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AIZ | Das Immobilienmagazin 3/2011 51
Von Werten und Wahrzeichen
Architektur im Spannungsfeld zwischen Kultur und Kommerz
Ob Eiffelturm, Empire State Building, Big
Ben oder Reichstag – ein Blick genügt
und wir wissen, um welche Stadt es geht.
Wahrzeichen bieten einen Blickfang und
steigern den Wiedererkennungswert
eines Ortes, sie stärken seine Identität,
wecken Assoziationen und können ihm
Flair und Attraktivität verleihen. Kurz-
um: Wahrzeichen können Städte immens
aufwerten und so Menschen anziehen.
Das Bewusstsein dafür ist gestiegen und
so wird die Schaffung neuer Wahr-
zeichen heutzutage mehr denn je als
Wirtschaftsfaktor und als Marketing-
instrument in der Städteplanung einge-
setzt. Das deutlichste Beispiel dafür ist
natürlich Dubai, wo der Bau von archi-
tektonischen Wahrzeichen in großem
Maßstab aktiv vorangetrieben wird.
Erkennbar ist dieser Trend aber auch
in deutschen Städten, wo nicht nur ein-
zelne Gebäude für Aufmerksamkeit sor-
gen, sondern ganze Stadtteile am Reiß-
brett entworfen beziehungsweise umge-
staltet werden, die durch herausragen-
de Bauwerke ein stärkeres Profil erhal-
ten sollen.
Doch wie weit lässt sich die Schaffung
eines Wahrzeichens tatsächlich planen?
Wie weit lässt sich vorherbestimmen, ob
ein Gebäude oder eine Konstruktion
von der Bevölkerung als „ihres“ ange-
nommen wird, zum Sinnbild und Kenn-
zeichen eines Ortes wird? Einige der
heute weltweit berühmtesten und be-
liebtesten Bauten wurden zunächst ab-
gelehnt und verspottet. Zu Beginn des
20. Jahrhunderts hätte wohl kein Fran-
zose gedacht, dass der Eiffelturm einmal
zu einem Symbol für ganz Frankreich
werden würde. Den Parisern galt er als
Schandfleck, den sie als „tragische Stra-
ßenlaterne“ bezeichneten. Dabei besaß
er von Anfang an Eigenschaften, die ihm
gute Chancen boten, zum Wahrzeichen
zu werden: Er fiel durch seine unge-
wöhnliche Architektur auf und war weit-
hin sichtbar. Aber diese zwei Faktoren
allein sagen noch nicht viel aus über die
besondere Qualität und den kulturellen
und wirtschaftlichen Wert eines Wahr-
zeichens für seine Umgebung. Was also
müssen Stadtplaner, Projektentwickler
Von Bettina Mundt, freie Journalistin
Visualisierung:Herzog&deMeuron
52 AIZ | Das Immobilienmagazin 3/2011
ARCHITEKTUR-LEUCHTTURM
und Architekten heutzutage beachten,
wenn sie den städtischen Raum durch
moderne Wahrzeichen attraktiver gestal-
ten wollen?
Beispiel Elbphilharmonie
Das Projekt der Hamburger Elbphilhar-
monie ist in vieler Hinsicht exempla-
risch dafür, welch besonderen Wert ein
einzelnes Gebäude für ein Viertel und
eine ganze Stadt haben kann und wel-
che Faktoren dabei eine Rolle spielen.
Zunächst einmal kann die Hansestadt ein
solches Wahrzeichen gut brauchen. Ham-
burg ist eine Kulturmetropole mit fast
zwei Millionen Einwohnern, gehört zu
den ertragreichsten Wirtschaftsregionen
Europas und besitzt einen der bedeu-
tendsten Seehäfen der Welt – und die
Stadt ist auf Wachstumskurs. Sie hat viel
zu bieten und besitzt doch kein einziges
ikonisches Bauwerk, das sie international
repräsentiert und das als Leuchtturm für
ihre vielen Vorzüge wirken kann. Die
Speicherstadt oder der Michel reichen da
bei weitem nicht hin, so lieb sie den Ham-
burgern auch sein mögen. Was die Sagra-
da Familia für Barcelona oder die Oper
für Sydney ist, das könnte die Elbphilhar-
monie für Hamburg werden.
Der Stararchitekt als Zugpferd
Große, prestigeträchtige Bauvorhaben
sind heutzutage nicht ohne Grund oft
mit berühmten Namen wie Liebeskind,
Foster, Hadid, Koolhaas oder Gehry ver-
bunden. Wo viel auf dem Spiel steht,
sollen sie den Erfolg garantieren. Der
Name an sich ist schon ein Marketing-
faktor und zieht Investoren an. Vor
allem aber haben Stararchitekten Erfah-
rung in der Planung und Verwirk-
lichung einzigartiger und herausragen-
der Bauten. Das Schweizer Architektur-
büro Herzog & de Meuron, das vor
allem für das so genannte „Vogelnest“ in
Peking bekannt ist, hat vor der Elbphil-
harmonie bereits zahlreiche visionäre
Projekte erfolgreich verwirklicht, da-
runter die Tate Gallery of Modern Art in
London, die Allianz-Arena und auch die
Einkaufspassage Fünf Höfe in München
– die gute Vermietbarkeit der Gewerbe-
flächen dort ist sicherlich nicht nur
auf die Lage, sondern auch auf die
außergewöhnliche Architektur zurück-
zuführen.
Mit der Elbphilharmonie haben sie ein
Gebäude entworfen, das in seiner ein-
zigartigen Ästhetik und Symbolkraft den
großen architektonischen Wahrzeichen
dieser Welt in nichts nachsteht: Das Bild
des Gebäudekomplexes in Schiffsform,
des weithin sichtbaren, leuchtenden
Glaskörpers auf dem Rumpf des alten
Kaispeichers inmitten der Hafenland-
schaft dürfte kaum zu überbieten sein –
vorausgesetzt, dass das Erscheinungs-
bild den Erwartungen dann auch tat-
sächlich entspricht. Der Bau würdigt die
Hafentradition Hamburgs, und weil die
Hanseaten ihren Hafen lieben und er
ein untrennbarer Teil der Identität Ham-
burgs ist, dürfte es ihnen nicht schwer-
fallen, sich mit dem neuen Bauwerk zu
identifizieren. Auch deshalb stehen die
Chancen gut, dass sie die Elbphilharmo-
nie nach ihrer Fertigstellung als neues
Wahrzeichen ins Herz schließen werden
– trotz aller Querelen um die Kosten-
explosion beim Bau.
Werte & Kosten
Denn keine Frage, die Kosten sind völlig
aus dem Ruder gelaufen. Ursprünglich
sollte die Elbphilharmonie 186 Millio-
nen Euro kosten, inzwischen ist gar von
über einer halben Milliarde die Rede!
Daran zeigt sich, wie Planungsfehler,
Fehlmanagement und Unwägbarkeiten
bei komplizierten Großprojekten eine
verheerende Durchschlagskraft entfal-
ten können.
Kann denn ein Wahrzeichen so viel wert
sein, fragen sich die Hamburger da mit
Recht. Wie soll sich eine solche Summe
rechnen? Durch die Einspielergebnisse
bestimmt nicht, so viel ist sicher. Trotz-
dem hängt der Erfolg des Wahrzeichens
Elbphilharmonie mit vom Konzertbe-
trieb ab, denn wird die renommierte
Schale nicht mit angemessen hochkarä-
tiger Musik gefüllt, verliert sie an Presti-
ge. Der Erfolg des Konzerthauses wiede-
rum hängt vor allem vom Management
Der elegante Luxuswohnturm Marco-Polo-Tower schraubt sich 17 Stockwerke hoch in den
Hamburger Himmel.
Das Sumatrakontor umfasst 17.800 m2 Bürofläche, 4.744 m2 Ladenflächen und 81 Wohnungen
inmitten des Hamburger Überseequartiers.
Foto:©MarcoPoloTowerGmbH&Co.KG
Illustration:TMWPramericaPropertyInvestmentGmbH
der Betreiber und deren finanziellen
Ressourcen ab. Ob die Handelsstadt hier
Mut und Großzügigkeit beweist, wird
sich noch zeigen.
Flaggschiff der HafenCity
Für die HafenCity ist die Elbphilharmonie
schon jetzt ein schlagkräftiges Flaggschiff,
das mediale Aufmerksamkeit auf den
wachsenden Stadtteil lenkt. Umgekehrt
schließt jeder Bericht über die HafenCity
die Elbphilharmonie ein – ein Verhältnis
zu beiderseitigem Nutzen also. Und das
Interesse könnte kaum größer sein. Aller-
ortens wurde bereits darüber berichtet,
lokal wie international, von der Badi-
schen Zeitung bis zu CNN. Schon jetzt
zieht es Scharen von Einheimischen und
Touristen in den neuen Stadtteil an der
Waterkant, der sich nicht hinter seinem
Aushängeschild zu verstecken braucht.
Das größte städtebauliche Projekt Euro-
pas setzt international neue Maßstäbe:
Die Innenstadt wird auf einen Schlag um
40 Prozent erweitert, ihr Wohnraum
wächst um ganze 80 Prozent. Rund
12.000 Menschen soll sie einst ein Zu-
hause sein, Platz für 40.000 Arbeitsplätze
bieten, bis zu 70.000 Besucher pro Tag
empfangen. Die Entwickler setzen auf
eine feinkörnige Nutzungsmischung aus
innerstädtischem Wohnen, Büro, Einzel-
handel, Freizeit und Kultur, auf maritimes
Ambiente und urbanes Flair, auf Nachhal-
tigkeit – und auf hochwertige, vielfältige
und zum Teil herausragende Architektur.
Klotzen statt kleckern: Architektur
in der HafenCity
National und international führende
Architekten haben die HafenCity mit-
gestaltet und sich kreativ ausgetobt.
Hingucker gibt es viele, doch ragen aus
der Menge ungewöhnlicher und mar-
kanter Bauten einige hervor, die das
Profil des Stadtteils besonders schärfen
und womöglich das Zeug zum Wahrzei-
chen haben. Das Spiegel-Verlagshaus
des dänischen Stararchitekten Henning
Larsen zum Beispiel, das an der Ericus-
spitze als gläserner Bau auf einem Back-
steinsockel einen Bezug zur Elbphil-
harmonie bildet. Oder der elegante
Luxuswohnturm Marco-Polo-Tower von
Behnisch Architekten, der sich am
Strandkai 17 Stockwerke hoch in den
Himmel schraubt und großartige Aus-
blicke auf den Hafen und Hamburg
freigibt: auf das Rathaus, den Michel,
die Elbphilharmonie und bald auch auf
das Kreuzfahrtterminal des italieni-
schen Architekten Massimiliano Fuksas,
mit dessen Bau in diesem Jahr begon-
nen wird. Nicht weit davon entfernt soll
am Elbufer das von Rem Koolhaas ent-
worfene Science Center entstehen, das
wie ein stehender Ring geformt ist
und schon im Vorfeld große Begeiste-
rung auslöst. Seine Verwirklichung ist
allerdings aufgrund fehlender Mittel
verschoben worden, man kann nur hof-
fen, dass sich noch Geldgeber dafür fin-
den.
Mieten & Marketing
Man stelle sich die HafenCity einmal
ohne diese Architektur und ohne die
Elbphilharmonie vor. Angesichts des
weiterhin steigenden Wohnraumbedarfs
in Hamburg, der zentralen Lage am Was-
ser, guter verkehrstechnischer Anbin-
dung und mit einem überzeugenden
Nutzungskonzept dürften Wohnungen
sich dort trotzdem wie warme Semmeln
verkaufen. Zudem ist Hamburg bundes-
weit der derzeit attraktivste Standort für
Gewerbeimmobilien. Was könnte also
schiefgehen?
Die Leuchtturmprojekte und all die im-
posante Architektur sind zwar tatsäch-
lich nicht nötig, um dem Viertel Attrak-
tivität zu verleihen, aber sie erhöhen sie
allemal. Wer für eine Penthousewoh-
nung im Marco-Polo-Tower 11.000 Euro
pro Quadratmeter hinblättert, der zahlt
auch für seine besondere Architektur
und die Architektur ringsum. Landmar-
ken stellen Werte dar, sie bieten Orien-
tierung und vermitteln Sicherheit – und
das schlägt sich im Preis nieder.
Dass rund 1500 Bewohner schon im
Westteil der HafenCity leben und Miet-
preise von durchschnittlich 17 Euro pro
Quadratmeter zahlen, während ein
Großteil des Areals noch eine Baustelle
ist, zeigt, dass die HafenCity Hamburg
GmbH die Vision vom Wohnen am Was-
ser erfolgreich vermitteln konnte. Die
AIZ | Das Immobilienmagazin 3/2011 53
Die Verwirklichung des von Rem Koolhaas entworfenen Science Center ist aufgrund fehlender
Mittel bis auf Weiteres verschoben worden.
Erfolgreich umgesetzt wurde hingegen die Vision Wohnen und Leben am Wasser – wie hier am
Vasco-da-Gama-Platz.
Illustration:Gärtner&Christ;HafenCityGmbH
Foto:ELBE&FLUT;HafenCityGmbH
Menschen sehen nicht die Mängel, son-
dern das Potenzial, verfolgen gespannt
die Entwicklung und freuen sich auf das
Ergebnis. Dass die HafenCity trotz man-
cher Kritik und der Auseinandersetzung
um die Elbphilharmonie nicht nur bei
ihren Bewohnern, sondern weithin auf
ein starkes positives Interesse stößt, ist
eindeutig der Kommunikationsstrategie
der HafenCity GmbH geschuldet. Sie
hat frühzeitig ein Bewusstsein für das
Areal geschaffen, das wegen seiner
Hafennutzung vorher kaum wahrge-
nommen wurde. Bereits Ende 2000 ent-
stand im Kesselhaus der Speicherstadt
ein Informationszentrum, das inzwi-
schen über 1000 Führungen und Vorträ-
ge im Jahr veranstaltet. Auch konnte sie
das Produkt HafenCity positiv mit Emo-
tionen besetzen und dabei lokale Iden-
titäten einbinden, etwa über Namens-
gebungen, die Assoziationen wecken und
auf die Hafentradition verweisen, wie
Magellan-Terrassen, Kaffeeplatz, Sumatra-
kontor, Überseeboulevard oder Vasco-da-
Gama-Platz. Und natürlich hat sie die
HafenCity über die vielen großartigen
Gebäude und insbesondere die Elbphil-
harmonie wirksam vermarktet und tut
dies noch immer. Eine umfassende
multi-mediale Informationspolitik trägt
die Botschaft in die Welt hinaus – denn
mit ihrem Marketingmix wendet sich
die HafenCity GmbH nicht vorrangig an
Investoren oder die Fachöffentlichkeit,
sondern vor allem an potenzielle Nut-
zer. Für ihre Strategie wurde sie 2009
mit dem Immobilienmarken-Preis 2009
in der Kategorie „Bestes Marketing einer
Wirtschaftsregion“ ausgezeichnet.
Erfolgskonzept Hafen
Auch an anderen Orten hat man längst
das Potenzial brachliegender Hafenräume
nahe der Innenstadt erkannt. „Waterfront-
Projekte“, wie es auf gut Denglisch heißt,
erstrecken sich von Köln über Düsseldorf
und Duisburg bis nach Bremen. Ähnlich
wie in Hamburg gibt es im Kölner Rhein-
auhafen und im Düsseldorfer Medien
Hafen einzelne außergewöhnliche Ge-
bäude, die werbewirksam eingesetzt
werden – sicherlich mit ein Grund dafür,
dass beide Häfen überregional bekannter
sind als die Überseestadt in Bremen oder
der Duisburger Innenhafen.
Der Duisburger Innenhafen und
das Eurogate
Dabei stammt der Masterplan für den
Duisburger Innenhafen vom britischen
Stararchitekten Norman Foster, der
einen spektakulären sichelförmigen
Gebäudekomplex als dessen Herzstück
vorsah. Heute ist das so genannte Euro-
gate das letzte nicht fertiggestellte Ge-
bäude des Areals, welches immerhin
mehrere Bauprojekte international be-
kannter Architekten umfasst: das nach
Entwürfen von Herzog & de Meuron
umgebaute und derzeit erweiterte
Museum Küppersmühle zum Beispiel,
das imposante Bürogebäude Five Boats
des britischen Stardesigners Nicholas
Grimshaw, oder auch das H2-Office des
Hamburger Architekturbüros Bothe
Richter Teherani. Die Umgestaltung des
Innenhafens gilt als rundum gelungen,
das vormals industrielle Areal hat sich
zu einem lebendigen Stadtteil entwickelt.
Trotzdem wurde im Vergleich zu anderen
städtebaulichen Großprojekten eher
wenig darüber berichtet, in tourismus-
relevanten und internationalen Medien
so gut wie gar nicht. Wahrscheinlich wäre
das Eurogate mit seiner dynamischen
Form ein gutes Zugpferd gewesen, doch
diese Möglichkeit ist jetzt vertan. Ein
modernes Wahrzeichen für Duisburg
kann es mit einiger Verspätung allerdings
immer noch werden.
Im Schatten Hamburgs: Die Über-
seestadt in Bremen
Man ist gewohnt, dass Bremen im Schat-
ten von Hamburg steht, aber es ist doch
erstaunlich, dass sich die Überseestadt
seit Jahren nahezu unbemerkt von der
breiten bundesweiten Öffentlichkeit
entwickelt und das, obwohl sie ein dop-
pelt so großes Areal wie die HafenCity
umfasst. Das neue Stadtquartier ähnelt
den anderen Projekten in vielem und
besitzt auch interessante und sehr ge-
lungene Neubauten, darunter gibt es
jedoch kaum spektakuläre Gebäude.
Der 20-geschossige Landmark Tower
des Bremer Büros Hilmes Lamprecht
und der 22-geschossige Weser Tower
von Stararchitekt Helmut Jahn, der
nachts so schön leuchtet, sind beide
wohl schon durch ihre Größe zu Land-
marken vorbestimmt – aber mit Bau-
werken wie dem Marco-Polo-Tower
oder gar der Elbphilharmonie sind sie
kaum zu vergleichen.
54 AIZ | Das Immobilienmagazin 3/2011
ARCHITEKTUR-LEUCHTTURM
Das imposante Bürogebäude Five Boats im Duisburger Innenhafen stammt vom britischen Stardesigner Nicholas Grimshaw.
Foto:©KölblKruseGmbH
Die Rivalen am Rhein: Tanzende
Türme und Kranhäuser
Die neuen Quartiere in Köln und in
Düsseldorf besitzen da schon ein stärke-
res Profil. Frank O. Gehry’s „Tanzende
Bürotürme“ haben sich über den
MedienHafen hinaus zu dem Wahrzei-
chen für ganz Düsseldorf entwickelt.
Der Name „MedienHafen“ verstärkt
Düsseldorfs kreatives Image – obwohl
sich dort nur Anfang der 90er Jahre vor
allem Medienunternehmen nieder-
ließen und die Bezeichnung so nicht
mehr zutrifft. Heute siedeln dort Unter-
nehmen aus vielen Bereichen, auch ver-
stärkt aus der Modebranche. Im Ver-
gleich zu anderen Waterfront-Projekten
ist der MedienHafen bislang eher spär-
lich bewohnt und wird vorrangig indus-
triell und gewerblich genutzt – 76 Pro-
zent aller Düsseldorfer Firmen sind hier
ansässig. Künftig soll hier aber mehr
und vor allem exklusiver Wohnraum
geschaffen werden, denn die Landes-
hauptstadt wächst und wächst. Den Auf-
takt dazu bilden zwei Wohntürme mit
dem Spitznamen „Königskinder“, die
Lofts, exklusive Apartments und Mai-
sonette-Wohnungen direkt am Wasser
bieten.
Die Hafenarchitektur ist sehr abwechs-
lungsreich und individuell, es gibt eine
Reihe auffälliger und innovativer Neu-
bauten, darunter das Capricorn Haus
des Kölner Architekturbüros Gatermann
+ Schossig, das durch die lange gewun-
dene Form und rot beschichtete Glas-
paneele hervorsticht, oder das vom
Briten William Alsop entworfene Colo-
rium, ein 62 Meter hohes farbenfrohes
Bürohaus mit einem roten Dachge-
schoss, das über die Fassade hinausragt.
Das Wahrzeichen der tanzenden Türme
passt vollauf zu dieser spielerischen,
dabei aber anspruchsvollen und funk-
tionalen Architektur, die positiv zum
Image des Quartiers und von ganz Düs-
seldorf als Stadt der Mode, Werbung
und Kunst beiträgt.
In Köln wurde mit der Erschließung des
Rheinauhafens zwar erst 2002 begonnen,
er soll aber bereits dieses Jahr fertigge-
stellt werden. Seine Silhouette wird von
einer Mischung aus Alt und Neu be-
stimmt. Unter den restaurierten Bauten
ist das Erscheinungsbild des Danziger
Lagerhauses besonders stadtbildprägend:
Der ehemalige Kornspeicher ist das längs-
te Gebäude im neuen „Kölsche Veedel“
und wird wegen seiner vielen spitzen
Giebel gemeinhin nur als „Siebenge-
birge“ bezeichnet. Direkt daneben fällt
das ebenfalls denkmalgeschützte Silo 23
auf, ein voluminöses, turmartiges Bau-
werk mit Zeltdach, roter Fassadenfarbe
und neu eingefügten Fensterflächen.
Während das Silo zum Bürogebäude
umgenutzt wurde, umfasst das Siebenge-
birge Wohnraum und im Erdgeschoss
Gewerbeflächen. Neben solch sorgsam
umgestalteten Altbauten findet sich kühle
ultra-moderne Architektur wie zum Bei-
spiel das elegante würfelförmige Wohn-
haus rhein3, die etwas klotzig wirkende
Büroimmobilie The Bench oder das von
Microsoft-Manager Achim Berg als „inno-
vativstes Bürogebäude Deutschlands“
gepriesene RheinArtOffice, das Microsoft
beherbergt.
Der Kontrast von Alt und Neu verstärkt
die Wirkung der einzelnen Gebäude
zumeist noch – zumal der Bestand nicht
von den neuen Bauten erdrückt wird, die
sie in der Höhe kaum überragen. Eine
Ausnahme bezüglich der Höhe bilden die
AIZ | Das Immobilienmagazin 3/2011 55
Der Düsseldorfer Medienhafen mit seiner architektonischen Vielfalt, aus der insbesondere das „Colorium“ hervorsticht.
Foto:©DüsseldorfMarketing&TourismusGmbH
Foto:©DüsseldorfMarketing&TourismusGmbH
Frank O. Gehry's „Tanzende Bürotürme“ haben sich über den MedienHafen hinaus zu dem Wahrzeichen für ganz Düsseldorf entwickelt.
56 AIZ | Das Immobilienmagazin 3/2011
Die drei jeweils 61 Meter hohen Kranhäuser bilden einen modernen Kontrast zum Kölner Dom.
Foto:PaulodosSantos
drei jeweils 61 Meter hohen Kranhäuser,
die nach einem Entwurf von Hadi Tehe-
rani gebaut wurden. Ihre Gestalt soll an
die historische Nutzung des Areals als
Güterumschlagplatz erinnern. Sie sind
nicht nur Aushängeschild des Quartiers,
sondern haben sich schnell zu einem
Wahrzeichen für das moderne Köln ent-
wickelt und das Projekt Rheinauhafen
weit über die Region und über Fachkrei-
se hinaus bekannt gemacht. Der Stadtteil
gilt als attraktives und exklusives Wohn-
viertel und erstklassiger Bürostandort
und das nicht zuletzt aufgrund der
anspruchsvollen, funktionalen und inno-
vativen Architektur. Die fertigen Büros
und Wohneinheiten sind komplett ver-
kauft oder vermietet. Wenn das schicke
und übrigens autofreie Viertel steril wirkt
und sich bislang noch nicht als lebendi-
ges Quartier präsentiert, wie bisweilen
moniert wird, dann dürfte das eher mit
Mängeln im Nutzungskonzept zusam-
menhängen als mit der Architektur. Oder
damit, dass die Halbinsel durch die breite
und viel befahrene Rheinuferstraße von
den Nachbarvierteln isoliert wird. Im gro-
ßen Ganzen ist das Ergebnis aber fraglos
eine Bereicherung für die Domstadt.
Das kalkulierte Wahrzeichen
Ob Kranhäuser oder Elbphilharmonie:
Die bewusste Schaffung architektoni-
scher Wahrzeichen wird immer selbst-
verständlicher – und sie funktioniert,
sofern ein paar wesentliche Faktoren
beachtet werden. Natürlich sollte ein
Gebäude, das einen Ort repräsentiert,
möglichst auch einen Bezug zu diesem
haben. Faktoren wie Lage, Höhe und
Sichtbarkeit, Symbolhaftigkeit, Einzigar-
tigkeit, individuelle Ästhetik und Form-
sprache tragen maßgeblich dazu bei,
welche Wirkung ein Bauwerk im städte-
baulichen Gesamtkontext entfaltet. Und
dann ist es natürlich noch eine Frage
des Marketings, wie weit ein Wahrzei-
chen zum Werbeträger für eine Stadt
wird. An den Waterfront-Projekten wird
besonders gut deutlich, wie sehr he-
rausragende zeitgenössische Architektur
die überregionale Wahrnehmung von
Großprojekten und letztlich der ganzen
Stadt beeinflussen kann.
Architektonische Wahrzeichen sind wich-
tige Aktivposten ihrer Städte und manch-
mal entpuppen sie sich als wahre Marke-
ting-Wunder. Das von Frank O. Gehry ent-
worfene Guggenheim Museum in Bilbao
zeigt, wie ein einziges Bauwerk eine zu-
vor kaum beachtete Stadt weltbekannt
machen kann und auch, dass sich große
Kultur auszahlen kann. Hamburg spielt
zwar ohnehin in einer anderen Liga, für
die Elbphilharmonie wäre aber ein ähn-
lich starker Effekt wünschenswert: Als
Kulturmetropole könnte die Hansestadt
auf einen Schlag einen ganz anderen
Stellenwert bekommen und würde inter-
national erheblich an Profil und Renom-
mee gewinnen. Langfristig dürfte sich
dann niemand mehr über die Kosten auf-
regen.
Was für Hamburg gilt, trifft auch auf
andere Orte zu. Der Wert von Wahr-
zeichen geht weit über die Erschlie-
ßungs- und Baukosten und den reinen
Immobilienwert hinaus, weil sie eine
enorm positive Wirkung auf die Stadt-
entwicklung haben können. Obgleich
ihr Nutzen als wirtschaftlicher Faktor
nur schwer in Euro zu beziffern ist, sind
sie eindeutig eine wichtige und nach-
haltige Investition in die Zukunft ihrer
Stadt. Für die Bewohner aber sind sie
im besten Falle vor allem eines: ein
Stück Heimat, auf das man stolz sein
kann. Und das ist letzten Endes sowieso
nicht in Geld aufzuwiegen.
www.duesseldorf.de/medienhafen
www.hafencity.com
www.innenhafen.de
www.rheinauhafen-koeln.de
www.ueberseestadt-bremen.de

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Von Werten und Wahrzeichen: Architektur im Spannungsfeld zwischen Kultur und Kommerz

  • 1. AIZ | Das Immobilienmagazin 3/2011 51 Von Werten und Wahrzeichen Architektur im Spannungsfeld zwischen Kultur und Kommerz Ob Eiffelturm, Empire State Building, Big Ben oder Reichstag – ein Blick genügt und wir wissen, um welche Stadt es geht. Wahrzeichen bieten einen Blickfang und steigern den Wiedererkennungswert eines Ortes, sie stärken seine Identität, wecken Assoziationen und können ihm Flair und Attraktivität verleihen. Kurz- um: Wahrzeichen können Städte immens aufwerten und so Menschen anziehen. Das Bewusstsein dafür ist gestiegen und so wird die Schaffung neuer Wahr- zeichen heutzutage mehr denn je als Wirtschaftsfaktor und als Marketing- instrument in der Städteplanung einge- setzt. Das deutlichste Beispiel dafür ist natürlich Dubai, wo der Bau von archi- tektonischen Wahrzeichen in großem Maßstab aktiv vorangetrieben wird. Erkennbar ist dieser Trend aber auch in deutschen Städten, wo nicht nur ein- zelne Gebäude für Aufmerksamkeit sor- gen, sondern ganze Stadtteile am Reiß- brett entworfen beziehungsweise umge- staltet werden, die durch herausragen- de Bauwerke ein stärkeres Profil erhal- ten sollen. Doch wie weit lässt sich die Schaffung eines Wahrzeichens tatsächlich planen? Wie weit lässt sich vorherbestimmen, ob ein Gebäude oder eine Konstruktion von der Bevölkerung als „ihres“ ange- nommen wird, zum Sinnbild und Kenn- zeichen eines Ortes wird? Einige der heute weltweit berühmtesten und be- liebtesten Bauten wurden zunächst ab- gelehnt und verspottet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hätte wohl kein Fran- zose gedacht, dass der Eiffelturm einmal zu einem Symbol für ganz Frankreich werden würde. Den Parisern galt er als Schandfleck, den sie als „tragische Stra- ßenlaterne“ bezeichneten. Dabei besaß er von Anfang an Eigenschaften, die ihm gute Chancen boten, zum Wahrzeichen zu werden: Er fiel durch seine unge- wöhnliche Architektur auf und war weit- hin sichtbar. Aber diese zwei Faktoren allein sagen noch nicht viel aus über die besondere Qualität und den kulturellen und wirtschaftlichen Wert eines Wahr- zeichens für seine Umgebung. Was also müssen Stadtplaner, Projektentwickler Von Bettina Mundt, freie Journalistin Visualisierung:Herzog&deMeuron
  • 2. 52 AIZ | Das Immobilienmagazin 3/2011 ARCHITEKTUR-LEUCHTTURM und Architekten heutzutage beachten, wenn sie den städtischen Raum durch moderne Wahrzeichen attraktiver gestal- ten wollen? Beispiel Elbphilharmonie Das Projekt der Hamburger Elbphilhar- monie ist in vieler Hinsicht exempla- risch dafür, welch besonderen Wert ein einzelnes Gebäude für ein Viertel und eine ganze Stadt haben kann und wel- che Faktoren dabei eine Rolle spielen. Zunächst einmal kann die Hansestadt ein solches Wahrzeichen gut brauchen. Ham- burg ist eine Kulturmetropole mit fast zwei Millionen Einwohnern, gehört zu den ertragreichsten Wirtschaftsregionen Europas und besitzt einen der bedeu- tendsten Seehäfen der Welt – und die Stadt ist auf Wachstumskurs. Sie hat viel zu bieten und besitzt doch kein einziges ikonisches Bauwerk, das sie international repräsentiert und das als Leuchtturm für ihre vielen Vorzüge wirken kann. Die Speicherstadt oder der Michel reichen da bei weitem nicht hin, so lieb sie den Ham- burgern auch sein mögen. Was die Sagra- da Familia für Barcelona oder die Oper für Sydney ist, das könnte die Elbphilhar- monie für Hamburg werden. Der Stararchitekt als Zugpferd Große, prestigeträchtige Bauvorhaben sind heutzutage nicht ohne Grund oft mit berühmten Namen wie Liebeskind, Foster, Hadid, Koolhaas oder Gehry ver- bunden. Wo viel auf dem Spiel steht, sollen sie den Erfolg garantieren. Der Name an sich ist schon ein Marketing- faktor und zieht Investoren an. Vor allem aber haben Stararchitekten Erfah- rung in der Planung und Verwirk- lichung einzigartiger und herausragen- der Bauten. Das Schweizer Architektur- büro Herzog & de Meuron, das vor allem für das so genannte „Vogelnest“ in Peking bekannt ist, hat vor der Elbphil- harmonie bereits zahlreiche visionäre Projekte erfolgreich verwirklicht, da- runter die Tate Gallery of Modern Art in London, die Allianz-Arena und auch die Einkaufspassage Fünf Höfe in München – die gute Vermietbarkeit der Gewerbe- flächen dort ist sicherlich nicht nur auf die Lage, sondern auch auf die außergewöhnliche Architektur zurück- zuführen. Mit der Elbphilharmonie haben sie ein Gebäude entworfen, das in seiner ein- zigartigen Ästhetik und Symbolkraft den großen architektonischen Wahrzeichen dieser Welt in nichts nachsteht: Das Bild des Gebäudekomplexes in Schiffsform, des weithin sichtbaren, leuchtenden Glaskörpers auf dem Rumpf des alten Kaispeichers inmitten der Hafenland- schaft dürfte kaum zu überbieten sein – vorausgesetzt, dass das Erscheinungs- bild den Erwartungen dann auch tat- sächlich entspricht. Der Bau würdigt die Hafentradition Hamburgs, und weil die Hanseaten ihren Hafen lieben und er ein untrennbarer Teil der Identität Ham- burgs ist, dürfte es ihnen nicht schwer- fallen, sich mit dem neuen Bauwerk zu identifizieren. Auch deshalb stehen die Chancen gut, dass sie die Elbphilharmo- nie nach ihrer Fertigstellung als neues Wahrzeichen ins Herz schließen werden – trotz aller Querelen um die Kosten- explosion beim Bau. Werte & Kosten Denn keine Frage, die Kosten sind völlig aus dem Ruder gelaufen. Ursprünglich sollte die Elbphilharmonie 186 Millio- nen Euro kosten, inzwischen ist gar von über einer halben Milliarde die Rede! Daran zeigt sich, wie Planungsfehler, Fehlmanagement und Unwägbarkeiten bei komplizierten Großprojekten eine verheerende Durchschlagskraft entfal- ten können. Kann denn ein Wahrzeichen so viel wert sein, fragen sich die Hamburger da mit Recht. Wie soll sich eine solche Summe rechnen? Durch die Einspielergebnisse bestimmt nicht, so viel ist sicher. Trotz- dem hängt der Erfolg des Wahrzeichens Elbphilharmonie mit vom Konzertbe- trieb ab, denn wird die renommierte Schale nicht mit angemessen hochkarä- tiger Musik gefüllt, verliert sie an Presti- ge. Der Erfolg des Konzerthauses wiede- rum hängt vor allem vom Management Der elegante Luxuswohnturm Marco-Polo-Tower schraubt sich 17 Stockwerke hoch in den Hamburger Himmel. Das Sumatrakontor umfasst 17.800 m2 Bürofläche, 4.744 m2 Ladenflächen und 81 Wohnungen inmitten des Hamburger Überseequartiers. Foto:©MarcoPoloTowerGmbH&Co.KG Illustration:TMWPramericaPropertyInvestmentGmbH
  • 3. der Betreiber und deren finanziellen Ressourcen ab. Ob die Handelsstadt hier Mut und Großzügigkeit beweist, wird sich noch zeigen. Flaggschiff der HafenCity Für die HafenCity ist die Elbphilharmonie schon jetzt ein schlagkräftiges Flaggschiff, das mediale Aufmerksamkeit auf den wachsenden Stadtteil lenkt. Umgekehrt schließt jeder Bericht über die HafenCity die Elbphilharmonie ein – ein Verhältnis zu beiderseitigem Nutzen also. Und das Interesse könnte kaum größer sein. Aller- ortens wurde bereits darüber berichtet, lokal wie international, von der Badi- schen Zeitung bis zu CNN. Schon jetzt zieht es Scharen von Einheimischen und Touristen in den neuen Stadtteil an der Waterkant, der sich nicht hinter seinem Aushängeschild zu verstecken braucht. Das größte städtebauliche Projekt Euro- pas setzt international neue Maßstäbe: Die Innenstadt wird auf einen Schlag um 40 Prozent erweitert, ihr Wohnraum wächst um ganze 80 Prozent. Rund 12.000 Menschen soll sie einst ein Zu- hause sein, Platz für 40.000 Arbeitsplätze bieten, bis zu 70.000 Besucher pro Tag empfangen. Die Entwickler setzen auf eine feinkörnige Nutzungsmischung aus innerstädtischem Wohnen, Büro, Einzel- handel, Freizeit und Kultur, auf maritimes Ambiente und urbanes Flair, auf Nachhal- tigkeit – und auf hochwertige, vielfältige und zum Teil herausragende Architektur. Klotzen statt kleckern: Architektur in der HafenCity National und international führende Architekten haben die HafenCity mit- gestaltet und sich kreativ ausgetobt. Hingucker gibt es viele, doch ragen aus der Menge ungewöhnlicher und mar- kanter Bauten einige hervor, die das Profil des Stadtteils besonders schärfen und womöglich das Zeug zum Wahrzei- chen haben. Das Spiegel-Verlagshaus des dänischen Stararchitekten Henning Larsen zum Beispiel, das an der Ericus- spitze als gläserner Bau auf einem Back- steinsockel einen Bezug zur Elbphil- harmonie bildet. Oder der elegante Luxuswohnturm Marco-Polo-Tower von Behnisch Architekten, der sich am Strandkai 17 Stockwerke hoch in den Himmel schraubt und großartige Aus- blicke auf den Hafen und Hamburg freigibt: auf das Rathaus, den Michel, die Elbphilharmonie und bald auch auf das Kreuzfahrtterminal des italieni- schen Architekten Massimiliano Fuksas, mit dessen Bau in diesem Jahr begon- nen wird. Nicht weit davon entfernt soll am Elbufer das von Rem Koolhaas ent- worfene Science Center entstehen, das wie ein stehender Ring geformt ist und schon im Vorfeld große Begeiste- rung auslöst. Seine Verwirklichung ist allerdings aufgrund fehlender Mittel verschoben worden, man kann nur hof- fen, dass sich noch Geldgeber dafür fin- den. Mieten & Marketing Man stelle sich die HafenCity einmal ohne diese Architektur und ohne die Elbphilharmonie vor. Angesichts des weiterhin steigenden Wohnraumbedarfs in Hamburg, der zentralen Lage am Was- ser, guter verkehrstechnischer Anbin- dung und mit einem überzeugenden Nutzungskonzept dürften Wohnungen sich dort trotzdem wie warme Semmeln verkaufen. Zudem ist Hamburg bundes- weit der derzeit attraktivste Standort für Gewerbeimmobilien. Was könnte also schiefgehen? Die Leuchtturmprojekte und all die im- posante Architektur sind zwar tatsäch- lich nicht nötig, um dem Viertel Attrak- tivität zu verleihen, aber sie erhöhen sie allemal. Wer für eine Penthousewoh- nung im Marco-Polo-Tower 11.000 Euro pro Quadratmeter hinblättert, der zahlt auch für seine besondere Architektur und die Architektur ringsum. Landmar- ken stellen Werte dar, sie bieten Orien- tierung und vermitteln Sicherheit – und das schlägt sich im Preis nieder. Dass rund 1500 Bewohner schon im Westteil der HafenCity leben und Miet- preise von durchschnittlich 17 Euro pro Quadratmeter zahlen, während ein Großteil des Areals noch eine Baustelle ist, zeigt, dass die HafenCity Hamburg GmbH die Vision vom Wohnen am Was- ser erfolgreich vermitteln konnte. Die AIZ | Das Immobilienmagazin 3/2011 53 Die Verwirklichung des von Rem Koolhaas entworfenen Science Center ist aufgrund fehlender Mittel bis auf Weiteres verschoben worden. Erfolgreich umgesetzt wurde hingegen die Vision Wohnen und Leben am Wasser – wie hier am Vasco-da-Gama-Platz. Illustration:Gärtner&Christ;HafenCityGmbH Foto:ELBE&FLUT;HafenCityGmbH
  • 4. Menschen sehen nicht die Mängel, son- dern das Potenzial, verfolgen gespannt die Entwicklung und freuen sich auf das Ergebnis. Dass die HafenCity trotz man- cher Kritik und der Auseinandersetzung um die Elbphilharmonie nicht nur bei ihren Bewohnern, sondern weithin auf ein starkes positives Interesse stößt, ist eindeutig der Kommunikationsstrategie der HafenCity GmbH geschuldet. Sie hat frühzeitig ein Bewusstsein für das Areal geschaffen, das wegen seiner Hafennutzung vorher kaum wahrge- nommen wurde. Bereits Ende 2000 ent- stand im Kesselhaus der Speicherstadt ein Informationszentrum, das inzwi- schen über 1000 Führungen und Vorträ- ge im Jahr veranstaltet. Auch konnte sie das Produkt HafenCity positiv mit Emo- tionen besetzen und dabei lokale Iden- titäten einbinden, etwa über Namens- gebungen, die Assoziationen wecken und auf die Hafentradition verweisen, wie Magellan-Terrassen, Kaffeeplatz, Sumatra- kontor, Überseeboulevard oder Vasco-da- Gama-Platz. Und natürlich hat sie die HafenCity über die vielen großartigen Gebäude und insbesondere die Elbphil- harmonie wirksam vermarktet und tut dies noch immer. Eine umfassende multi-mediale Informationspolitik trägt die Botschaft in die Welt hinaus – denn mit ihrem Marketingmix wendet sich die HafenCity GmbH nicht vorrangig an Investoren oder die Fachöffentlichkeit, sondern vor allem an potenzielle Nut- zer. Für ihre Strategie wurde sie 2009 mit dem Immobilienmarken-Preis 2009 in der Kategorie „Bestes Marketing einer Wirtschaftsregion“ ausgezeichnet. Erfolgskonzept Hafen Auch an anderen Orten hat man längst das Potenzial brachliegender Hafenräume nahe der Innenstadt erkannt. „Waterfront- Projekte“, wie es auf gut Denglisch heißt, erstrecken sich von Köln über Düsseldorf und Duisburg bis nach Bremen. Ähnlich wie in Hamburg gibt es im Kölner Rhein- auhafen und im Düsseldorfer Medien Hafen einzelne außergewöhnliche Ge- bäude, die werbewirksam eingesetzt werden – sicherlich mit ein Grund dafür, dass beide Häfen überregional bekannter sind als die Überseestadt in Bremen oder der Duisburger Innenhafen. Der Duisburger Innenhafen und das Eurogate Dabei stammt der Masterplan für den Duisburger Innenhafen vom britischen Stararchitekten Norman Foster, der einen spektakulären sichelförmigen Gebäudekomplex als dessen Herzstück vorsah. Heute ist das so genannte Euro- gate das letzte nicht fertiggestellte Ge- bäude des Areals, welches immerhin mehrere Bauprojekte international be- kannter Architekten umfasst: das nach Entwürfen von Herzog & de Meuron umgebaute und derzeit erweiterte Museum Küppersmühle zum Beispiel, das imposante Bürogebäude Five Boats des britischen Stardesigners Nicholas Grimshaw, oder auch das H2-Office des Hamburger Architekturbüros Bothe Richter Teherani. Die Umgestaltung des Innenhafens gilt als rundum gelungen, das vormals industrielle Areal hat sich zu einem lebendigen Stadtteil entwickelt. Trotzdem wurde im Vergleich zu anderen städtebaulichen Großprojekten eher wenig darüber berichtet, in tourismus- relevanten und internationalen Medien so gut wie gar nicht. Wahrscheinlich wäre das Eurogate mit seiner dynamischen Form ein gutes Zugpferd gewesen, doch diese Möglichkeit ist jetzt vertan. Ein modernes Wahrzeichen für Duisburg kann es mit einiger Verspätung allerdings immer noch werden. Im Schatten Hamburgs: Die Über- seestadt in Bremen Man ist gewohnt, dass Bremen im Schat- ten von Hamburg steht, aber es ist doch erstaunlich, dass sich die Überseestadt seit Jahren nahezu unbemerkt von der breiten bundesweiten Öffentlichkeit entwickelt und das, obwohl sie ein dop- pelt so großes Areal wie die HafenCity umfasst. Das neue Stadtquartier ähnelt den anderen Projekten in vielem und besitzt auch interessante und sehr ge- lungene Neubauten, darunter gibt es jedoch kaum spektakuläre Gebäude. Der 20-geschossige Landmark Tower des Bremer Büros Hilmes Lamprecht und der 22-geschossige Weser Tower von Stararchitekt Helmut Jahn, der nachts so schön leuchtet, sind beide wohl schon durch ihre Größe zu Land- marken vorbestimmt – aber mit Bau- werken wie dem Marco-Polo-Tower oder gar der Elbphilharmonie sind sie kaum zu vergleichen. 54 AIZ | Das Immobilienmagazin 3/2011 ARCHITEKTUR-LEUCHTTURM Das imposante Bürogebäude Five Boats im Duisburger Innenhafen stammt vom britischen Stardesigner Nicholas Grimshaw. Foto:©KölblKruseGmbH
  • 5. Die Rivalen am Rhein: Tanzende Türme und Kranhäuser Die neuen Quartiere in Köln und in Düsseldorf besitzen da schon ein stärke- res Profil. Frank O. Gehry’s „Tanzende Bürotürme“ haben sich über den MedienHafen hinaus zu dem Wahrzei- chen für ganz Düsseldorf entwickelt. Der Name „MedienHafen“ verstärkt Düsseldorfs kreatives Image – obwohl sich dort nur Anfang der 90er Jahre vor allem Medienunternehmen nieder- ließen und die Bezeichnung so nicht mehr zutrifft. Heute siedeln dort Unter- nehmen aus vielen Bereichen, auch ver- stärkt aus der Modebranche. Im Ver- gleich zu anderen Waterfront-Projekten ist der MedienHafen bislang eher spär- lich bewohnt und wird vorrangig indus- triell und gewerblich genutzt – 76 Pro- zent aller Düsseldorfer Firmen sind hier ansässig. Künftig soll hier aber mehr und vor allem exklusiver Wohnraum geschaffen werden, denn die Landes- hauptstadt wächst und wächst. Den Auf- takt dazu bilden zwei Wohntürme mit dem Spitznamen „Königskinder“, die Lofts, exklusive Apartments und Mai- sonette-Wohnungen direkt am Wasser bieten. Die Hafenarchitektur ist sehr abwechs- lungsreich und individuell, es gibt eine Reihe auffälliger und innovativer Neu- bauten, darunter das Capricorn Haus des Kölner Architekturbüros Gatermann + Schossig, das durch die lange gewun- dene Form und rot beschichtete Glas- paneele hervorsticht, oder das vom Briten William Alsop entworfene Colo- rium, ein 62 Meter hohes farbenfrohes Bürohaus mit einem roten Dachge- schoss, das über die Fassade hinausragt. Das Wahrzeichen der tanzenden Türme passt vollauf zu dieser spielerischen, dabei aber anspruchsvollen und funk- tionalen Architektur, die positiv zum Image des Quartiers und von ganz Düs- seldorf als Stadt der Mode, Werbung und Kunst beiträgt. In Köln wurde mit der Erschließung des Rheinauhafens zwar erst 2002 begonnen, er soll aber bereits dieses Jahr fertigge- stellt werden. Seine Silhouette wird von einer Mischung aus Alt und Neu be- stimmt. Unter den restaurierten Bauten ist das Erscheinungsbild des Danziger Lagerhauses besonders stadtbildprägend: Der ehemalige Kornspeicher ist das längs- te Gebäude im neuen „Kölsche Veedel“ und wird wegen seiner vielen spitzen Giebel gemeinhin nur als „Siebenge- birge“ bezeichnet. Direkt daneben fällt das ebenfalls denkmalgeschützte Silo 23 auf, ein voluminöses, turmartiges Bau- werk mit Zeltdach, roter Fassadenfarbe und neu eingefügten Fensterflächen. Während das Silo zum Bürogebäude umgenutzt wurde, umfasst das Siebenge- birge Wohnraum und im Erdgeschoss Gewerbeflächen. Neben solch sorgsam umgestalteten Altbauten findet sich kühle ultra-moderne Architektur wie zum Bei- spiel das elegante würfelförmige Wohn- haus rhein3, die etwas klotzig wirkende Büroimmobilie The Bench oder das von Microsoft-Manager Achim Berg als „inno- vativstes Bürogebäude Deutschlands“ gepriesene RheinArtOffice, das Microsoft beherbergt. Der Kontrast von Alt und Neu verstärkt die Wirkung der einzelnen Gebäude zumeist noch – zumal der Bestand nicht von den neuen Bauten erdrückt wird, die sie in der Höhe kaum überragen. Eine Ausnahme bezüglich der Höhe bilden die AIZ | Das Immobilienmagazin 3/2011 55 Der Düsseldorfer Medienhafen mit seiner architektonischen Vielfalt, aus der insbesondere das „Colorium“ hervorsticht. Foto:©DüsseldorfMarketing&TourismusGmbH Foto:©DüsseldorfMarketing&TourismusGmbH Frank O. Gehry's „Tanzende Bürotürme“ haben sich über den MedienHafen hinaus zu dem Wahrzeichen für ganz Düsseldorf entwickelt.
  • 6. 56 AIZ | Das Immobilienmagazin 3/2011 Die drei jeweils 61 Meter hohen Kranhäuser bilden einen modernen Kontrast zum Kölner Dom. Foto:PaulodosSantos drei jeweils 61 Meter hohen Kranhäuser, die nach einem Entwurf von Hadi Tehe- rani gebaut wurden. Ihre Gestalt soll an die historische Nutzung des Areals als Güterumschlagplatz erinnern. Sie sind nicht nur Aushängeschild des Quartiers, sondern haben sich schnell zu einem Wahrzeichen für das moderne Köln ent- wickelt und das Projekt Rheinauhafen weit über die Region und über Fachkrei- se hinaus bekannt gemacht. Der Stadtteil gilt als attraktives und exklusives Wohn- viertel und erstklassiger Bürostandort und das nicht zuletzt aufgrund der anspruchsvollen, funktionalen und inno- vativen Architektur. Die fertigen Büros und Wohneinheiten sind komplett ver- kauft oder vermietet. Wenn das schicke und übrigens autofreie Viertel steril wirkt und sich bislang noch nicht als lebendi- ges Quartier präsentiert, wie bisweilen moniert wird, dann dürfte das eher mit Mängeln im Nutzungskonzept zusam- menhängen als mit der Architektur. Oder damit, dass die Halbinsel durch die breite und viel befahrene Rheinuferstraße von den Nachbarvierteln isoliert wird. Im gro- ßen Ganzen ist das Ergebnis aber fraglos eine Bereicherung für die Domstadt. Das kalkulierte Wahrzeichen Ob Kranhäuser oder Elbphilharmonie: Die bewusste Schaffung architektoni- scher Wahrzeichen wird immer selbst- verständlicher – und sie funktioniert, sofern ein paar wesentliche Faktoren beachtet werden. Natürlich sollte ein Gebäude, das einen Ort repräsentiert, möglichst auch einen Bezug zu diesem haben. Faktoren wie Lage, Höhe und Sichtbarkeit, Symbolhaftigkeit, Einzigar- tigkeit, individuelle Ästhetik und Form- sprache tragen maßgeblich dazu bei, welche Wirkung ein Bauwerk im städte- baulichen Gesamtkontext entfaltet. Und dann ist es natürlich noch eine Frage des Marketings, wie weit ein Wahrzei- chen zum Werbeträger für eine Stadt wird. An den Waterfront-Projekten wird besonders gut deutlich, wie sehr he- rausragende zeitgenössische Architektur die überregionale Wahrnehmung von Großprojekten und letztlich der ganzen Stadt beeinflussen kann. Architektonische Wahrzeichen sind wich- tige Aktivposten ihrer Städte und manch- mal entpuppen sie sich als wahre Marke- ting-Wunder. Das von Frank O. Gehry ent- worfene Guggenheim Museum in Bilbao zeigt, wie ein einziges Bauwerk eine zu- vor kaum beachtete Stadt weltbekannt machen kann und auch, dass sich große Kultur auszahlen kann. Hamburg spielt zwar ohnehin in einer anderen Liga, für die Elbphilharmonie wäre aber ein ähn- lich starker Effekt wünschenswert: Als Kulturmetropole könnte die Hansestadt auf einen Schlag einen ganz anderen Stellenwert bekommen und würde inter- national erheblich an Profil und Renom- mee gewinnen. Langfristig dürfte sich dann niemand mehr über die Kosten auf- regen. Was für Hamburg gilt, trifft auch auf andere Orte zu. Der Wert von Wahr- zeichen geht weit über die Erschlie- ßungs- und Baukosten und den reinen Immobilienwert hinaus, weil sie eine enorm positive Wirkung auf die Stadt- entwicklung haben können. Obgleich ihr Nutzen als wirtschaftlicher Faktor nur schwer in Euro zu beziffern ist, sind sie eindeutig eine wichtige und nach- haltige Investition in die Zukunft ihrer Stadt. Für die Bewohner aber sind sie im besten Falle vor allem eines: ein Stück Heimat, auf das man stolz sein kann. Und das ist letzten Endes sowieso nicht in Geld aufzuwiegen. www.duesseldorf.de/medienhafen www.hafencity.com www.innenhafen.de www.rheinauhafen-koeln.de www.ueberseestadt-bremen.de