VwVfG) (z.B, Handlungsformen der Vw, Vw-
Verfahren)
– Vw-Vollstreckung (Verwaltungsvoll-
streckungsgesetze von Bund und Ländern)
– Allgemeines Vw-Prozessrecht (verwaltungs-
gerichtliche Klagen, Widerspruchsverfahren,
einstweiliger Rechtschutz -
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO)
– Staatshaftungsrecht
– Recht der öffentlichen Sachen (Straßen, Wege)17
18. 6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht
• Praktische Relevanz der Abgrenzung:
– Bestimmung des Rechtsweges (§ 40 I VwGO)
• Rechtsweg zum Verwaltungsgericht und nicht zum
Zivilgericht (privatrechtliche Streitigkeit, § 13 GVG)
– Anwendbarkeit des VwVfG:
• gilt gem. § 1 I VwVfG nur für öffentlich-rechtliche
Verwaltungstätigkeit
– Vorliegen eines Verwaltungsakts (§ 35 VwVfG)
oder eines öff.-rechtl. Vertrags (§ 54 VwVfG)
• jeweils Voraussetzung: Regelung auf dem Gebiet des
öffentlichen Rechts
18
19. 6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht
• Praktische Relevanz der Abgrenzung:
– Verwaltungsvollstreckung
• Behörden können Verwaltungsakte selbst
durchsetzen, privatrechtliche Forderungen werden
durch besondere staatliche Vollstreckungsorgane
durchgesetzt (z.B. Gerichtsvollzieher)
– Amtshaftung
• Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB
• Amtshaftungsansprüche greifen nur bei öffentlich-
rechtlichem Handeln
• für privatrechtliche, deliktische Schadensersatz-
ansprüche (unerlaubte Handlungen) gilt § 823 BGB
19
20. 6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht
• Abgrenzung nach h.M. nach der
„modifizierten / neueren Subjektstheorie“
– Wenn das durch den Rechtssatz berechtigte
oder verpflichtete Subjekt ausschließlich ein
Träger hoheitlicher Gewalt ist, so ist die
betreffende Norm öffentlich-rechtlich
– z.B. Baugenehmigung (§ 70 LBauO):
• zwar ist auch der Bauherr berechtigt, verpflichtet
aber zur Erteilung der Baugenehmigung ist
ausschließlich die Baubehörde
– Hinweis für Klausuren: Abgrenzung nur
ansprechen, wenn ein Problem vorliegt 20
21. 6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht
• Problem: Zuordnung in Fällen, in denen das
Handeln der Behörde nicht gesetzlich geregelt
ist
– Realakte (tatsächliche Handlungen ohne
gesetzliche Grundlage):
• z.B. Hinweise, Erklärungen, Unterhalten von öff.
Einrichtungen, Beseitigung von Autowracks,
Straßenbau,...)
• Zuordnung zu öff. Recht oder Privatrecht nach dem
Gesamtzusammenhang und nach der Zielsetzung:
- Wahrnehmung hoheitl. Aufgaben > öff. Recht
- Erledigung fiskalischer Hilfsgeschäfte > Privatrecht
21
22. 6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht
– Verlangen von Widerrufen und Unterlassungen
bestimmter Äußerungen von Beamten
• je nach der Funktion, in der der Beamte die
Erklärung abgegeben hat
> als Privatmann: Privatrecht
> als Beamter bei privatrechtlichen
Geschäftshandlungen für den Dienstherrn:
Privatrecht, aber Zurechung zum Dienstherrn
> als Beamter bei der Erfüllung hoheitlicher
Aufgaben: öffentliches Recht
22
23. 6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht
– Ansprüche der öffentlichen Hand auf
Rückzahlung von zu Unrecht gewährten
Geldleistungen
• Beurteilung nach Rechtsnatur des
Leistungsverhältnisses
> privatrechtliches Leistungsverhältnis (Vertrag o.ä.):
Privatrecht, Anspruchsgrundlage:
Bereicherungsanspruch nach § 812 ff. BGB
> öff.-rechtliches Leistungsverhältnis (gewährter
Bewilligungsbescheid o.ä.): öff. Recht, Anspruchs-
grundlage: öff.-rechtl. Erstattungsanspruch;
gesetzliche Spezialregelung für Aufhebung eines
bewilligenden Bescheides: § 49 a VwVfG)
23
24. 6. Abgrenzung von VwR und Privatrecht
– Hausverbot für störenden Besucher durch
Behördenleiter
• Handlung aus privatrechtlichen Besitz- und
Eigentumsrechten (BGB): Privatrecht
• Handeln aus öffentlich-rechtlicher Sachherrschaft:
öffentliches Recht
• Rechtsprechung: Zweck des Besuchs:
privatrechtliche Geschäfte: Privatrecht;
öff.-rechtliche Angelegenheiten: öff. Recht
• h.M. Literatur: Zweck des Hausverbots
entscheidend: Sicherung der Erfüllung öff.
Aufgaben im Verwaltungsgebäude: immer öff.-
rechtlich
24
25. Fall zur Abgrenzung von VwR und Privatrecht
E möchte sein Grundstück in der rheinland-pfälzischen
Gemeinde G mit einem 2-geschossigen Haus bebauen. Die
Gemeinde G hat aber Bedenken, da in dem Wohngebiet, für das
kein Bebauungsplan besteht, nur 1-geschossige Häuser stehen
und sich das Vorhaben daher nach § 34 BauGB nicht in die
vorhandene Bebauung einfüge.
G will aber schon seit langem eine Straße, die an das Grundstück
des E angrenzt, ausbauen und schlägt E daher einen „Deal“ in
Form eines notariellen „Kaufvertrages“ vor: E verkauft einen 20
m langen und 3 m breiten Streifen seines Grundstücks an G,
wobei die Parteien „davon ausgehen, dass Hindernisse für das
Bauvorhaben des E ausgeräumt werden“. E schlägt ein und G
verlangt die Übereignung des Grundstücksstreifens wegen des
anstehenden Straßenausbaus. Nun weigert sich E aber, da er den
25
26. Vertrag als „Kuhhandel und kalte Enteignung“ ansieht.
G verlegt dessen ungeachtet die Straßendecke auf das
Grundstück des E: E habe per Vertrag eingewilligt, unabhängig
von der Wirksamkeit des Vertrages.
E klagt nun vor dem Verwaltungsgericht und beantragt, die
Gemeinde zu verurteilen,
den Grundstücksstreifen zurückzugeben und den früheren
Zustand wieder herzustellen.
Wird E mit der Klage Erfolg haben ?
26
27. Falllösung
Hier Frage nach dem Erfolg einer verwaltungsgerichtlichen
Klage:
Einstieg für die Falllösung immer mit Obersatz
Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und
begründet ist.
I. Zulässigkeit der Klage
1. Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I VwGO
• Vw-Rechtsweg gegeben für öffentlich-rechtliche Streitigkeit
nichtverfassungsrechtlicher Art
• Liegt hier eine öff.-rechtliche Streitigkeit vor ?
• Oder privatrechtliche Streitigkeit wegen des Kaufvertrags ?27
28. Falllösung
• Abgrenzung öff. Recht - Privatrecht
• Modifizierte Subjektstheorie ? Wird durch den einschlägigen
Rechtssatz ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt
berechtigt oder verpflichtet ?
• Maßstab hier: das Handeln der Behörde und das Begehren des
Klägers E:
– Rechtsgrundlage für das Handeln der Gemeinde (Beginn der
Bauarbeiten auf dem Grundstück des E) ?
– Keine gesetzliche Grundlage ersichtlich, Subjektstheorie für
Einordnung einer Rechtsnorm hilft nicht weiter
• Hier keine Zuordnung einer Rechtsnorm, sondern Realakt der
Behörde: Baumaßnahmen !
• Frage: Gesamtzusammenhang der Baumaßnahmen mit dem
öffentlichen Recht oder dem Privatrecht ?
28
29. Falllösung
• Straßenbau richtet sich nach dem Landesstraßengesetzen
(Landesstraßengesetz Rh-Pf): öffentlich-rechtlicher
Zusammenhang
• Auch wenn eine private Baufirma den Auftrag ausführt, bleibt
Zuordnung öffentlich-rechtlich, da der Straßenbau auf einer
hoheitlichen Entscheidung beruht.
• Frage hier aber: evtl. privatrechtliche Streitigkeit, da sich die
Gemeinde das Grundstück des E durch einen Kaufvertrag
besorgt hat ? Evtl. Rechtsweg vor das Zivilgericht ?
– Inbesitznahme des Grundstücks durch G könnte auch eine
privatrechtliche „verbotene Eigenmacht“ nach § 858 BGB sein
– Ist der Kaufvertrag evtl. privatrechtlich einzustufen ?
– Hier geht die Gemeinde aber nicht aus dem Vertrag vor (etwa durch
Klage); sie handelt rein faktisch im Zusammenhang mit dem öff.-
rechtlich einzuordnenden Straßenbau 29
30. Falllösung
• Streitigkeit also öff.-rechtlich einzuordnen
• Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I VwGO gegeben
2. Statthafte Klageart
• nach dem Begehren des Klägers zu prüfen
• hier kein Verwaltungsakt (z.B. Bescheid o.ä.) der Gemeinde
(§ 35 VwVfG), sondern Abwehr eines Realakts der Gemeinde
und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands
• keine Anfechtungsklage (§ 42 I VwGO) auf Aufhebung eines
belastenden VA, sondern allgemeine Leistungsklage
3. Klagebefugnis (§ 42 II VwGO analog)
• Möglichkeit einer Rechtsverletzung
– hier: evtl. Verletzung Art. 14 I GG, Eigentumsgarantie
– weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben.
30
31. Falllösung
II. Begründetheit der Klage
Klage ist begründet, wenn E einen Anspruch auf Rückgabe des
Grundstücksstreifens und Wiederherstellung des
ursprünglichen Zustands hat.
• Anspruchsgrundlage hier: Folgenbeseitigungsanspruch (FBA)
– Allg. rechtsstaatlicher Anspruch: rechtswidriges Handeln der Behörde
muss rückgängig gemacht werden
• Voraussetzungen:
– hoheitliche Maßnahme: hier Realakt der G, Inanspruchnahme des
Grundstücks des E zum Straßenbau
– rechtswidriger Eingriff ?
– Hier (+), Vertrag berechtigt nicht zur einseitigen Vorgehensweise;
ausdrückliche Einwilligung liegt nicht vor, jedenfalls aber von E
widerrufen
– E hat einen FBA gegen G 31
32. Falllösung
II. Ergebnis
Klage ist begründet, da E einen Folgenbeseitigungsanspruch auf
Rückgabe des Grundstücksstreifens und Wiederherstellung
des ursprünglichen Zustands hat.
Anmerkung:
Im vorliegenden Fall kann E auch den Vertrag vom Gericht
prüfen lassen (Feststellungsklage nach § 43 I VwGO). Im
Ergebnis ist der Vertrag als öffentlich-rechtlicher Vertrag
nach § 56 VwVfG einzustufen (öff.-rechtlicher Zusammen-
hang mit Baugenehmigung). Eine inhaltliche Kopplung von
Straßenbau und Bauplanungsrecht ist aber in öff.-rechtlichen
Verträgen unzulässig (Kopplungsverbot). Der Vertrag ist
nichtig.
32
33. Abgrenzung von VwR und Privatrecht
– Literaturhinweis:
– Maurer, Allg. VwR, § 3 Rn. 12 ff., 20 ff.
– Schmalz, Allg. VwR, 3. Aufl., S. 37 ff., 75 f
(Übersichten)
33
34. 7. Privatrechtliches Handeln der Verwaltung
• Grundsätzlich handelt die Verwaltung öff.-rechtlich, in
Teilbereichen - ausschließlich oder alternativ - aber
auch in privatrechtlichen Handlungsformen
– Privatrechtliche Hilfsgeschäfte der Verwaltung
• vor allem Beschaffungsverwaltung
– Erwerbswirtschaftliche Betätigung der Verwaltung
• Öffentliche Hand als Teilnehmer am privatrechtlich
geregelten Wirtschaftsleben
– Vermögensverwaltung
– Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben in den
Formen des Privatrechts
• vor allem bei Leistungen der Daseinsvorsorge 34
35. Privatrechtliches Handeln der Verwaltung
Verwaltungsprivatrecht
Rein fiskalisches Handeln
Erfüllung öff. Aufgaben in
wirtschaftliche Tätigkeiten auf dem Markt
Privatrechtsform
Privatrechtl. Erwerbswirt- Vermögens-
Hilfsgeschäfte schaftliche verwaltung
(Staat als Betätigung (Staat als
Kunde) der Verwal- Eigentümer)
tung
(Staat als
Unternehmer)
35
36. 7.1 Privatrechtliche Hilfsgeschäfte der Vw
• Beschaffungsverwaltung: „Staat als Kunde“
(Büromaterial, KfZ, Grundstücke etc.) durch Abschluss
privatrechtlicher Verträge (z.B. Kauf-, Miet-,
Werkverträge)
• Wichtig: Grundsätzliche Pflicht der öffentlichen Hand
zur Ausschreibung von Beschaffungsverträgen ab
bestimmten Größenordnungen (Schwellenwerte; ab
bestimmten Schwellenwerten aufgrund von EU-Recht:
europaweite Ausschreibung durch öff. Körperschaften
und auch durch öff. beherrschte Unternehmen
– öff. Vergaberecht ! Gesetz gegen Wettbewerbsbeschrän-
kungen (GWB i.V.m Vergabe-Verordnung; unterhalb EU-
Schwellenwerte: Bundes-/Landeshaushaltsgesetze/
Gemeinde-haushaltsVO i.V.m. Verdingungsordnungen
(VOB/VOL)
36
• Zuständigkeit bei Streitfällen: Zivilgerichte
37. 7.2 Erwerbswirtschaftliche Betätigung der
Verwaltung
– „Staat als Unternehmer“ über Beteiligungen an Unternehmen
(z.B. Spielbanken, DB AG, VW, staatlichen
Porzellanmanufakturen, Brauereien, Banken)
– Geltung des Privatrechts für die Betätigung auf dem Markt
und im Wettbewerb (Handelsgesetzbuch - HGB,
Aktiengesetz- AktG, Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb -
UWG, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB)
– Sonderbereich: Gemeindewirtschaft nach den Regelungen der
GemO; z.T. beschränkende Regelungen für die Betätigung
kommunaler Unternehmen (öffentlicher Zweck, Subsidiarität
gegenüber Privaten, Örtlichkeitsprinzip)
37
38. 7.3 Privatrechtliche Vermögensverwaltung
– „Staat als Eigentümer“ von Vermögensgegenständen
(Grundstücke, KfZ etc.)
– Soweit die Vermögensgegenstände nicht zur Erfüllung
öffentlicher Aufgaben benötigt werden, kommt eine
privatwirtschaftliche Nutzung in Betracht, z.B.:
• Vermietung oder Verpachtung kommunaleigener Räume oder
Grundstücke (Ratskeller u.ä., Flächen für gewerbliche Zwecke, z.B.
Fitnessstudio auf Parkhaus-Dach)
• Kommunales Eigentum als Werbeflächen (Gebäude, Stadien, Busse
etc.)
• aber ggf. Grenzen des Kommunalwirtschaftsrechts zu beachten
(Beschränkung kommunaler Wirtschaft nach den GemO der Länder;
Konkurrenz zu privater Wirtschaft)
– Pflicht zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung
(GemO der Länder) 38
39. 7. 4 Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben
in den Formen des Privatrechts
– Ordnungsverwaltung und Abgabenverwaltung:
• hoheitliche Befugnisse des öff. Rechts unverzichtbar
(Zwangsmittel, Bescheide)
– Leistungsverwaltung:
• wo keine öff.-rechtl.Vorschriften für die Erbringung
öff. Leistungen bestehen, besteht Wahlfreiheit:
Erbringung der Leistung in öff.-rechtl. oder
privatrechtl. Form
• sowohl hinsichtlich der Organisationsform als auch
hinsichtlich der Ausgestaltung des Leistungs- und
Benutzungsverhältnisses
– z.B. Öff. Unternehmen der Ver- und Entsorgung: Energie,
Wasser, Verkehr (Stadtwerke, Wasserwerke) 39
40. 7.5 Wahlmöglichkeiten in den Formen des
Öffentlichen und des Privatrechts
Gemeinde
betreibt Wasserwerk
öff.-rechtl Organisationsform privatrechtl Organisationsform
(z.B. Eigenbetrieb, Anstalt) (z.B. GmbH, AG)
• öffentlich- oder • privatrechtliches
privatrechtliches Benutzungsverhältnis
Benutzungsver- (Rechnungen, Entgelte)
hältnis
Bürger Bürger/Kunde
40
41. Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben
in den Formen des Privatrechts
• Öff.-rechtl. Organisationsformen (Anstalt des öff.
Rechts, Regiebetrieb, Eigenbetrieb nach Landesrecht)
• Privatrechtl. Organisationsformen (GmbH, AG, letztere
zum Teil subsidiär nach Landesrecht)
• Für den Bereich der Kommunalwirtschaft: besondere
Vorschriften in den Gemeindeordnungen der Länder,
Sicherung des kommunalen Einflusses und der
Entscheidungssteuerung in kommunalen Unternehmen
in Privatrechtsform
– Kontrollfunktionen des Aufsichtsrates bei kommunalen
GmbH
– Jahresberichte, Rechnungslegung
– Beteiligungscontrolling (in der Praxis noch defizitär) 41
42. 7.6 Die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht
• Vw-Privatrecht: öff.-rechtlich überlagertes und
gebundenes Privatrecht, das der Vw für das
Handeln zur Verfügung steht
– Auch in Privatrechtsform nimmt die Vw
öffentliche/staatl. Aufgaben wahr, unmittelbare
Leistungen für den Bürger
– Auch bei privatrechtlichem Handeln ist die Vw an öff.-
rechtl. Grundsätze gebunden, diesen Bindungen darf sie
sich nicht durch eine „Flucht ins Privatrecht“ entziehen;
keine uneingeschränkte Privatautonomie
– Rechtsweg bei Streitigkeiten aus dem Vw-Privatrecht:
Zivilgericht (§ 13 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG)
• auch wenn Kläger seinen Anspruch auf Art. 3 I GG stützt
42
43. Öff.-rechtl. Bindungen der Verwaltung
beim Handeln nach Vw-Privatrecht
– Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und
Beachtung der Grundrechte: Art. 1 ff. GG, insbesondere
Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I GG, z.B.:
• keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung bei Tarifgestaltung
bei kommunal beherrschter Straßenbahn (keine Aussparung von
Privatschülern oder ausländischen Schülern - BGHZ 52, 325);
• ordnungsgemäße Staffelung von Kindergartenentgelten (OVG
Lüneburg, NVwZ 1990, 91);
• gleichheitliche Vergabe von Siedlungsland (BGHZ 29, 76)
• Beachtung von Art. 3 I GG auf dem Gebiet der Wasserversorgung
(BGHZ 65, 284, 287)
– Wahrung der öff.-rechtl. Zuständigkeitsordnung
• z.B. kein privatrechtlicher Betrieb eines Bundes-Fernsehens, da
dies in die Kompetenzen der Länder fällt (BVerfGE 12, 205, 246)
43
44. Öff.-rechtl. Bindungen der Verwaltung
beim Handeln nach Vw-Privatrecht
– Einhaltung der Grundsätze für die Abgabenerhebung
(entsprechend Kommunalabgabengesetzen - KAG - der
Länder) bei Erhebung privatrechtlicher Entgelte
• Einhaltung des Kostendeckungsprinzips (nicht mehr Einnahmen
als Kostendeckung erfordert) und Äquivalenzprinzips (Höhe der
Abgabe muss dem Vorteil des Pflichtigen entsprechen)
– Bei privatrechtlichen vertraglichen Vereinbarungen:
Beachtung des Kopplungsverbots analog § 59 II Nr. 4
VwVfG
• Gegenleistungen, auf die ein gesetzlicher Anspruch besteht,
dürfen nicht im Vertrag gefordert werden; keine Kopplung von
Leistung und Gegenleistung, die nicht im sachlichen Zusammen-
hang stehen, (z.B. Stadt verpflichtet sich zur Rücknahme eines
Bußgeldbescheides, falls ein Grundstück an die Gemeinde
verkauft wird). 44
45. 7.7 VwR und Privatrecht bei der
Gewährung staatlicher Leistungen
• Einstufung des Rechtsverhältnisses als öff.-
oder privatrechtlich nach der „Zwei-Stufen-
Theorie“
– Praktische Relevanz vor allem: Subventionen und
Benutzung öffentlicher Einrichtungen (Stadt- und
Sporthallen, Bäder, Bibliotheken,...)
– Inhalt der „Zwei-Stufen-Theorie:
• Rechtsverhältnis auf der 1. Stufe (Grundverhältnis):
öffentliches Recht
• Rechtsverhältnis auf der 2. Stufe
(Abwicklungsverhältnis): Privatrecht 45
46. Rechtliche Einstufung von Subventionen
nach der „Zwei-Stufen-Theorie“
• 1. Stufe: Frage nach dem „ob“ der Subvention:
Erhält der Antragsteller die staatliche Förderung?
> Öffentlich-rechtliche Frage;
evtl. Klage vor dem Verwaltungsgericht
• 2. Stufe: Abwicklung der Subventionsmaßnahme:
> Nach privatem Recht, wenn die Maßnahme über
private Einrichtungen durch Vertrag abgewickelt
wird (Darlehensvertrag, Bürgschaft etc.);
evtl. Klage vor dem Zivilgericht
– Falls auch die Abwicklung öff.-rechtlich erfolgt, so liegt nur ein 1-
stufiges öff.-rechtl. Rechtsverhältnis vor (z.B. Bewilligungsbescheid
oder Verwaltungsvertrag für Zuschüsse wie Filmförderung etc.)
46
47. Rechtliche Einstufung der Benutzung
öffentlicher Einrichtungen nach der
„Zwei-Stufen-Theorie“
• 1. Stufe: Frage nach dem „ob“ der Benutzung:
Darf der Antragsteller die öff. Einrichtung benutzen?
> Öffentlich-rechtliche Frage (Grundverhältnis)
– evtl. Klage vor dem Verwaltungsgericht
– wird Einrichtung von öff. Unternehmen in Privatrechts-
form betrieben (z.B. kommunale GmbH): Anspruch gegen
Körperschaft (z.B. Kommune) auf Einwirkung auf das
Unternehmen)
– bei direkter Klage gegen das öff. Unternehmen in
Privatrechtsform: Klage vor dem Zivilgericht (vgl. BVwG
NVwZ 1991, 59) 47
48. • 2. Stufe: Benutzungsverhältnis:
> Wahlrecht zwischen öff.- oder privatrechtlicher
Ausgestaltung (soweit keine zwingende gesetz-
liche Regelung)
– Indiz für privatrechtliche Ausgestaltung:
• Einrichtung wird von juristischer Person des
Privatrechts betrieben (GmbH, AG)
• privatrechtl. Benutzungsverträge mit Allgemeinen
Geschäftsbedingungen (AGB);
• Berechnung privater Entgelte für die Benutzung
– Indiz für öff.-rechtliche Ausgestaltung:
• Benutzungsverhältnis per Satzung geregelt
• Erhebung von Gebühren für die Benutzung
48
49. 7. 8 Privatisierung der Verwaltungstätigkeit
• Aktuelle Diskussion und Trends in der Praxis
– Hintergründe: Diskussion um „schlanken Staat“, „Koope-
rativer Staat“, „Deregulierung“, „Verwaltungsmoderni-
sierung“, Kosten der Verwaltung, „Verwaltungseffizienz“
– Privatisierungen auf allen Vw-Ebenen: Bund (staatseigene
Betriebe - Bahn, Post, Telekom), Länder (Bildung von
landeseigenen Gesellschaften, z.T. mit privater Beteiligung
(Flughäfen, Landesentwicklungs-, Sonderabfallgesellschaf-
ten), Kommunen (in nahezu allen Bereichen der kommu-
nalen Aufgaben von Abfallwirtschaft bis Theater)
– Privatisierung auf der gesetzlichen Ebene:
• Bahn- und Postgesetze; Energiewirtschaft (Liberalisierung, EnWG);
Wasserwirtschaft: § 18 a Abs. 2 WHG (vgl. auch §§ 52 Abs. 1 S. 3,
46 a LWG), Abfallwirtschaft (§ 16 Abs. 2 KrW-/AbfG)
49
50. Unterscheidung von Privatisierungsformen
Materielle Privatisierung
Formelle Privatisierung
(„Aufgabenprivatisierung“)
Organisations- Funktionale Verwaltungs-Ebene Gesetzes-Ebene
privatisierung Privatisierung Vollständige Abgabe Regelungen zur
öff.-rechtl. Form Einschaltung eines der Vw-Aufgabe an Übertragung hoheit-
wird zu privat- privaten Erfüllungs- Private; licher Aufgaben
rechtl. Form gehilfen zur Erledigung Veräußerung des auf Private
von Vw-Aufgaben öff. Unternehmens
Vermögensprivatisierung
Teilweise oder vollständige Veräußerung
50
von Vw-Vermögen an Private
51. 8. Rechtsquellen und Rechtsnormen des
Verwaltungsrechts
• Rechtsquellen = Formen, in die Rechtsnormen
gefasst sind
• Rechtsnormen = Rechtssätze des Außenrechts
– Außenwirkung für den Bürger über den Vw-internen
Bereich hinaus
– in Abgrenzung zum Innenrecht (Regeln innerhalb eines
Vw-Trägers, Beziehungen zwischen Vw-Organen und
Vw-Träger, z.B. Geschäftsordnungen, Vw-Vorschrif-
ten)
– Rechtsnorm, Rechtssatz und Gesetz im materiellen
Sinn sind synonyme Begriffe
51
52. 8. 1 Rechtsquellen des Verwaltungsrechts
Europäisches Gemeinschaftsrecht
Grundsätzlicher Anwendungsvorrang
Rechtsquellen des deutschen Verwaltungsrechts
Geschriebenes Recht in der Normen- Ungeschriebenes Recht
hierarchie:
Grundgesetz (GG)
formelles Bundesgesetz
Bundesrechtliche Verordnung
Bundesrechtliche Satzung
Allgemeine Gewohnheits-
Art. 31 GG
(Bundesrecht bricht Landesrecht) Rechtsgrund- recht
Landesverfassung
sätze (auf allen Rang-
formelles Landesgesetz
stufen der Nor-
Landesrechtliche Verordnung menhierarchie)
Landesrechtliche Satzung 52
53. Rechtsquellen des Verwaltungsrechts
• Formelle Gesetze
– von verfassungsrechtl. vorgesehenen Organen in
Gesetzgebungsverfahren erlassen, d.h. Parlamentsgesetze
• Materielle Gesetze
– Jede allgemeinverbindliche Rechtsnorm mit Außenwirkung
• Rechtsverordnungen
– untergesetzliche Rechtsnormen, von der Exekutive erlassen
(Regierung, oberste Vw-behörden, vgl. Art. 80 GG), z.B.
StraßenverkehrsO, BImSchVO
• Satzungen
– untergesetzliche Rechtsnormen, von jur. Person des öff.
Rechts kraft Satzungsautonomie erlassen, z.B. kommunale
Satzungen 53
54. 8.2 Das Verwaltungsverfahrensgesetz als
Hauptquelle des Allgemeinen
Verwaltungsrechts
• VwVfG des Bundes (für Bundesbehörden) und der
Länder (für Landesbehörden), inhaltlich kaum
Unterschiede
– Grundlegende Regelungen zum
• Verwaltungsverfahren (z.B. Antrag, Anhörung,
Akteneinsicht, Befangenheit, Planfeststellungs-
verfahren)
• Folgen von Verfahrensfehlern; Aufhebung von
Verwaltungsakten
• Handlungsformen der Vw (z.B. Verwaltungsakt, öff.-
rechtl. Vertrag) 54
55. 9. Grundsätze des Verwaltungsrechts
9.1 Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der
Verwaltung
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 III GG)
Vorrang des Gesetzes Vorbehalt des Gesetzes
– Vorrang des Gesetzes
• formelle Gesetze gehen allen anderen staatlichen Maßnahmen vor
• jegliches Vw-Handeln ist an das Gesetz gebunden
– Vorbehalt des Gesetzes
• Eingriff der Exekutive und Verwaltung in Freiheit und Eigentum
der Bürger (Grundrechte !) bedürfen einer gesetzlichen Grundlage
55
56. 9.2 Vorbehalt des Gesetzes
• Ausfluss aus dem Demokratieprinzip (Art. 20 I, II 1 2.
Hs. GG)
– die unmittelbar gewählte und damit legitimierte
Volksvertretung trifft die wesentlichen Entscheidungen
• und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG)
– die rechtlichen Beziehungen zwischen Staat und Bürger
werden durch allgemeine Gesetze geregelt
– Vw-Handeln soll gesetzlich gesteuert, für den Bürger
voraussehbar und berechenbar werden
• Parlamentsvorbehalt:
– BVerfG: Gesetzgeber muss in wesentlichen Bereichen - vor
allem in denen der Grundrechtsausübung - die wesentlichen
Entscheidungen selbst treffen (Wesentlichkeitstheorie) 56
57. 9.3 Weitere Grundsätze des Vw-Handelns
• Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
– Rechtsstaatlicher Grundsatz
• z.T. gesetzliche Ausprägungen, z.B. § 2 Polizei- und
OrdnungsbehördenG RhPf
– Die Vw-Maßnahme muss
• geeignet sein, den angestrebten Zweck zu erreichen
• erforderlich sein (d.h., das mildeste Mittel sein, das den
Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten
beeinträchtigt)
• angemessen sein (d.h., die Maßnahme muss zur
Erreichung des Zwecks in einem angemessenen
Verhältnis stehen; Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn)
57
58. 9.3 Weitere Grundsätze des Vw-Handelns
• Grundsatz des Vertrauensschutzes
– Aus den Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip
abgeleitet
– Der Bürger darf auf den Fortbestand einer ihn betreffenden
Entscheidung und deren Rechtsfolgen vertrauen
• z.B. Aufhebung von Verwaltungsakten: Widerruf rechtmäßiger
begünstigender VA, die Geldleistung gewähren, nur gegen
Entschädigung (§ 49 VI VwVfG)
• Grundsatz der Unparteilichkeit und Gleichbehandlung
– unpolitische und unparteiische Verwaltung
– §§ 20, 21 VwVfG: Ausschluss von bestimmten Personen
vom Vw-Verfahren und Besorgnis der Befangenheit
• Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit
– z.B. Gemeindeordnungen der Länder, § 93 II GemO RhPf
58
59. 10. Gesetzesbindung der Verwaltung
• Verwaltung ist Gesetzesvollzug in Stufen
– Ermittlung des zu regelnden Sachverhalts
– Subsumtion des Sachverhalts unter die
einschlägigen gesetzlichen Tatbestände
– Auslegung und Feststellung der gesetzlichen
Rechtsfolgenbestimmung
– Rechtsfolgen-Entscheidung der
Verwaltungsbehörde
59
60. Gesetzesvollzug der Verwaltung
Rechtsnorm
Tatbestand des Gesetzes Gesetzliche Rechtsfolge
Sprachlich unbestimm- inhaltlich unbe- Wahl
und inhalt- ter, aber stimmter zwischen
Eindeutige
lich bestimm- Gesetzesbegriff mehreren
Rechtsfolge
bestimmter barer mit sog. Rechtsfolgen
Gesetzes- Rechts- Beurteilungs- (Ermessen)
begriff begriff spielraum
Problematik des unbestimmten Rechts- Gebundene Frage des Verwaltungs-
begriffs und des Beurteilungsspielraums 60
Entscheidung ermessens
61. 11. Unbestimmter Rechtsbegriff und
Beurteilungsspielraum der Vw
• Das Problem: Darf die Vw unbestimmte Rechtsbegriffe selbst
auslegen, ohne dass die Gerichte dies nachprüfen können und
ihre Entscheidung an die Stelle der Vw-Entscheidung setzen?
(str.)
– z.T. Lit.-Meinung: vom Gesetzgeber gewollter eingeräumter
eigenverantwortlicher Spielraum der Vw; nur eingeschränkt gerichtlich
überprüfbar
– z.T.: nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum nur da, wo der
Gesetzgeber die Behörde zur abschließenden Beurteilung ermächtigt
habe
– Rspr.: auch unbestimmte Rechtsbegriffe sind voll überprüfbar
(Argument: Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 IV GG), mit
Ausnahme von höchstpersönlichen oder situationsbezogenen
Beurteilungen, z.B.:
61
62. Eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum der
Verwaltung nach der Rechtsprechung
– Prüfungsentscheidungen (bei Relevanz für den Berufszu-
gang aber fachwissenschaftliche Richtigkeitskontrolle
möglich, wegen Art. 12 I, 3 I und 19 IV GG)
– Prüfungsähnliche Entscheidungen (Führerschein,
Schülerversetzung)
– Beamtenrechtliche Beurteilungen (Eignung, Befähigung,
fachliche Leistung)
– Wertende Entscheidungen durch Sachverständigenaus-
schüsse (z.B. Indizierung jugendgefährdender Schriften,
Bundesprüfstelle)
– Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen in
komplexen Fachgebieten, insbesondere Wirtschaft- und
Umweltrecht (Immissionsrisiken,Prognose für Taxigewerbe)62
63. Eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum der
Verwaltung nach der Rechtsprechung
• Verwaltungsgerichtliche Prüfung aber immer möglich
hinsichtlich:
– Richtigkeit der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs;
Wahrung der normativen Grenzen des Beurteilungsspielraums
– Beachtung der allg. rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätze
(z.B. keine Befangenheit der Vw; Anhörungsrechte)
– Zugrundelegung der richtigen Sachverhalts
– Beachtung allgemeiner Bewertungsgrundsätze (z.B.
vertretbare Lösungen nicht falsch); Vermeidung sachfremder
Erwägungen
– Wahrung der verfassungsrechtlichen Anforderungen (z.B.
Chancengleichheit nach Art. 3 I GG) 63
64. Fall zum Beurteilungsspielraum der Vw
Der A-Verlag hat eine Taschenbuchausgabe des Buches „Das
wilde Leben der Chantal O“ herausgebracht. Kurz nach
Erscheinen nimmt die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende
Medien, die gem. §§ 17 und 24 des Jugendschutzgesetzes
(JuSchG) die Jugendgefährdung überprüft, das Buch in die Liste
jugendgefährdender Schriften auf (Indizierung). Diese
Entscheidung traf ein pluralistisch zusammengesetztes Gremium
gem. § 19 JuSchG. Das Buch sei schwer jugendgefährdend, da
der sexuelle Inhalt alle menschlichen Bezüge im Buch
verdränge. Gestützt auf ein Gutachten hatte das Gremium
entschieden, das Buch könne als pornographisches Buch nicht
als „Kunstwerk“ angesehen werden. Der A-Verlag klagt nach
erfolglosem Widerspruch gegen die Indizierung vor dem
Verwaltungsgericht. Erfolgreich ?
64
65. Falllösung
> Hier Frage nach dem Erfolg einer verwaltungsgerichtlichen
Klage:
Einstieg für die Falllösung immer mit Obersatz
Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und
begründet ist.
I. Zulässigkeit der Klage
• Hier kein Problem in der Zulässigkeit:
– Vw-Rechtsweg § 40 VwGO (+)
– Statthafte Klageart: Anfechtungsklage gegen belastenden VA
(Indizierung) nach § 42 I VwGO
– Klagebefugnis (§ 42 II VwGO): Mögliche Rechtsverletzung des
Verlages in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit (Verlagsrechte aus Art.
14 I GG, eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb)
65
66. II. Begründetheit der Klage
Anfechtungsklage ist begründet, wenn der Verwaltungsakt
(Indizierung) rechtswidrig ist und der A-Verlag in seinen
Rechten verletzt ist (§ 113 I 1 VwGO).
1. Frage: Darf das VG den Sachverhalt überhaupt gerichtlich
überprüfen? Besteht hier ein nicht überprüfbarer
Beurteilungsspielraum der Verwaltung (hier dem
Kontrollgremium)?
• Hier einschlägige Norm: § 18 JuSchG: Eignung – hier: der
Schriften – zur Jugendgefährdung (eigenverantwortliche und
gemeinschaftsfähige Persönlichkeit)
• Unbestimmter Rechtsbegriff ! Nach der Rechtsprechung
grundsätzlich unbeschränkt überprüfbar
• Hier aber Ausnahme-Fall eingeschränkter Nachprüfbarkeit ?
66
67. II. Begründetheit der Klage
• Hier Fallgruppe „Entscheidungen, die von persönlicher
Wertung abhängen/ wertende Entscheidungen durch
Sachverständigenausschüsse“
• JuSchG hat einem weisungsfreien Gremium die Entscheidung
zur Indizierung übertragen, hier besteht also ein nur
eingeschränkt vom VG überprüfbarer Beurteilungsspielraum
• Zu überprüfen allerdings: verfassungsrechtliche Beurteilung
des Gremiums:
– hier Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 III GG
– BVerfG NJW 1991, 1471: weiter Kunstbegriff: auch
Pornographie kann Kunst sein; entscheidend: Werk als
Ergebnis freier schöpferischer Gestaltung als Ausdruck der
individuellen Persönlichkeit des Künstlers; etwaige
negative Auswirkungen für die Einordnung irrelevant 67
68. • Abwägung zwischen Belangen des Jugendschutzes und der
Kunstfreiheit hat zu erfolgen, verfassungsrechtlicher
Ausgleich muss von Gerichten überprüft werden können
• Konsequenz für den Fall:
– kein Beurteilungsspielraum der Bundesprüfstelle hinsichtlich der
Feststellung der Schwere der Jugendgefährdung und dem Schutz der
Kunstfreiheit
– keine Nachprüfung hinsichtlich der Abwägung der widerstreitenden
Belange durch die Prüfstelle (Abwägungsvorgang); Argument:
Prüfstelle ist kraft Gesetzes genau für diese Tätigkeit pluralistisch
zusammengesetzt und daher sachkundig (BVerwG NJW 1999, 75)
– hier hat die Prüfstelle aber überhaupt nicht abgewogen, da sie das
Werk von vornherein nicht für „Kunst“ im Sinne des Art. 5 III GG
hielt; Entscheidung ist fehlerhaft.
• Ergebnis: A-Verlag ist durch die fehlerhafte Entscheidung in
seinen Rechten aus Art. 14 I GG verletzt; Anfechtungsklage
des Verlags ist begründet. Das VG hebt die Entscheidung der
Prüfstelle mit dem Urteil auf. 68
69. 12. Das Ermessen der Verwaltung
• Verwaltungsermessen: gesetzlicher Tatbestand erfüllt, und die
Vw kann zwischen mehreren Rechtsfolgen wählen
• Unterscheidung:
– Ermessen über das „Ob“ der Vw-Entscheidung:
Entschließungsermessen
– Ermessen über die Wahl mehrerer möglicher
Rechtsfolgemaßnahmen: Auswahlermessen
• Hinweise auf Vw-Ermessen im Gesetz: Formulierungen wie
„..., kann...“, „..., darf...“, „..., ist befugt,...“
• Sonderfall: „Soll-Vorschriften“: Behörde ist in der Regel zum
Handeln verpflichtet, Abweichungen in atypischen Fällen
möglich
69
70. Ermessensbindung der Verwaltung
• Zentrale Normen: § 40 VwVfG (Ermessen im Vw-Verfahren)
und § 114 S. 1 VwGO (Ermessensüberprüfung im Vw-Prozess)
• Ermessensentscheidung ist rechtswidrig, wenn
– die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten
worden sind (§ 40, Var. 2 VwVfG),
• z.B.: Gesetz erlaubt nur Betriebsuntersagung, nicht aber den Abriss
der Anlage
– dem Zweck der Ermessensermächtigung nicht entsprochen
wurde (Ermessensmiss- oder -fehlgebrauch)
• falsche Tatsachen zugrundegelegt, unsachliche Kriterien,
wirtschaftliche Gegenleistungen für Vw-Handeln,
unverhältnismäßiges Verhalten
• z.B.: Messfehler und nachträgliche Anordnungen nach BImSchG,
Passentzug wegen persönlicher Streitereien
70
71. Ermessensbindung der Verwaltung
– Ermessensentscheidung ist rechtswidrig, wenn die Behörde
überhaupt keinen Gebrauch vom Ermessen macht
(Ermessensunterschreitung oder -nichtgebrauch)
• Behörde verkennt, dass sie überhaupt Ermessen hat
• z.B. Untersagung eines Gewerbes, obwohl die Möglichkeit für
Auflagen besteht
• Sonderfall: Ermessensschrumpfung/ Ermessensredu-
zierung auf Null
– Insbesondere bei der Einwirkung von Grundrechten
– z.B.: Erteilung von straßenrechtlicher Sondernutzungser-
laubnis zu Zeiten des Wahlkampfes; polizeiliche
Gefahrenabwehr bei drohenden Gesundheitsverletzungen
71
72. Fall zum Ermessen der Vw
B entschließt sich, sein Haus umzubauen und eine Buchhandlung
einzurichten. Nachdem er von der Bauaufsichtsbehörde die
beantragte Baugenehmigung erhalten hat, beantragt B die
Erlaub-nis zur Errichtung eines für den Umbau notwendigen
Baugerüsts auf dem Bürgersteig direkt vor seinem Haus. Die
zuständige Straßenbaubehörde der Stadt lehnt den Antrag mit der
Begrün-dung ab, der Verkehr werde während des Baus zu stark
behin-dert. Die Buchhandlung könne auch ohne den Umbau im
Haus eingerichtet werden. Den Fußgängern sei es zudem nicht
zuzu-muten, auf die Fahrbahn auszuweichen. Die Stadt habe
zwar in vergleichbaren Fällen stets eine Erlaubnis erteilt.
Mittlerweile sei aber - so die nicht näher belegte Behauptung der
Stadt - der Ver-kehr so stark angestiegen, dass Gerüstbauten auf
öffentlichen Wegen nur noch bei besonders wichtigen
Bauvorhaben geneh-migt würden. Kann B erfolgreich rechtliche 72
Schritte einleiten ?
73. Falllösung
• Vorüberlegung: Hier Frage nach möglichen rechtlichen
Schritten zur Realisierung des Begehrens des B (Gerüst auf
dem Bürgersteig für den Umbau des Hauses)
– verwaltungsgerichtliche Klage?
• Einstieg für die Falllösung immer mit Obersatz
B könnte sein Begehren rechtlich durchsetzen, wenn eine
verwaltungsgerichtliche Klage zulässig und begründet
wäre.
I. Zulässigkeit der Klage
1. Vw-Rechtsweg (§ 40 VwGO)
– öff.-rechtl. Streitigkeit nichtverfassungsrechtl. Art
– Streitentscheidende Normen aus dem öff. Vw-Recht ?
73
74. I. Zulässigkeit der Klage
1. Vw-Rechtsweg (§ 40 VwGO)
– hier Ablehnung der Beantragung eines Baugerüsts auf
öffentlichem Gehweg/Straßenraum: > öff. Straßen- und
Wegerecht, > Straßengesetz RhPf
– nach § 45 I RhPf StrG zivilrechtliche Sache, wenn B eine
Benutzung verweigert wird, die den den Gemeingebrauch
der Straße nicht beeinträchtigt
– hier aber Inanspruchnahme von öff. Bürgersteig, also
vorübergehender Ausschluss des Gemeingebrauchs (§ 34
III RhPf StrG), also auch öff.-rechtl. Belange berührt
– Ablehnung des Antrags ist Maßnahme auf dem Gebiet des
öff. Rechts mit Außenwirkung für B = Verwaltungsakt
nach § 35 VwVfG
– Vw-Rechtsweg nach § 40 I VwGO (+)
74
75. I. Zulässigkeit der Klage
2. Statthafte Klageart
– ausgehen vom Begehren des B: Was will B erreichen ?
– Erlaubnis für die Aufstellung des Gerüsts; also einen ihn
begünstigenden VA
– hierfür ist die Verpflichtungsklage nach § 42 I 2. Alt.
VwGO die richtige Klageart (hier in Form der sog.
Versagungsgegenklage)
3. Klagebefugnis (§ 42 II VwGO)
– bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (bei Allg.
Leistungsklage und Fortsetzungsfeststellungslage § 42 II
VwGO analog): Geltendmachen von Rechtsverletzungen
• Möglichkeit der Rechtsverletzung reicht für Zulässigkeit aus
75
• Prüfung der tatsächlichen Rechtsverletzung in der Begründetheit
76. I. Zulässigkeit der Klage
3. Klagebefugnis (§ 42 II VwGO)
– Welches Recht des B könnte verletzt sein ? Rechtsnorm ?
– Erlaubnis einer Sondernutzung nach § 41 I RhPF StrG
– Erteilung ist aber nicht zwingend, sondern steht im
Ermessen der Behörde („...Sondernutzung bedarf der
Erlaubnis...“)
• Zuständige Behörde ist der Träger der Straßenbaulast = Gemeinde
nach § 14 RhPf StrG
– B hat keinen unbedingten Anspruch auf Erteilung der
Erlaubnis, aber zumindest einen Anspruch auf fehlerfreie
Ausübung des behördlichen Ermessens
– Dieser Anspruch reicht für die Klagebefugnis - mögliche
Rechtsverletzung - nach § 42 II VwGO aus
76
77. I. Zulässigkeit der Klage
4. Vorverfahren (§ 68 II VwGO)
– Vor Klageerhebung ist ein Vorverfahren (Widerspruchs-
verfahren) durchzuführen
• wenn dies erfolgreich ist: keine Klage nötig
• erfolgloses Vorverfahren: Klage vor dem VG nötig
– Sinn: Vorprüfung der Rechtmäßigkeit des Vw-Verfahrens
auf Vw-Ebene; Entlastung der Verwaltungsgerichte
• Einlegung und Begründung des Widerspruchs bei
Ausgangsbehörde, die VA erlassen hat
• Prüfung der RM des VA regelmäßig durch nächst höhere Behörde
(Widerspruchsbehörde), erlässt Widerspruchsbescheid
• Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) nur bei Klagen auf
Aufhebung (Anfechtungsklage) oder Erlass (Verpflichtungsklage)
von VA
– Fall: B muss erfolglos Widerspruch eingelegt haben. 77
78. I. Zulässigkeit der Klage
5. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen
– Frist und Form der Klage: § 74 VwGO
• schriftliche Klageeinreichung 1 Monat nach Zustellung des
Widerspruchsbescheides
• § 74 I VwGO für Anfechtungsklage, entsprechend § 74 II VwGO
für Verpflichtungsklage
– Richtiger Klagegegner: § 78 VwGO
• Regelmäßig die Behörde, die den VA erlassen hat (§ 78 I Nr. 1
VwGO)
– Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61 und 62 VwGO)
6. Ergebnis der Zulässigkeitsprüfung
– Klage des B ist als Verpflichtungsklage zulässig.
78
79. I. Begründetheit der Klage
Obersatz: Verpflichtungsklage des B ist begründet, wenn die
Versagung der Erlaubnis rechtswidrig ist und B dadurch in
seinen Rechten verletzt ist (§ 113 V 1 VwGO)
1. Formelle Rechtmäßigkeit des VA
• Zuständigkeit der Behörde, Form des VA und Vw-Verfahren
• Zuständige Behörde ist der Träger der Straßenbaulast = Gemeinde
nach § 14 RhPf StrG; hier (+)
• keine Form- und Verfahrensfehler (z.B. mangelnde Anhörung
nach § 28 VwVfG) ersichtlich
2. Materielle Rechtmäßigkeit des VA
– Prüfung der Voraussetzungen der Rechts-/Ermächtigungs-
grundlage des Vw-Handelns
– Rechtsverletzung des Klägers
79
80. I. Begründetheit der Klage
2. Materielle Rechtmäßigkeit des VA
– Prüfung der Voraussetzungen der Rechts- oder
Ermächtigungsgrundlage des Vw-Handelns
– hier: § 41 RhPf StrG: „Gebrauch der Straße über den
Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) bedarf der
Erlaubnis durch die Straßenbaubehörde“
• Wege sind Straßen im Sinne des StrG (§ 1 II)
– Frage: hier überhaupt erlaubnispflichtige Sondernutzung ?
Oder noch erlaubnisfreier Gemeingebrauch ?
• Straßenbenutzung, die einen wesentlichen Teil der Straße/des
Wegs für den öff. Verkehr sperrt, geht über Gemeingebrauch (§
39 RhPf StrG) hinaus; Schwelle zur Sondernutzung ist
überschritten (BVerwG NJW 1983, 770 f.)
– B bedarf also für das Baugerüst einer Erlaubnis 80
81. I. Begründetheit der Klage
2. Materielle Rechtmäßigkeit des VA
– Rechtsfolge: Hätte B die Erlaubnis erteilt werden müssen?
– § 41 I RhPf StrG: keine Verpflichtung zur Erteilung der
Erlaubnis - „bedarf“ (nicht: Erlaubnis ist zu erteilen)
– also: Ermessen der Straßenbaubehörde
• Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der Behörde ?
– Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichts (VG):
§§ 114, 113 V 2 VwGO
• Wenn die Ablehnung der Erlaubnis die gesetzlichen Grenzen des
Ermessens überschritten hat oder die Behörde von dem Ermessen in
einer der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch
gemacht hat, spricht das Gericht die Verpflichtung der Behörde aus,
den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu
bescheiden (sog. Bescheidungsurteil)
• Anspruch nur bei Ermessenreduzierung auf Null 81
82. I. Begründetheit der Klage
• Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der Behörde ?
– Ermessensmissbrauch ?
• z.B. unsachliche Gesichtspunkte, persönliche Feindschaften, rein
politisch-taktische Erwägungen
• im Sachverhalt nicht ersichtlich
– Ermessensunterschreitung oder -nichtgebrauch ?
• Argument der Behörde: starke Verkehrsbehinderung
• Behinderung findet aber immer bei Sondernutzungen statt
• Gesetz fordert Abwägung zwischen Sondernutzungsinteresse (hier:
Ausbau seines Hauses, Eigentumsnutzung) und öff. Belangen (hier:
behauptete starke Verkehrsbehinderung)
• Zu berücksichtigen bei der Ermessenbetätigung:
Grundrechtsposition des B - Art. 14 I GG: Eigentum; Ausnutzung
seines Eigentums erfordert zeitweiliges Ausweichen auf den
Straßenraum
82
83. I. Begründetheit der Klage
• Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der Behörde ?
– Ermessensunterschreitung oder -nichtgebrauch ?
• Behörde hat die Grundrechtsposition des B nicht hinreichend
abgewogen und die Verkehrsbehinderung als absoluten Grund für
die Versagung der Erlaubnis genommen
• Behörde kann angesichts des Eigentumsrechts des B nicht einfach
ihre Auffassung an die Stelle des B setzten, der sein Eigentumsrecht
(Ausbau Buchhandlung) nutzen will
• Bedürfnis für die Sondernutzung ist im Licht der Eigentumsfreiheit
des Art. 14 I GG zu interpretieren
• Zwar auch „Sozialbindung des Eigentums“ und gesetzliche Inhalts-
und Schrankenbestimmungen in Art. 14 I 2 GG, aber Argument
„starker Verkehr“ nur unsubstantiiert vorgebracht
– Fehler in Form der Ermessensunterschreitung
83
84. I. Begründetheit der Klage
• Ermessensreduzierung auf Null ?
– Anspruch des B auf Erteilung der Erlaubnis und nicht nur
erneute Bescheidung ?
• Behörde verweist auf regelmäßige Erteilung der Erlaubnis in
vorangegangenen Fällen
• Selbstbindung der Verwaltung ? Abweichung nur aus sachlichem
Grund zulässig, ansonsten Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz aus
Art. 3 I GG
• zulässig: Änderung der gesamten Vw-Praxis der Behörde in
vergleichbaren Fällen aus übergeordneten sachlichen Gründen
(politische Vorgaben, wesentlich veränderte Verhältnisse)
• Argument „gestiegener Verkehr“ nur vage; Argument „nur beson-
ders große Bauvorhaben“ verkennt auch das Eigentumsrecht des B
aus Art. 14 I GG (s.o.); keine überzeugenden sachlichen Gründe
– Hier vertretbar: Ermessensreduzierung auf Null aus Art. 3 I
GG und Art. 14 I GG 84
85. I. Begründetheit der Klage
• Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
– Verweigerung der Erlaubnis erforderlich gewesen?
Mildere Mittel zur Erzielung des gleichen Zwecks
(Sicherung des Verkehrs)?
– milderes Mittel als Versagung der Erlaubnis - Auflage:
überdachte Fußgängerunterführung - wäre möglich gewesen
– Verweigerung der Erlaubnis war nicht erforderlich
• Ergebnis:
– Die Verpflichtungsklage des B ist auch begründet.
– Das VG wird die Behörde zur Erteilung der
Sondernutzungserlaubnis verpflichten.
85
86. 13. Handlungsformen der Verwaltung
Erfüllung von Vw-Aufgaben
Nach öffentlichem Recht Nach Privatrecht
Hoheitsakte mit
Hoheitsakte mit Innen- Öff.-rechtliche
unmittelbarer Außen-
wirkung/unmittelbarer Öff.-rechtl. Handlungsfor-
wirkung/Regelung von
Rechtserheblichkeit Willenser- men der nicht-
Rechtsbeziehungen
innerhalb eines Vw- klärungen hoheitlichen
zwischen selbständi-
Trägers Verwaltung
gen Rechtsträgern
konkrete allgemeine konkrete allgemeine
Hoheits- Hoheits- Hoheits- Hoheitsakte
Akte akte Akte schlichtes Öff.-rechtl.
Verwaltungs- Vw-handeln Vertrag
Innerdienstl.
Einzelakte Normen Vorschriften
Rechtsakte
VA Zusage VO Satzung Tatsächliche Auskünfte,
Verrichtung Information 86
87. 14. Der Verwaltungsakt (VA)
• Praktische Relevanz
– Haupthandlungsform der Vw auf allen Handlungsfeldern,
z.B.:
• Ordnungsverwaltung/Gefahrenabwehr: Ordnungsverfügungen,
Platzverweise, Versammlungsauflösungen, Gewerbeuntersagung
• Abgabenverwaltung: Gebührenbescheide
• Leistungsverwaltung: Subventionsbescheid, BaföG,
Sozialhilfebescheid, Steuerbescheid
– Legaldefinition: § 35 S. 1 VwVfG:
VA ist jede Verfügung, Entscheidung oder hoheitliche
Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls
auf dem Gebiet des öff. Rechts trifft und die auf
unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist
87
88. 14.1 Rechtspraktische Funktionen des
Verwaltungsakts
• Vollzugs- und Konkretisierungsfunktion des VA
– Gesetzliche Rechten und Pflichten des Bürgers im Einzelfall
konkretisieren und verdeutlichen
• Bestandskraft-Funktion des VA
– Herbeiführen einer bestandskräftigen Entscheidung:
im Interesse der Rechtssicherheit hat auch ein rechtswidriger
(aber nicht nichtiger) VA, dem nicht innerhalb der Wider-
spruchsfrist des § 70 I VwGO widersprochen und der nicht
mit einer Klage angefochten wird, Bestand; vgl. auch § 43 II
VwVfG
– Widerspruch und Klage haben aufschiebende Wirkung; VA
darf nicht vollzogen werden (Suspensiveffekt, §§ 80 I, 80 a
VwGO) 88
89. 14.1 Rechtspraktische Funktionen des
Verwaltungsakts
• Verfahrensfunktion des VA
– VA ist (neben dem öff.-rechtl. Vertrag) Voraussetzung für
die Anwendung des VwVfG insgesamt (vgl. § 9 VwVfG)
und für zahlreiche Einzelvorschriften (z.B. Anhörung nach
§ 28 VwVfG)
• Rechtsschutzfunktion des VA
– VA ist Voraussetzung für Rechtsbehelfe des Widerspruchs
sowie der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ein-
schließlich der aufschiebenden Wirkung nach § 80 VwGO
• Vollstreckungsfunktion
– VA ist grundsätzlich Voraussetzung für eine
Verwaltungsvollstreckung (vgl. §§ 3, 6 BVwVG) 89
90. 14.2 Arten von Verwaltungsakten
I. Belastende und begünstigende VA
– Belastender VA: greift in den Rechtskreis des Bürgers ein
oder erlegt einen Nachteil auf
• Rechtsbehelfe: Widerspruch (§ 80 I VwGO), einstweiliger
Rechtschutz: Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80
V VwGO); Hauptsache: Anfechtungsklage (§ 42 I 1. Alt. VwGO)
• z.B. Zahlungsbescheide, Bauverbot, Gewerbeschließung,...
– Begünstigender VA: gewährt Recht oder Vorteil
(vgl. Legaldefinition in §“ 48 I 2 VwVfG)
• Rechtsbehelfe: einstweiliger Rechtschutz: einstweilige Anordnung
nach § 123 VwGO; Hauptsache: Verpflichtungsklage § 42 I 2. Alt.
VwGO;
• z.B.: Baugenehmigung, Gewerbegenehmigung, Subvention
90
91. 14.2 Arten von Verwaltungsakten
– Sonderfall: VA mit Mischwirkung (für dieselbe Person)
• Rechte und Pflichten zugleich (z.B. Beamtenernennung,
Wehrdienst)
– Sonderfall: VA mit Doppelwirkung (für verschiedene
Personen)
• Vgl. §§ 80 I 2, 80 a VwGO
• für den Adressaten begünstigende Wirkung, für einen Dritten
zugleich belastende Wirkung
• z.B. Baugenehmigung (für Bauherrn begünstigend, für Nachbarn
belastend)
• auch umgekehrt möglich: VA mit belastender Wirkung für
Adressaten, für Dritten aber begünstigen (vgl. § 80 a II VwGO),
z.B.: Immissionsauflagen an Anlagenbetreiber, begünstigend für
Nachbarn
91
92. 14.2 Arten von Verwaltungsakten
• Generelle Unterscheidung bei begünstigenden und
belastenden VA:
– „Befehlende VA“ (Ge- und Verbote, die zu bestimmten
Tun oder Unterlassen verpflichten),
• z.B. Polizeiverfügung, Gebührenbescheid
– „Gestaltende VA“ (begründen oder beseitigen ein
Rechtsverhältnis)
• z.B. Einbürgerung, Beamtenernennung, Rücknahme eines VA
(§ 48 VwVfG)
– „Feststellende VA“ (treffen eine unmittelbar
rechtserhebliche Feststellung, zur Eigenschaft einer Person,
einer Sache oder zu einem Sachverhalt)
• z.B. Feststellung der Staatsangehörigkeit oder des Wahlrechts,
TÜV-Plakette (§ 29 StVZO), Eigenschaft als Kulturdenkmal
92
93. 14.2 Arten von Verwaltungsakten
II. VA mit Nebenbestimmungen
– z.B. Bescheide mit Befristungen, Bedingungen,
Widerrufsvorbehalt, Auflagen, Auflagenvorbehalt
(vgl. § 36 II VwVfG)
III. VA mit Dauerwirkung
– VA begründet Rechtsverhältnis für einen bestimmten
Zeitraum, z.B. Rentenbewilligung, Fahrerlaubnis,
Gewerbeuntersagung, Anschluss- und Benutzungszwang
IV. Mitwirkungsbedürftige VA
vor Erlass des VA erklärt der Betroffene sein Einverständnis
oder Behörde holt nachträgliche Genehmigung ein
z.B. Beamtenernennung, Sozialleistungen
93
94. V. Mehrstufige VA
– VA mit vorgeschriebener Mitwirkung anderer Behörden
• z.B. Personalrat bei Personalsachen, Zustimmung der obersten
Landesstraßenbaubehörde bei bestimmten Anlagen längs der
Autobahnen (§ 9 II FStrG), Einvernehmen der Gemeinde bei der
Genehmigung von Bauvorhaben im Außenbereich (§ 36 BauGB)
– Problem: Rechtsschutz bei Verweigerung eines beantragten
begünstigenden VA, wenn mitwirkende Behörde nicht
zustimmt
• Rechtsschutz des Bürgers gegen verweigerte Zustimmung der
mitwirkenden Behörde ? (z.B. Bauherr will gegen verweigertes
Einvernehmen der Gemeinde klagen)
• h.M./Rspr.: Mitwirkung ist behördeninterner Vorgang, kein VA
gegenüber dem Bürger; Genehmigungsbehörde erlässt VA mit
Außenwirkung; Bürger klagt gegen Genehmigungsbehörde auf
Genehmigung
• bei rechtwidriger Verweigerung: Im Prozess auf Erteilung der
Genehmigung entfällt Bindungswirkung; Vpfl.-klage hat Erfolg 94
95. VI. Teilgenehmigung, Vorbescheid und vorläufiger VA
– Teilgenehmigung:
• bezieht sich auf real abtrennbaren Teil einer Anlage, z.B. Kühlturm
eines Kraftwerks, (vgl. § 8 BImSchG)
– Vorbescheid
• positiver Bescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen
oder Standort der Anlage (vgl. § 9 BImSchG, § 72 LBauO RhPf)
– Teilgenehmigungen und Vorbescheide regeln
Teilabschnitte abschließend; Bindungswirkung für das
weitere Genehmigungsverfahren
– Vorläufiger VA
• z.B. Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164
AO); vorläufige Gaststättengenehmigung (§ 11 GastG); diverse
sozialrechtliche Leistungen, § 44 BSHG); vorläufige Gewährung
von Subventionen unter Vorbehalt der Nachprüfung und
Rückforderung (§ 48 VwVfG)
95
96. 14.3 Merkmale des Verwaltungsaktsbegriffs
(§ 35 S. 1 VwVfG)
Hoheitliche
Maßnahme auf Regelung
Behörde (auf Rechts- Unmittelbare
dem Gebiet Einzelfall
(§ 1 IV VwVfG) wirkung Außenwirkung
des öff. gerichtet)
Rechts
• Qualifizierung als VA nach dem Inhalt der Maßnahme, Auslegung
• Regel: Bescheidform (Bezeichnung als „Verfügung, Bescheid, Genehmigung“)
• Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung („Gegen diesen VA können Sie...“)
96
97. Fall zur Qualifizierung einer Verwaltungs-
handlung als VA -
14.3.1. Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des
öffentlichen Rechts
Die Stadt S hat 1998 ihre als Eigenbetrieb geführten Stadtwerke
in eine Versorgungs- und Verkehrs-GmbH umgewandelt. S hält
100 % der Anteile der GmbH. Die Versorgungsverträge
zwischen S und den Abnehmern wurden auf die neue V-GmbH
übergeleitet. Die Abrechnung wird so vorgenommen, dass die V-
GmbH der Stadtkasse die Daten mit den Abrechnungsunterlagen
überlässt und die Stadtkasse die Abrechungen „im Namen und
im Auftrag der V-GmbH“ erstellt. Den „Abrechnungsbeschei-
den“ wird wie bisher eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt,
wonach innerhalb eines Monats Widerspruch bei der Stadtkasse
einzulegen ist. 97
98. T bezieht Strom und Wasser von der V-GmbH und erhielt einen
Abrechnungsbescheid für das vergangene Jahr. Erst nach 6
Wochen bemerkt er, dass die Abrechnung auf einem falschen
Tarif beruhte, was zu einer Mehrbelastung von 20 Euro pro
Monat führte. T verlangt nun von der Stadtkasse 240 Euro
Rückerstattung.
Die Kasse entgegnet, der Abrechungsbescheid sei
bestandskräftig und daher unanfechtbar geworden.
Verweigert die Stadtkasse die Rückerstattung zu Recht ?
98
99. Falllösung
Einstieg für die Falllösung immer mit Obersatz
Die Stadtkasse verweigert die Rückerstattung zu Recht,
wenn es sich bei dem „Abrechnungsbescheid“ um einen VA
handelt, der mangels fristgerechten Widerspruchs
bestandskräftig und damit unanfechtbar geworden ist.
I. Begriffsmerkmale des VA nach § 35 S.1 VwVfG
• Maßnahme einer Behörde ?
– Maßnahme: Jedes Verhalten mit Erklärungsgehalt (+)
– Behörde: Legaldefinition § 1 IV VwVfG
– Stadtkasse ist Träger öff. Vw-Aufgaben
– Maßnahme muss der Behörde selbst zurechenbar sein;
Behörde muss im eigenen Namen und als Organ des Staates handeln
– hier aber „namens und im Auftrag der V-GmbH“; es fehlt an einem99
eigenen, dem Vw-Träger berechtigenden oder verpflichtenden Verhalten
100. Falllösung
I. Begriffsmerkmale des VA nach § 35 S.1 VwVfG
• auf dem Gebiet des öff. Rechts ?
– Hier macht T Ansprüche aus dem Stromversorgungsvertrag geltend
– öff.-rechtlicher oder privatrechtlicher Vertrag ?
– Vertragspartner hier als GmbH juristische Person des Privatrechts; das
Leistungsverhältnis zum Abnehmer ist daher ebenfalls privatrechtlich
• „Abrechnungsbescheid“ der äußeren Form nach trotzdem als
VA zu qualifizieren?
– Inhaltlich-materielle Beurteilung ist gegenüber rein formeller
Betrachtung vorrangig
– Stromrechung ist kein typischer Bescheid, zudem ausdrücklich „im
Namen der V-GmbH“
– hier offensichtlich, dass privatrechtliche Zahlungsansprüche geltend
gemacht werden 100
101. Falllösung
II. Rechtsfolgen
• Der „Abrechnungsbescheid“ ist kein VA, der bestandskräftig
geworden ist.
– Dass T erst nach 6 Wochen - und nicht binnen eines Monats ab
Bekanntgabe des VA (vgl. § 70 I VwGO) - Widerspruch eingelegt hat,
ist unschädlich.
• Mangels der Voraussetzungen für einen VA handelt sich somit
um eine privatrechtliche Sache.
– T kann die Zahlung nach § 812 I BGB - ungerechtfertigte Bereicherung
- zurückfordern, da kein Rechtsgrund für seine Leistung (falscher
Tarif !) bestand.
– Anspruch ist grundsätzlich gegen den von der Stadtkasse Vertretenen -
also die V-GmbH - zu richten. Da aber die gesamte Abrechung auf die
Stadtkasse übertragen wurde, kann der Anspruch auf Rückerstattung
auch gegenüber der Kasse geltend gemacht werden. 101
102. 14.3.2. Das Merkmal der „Regelung“
• Zentrale Voraussetzung: VA als rechtsfolgenbegründender Akt
– Abgrenzung zum Realhandeln/Realakt ohne Regelungsgehalt, in diesen
Fällen keine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagen (VA !), sondern
allgemeine Leistungsklage (auf Handeln oder Unterlassen)
• Regelung = Maßnahme, die auf die Herbeiführung einer Rechts-
folge gerichtet ist (kausal-verursacht als auch final-gewollt)
• Typische Beispiele von Regelungen
– Verbot (z.B. Versammlungsverbot)
– Gebot (z.B. Abgabenbescheid)
– Rechtsgewährung (Erlaubnisse, Genehmigungen)
– Versagung (Ablehnungsbescheid, z.B. bei Bauantrag, Gewerbeanmeldung)
– Umgestaltung von Rechtsverhältnissen (z.B. Widerruf einer Erlaubnis)
– Feststellungen (Kürzung von Pensionsansprüchen oder Dienstbezügen)
– Dingliche Regelungen (Widmung von Straßen, Regelung der Benutzung
102
durch Verkehrsschilder)
103. Abgrenzung von „Regelung“ und „Realakt“
• Maßnahmen ohne Regelungswirkung (Setzen von Rechtsfolgen)
sind Realhandeln oder schlichtes Vw-Handeln
• Fallgruppen Realhandeln
– Maßnahmen ohne Erklärungsgehalt (z.B. Dienstfahrten, Untersuchungen
und Durchsuchungen, Straßenbau, Müllabfuhr,...)
– Wissenserklärungen informativer Art (Auskünfte, Warnungen,
Empfehlungen, Schulunterricht, Hochschulvorlesungen
– ABER: abzugrenzen von Wissenserklärungen: Zusage der Vw mit
rechtlichem Bindungswillen und Zusicherung des Erlasses oder
Unterlassens eines VA nach § 38 VwVfG: nach h.M. VA
– schlichte Zahlungsaufforderungen (die nicht per Bescheid ergehen)
• Kombination von VA und Realakten
– Erklärung der Zulässigkeit von Realakten durch VA (z.B. Immissionen
103
durch genehmigte Verkehrsprojekte: Genehmigung muss angefochten
104. Fall zur Abgrenzung von „Regelung“ und
„Realakt“
S und seine Mitschüler verwandeln ihren Klassenraum durch
verteilten Papiermüll in eine „Kreativzone“. Lehrer L fordert die
Schüler zum Aufräumen auf und schließt den Raum ab, um die
Schüler am Verlassen des Zimmers zu hindern. Nach Ende der
Reinigung entlässt L die Schüler.
S will gerichtlich feststellen lassen, dass das Einschließen
rechtswidrig war, damit so etwas nicht noch einmal passiert.
Wie kann S die Maßnahme des L rechtlich prüfen lassen ?
104
105. Falllösung
• Vorüberlegungen:
– Frage nach den rechtlichen Möglichkeiten des S.
– Welchen Rechtsschutz könnte S erhalten?
– Verwaltungsgerichtliche Klage
– hier Besonderheit: Handlung des Lehrers, die S überprüfen lassen will,
ist Vergangenheit, Sache hat sich erledigt
• Frage also: Welche Klagearten enthält die VwGO für die
Feststellung der Rechtswidrigkeit (RW) von Vw-Maßnahmen,
die sich erledigt haben ?
– Dies richtet sich nach der Art der Maßnahme:
– für Nachwirkungen von schlichten Vw-Maßnahmen grundsätzlich
(allgemeine) Feststellungsklage nach § 43 I VwGO
– für die Feststellung der RW von erledigten VA:
Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 I 4 VwGO
• Entscheidende Frage also: Ist die Maßnahme des L ein VA ?
105
106. Falllösung
• Abschließen der Tür eine behördliche Maßnahme auf dem
Gebiet des öff. Rechts ?
– Ordnungsmaßnahme eines Amtsträgers aufgrund des SchulG (+)
• Regelungswirkung (auf Setzen einer Rechtsfolge gerichtet) ?
– Tatsächliche Errichtung einer Sperre > schlichtes Vw-Handeln/
Realakt ?
– Zwar Eingriff in Grundrechte der Schüler (Allg. Handlungsfreiheit Art 2
I GG): kausale Handlung für GR-Beeinträchtigung
– aber auch finale Rechtsfolge ? War gerade diese Rechtsbeeinträchtigung
bezweckt? Unmittelbar gewollte Rechtsfolge kraft Regelung ?
– Hier bloße faktische Beeinträchtigung als Reflex, beabsichtigt war die
Rechtsfolge „Ordnung wiederherstellen“; keine Regelung
– Anders bei tatsächlichen Handlungen der Vw, die schlüssig - konkludent
- ein rechtliches Duldungsgebot beinhalten, z.B.: polizeiliche
Standardmaßnahmen als Verhaltensgebote (z.B. Vorladung und
Platzverweis; Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln (§§ 13,
14 VwVG): selbständige VA
106
107. Falllösung
• Ergebnis:
– Das Abschließen der Tür, das die Wiederherstellung der Ordnung im
Klassenraum ermöglichen soll, setzt keine unmittelbare Rechtsfolge und
ist daher keine Regelung im Sinne von § 35 S. 1 VwVfG
– Es liegt daher kein VA vor.
– Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht kann S daher nicht mit der
Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 I 4 VwGO, sondern nur mit
der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 I VwGO begehren.
– Anmerkung: Im Ergebnis hat das Gericht die Klage des S als
unbegründet abgewiesen, weil es die Maßnahme - als Grundrechts-
eingriff - für verhältnismäßig gehalten hatte (unter Beachtung des
pädagogischen Gestaltungsspielraums des L und des kurzen Zeitraums
des Einschließens), vgl. OVG Schleswig NJW 1993, 952
107
109. 14.3.3. Das Merkmal des „Einzelfalls“
• Hoheitliche Regelung ergeht entweder allgemein oder im
Einzelfall
– abstrakt-generelle Regelungen sind in der Regel Rechtsnormen, konkret-
individuelle Regelung ist ein VA
• Abgrenzung zwischen Rechtsnorm und VA
– Regelung konkreten Sachverhalts, der sich nach Zeit, Ort und
bestimmtem Adressaten nur einmal ereignet (z.B. „Zahlen Sie 100 Euro
wegen Beschmierens von Rathauswänden !“) > VA
– abstrakte Regelung, wenn Sachverhalt nur begrifflich/gedanklich erfasst
wird (hypothetisch geregelte Sachverhalte): „Werden die Grenzwerte für
SO² überschritten, dann...“ > Rechtsnorm
• Abgrenzungsbeispiel:
– Umweltamt fordert Betriebe konkret auf, Informationen über
Abwassereinleitungen innerhalb einer Woche zu übermitteln > VA
– Generelle Forderung, dass jeder Betrieb eigene Untersuchungen
vornimmt > Regelung müsste per Gesetz erfolgen, durch VA unzulässig
109
110. Das Merkmal des „Einzelfalls“ - Mischfälle
• In Ausnahmefällen existieren auch:
– abstrakt-individuelle Regelungen
– konkret-generelle Regelungen
• Beispielsfall für abstrakt-individuelle Regelung
– Störfall-VO verpflichtet Betriebe, den Umweltämtern Störfälle zu
melden; Behörde gibt Betrieb durch Bescheid auf, „jedes mal, wenn sich
ein Störfall ereignet, der Behörde den Störfall binnen einer Stunde zu
melden und die in der Störfall-VO erforderlichen Angaben zu machen“;
inklusive Zwangsgeldandrohung bei Nichtbefolgung
– Regelung als VA nach § 35 VwVfG zulässig (wegen Zwangsgeld) ?
– Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öff. Rechts (+)
– Außenwirkung (+), da Betrieb eine rechtliche Verpflichtung trifft
– Aber Regelung im Einzelfall ?
– Individueller Adressat (+), aber Störfall hypothetisch-abstrakt
– h.M.: abstrakt-individuelle Regelung ist VA nach § 35 S. 1 VwVfG
110
111. Das Merkmal des „Einzelfalls“ - Mischfälle
• Konkret-generelle Regelungen (Allgemeinverfügung nach § 35
S. 2 VwVfG)
– konkreter Vorgang, aber größerer Adressatenkreis betroffen
• z.B. Maßnahmen bei Seuchengefahr; präventive Verhinderung von
Demonstrationen bei angekündigten Gewalttaten
• Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 VwVfG hat 3 Varianten:
– VA an bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis (sog.
personenbezogene Allgemeinverfügung - Hauptfall)
– VA, der die öff.-rechtliche Eigenschaft einer Sache betrifft (sog.
dinglicher VA), z.B. Widmung eines Grundstücks zur Straße,
Straßenumbenennung, Hausnummerzuteilung
– VA, der die Benutzung einer öff. Sache durch die Allgemeinheit betrifft
(sog. benutzungsregelnde Allgemeinverfügung), z.B. Verkehrsschilder,
die Verbote und Gebote beinhalten
111
112. Beispielsfälle für Allgemeinverfügungen nach
§ 35 S. 2 VwVfG
• Benutzungsregelnde Allgemeinverfügung (Variante 3)
A legt Widerspruch gegen Stopschild ein, um ungebremsten Autokorso
nach Hochzeit zu ermöglichen; er erhofft sich „aufschiebende Wirkung“
(Suspensiveffekt) nach § 80 I VwGO, da er das Stopschild als VA einstuft.
Freie Fahrt für die Hochzeitsgesellschaft ?
– Stopschild müsste VA nach § 35 VwVfG sein, damit Suspensiveffekt nach
§ 80 I VwGO greifen könnte
– Verkehrszeichen sind Maßnahmen einer Behörde auf dem Gebiet des öR
– Regelung mit Außenwirkung als Gebote und Verbote nach StVO (+)
– Einzelfallregelung? Hier Fall des § 35 S. 2 Var. 3 VwVfG: Regelung, die
die Benutzung einer öff. Sache (Verkehrszeichen) durch die Allgemeinheit
betrifft); Verkehrszeichen sind Allgemeinverfügungen und damit VA
– Aber kein Suspensiveffekt, da aufschiebende Wirkung analog § 80 II Nr. 2
VwGO analog entfällt; Verkehrszeichen bleiben verbindlich
112
113. Beispielsfälle Allgemeinverfügungen nach § 35 S. 2
VwVfG
• Personenbezogene Allgemeinverfügung (Variante 1)
SMOG-Alarm
Die Landesregierung L hat aufgrund der Ermächtigung in § 40 I
BImSchG eine Rechtsverordnung erlassen, wonach bei
„austauscharmen Wetterlagen“ der KfZ-Verkehr zu beschränken
oder zu verbieten ist, um schädliche Umwelteinwirkungen durch
Luftverunreinigungen zu vermeiden oder zu vermindern. Als im
Januar die Schadstoffkonzentrationen bei sog. inverser
Wetterlage stark ansteigt, ruft das zuständige
Landesumweltministerium in Hörfunk und Fernsehen Smog-
Alarmstufe 2 aus. Entsprechende Fahrverbotsschilder werden
aufgestellt. KfZ-Fahrer A meint, Stufe 1, die PKW-fahren in
Ausnahmefällen zulässt, müsse ausreichen. Er legt Widerspruch
gegen den Alarm ein. 113
114. Falllösung
• Vorüberlegung: Hier Frage, ob A das Fahrverbot aufgrund des
Smog-Alarms beachten muss.
• Obersatz: A müsste das Verbot nicht beachten, wenn sein
Widerspruch aufschiebende Wirkung nach § 80 I VwGO hätte.
• Voraussetzung § 80 I VwGO: Verwaltungsakt !
• Also Frage: Handelt es sich beim Smog-Alarm um einen VA im
Sinne von § 35 VwVfG ?
– Maßnahme auf dem Gebiet des öff. Rechts (+); Umweltministerium als
oberste Landesbehörde
– Aber Regelung im Einzelfall ?
– Regelung = Setzen einer Rechtsfolge: nach h.M. liegt die Regelung im
Verkehrsverbot aufgrund des bekannt gegebenen Smog-Alarms (a.M.:
Rechtsfolge ergibt sich aus der VO, nicht aus der Bekanntgabe des Alarms,
nur Feststellung einer Rechtstatsache)
114
115. Falllösung
• Hier Bekanntgabe an größeren Personenkreis: Einzelfallregelung
im Sinne von § 35 S. 2 VwVfG (Allgemeinverfügung)
• Variante 3 (Benutzung der Straße von Allgemeinheit) oder
Variante 1 (personenbezogene Allgemeinverfügung) ?
– Verkehrsbeschränkung wird nicht durch Bekanntgabe des Alarms, sondern
erst durch die aufgestellten Verkehrszeichen bewirkt; Alarm-Bekanntgabe
ist also kein Fall der Variante 3
• Voraussetzung personenbezogene Allgemeinverfügung (Var. 1)
– bestimmter oder bestimmbarer Kreis von Adressaten ?
– z.T.: unbestimmter Kreis; Regelung nur durch RechtsVO (Gesetz) möglich
– H.M.: austauscharme Wetterlage ist ein konkreter räumlicher Vorgang;
Adressaten sind die, die in dieser Phase vom Smog-Alarm betroffen sind;
enger Zusammenhang mit dem Regelungstypus der Verkehrszeichen, die
als Allgemeinverfügung anerkannt sind; Bekanntgabe des Smog-Alarms
ist daher eine Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 VwVfG
115
116. Falllösung
• A kann also Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung als VA
im Sinne von § 35 S. 2 VwVfG einlegen.
• Grundsätzlich Eintritt der aufschiebenden Wirkung nach § 80 I
VwGO bei Widerspruch innerhalb eines Monats
• Aber auch bei der Bekanntgabe von Smog-Alarm wird § 80 II Nr.
2 VwGO - ähnlich wie bei Verkehrszeichen - analog angewandt;
Parallele zu unaufschiebbaren Maßnahmen von Polizeivollzugs-
beamten
• Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des A entfällt
daher.
• Er hat das Fahrverbot aufgrund des Smog-Alarms zu beachten.
116
117. 14.3.4 Das Merkmal der „unmittelbaren
Außenwirkung“
• Es existieren
– Rechtsbeziehungen und Maßnahmen zwischen dem Staat und den
Bürgern mit Außenwirkung
– Rechtsbeziehungen und Maßnahmen innerhalb der Verwaltung, bloße
Vw-interne Bedeutung (innerdienstliche Weisungen, Dienstbefehle,
innerorganisatorische Beschlüsse in der Kommune, z.B. Wasserwerk
soll Eigenbetrieb werden)
• Voraussetzung der „Außenwirkung“ in § 35 VwVfG soll VA
auf Außenverhältnis beschränken, keine Anwendung innerhalb
der Vw
• Eine Regelung der Vw hat „Außenwirkung“,
– wenn die beabsichtigten Rechtsfolgen gegenüber einer außerhalb der
Vw stehenden natürlichen oder juristischen Person eintreten sollen und
– deren Rechtsposition erweitert, eingeschränkt, festgestellt oder sonst
regelnd in sie eingegriffen wird. 117
118. Das Merkmal der „unmittelbaren
Außenwirkung“
Abgrenzungsfragen:
• VA und Vw-interne Maßnahmen (hierzu folgender Fall)
• Maßnahmen im Beamtenverhältnis
– VA mit Außenwirkung: bei Regelung persönlicher Rechte und Pflichten
des Beamten (Ernennung, Entlassung, Versetzung in andere Behörde,
Festsetzung der Besoldung,...)
– keine Außenwirkung: Beamter nur als Amtsträger betroffen
(innerdienstliche Weisungen, Umsetzung innerhalb der Behörde)
• Maßnahmen im Schulverhältnis
– Unterscheidung zwischen Grund- und Betriebsverhältnis:
Grundverhältnis: VA ! grundsätzliche Rechte und Pflichten des Schülers
(Schulaufnahme, Entlassung, Versetzung(szeugnis), Nichtversetzung)
Betriebsverhältnis: Maßnahmen des laufenden Schulbetriebs (Beginn
und Ende des Unterrichts, unterrichtsleitende und pädagogische
Maßnahmen, Einzelnoten) 118
119. Fall zum Merkmal der „unmittelbaren
Außenwirkung“ - Verkehrsberuhigte Zone
Die Stadt S hat beschlossen, an allen Straßen mit Wohnbebau-
ung verkehrsberuhigte Zonen mit Tempolimit 30 einzurichten.
Die Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde über die Stadt hält
die Voraussetzungen für diverse Straßen nicht für gegeben. Sie
weist die Stadt an, u.a. die A-Straße aus der Zone hinauszu-
nehmen.
1. Die Stadt fragt, ob eine Klage gegen die Weisung zulässig wäre.
2. Bürger B, der in der A-Straße wohnt, hat ein Interesse an der
Verkehrsberuhigung und möchte ebenfalls gegen die Weisung
der Aufsichtsbehörde klagen.
Wie ist die Zulässigkeit beider Klagen zu beurteilen?
119
120. Frage 1: Zulässigkeit der Klage der Stadt S
gegen die aufsichtsbehördliche Weisung
I. Vw-Rechtsweg nach § 40 I VwGO
– öff.-rechtl. Streitigkeit auf dem Gebiet des
Straßenverkehrsrechts (+)
II. Statthafte Klageart
– Anfechtungsklage nach § 42 I VwGO, wenn es sich bei der
Weisung für die Stadt S um einen belastenden VA nach § 35
S. 1 VwVfG handelt
1. Maßnahme auf dem Gebiet des öff. Rechts (+)
2. Einzelfallregelung (+), konkreter Weisungsfall gegenüber S
3. Regelung auf unmittelbare Außenwirkung gerichtet ?
120
121. 3. Regelung auf unmittelbare Außenwirkung gerichtet ?
– Hat die Aufsichtsbehörde Rechtsfolgen gegenüber einer außerhalb der
Vw stehenden natürlichen oder juristischen Person beabsichtigt?
– Hat die Maßnahme der Aufsichtbehörde die Rechtsposition der S
erweitert, eingeschränkt, festgestellt oder sonst regelnd in sie
eingegriffen?
• VA-Qualität bei staatlichen Weisungen:
– Weisungen innerhalb der Bundes- und Landesbehörden: keine VA, nur
Innenwirkung (z.B. MI des Landes gegenüber Bezirksregierung)
– Weisungen staatlicher Behörden gegenüber kommunalen
Körperschaften (Städten, Gemeinden) haben Außenwirkung (und sind
dann VA), wenn sie die Gemeinde in ihrem eigenen Wirkungskreis
betreffen (Art. 28 II GG: Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde für
eigene Angelegenheiten)
– im übertragenen Wirkungskreis (Kommunen führen staatl. Aufgaben als
mittelbare StaatsVw aus): nur Vw-interne Wirkung, also kein VA
Ausnahme: Gemeinde hat auch im übertragenen Wirkungskreis eine
besondere Rechtsstellung aufgrund von Art. 28 II GG (BVerwG DVBl
121
1995, 744 f.)
122. – hier: Gemeinden führen Straßenverkehrsrecht als staatliche
Aufgabe aus (übertragener Wirkungskreis), grundsätzlich
also nur Vw-interne Wirkung der Maßnahme (kein VA)
– aber die Planungshoheit der Gemeinde (städtebauliche
Entwicklung, Stadtplanung) als elementarer Teil der
kommunalen Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 II GG ist
betroffen
– Eingriff der Weisung in den Rechtskreis der Gemeinde, also
ist die Weisung gegenüber der Stadt S ein VA
• Ergebnis:
– Die richtige Klageart ist daher die Anfechtungsklage gegen
die Weisung als belastenden VA nach § 42 I VwGO
– Klagebefugnis der Stadt S (§ 42 II VwGO )aus Art. 28 II GG
– Anfechtungsklage der S wäre bei Einhaltung der Klagefrist
(§ 74 VwGO) zulässig. 122
123. Frage 2: Zulässigkeit der Klage des Bürgers B
gegen die aufsichtsbehördliche Weisung
I. Vw-Rechtsweg nach § 40 I VwGO
– öff.-rechtl. Streitigkeit auf dem Gebiet des
Straßenverkehrsrechts (+)
II. Statthafte Klageart
– Anfechtungsklage nach § 42 I VwGO, wenn es sich bei der
Weisung für die Stadt S um einen belastenden VA nach § 35
S. 1 VwVfG handelt
1. Maßnahme auf dem Gebiet des öff. Rechts (+)
2. Einzelfallregelung (+), konkreter Weisungsfall gegenüber S
mit Auswirkung auf B
3. Regelung auf unmittelbare Außenwirkung gerichtet ?
123
124. 3. Regelung gegenüber B auf unmittelbare
Außenwirkung gerichtet ?
– Regelung?
• Weisung zeitigt gegenüber B noch keine Rechtsfolgen, nur
Vorbereitung einer straßenverkehrsrechtlichen Regelung
– unmittelbare Außenwirkung?
• aus Sicht des B nur mittelbare, faktische Auswirkungen der Weisung
über die beeinflusste Planung der Stadt; Maßnahme muss gerade auf
die unmittelbare Außenwirkung auch dem Bürger gegenüber
gerichtet sein (final, gewollt)
• hier nur gegenüber der Stadt S, nicht aber gegenüber B
– Gegenüber B liegt in der Aufsichtsmaßnahme kein VA vor,
Anfechtungsklage ist daher die falsche Klageart
124
125. • Allgemeine Leistungsklage richtige Klageart ?
– Gegen schlichtes Vw-Handeln, das kein VA ist (+)
– Klagebefugnis des B analog § 42 II VwGO ?
• Möglichkeit der Rechtsverletzung des Bürgers B ?
• Grundsätzlich (-) bei Vw-internen Maßnahmen
• Nach der Rspr. können faktische Auswirkungen auch
Vw-interner Maßnahmen eine Klagebefugnis verleihen,
wenn der Bürger hierdurch in seinen Rechten verletzt
werden kann (z.B. ehrverletzende Äußerungen innerhalb
eines Vw-internen Polizeiberichts)
• hier aber keinerlei Rechtsverletzungen des B durch die
Aufsichtsmaßnahme möglich, lediglich durch
nachfolgende Planungen der Stadt S
• auch Allg. Leistungsklage wäre unzulässig
125
126. • Feststellungsklage nach § 43 I VwGO ?
– Ausschließlich Vw-interne Maßnahmen begründen kein
„Rechtsverhältnis“ nach § 43 I VwGO.
– Auch die Feststellungsklage ist nicht die richtige Klageart.
– Weitere Klagearten sind für B nicht vorhanden.
• Ergebnis:
– B kann nicht gegen die Weisung der Aufsichtsbehörde
gegen die Stadt klagen.
126