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Jahrg. 68 (2014) 4 1
Der perfekte
Look für LKWs
500 Farben und Losgröße eins für
Kunststoffanbauteile im Nutzfahrzeugbereich
Nutzfahrzeuge müssen heutzutage nicht mehr nur viel transportieren
und wenig Diesel verbrauchen. Sie sollen zudem auch eine makellose
und dem Image förderliche Optik aufweisen. Um diese Anforderungen
erfüllen zu können, arbeitet ein bekannter europäischer Nutzfahrzeug-
hersteller mit einer vollautomatisierten Kunststoffteilelackieranlage.
Noch vor 20 oder 30 Jahren stand Käufern
von Nutzfahrzeugen ab Werk nur eine mi-
nimalistische Farbauswahl zur Verfügung.
Sofern eine Sonderlackierung zum Beispiel
in den Flottenfarben gewünscht wurde, war
es üblich, den LKW nach der Auslieferung
zu zerlegen und von Hand neu zu lackieren.
„Nachdem der Trend zur individuellen La-
ckierung bei LKWs immer mehr zunahm,
haben wir kontinuierlich in unsere Farbpa-
lette investiert, denn eine Sonderlackierung
ab Werk spart dem Kunden Geld und bringt
Qualität“, spannt Henk Loijenga, Manager
des Lackierprozesses und der Wartung im
Scania-Werk Meppel, den Bogen in die Ge-
genwart. Und so wurden aus den anfäng-
lichen zwei Werksfarben Weiß und Papri-
karot bis heute 500 Farben, aus denen der
Kunde wählen kann. Eine logistische Mei-
▲
Sonderdruck
4/2014
April
68 Jahre Kompetenz
www.mo-oberflaeche.de
Die Verkleidungsteile eines
modernen LKWs unterscheiden
sich stark in Form und Größe.
Dementsprechend hoch sind die
Anforderungen an die Flexibilität
in der Lackiererei.
Bilder:Scania
Pro Lackierkabine arbeiten zwei Lackier-
roboter mit Hochrotationszerstäuber –
aber ohne Elektrostatik.
Jahrg. 68 (2014) 42
Veranstaltungmo
sterleistung, denn während das Fahrerhaus
aus Metall am Scania-Standort Oskarshamn
in Schweden mit Pulverlack beschichtet
wird, erfolgt die Beschichtung sämtlicher
Kunststoffanbauteile am Standort Meppel in
Holland. Dort fertigte und lackierte man seit
1964 zunächst ausschließlich Fahrerhäuser.
2002 wurde deren Fertigung in Oskarshamn
zentralisiert, der Standort Meppel geschlos-
sen und die Lackierung von Kunststoff-
anbauteilen zunächst im Lohn vergeben.
Doch recht bald wurde deutlich, dass es aus
Kosten- und Qualitätsgründen sinnvoll ist,
die Kunststofflackierung ins eigene Haus
zu holen. Daraufhin startete 2003 die Pla-
nungsphase und 2005 begann schließlich
die Umsetzung mit Dürr als Generalunter-
nehmer und einem Gesamtvolumen von 45
Millionen Euro. Vollständig einsatzbereit
war das Werk dann ab 2008.
45 Millionen Euro
Turn-Key-Projekt
Um sowohl der notwendigen Automa-
tisierung als auch anderen modernen
Prozesstechnologien gerecht werden zu
können, mussten die alten Werkshallen
weichen und ein Neubau für insgesamt
drei Lackierlinien wurde auf drei Ebenen
hochgezogen. Zwei Lackieranlagen sind
ausschließlich für die Fahrerhausteile im
Einsatz und eine gesonderte Linie mit re-
duzierter Kapazität übernimmt zu lackie-
rende Chassisteile aus Polypropylen. In
Meppel werden heute Fahrerhausteile für
alle in Europa täglich von Scania gefertig-
ten LKWs beschichtet – im Durchschnitt
etwa 235. Die Bauteile selbst sind in SMC-
oder IMC-Bauweise hergestellt und wer-
den vom Zulieferer fertig geprimert gelie-
fert. Prinzipiell verfügt jedes Fahrerhaus
über einen dreiteiligen Grill aus Metall,
außerdem die sogenannten Cab-Corners,
also die seitlichen Luftführungen, sowie
Windabweiser und Sonnenblenden aus
Kunststoff. 70 Prozent der Kunden ordern
außerdem zusätzlich einen Dachspoiler.
Dies sind zunächst zwar nur acht ver-
schiedeneBauteile–allerdingsgibteszahl-
reiche Varianten. So ist zum Beispiel bei
den Seitenschwellern die Grundform im-
mer gleich, aber es gibt verschiedene Bau-
formen,diesichinderLängeunterscheiden.
„Trotz der grundsätzlichen Ähnlichkeit
brauchen wir häufig für jede Variante
ein eigenes oder zumindest modifiziertes
Roboterprogramm“, erläutert Loijenga.
„Deshalb führen die vielen Varianten zu
einer hohen Komplexität.“ Um die Teile
für die Lackierung präzise und optimal
zu positionieren, stehen drei verschiedene
Skid-Typen zur Verfügung. Standard ist
das C-Skid, das den unteren, mittleren und
oberen Grill aufnehmen kann, außerdem
die Cab-Corners und die Sonnenblende.
Ist ein Dachspoiler gewünscht, kommt
ein gesondertes D-Skid hinzu. Soll der
Grill in einer anderen Farbe lackiert wer-
den – bei 70 Prozent der Bestellungen
ist es „Silver Brillant“ – wird noch das
M-Skid benötigt, das zwei große Grill-
elemente gleichzeitig aufnehmen kann.
Die zwei Hauptlackierlinien erstre-
cken sich bei einer Hallenhöhe von 15
Metern über drei Ebenen und arbeiten
zweischichtig mit einer Kapazität von
500 Skids pro Tag. Die Taktzeit beträgt
85 Sekunden. Wird ein Skid eingefördert,
erfolgt zunächst eine Reinigung in einer
Spritzdurchlaufanlage. Nach der Trock-
nung verteilt die Steuerung die Skids auf
die parallelen Lackierlinien 2 oder 3. Da-
durch verdoppelt sich die für die Lackie-
rung zur Verfügung stehende Taktzeit auf
170 Sekunden. In beiden Linien stehen
jeweils zwei Lackierkabinen mit je zwei
Robotern für die Applikation von Highso-
lid-Basislack und Topcoat mit Hochrotati-
onszerstäubern zur Verfügung. Gerade bei
den komplexen 3D-Teilen vom Grill bis zu
den Cab-Corners spielt der Hochrotations-
zerstäuber mit zwei Lenkluftringen, ohne
Elektrostatik, seineVariabilität aus, so dass
sich sowohl für schmale Stege als auch für
große Flächen stets eine optimale Einstel-
lung finden lässt. Zwischen dem Auftrag
der einzelnen Lackschichten ist eine kur-
ze Flash-Off-Zone vorgesehen, nach der
die nächste Schicht nass-in-nass lackiert
werden kann. Linie 3 verfügt über zwei zu-
sätzliche Kabinen, um dieApplikation von
Metallic-Lacken auf Wasserbasis zu er-
möglichen. Dafür steht ein kurzer Ofen zur
Zwischentrocknung des Wasserbasislacks
zur Verfügung. Die Lacknebelabschei-
dung erfolgt bei allen Linien klassisch per
Nassauswaschung mit RTO-Nachverbren-
nung. Da der Frischluftanteil bei nur 5 Pro-
zent liegt, arbeitet die Nachverbrennung
nach dem Hochfahren bei ausreichender
Auslastung der Lackierlinie vollständig
autotherm. Eine vorherige Aufkonzentra-
tion ist nicht nötig.
490 Farben per Molchsystem
Die Planung der Teilesequenz erfolgt
zentral entsprechend dem Kundenbedarf,
infolgedessen werden die zehn häufigsten
Farben in Ringleitungen vorgehalten. „50
Prozent der Teile sind nach wie vor Weiß,
das ist gut und leicht zu planen“, berich-
tet Loijenga. „Aber unter den restlichen
50 Prozent sind selten zwei gleiche Far-
ben.“ Vor diesem Hintergrund kann es
vorkommen, dass nach jedem Skid die
Farbe gewechselt werden muss, weshalb
die restlichen 490 Farben mittels eines
Molchsys-tems und drei Leitungen bis
zur Lackkabine geführt werden. Gespült
wird dann nur jeweils von der Molch-
station bis zum Roboter. Der Härter zir-
kuliert in einer eigenen Ringleitung und
wird erst unmittelbar im Zerstäuber zuge-
mischt, um den Verwurf zu minimieren.
So kann eine Farbe gespritzt werden,
während schon die nächste Farbladung bis
Da die Anforderungen der Kunden an die Optik eines LKWs stetig
zunehmen, ist eine sehr sorgfältige Qualitätskontrolle wichtig.
Jahrg. 68 (2014) 4 3
mechanisches bearbeiten mo
zur Lackierkabine vorgebracht wird. Die
dritte Leitung dient als Reserve. „Molch-
systeme sind sehr komplex und können
eben auch mal Schwierigkeiten machen“,
schmunzelt Loijenga. Zu beachten ist,
dass die 500 verschiedenen Lacke von
unterschiedlichen Herstellern stammen
und verschiedene Spezifikationen und Ei-
genschaften aufweisen, wodurch häufig
angepasste Applikationsprogramme in
Bezug auf Lenkluft und Ausbringmenge
notwendig sind.
Herausforderung
Farb- und Strukturmatch
Insbesondere weil zwischen dem Nasslack
auf Kunststoff und den Pulverlack auf
Stahl – gerade bei direkt angrenzenden
Teilen – ein exakter Farb- und Struk-
turmatch gelingen muss, arbeiten alle
Beteiligten intensiv daran, zum Beispiel
die Orangenhaut zwischen dem Lack auf
Kunststoff beziehungsweise Stahl immer
weiter zu verringern und die Oberflächen
aneinander anzugleichen. Nicht gerade
erleichtert wird diese Aufgabe dadurch,
dass die Kunststoffteile von unterschied-
lichen Zulieferern kommen und damit
die Eingangsqualität nicht unbedingt als
Konstante anzusehen ist. „Wir erzielen
zwar bereits sehr gute Resultate, aber die
Anforderungen seitens der Kunden steigen
immer weiter, deshalb müssen wir konti-
nuierlich unsere Qualität verbessern“,
schildert Loijenga die Aufgabenstellung.
Teil der Qualitätsphilosophie ist auch
die Skid-Kontrolle und -Reinigung. So
werden die Skids etwa alle 150 Durch-
läufe an den Aufnahmepunkten per
CO2-Pellet-Strahlen gereinigt. Nach 300
Runden erfolgt eine vollständige Entlac-
kung mit 2.500 bar Wasserdruck. Daran
schließt sich eine automatisierte Kontrolle
aller wichtigenAbmessungen an, da schon
geringe Verformungen zu Lackierfehlern
führen können. Um die Lackhaftung auf
den Skids zu reduzieren, erhalten die Skids
nach der Reinigung außerdem eine spezi-
elle Nanoversiegelung.
EineklareFolgedersteigendenoptischen
Ansprüche an Nutzfahrzeuge stellt die La-
ckierlinie 1 dar. Hier werden nur Chas-
sisteile wie Kotflügel oder Seitenver-
kleidungen aus Polypropylen oder Poly-
ethylen beschichtet. Um das sonst nicht
lackierbare Substrat entsprechend zu ak-
tivieren, werden die Teile zunächst von
zwei Robotern beflammt, dann folgen vier
Lackierroboter, die elektrostatisch appli-
zieren. „Früher waren diese Teile grund-
sätzlich schwarz“, berichtet der Leiter der
Lackiererei. „Heute bestellen 20 Prozent
der Kunden auch diese Teile in Wagenfar-
be.“ Auf Grund der im Vergleich zu den
anderen Linien geringeren Teilezahl ge-
nügt hier eine Taktzeit von 300 Sekunden.
Nach der Beschichtung erfolgt für
jedes Teil eine 100 Prozent-Kontrolle in
gut ausgestatteten Prüfkabinen, wie man
es auch aus der qualitätsbewussten Auto-
mobilbranche gewöhnt ist. Bei den Kunst-
stoffteilen gilt allerdings: Kleinere Fehler
werden repariert – ist der Fehler allerdings
zu gravierend, lohnt sich eine Entlackung
nicht, sondern das Teil wird entsorgt.
Anlagenverfügbarkeit
über 90 Prozent
Einen Schlüssel für stabile Prozesse ge-
rade bei einer so hohen Anlagenkomple-
xität sieht Loijenga in einer koordinierten
und prozesskundigen Instandhaltung. So
erfolgt die vorbeugende Wartung in der
produktionsfreien Nachtschicht, während
in jeder Tagschicht drei erfahrene Instand-
halter bereitstehen, die die Anlage von
den Pumpen bis zu den SPS-Steuerungen
beherrschen. Müssen neue Bauteile oder
neue Lacke eingeführt werden, erfolgt die
Entwicklung der Skids und Lackierpara-
meter offline per Simulation. Erst wenn
virtuell alles rund läuft, erfolgt die fina-
le Prozessoptimierung in der Linie. „Wir
erreichen trotz eines sehr komplexen Pro-
zesses eine I.O.-Quote von 80 Prozent bei
einer realen Anlagenverfügbarkeit von
über 90 Prozent. Das sind sehr gute Wer-
te, die vermutlich nicht erreichbar wären,
wenn die Abteilungen für Wartung und
Prozessführung nicht so eng miteinander
verknüpft wären“, so Loijenga. „Wir er-
fassen sämtliche Prozessdaten und wenn
etwas nicht klappt, arbeiten beide Abtei-
lungen zusammen, um eine kontinuierliche
Verbesserung zu erzielen.“
Mit einem derart großen Maß an Flexi-
bilität bezüglich Teilen und Farben zusam-
men mit einem hohenAutomatisierungsgrad
und einer hohen First-Run-Rate entspricht
die Lackiererei in Meppel in vielen Punk-
ten dem Ideal eines modernen Paintshops.
Überzeugend ist außerdem die intensive
Verknüpfung von Prozessführung und War-
tung, so dass trotz der hohen Gesamtkom-
plexität eine realeAnlagenverfügbarkeit von
über 90 Prozent gesichert werden kann.
i Scania CV AB, Schweden
www.scaniaproductionmeppel.nl
Kleinere Defekte werden in einer speziellen Nacharbeitssektion
beseitigt, bei zu großen Defekten wird das Teil verworfen.
Um die Optimierungszeit in der Linie zu mi-
nimieren, erfolgt die Parameterentwicklung
für neue Bauteile soweit wie möglich offline
per Simulation.

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  • 1. Jahrg. 68 (2014) 4 1 Der perfekte Look für LKWs 500 Farben und Losgröße eins für Kunststoffanbauteile im Nutzfahrzeugbereich Nutzfahrzeuge müssen heutzutage nicht mehr nur viel transportieren und wenig Diesel verbrauchen. Sie sollen zudem auch eine makellose und dem Image förderliche Optik aufweisen. Um diese Anforderungen erfüllen zu können, arbeitet ein bekannter europäischer Nutzfahrzeug- hersteller mit einer vollautomatisierten Kunststoffteilelackieranlage. Noch vor 20 oder 30 Jahren stand Käufern von Nutzfahrzeugen ab Werk nur eine mi- nimalistische Farbauswahl zur Verfügung. Sofern eine Sonderlackierung zum Beispiel in den Flottenfarben gewünscht wurde, war es üblich, den LKW nach der Auslieferung zu zerlegen und von Hand neu zu lackieren. „Nachdem der Trend zur individuellen La- ckierung bei LKWs immer mehr zunahm, haben wir kontinuierlich in unsere Farbpa- lette investiert, denn eine Sonderlackierung ab Werk spart dem Kunden Geld und bringt Qualität“, spannt Henk Loijenga, Manager des Lackierprozesses und der Wartung im Scania-Werk Meppel, den Bogen in die Ge- genwart. Und so wurden aus den anfäng- lichen zwei Werksfarben Weiß und Papri- karot bis heute 500 Farben, aus denen der Kunde wählen kann. Eine logistische Mei- ▲ Sonderdruck 4/2014 April 68 Jahre Kompetenz www.mo-oberflaeche.de Die Verkleidungsteile eines modernen LKWs unterscheiden sich stark in Form und Größe. Dementsprechend hoch sind die Anforderungen an die Flexibilität in der Lackiererei. Bilder:Scania Pro Lackierkabine arbeiten zwei Lackier- roboter mit Hochrotationszerstäuber – aber ohne Elektrostatik.
  • 2. Jahrg. 68 (2014) 42 Veranstaltungmo sterleistung, denn während das Fahrerhaus aus Metall am Scania-Standort Oskarshamn in Schweden mit Pulverlack beschichtet wird, erfolgt die Beschichtung sämtlicher Kunststoffanbauteile am Standort Meppel in Holland. Dort fertigte und lackierte man seit 1964 zunächst ausschließlich Fahrerhäuser. 2002 wurde deren Fertigung in Oskarshamn zentralisiert, der Standort Meppel geschlos- sen und die Lackierung von Kunststoff- anbauteilen zunächst im Lohn vergeben. Doch recht bald wurde deutlich, dass es aus Kosten- und Qualitätsgründen sinnvoll ist, die Kunststofflackierung ins eigene Haus zu holen. Daraufhin startete 2003 die Pla- nungsphase und 2005 begann schließlich die Umsetzung mit Dürr als Generalunter- nehmer und einem Gesamtvolumen von 45 Millionen Euro. Vollständig einsatzbereit war das Werk dann ab 2008. 45 Millionen Euro Turn-Key-Projekt Um sowohl der notwendigen Automa- tisierung als auch anderen modernen Prozesstechnologien gerecht werden zu können, mussten die alten Werkshallen weichen und ein Neubau für insgesamt drei Lackierlinien wurde auf drei Ebenen hochgezogen. Zwei Lackieranlagen sind ausschließlich für die Fahrerhausteile im Einsatz und eine gesonderte Linie mit re- duzierter Kapazität übernimmt zu lackie- rende Chassisteile aus Polypropylen. In Meppel werden heute Fahrerhausteile für alle in Europa täglich von Scania gefertig- ten LKWs beschichtet – im Durchschnitt etwa 235. Die Bauteile selbst sind in SMC- oder IMC-Bauweise hergestellt und wer- den vom Zulieferer fertig geprimert gelie- fert. Prinzipiell verfügt jedes Fahrerhaus über einen dreiteiligen Grill aus Metall, außerdem die sogenannten Cab-Corners, also die seitlichen Luftführungen, sowie Windabweiser und Sonnenblenden aus Kunststoff. 70 Prozent der Kunden ordern außerdem zusätzlich einen Dachspoiler. Dies sind zunächst zwar nur acht ver- schiedeneBauteile–allerdingsgibteszahl- reiche Varianten. So ist zum Beispiel bei den Seitenschwellern die Grundform im- mer gleich, aber es gibt verschiedene Bau- formen,diesichinderLängeunterscheiden. „Trotz der grundsätzlichen Ähnlichkeit brauchen wir häufig für jede Variante ein eigenes oder zumindest modifiziertes Roboterprogramm“, erläutert Loijenga. „Deshalb führen die vielen Varianten zu einer hohen Komplexität.“ Um die Teile für die Lackierung präzise und optimal zu positionieren, stehen drei verschiedene Skid-Typen zur Verfügung. Standard ist das C-Skid, das den unteren, mittleren und oberen Grill aufnehmen kann, außerdem die Cab-Corners und die Sonnenblende. Ist ein Dachspoiler gewünscht, kommt ein gesondertes D-Skid hinzu. Soll der Grill in einer anderen Farbe lackiert wer- den – bei 70 Prozent der Bestellungen ist es „Silver Brillant“ – wird noch das M-Skid benötigt, das zwei große Grill- elemente gleichzeitig aufnehmen kann. Die zwei Hauptlackierlinien erstre- cken sich bei einer Hallenhöhe von 15 Metern über drei Ebenen und arbeiten zweischichtig mit einer Kapazität von 500 Skids pro Tag. Die Taktzeit beträgt 85 Sekunden. Wird ein Skid eingefördert, erfolgt zunächst eine Reinigung in einer Spritzdurchlaufanlage. Nach der Trock- nung verteilt die Steuerung die Skids auf die parallelen Lackierlinien 2 oder 3. Da- durch verdoppelt sich die für die Lackie- rung zur Verfügung stehende Taktzeit auf 170 Sekunden. In beiden Linien stehen jeweils zwei Lackierkabinen mit je zwei Robotern für die Applikation von Highso- lid-Basislack und Topcoat mit Hochrotati- onszerstäubern zur Verfügung. Gerade bei den komplexen 3D-Teilen vom Grill bis zu den Cab-Corners spielt der Hochrotations- zerstäuber mit zwei Lenkluftringen, ohne Elektrostatik, seineVariabilität aus, so dass sich sowohl für schmale Stege als auch für große Flächen stets eine optimale Einstel- lung finden lässt. Zwischen dem Auftrag der einzelnen Lackschichten ist eine kur- ze Flash-Off-Zone vorgesehen, nach der die nächste Schicht nass-in-nass lackiert werden kann. Linie 3 verfügt über zwei zu- sätzliche Kabinen, um dieApplikation von Metallic-Lacken auf Wasserbasis zu er- möglichen. Dafür steht ein kurzer Ofen zur Zwischentrocknung des Wasserbasislacks zur Verfügung. Die Lacknebelabschei- dung erfolgt bei allen Linien klassisch per Nassauswaschung mit RTO-Nachverbren- nung. Da der Frischluftanteil bei nur 5 Pro- zent liegt, arbeitet die Nachverbrennung nach dem Hochfahren bei ausreichender Auslastung der Lackierlinie vollständig autotherm. Eine vorherige Aufkonzentra- tion ist nicht nötig. 490 Farben per Molchsystem Die Planung der Teilesequenz erfolgt zentral entsprechend dem Kundenbedarf, infolgedessen werden die zehn häufigsten Farben in Ringleitungen vorgehalten. „50 Prozent der Teile sind nach wie vor Weiß, das ist gut und leicht zu planen“, berich- tet Loijenga. „Aber unter den restlichen 50 Prozent sind selten zwei gleiche Far- ben.“ Vor diesem Hintergrund kann es vorkommen, dass nach jedem Skid die Farbe gewechselt werden muss, weshalb die restlichen 490 Farben mittels eines Molchsys-tems und drei Leitungen bis zur Lackkabine geführt werden. Gespült wird dann nur jeweils von der Molch- station bis zum Roboter. Der Härter zir- kuliert in einer eigenen Ringleitung und wird erst unmittelbar im Zerstäuber zuge- mischt, um den Verwurf zu minimieren. So kann eine Farbe gespritzt werden, während schon die nächste Farbladung bis Da die Anforderungen der Kunden an die Optik eines LKWs stetig zunehmen, ist eine sehr sorgfältige Qualitätskontrolle wichtig.
  • 3. Jahrg. 68 (2014) 4 3 mechanisches bearbeiten mo zur Lackierkabine vorgebracht wird. Die dritte Leitung dient als Reserve. „Molch- systeme sind sehr komplex und können eben auch mal Schwierigkeiten machen“, schmunzelt Loijenga. Zu beachten ist, dass die 500 verschiedenen Lacke von unterschiedlichen Herstellern stammen und verschiedene Spezifikationen und Ei- genschaften aufweisen, wodurch häufig angepasste Applikationsprogramme in Bezug auf Lenkluft und Ausbringmenge notwendig sind. Herausforderung Farb- und Strukturmatch Insbesondere weil zwischen dem Nasslack auf Kunststoff und den Pulverlack auf Stahl – gerade bei direkt angrenzenden Teilen – ein exakter Farb- und Struk- turmatch gelingen muss, arbeiten alle Beteiligten intensiv daran, zum Beispiel die Orangenhaut zwischen dem Lack auf Kunststoff beziehungsweise Stahl immer weiter zu verringern und die Oberflächen aneinander anzugleichen. Nicht gerade erleichtert wird diese Aufgabe dadurch, dass die Kunststoffteile von unterschied- lichen Zulieferern kommen und damit die Eingangsqualität nicht unbedingt als Konstante anzusehen ist. „Wir erzielen zwar bereits sehr gute Resultate, aber die Anforderungen seitens der Kunden steigen immer weiter, deshalb müssen wir konti- nuierlich unsere Qualität verbessern“, schildert Loijenga die Aufgabenstellung. Teil der Qualitätsphilosophie ist auch die Skid-Kontrolle und -Reinigung. So werden die Skids etwa alle 150 Durch- läufe an den Aufnahmepunkten per CO2-Pellet-Strahlen gereinigt. Nach 300 Runden erfolgt eine vollständige Entlac- kung mit 2.500 bar Wasserdruck. Daran schließt sich eine automatisierte Kontrolle aller wichtigenAbmessungen an, da schon geringe Verformungen zu Lackierfehlern führen können. Um die Lackhaftung auf den Skids zu reduzieren, erhalten die Skids nach der Reinigung außerdem eine spezi- elle Nanoversiegelung. EineklareFolgedersteigendenoptischen Ansprüche an Nutzfahrzeuge stellt die La- ckierlinie 1 dar. Hier werden nur Chas- sisteile wie Kotflügel oder Seitenver- kleidungen aus Polypropylen oder Poly- ethylen beschichtet. Um das sonst nicht lackierbare Substrat entsprechend zu ak- tivieren, werden die Teile zunächst von zwei Robotern beflammt, dann folgen vier Lackierroboter, die elektrostatisch appli- zieren. „Früher waren diese Teile grund- sätzlich schwarz“, berichtet der Leiter der Lackiererei. „Heute bestellen 20 Prozent der Kunden auch diese Teile in Wagenfar- be.“ Auf Grund der im Vergleich zu den anderen Linien geringeren Teilezahl ge- nügt hier eine Taktzeit von 300 Sekunden. Nach der Beschichtung erfolgt für jedes Teil eine 100 Prozent-Kontrolle in gut ausgestatteten Prüfkabinen, wie man es auch aus der qualitätsbewussten Auto- mobilbranche gewöhnt ist. Bei den Kunst- stoffteilen gilt allerdings: Kleinere Fehler werden repariert – ist der Fehler allerdings zu gravierend, lohnt sich eine Entlackung nicht, sondern das Teil wird entsorgt. Anlagenverfügbarkeit über 90 Prozent Einen Schlüssel für stabile Prozesse ge- rade bei einer so hohen Anlagenkomple- xität sieht Loijenga in einer koordinierten und prozesskundigen Instandhaltung. So erfolgt die vorbeugende Wartung in der produktionsfreien Nachtschicht, während in jeder Tagschicht drei erfahrene Instand- halter bereitstehen, die die Anlage von den Pumpen bis zu den SPS-Steuerungen beherrschen. Müssen neue Bauteile oder neue Lacke eingeführt werden, erfolgt die Entwicklung der Skids und Lackierpara- meter offline per Simulation. Erst wenn virtuell alles rund läuft, erfolgt die fina- le Prozessoptimierung in der Linie. „Wir erreichen trotz eines sehr komplexen Pro- zesses eine I.O.-Quote von 80 Prozent bei einer realen Anlagenverfügbarkeit von über 90 Prozent. Das sind sehr gute Wer- te, die vermutlich nicht erreichbar wären, wenn die Abteilungen für Wartung und Prozessführung nicht so eng miteinander verknüpft wären“, so Loijenga. „Wir er- fassen sämtliche Prozessdaten und wenn etwas nicht klappt, arbeiten beide Abtei- lungen zusammen, um eine kontinuierliche Verbesserung zu erzielen.“ Mit einem derart großen Maß an Flexi- bilität bezüglich Teilen und Farben zusam- men mit einem hohenAutomatisierungsgrad und einer hohen First-Run-Rate entspricht die Lackiererei in Meppel in vielen Punk- ten dem Ideal eines modernen Paintshops. Überzeugend ist außerdem die intensive Verknüpfung von Prozessführung und War- tung, so dass trotz der hohen Gesamtkom- plexität eine realeAnlagenverfügbarkeit von über 90 Prozent gesichert werden kann. i Scania CV AB, Schweden www.scaniaproductionmeppel.nl Kleinere Defekte werden in einer speziellen Nacharbeitssektion beseitigt, bei zu großen Defekten wird das Teil verworfen. Um die Optimierungszeit in der Linie zu mi- nimieren, erfolgt die Parameterentwicklung für neue Bauteile soweit wie möglich offline per Simulation.