Wahrzeichen können Städte immens aufwerten und so Menschen anziehen. Das Bewusstsein dafür ist gestiegen und so wird die Schaffung neuer Wahrzeichen heutzutage mehr denn je als Wirtschaftsfaktor und als Marketinginstrument in der Städteplanung eingesetzt.
Von Werten und Wahrzeichen: Architektur im Spannungsfeld zwischen Kultur und Kommerz
1. AIZ | Das Immobilienmagazin 3/2011 51
Von Werten und Wahrzeichen
Architektur im Spannungsfeld zwischen Kultur und Kommerz
Ob Eiffelturm, Empire State Building, Big
Ben oder Reichstag – ein Blick genügt
und wir wissen, um welche Stadt es geht.
Wahrzeichen bieten einen Blickfang und
steigern den Wiedererkennungswert
eines Ortes, sie stärken seine Identität,
wecken Assoziationen und können ihm
Flair und Attraktivität verleihen. Kurz-
um: Wahrzeichen können Städte immens
aufwerten und so Menschen anziehen.
Das Bewusstsein dafür ist gestiegen und
so wird die Schaffung neuer Wahr-
zeichen heutzutage mehr denn je als
Wirtschaftsfaktor und als Marketing-
instrument in der Städteplanung einge-
setzt. Das deutlichste Beispiel dafür ist
natürlich Dubai, wo der Bau von archi-
tektonischen Wahrzeichen in großem
Maßstab aktiv vorangetrieben wird.
Erkennbar ist dieser Trend aber auch
in deutschen Städten, wo nicht nur ein-
zelne Gebäude für Aufmerksamkeit sor-
gen, sondern ganze Stadtteile am Reiß-
brett entworfen beziehungsweise umge-
staltet werden, die durch herausragen-
de Bauwerke ein stärkeres Profil erhal-
ten sollen.
Doch wie weit lässt sich die Schaffung
eines Wahrzeichens tatsächlich planen?
Wie weit lässt sich vorherbestimmen, ob
ein Gebäude oder eine Konstruktion
von der Bevölkerung als „ihres“ ange-
nommen wird, zum Sinnbild und Kenn-
zeichen eines Ortes wird? Einige der
heute weltweit berühmtesten und be-
liebtesten Bauten wurden zunächst ab-
gelehnt und verspottet. Zu Beginn des
20. Jahrhunderts hätte wohl kein Fran-
zose gedacht, dass der Eiffelturm einmal
zu einem Symbol für ganz Frankreich
werden würde. Den Parisern galt er als
Schandfleck, den sie als „tragische Stra-
ßenlaterne“ bezeichneten. Dabei besaß
er von Anfang an Eigenschaften, die ihm
gute Chancen boten, zum Wahrzeichen
zu werden: Er fiel durch seine unge-
wöhnliche Architektur auf und war weit-
hin sichtbar. Aber diese zwei Faktoren
allein sagen noch nicht viel aus über die
besondere Qualität und den kulturellen
und wirtschaftlichen Wert eines Wahr-
zeichens für seine Umgebung. Was also
müssen Stadtplaner, Projektentwickler
Von Bettina Mundt, freie Journalistin
Visualisierung:Herzog&deMeuron
3. der Betreiber und deren finanziellen
Ressourcen ab. Ob die Handelsstadt hier
Mut und Großzügigkeit beweist, wird
sich noch zeigen.
Flaggschiff der HafenCity
Für die HafenCity ist die Elbphilharmonie
schon jetzt ein schlagkräftiges Flaggschiff,
das mediale Aufmerksamkeit auf den
wachsenden Stadtteil lenkt. Umgekehrt
schließt jeder Bericht über die HafenCity
die Elbphilharmonie ein – ein Verhältnis
zu beiderseitigem Nutzen also. Und das
Interesse könnte kaum größer sein. Aller-
ortens wurde bereits darüber berichtet,
lokal wie international, von der Badi-
schen Zeitung bis zu CNN. Schon jetzt
zieht es Scharen von Einheimischen und
Touristen in den neuen Stadtteil an der
Waterkant, der sich nicht hinter seinem
Aushängeschild zu verstecken braucht.
Das größte städtebauliche Projekt Euro-
pas setzt international neue Maßstäbe:
Die Innenstadt wird auf einen Schlag um
40 Prozent erweitert, ihr Wohnraum
wächst um ganze 80 Prozent. Rund
12.000 Menschen soll sie einst ein Zu-
hause sein, Platz für 40.000 Arbeitsplätze
bieten, bis zu 70.000 Besucher pro Tag
empfangen. Die Entwickler setzen auf
eine feinkörnige Nutzungsmischung aus
innerstädtischem Wohnen, Büro, Einzel-
handel, Freizeit und Kultur, auf maritimes
Ambiente und urbanes Flair, auf Nachhal-
tigkeit – und auf hochwertige, vielfältige
und zum Teil herausragende Architektur.
Klotzen statt kleckern: Architektur
in der HafenCity
National und international führende
Architekten haben die HafenCity mit-
gestaltet und sich kreativ ausgetobt.
Hingucker gibt es viele, doch ragen aus
der Menge ungewöhnlicher und mar-
kanter Bauten einige hervor, die das
Profil des Stadtteils besonders schärfen
und womöglich das Zeug zum Wahrzei-
chen haben. Das Spiegel-Verlagshaus
des dänischen Stararchitekten Henning
Larsen zum Beispiel, das an der Ericus-
spitze als gläserner Bau auf einem Back-
steinsockel einen Bezug zur Elbphil-
harmonie bildet. Oder der elegante
Luxuswohnturm Marco-Polo-Tower von
Behnisch Architekten, der sich am
Strandkai 17 Stockwerke hoch in den
Himmel schraubt und großartige Aus-
blicke auf den Hafen und Hamburg
freigibt: auf das Rathaus, den Michel,
die Elbphilharmonie und bald auch auf
das Kreuzfahrtterminal des italieni-
schen Architekten Massimiliano Fuksas,
mit dessen Bau in diesem Jahr begon-
nen wird. Nicht weit davon entfernt soll
am Elbufer das von Rem Koolhaas ent-
worfene Science Center entstehen, das
wie ein stehender Ring geformt ist
und schon im Vorfeld große Begeiste-
rung auslöst. Seine Verwirklichung ist
allerdings aufgrund fehlender Mittel
verschoben worden, man kann nur hof-
fen, dass sich noch Geldgeber dafür fin-
den.
Mieten & Marketing
Man stelle sich die HafenCity einmal
ohne diese Architektur und ohne die
Elbphilharmonie vor. Angesichts des
weiterhin steigenden Wohnraumbedarfs
in Hamburg, der zentralen Lage am Was-
ser, guter verkehrstechnischer Anbin-
dung und mit einem überzeugenden
Nutzungskonzept dürften Wohnungen
sich dort trotzdem wie warme Semmeln
verkaufen. Zudem ist Hamburg bundes-
weit der derzeit attraktivste Standort für
Gewerbeimmobilien. Was könnte also
schiefgehen?
Die Leuchtturmprojekte und all die im-
posante Architektur sind zwar tatsäch-
lich nicht nötig, um dem Viertel Attrak-
tivität zu verleihen, aber sie erhöhen sie
allemal. Wer für eine Penthousewoh-
nung im Marco-Polo-Tower 11.000 Euro
pro Quadratmeter hinblättert, der zahlt
auch für seine besondere Architektur
und die Architektur ringsum. Landmar-
ken stellen Werte dar, sie bieten Orien-
tierung und vermitteln Sicherheit – und
das schlägt sich im Preis nieder.
Dass rund 1500 Bewohner schon im
Westteil der HafenCity leben und Miet-
preise von durchschnittlich 17 Euro pro
Quadratmeter zahlen, während ein
Großteil des Areals noch eine Baustelle
ist, zeigt, dass die HafenCity Hamburg
GmbH die Vision vom Wohnen am Was-
ser erfolgreich vermitteln konnte. Die
AIZ | Das Immobilienmagazin 3/2011 53
Die Verwirklichung des von Rem Koolhaas entworfenen Science Center ist aufgrund fehlender
Mittel bis auf Weiteres verschoben worden.
Erfolgreich umgesetzt wurde hingegen die Vision Wohnen und Leben am Wasser – wie hier am
Vasco-da-Gama-Platz.
Illustration:Gärtner&Christ;HafenCityGmbH
Foto:ELBE&FLUT;HafenCityGmbH
6. 56 AIZ | Das Immobilienmagazin 3/2011
Die drei jeweils 61 Meter hohen Kranhäuser bilden einen modernen Kontrast zum Kölner Dom.
Foto:PaulodosSantos
drei jeweils 61 Meter hohen Kranhäuser,
die nach einem Entwurf von Hadi Tehe-
rani gebaut wurden. Ihre Gestalt soll an
die historische Nutzung des Areals als
Güterumschlagplatz erinnern. Sie sind
nicht nur Aushängeschild des Quartiers,
sondern haben sich schnell zu einem
Wahrzeichen für das moderne Köln ent-
wickelt und das Projekt Rheinauhafen
weit über die Region und über Fachkrei-
se hinaus bekannt gemacht. Der Stadtteil
gilt als attraktives und exklusives Wohn-
viertel und erstklassiger Bürostandort
und das nicht zuletzt aufgrund der
anspruchsvollen, funktionalen und inno-
vativen Architektur. Die fertigen Büros
und Wohneinheiten sind komplett ver-
kauft oder vermietet. Wenn das schicke
und übrigens autofreie Viertel steril wirkt
und sich bislang noch nicht als lebendi-
ges Quartier präsentiert, wie bisweilen
moniert wird, dann dürfte das eher mit
Mängeln im Nutzungskonzept zusam-
menhängen als mit der Architektur. Oder
damit, dass die Halbinsel durch die breite
und viel befahrene Rheinuferstraße von
den Nachbarvierteln isoliert wird. Im gro-
ßen Ganzen ist das Ergebnis aber fraglos
eine Bereicherung für die Domstadt.
Das kalkulierte Wahrzeichen
Ob Kranhäuser oder Elbphilharmonie:
Die bewusste Schaffung architektoni-
scher Wahrzeichen wird immer selbst-
verständlicher – und sie funktioniert,
sofern ein paar wesentliche Faktoren
beachtet werden. Natürlich sollte ein
Gebäude, das einen Ort repräsentiert,
möglichst auch einen Bezug zu diesem
haben. Faktoren wie Lage, Höhe und
Sichtbarkeit, Symbolhaftigkeit, Einzigar-
tigkeit, individuelle Ästhetik und Form-
sprache tragen maßgeblich dazu bei,
welche Wirkung ein Bauwerk im städte-
baulichen Gesamtkontext entfaltet. Und
dann ist es natürlich noch eine Frage
des Marketings, wie weit ein Wahrzei-
chen zum Werbeträger für eine Stadt
wird. An den Waterfront-Projekten wird
besonders gut deutlich, wie sehr he-
rausragende zeitgenössische Architektur
die überregionale Wahrnehmung von
Großprojekten und letztlich der ganzen
Stadt beeinflussen kann.
Architektonische Wahrzeichen sind wich-
tige Aktivposten ihrer Städte und manch-
mal entpuppen sie sich als wahre Marke-
ting-Wunder. Das von Frank O. Gehry ent-
worfene Guggenheim Museum in Bilbao
zeigt, wie ein einziges Bauwerk eine zu-
vor kaum beachtete Stadt weltbekannt
machen kann und auch, dass sich große
Kultur auszahlen kann. Hamburg spielt
zwar ohnehin in einer anderen Liga, für
die Elbphilharmonie wäre aber ein ähn-
lich starker Effekt wünschenswert: Als
Kulturmetropole könnte die Hansestadt
auf einen Schlag einen ganz anderen
Stellenwert bekommen und würde inter-
national erheblich an Profil und Renom-
mee gewinnen. Langfristig dürfte sich
dann niemand mehr über die Kosten auf-
regen.
Was für Hamburg gilt, trifft auch auf
andere Orte zu. Der Wert von Wahr-
zeichen geht weit über die Erschlie-
ßungs- und Baukosten und den reinen
Immobilienwert hinaus, weil sie eine
enorm positive Wirkung auf die Stadt-
entwicklung haben können. Obgleich
ihr Nutzen als wirtschaftlicher Faktor
nur schwer in Euro zu beziffern ist, sind
sie eindeutig eine wichtige und nach-
haltige Investition in die Zukunft ihrer
Stadt. Für die Bewohner aber sind sie
im besten Falle vor allem eines: ein
Stück Heimat, auf das man stolz sein
kann. Und das ist letzten Endes sowieso
nicht in Geld aufzuwiegen.
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www.hafencity.com
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www.rheinauhafen-koeln.de
www.ueberseestadt-bremen.de